der funke - ausgabe nr. 12

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Pomigliano beugt sich nicht! Nr. 12 / Dezember 2010 Wiederaufschwung oder Zwischenauf- schwung? Zum 70. Todestag von Leo Trotzki Für die Einheit der ArbeiterInnen und der Jugend!

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der Funke, Zeitung der marxistischen Strömung in JUSO und Gewerkschaft - Ausgabe Nummer 1, 1. Dezember 2010

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Page 1: der Funke - Ausgabe Nr. 12

Pomigliano beugt sich

nicht!

Nr. 12 / Dezember 2010

Wiederaufschwung oder Zwischenauf-

schwung?

Zum 70. Todestag von

Leo Trotzki

Für die Einheit der ArbeiterInnen und der Jugend!

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inhalt

Europa geht momentan zielstrebig daran, die kosten der krise und die der riesigen Bankenrettungspakette auf die Mehrheit abzuwälzen. Pensionen und Soziallei-stungen werden gekürzt, Löhne gesenkt, Lohnabhängige entlassen. Ganze Staaten werden bei vollem Bewusstsein über die Auswirkungen kaputt gespart. Gleichzeitig wird ein erbitterter kampf um Währungen, um die konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft und um protektionistische Massnahmen ausgefochten. Wenn die Bürgerlichen aber denken, dass dies einfach so hingenom-men wird, dann täuschen sie sich. Die fran-zösische organisierte ArbeiterInnenklasse zeigte diesen Herbst, wie mächtig sie ist. Die Griechen bewiesen mit wiederholten Generalstreiks, dass sie die Verarmung der Mehrheit nicht einfach hinnehmen. Die-sen November haben die portugiesischen Lohnabhängigen ebenfalls den ersten Generalstreik durchgeführt, um sich ge-gen Sparmassnahmen zu wehren. Auch in England gab es letzten Monat massive Pro-teste der Studierenden gegen die Verdrei-fachung der Studiengebühren. Das ist erst der Anfang. Der Lebensstandart der Euro-päer ist massiv gefährdet und dies wird Be-wegungen auslösen, welche wir uns heute noch nicht einmal vorstellen können.

Auch an der Schweiz sind die krise nicht einfach spurlos vorüber gegangen. Auch hier sind die bürgerlichen Politiker der Sparhysterie verfallen. Mit dem Sanierungs-programm (San 10) hat der kanton Zürich 1,9 Milliarden Franken Sparmassnahmen, vor allem in den Bereichen Bildung und Ge-sundheit, im Sinn. Parallel dazu wurde die Steuergerechtigkeitsinitiative, welche end-lich Schluss mit den Steuergeschenken für Superreiche machen sollte, abgelehnt und stattdessen die Ausschaffungsinitiative als erneuten Peitschenhieb gegen Migran-tInnen angenommen. Doch langsam aber sicher regt sich Widerstand gegen diese of-fensichtliche ungerechtigkeit.

Zumindest Teile der Lohnabhängigen und der Jugend erkennen immer deutlicher, dass sie nur durch frontale kämpfe gegen die Besitzenden ihre Interessen verteidi-gen können. Diese fortschrittliche Tendenz drückt sich auch in der unia aus, welche sich mit einem neuen Positionspapier für den kommenden kongress wieder vermehrt auf die Gewerkschaftsbasis konzentrieren will. Auch wird die Wirtschaftsdemokratie wie-der als konkretes Ziel angestrebt, was die alltäglichen Arbeitskämpfe in eine länger-

fristig progressive Perspektive einbettet. Auch in der Sozialdemokratie zeigen sich erste Anzeichen von Bewegung, Jahrzehn-telange kompromiss-Politik haben die Par-tei von seiner traditionellen Wählerschaft entfremdet und dafür dem Mittelstand die Hand geboten. So verlor die SP kontinu-ierlich an Profil und schafft es auch heute kaum noch eine Alternative zum restlichen bürgerlichen Politkuchen zu bieten. Nun hat der Parteitag jedoch gezeigt, dass so-wohl die Juso als auch Teile der SP- Basis mit der Forderung nach einer linkeren Orientie-rung der Partei breite Zustimmung finden. Dennoch kann das im Parteiprogramm be-schriebene Fernziel der Überwindung des kapitalismus oder der Armeeabschaffung keineswegs über die Schwäche des Pro-gramms hinwegtäuschen, welches keine klaren und einheitlichen Positionen vertritt. Vielmehr ist es eine Ansammlung sich wi-dersprechenden Gesellschaftsanalysen und Perspektiven, dies als kompromisslösung zwischen den verschiedenen Parteiflügeln. Doch gerade weil es auf politischem Ter-rain keine Alternative zu den bürgerlichen Parteien gibt, muss die traditionell klassen-kämpferische Sozialdemokratische Partei die Ausgangslage für eine echte Interes-sensvertretung der Lohnabhängigen sein. Die andauernde Parteischwäche muss von dem kämpferischen Teil der Linken genutzt werden, so dass ein grundlegender Strate-giewechsel erreicht werden kann. Der Par-teiapparat muss sich wieder an der Basis orientieren, verkommt er doch andernfalls zum Selbstzweck. Die Politik muss auf die Strasse getragen werden, um ein allge-meines Bewusstsein schaffen zu können, anstatt sie den Parlamentariern zu überlas-sen. Einerseits müssen die täglichen kämpfe der Lohnabhängigen gemeinsam mit den Gewerkschaften geführt werden. Anderer-seits ist es Aufgabe der Partei, von diesen realwirtschaftlichen Forderungen ausge-hend, gesamtgesellschaftliche Schlussfol-gerungen zu ziehen und diese umzusetzen. Die Partei als fortschrittlichste kraft, welche durch eine breite Diskussionskultur und Bildung der Basis ein breites politisches Bewusstsein schafft, dass muss Ziel der hof-fentlich bald einsetzenden umorientierung der SP sein.

Die redaktion

Editorial schweiz03 Die SP steht zu ihren Wurzeln

09 San10

10 Bonzensteuer der Juso

arbeiterInnenbewegung04 uNIA - Dienstleistungsgewerk-

schaft oder kampforganisation?

07 Gewerkschaft und Partei

11 Gehämmert und Gesichelt

19 Eurodemonstration

international15 Frankreich - Lehren aus dem

Protest

16 Venezuela: Warnschuss für die

revolution

geschichte12 Trotzki - Leben und Werk Teil 2

wirtschaft17 Währungskriege - Was kommt

danach?

über meine Arbeit19 Ich bin kleinkindererzieherin

Impressum: kontakt: Der Funke Schweiz, Postfach 1696, 8401 Winterthur, [email protected]; Druck: Eigenverlag; Auflage: 200 Stück; Abonnement: [email protected]; redaktion: Matthias Gränicher, Anna Meister, Olivia Eschmann; Layout: Matthias Grän-icher; Die Zeitschrift behandelt Fragen der Theorie und Praxis der schweizerischen und internationalen ArbeiterInnenbewegung.

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schweiz

Die SP steht zu ihren Wurzeln In den Tagen nach dem SP-Parteitag prägte die Partei die Frontseite jeder grösseren Zeitung. Schlagzeile um Schlagzeile, Artikel um Artikel, kommentar um kommentar nahmen sie sich die Entschlüsse des Parteitags vor. In der Deutschschweiz fielen die reaktionen der Medien mehrheitlich negativ aus, es wurde von „rückschritt“ und dem „Abwenden von der Wählerschaft“ gesprochen.

In den Tagen nach dem SP-Parteitag prägte die Partei die Frontseite jeder grösseren Zeitung. Schlagzeile um Schlagzeile, Arti-kel um Artikel, kommentar um kommentar nahmen sie sich die Entschlüsse des Partei-tags vor. In der Deutschschweiz fielen die reaktionen der Medien mehrheitlich ne-gativ aus, es wurde von „rückschritt“ und dem „Abwenden von der Wählerschaft“ gesprochen.

Schaut man sich die Ereignisse, welche viele europäischen Länder in den letzten Monaten geprägt haben an, die Massende-monstrationen und Streiks gegen Sozial-abbau und Sparpakete, wird verständlich, dass die Schweizer Bürgerlichen und, stell-vertretend für sie, die bürgerlichen Medien Angst davor haben, dass eine sich auf ihre Wurzeln besinnende SP etwas „unschwei-zerisches“ ins rollen bringen könnte. Die Forderung nach der Überwindung des kapitalismus, nach einer demokratischen Wirtschaft, von der zweitstärksten Partei des Landes ausgesprochen, kommt für sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Einem Zeitpunkt, in dem auch in der Schweiz die Sparpakete geschnürt und die Sozi-alleistungen abgebaut werden. und die Wirtschaftskrise, welche die regierung zu diesen Massnahmen zwingt, wird andau-ern, weitere Spar- und Abbauprogramme werden folgen und auch in der Schweiz werden sich die Lebensbedingungen der breiten Bevölkerung verschlechtern.

Abschaffung des kapitalismus?

Was diese Medienschaffenden jedoch zu vergessen scheinen, ist, dass die Über-windung des kapitalismus traditionell im Programm der SP gefordert wird und dass diese Forderung für einen grossen Teil der SP-PolitikerInnen nichts weiter als eine Floskel darstellt. So distanziert sich Frak-tionspräsidentin ursula Wyss gegenüber den Medien sofort von dieser Forderung und meint, diese habe nichts mit ihrer re-alpolitischen Arbeit zu tun. Diese Auftei-lung in unmittelbare Forderungen, bzw. reformen und in ein (sehr weit in die Ferne gerücktes) langfristiges Ziel ist typisch für die Sozialdemokratie. So lange aber die

Forderung nach einem demokratischen Sozialismus keinen Einfluss auf die tägliche Politik der Partei nimmt, so lange nicht die alltäglichen politischen Forderungen mit dem Ziel der Überwindung des kapitalis-mus in Verbindung gebracht werden, sind sie weiter nichts als Worte.

„Projekt – Levrat“ gescheitert

Die SP ist seit jeher geprägt von verschie-denen politischen Tendenzen und Flügeln und die Führung der Partei sah und sieht ihre Aufgabe darin, diese Flügel möglichst zu einen und konfrontationen zu vermei-den. Das „Projekt-Levrat“ mit den unzähli-gen Vizepräsidentinnen und –präsidenten aus allen Flügeln stellt genau diesen Ver-such dar. Das Parteiprogramm von Hans-Jürg Fehr sollte dem ganzen einen theo-retischen Überbau, natürlich wiederum unter Berücksichtigung aller Flügel, geben. Entsprechend ist das Programm in sich wi-dersprüchlich und wirr.

Doch der kitt, welcher diese Partei zusam-menhalten sollte, bröckelt und die inter-nen Widersprüche sind an diesem Partei-tag sichtbar geworden. Deutlich haben sich der linke und der rechte Flügel der Partei gezeigt. Der rechte Flügel, welcher vorwiegend aus der linksliberalen Parla-mentsfraktion besteht, hat mit seiner re-aktion sowohl auf das Programm wie auch im Besonderen auf die Parolenfassung zur Ausschaffungsinitiative gezeigt, dass er auf die Parteidemokratie pfeift. Aber nicht nur in den nationalen Parlamenten, sondern auch in den Lokalregierungen und –räten ist die abweisende, ja teilweise gar ängst-liche reaktion auf die Entschlüsse geprägt von einer jahrelangen Zusammenarbeit und kompromissfindung mit den Bürger-lichen, welche plötzlich, verbal zumindest, bedroht scheint. Dem gegenüber steht ein erstarkter linker Flügel, welcher sich am Parteitag in vielen Fragen durchsetzen konnte. Dieser besteht hauptsächlich aus GenossInnen der romandie und der Juso. Die romandie stellt seit jeher einen pro-gressiven Teil der Partei dar. Die Wahlnie-derlagen und auch die Tatsache, dass die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in der Westschweiz bis jetzt grösser sind (eine Ar-

beitslosenquote von 5% und mehr), spie-geln sich hier zusätzlich. Auch die Jugend nimmt historisch gesehen immer wieder eine fortschrittliche rolle ein. Die Juso hat sich in den letzten Jahren immer mehr nach links bewegt und vertritt ihre Ideen verstärkt auch so in der Öffentlichkeit.

Linksrutsch?

Trotzdem, um von einem wirklichen Links-rutsch der SPS zu sprechen, ist die Zeit noch zu früh. Am Parteikongress hat sich ausgedrückt, dass die Basis kämpferischer als ihre Führung ist, nur wird dies in der alltäglichen Politik wohl noch kaum Aus-wirkungen haben. Die Führung bleibt die gleiche, die Parlamentsfraktion wird wei-terhin eine dominieren Stellung innerhalb der SPS einnehmen und an der „realpoli-tik“ in den Parlamenten, regierungen und Gremien wird sich im Moment kaum etwas verändern. Die absehbare Niederlage bei den Nationalratswahlen, die andauernde krise und die Sparprogramme werden aber den linken Flügel stärken. Am Par-teitag haben sich die Widersprüche in der Partei wieder deutlicher gezeigt; ein Pro-zess der Differenzierung zeichnet sich ab. Die Tendenzen, welche à la SPD, mit der sozialdemokratischen Tradition brechen wollten, wurden von der mutigen Basis gebremst und der Bewegung in richtung politische Mitte ein riegel vorgeschoben. Die Basis der SP will sich ihren historischen Wurzeln nicht berauben lassen. Dass die Forderungen des demokratischen Sozialis-mus und der Überwindung des kapitalis-mus ins Programm aufgenommen wurden, bezeugt dies am deutlichsten. Dies hat viel mit der Zeit, in der wir uns befinden, zu tun. Die Entwicklungen seit dem Bör-sencrash vor zwei Jahren; die rettung der Banken, die kurzarbeit und ersten Massen-entlassungen, die Eurokrise und die stän-digen Angriffe auf unsere sozialen Errun-genschaften haben ihren Einfluss auf das Bewusstsein der SP-Basis. Sie will wieder eine Politik, die Fragen aufwirft und wirk-liche Veränderungen fordert.

Anna MeisterVorstand Juso Winterthur

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Ein kongress ist in einer Gewerkschaft im-mer ein aussergewöhnliches Ereignis, an welchem wegweisende Entscheidungen getroffen und die Weichen für die näch-ste Periode gestellt werden. Der ausseror-dentliche unia-kongress vom Dezember verspricht darum einige Spannung, auch wenn er vordergründig nur die übrigge-bliebenen Anträge zu den Statuten des letzten kongresses behandelt. Die Diskus-sionen, welche am kongress stattfinden werden, sind im kontext der objektiven wirtschaftlichen Bedingungen und den stattfindenden politischen Ereignissen zu verstehen.

Die Gewerkschaften stehen europaweit an einem Wendepunkt: Seit dem Beginn der krise wurde deutlich, dass es den Gewerkschaften ohne kämpfe und Mo-bilisierungen nicht mehr gelingt den Le-bensstandard und die Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung gegen die Angriffe der besitzenden klasse zu vertei-digen, geschweige denn durch soziale re-formen auszubauen.

Die Wirtschaftskrise hat auch in der Schweiz unzählige Jobs vernichtet. Im letzten Jahr gingen alleine in der Maschinen-, Elektro und Metallindustrie über 21 000 Stellen verloren. Nach der Abstimmung über die Abbaurevision der Arbeitslosenversiche-rung im September gehen die Angriffe der Bürgerlichen auf die Sozialwerke munter weiter. So konnte die 11. AHV-revision im Parlament nur dank einer unheiligen Al-lianz der Linken mit der Schweizerischen Volkspartei (SVP) im letzten Moment noch gebodigt werden. Als nächstes steht die revision der Invalidenversicherung (IV) vor der Tür, welche vorsieht, das 12 000 -15 000 IV-renten mittelfristig gestrichen werden sollen.

Sozialabbau, Sparprogramme und Stel-lenvernichtung sind die Antworten der

Die unia

arbeiterInnenbewegung

rund 400 Delegierte der grössten Schweizer Gewerkschaft treffen sich am 4. Dezember zu einem ausserordent-lichen kongress in Lausanne. Im Mittelpunkt der inhaltlichen Diskussionen steht ein Positionspapier, welches die rolle der aktiven Mitglieder und Vertrauensleute (VL) der unia stärken möchte.

Dienstleistungsgewerkschaft oder kampforganisation?

bürgerlichen Abzocker auf die krise. Die leidtragenden sind die Lohnabhän-gigen und die sozial Schwachen in der Schweiz und in ganz Europa. Vor diesem Hintergrund ist die Gewerkschaftsbewe-gung gefordert, sich zu wehren und ihre

Mitglieder zu mobilisieren, wie kürzlich auf beeindruckende Weise in der Bewe-gung gegen die asoziale rentenreform in Frankreich geschehen.

Die krise sind sie, die Lösung sind wir!

Bereits im letzten Jahr lancierte die unia unter diesem Titel eine Bewegung ge-gen die krise. Vorläufiger Höhepunkt dieser kampagne war die grosse Anti-krisendemonstration im September 2009, an welcher über 30 000 Menschen in Bern auf die Strasse gingen. Mit einem klaren Nein zu einem tieferen renten-umwandlungsatz bei der 2. Säule konn-ten im Frühling die Gewerkschaften un-ter massgeblicher Beteiligung der unia den rentenklau verhindern. Seit diesem Erfolg stellt der Schweizerische Gewerk-schaftsbund (SGB) die Frage der „Abzo-cker gegen das Volk“, also Oben gegen

unten, konsequent in den Mittelpunkt im kampf gegen den Sozialabbau. Dass vermehrt wieder die klassenfrage ge-stellt wird, ist nicht zuletzt dem Einfluss der unia zu verdanken. Sitzen doch in der Geschäftsleitung mittlerweile mehr-

heitlich kollegen, welche traditionell dem linken Gewerk-schaftsflügel ange-hören und zumin-dest in ihrer Jugend nichts weniger als die soziale revoluti-on gefordert haben. Es wird immer offen-sichtlicher, dass die unia die dominante sozialpolitische Ge-genkraft mit Mas-sencharakter in der Schweiz ist. Das nicht

nur wegen ihrer rein zahlenmässigen Stärke von rund 200 000 Mitgliedern.

Auch wenn die unia somit zur schlagkräf-tigsten und fortschrittlichsten Organisa-tion der Lohnabhängigen geworden ist, gibt es aus unserer Sicht einige wichtige kritikpunkte:Die Schwachpunkte liegen einerseits in den inhaltlichen Positionen und andererseits in der kleinen Anzahl von wirklich bewussten und aktiven Ba-sismitgliedern.

Inhaltlich zeigte sich die unia seit dem Beginn der krise nicht von ihrer kämpfe-rischsten Seite. konjunkturprogramme, kaufkrafterhaltung, kurzarbeit und eine diffuses Programm zum ökosozialen um-bau der Gesellschaft waren die ungenü-genden keynesianistischen Antworten. Gegen Massenentlassungen in Betrieben wurde nicht konsequent gekämpft, son-dern früher oder später der kompromiss mit der unternehmensleitung gesucht. resultate waren bisher ausschliesslich

unia kongress 2008

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arbeiterInnenbewegung

Sozialpläne, welche die sozialen Härten abfedern. Stellenabbau oder Betriebs-schliessungen konnten nicht verhindert werden, sogar wenn die Angestellten zum kampf bereit waren. Dies zeigte auch das jüngste traurige Beispiel der Schliessung der Bierbrauerei Cardinal in Frybourg. Der Gewerkschaftsführung fehlt es noch an Mut und Ideen mit der unternehmerklasse zu brechen und die Machtfrage in den Betrieben und der Ge-sellschaft zu stellen.Dies ist auch keine Entwicklung von Heute auf Morgen, aber die Gewerkschaften würden gut daran tun, die Auseinandersetzungen mit den unternehmern zu suchen, statt in der klassenzusammenarbeit lediglich den sozialen Frieden durch kompromisse mit der herrschenden klasse zu verteidigen. Geschichte der unia

Nach der Gewerkschaft der Hochkon-junktur die Gewerkschaft für raue Zeiten aufbauen – so beschrieb Vasco Pedrina, ehemaliger Präsident der Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI), die grosse He-rausforderung, vor der die Gewerk-schaftsbewegung in den Neunzigerjah-ren stand.

Der linke Gewerkschaftsflügel, der damals in der GBI an die Macht gekommen war, definierte zwei grundlegende Probleme vor der die Gewerkschaftsbewegung stand: Die jahrzehntelange Politik des Arbeitsfriedens führte zu einer verhee-renden Schwächung der kampffähigkeit. So war es ein Ding der unmöglichkeit die Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung gegen die zunehmenden Angriffe und gegen die neoliberale Of-fensive der unternehmerklasse zu vertei-digen. Die neoliberale Ideologie und der gewerkschaftsfeindliche Individualismus hinterliess seine Spuren bis tief in die Or-ganisationen und Parteien der Arbeiter-bewegung. Zweitens wurde die Wende zur Deindustrialisierung und zum mas-siven Ausbau des Dienstleistungssektors verpasst. Die Folge war, dass sich seit den 70er Jahren nicht nur die Zahl der Arbeitnehmenden in der verarbeiten-den Industrie und im Gewerbe sondern auch die Mitgliederzahlen der Gewerk-schaften halbiert hatten. Die Schlussfol-gerungen daraus waren, dass eine neue Art von Gewerkschaftsbewegung nötig war: Eine kämpferische, interprofessio-nelle Gewerkschaft, welche die rolle als

sozialpolitische Gegenmacht einnimmt.

Als Antwort folgte die Gründung der interprofessionellen, branchenüber-greifenden unia im Jahre 2004. Die GBI Führung überzeugte dabei den rechten Gewerkschaftsflügel, der traditionell im Schweizerischen Metall- und uhrenar-beiterverband (SMuV) und im VHTL (Ge-werkschaft Verkauf, Handel, Transport und Lebensmittel) stark war, vom neu-en Projekt. Aufgrund des vernichtenden Mitgliederrückgangs blieb praktisch kei-ne andere Wahl als die Fusion und somit die Flucht nach vorne. Die Bilanz nach 6 Jahren unia ist mehr-heitlich positiv. Wie oben bereits aus-geführt wurden einige Fortschritte auf dem Weg zu einer kämpferischen Ge-werkschaftsbewegung erzielt. Die unia ist mittlerweile die zweite referendum-skraft im Land. Zudem konnte 2009 erst-mals seit über 30 Jahren eine ausgegli-chene Mitgliederrechnung präsentiert werden. Desweiteren wurde die Präsenz in den Dienstleistungsbranchen verstär-kt. Ein zusätzlicher Faktor, der von der Gewerkschaftsführung oft angeführt wird, ist der schlagkräftige professionelle Gewerkschaftsapparat. In der unia ar-beiten 900 Angestellte, wovon etwa 350 Gewerkschaftssekretäre und – sekretä-rinnen sind. Gerade dieser Punkt besitzt einen Doppelcharakter, da mehr Profis auch mehr Geld kosten, tendenziell die Bürokratie begünstigen und die Stellver-tretungslogik fördern. Dies ist auch einer der negativen Aspekte der unia der im Zusammenhang mit der Schwäche der

Verwurzelung in den Betrieben und der Schwächung des VL-Netzes steht.

Stärkung der unia-Vertrauens-leute – die grosse Herausfor-derung

Erklärtes Ziel des Positionspapiers ist die Stärkung der aktiven Mitglieder in der Gewerkschaft. Die unia soll daher nicht mehr einfach „für die Lohnabhängigen, Arbeitslosen, rentnerInnen und Lehr-linge agieren, sondern mit Ihnen“, wie es im Positionspapier steht. Eine Abkehr also von der Stellvertretungslogik, wel-che die Gewerkschaften seit Jahrzehnten dominiert. Die Einsicht wächst, dass ein schlagkräftiger Profiapparat die Aktivi-stInnen nicht ersetzt und eine weitere Stärkung der unia damit nicht möglich ist. Eine weitere Stärkung ist nur möglich mit der Stärkung der Vertrauensleuten und der Verwurzelung auf dem Terrain. So sollen die unia-Netzwerke in Betrie-ben, vor allem in mittleren und grösseren, innerhalb von Branchen mit Gesamtar-beitsverträgen, in Balllungszentren, wie Industriecluster und Einkaufszentren und in den Ausbildungsstätten verstärkt werden. Die Verwurzelung auf dem so-zialen Terrain soll über Gruppen und so-ziale Netzwerken unter Frauen, Jugend-lichen, MigrantInnen und rentnerInnen erfolgen. Zudem durch vermehrte Prä-senz in Quartieren und Gemeinden. Die virtuellen Netzwerke wie Facebook oder das Internet allgemein sollen dabei ge-nauso beachtet werden wie politische Netzwerke.

krisendemo 2009

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arbeiterInnenbewegung

um ein solche Wende zu schaffen braucht es mehr als nur eine Willenserklärung. Das Positionspapier fordert daher, dass der Apparat die nötigen ressourcen in dieses Projekt investiert, was bisher im-mer ein Hindernis darstellte für Funkti-onäre, welche bereits in diese richtung gehen wollten. Ausserdem sollen die Schulung und die politische Bildung der Vertrauensleute ausgebaut und verstär-kt werden. Zusätzlich sollen den VL auch die nötigen Instrumente in Form von kommunikationsmitteln und Treffpunk-ten zur Verfügung stehen.

Wachstum und Aufbau der aktiven Ver-trauensleute bedeutet Verschiebung der Macht vom Apparat zu den Mitgliedern. Die Frage der internen Demokratie wird darum im Papier ausführlich behandelt. Entscheidungsprozesse sollen - im rah-men der statuarisch festgelegten Ziele und des Leitbildes von unia – ergebni-soffen sein. Dies umfasst die strategische Linie, die Zielsetzungen, die Wahlen von Leitungspersonen und gewerkschaftlich Delegierten, Entscheide der Lohn-Politik und das Abschliessen von kollektivver-trägen sowie die Entscheidungsmacht über das Budget.

Eine weitere Stärkung der aktiven Basis soll über den Aufbau von Branchen- und Betriebsgruppen erreicht werden, wofür wiederum die benötigten ressourcen und das Bildungsangebot auch auf der lokalen Ebene zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies ist momentan noch nicht gegeben: In der alltäglichen Gewerkschaftsarbeit mussten wir oft er-leben, dass der Aufbau der aktiven Grup-pen und Gewerkschaftsmitglieder we-gen den zu geringen ressourcen, welche der Apparat zu investieren bereit war, gehemmt wurde. Dies betrifft vor allem die Zeit, welche die Gewerkschaftsekre-tärInnen dafür aufwenden können, da die Mitgliederwerbung den grössten Teil ihrer Arbeitszeit beansprucht. Gerade in der Jugendarbeit, die ein Schwerpunkt der Stärkung der unia sein muss, aber auch im Aufbau von Betriebsgruppen oder gewerkschaftlichen Vertrauensleu-ten in den Branchen. Hinzu kommt das fehlende knowhow auf der Seite des Ap-parats, sowohl bei neuen und unerfah-renen Funktionären wie auch der führen-den kollegInnen.Auf der einen Seite führt die Angst vor

richtung. Nun gilt es die Strukturen ent-sprechend anzupassen und die ressour-cen dafür zur Verfügung zu stellen.

In einem zweiten Schritt wird es um die inhaltliche Neupositionierung der unia in der Gesellschaft gehen. Die Heraus-forderung ist es die konkreten Tages-forderungen der arbeitenden klasse mit der Forderung nach einem alternativen Gesellschaftsmodell zu verbinden. Dabei geht es um Positionen, welche nicht nur die Errungenschaften der Lohnabhängi-gen verteidigen oder ein grösseres Stück vom kuchen einfordern, sondern getreu der revolutionär-marxistischen Traditi-onen der Arbeiterbewegung die Macht-frage in der Gesellschaft stellen. Dass dabei die heutige, national orientierte Standortlogik durch eine internationa-listische Ausrichtung der Gewerkschaften ersetzt werden muss, ist selbstverständ-lich. Diese Diskussionen werden dann aber hoffentlich nicht mehr von einem kleinen kern von Profigewerkschaftern und AktivistInnen geführt, sondern von einer wachsenden Anzahl an bewussten und fähigen Gewerkschaftsmitgliedern, so wie es das Positionspapier fordert.

Daniel Flückiger Gewerkschaftssekretär unia Winterthur

Machtverlust, auf der anderen Seite die Zwänge der Alltagsarbeit zur Niedrig-haltung des politischen Bewusstseins der Vertrauensleute. So fühlen sich viele AktivistInnen nicht gut betreut, zu we-nig miteinbezogen und gewertschätzt, was das Interesse aktiv zu sein nicht un-bedingt begünstigt.

Schlussfolgerungen

Trotz den beschriebenen Schwächen, bewegt sich die unia als gesamtes in eine gute richtung. Sogar auf der euro-päischen Ebene hat sich die unia mitt-lerweile den respekt des linken und die Abneigung des rechten Flügels einge-holt. Vor kurzem wurde dem geistigen Schöpfer dieser kämpferischen und de-mokratischen Neuausrichtung, Vasco Pedrina, von bürokratischen Teilen des europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) Spaltungsabsichten und Linksra-dikalismus vorgeworfen.

Als in der unia aktive marxistische Strö-mung stehen wir voll und ganz hinter dem richtungswechsel die Basis zu stär-ken und unterstützen das Positionspa-pier. Absichtserklärungen und konzepte sind eine gute Sache, nur müssen diese dann auch jeweils wirklich umgesetzt werden. Dies werden wir fordern und aktiv unterstützen. Die Basis der unia drängt bereits seit einiger Zeit in diese

Protestaktion auf der Baustelle für mehr Lohn, 2010

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arbeiterInnenbewegung

Gewerkschaft und Partei zwei Organisationen einer Bewegungrund 400 Delegierte der grössten Schweizer Gewerkschaft treffen sich am 4. Dezember zu einem ausserordent-lichen kongress in Lausanne. Im Mittelpunkt der inhaltlichen Diskussionen steht ein Positionspapier, welches die rolle der aktiven Mitglieder und Vertrauensleute (VL) der unia stärken möchte.

Der Coop Grüze in Winterthur steht kurz vor einer Verlängerung der Ladenöff-nungszeiten. Neu soll das riesige Ein-kaufszentrum auch samstags bis 20.00 uhr geöffnet haben. Die Angestellten wehren sich, fürchten sie, noch mehr von ihrem Wochenende, ihrer gemein-samen Zeit mit der Familie und ihrer Zeit für sich, zu verlieren. Gemeinsam mit der Gewerkschaft unia planen sie den Widerstand (Siehe Gehämmert und Gesichelt S.11). um einen erfolgreichen Arbeitskampf führen zu können, braucht es viel Mut, Selbstvertrauen und Aus-dauer seitens der Belegschaft. Dies kann durch aktive Solidarität unterstützt und verstärkt werden. Als Jusos setzen wir uns für die rechte der Lohnabhängigen und gegen deren Ausbeutung ein. Als Partei können wir mit unserer Präsenz an einem Arbeitskampf, oder auch „nur“ mit einem Solidaritätsschreiben, eine grosse Bedeutung haben. Weht vor einem sich im Arbeitskampf befindenden Betrieb die Juso-Fahne, bedeutet das vieles: zum einen helfen wir, den Druck auf das unternehmen zu erhöhen, zum anderen zeigen wir der Bevölkerung, dass wir uns für sie stark machen. Für die Angestellten bedeutet es vor allem eines: Die Jugend steht hinter uns! Diese Solidarität trägt eine ungeheure kraft in sich. Sie zeigt auf, dass wir alle die gleichen Interessen haben, das gleiche Ziel verfolgen, den gleichen kampf führen, unabhängig von Herkunft, Alter und Geschlecht. Die Soli-darität ist einer der wichtigsten Grund-steine einer sozialistischen Politik.

Zwei Organisationen einer Be-wegung

Als Parteimitglieder geht unsere Verbin-dung zu der gewerkschaftlichen Arbeit aber noch viel weiter. Wir müssen uns als Teil einer gemeinsamen Bewegung verstehen. Die Juso setzt sich ein für

die rechte der Menschheit, für Gleich-heit, Gerechtigkeit und eben Solidarität. Darin bestehen auch die alltäglichen kämpfe der Gewerkschaften, wie im Bei-spiel des Coops Grüze in Winterthur oder auch eines gesetzlichen Mindestlohnes, welcher eine schon seit langem fällige Notwendigkeit darstellt, gezeigt wird. Gemeinsam mit den Gewerkschaften sind wir die Bewegung der Lohnabhän-gigen.

Die Zielsetzungen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) aus dem Jahre 1881 bringen dieses Verhältnis wie folgt zum Ausdruck: Politische Par-tei und Gewerkschaftsbund bilden ver-eint eine Organisation …. Die Partei ist die Trägerin des Prinzips, sie tritt mit der Fahne der Befreiung hinaus auf den kampfplatz gegen die heutigen Gewalt-haber. Sie braucht aber einen rückhalt an der Gewerkschaftsorganisation, wel-che ihrerseits in stiller, aber nachhaltiger Weise die Erkentniss der wirthschaft-lichen Lage des Volkes in die Massen bringt und so die Nothwendigkeit das Befreiungskampfes zur allgemeinen Ein-sicht bringt.

Die Gewerkschaft als Vertreterin kon-kreter wirtschaftlicher InteressenWie auch die unterschiedlichen Aufga-ben beider Organisationen gut auf. Auf letzteres wollen wir nun genauer einge-hen.

Die Gewerkschaften haben die Aufgabe, die unmittelbaren wirtschaftlichen Inte-ressen der Arbeitnehmenden zu vertre-ten, für diese zu kämpfen und die Lohn-abhängigen um diese Interessen herum zu organisieren. So setzen sie sich für bessere Arbeitsbedingungen und ge-gen Angriffe der Arbeitgeber und der Bürgerlichen ein. Die Gewerkschaft be-wegt sich theoretisch somit stets auf der

Ebene einer praktischen und unmittel-baren Interessensvertretung. Praktisch sieht das momentan ein wenig anders aus: Die Schwäche der SPS, die Interes-sen der Lohnabhängigen auf politischer Ebene zu vertreten, führt dazu, dass die Gewerkschaften zu einer stärkeren so-zialpolitischen kraft werden als die SP selbst.

Ein weiteres wichtiges Merkmal der Ge-werkschaft ist seine Heterogenität: Jede und Jeder kann sich der Gewerkschaft anschliessen. Im Gegensatz zur Partei bedarf es keiner gesamthaften inhalt-lichen und ideologischen Übereinstim-mung, welche die unmittelbaren Forde-rungen des gewerkschaftlichen kampfes überschreitet. Die Gewerkschaft besteht dadurch aus vielen „verschiedenen“ Mit-gliedern. Verschieden nicht in ihren Inte-ressen und Bedürfnissen, würden sie sich sonst ja nicht in der Gewerkschaft einen, sondern verschieden in ihren politischen Vorstellungen und Erfahrungen.

Die Partei als weiterführende kraft

Auf dem Boden eines gemeinsamen po-litischen Programms, gemeinsamer poli-tischer Ziele ist einzig die Partei in der Lage, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. unter ihrem Banner einigt sie die politisierten Lohnabhängigen, die Arbeitslosen, die rentner, die Ju-gend. Ihre Aufgabe besteht darin, deren Interessen nicht nur kurz-, sondern auch langfristig zu vertreten und ihre Mit-glieder politisch zu schulen und zu stär-ken. Sie stellt das politische kampforgan der ArbeiterInnenbewegung dar. Dort, wo die Gewerkschaften unmittelbare Forderungen stellen, ist es die Aufgabe der Partei, diese Forderungen zu verbin-den und in gesamtgesellschaftliche For-derungen umzuwandeln. Dort, wo die

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Gewerkschaften einzelne kämpfe füh-ren, ist es Aufgabe der Partei, die kräfte für einen gemeinsamen, weiterführen-den kampf zu vereinen. Wir als Partei können unsere politischen kenntnisse in die Gewerkschaften einbringen, um gemeinsam eine Taktik zu entwickeln, welche über die unmittelbaren Arbeits-kämpfe hinausgeht.

Dass einzig die Partei in der Lage ist, einen gesellschaftlichen umbruch zu erzielen, zeigt sich im Beispiel der Be-wegung gegen die rentenreform in Frankreich (Siehe Artikel S.15). Diese hatte eine ungeheuere kraft. Eine linke Partei mit einem sozialistischen Pro-gramm hätte den Druck aus der Bewe-gung ohne weiteres dazu verwenden können, die regierung Sarkozys zu stürzen und durch eine eigene zu er-setzen (so beispielsweise auch in Grie-chenland). Es zeigt sich aber immer wieder, dass es eine starke und ehrliche sozialistische Partei mit einem revolu-tionären Programm benötigt, um die Frage nach den gesellschaftlichen Ver-hältnissen und der gesellschaftlichen Macht zu stellen und um diese zu Guns-ten der Mehrheit der Bevölkerung zu

verändern. Dass die SPS dies nicht dar-stellt, wissen und kritisieren wir Jusos stets, was uns, wie der Parteitag gezeigt hat, zum linken Flügel innerhalb der SP gemacht hat, dies übrigens gemeinsam mit vielen Gewerkschaftern. Diese rolle in der SP bringt eine grosse Verantwor-tung mit sich.

Als Jusos müssen wir die Verbindung zwischen der Partei und den Gewerk-schaften verstehen und auch leben. Wir müssen unsere kräfte mit denen der gewerkschaftlich organisierten Jugend-lichen vereinen. Wenn wir uns heute, direkt und konkret für bessere Arbeits-bedingungen, für mehr Gerechtigkeit einsetzen wollen, sind der Beitritt und die aktive Mitarbeit in einer Gewerk-schaft unerlässlich.

Anna Meister Juso Vorstand Winterthur

Vpod Jugend

Seit August 2010 befindet sich im kan-ton Zürich die VPOD Jugendvernetzung im Aufbau, es soll eine Gruppe entste-hen, die sich mit jugendspezifischen, gewerkschaftlichen Themen befasst. uns interessieren beispielsweise die Höhe der Lehrlingslöhne, Anstellungsbedin-gungen oder die Sozialleistungen, die man uns mittlerweile in regelmässigen Perioden zu kürzen versucht.

Wir haben uns zum Ziel genommen, für bestmöglichste Arbeitsbedingungen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im öffentlichen Bereich zu kämpfen.

Dafür sind wir aber auf Dich/Deine Orga-nisation angewiesen! Denn wir sind auf der Suche nach Aktiven, die sich dafür interessieren, Themenschwerpunkte und unsere Struktur festzulegen und sich für die Anliegen der jungen Werktätigen im öffentlichen Dienst einzusetzen. Wie sehr Du Dich dabei einsetzen möchtest, ent-scheidest Du selber. komm ruhig vorbei.

Wenn Du motiviert bist, bei einer Sitzung vorbeizuschauen, oder Dich längerfristig zu engagieren dann schreib ein E-Mail an [email protected]

Züri GschnetzletsGanze 1,9 Milliarden Franken will der regierungsrat mit dem SAN10-Paket im kanton Zürich sparen. Von der bür-gerlichen Sparpolitik betroffen sind einmal mehr vor allem tiefe und mittlere Einkommen. Statt den Staatshaus-halt mit Steuererhöhungen wieder in Fahrt zu bringen, planen die Bürgerlichen munter weitere Steuergeschenke für reiche und verschärfen damit den gesellschaftlichen Graben.

Nachdem der Sozialabbau in den letzten Monaten eine reise durch ganz Europa gemacht hat, ist er jetzt in Zürich ange-kommen. Der regierungsrat des kantons Zürichs hat unter dem Namen San10 (Sanierungsprogramm 10) ein Sparpa-ket zusammengestellt, das 252 Einzel-massnahmen beinhaltet. Insgesamt 1,9 Milliarden Schweizerfranken will der bürgerlich dominierte regierungsrat damit sparen und damit eine „namhafte Verbesserung des Staatshaushaltes in den Jahren 2011 bis 2014“ bewirken.

„Verbessert“ sollen damit vor allem die Bereiche Gesundheit und Bildung. Nach-dem den Fachhochschulen schon letztes Jahr das Budget gekürzt wurde, dürfen

sie sich mit den universitäten Sparmass-nahmen im Wert von 144 Mio. teilen. Wie und wo gespart werden sollte ist noch ziemlich unklar, sehr beliebt ist aber zurzeit die Forderung nach höheren Stu-diengebühren für ausländische Studie-rende. konkreter wird es dann bei der Gesundheit. Dort will man den rund 400 000 Zürcherinnen und Zürcher, dir ihre krankenkasse nicht allein zahlen können, die Prämienverbilligungen um ganze 20% kürzen. 126 Mio. sollen auf die Wei-se auf ihre kosten gespart werden und mit einem neuen Spitalfinanzierungs-gesetz (Sparpotenzial: 273 Mio.) ergänzt werden. „Weitere Verbesserungen in der Höhe von 273 Millionen Franken wer-den durch Lohnmassnahmen bewirkt“,

was übersetzt heisst, dass den Staats-angestellten keine zusätzliche Gelder für Lohnerhöhungen zur Verfügung ge-stellt werden und sie auf 2012 auf einen Teuerungsausgleich verzichten dürfen. Gespart wird des Weiteren auch bei der Aidsprävention, der Einbürgerung und der Bildung im Strafvollzug.

Chronischer Pessimismus der Finanzdirektion

Entstanden ist das Sanierungspro-gramm mit dem Budget 2010 als man mit einem voraussichtlichen Minus von rund 500 Mio. rechnete. Schlussendlich erwies sich der Wirtschaftsstandort je-doch als „krisenresistent und standhaft“,

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denn er erreichte ein Plus von 200 bis über 300 Mio. Franken. Das Abbaupaket wurde aber daraufhin nicht abgeblasen, sondern lediglich in einigen Punkten angepasst, indem man zum Beispiel die Volksschulen und Gymnasien von den geplanten Massnahmen verschonten.Die unterbewertung des Budgets hat bei der Zürcher Finanzdirektion Tradition. Seit Jahren ist sie unfähig brauchbare Planzahlen zu liefern und prognostiziert in regelmässigen Abständen den Absturz der kantonalen Finanzen. Dieses bürger-liche Schreckgespenst dient immer wie-der als rechtfertigung für vorauseilende Sparmassnahmen führt zu unmut bei linken regierungsräten, für welche die Finanzdirektion „jegliche Glaubwürdig-keit verspielt haben“.

San10 als umverteilung von oben nach unten

Wie kommt es denn überhaupt dazu, dass der Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt und dem kanton Zürich als ihre Finanzmetropole das Geld für grundlegende Bedürfnisse ihrer Bevöl-kerung fehlt? Für die SVP ist in erster Li-nie „das übersetze Ausgabenwachstum“ das grösste Problem, die FDP rechtfertigt

San10 durch „nervöse Finanzmärkte“.Fakt jedoch ist, dass in erster Linie die bürgerliche Steuerpolitik dem Staats-haushalt zugesetzt hat. Seit 1998 werden den Spitzenverdienern und Grosskon-zernen jährlich ein Milliarde Franken in Form von Steuergeschenken ausge-schüttet. Aber noch nicht genug: 2012 rechnet man beim Budget bereits wieder mit einem starken Ertragsrückgang, da dann die geplante Steuergesetzrevision ansteht. Neben der Streichung der 13. Progressionsstufe plant man ebenfalls eine Teilabschaffung der kapitalsteuer.

Widerstand regt sich

Gegen den klassenkampf von oben weh-ren sich mehrere linke Gegenprojekte, die in nächster Zeit realisiert werden sollen. Mit der „Steuergerechtigkeits-Initiative“ will die SP Schweiz den schä-digenden Steuer-Wettbewerb zwischen den kantonen bekämpfen, indem sie hohe Einkommen stärker besteuert. Der geplanten drastischen Verkürzung der Prämienverbilligungen steht eine Volk-sinitiative der AL gegenüber, die diese um 15% anheben will. Der VPOD konnte bereits die geplanten kürzungen an den Volksschulen erfolgreich bekämpfen und

hält weiterhin an seiner Forderung nach 100 Franken mehr Lohn pro Monat für das nächste Jahr fest.

Allgemein wird dem regierungsrat von diverser Seite mit referenden gedroht, würden sie SAN10 so durchbringen wol-len. Es wird jedoch kaum möglich sein, jede der 252 Einzelmassnahmen mit re-ferenden zu bekämpfen.

Gerade deshalb müssen wir uns orga-nisieren und die unsolidarische um-verteilungspolitik mit einer starken, sozialistischen Jugendbewegung entge-gentreten. Weiter müssen wir den Wider-stand gegen das Sparregime zu einem zentralen Thema unseres kantonsrat-wahlkampfes machen, da ein Grossteil der Bevölkerung von diesem Paket un-mittelbar und ernsthaft betroffen ist. Zusammen reissen wir den bürgerlichen Damm ein, der die Geldströme in den Händen Weniger konzentriert und lassen sie dorthin fliessen, wo sie von uns als Gesellschaft gebraucht werden.

Nyma Tsering Juso Vorstand Winterthur

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Eine „Bonzensteuer“ im Sinne der JuSO ist durchaus sinnvoll, denn im Zuge der neoliberalen revolution seit den 1980er Jahren öffnete sich die Schere zwischen Arm und reich immer weiter. So besitzen im kanton Zürich in der Zwischenzeit gerade mal 2% der Bevölkerung die Hälfte des gesamten Vermögens! Gleichzei-tig steigen die reallöhne kaum. Die Armen werden also immer ärmer und die reichen immer reicher. Auch die faktische Abschaffung der Erbschafts-steuer trägt zu dieser ungerechtig-keit bei, denn das Vermögen wird über Generationen weitergegeben und kommt keinesfalls einer Mehr-heit des kantons zugute. Die bürger-liche regierung verschärft dies durch immer neue Steuergeschenke für die reichen. Gleichzeitig wird die übrige Bevölkerung stärker belastet und er-hält die Quittung in Form von Einspa-rungen des kantons, zum Beispiel in der Bildung, wie der aktuellste Fall, das Sparprogramm „San10“ aufzeigt. Ebenso haben wir Angriffe auf die AHV und die Arbeitslosenversiche-rung erlebt.

Was will die Initiative?

Die Initiative verlangt, dass der Grundtarif auf Vermögen von mehr als 2 Millionen Franken erhöht wird. Eine solche Steuererhöhung für die reichen ist eine geeignete Forderung, um dem oben beschriebenen Miss-stand entgegenzutreten. Denn einer-seits wird das Vermögen der reichen, und nur das der reichen, mit höheren Steuern belegt, andererseits profitiert der ganze kanton von der Initiative, da das Geld durch staatliche Investi-tionen sinnvoll genutzt werden kann. Damit hätte kanton Spielraum in die Zukunft zu investieren, Sparmassnah-men zu verhindern und Leistungskür-zungen im Sozialwesen zu stoppen. Denn steckt der Staat zurück, leidet

die gesamte Bevölkerung darunter.

Grenzen der Bonzensteuer?

Wie bereits bei der 1:12 Initiative muss gesagt werden, dass die Initia-tive sinnvolle Fragen aufwirft und als Forderung absolut gerechtfertigt ist, die gegebenen Besitzverhältnisse al-lerdings keineswegs angreift. Durch den sich immer mehr anhäufenden reichtum, wird die Erhöhung der Vermögenssteuer immer zentraler, obwohl sie die dem kapitalismus in-newohnenden Mechanismen der Aus-beutung in keinster Weise bekämpft. Diese basieren auf dem System der Lohnarbeit, in welchem den Lohn-abhängigen ein Teil des erarbeiteten Wertes vorenthalten wird und den ka-pitalisten als Profit dient. Das Vermö-gen hingegen ist nicht ursache son-dern Ausdruck dieser Ausbeutung, und die Besteuerung des Vermögens hat keinerlei Einfluss auf deren Über-windung.

Die Diskussion rund um die Initiati-ve gibt uns jedoch eine Plattform um genau dies zu thematisieren und die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren. Vor allem in den wohlhabenden In-dustriestaaten ist es wichtig die extre-men Vermögensverhältnisse immer wieder aufs Neue zu thematisieren, da dadurch offensichtlich wird, dass in den Vorzeigenationen des kapita-lismus genauso ungerechte Bedin-gungen vorherrschen wie in den är-meren Ländern.

Die „Steuergerechtigkeitsinitiative“, auf Bundesebene von der SP lanciert, wurde zwar kürzlich von der Schwei-zer Bevölkerung abgelehnt, uns So-zialistInnen muss es jedoch ein An-liegen sein, die Diskussion um diese Thematik aufrecht zu erhalten. Schon Marx und Engels nennen in ihrem kommunistischen Manifest „starke

Die Bonzensteuer der JuSODie JuSO kanton Zürich hat an ihrem ausserordentlichen Parteitag am 25. September beschlossen, die Initiative „Für eine gerechte Vermögensverteilung (Bonzensteuer)“ zu lancieren. Dies gemäss ihrem Jahresthema, welches ebenfalls „Bonzensteuer“ lautet. Mit der Bonzensteuer als Ergänzung und Erweiterung der 1:12 Initiative will die JuSO den Abzockern erneut den kampf ansagen.

Steuergerechtigkeit

Die Steuergerechtigkeitsintiative wur-de am 28. November vom Schweizer Volk an der urne abgelehnt. Es ging um einen mindest Einkommens- und Vermögenssteuersatz auf Bundesebe-ne. Die Bürgerlichen konnten die Be-völkerung mit einer gewaltigen Angst-kampagne, die mit dem Geldbeutel der Economiesuisse finanziert wurde, davon überzeugen, „dass das Huhn das goldene Eier legt nicht geschlach-tet werden sollte“ (Zitat Mörgeli). Oder anders ausgedrückt: Das Volk wurde dazu gebracht gegen seine Interessen zu stimmen, indem die reichen mit Wegzug in Tiefsteuerländer gedroht haben. Diese Erpressung ist lächerlich, denn einerseits würde die Schweiz im Vergleich zu den umliegenden Län-dern immer noch als Steuerparadies gelten, andererseits gehören andere Steueroasen wie Bulgarien nicht ge-rade zu den Wunschdestinationen der Superreichen.

Progressivsteuern“ bereits an zwei-ter Stelle als notwendige Über-gangsforderung zur Überwindung des kapitalismus.Gerade die Besitzverhältnisse müs-sen immer wieder thematisiert und angegriffen werden. Wir dürfen nicht aufhören, Übergangsforderungen aufzustellen, um das Bewusstsein der arbeitenden klasse zu fördern, bis sie letztendlich bereit sein wird, die Be-sitzverhältnisse komplett zu verän-dern.

Patrick Walther Juso Vorstand Zürich unterland

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arbeiterInnenbewegung

ehämmert

Ges cheltArbeitskämpfe in der Schweiz

Die LehrerInnen wehren sich!

Am Mittwochmorgen, den 24. November, haben auf den Aufruf der Zürcher Lehre-rinnen- und Lehrerverband (ZLV) und der Gewerkschaft VPOD hin, zahlreiche Zür-cher Lehrer während der Schulzeit eine Personalversammlung abgehalten. Inhalt war die Überlastung am Arbeitsplatz. Die Lehrerteams diskutierten mit welchen Massnahmen sie am besten entlastet wer-den würden. Es gab auch einen Fragebo-gen, in dem sie danach gefragt wurden, wie weit sie gehen würden, um ihre Forde-rungen durchzusetzen. Die resultate sind noch nicht bekannt.

Ihre Berner kollegInnen sind schon einen Schritt weiter. Am 13. November fand in Bern eine Protestkundgebung von 5000 LehrerInnen statt. kernthemen waren die fehlenden Lohnperspektiven für junge LehrerInnen und die Forderungen für eine reduktion der Arbeitszeit und für die Ver-besserung der Betreuungsverhältnisse.

In einer Periode zunehmender Arbeitskämpfe versuchen wir, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, diese kurz und überblickend zusammenzufassen.

ISS – Streik lohnt sich!

Nach 120 Streiktagen haben sich ISS und die Gewerkschaft VPOD auf einen neuen Gesamtarbeitsvertrag geeinigt. Zwar müs-sen die Angestellten im Vergleich zum alten GAV trotzdem Lohneinbussen hinnehmen, so reicht die neue Lohnskala nun von 3550 Fr. bis 4610 Fr (im gekündigten GAV lag diese zwischen 3651 Fr. bis 4847 Fr). Doch dies ist im Vergleich zu den angebotenen Individualverträgen und dem Pseudo-GAV des Push, welcher eine Lohnskala zwischen 3500 Fr. und 3800 Fr. vorsah, ein riesiger Schritt.

Mehr Lohn auf dem Bau!

Die Bauarbeiter zeigen sich kämpferisch. Anfangs November beteiligten sich, trotz der zum Teil massiven Drohungen ihrer Vorgesetzten, 3000 Bauarbeiter an Protestaktionen mit der Forderung für eine Lohnerhöhung für 2011 von 150Fr. Die Angebote der Baumeister würden bis jetzt nur knapp die Teuerung aus-gleichen, geschweige den die massive Erhöhung der krankenkassengebühren decken. Dies obwohl das Baugeschäft in der Schweiz boomt und höhere Löhne gut bezahlbar wären.

Gegen Massenentlassungen!

Aufgrund der kürzlich vom konzern Al-strom (über 6000 Mitarbeitenden) ange-kündigten restrukturierungspläne mit einem Personalabbau von bis zu 4000 Stellen weltweit, davon alleine 750 Stel-len an den Standorten Baden und Birr, haben die Gewerkschaften unia und Syna die Lancierung einer Petition be-schlossen, welche die Solidarität der Be-völkerung mit der betroffenen Alstom-Belegschaft zum Ausdruck bringen soll. Die Petition fordert unter anderem eine reduktion des Stellenabbaus und den optimalen Einsatz des Instrumentes kurzarbeit zur Überbrückung der kri-se. unterstützt wird dies vom Gewerk-schaftsbund und Travail Suisse sowie der SP und Juso.Das ursprüngliche Ziel von 1000 unter-schriften für die Petition wurde bereits nach zwei Wochen deutlich übertroffen. Die unterschriftensammlung läuft noch bis am 17. Dezember.

Genf sagt Nein zu längeren Ladenöffnungszeiten

Das neue Ladenschlussgesetz in Genf sah eine Verlängerung der Ladenöff-nungszeiten um eine Stunde bis 20 uhr werktags und bis 19 uhr samstags sowie vier Sonntagsverkäufe vor. Gegen diese Vorlage hatte im Sommer das betrof-fene Verkaufspersonal zusammen mit der unia und anderen Organisationen das referendum ergriffen und innert kürze beinahe 15‘000 unterschriften gesammelt. Am 28.11.2010 hat sich nun die Genfer Stimmbevölkerung mit 56% Nein-Stimmen gegen längere La-denöffnungszeiten ausgesprochen.

Widerstand gegen verlän-gerte Öffnungszeiten!

Am 27.12. fand in Winterthur eine Pro-testaktion und eine unterschriften-sammlung der uNIA gegen die Ver-längerung der Ladenöffnungszeiten im Coop Grüze statt. Die Aktion wurde durch uNIA-Jugend und JuSO Akti-vistInnen unterstützt. Dabei wurden über 500 unterschriften von kunden für eine Petition an die Winterthurer regierung gesammelt. Im Vorfeld hatten 130 von 150 Angestellten eine Petition unterschrieben, welche eine reihe von Forderungen stellt, damit die Verlängerung der Öffnungszeiten akzeptiert wird. Gefordert wird unter anderem: Mehr personal, ein 25%iger Lohnzuschlag und freie Samstage für jede/n. Bis jetzt sind die Betreiber zu keinem Gespräch bereit.

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Zum 70. Todestag von Leo Trotzki: Leben und WerkAm 20. August 1940 wurde auf Leo Trotzki ein Mordanschlag verübt. Dieser erliegt am folgenden Tag seinen Verletzungen. Wer war Leo Trotzki? In der letzten Ausgabe haben wir den ersten Teil abgedruckt, nun folgt die Fortsetzung, die die Zeit ab dem 1. Weltkrieg behandelt.

Die Entwicklung des 1914 ausbre-chenden Weltkriegs bringt Lenin und Trotzki in politischer Hinsicht wieder einander näher. Beide kommen zu der Schlussfolgerung, dass die unterstüt-zung der jeweiligen nationalen kriegs-politik durch die sozialdemokratischen Parteien einem Zusammenbruch der Sozialistischen Internationale gleich-kommt. Beide erkennen die Notwen-digkeit, alle echten revolutionären In-ternationalisten zusammenzubringen. So nehmen im September 1915 beide an einer internationalen sozialistischen konferenz im Schweizer Bergdorf Zim-merwald teil. Trotzki verfasst das Zim-merwalder Manifest: „„Proletarier! Seit Ausbruch des krieges habt ihr eure Tat-kraft, euren Mut, eure Ausdauer in den Dienst der herrschenden klassen ge-stellt. Nun gilt es, für die eigene Sache, für die heiligen Ziele des Sozialismus, für die Erlösung der unterdrückten Völ-ker wie der geknechteten klassen ein-zutreten durch den unversöhnlichen proletarischen klassenkampf.“

1915/16 lebt Trotzki in Paris und gibt dort eine russische Migrantenzeitung heraus. Wegen „„Gefährdung der öf-fentlichen Sicherheit“ wird er aus Fran-kreich ausgewiesen und über Spanien nach New York abgeschoben, wo er An-fang 1917 ankommt.

Er nimmt sofort wieder seine politische und journalistische Arbeit auf. Doch der Aufenthalt in den uSA ist von kur-zer Dauer. Wenig später erfährt die Welt vom Ausbruch der russischen Februar-revolution und dem Sturz der Zaren-herrschaft. Noch im März 1917 bricht die Familie, an Bord eines norwegischen

Schiffes, nach russland auf.

Die Arbeiterklasse hat zwar die Febru-arrevolution durchgeführt und faktisch die Macht in ihren Händen, aber die Führer der Arbeiterparteien fördern über die Arbeiterräte die Bildung einer provisorischen regierung des liberalen Bürgertums, der sie ihre unterstützung zusagen. Andererseits jedoch verbleibt die entscheidende kontrolle über die Betriebe, die Arbeiterviertel und eine wachsende Zahl von Armee und Mari-neeinheiten in den Händen der Arbei-terräte (Sowjets). Doch die neue pro-visorische regierung erweist sich sehr schnell als völlig unfähig, auch nur ein grundlegendes Problem anzupacken (wie z.B.: den Frieden, die Aufteilung des Landes an die Bauern, die Abschaffung der Lebensmittelknappheit...).

Lenin und Trotzki kommen 1917 (durch einen Ozean voneinander getrennt und ohne kontakt zueinander) zu ein und derselben Schlussfolgerung: Die Febru-arrevolution müsse zwangsläufig und unmittelbar zu einer zweiten russischen revolution führen, nämlich zur Machte-roberung durch die Arbeiterklasse.

Als Lenin Anfang April 1917 in Petrograd ankommt, muss er entsetzt feststellen, dass die bolschewistische Zeitung „Pra-wda“ zur „„kritischen unterstützung“ der

provisorischen regierung und zur Vater-landsverteidigung aufruft. Lenin erreicht es durch harten und zähen kampf, die Partei wieder auf die Linie der gnaden-losen kritik an der provisorischen regie-rung zu bringen.

Einen Monat später, am 17. Mai, kommt Trotzki in Petrograd an. Zunächst arbei-tet er mit der um ihn gescharten Orga-nisation („Zwischengruppe“) zusammen, in der mehrere Arbeiter und später be-kannt gewordene revolutionäre, wie Joffe, uritzki und Lunatscharski, Mitglied sind. Lenin und Trotzki erkennen, dass Bolschewiki und „„Zwischengruppe“ weitgehend auf derselben politischen Grundlage stehen; und Lenin spricht sich für eine Vereinigung der beiden Grup-pen aus: „unter diesen umständen wäre unserer Meinung nach eine Zersplitte-rung der kräfte, welcher Art auch immer, durch nichts zu rechtfertigen.“

Im Sommer vereinigen sich die Bolsche-wiki mit der „„Zwischengruppe“. Auf dem Parteitag im August 1917, der eine Wei-chenstellung für die Orientierung auf Machteroberung bringt, wird Trotzki in das Zentralkomitee gewählt.

Oktoberaufstand

Trotzki, dessen Popularität unter den Petrograder Arbeitern schon wegen

geschichte

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geschichte

seiner rolle in der revolution 1905 un-gebrochen ist, wird am 6.Oktober zum Vorsitzenden des Petrograder Sowjets gewählt. Inzwischen hat sich das kräf-teverhältnis zugunsten der Bolschewiki gewandelt, weil nur sie es verstehen, in klaren und einfachen Parolen die Be-dürfnisse der Arbeiter aufzugreifen. Das Zentralkomitee beschliesst die Durch-führung des Aufstandes. Trotzki leitet, als Vorsitzender des revolutionären Mi-

litärausschusses, die Machteroberung in Petrograd. Der Aufstand greift schnell auf die anderen Industriezentren des Landes über.

Am ersten Jahrestag des Oktoberauf-standes kommt Stalin zu der Feststellung: „Die gesamte Arbeit der praktischen Vor-bereitung des Aufstandes verlief unter der direkten Leitung des Petrograder Vorsitzenden der Sowjets, Trotzki. Man kann mit Bestimmtheit behaupten, dass die Partei den schnellen Übergang der Garnison auf die Seite der Sowjets und die richtige Organisierung der Arbeit des revolutionären kriegskomitees vor allem und hauptsächlich dem Genossen Trotz-ki verdankte.“

In den Monaten und Jahren nach dem Oktoberaufstand wird die junge Sowjet-republik vor schwere Bewährungspro-ben gestellt: Im Bürgerkrieg versucht die alte herrschende klasse, die Macht zurückzuerobern. 21 imperialistische Armeen dringen von allen Seiten vor, um die revolution zu zerschlagen, die Wirtschaft ist zerrüttet, Hungersnöte kosten unzählige Menschenleben. Ge-rade in diesen schweren Zeiten ist Leo Trotzki an den Brennpunkten im Einsatz. Zunächst als Aussenminister der neuen regierung unter Lenin, dann bis 1925 als kriegskommissar. Hier baut er sozusagen aus dem Nichts die rote Armee auf. Den Grossteil der Jahre bis 1920 verbringt er

in einem Sonderzug, mit welchem er von Frontabschnitt zu Frontabschnitt eilt und die Aktionen der Armee leitet.

Es lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass ohne seinen unermüdlichen Einsatz die technisch schlecht ausgerüstete, da-für politisch hochmotivierte rote Armee kaum den Sieg über den inneren und äusseren Feind erreicht hätte.

3. Internationale

Ab 1920 konzentriert sich Trotzki dann auf Fragen des wirtschaftlichen Wieder-aufbaus und erwirbt sich dabei besonde-re Verdienste durch die Aufrichtung des trostlos darniederliegenden Eisenbahn-wesens. Lenin und Trotzki richten auch in dieser Zeit - neben der Verteidigung der revolutionären Errungenschaften - ihr Hauptaugenmerk darauf, die interna-tionale revolution voranzutreiben. und in der Tat kommt es nach kriegsende in einer reihe von Ländern zu revoluti-onären Situationen, die der in russland 1917 ähneln. Aber diese erste Welle geht vorüber, ohne dass es in irgendeinem Land gelingt, nach russischem Vorbild

den kapitalismus zu stürzen. Überall werfen sozialdemokratische Führer ihre ganze Autorität in die Waagschale, um die Massen zu „„mässigen“, und die echten Marxisten und revolutionäre sind meistens in der Minderheit und vor allem zu unerfahren, um sich ähnlich wie Lenin, Trotzki und die Bolschewiki 1917 die Situation zunutze zu machen.

1919 wird in Moskau die kommuni-stische „„Dritte“ Internationale gegrün-det, die innerhalb weniger Jahre zu einem machtvollen Zusammenschluss zahlreicher kommunistischer Massen-parteien wird und deren Führung und Massenbasis sich fast durchweg aus den reihen der Sozialdemokratie he-raus bildet. Trotzki findet neben seinen praktischen Aufgaben noch Zeit, um die Manifeste und resolutionen der kom-intern zu verfassen. Doch die Hoffnung auf eine revolution in einem fortge-schrittenen Industrieland erfüllt sich nicht. 1923 muss Trotzki mit ansehen, wie eine erneute revolutionäre Situation in Deutschland vorübergeht, ohne dass die kPD daraus rechtzeitig praktische konsequenzen zieht.

rückschlag in russland und Anfänge des Stalinismus

Die Isolation der russischen revolution und die wirtschaftliche und kulturelle rückständigkeit des Landes sowie die Erschöpfung der Arbeiterklasse und ihre Ausblutung durch krieg und Bürgerkrieg

schaffen Bedingungen, unter denen die Bürokratie des riesigen Staates Auftrieb bekommt und sich immer weiter ver-selbständigt. karrieristen und dringend benötigte Fachleute, die 1917 entweder gegen die revolution gewesen waren oder sich sonstwohin verkrochen hat-ten, strömen in die Partei und gewinnen immer mehr Einfluss. Lenin greift diese

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Tendenzen in den letzten Jahren seines Lebens offen und ehrlich auf. Er kommt zu der Schlussfolgerung, dass nicht die kommunisten den riesigen Staatsap-parat lenken, sondern der Apparat sich allmählich der kommunisten bemächti-gt. unter diesen Bedingungen beginnt der Aufstieg Josef Stalins vom Mitglied des bolschewistischen Zentralkomitees und zunächst relativ unwichtigen „„Ge-neralsekretär“ zum Diktator eines Poli-zeistaats, der zynisch und rücksichtslos Machtpolitik betreibt und seine Gegner ausrotten lässt.

Stalin gehört zwar zur Gruppe der Alt-bolschewisten und Anhänger Lenins, ist aber weder vor noch während der re-volution durch eigenständige theore-tische Beiträge hervorgetreten. Stalins Fähigkeiten liegen vielmehr im Bereich des Apparats. So nutzt er seine Position aus, um eine Gruppe von Anhängern um sich zu scharen. Trotzki wird immer weiter isoliert. Nach Lenins Tod im Ja-nuar 1924 kehrt sich Stalin offiziell von der Politik Lenins ab und verkündet den Aufbau des „„Sozialismus in einem Lan-de“.

Damit beginnt die Entartung der kommunistischen Internationale, was zwei Jahrzehnte später zu ihrer Auf-lösung führt. Trotzki erweist sich als das Haupthindernis für die Festigung der bürokratischen Herrschaft. So lässt Stalin ihn aus seinen wichtigsten öffentlichen Ämtern entfernen, und seine „„roten Professoren“ beginnen, den Namen Trotzki allmählich aus den Geschichtsbüchern der revolution zu streichen. Alte Meinungsverschie-denheiten mit Lenin aus der Zeit vor 1917 werden wieder hervorgekramt und sinnentstellend zitiert, als ob es eine Todsünde sei, dem Meister Lenin widersprochen zu haben. Doch dabei bleibt es nicht. Zehntausende alter Bol-schewiki und Anhänger der 1927 von Trotzki gegründeten Linken Opposition werden aus der Partei entfernt, nach Si-birien verbannt und schliesslich hinge-richtet. Trotzki wird 1928 nach Alma Ata an der mongolischen Grenze verbannt und 1929 gewaltsam in die Türkei aus-gewiesen.

Niederlagen und rückschläge

Die 30er Jahre stehen im Zeichen ver-

heerender Niederlagen und Erschütte-rungen für die internationale Arbeiter-bewegung. Der Faschismus ist auf dem Vormarsch. In der Sowjetunion wird eine ganze Generation von revolutionären ausgerottet.

Trotzki ist in diesen schwarzen Jahren gezwungen, aus der Ferne den Ent-wicklungen zuzusehen und versucht, Anhänger um sich zu organisieren. 1932 spricht er in kopenhagen vor ei-ner Versammlung sozialdemokratischer Studenten. Von 1933 bis 1937 wird er als Staatenloser in Frankreich und Nor-wegen hin- und hergeschoben, gehetzt und gejagt. Ab 1937 verbringt er die letzten Lebensjahre in Mexiko. Trotz schwerster Bedingungen, krankheit und Not verfasst er gerade in jenen Jahren zahlreiche Bücher und Schriften, so über Deutschland und Spanien, die „Verra-tene revolution“....

Nachdem sich komintern und kPD 1933 weigern, aus der verheerenden Nieder-lage der deutschen Arbeiterklasse die Schlussfolgerungen zu ziehen, kommt er zu der Einsicht, dass diese Internati-onale nicht mehr auf den Boden Len-inscher Politik zurückzubringen ist und nur noch eine neue Internationale fähig sein könnte, die Arbeiterklasse der Welt an die Macht zu führen. Trotzki arbeitet auf den Neuaufbau einer solchen Inter-

nationale hin, die sich schliesslich 1938 als die „4. Internationale“ gründet. Er muss aber erkennen, dass viele seiner Anhänger dem unmenschlichen Druck faschistischen und stalinistischen Ter-rors kaum standhalten können.

Nachdem schon einzelne Familienmit-glieder von den Stalinisten in den Tod getrieben worden waren, kann sich ein stalinistischer Agent in das Haus Trotz-kis einschleusen. Am 20. August 1940 verübt er einen Mordanschlag auf Trotz-ki. Dieser erliegt am folgenden Tag sei-nen Verletzungen.

Bis zu seinem letzten Tag hat er seinen revolutionären Optimismus behalten. In seinem Testament schreibt er wenige Monate vor seiner Ermordung: „„Mein Glaube an eine kommunistische Zu-kunft ist heute noch stärker, als in mei-ner Jugend.... Das Leben ist schön. Die kommende möge es reinigen von allem Bösen, von unterdrückung und Gewalt und es voll geniessen.“

Hans Gerd Ölfinger

Leo Trotzki kurz vor seinem Tod 1940

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international

Die Bereitschaft der organisierten Ar-beiterInnen, die „reform“ der Sarko-zy-Clique zu Fall zu bringen zeigten sich nicht nur in der Stärke der Mo-bilisierungen, sondern auch in ihrer Verbreitung übers ganze Land. In provinziellen kleinstädten mobilisier-ten sich jeweils bis zu einem Viertel der Bevölkerung und in unzähligen Betrieben trat die Belegschaft in den unbefristeten Streik. Die Macht der ArbeiterInnenklasse wurde überdeut-lich. Die absolut zentrale rolle in der kapitalistischen Wirtschaft und der vergesellschaftete Charakter der Pro-duktion, zeigte sich wahrscheinlich am Besten bei den raffineriearbei-tern und schockierte die regierung und die Bourgeoisie. Ihre reaktion war auch dementsprechend: sie grif-fen auf Falschmeldungen, Infiltrie-rung der Proteste mit „Agent pro-vocateurs“ und repression gegen Demonstrationen und Streikposten zurück. Die reaktion des Staates und der Presse zeigen es deutlich. Die Bourgeoisie ist gezwungen, mit al-len nur möglichen Mitteln die krise auf die Lohnabhängigen abzuwälzen, koste es was es wolle!

Probleme der Führung

Nicht nur war eine Mehrheit der Be-völkerung gegen diese Abbaureform, Mitte Oktober waren laut einer um-frage 60% der Befragten für eine ra-dikalisierung der kampfmassnahmen. Die Gewerkschaftsspitzen setzten auf Aktionstage, welche jedoch ganz of-fensichtlich die volle kraft der Arbei-terInnenbewegung und der Jugend nicht zu entfalten wussten und den Druck auf die regierung nicht son-derlich erhöhen und somit die reform nicht zurückschmettern konnten. Die regierung hoffte auf ein graduelles

Frankreich: Lehren aus dem ProtestIn Frankreich erlebten wir in den letzten Monaten die tiefsten Erschütterungen der sozialen Verhältnisse seit Jah-ren. Am Zenit der Bewegung gingen 3.5 Millionen auf die Strassen, blockierten raffinerien und Häfen und brach-ten den Verkehr zum Stillstand. Doch trotz massivstem Widerstand und einer grundsätzlichen Ablehnung der rentenreform bei einer grossen Mehrheit der Bevölkerung, wurde sie doch durchgepeitscht. Eine volle Niederla-ge für die ArbeiterInnebwegung?

Abflauen der Mobilisierungen, was in Frankreich, wie auch in Griechenland im Frühling, der Fall war. Hinter dem Zu-rückgreifen auf diese Aktionsform steht vor Allem die sozialpartnerschaftliche Haltung der Gewerkschaftsbürokraten. Bernard Thibault (Generalsekretär CGT) und konsorten warnten die regierung davor, sie könnten die kontrolle über die Bewegung verlieren, welche nach dem 12. Oktober tatsächlich eindrückliche Ei-gendynamiken entwickelte. Wenn man bedenkt, dass sie es gleichzeitig unter-liessen, die Masse an Gewerkschafts-mitgliedern aufzufordern, den kampf zu vertiefen, wird das Interesse der Ge-werkschaftsbürokraten offensichtlich: Sie warnen die regierung und überlas-sen die ArbeiterInnen auf sich allein ge-stellt, sie wollen sich als vertrauenswür-dige Sozialpartner darstellen.Der Druck von der Basis war gross, aber nicht gross genug um die Gewerk-schaftsführung zur Ausdehnung des kampfes zu zwingen. Diesmal kamen die Gewerkschaftsspitzen noch damit davon, dass die ArbeiterInnen sich lo-kal und in den einzelnen Betrieben den verschärften kampf organisierten. In Zu-kunft werden die ArbeiterInnen jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Füh-rung, die gar keine darstellt, nicht mehr hinnehmen wollen und können und sie mit neuen, auf der Höhe der heutigen

Aufgaben der ArbeiterInnenbewegung stehenden FührerInnen ersetzen.

Der kampf ist noch lange nicht vorbei!

Die Gewerkschaftsspitzen sind wohl die einzigen, welche die Bedeutung des Slo-gans „Eure krise zahlen wir nicht“ nicht kapiert haben. Für sie wäre der Slogan „Machen wir 50-50“ wohl angebrachter. Was sie nicht verstehen, ist, dass eine solche „gütliche Lösung“ unter den heu-tigen objektiven Bedingungen nicht möglich ist. Das französische Staatsdefi-zit befindet sich auf der Höhe von 84% des BIP und ganze 15% des Staatsbud-gets 2010 müssen für die Schuldenrück-zahlung verwendet werden. Vom Abbau des Defizits keine Spur. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis ein weiterer An-griff auf die sozialen Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung folgen wird.

Die Schlacht gegen die rentenreform ging zwar verloren, doch der kampf wird ohne Zweifel weiter gehen. Was die Gewerkschaftsspitzen nicht begriffen haben, hat eine neue Generation an Ar-beiterInnen und Jugendlichen, welche diesen Sommer und Herbst die Bühne betreten hat, begriffen. Entweder sie oder wird zahlen für die krise! Der kampf gegen die rentenreform hat zweifelsoh-ne das Bewusstsein der französischen ArbeiterInnen und Jugendlichen zu-tiefst erschüttert. Es kommt jetzt darauf an, dass die ArbeiterInnenbewegung in Frankreich und in der restlichen Welt die Lehren aus dieser Niederlage zieht, um so in der Zukunft nicht nur eine Schlacht, sondern den krieg gewinnen zu können.

Magnus Meisterunia regio-Vorstand Genf

Schülerstreik gegen die rentenreform

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international

Wahlen Venezuela: Warnschuss für die revolutionBei den Wahlen vom 26. September verpasste die Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSuV) die ange-strebte Zwei-Drittel-Mehrheit. Sie gewann nur knapp mit 48.9% gegen die Opposition mit 47.9% der Stimmen. Durch die Aufteilung der Wahlkreise kommt die regierungspartei aber noch auf 97 Sitze im 165-köpfigen Parla-ment. Die Wahlbeteiligung lag bei 66.5%.

Die Opposition, angetreten unter dem Bündnis „Tisch der demokratischen Ein-heit“ (MuD), und mit ihr wie üblich die internationale Medienwelt, feierten die Wahlergebnisse als einen grossen Sieg für die Demokratie und eine Niederla-ge für Hugo Chávez. Ein Sieg der De-mokratie? Obwohl die demokratische Opposition nach einem gescheiterten gewaltsamen Putschversuch 2002 von den Wahlen 2005 ferngeblieben war, da sie sich intern nicht einigen konnte und sich so einem demokratischen Votum über ihre Schwäche entziehen wollte?

In der Tat muss das resultat aber als kla-re Warnung für die revolution gesehen werden. Die PSuV hat überraschender-weise auch in einzelnen ihrer Hoch-burgen Verluste einstecken müssen. Viele regionen wurden nur mit einem unterschied von wenigen tausend Stim-men gewonnen. Die PSuV verlor sogar in Petare, einer der ärmsten Gegenden Venezuelas, wenn nicht gar Lateiname-rikas, nochmals an Stimmen. Ein klares Zeichen dafür, dass etwas nicht richtig läuft.

konterrevolution auf dem Vor-marsch

Will man das kräfteverhältnis zwischen revolution und konterrevolution an-hand der Abstimmungen betrachten, obwohl dies immer nur eine oberfläch-liche Betrachtung erlaubt, betrug dieses bei den Bürgermeister- und Gouver-neurswahlen 2008 noch 58% zu 42%, bei der referendumsabstimmung 2009 schon 54% zu 46%, und heute entspricht es praktisch einem technischen unent-schieden. Die Opposition gewinnt bei Wahlen an Boden. Im Vergleich zu den letzten Wahlen verlor die PSuV 14.44% ihrer Stimmen, während die Oppositi-on nur 2.28% dazugewann. Es ist davon

auszugehen, dass viele traditionelle Chávez-WählerInnen einen “voto casti-go“ abgegeben haben, das heisst, aus Protest gegen die PSuV-Bürokratie für die Opposition abgestimmt haben. In der Tat stellt die Bürokatie innerhalb der Partei und des Staatsapparates ein mas-sives Hindernis für die revolution dar. Der Gouverneur von Anzoátegui, Tarek William Saab, ein Mitglieder der PSuV, ging zum Beispiel mehrfach mit Gewalt gegen Fabrikbesetzungen in seinem Be-zirk vor. Im Management der staatlichen Lebensmittelkette PdVAL flog ein rie-siger korruptionsskandal auf und auch im Polizeiapparat, der gegen die hohe kriminalität vorgehen sollte, reiht sich ein korruptionsfall an den anderen. Das einst noch von der PSuV dominierte Par-lament brauchte mehr als drei Jahre Zeit für eine dringend notwendige reform im Polizeiwesen. kein Wunder, zeigte die arbeitende Bevölkerung nur wenig Enthusiasmus bei den Wahlen. Die Wahl-beteiligung in mittelständischen und reichen regionen fiel dementsprechend deutlich höher aus als in ärmeren Gebie-ten.

Dazu kommen generelle Probleme, mit denen sich Venezuela konfrontiert sieht. Es kam zu einer gewaltigen Inflation der Lebensmittelpreise und anderer ein-facher konsumgüter, was besonders die ArbeiterInnen und Armen traf. Zusätzlich wurde Venezuela zu Beginn des Jahres 2010 von einer einmaligen Dürre heim-gesucht, was unpopuläre Wasser- und Stromrationierungen (Venezuela ist zur Energieversorgung hauptsächlich von Wasserkraft abhängig) zur Folge hatte.

revolution in Marsch setzen

Der wohl grösste Grund für das Erstar-ken der Opposition ist aber wohl darin zu suchen, dass sich die Macht nach elf

Jahren der revolution und andauernden Mobilisierungen noch immer in den Händen der Oligarchie befindet. Nach allen fortschrittlichen reformen unter-drücken die Gutsbesitzer immer noch die armen Bauern, die Banken kontrol-lieren noch immer den kredit und die kapitalisten beuten noch immer ihre ArbeiterInnen aus. 70% des BIP von Ve-nezuela wird nach wie vor im Privatsek-tor produziert – ein klares Zeichen dafür, dass der kapitalismus in Venezuela noch immer sehr vital ist.

Mit der bei den Wahlen erreichten ein-fachen Mehrheit verfügt die PSuV noch immer über die Möglichkeit, die grös-sten unternehmen, die Banken und die wichtigsten Industriebetriebe zu ver-staatlichen. Weiter könnte sie mit einem Dekret den ganzen Staatssektor der Ar-beiterInnenkontrolle unterstellen. Auch eine grundlegende Agrarreform zur Auf-hebung der feudalen Zustände auf dem Land kann noch vollzogen werden. All diese Massnahmen würden umgehend das arbeitende Volk Venezuelas auf den Plan rufen – und die konterrevoluti-on zurückschlagen. Die revolutionären Massen können und dürfen aber nicht auf Dekrete der Bürokratie warten. Sie müssen die Macht in den kommunen, den Betrieben und auf dem Land ero-bern und so die Bürokratie in der Partei und den alten bürokratischen Staat be-seitigen.

Der Weg der revolution muss gerade jetzt nicht verlassen, sondern endgültig begangen werden!

Samuel HaffnerPräsident JuSO Zürich unterland

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Obwohl sie alle erklärt haben, dass sie ihre Lektion aus den 1930er Jahren gelernt haben, betreiben die herr-schenden klassen erneut die gleiche Politik, die sich vor 80 Jahren als so katastrophal erwiesen hat. Tiefgreifende Spannungen innerhalb des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind kürzlich aufgrund von Währungsmanipu-lationen aufgetreten, da einzelne Länder Massnahmen ergreifen, um ihre eigenen nationalen Interessen gegen ihre rivalen zu verteidigen. Wie Verbrecher teilen sie sich die Beute in den „guten Zeiten“, aber wenn die Zeiten problematischer werden, springen sie sich gegenseitig an die Gurgel.

Währungskriege - Was kommt danach?

“Jeder, der die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren analysiert hat, sieht es als Fakt an, dass der ökonomische Nationalismus in dieser Zeit eine bereits schlimme Situation noch verschlechtert hat. Das Wetteifern um Abwertungen in dieser Periode und die Bemühungen Exporte anzukurbeln und Importe ein-zuschränken bedeuteten eine ernst-hafte Beeinträchtigung des Welthandels zu einer Zeit, die schliesslich alle ärmer machte - deshalb wurde diese Politik als Beggar-thy-neighbour-Ökonomie (Bring‘ deinen Nachbarn an den Bettel-stab) bekannt.“ (Business, Evening Stan-dard, 12.10.2010)

Da verschiedene Staaten darum ran-geln den Status quo zu erhalten und ihre Exportmärkte zu verteidigen, wird ein gefährlicher Wettlauf nach unten in der Wechselkurspolitik, bei dem jede Währung versucht gegen die andere abgewertet zu werden, vorbereitet. D. h. jedes Land versucht billigere Exporte und teurere Importe durchzusetzen. Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega platzte mit dem heraus, was alle anderen dachten, die Welt befindet sich mitten in einem Währungskrieg.

Stellungskrieg

Insbesondere die Feindseligkeiten zwi-schen Washington und Peking sind zu einer Art Stellungskrieg eskaliert. Wenn es sich hierbei auch nicht um einen ech-ten krieg handelt, so sind sie doch am rande eines ausgemachten Währungs-kriegs. Die uS-Imperialisten werfen den Chinesen Währungsmanipulationen vor, weil diese sich weigern, den Wert des renminbi aufzuwerten (was ihre Exporte teurer machen würde). Die Chinesen ha-ben im Gegenzug die uSA wegen ihrer enorm lockeren Geldpolitik angegriffen, die zu einer Destabilisierung bei der ka-

pitalabwanderung geführt hat. Die Japa-ner, die mit einer rückläufigen konjunk-tur zu kämpfen haben, haben mit einer Salve interveniert, um den Wert des Yen niederzuhalten und ihre Exporte zu stei-gern. Die Brasilianer wenden eine Gue-rillataktik an, um die Aufwertung des real zu stoppen, nachdem sie sich be-schwert hatten, dass Pekings Währung ihren Exporten Schaden zufügten. Aber sie dürfen nicht so laut aufschreien da Peking ihr grösster kunde ist. Die Süd-afrikaner ergreifen einseitige Massnah-men um ihre Märkte zu schützen. In der Zwischenzeit haben Indien und Thailand gedroht, „schwere Geschütze“ ins Spiel zu bringen.

Eine Welle von „Fluchtkapital“ nach Thai-land (wo Spekulanten schnelle Gewinne machen wollen) hat den thailändischen Bhat auf den höchsten Stand gegenü-ber dem Dollar seit vor der Asienkrise 1997- 98 gebracht. Die Geschwindigkeit, mit der Geld auf die asiatischen Märkte fliesst, ist atemberaubend. Das hat die thailändische regierung gezwungen, eine 15prozentige Steuer auf kapital-gewinne und Anleihen zu verhängen, um so die Flut abzuwehren. Solche Massnahmen werden sich als zwecklos herausstellen, da der Geldzufluss nicht zu stoppen ist. Die milliardenschweren Spekulanten, wie George Soros, sind fest entschlossen, ihren Anteil zu gewinnen, indem sie gegen verschiedene Wäh-rungen „wetten“.

Die Grenzen des kapitalismus

Aufgrund der Überkapazitäten in der gesamten Weltwirtschaft investieren die kapitalisten ihr Geld in alles Mögliche nur nicht in die Produktion. Das zeigt erneut die Grenzen des kapitalismus, in dem die Produktivkräfte über den Natio-nalstaat und das Privateigentum an Pro-

duktionsmitteln hinausgewachsen sind. Die Welt wird mit „Überschussliquidität“ überflutet, Geldkapital, das nach vor-teilhafter kapitalanlage sucht. Warum sollte man in Industrien investieren, die bereits durch Überproduktion gesättigt sind, wenn man mit Währungen speku-lieren und Milliarden verdienen kann?

Das Ausmass des Finanzpokers ist wirk-lich erstaunlich. Als Devisenkontrollen abgeschafft wurden, stieg der Devisen-handel von 70 Mrd. Dollar Anfang der 1980er Jahre auf 550 Mrd. Dollar 1988 und auf 3,2 Billionen Dollar 2007 täglich. Die Hälfte davon sind Derivate, Finanz-hexerei, bei der Geld aus Geld gemacht wird. Währungen werden weiterverkauft, getauscht oder es wird auf zukünftige Preise gewettet.um das Ganze ins rechte Licht zu rücken: 2007 umfasste das weltweite Bruttosozi-alprodukt (BSP) 65 Billionen Dollar. Der Gesamtwert von börsennotierten unter-nehmen betrug 63 Billionen Dollar. Aber der Gesamtwert der Derivate belief sich 596 Billionen Dollar und war damit acht Mal so hoch wie der Wert der realöko-nomie. Der Gesamtwert der Währungen, der gehandelt wurde, betrug 1,168 Bil-liarden Dollar und war 17 Mal höher als das weltweite BSP. Der grösste Teil davon ist eindeutig fiktives kapital, das nicht durch wirkliche Sicherheiten gedeckt wird. Diese gesamte irrsinnige Struktur hat die Tatsache, dass ohne die reale Pro-duktion keine Werte geschaffen werden, vollkommen aus den Augen verloren. Sie sind das Phantom der Fantasie“, um den von Marx verwendeten Ausdruck zu benutzten.

Handelsdefizit

Die uS-Amerikaner wollen, dass die Chinesen ihre Währung aufwerten, da-mit der Dollar fallen kann und es so der

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Weltwirtschaft ermöglicht wird, wieder „ins Gleichgewicht zu geraten“. Für sie bedeutet dies, dass die Chinesen ihre Exporte zurückfahren und den Import uS-amerikanischer Waren steigern sol-len. Das zunehmende uS-Handelsdefizit trägt zu dem Druck bei. Die Chinesen haben diese Probleme nicht. Sie wollen ihre Exporte verteidigen und weiter stei-gern, um ihre hohen Wachstumsraten zu erhalten. Wenn ihnen das nicht gelingt, stehen ihnen Fabrikschliessungen, sozi-ale unruhen und eine steigende Instabi-lität bevor. Sie wollen das um jeden Preis vermeiden, denn sie haben erst kürzlich eine reihe von Streiks und Fabrikbeset-zungen in ihrem Land erlebt.

Die grösste Macht, welche den Dollar untergräbt ist die uS-Notenbank Federal reserve (FED) mit dem Ziel, die uS-ame-rikanischen Exporte konkurrenzfähiger zu machen. Paradoxerweise ist die Volks-bank Chinas der grösste Verteidiger des Dollar, die versucht, das genaue Gegen-teil zu machen. Die schwächelnde uS-Wirtschaft hat die FED dazu gebracht mehr Geld zu drucken, was zur Inflation führt, den Dollar schwächen und den uS-Exporten helfen könnte.

Ein Währungskrieg zwischen den kapita-listischen Mächten könnte in einem re-tourkutschen-Protektionismus ausarten, da alle versuchen, ihre Exporte auf ko-sten ihrer Mitbewerber zu steigern. Die uS-Wirtschaft verliert an Tempo, ebenso

die Industrieproduktion in Asien. Europa bleibt fest in der Flaute. Damit besteht die Gefahr, dass es an einem bestimmten Punkt zu einem kompromisslosen Han-delskrieg zwischen den konkurrierenden Mächten kommt.

Dieser zunehmende Widerspruch ent-steht aus der schrecklichen ökono-mischen Lage im Weltmassstab, in der je-des Land versucht durch die Steigerung seiner Exporte vor seinen Problemen zu flüchten. Sie wollen, dass ihre konkur-renten die Last tragen. Es ist klar, dass nicht jeder dies zur selben Zeit tun kann, aber sie alle bestehen darauf.Die Aussichten auf eine weitere quan-titative Lockerung in den uSA und Bri-tannien, die eine Schwächung ihrer Währung zur Folge hätte, hat die Span-nungen erhöht. Der daraus resultieren-de Zufluss von Überschusskapital in die Schwellenländer übt Druck auf deren reale Wechselkurse aus und zwingt diese dazu, eigene Abwertungen vorzuneh-men. Dabei handelt es sich in der Tat um einen glitschigen Abhang.Sticheleien von Wen Jiabao, dem chine-sischen Premierminister, Jean-Claude Trichet, dem Chef der EZB und Jean-Claude Juncker aus der Gruppe der Eu-Finanzminister und anderen haben die Spannungen zum kochen gebracht. Die Europäer schwanken hin und her, je nach der jeweiligen Stärke des Euro. Der schwache Euro war ihnen, und besonders den Deutschen, von Vorteil. Sein jüngster

Anstieg hat dazu geführt, dass vermehrt europäische Stimmen gegen China laut wurden, mit dem sie ein grosses bilate-rales Handelsdefizit haben.

Vergeltung

Die uSA haben keine Skrupel. Das reprä-sentantenhaus stimmte unlängst für ein Gesetz, das es erlauben würde, als ra-che für den unterbewerteten („manipu-lierten“) renminbi chinesische Importe zu blockieren. Das Wirtschaftsministe-rium plant, Steuern auf chinesische Wa-ren zu schlagen, die als „unterbewertet“ betrachtet werden. Dabei handelt es sich um eine verwässerte Version des Schu-mer-Graham-Plans, der alle chinesischen Importe mit einer 27,5prozentigen Steu-er belasten wollte - das ist ein klarer Ver-stoss gegen die regeln der Welthandels-organisation. „Sie betrügen, um uns die Jobs zu stehlen“, sagte Mike rogers, ein Mitglied des repräsentantenhauses aus Michigan. Noch sind es eher Drohungen als eine kriegserklärung.

Trotz aller Interventionen können die Zentralbanken nicht verhindern, dass ihre Währungen gegenüber dem fallen Dollar nicht an Wert zunehmen. Der ja-panische Yen befand sich Mitte Oktober auf einem 15jährigen Hoch gegenüber dem Dollar, obwohl 25 Mrd. Dollar aus-gegeben worden waren, um die eigene Währung zu senken. Das Gleiche trifft auf die Währungen von Thailand, den Philip-pinen und Malaysia zu.

Offenkundig ist kein Waffenstillstand in Sicht. „Der jetzige Scheinkrieg könnte schnell zu einem Nahkampf werden“, erklärte „The Economist“. „Die Bedin-gungen, die das Auseinandergehen in der Wirtschaftspolitik - besonders das schwerfällige Wachstum in der reichen Welt - vorantreiben, scheinen noch jah-relang anzuhalten.“ (16. Oktober). Der ökonomische Stellungskrieg wird wei-tergehen und an Stärke zunehmen. Dieser krieg der Worte könnte in einen umfassenden Handelskrieg ausarten und die Weltwirtschaft in eine neue Weltwirt-schaftskrise führen. Die herrschenden klassen rodeln mit geschlossenen Augen in ein unglück.

rob Sewell

Dollar im Vergleich zum Schweizer Franken. Die Exportwirtschaft freuts nicht.

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Euro-Demo in BrüsselDie ArbeiterInnenbewegung sei tot, hiess es lange. Aber die Euro-Demo in Brüssel, vom 14. September bewies das Gegenteil! Die ArbeiterInnenbewegung lebt und schreit lautstark nach ihren rechten und gegen die Spar-massnahmen in ganz Europa!

Los ging es am 13. September um 23:30 in Basel, von da aus startete unsere unia-Delegation. Wir fuhren mit dem Car nach Brüssel und kamen am frühen Morgen an. Die Delegation bestand aus etwa 30 Leuten und war ein buntes Ge-misch aus ArbeiterInnen, SekretärInnen und Jugendlichen. Die Stimmung war stets locker, aber doch kämpferisch. Die Delegation war der beste Beweis, dass in der unia eine aktive und zielgerichtete Basis vorhanden ist! In Brüssel angekom-men, fand morgens noch vor der Demo ein Workshop statt. An diesem wurden kurze referate zu den Sparmassnahmen in verschiedenen Europäischen Ländern gehalten, welche gut besucht waren. Von Frankreich über Griechenland nach Deutschland und Spanien wurde dann

auch über die Widerstandsformen und konsequenzen für die kämpfe in der Schweiz debattiert. Zwei Genossen des Funken waren eingeladen, Inputs zu ge-ben.

Die Demo startete so etwa um 14:00, und es waren sicher 100’000 Leute dort, wobei vor allem die sehr starken Dele-gationen französischer Gewerkschaften beeindruckte, welche sich mitten in den Mobilisierungen gegen die rentenreform befanden. Die Stimmung unter den An-wesenden ArbeiterInnen war sehr kämp-ferisch und wurden überall Feuerwerke gezündet. Die Polizei fuhr so ziemlich mit allem auf, was sie zu bieten hatte: kastenwägen, knüppel, Tränengas, und sogar mit einem Hubschrauber! Es wur-

den auch eine grössere Anzahl Demons-trantInnen verhaftet, wobei die Polizei völlig übertrieben agierte und den De-mozug spaltete und teilweise blockierte, so dass ein beachtlicher Teil der Arbeite-rInnen und GewerkschafterInnen nicht an der Schlusskundgebung teilnehmen konnten, darunter auch die unia Delega-tion. Die Demo war dennoch ein Erfolg! Sie ist Ausdruck dessen, was gerade in Europa geschieht: Die Entstehung einer neuen Protestbewegung, einer kämp-ferischen Bewegung, die auf absoluter Notwendigkeit beruht und welche die Weichen für die Zukunft stellt!

Hannes BrühlmannVorstand Juso Winterthur

Über meine Arbeit...Es ist schwierig zu erklären, was ich ge-nau bin, denn ich muss von einer Sekun-de auf die nächste meine rolle wechseln und ein neues Gesicht aufsetzen. Dabei muss dieses Gesicht völlig echt wirken und ein sehr schlaues Wesen überzeu-gen, das kind. Ich bin kummertante, Streitschlichterin, Polizistin, Erzählerin, Lernhelferin und auch ratgeberin für El-tern, kurz: Ich bin kindergärtnerin. Die-ser Beruf ist jeder Tag aufs Neue eine He-rausforderung und keiner ist gleich, wie der andere.

Meine Aufgabe ist es, die kinder auf ih-rem Lernweg zu fördern. Ich setze die Grundsteine, damit sie erfolgreich in die Schule eintreten können. Das ist eine en-orme Aufgabe, denn jedes kind hat an-dere Bedürfnisse. Das Schöne am Lernen im kindergarten ist die Offenheit und die Spontanität. Ich arbeite nicht in einem Lektionenmuster, sondern rhythmisiere den Morgen nach den Bedürfnissen der kinder und kann meinen unterricht je-

derzeit verändern. Zwar muss ich mich an der Lehrplan halten, doch die offen formulierten Lernziele darin ermögli-chen mir individuelle Anpassungen. Das Lernen im kindergarten ist völlig anders, als jenes in der Schule, was dann zum be-kannten und heiklen „Übergang“ führt. Die starke Verbindung von Spiel und Lerninhalt, wie sie im kindergarten ge-nutzt wird, führt zu einem verzerrten Bild der kindergärtnerin und des kindergärt-ners in unserer Gesellschaft. Die Berufs-rolle wird oft als eine Art „Basteltante“, die die kinder ein bisschen hütet, bastelt und spielt, angesehen, was natürlich auch mit der historischen Bedeutung des kindergartens zusammenhängt! So-gar im Studium traf ich auf junge Leute, die Primarlehrer studierten und mir an den kopf warfen, dass ich kein Studium benötige, weil ich sowieso nur mit den kindern spiele. Aber: Spielen ist Lernen! und ich bin der Meinung, dass das Ler-nen wieder spannender und attraktiver für Jung und Alt ist, würde man diese

Über deine Arbeit...

Was machst du tagtäglich? Wie sieht dein Tagesablauf aus? Was gefällt dir an deiner Arbeit? Was eher nicht? Neu in dieser Ausgabe ist die rubrik „Über meine Arbeit...“. In Zukunft wol-len wir in jeder Zeitung jemanden dazu einladen, über seinen oder ihren Beruf zu erzählen. Wenn du also Lust hast, über deine Arbeit zu schreiben, melde dich bitte bei uns unter [email protected]. Wir freuen uns auf deinen Beitrag!

Tatsache endlich akzeptieren und nut-zen. Die Anerkennung meines Berufes fehlt zum Teil, was im Moment vor allem in der Lohndiskussion zu erkennen ist.

rahel Gerber

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Ich bestelle:o ein Funke-Abo (15 Franken für 5 Ausgaben)o Theoriereihe “Aufstand der Vernunft” Band _____ (16 Franken + Porto)o Broschüre Nr. 1 “Wie gewinnen wir einen Streik?” (2 Franken + Porto)o Neuerscheinung: Denkzettel – Politische Erfahrungen im Zeitalter der perma-nenten revolution (32 Franken inkl. Porto)o das Buch “Leo Trotzki – Sozialismus oder Barbarei” (18 Franken + Porto)

Ich will:o eine Liste eurer Materialieno Infos über eure Veranstaltungen und Aktivitäteno aktiv werden

Name:Strasse:PLZ & Ort:Telefonnr.:E-Mail:

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Das vorliegende Buch bietet einen hervorragenden Überblick über Leo Trotzkis Denken und seine politische Aktivität, die sich vom Anbruch des 20. Jahrhunderts bis zu seiner Ermor-dung durch Stalins Agenten im Jahr 1940 zieht. Er ist ein wahr-haft großer Vertreter des revolutionären Marxismus, stand an der Spitze beider russischer revolutionen von 1905 und 1917 und zählt auch zu deren herausragenden Chronisten. Mit dem kampf gegen die Stalinisierung der russischen revolution und der historischen Analyse dieses Prozesses hinterließ er den nachgeborenen Generationen revolutionärer Marxistinnen und Marxisten ein schlagkräftiges Gegenargument zum an-geblichen Scheitern des sozialistischen Projektes.

Trotzkis Sprachgewalt und seine weit gefächerten Interessen machen ihn für ein breites Lesepublikum interessant. Seine Fe-der greift weit über Tagespolitik hinaus, setzt sich fachkundig mit Literatur und Psychoanalyse, der Anwendung der materi-alistischen Dialektik auf die modernen Naturwissenschaften und den Fragen der menschlichen Alltagskultur auseinander.

Der vorliegende Band beinhaltet eine bedeutende Auswahl an 58 Texten Trotzkis und liegt mit einem erweiterten register sowie einem neuen Vorwort erstmals seit über 20 Jahren dem deutschsprachigen Publikum vor.

„Die gegenwärtige Weltkrise bezeugt in besonders tragischer Weise, wie sehr der Mensch, der auf den Boden des Ozeans hi-nabtaucht, in die Stratosphäre emporsteigt, sich auf unsicht-baren Wellen mit den Antipoden unterhält, wie sehr dieser stolze und verwegene Gebieter der Natur Sklave der blinden Mächte der eigenen Wirtschaft bleibt. Die geschichtliche Auf-gabe unserer Epoche besteht darin, das entfesselte Spiel des Marktes durch einen vernünftigen Plan zu ersetzen, die Pro-duktionskräfte zu disziplinieren, sie zu zwingen, in Harmonie zusammenzuwirken, den Bedürfnissen des Menschen gehor-sam dienend.“ Leo Trotzki, 1932

Neuerscheinung: Denkzettel – Politische Erfahrungen im Zeitalter der permanenten revolution

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