archithese 1.05 - swiss performance 05

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archithese Miller & Maranta Wohnhaus Schwarzpark, Basel Bosshard Vaquer Aufbahrungshalle, Zürich Bernard Tschumi Manufaktur, Plan-les-Ouates Buchner Bründler Einfamilienhaus, Aesch Herzog & de Meuron Fórum Barcelona 2004 EM2N Quartierzentrum Aussersihl, Zürich Mario Botta Umbau Teatro alla Scala, Mailand sabarchitekten Orientierungsschule, La Tour-de-Trême agps architecture Apartmenthäuser Hohenbühl, Zürich Peter Märkli Schulhaus im Birch, Zürich Staufer & Hasler Kantonsschule, Wil Gigon/Guyer Bauten für Kunst, Mouans-Sartoux/Wichtrach Beat Rothen Wohnbau Neumühle Töss, Winterthur Andrea Roost Kehrichtverbrennungsanlage, Thun Burkhalter Sumi Seniorenresidenz Multengut, Muri Daniele Marques Werkhof, Münsterlingen Baumschlager & Eberle Hochhaus, Zürich Scheitlin Syfrig, Stefan Zwicky Reitgebäude CSCC, Horgen 1.2005 Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur Revue thématique d’architecture Swiss Performance 05 mit

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Page 1: archithese 1.05 - Swiss Performance 05

architheseMiller & Maranta Wohnhaus Schwarzpark, Basel

Bosshard Vaquer Aufbahrungshalle, Zürich

Bernard Tschumi Manufaktur, Plan-les-Ouates

Buchner Bründler Einfamilienhaus, Aesch

Herzog & de Meuron Fórum Barcelona 2004

EM2N Quartierzentrum Aussersihl, Zürich

Mario Botta Umbau Teatro alla Scala, Mailand

sabarchitekten Orientierungsschule, La Tour-de-Trême

agps architecture Apartmenthäuser Hohenbühl, Zürich

Peter Märkli Schulhaus im Birch, Zürich

Staufer & Hasler Kantonsschule, Wil

Gigon/Guyer Bauten für Kunst, Mouans-Sartoux/Wichtrach

Beat Rothen Wohnbau Neumühle Töss, Winterthur

Andrea Roost Kehrichtverbrennungsanlage, Thun

Burkhalter Sumi Seniorenresidenz Multengut, Muri

Daniele Marques Werkhof, Münsterlingen

Baumschlager & Eberle Hochhaus, Zürich

Scheitlin Syfrig, Stefan Zwicky Reitgebäude CSCC, Horgen

1.2005

Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

Revue thématique d’architecture

Swiss Performance 05

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000_Umschlag 2.6.2006 9:58 Uhr Seite 1

Page 2: archithese 1.05 - Swiss Performance 05

2 archithese 1.2005

E D I T O R I A L

Swiss Performance 05

Es ist nun schon das fünfte Mal, dass wir unter dem Titel Swiss Performance einen

Rückblick auf das Schweizer Baugeschehen des Vorjahres vorlegen. Wie in den ver-

gangenen Jahren präsentieren wir erneut eine Auswahl von Bauten, die als ge-

lungen, spektakulär oder diskussionswürdig einzustufen sind. Objektivität wird

dabei nicht beansprucht; und der eine oder die andere mag die Auswahl für

lückenhaft oder falsch halten. Das ist das Wesen von Auswahlen: Sie sind nicht

objektivierbar, und es sind Ausschnitte aus einer Gesamtheit, welche auch andere

Zusammenstellungen erlaubte. Überdies hat einiges, was es ebenfalls vorzustellen

gäbe, schon Eingang in die vorangegangenen Hefte gefunden.

Auch in diesem Jahr wurde zugunsten einer möglichst grossen Auswahl die für

archithese typische Trennung in Themen- und Rubrikenteil weitgehend aufgeho-

ben. Und wie erstmals im vergangenen Jahr ergänzen wir unsere Auswahl durch

die Rubrik swiss unlimited, in der experimentelle Bauten und Projekte zu finden

sind, die in eine neue Richtung weisen könnten.

Ein Kompendium, das die bisherigen Ausgaben von Swiss Performance vereint

und durch weitere Beiträge ergänzt wird, ist in Vorbereitung und soll innerhalb des

laufenden Jahres im Verlag Niggli AG erscheinen.

Natürlich findet sich der übliche Aufbau der archithese in den kommenden Hef-

ten wieder: Heft 2 widmet sich dem Thema Brush up, Umbau, Rekonstruktion, Heft

3 dem Bauen in den Bergen. Heft 4 thematisiert Trash, und Heft 5 stellt die Frage

«Was ist Schönheit?».

Ein Rückblick auf das vergangene Jahr sollte auch die begleitenden Aktivitäten

von archithese nicht unerwähnt lassen: Im Rahmen des Designer’s Saturday am

6. und 7. November in Langenthal beteiligte sich archithese an dem Gemein-

schaftsstand von Denz, der – von Stefan Zwicky entworfen – unter dem Thema

Denz Winery stand. Und am 20. November veranstalteten wir – gemeinsam mit der

Architekturgalerie Luzern und unterstützt vom British Council Switerland – be-

gleitend zum Launch des gleichnamigen Heftes 5.2004 ein Symposium im KKL

Luzern unter dem Titel News from London. Zu Vorträgen eingeladen waren die

Architekten David Adjaye und Stephen Bates, der Architekturkritiker Ellis Wood-

man sowie CABE-Mitglied Peter Stewart.

Und schliesslich: Seit Ende 2004 ist die neue Website aktiv: www.archithese.ch

Redaktion

Teilnehmer desSymposiums Newsfrom London vordem KKL LuzernVon links nachrechts: Ellis Wood-man, HubertusAdam, StephenBates, David Adjaye,Peter Stewart(Foto: Toni Häfliger)

002-005_Editorial.qxp 26.1.2005 10:27 Uhr Seite 2

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6 archithese 1.2005

Text: Judit Solt

Ähnlich wie Zürich sieht sich auch Basel mit dem Problem

konfrontiert, dass Städterinnen und Städter mit hohem Ein-

kommen – und entsprechender Steuerkraft – mangels geeig-

neter Wohnungen ins Umland abwandern: Über zwei Drittel

aller Basler Wohnungen weisen lediglich drei oder weniger

Zimmer auf, der Leerstand bei grösseren Wohneinheiten ist

praktisch null. Um diesen Missstand zu beheben, hat die Bas-

ler Regierung vor drei Jahren das Projekt Logis Bâle lanciert

mit dem Ziel, innerhalb von zehn Jahren den Bau von 5000

neuen Wohnungen zu ermöglichen. Das im Herbst vollendete

Wohnhaus Schwarzpark von Miller & Maranta gehört zu

den ersten realisierten Bauten und zeugt eindrücklich von

der Qualität, die gehobenes städtisches Wohnen erreichen

kann.

Mit ihrem Entwurf knüpften die Architekten bewusst an

die Tradition des modernen gehobenen Wohnungsbaus an.

Von entscheidender Bedeutung war die Auseinandersetzung

mit dem Werk von Otto Senn, dessen Parkhaus Zossen

(1934 –1935) an der St. Alban-Anlage in Basel wie Le Corbu-

siers Immeuble Clarté in Genf (1930 –1932) zu den wichtigs-

ten Beispielen des städtischen Wohnungsbaus der Dreissi-

gerjahre zählt. Dennoch handelt es sich beim Entwurf von

Miller & Maranta keineswegs um eine schüchterne Anleh-

nung an die Arbeit von Senn, sondern um eine kraftvoll zeit-

genössische, sehr eigenständige Interpretation jener The-

men, die auch Senn seinerzeit aufgegriffen hatte.

Im Park gewachsen

Der um 1860 angelegte Schwarzpark, seit 1991 als Folge

eines Volksentscheids als Grünzone eingestuft und seit 1996

im Besitz des Kantons Basel-Stadt, darf grundsätzlich nicht

überbaut werden. Von dieser Regelung ausgenommen sind

zwei Randparzellen. Auf der einen entstand 2002 eine Al-

terssiedlung, auf der zweiten – ganz im südlichen Spickel des

Parks – das Wohnhaus Schwarzpark. Umgeben von prächti-

gen alten Bäumen, scheint der Neubau selbst aus dem Boden

heraus zu wachsen. «Astwerk» nannten die Architekten das

Projekt, mit dem sie 2001 den Gesamtleistungswettbewerb

für die Überbauung des Areals gewannen: Die in Zusam-

menarbeit mit dem Churer Ingenieur Jörg Conzett entwi-

ckelte Betonstruktur der Fassade spannt ein luftiges Volumen

auf wie Äste eine Baumkrone. Die Fassaden werden ganz

durch die Tragkonstruktion und durch die raumhohen Öff-

nungen der Fenster und Veranden bestimmt; tagsüber spie-

gelt sich der Park in den Verglasungen, nachts leuchtet der

Bau wie eine Laterne. Die Wirkung des regelmässigen Trag-

werks wird durch die zweifach abgewinkelte Form des läng-

lichen Baukörpers kontrastiert und verstärkt. Doch das Volu-

men ist auch in der Vertikalen abgewinkelt: Im Sockelbereich

zwischen Erdboden und Hochparterre wächst das Gebäude

in die Breite und sitzt umso körperhafter über seiner etwas

schmaleren Basis. Dies und der raue, dunkelbraune Putz der

wenigen geschlossenen Fassadenteile lassen das Haus trotz

seines nüchternen Fensterrasters fast organisch erscheinen

– ein Gebilde zwischen Baum und Pilz, filigran und erdig zu-

1 Ansicht vom Park

006-011_Miller 26.1.2005 10:28 Uhr Seite 6

Page 5: archithese 1.05 - Swiss Performance 05

7

Situation

Grundrisse Erd- undNormgeschoss(Fotos: Ruedi Walti)

Miller & Maranta: Wohnhaus Schwarzpark, 2004 Rau wie ein

urtümliches Waldgewächs, filigran wie eine Baumkrone erhebt

sich das neue Wohnhaus von Miller & Maranta am Rande des histori-

schen Schwarzparks in Basel – ein komplexes, fein durchdachtes

Gebäude und ein brillanter Beitrag zum Thema des gehobenen

städtischen Wohnungsbaus.

MITTEN IN DENBÄUMEN

006-011_Miller 26.1.2005 10:28 Uhr Seite 7

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12 archithese 1.2005

Bosshard Vaquer: Umbau der Aufbahrungshalle des Friedhofs Sihlfeld,

Zürich Eine in den Sechzigerjahren purifizierte Aufbahrungshalle musste

den heutigen Anforderungen angepasst werden. Die Architekten unternah-

men einen sensiblen Eingriff, bei dem sich die Technik der historischen

Schablonenmalerei mit heutiger computergenerierter Ornamentik verbindet.

ORNAMENTE ZWISCHEN TRADITIONUND GEGENWART

1

012-015_Bosshard 26.1.2005 10:29 Uhr Seite 12

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Text: Ahmed Sarbutu

Nachdem das Bestattungswesen aufgrund der revidierten

Bundesverfassung von 1874 von der kirchlichen in staatliche

Obhut übergeganen war, übernahm die Stadt Zürich ein Ge-

lände in Wiedikon, das die Pfarrgemeinden Grossmünster,

Fraumünster und Predigern gemeinschaftlich 1873 zur An-

lage eines neuen Friedhofs erworben hatten. Der neue, nun-

mehr konfessionsneutrale Zentralfriedhof – seit 1896 Friedhof

Sihlfeld genannt – wurde 1877 eröffnet. Wie die von Stadt-

baumeister Arnold Geiser errichteten Eingangsbauten an der

Ämtlerstrasse beweisen, wählte man für die Architektur

einen von der Antike inspirierten Baustil, der explizit christ-

licher Konnotationen entbehrte. Tempelartig wirkt auch das

durch den Zürcher Feuerbestattungsverein finanzierte, von

Geiser schon 1877 geplante, aber erst zehn Jahre später rea-

lisierte Krematorium in der Hauptachse der Anlage. War der

Friedhof durch die Hochrechnung von Sterbeziffern auch auf

die Zukunft berechnet, so erforderte doch die Eingemeindung

umliegender Gemeinden 1893 grossflächige Erweiterungen –

die heutigen, von einer öffentlichen Wegachse getrennten

Teile C (1902) und D1 (1915). Die Vergrösserung und über-

dies die wachsende Akzeptanz der Feuerbestattung machten

schliesslich den Bau eines neuen Krematoriums nötig. Mit der

Planung des Friedhofs Sihlfeld D1 wurde der Nachfolger von

Geiser betraut, der in Pforzheim geborene und an der ETH tä-

tige Friedrich Fissler. Im Kontext der Friedhofserweiterung

entwarf dieser auch ein neues Nebengebäude mit Auf-

bahrungshalle, Abdankungskapelle und diversen Nebenräu-

men; das H-förmige Bauwerk entstand im Nordwesten des

neuen Sektors, nahe dem Hauptportal Richtung Albisrieder-

platz.

Für das Äussere wählte Fissler den Stil eines reduzierten

Neoklassizismus; im Inneren überraschte in den für Trau-

ernde zugänglichen Bereichen eine reiche künstlerische Aus-

stattung, unter anderem mit Wandmalereien und Sgrafitti

von Friedrich Appenzeller. Auch funktional war das Gebäude

auf der Höhe seiner Zeit: Besucher- und Dienstbereich waren

streng voneinander getrennt, und die im Inneren der Anlage

befindlichen Aufbahrungskammern wurden mit gekühlter

Luft und – über Glasdecken – mit indirektem Licht versorgt.

Funktionale Anpassungen

Gewandelter Zeitgeschmack führte indes dazu, dass der Bau

im Inneren, von der Kapelle abgesehen, seinen Charakter ver-

lor. Die Dekorationsschemata der Wände wurden mit Disper-

sionsfarbe überstrichen, die Bänke und Vasen im Besucher-

gang entfernt.

2001 entschied man sich für eine grundlegende Renovie-

rung des Gebäudes. Eigentlicher Anlass dafür war die

Situation in den Aufbahrungskammern. Einerseits waren die

zellenartigen Grundrisse zu klein für den Besuch mehrerer

Personen, andererseits war ein längerer Aufenthalt von Ver-

wandten und Freunden bei den Toten aufgrund des zur Bau-

zeit fortschrittlichen Kühlungssystems nicht möglich. In

einem Wettbewerb konnte sich das Architekturbüro Boss-

hard Vaquer mit seinem Konzept einer sensiblen Restruktu-

1 Benutzergang imWestflügel vor denAufbahrungskam-mernDas Dekorationssys-tem konnte frei-gelegt und wieder-hergestellt werden,die Bankeinbautenund Vasen sind freieInterpretationen derArchitekten (Fotos: HélèneBinet)

2 Aufbahrungs-kammerDas Dekorations-schema wurde ausdem Palmettenfriesder Gebälkzonegeneriert

3 Gang im Mittel-traktWölbungen undFarbfassungenwurden von denArchitekten entwi-ckelt, um dieeinzelnen Innen-räume zusammen-zubinden

2

3

012-015_Bosshard 26.1.2005 10:29 Uhr Seite 13

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30 archithese 1.2005

BUNTES LEBEN AN DER STADTLICHTUNG

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030-033_Muschg 26.1.2005 10:41 Uhr Seite 30

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1 Situation

2 AussenansichtDämmerung(Fotos: HannesHenz)

3 Aktionsraum im1. Obergeschoss

EM2N: Quartierzentrum Aussersihl, Zürich

Eine lange Geschichte sozialer Not, eine Verkettung

von Unglücksfällen und ein politischer Schlag-

abtausch haben zum Bau des Quartierzentrums

Aussersihl in seiner heutigen Form geführt.

Das sehr gelungene Gebäude von EM2N stösst bei

der Quartierbevölkerung auf grossen Anklang.

Text: Benjamin Muschg

Eine grüne Wand, die den Rücken frei hält vom Lärm und von

der Hektik der Stadt – ringsherum Bäume, die ihre Äste zärt-

lich um einen legen – über dem Kopf eine schützende grüne

Decke: Im Restaurant B im Erdgeschoss des neuen Quartier-

zentrums von Zürich Aussersihl fühlt man sich das ganze

Jahr wie auf einer Parkbank. Mit dem im Oktober eröffneten

Neubau hat das Zürcher Büro EM2N einen gelungenen Bei-

trag zur Aufwertung der Bäckeranlage geleistet, die seit 1955

amtlich Aussersihler-Anlage heisst und nun im Begriff ist, zu

jener urbanen Oase des Langstrassenquartiers zu werden,

die sie ursprünglich hätte sein sollen, aber in ihrer über 100-

jährigen Geschichte kaum je war.

Der Stadtpark als Problemzone

Der Quartierübername «Chreis Cheib» verrät, dass Zürich in

Aussersihl traditionell seinen «menschlichen Ausschuss»

entsorgte. Im 12. Jahrhundert wurden die Aussätzigen der

Stadt ins «Siechenhaus» St. Jakob an der Sihlbrücke abge-

schoben, in der «Cheibengrube» wurden Tierkadaver und

die Leichname der Gehenkten begraben. Mit der Industriali-

sierung setzte Mitte des 19. Jahrhunderts in Aussersihl ein

Baumboom ein, der das Ackerland vor den Toren der Stadt

innerhalb von 50 Jahren zur zehntgrössten Schweizer Stadt

anwachsen liess. Aussersihl wurde zur Heimat der Arbeiter-2

3

030-033_Muschg 26.1.2005 15:46 Uhr Seite 31

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Peter Märkli: Schulhaus im Birch, Zürich-Oerlikon Der neue Schulkomplex in Oerlikon setzt aufgrund

einer neuartigen Raumorganisation Massstäbe. In einer vormals industriell geprägen Umgebung operiert der

Architekt, nicht zuletzt aus produktionstechnischen Gegebenheiten, mit rauen Materialien, denen er eine

eigene, beiläufige Poesie zu entlocken vermag.

gleichsam eine «Verbotene Stadt». Dann erfolgte der Auf-

bruch: Auf Basis eines 1992 veranstalteten internationalen

Ideenwettbewerbs, aus dem das Zürcher Büro Ruoss/Si-

ress/Schrader als Sieger hervorging, wurde das einst indust-

riell genutzte, im Besitz der ABB als Nachfolgerin der MFO,

aber auch weiterer Firmen sowie der Stadt und des Kantons

befindliche Terrain nördlich des Bahnhofs Oerlikon einer

neuen Nutzung zugeführt. 1996 fand das Planungsleitbild die

Bewilligung offizieller Stellen: Auf dem früheren Industrie-

gelände sollen Wohnungen für 5000 Einwohner sowie 12 000

Arbeitsplätze entstehen. In architektonischer Hinsicht wurde

eine Orientierung an der grossflächigen Volumetrie der frü-

heren Hallenbauten festgeschrieben; eine ebenfalls denk-

bare Hochhausbebauung stiess damit ebenso auf Ablehnung

wie eine kleinteiligere Strukturierung. Ob in Baden oder Oer-

likon, ob in Winterthur oder Zürich-West: Mit der Revitalisie-

rung von Industriearealen schien in den Neunzigerjahren die

Zeit des grossen Massstabs angebrochen, endlich.

Inzwischen sind weite Teile des Planungsgebiet Neu-Oer-

likon fertig gestellt, doch nach der frühen Euphorie macht

sich Ernüchterung breit. Das Quartier wirkt nicht eben le-

bendig, dafür mag man funktionale ebenso wie ästhetische

Gründe anführen. Ohne Zweifel war es ein Fehler, die Alt-

bausubstanz beim zentralen Quartier nördlich der Binzmüh-

lestrasse vollständig zu entfernen. Ausserdem ist eine Nut-

zungsmischung nicht gegeben – Geschäfte oder Gaststätten

sucht man vergeblich. Und schliesslich zeigt sich, dass in vie-

len Bauten der Umgang mit dem grossen Massstab nicht zu

überzeugenden Resultaten geführt hat. Gross zu bauen, mit

Rauheit umzugehen, das hat in der Schweiz keine Tradition.

Poesie und Prosa

Dass es auch anders geht, zeigt der Schulkomplex von Peter

Märkli. Als mit der Planung der Gebäudegruppe begonnen

wurde, war von den benachbarten Bebauungen wenig mehr

Text: Hubertus Adam

Wie kaum ein anderer Bereich der Architektur hat der Schul-

bau Schweizer Architekten in den vergangenen Jahren mit

Aufträgen versorgt. Entstanden sind durchaus Inkunabeln

zeitgenössischen Bauschaffens, doch betrachtet man die

Grundrisse, so zeigt sich gemeinhin wenig an Innovation.

Verglichen mit reformerischen Konzepten, die beispielsweise

Alfred Roth 1950 in seiner Publikation Das neue Schulhaus

veröffentlichte, wirken viele gegenwärtige Neubauten brav

und bieder. Zu den wenigen Beispielen, die zeigen, dass Ar-

chitekten sich auch mit Fragen der Pädagogik auseinander

setzen und der Kultusbürokratie voraus sein können, zählt

das neue Schulhaus im Birch in Zürich-Oerlikon. Für das neue

Prinzip des Co-Teachings, bei dem mehrere Klassen und Leh-

rer eine Art von Kleinschule innerhalb eines grösseren Schul-

kosmos bilden, hat Peter Märkli eine spezielle Grundrisslö-

sung entwickelt: Ein Verbund aus einem Gemeinschaftsraum

und drei angelagerten Räumen bildet das Grundelement, das

nunmehr verschiedene Nutzungen ermöglicht. Nach der Ab-

schaffung des klassischen Frontalunterrichts zugunsten von

Gruppen- und Teamkonzepten ist hier eine adäquate, für di-

verse Unterrichtsmodelle adaptierbare Struktur gefunden

worden. Die Wände zwischen den Räumen bestehen aus

Glas; bei Bedarf können Vorhänge zur visuellen Trennung

eingesetzt werden. Inzwischen, so zeigen die Erfahrungen in

der Praxis, wird längst nicht mehr strikt zwischen Unter-

richts- und Freizeitzone getrennt; was heute hier geschieht,

findet dort morgen seinen neuen Ort. Raum aneignen, mit

Raum ungehen, auch das kann ein pädagogisches Ziel sein.

Transformation eines Stadtteils

Für 700 Schüler ist der Komplex im Norden von Oerlikon aus-

gelegt, einem neuen Stadtteil von Zürich. Bis in die Acht-

zigerjahre hinein war das Terrain der hauptsächlich im

Rüstungssektor tätigen Maschinenfabrik Oerlikon (MFO)

KONTROLLIERTE ZUFÄLLIGKEIT

1 Clusterkonzept:Gemeinschaftsraummit Klassenzimmern(Fotos: 1, 5–9:Walter Mair)

048-053_Märkli 26.1.2005 10:45 Uhr Seite 48

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Gigon/Guyer: Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux/Galerie-Depot, Wichtrach

Gigon/Guyer gelten seit dem Kirchner-Museum Davos als Protagonisten des zeitgenössischen

Museumsbaus. Nahe der Côte d’Azur haben sie nun einen Neubau für die von Gottfried

Honegger und Sybil Albers zusammengetragene Sammlung konkreter Kunst errichtet, in Wicht-

rach bei Bern ein Depot für eine Galerie.

TURM UND SCHEUNE

1

058-063_Guyer 26.1.2005 10:47 Uhr Seite 58

Page 13: archithese 1.05 - Swiss Performance 05

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Text: Hubertus Adam

Am Ende des Rundgangs, der nicht eigentlich ein Rundgang

ist, sondern ein kontinuierliches Sich-Aufwärtsbewegen

durch 15 Ausstellungsräume und über sechs Ebenen, findet

sich in einer Vitrine das einzige Objekt, das nicht eigentlich

ein Kunstwerk ist: ein Pyritkristall, versehen mit der Bei-

schrift «L’univers est écrit en langage mathématique». Dass

sich in der reinen Form mehr offenbart als die ideale Geomet-

rie, ist das Credo jener Kunstrichtung, für die Theo van Does-

burg 1930 den Begriff «Art concret» geprägt hat. Nichts sei

konkreter, nichts wirklicher als eine Linie, eine Farbe, eine

Fläche, und basierend auf den heroischen Kunstströmungen

des beginnenden 20. Jahrhunderts, dem Suprematismus

Malewitschs ebenso wie dem niederländischen De Stijl, pos-

tulierte van Doesburg eine universelle Sprache als Grundlage

einer neuen Kultur. In der Schweiz können Max Bill und Ri-

chard Paul Lohse als Protagonisten gelten, doch so sehr die

Konkrete Kunst auch den Humus der Schweizer Kunst nach

1945 bildete, so sehr sollten Differenzen an die Stelle von Ge-

meinsamkeiten treten. Der Streit um die Interpretationsho-

heit geriet zu Diadochenkämpfen, und die Intention des 1917

geborenen Künstlers Gottfried Honegger, seine eigene

Sammlung konkreter Kunst zu einem umfassenden Stif-

tungsmuseum auszubauen, scheiterte am Widerstand der

Berufskollegen oder ihrer Erben.

Daher präsentiert Honegger, der mit seinen seit 1960 ent-

standenen Tableau-reliefs zur zweiten Generation der

Schweizer Konkreten zählt, die gemeinsam mit Sybil Albers-

Barrier aufgebaute Kollektion seit 1990 in seiner südfranzösi-

schen Wahlheimat. Domizil des Espace de l’Art Concret ist

das Schloss des zehn Kilometer nördlich von Cannes gelege-

nen Städtchens Mouans-Sartoux. Das im Kern aus dem be-

ginnenden 16. Jahrhundert stammende Château war mitsamt

seinem Park kurz zuvor von der Gemeinde erworben worden

und schien mit seiner ungewöhnlich dreieckigen Form und

den kreisrunden Ecktürmen wie geschaffen für die geometri-

schen Werke der Konkreten.

Architektur und Natur

Indes erwiesen sich die Räumlichkeiten auf Dauer als zu

klein, und nachdem durch den in der Region ansässigen Marc

Bariani 1998 ein Atelier pédagogique errichtet worden war,

konnte für die Sammlung ein Neubau der Zürcher Architekten

Gigon/Guyer eingeweiht werden, Resultat eines zweistufi-

gen Architekturwettbewerbs. Möglich geworden war das

Projekt, weil Honegger und Albers-Barrier ihre Kollektion als

Donation Albers-Honegger im Jahr 2000 an den französi-

schen Staat übertragen hatten und dieser dafür im Gegenzug

den Neubau finanzierte.

Es handelt sich um ein vertikales Museum in Form eines

fünfgeschossigen Turms, der nordwestlich des Schlosses so

am Hang platziert wurde, dass er vom Parkplatz im Tal aus

gesehen schier unendlich zwischen den Bäumen aufragt,

während das Volumen vom Park aus moderat wirkt, die

Dimensionen einer grösseren Villa nicht zu sprengen

scheint und die Traufhöhe der Schlosstürme respektiert.

Gigon/Guyer konzipierten einen Sichtbetonkörper, der gelb-

grün gestrichen wurde; die Faktur der Pinselstriche lässt sich

aus der Nähe erkennen. Auf selbstverständliche Weise har-

moniert die Farbe mit der umgebenden mediterranen Vege-

tation, bleibt dabei aber erkennbar artifiziell. Immer wieder

haben sich Gigon/Guyer mit der Interferenz von Architektur

und Natur beschäftigt: Beim Kirchner-Museum verwendeten

B

A

C

D

1 Ansicht vomHangfuss aus (Fotos 1+2, 11+12:Serge De mailly)

2 Situation obererEingang

3 Situationsplan(ohne Massstab)A Château deMouansB Donation Albers-HoneggerC Ateliers Pédago-giquesD Préau des Enfants

2

3

058-063_Guyer 26.1.2005 10:47 Uhr Seite 59