megatrend prekarisierung? eine sozialwissenschaftliche annäherung an den...

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1 Julia Obinger “Megatrend Prekarisierung? Eine Kritische Annäherung an die Prekariatsforschung in und über Japan” [Megatrend Precarity? A Critical Approach to Research on Precarity in and on Japan]. In: S. Köhn and M. Unkel (eds.): Prekarisierungsgesellschaften in Ostasien? Aspekte der sozialen Ungleichheit in China und Japan. Wiesbaden: Harrossowitz, pp. 329350. 2016 1 Einleitung Prekarität und Prekarisierung sind „Signalwörter neuer sozialer Ungleichheiten“ 1 , die sich mittlerweile zu einem umkämpften Gebiet des medialen und wissenschaftlichen Diskurses entwickelt haben. Prekarisierung im engeren europäischen Sinne bezieht sich auf den Prozess der Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen in postfordistisch geprägten Gesellschaften bei gleichzeitigem Abbau von sozialen Sicherungssystemen. Prekarität bezeichnet dabei den Zustand der beruflichen und materiellen Verunsicherung mit einem erhöhten Armutsrisiko. 2 Dieser eigentlich im Arbeitsmarkt verankerte und an den Rändern der Gesellschaft beginnende Prozess hat sich inzwischen – so lautet der Diskurs unter anderem in Deutschland – zu einer den „gesamten sozialen Raum umgreifenden“, „umfassenden Prekarisierung“ 3 entwickelt: ausgehend von zunehmend unsicheren Erwerbsbiographien und verbreiteter Dauerarbeitslosigkeit bildet sich einerseits eine neue, „abgehängte“ Unterschicht heraus, während andererseits eine – zumindest gefühlte – Verunsicherung auch in die (noch) nicht materiell prekären Mittelschichten hineinreicht. Gemäß dem europäischen Diskurs verbreiten sich „Prekarisierungsgesellschaften“ 4 , und Prekarität ist – so Bourdieus bekannter Ausspruch – überall. 5 Darüber hinaus wird Prekarität gerade in massenmedialen Darstellungen auch als eine subjektive Eigenschaft der von ihr betroffenen Personen angenommen, und es zeichnen sich zuweilen deutliche soziale Ressentiments gegen Lebensstile ebendieser Prekären ab. 6 Möglicherweise als Reaktion auf eine derartige Marginalisierung etablierte sich das Prekariat – eine heterogene Gruppe, der mitunter aufgrund ihres gemeinsamen Merkmals der Prekarität das Potential zum politischen Empowerment zugesprochen wird. 7 Zumindest oberflächlich betrachtet kann hier eine erstaunliche Parallelität zwischen den deutschen und japanischen Debatten festgestellt werden, die in beiden Ländern um das Jahr 2006 einsetzten. Als Schlagwort hat Prekarität Teile der Japanforschung in den vergangenen Jahren stark beeinflusst. Die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex fand nicht nur in den Sozialwissenschaften, sondern gerade auch in den Literatur- und Kulturwissenschaften statt; durch die Adaption von Prekarität als Sujet der japanischen Popkultur – die auch populärwissenschaftliche Berichte miteinschließt – wurde das Bild eines „precarious Japan“ 8 zu einer offenbar unverrückbaren Beschreibung der heutigen sozialen Realität. Ist Japan aber tatsächlich eine „Prekarisierungsgesellschaft“? An welchen Merkmalen macht sich diese soziale Entwicklung fest? Zur Beantwortung dieser Fragen befasst sich dieser Beitrag nach einer Klärung der Begriffe und empirischen Basis insbesondere mit der Herausbildung und Verstetigung des populären und wissenschaftlichen Diskurses zu neuen Armutslagen und sozialen Ungleichheiten in Japan. Dabei werden verschiedene Aspekte des umfassenden „Prekariatsbooms“ 9 kritisch hinterfragt, unter anderem mit Blick auf die Konstruktion und Lokalisierung des „Prekären“ in Japan sowie die Rolle der Betroffenen hierbei. 2 Begriffsklärung: Prekarisierung – Armut – soziale Ungleichheiten in Japan In Japan scheint Prekarisierung – zumindest im Vergleich zum deutschen Diskurs – kaum gebräuchlich. Zwar wurde der Begriff des Prekariats (purekariāto プレカリアート) etwa um 2006 in Japan eingeführt und erlebte zusammen mit dem Begriff „Working Poor“ (wākingu puā ワーキングプアー) eine Konjunktur gerade in populärwissenschaftlichen, journalistischen und literarischen Abhandlungen, doch dominieren in Japan eher Schlagworte wie „neue soziale Ungleichheiten“ (aratana shakaiteki fubyōdō 新たな社会的不平等 ), „Differenzgesellschaft“ (kakusa shakai 格差社会) und schlicht „Armut“ (hinkon 貧困) die Diskussion. Im Folgenden werden diese eng miteinander verwobenen Kernkonzepte kurz erläutert und eine empirische Einschätzung vorgenommen. 1 Vgl. hierzu den gleichnamigen Beitrag von Berthold Vogel (Prekarität und Prekariat – Signalwörter neuer Ungleichheiten 2008). 2 Fuchs-Heinritz u.a.: Lexikon zur Soziologie, S. 506. 3 Marchart: „Prekarisierung ist überall“ (Internetquelle). 4 ebd. 5 Vgl. hierzu den gleichnamigen Vortrag von Pierre Bourdieu (Prekarität ist überall, 1998). 6 Vgl. hierzu ausführlicher den Beitrag von Freudenschuß („Prekäre (Kultur-)Kämpfe?“, 2010). 7 Vgl. z.B. die Arbeiten von Lorey (Die Regierung der Prekären, 2012) oder Standing (The Precariat, 2011). 8 Vgl. die gleichnamige Arbeit von Allison (Precarious Japan, 2013). 9 Vgl. Gebhardt: Nach Einbruch der Dunkelheit, 29.

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Julia Obinger

“Megatrend Prekarisierung? Eine Kritische Annäherung an die Prekariatsforschung in und über Japan” [Megatrend Precarity? A Critical Approach to Research on Precarity in and on Japan]. In: S.

Köhn and M. Unkel (eds.): Prekarisierungsgesellschaften in Ostasien? Aspekte der sozialen Ungleichheit in China und Japan. Wiesbaden: Harrossowitz, pp. 329–350. 2016

1 Einleitung

Prekarität und Prekarisierung sind „Signalwörter neuer sozialer Ungleichheiten“1, die sich mittlerweile zu einem umkämpften Gebiet des medialen und wissenschaftlichen Diskurses entwickelt haben. Prekarisierung im engeren europäischen Sinne bezieht sich auf den Prozess der Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen in postfordistisch geprägten Gesellschaften bei gleichzeitigem Abbau von sozialen Sicherungssystemen. Prekarität bezeichnet dabei den Zustand der beruflichen und materiellen Verunsicherung mit einem erhöhten Armutsrisiko.2 Dieser eigentlich im Arbeitsmarkt verankerte und an den Rändern der Gesellschaft beginnende Prozess hat sich inzwischen – so lautet der Diskurs unter anderem in Deutschland – zu einer den „gesamten sozialen Raum umgreifenden“, „umfassenden Prekarisierung“ 3 entwickelt: ausgehend von zunehmend unsicheren Erwerbsbiographien und verbreiteter Dauerarbeitslosigkeit bildet sich einerseits eine neue, „abgehängte“ Unterschicht heraus, während andererseits eine – zumindest gefühlte – Verunsicherung auch in die (noch) nicht materiell prekären Mittelschichten hineinreicht. Gemäß dem europäischen Diskurs verbreiten sich „Prekarisierungsgesellschaften“4, und Prekarität ist – so Bourdieus bekannter Ausspruch – überall.5

Darüber hinaus wird Prekarität gerade in massenmedialen Darstellungen auch als eine subjektive Eigenschaft der von ihr betroffenen Personen angenommen, und es zeichnen sich zuweilen deutliche soziale Ressentiments gegen Lebensstile ebendieser Prekären ab.6 Möglicherweise als Reaktion auf eine derartige Marginalisierung etablierte sich das Prekariat – eine heterogene Gruppe, der mitunter aufgrund ihres gemeinsamen Merkmals der Prekarität das Potential zum politischen Empowerment zugesprochen wird.7

Zumindest oberflächlich betrachtet kann hier eine erstaunliche Parallelität zwischen den deutschen und japanischen Debatten festgestellt werden, die in beiden Ländern um das Jahr 2006 einsetzten. Als Schlagwort hat Prekarität Teile der Japanforschung in den vergangenen Jahren stark beeinflusst. Die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex fand nicht nur in den Sozialwissenschaften, sondern gerade auch in den Literatur- und Kulturwissenschaften statt; durch die Adaption von Prekarität als Sujet der japanischen Popkultur – die auch populärwissenschaftliche Berichte miteinschließt – wurde das Bild eines „precarious Japan“8 zu einer offenbar unverrückbaren Beschreibung der heutigen sozialen Realität.

Ist Japan aber tatsächlich eine „Prekarisierungsgesellschaft“? An welchen Merkmalen macht sich diese soziale Entwicklung fest? Zur Beantwortung dieser Fragen befasst sich dieser Beitrag nach einer Klärung der Begriffe und empirischen Basis insbesondere mit der Herausbildung und Verstetigung des populären und wissenschaftlichen Diskurses zu neuen Armutslagen und sozialen Ungleichheiten in Japan. Dabei werden verschiedene Aspekte des umfassenden „Prekariatsbooms“9kritisch hinterfragt, unter anderem mit Blick auf die Konstruktion und Lokalisierung des „Prekären“ in Japan sowie die Rolle der Betroffenen hierbei.

2 Begriffsklärung: Prekarisierung – Armut – soziale Ungleichheiten in Japan

In Japan scheint Prekarisierung – zumindest im Vergleich zum deutschen Diskurs – kaum gebräuchlich. Zwar wurde der Begriff des Prekariats (purekariāto プレカリアート) etwa um 2006 in Japan eingeführt und erlebte zusammen mit dem Begriff „Working Poor“ (wākingu puā ワーキングプアー) eine Konjunktur gerade in populärwissenschaftlichen, journalistischen und literarischen Abhandlungen, doch dominieren in Japan eher Schlagworte wie „neue soziale Ungleichheiten“ (aratana shakaiteki fubyōdō 新たな社会的不平等 ), „Differenzgesellschaft“ (kakusa shakai 格差社会) und schlicht „Armut“ (hinkon 貧困) die Diskussion. Im Folgenden werden diese eng miteinander verwobenen Kernkonzepte kurz erläutert und eine empirische Einschätzung vorgenommen.

                                                                                                     1 Vgl. hierzu den gleichnamigen Beitrag von Berthold Vogel (Prekarität und Prekariat – Signalwörter neuer Ungleichheiten 2008). 2 Fuchs-Heinritz u.a.: Lexikon zur Soziologie, S. 506. 3 Marchart: „Prekarisierung ist überall“ (Internetquelle). 4 ebd. 5 Vgl. hierzu den gleichnamigen Vortrag von Pierre Bourdieu (Prekarität ist überall, 1998). 6 Vgl. hierzu ausführlicher den Beitrag von Freudenschuß („Prekäre (Kultur-)Kämpfe?“, 2010). 7 Vgl. z.B. die Arbeiten von Lorey (Die Regierung der Prekären, 2012) oder Standing (The Precariat, 2011). 8 Vgl. die gleichnamige Arbeit von Allison (Precarious Japan, 2013). 9 Vgl. Gebhardt: Nach Einbruch der Dunkelheit, 29.

 

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2.1 Prekarisierung und irreguläre Beschäftigungsverhältnisse

Der bereits angesprochene umfassende Begriff von Prekarisierung, der grundlegend veränderte soziale Realitäten innerhalb einer „Prekarisierungsgesellschaft“ beschreibt, ist eine Weiterentwicklung eines ursprünglich auf „prekäre Arbeitsverhältnisse“ begrenzten Konzepts. Während es unterschiedliche Auffassungen davon gibt, welche Merkmale „Arbeit“ oder ein „Normalarbeitsverhältnis“ überhaupt konstituieren10, existieren für prekäre (Lohn-)Arbeitsverhältnisse Bestimmungskriterien, die „materiell-reproduktive“, „sozial-kommunikative“ und „rechtlich-institutionelle“ Dimensionen beinhalten.11 Prekäre Arbeit ist demnach weder existenzsichernd, noch erlaubt sie die Integration in soziale Netzwerke oder Zugang zu weiteren Partizipationschancen.12 Für Guy Standing weist darüber hinaus auch das Fehlen einer „beruflichen Identität“ auf die Prekarität eines Arbeitsverhältnisses hin.13 Als weitere Kriterien sind ebenso die weitgehende Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf den Arbeitnehmer hervorzuheben sowie die den prekären Arbeitsverhältnissen inhärente Planungsunsicherheit, die möglicherweise deren wichtigste Bestimmungsdimension darstellt.

Die Quantifizierung prekärer Arbeit erweist sich demnach als problematisch, da diese nicht einzelne Gruppen von Beschäftigten, sondern Menschen in unterschiedlichen Arbeitsmodellen und Branchen betrifft. Überdies beeinflussen verschiedene kontextspezifische individuelle und institutionelle Faktoren die Bewertung der Umstände und Auswirkung von Prekarität erheblich. Dazu gehören beispielsweise die soziale Herkunft und politische Ausrichtung oder die Ausprägung von sozialen und politischen Institutionen.14

Wenn man, wie eingangs erläutert, Prekarisierung als Problematik des Arbeitsmarktes definiert, so stellen sich aus sozialwissenschaftlicher Sicht folgende Fragen zur Bemessung der „Prekarisierung“ in Japan: Gibt es eine Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse? Welche Auswirkungen hat dies auf die Lebensverhältnisse?

Grundsätzlich ist zu bemerken, dass nicht jegliche irreguläre oder „flexible“ Beschäftigung per se prekär ist, wobei diese Arbeitsverhältnisse viele der oben genannten Kriterien von Prekarität beinhalten und zur sozialen Ungleichheit beitragen können. Im Sinne einer Chancenungleichheit ist besonders zu bemerken, dass irregulär Beschäftigte in aller Regel mit schlechteren Konditionen als ihre regulär beschäftigten Kollegen vergütet werden 15 und nur selten Zugang zu institutionalisierten Leistungen (wie Sozialversicherung, Boni oder bezahltem Urlaub) oder internen Weiterentwicklungsmöglichkeiten erhalten. Etwa 43% der irregulär Beschäftigten müssen sich auf ihr Gehalt als Haupteinkommensquelle verlassen, und bei dieser Gruppe besteht – gerade aufgrund der fehlenden institutionalisierten Absicherungen – ein erhöhtes gegenwärtiges und zukünftiges Armutsrisiko.16                                                                                                      10 In Japan gibt es keine arbeitsrechtlich verbindliche Definition von „Normalarbeitsverhältnissen“ oder „regulären Beschäftigungsverhältnissen“. Dennoch existiert ein klares Bild hiervon, das im Kern aus einem unbefristeten, direkt abgeschlossenen Vollzeit-Arbeitsvertrag besteht. Im Gegensatz dazu gibt es verschiedene vom japanischen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales (MHLW) definierte Kategorien von Arbeitnehmern, die in irregulären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, darunter Teilzeitarbeiter, Vertragsarbeiter, Leiharbeiter oder einfache Aushilfen. Vgl. ausführlicher hierzu die Arbeit von Asao (Overview of Non-Regular Employment in Japan, 2011). 11 Vgl. Seifert: Prekarisierung der Arbeits- und Lebenswelt, S. 37. 12 Vgl. Götz/Lemberger: „Prekär arbeiten, prekär leben“, S. 9. 13 Vgl. Standing: The Precariat, S. 12. 14 Vgl. Götz/Lemberger: „Prekär arbeiten, prekär leben“, S. 9. Aus diesem Grund ist auch Prekarität im weiteren Sinne, die über diese enge, auf Arbeitsbedingungen beziehungsweise auf einen ökonomisch-strukturellen Prozess beschränkte Dimensionen hinausgeht, äußerst schwer zu quantifizieren. Dies wird in bestimmten Forschungsbereichen jedoch nicht unbedingt als nachteilig angesehen, da sich mithilfe dieses umfassenden Konzepts der Blick auf größere sozio-politische Zusammenhänge eröffnet, und, nach Machart (Auf dem Weg in die Prekarisierungsgesellschaft, S. 415), auch jene „Prekarisierungsphänomene“ erfasst werden können, die „über das unmittelbare Lohnarbeitsverhältnis hinausgehen und nun potentiell alle Lebensbereiche erfassen.“ Hierin sehe ich jedoch zwei Probleme: Zunächst ist damit das, was in der heutigen Debatte unter „Prekarisierung“ gefasst wird – trotz des umfassenden Erklärungsanspruchs – lediglich auf gegenwärtige prekäre Arbeitsverhältnisse innerhalb hochentwickelter Industrienationen beschränkt. Die bereits historisch verfestigten und/oder in Entwicklungsländern stattfindenden, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, welche die Herausbildung gesicherter Arbeits- und Lebensverhältnisse andernorts erst ermöglichen, bleiben damit offenbar explizit ausgeklammert. Zweitens besteht im Hinblick auf die analytische Unschärfe dieses Prekaritätskonzepts überdies die Gefahr, dass multikausale soziale Phänomene als Ursache oder Folge von „Prekarität“ zusammengefasst werden und dort Zusammenhänge konstruiert werden, wo sie möglicherweise empirisch nicht belegbar sind. So scheint die konstruktive Suche nach Lösungsansätzen insofern erschwert, als eine genaue Problemdefinition hinter dem Problemkonglomerat und Schlagwort „Prekarisierungsgesellschaft“ verborgen bleibt. 15 Irregulär Beschäftigte erhalten in Japan zwischen 60% und 90% des Gehalts eines regulär Beschäftigten, der dieselbe Tätigkeit in demselben Unternehmen ausführt; vgl. die Arbeit von Asao (Overview of Non-Regular Employment in Japan, 2011). Hierbei ist jedoch wiederum die Heterogenität der Gruppe der irregulär Beschäftigten und deren Arbeitszeitmodelle zu beachten, sodass diese Angaben einer empirischen Überprüfung möglicherweise nicht in jedem Falle standhalten. Nichtsdestoweniger macht die Minimierung von Lohn- und Lohnnebenkosten diese Form der Beschäftigung für Arbeitgeber besonders attraktiv, und gerade in der herstellenden Industrie werden besonders niedrige Gehälter gezahlt, nämlich lediglich zwischen 63% und 66% dessen, was regulär Beschäftigte erhalten; vgl. Kojima: „When dismissal becomes a business transaction“, S. 31. Über diese Problematik hinaus kann ebenfalls keine umfassende Aussage getroffen darüber werden, inwieweit sich in den vergangenen Jahren die Qualität der regulären Arbeitsverhältnisse und deren Ausstattung mit Fringe Benefits möglicherweise ebenfalls verschlechtert hat. 16 Vgl. Jones: Income Inequality, Poverty and Social Spending in Japan, S. 11.

 

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Im Jahr 2013 waren 63,3% aller Angestellten regulär beschäftigt, während irregulär Beschäftigte 36,7% ausmachten. Von diesen arbeiteten wiederum 67,3% als Teilzeitangestellte (pâto パート und arubaito アルバイト) und 32,6% als Zeit- und Leiharbeiter (haken shain 派遣社員 und keiyaku shain 契約社員). Seit einigen Jahren verschieben sich diese Zahlen jeweils um niedrige einstellige Prozentpunkte in Richtung irregulärer Beschäftigung. Gegenwärtig arbeiten etwa 9,6% aller japanischen Angestellten als Leih- und Zeitarbeiter, was etwa 5,03 Millionen Personen ausmacht, darunter (besser: davon) 2,35 Millionen Frauen und 2,67 Millionen Männer.17

Diese Zunahme kann jedoch nicht ausschließlich auf eine Umwandlung von regulären in irreguläre Beschäftigungsverhältnisse erklärt werden, sondern ist auch einer Neuschaffung von Stellen geschuldet, also auch einer erneut gestiegenen Arbeitsmarktpartizipation von Frauen und älteren Arbeitnehmern.18 Aktuell sind mehr als 80% aller arbeitenden Männer, und 90% der Männer zwischen 30 und 55 Jahren regulär beschäftigt. Gleichwohl zeigt sich, dass der Anteil der irregulär beschäftigten Männer gerade bei den Altersgruppen unter 30 (während des Übergangs zwischen Ausbildung und Beruf) und über 55 (zum Eintritt in das Rentenalter) am höchsten ist. Bei Frauen wiederum zeigt sich, dass der Anteil der regulär Beschäftigten nach dem Abschluss der Ausbildung vergleichsweise hoch ist, bis zum Alter von 45 jedoch stetig absinkt.19 Aus Umfragen des Japan Institute for Labour Policy and Training (JILPT) geht weiterhin hervor, dass die Mehrheit aller irregulär Beschäftigten aufgrund persönlicher Gründe, wie Unvereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen, diese Form der Beschäftigung selbst wählten; demgegenüber nannten jedoch viele aus der Gruppe der Leih- und Zeitarbeiter die Tatsache, dass sie keine reguläre Anstellung finden konnten, als Hauptgrund für ihre derzeitige berufliche Situation.20

Während die absolute Zahl der als Leih- und Zeitarbeiter Beschäftigten im gesamten Arbeitsmarkt nur einen vergleichsweise geringen Anteil einnimmt, müssen die Bedingungen gerade in diesem Segment als prekär bewertet werden: Der Großteil dieser Beschäftigten arbeitet als registrierte Leiharbeiter auf „Stand-by“, die nur dann Lohn erhalten, wenn sie tatsächlich für Arbeitseinsätze gebucht werden (tōroku-gata 登録型). Diese Einsätze sind in der Regel auf einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten beschränkt.21 Besonders nach 1999, und erneut nach 2004 22 , nahm die Zahl dieser registrierten Leiharbeiter enorm zu, da die entsprechende Gesetzgebung deutlich gelockert und Leiharbeit in allen Industriezweigen, darunter auch in der herstellenden Industrie, ermöglicht wurde.23 Im Jahr 2008 wurde ein Höchststand von 2,81 Millionen Beschäftigten erreicht, der sich seitdem jedoch wieder auf etwa 986.000 Personen deutlich zurückging. Mitnichten ist diese Entwicklung jedoch einer Umwandlung in reguläre Arbeitsplätze geschuldet, sondern vielmehr auf einen Mangel der Nachfrage in Folge wirtschaftlicher Kontraktionen nach dem Lehman-Schock 2008 zurückzuführen. So ist anzunehmen, dass diese knapp zwei Millionen Menschen arbeitslos wurden oder gänzlich aus dem Arbeitsmarkt austraten.24

2.2 Armut und soziale Exklusion

Im weltweiten Vergleich ist Japan nach wie vor eine der wohlhabendsten Nationen mit einer breiten Mittelschicht, hoher Lebenserwartung und hervorragender Infrastruktur. Das bedeutet jedoch wiederum auch, dass gerade in einer so hochentwickelten Nation wie Japan Armut im Hinblick auf Einkommen und Konsum besonders ins Gewicht fällt. Armut ist eine Form der ökonomischen Ungleichheit, und äußert sich schlimmstenfalls in sozialer Exklusion. Die wirtschaftliche Lage eines Individuums kann entweder anhand des verfügbaren Einkommens, des vorhandenen Vermögens oder den Konsummöglichkeiten gemessen werden, wobei in der Regel das verfügbare Einkommen als Maßstab herangezogen wird. Nach der gängigen OECD-Definition gilt als arm, wer weniger als 50% des Medianeinkommens zur Verfügung hat. Entsprechend lag in

                                                                                                     17 Eigene Berechnung auf Basis von MIC (Annual Report on the Labour Force Survey, 2013), Tabelle I-A-6, gerundete Zahlen. 18 Vgl. zu dieser Problematik die Arbeiten von Blind/Lottanti v. Mandach („Decades not Lost, but Won“, 2015) und Kambayashi/Kato (Good Jobs, Bad Jobs, and the Great Recession, 2013). 19 Vgl. JILPT: Japanese Working Life Profile, S. 41. 20 Vgl. Asao: Overview of Non-Regular Employment in Japan, S. 11-12. 21 Vgl. Fu: An Emerging Non-Regular Labour Force in Japan, S. 26. 22 Tatsächlich ist es relativ schwer, eine genaue Zahl und Entwicklung der Leih- und Zeitarbeiter festzulegen, denn es gibt mehrere Arten der Beschäftigungsverhältnisse der haken. Im Gegensatz zu den oben genannten tōroku-gata gibt es auch in Japan das Modell der Leiharbeit, wo der Arbeitnehmer von der Agentur fest angestellt und für verschiedene Einsätze an andere Unternehmen verliehen wird (jōyō koyō-gata常用雇用型). Hierbei erhält der Arbeitnehmer auch dann ein Gehalt, wenn er zeitweise nicht für Arbeitseinsätze vermittelt wird. Auch erhalten sie nach Fu Huiyan (An Emerging Non-Regular Labour Force in Japan, S. 26) Zugang zu betrieblichen Leistungen wie Boni und Urlaubsansprüche. Für eine detaillierte Beschreibung der Arbeitsbedingungen der haken siehe auch Kojima („When Dismissal Becomes a Business Transaction“, 2010). 23 Vgl. Fu: An Emerging Non-Regular Labour Force in Japan, S. 121. 24 Bei der Betrachtung der Zahlen zeigt sich nämlich, dass im Jahr 2009 etwa 43,2% der arbeitslos Gewordenen ihre Stelle unfreiwillig aufgaben, was eine sprunghafte Zunahme um mehr als 10% im Vergleich zu allen Vorjahren seit 2000 darstellt. Demgegenüber blieben die Raten derer, die ihre Stelle freiwillig aufgaben, nahezu unverändert. Gleichzeitig verzeichnete die Gruppe der 15–34-jährigen, die immerhin gut 60% der haken ausmachen, die deutlichste Zunahme der Arbeitslosenzahlen zwischen 2008 und 2010. Vgl. Fu: An Emerging Non-Regular Labour Force in Japan, S. 27 und JILPT: Japanese Working Life Profile, S. 41f.

 

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Japan im Jahr 2009 die relative Einkommensarmut nach Steuern und Transferleistungen bei 16%, im Vergleich zum OEDC-Durchschnitt von 11,6%.25

Wie bereits angesprochen, bergen prekäre Arbeit und niedrige Einkommen ein erhöhtes Armutsrisiko, das durch Faktoren wie Scheidung, Krankheit und dem fehlenden Zugang zu privaten und institutionellen Sicherungssystemen noch erhöht wird. Mehr noch als niedrige Einkommen sind für die gestiegene Armutsrate in Japan jedoch die Überalterung der Gesellschaft und die Veränderung der Haushaltszusammensetzung, insbesondere die Verbreitung von Single-Haushalten, verantwortlich.26 Während die Mehrheit der Senioren über 65 Jahren, die heute immerhin etwa ein Viertel der japanischen Bevölkerung ausmachen, über ausreichendes Vermögen verfügt, sehen sich diejenigen ohne private Absicherung einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt. Diese Problematik wird sich möglicherweise in Zukunft durch die sich aktuell herausbildende Vorsorgeungleichheit weiter verschärfen. In der Tat steigt die Zahl derjenigen, die als Senioren staatliche Zuschüsse erhalten, was wiederum auf die wachsende Größe dieser Alterskohorte zurückzuführen ist.27 Insofern sind die steigenden Zahlen jüngerer Sozialhilfeempfänger, die Teil der schrumpfenden Alterskohorten sind, von besonderem Interesse.

Hohe Armutsraten finden wir in Japan überdies vor allem bei Kindern und Familien mit nur einem Elternteil. Zwar sind etwa 80% der alleinerziehenden Eltern erwerbstätig, jedoch leben etwa 60% dieser Familien in Einkommensarmut und erhalten daher staatliche Zuschüsse. Gerade bei Familien mit alleinerziehenden Müttern wirken sich mehrere Faktoren negativ aus: Aufgrund der Kinderbetreuungspflichten gehen viele Mütter nur einer irregulären Beschäftigung nach, die nicht nur im Vergleich zu regulärer Beschäftigung geringer vergütet wird, sondern auch schlechtere zukünftige Absicherung bedeutet. Aus Sicht der Kinder ist die Armut als besonders problematisch einzustufen, denn, wie Oshio Takashi, Sano Shinpei und Kobayashi Miki in ihrer Studie Child Poverty (2009) zeigen, haben frühe Armutserfahrungen tendenziell negative Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg. Dies betrifft vor allem die Chancen auf eigenen Bildungserfolg, späteres Glücksempfinden und Selbsteinschätzung der Gesundheit. Ebenso steigen das Armutsrisiko und die Wahrscheinlichkeit der sozialen Exklusion im Erwachsenenalter.28

Dabei ist zu beachten, dass nicht alle irregulär beschäftigten Japaner zwingend in Armut leben; dennoch stellt Einkommensarmut gerade unter den jüngeren Alterskohorten ein gravierendes Problem dar, da sich hieraus aufgrund der mangelnden Vorsorge auch ein zukünftiges Armutsrisiko ergibt. Wie Kume Kôichi u.a. in ihrer Arbeit „Situation und Ursachen der sozialen Exklusion irregulär Beschäftigter“ (Hiseiki rōdōsha ni okeru shakaiteki haijo, 2010) empirisch nachweisen, besteht in Japan darüber hinaus durchaus ein signifikanter Zusammenhang zwischen irregulärer Beschäftigung und Exklusionserfahrung, was sich sowohl in materiellen wie auch sozialen Dimensionen niederschlägt.

Andererseits betrifft soziale Exklusion nicht nur diejenigen, die in materieller Armut leben, und in der Tat scheint das Risiko für soziale Exklusion bei etwa 50-jährigen Männern am deutlichsten: Zwar ist ihr Armutsrisiko vergleichsweise geringer, jedoch zeigen sich Defizite in den Bereichen der sozialen Verbindungen, gemeinschaftlichen Aktivitäten sowie in der Qualität ihrer Unterkunft. So ist auch laut Abe Aya die hohe Inzidenz von Selbstmorden und Obdachlosigkeit gerade in dieser Altersgruppe zu erklären.29

2.3 Soziale Ungleichheit

Als Maß für ökonomische Ungleichheiten wird das verfügbare Haushaltseinkommen herangezogen, und der Gini-Koeffizient, die gebräuchlichste Kennzahl für Einkommensungleichheiten, dient deren internationalem Vergleich. Hier lag Japan in den vergangenen Jahren leicht über dem OECD-Durchschnitt.30

                                                                                                     25 Diese Messung der Armut ist nicht unumstritten, da hier lediglich Einkommensarmut berücksichtigt wird und andere Parameter, wie Armut im Hinblick auf Konsum, vernachlässigt werden, vgl. Ohtake u.a. (Growing Inequalities, 2013), Movshuk (Child Poverty in Japan, 2014). Ob es sich bei der aktuellen Zahl von 16% um einen sprunghaften Anstieg handelt (wie es bestimmte Berichte suggerieren), ist zumindest anhand der OECD-Daten nicht nachvollziehbar, da Daten von vor 2000 fehlen. Die verfügbaren Daten zeigen Armutsraten von 15,3% (2000), 14,9% (2003), 15,7% (2006) und 16% (2009); vgl. OECD (Income Distribution and Poverty, 2015). Siehe hierzu auch Fußnote 30. 26 Vgl. dazu die Arbeiten von Jones (Income Inequality, Poverty and Social Spending in Japan, 2007), Oshio/Sano/Kobayashi („Child Poverty as a Determinant of Life Outcomes“, 2009) oder Shirahase (Social Inequality in Japan, 2014). 27 Vgl. Ohtake u.a.: Growing Inequalities and their Impacts in Japan, S. 38. 28 Vgl. auch den Beitrag von Abe („Social Exclusion and Earlier Disadvantages“, 2010) 29 Vgl. Abe: „Social Exclusion and Earlier Disadvantages“, S. 24. 30 Vgl. Tachibanaki: „Inequality and Poverty in Japan“, S. 4. Obwohl es gerade dieser OECD-Vergleich war, der maßgeblich zur Verbreitung des Ungleichheitsdiskurses in Japan beitrug, bestehen grundsätzlich jedoch methodische Zweifel, ob die vorhandenen Daten zu Japan eine Einordnung als „ungleiche Gesellschaft“ tatsächlich stützen, denn die japanischen Daten sind, so Ballas u.a. („Income Inequalities in Japan and the UK“, S. 4), für einen internationalen Vergleich nicht geeignet. Auf der Basis von verfügbarem Einkommen gemessen müsste Japan demnach sogar als eines der egalitärsten Länder weltweit gelten, da die oberen Einkommensquintile deutlich weniger Einkommen zur Verfügung haben als in anderen Industrienationen; gleichzeitig gibt es eine vergleichsweise hohe Anzahl an Haushalten in den untersten Einkommensquintilen.

 

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Wo finden sich nun in Japan Einkommensunterschiede, und wie sind diese zu erklären? Neben den zuvor bereits angesprochenen Lohnspreizungen zwischen regulär und irregulär Beschäftigten, die nicht auf objektive Leistungsunterschiede zurückzuführen sind, zeigt sich ebenfalls eine deutliche geschlechterbasierte Gehaltsdifferenz zum Nachteil der Frauen. Überdies besteht bei Frauen, je nach Ausbildungs- und Familienstand, größere Ungleichheit als unter Männern.31

Auf Makroebene können die unterschiedlichen Haushaltseinkommen mit der Zunahme von Arbeitslosigkeit und irregulärer Beschäftigung sowie der generellen Undurchlässigkeit des dualen Arbeitsmarktes begründet werden. Hinzu kommt die Einführung von leistungsabhängiger Vergütung in regulären Beschäftigungsverhältnissen bei jüngeren Japanern, während die heute große Gruppe der älteren Angestellten gegen Ende der Karriere mit steigenden und vergleichsweise sehr hohen Gehältern rechnen kann. Diese werden allerdings nicht progressiv besteuert. Weitere Faktoren der steigenden Einkommensungleichheit sind regionale Disparitäten sowie die Veränderungen in der Haushaltszusammensetzung mit Zunahmen sowohl an jungen Doppelverdienerhaushalten als auch bei Senioren-Singlehaushalten, die wiederum auf Rentenzahlungen angewiesen sind.32

Neben dem Einkommen spielen bei sozialer Ungleichheit auch Faktoren wie bestehendes Vermögen, Geschlecht und ethnische Herkunft eine Rolle.33

Ein entscheidender Aspekt besteht darüber hinaus in der Ungleichheit immaterieller Ressourcen wie Zugang zu Bildung und sozialer Teilhabe.34 Die damit verbundene Ungleichheit der Chancen wird gerade in Japan, einer an meritokratischen Idealen ausgerichteten Bildungsganggesellschaft, als besonders kritisch betrachtet, wie sich anhand des im Folgenden skizzierten Diskurses zeigt.

3 Aspekte des japanischen Prekarisierungsdiskurses

Obwohl Armut, soziale Ungleichheit und prekäre Lebenslagen die japanische Nachkriegszeit bestimmten und regionale Disparitäten auch zu Zeiten des wirtschaftlichen Hochwachstums der 1980er Jahre bestanden, waren diese etwa bis zur Jahrtausendwende innerhalb Japans kaum als relevante Themen anerkannt. Die Situation änderte sich erst durch die schlechten Platzierungen Japans in internationalen OECD-Vergleichen, die gegen Mitte der 2000er Jahre eine regelrechte Ungleichheits-Debatte auslösten. Den Grundstein für diesen Disparitätsdiskurs (kakusa ron 格差論)35 legte 1998 der Ökonom Tachibanaki Toshiaki 橘木俊詔 mit seinem Buch „Wirtschaftliche Ungleichheit in Japan“ (Nihon no keizai kakusa 日本の経済格差). Zusammen mit einer Vielzahl an weiteren Studien, wie Satō Toshikis 佐藤俊樹 im Jahr 2000 erschienenem Buch „Japan als ungleiche Gesellschaft“ (Fubyōdō shakai Nihon 不平等社会日本 ) entwickelte sich ab etwa 2004 ein akademischer und populärer Diskurs, der eine radikale und nachhaltige Veränderung der japanischen Gesellschaft postulierte; das zuvor verinnerlichte Paradigma der homogenen „Mittelstandsgesellschaft“

(sōchūryū 総中流, teilweise auch ichioku sōchūryū 一億総中流) 36 wurde abgelöst, und die Schlagworte zur Beschreibung der neuen Situation reichten von „ungleiche Gesellschaft“ (fubyōdō shakai 不平等社会) und „Differenzgesellschaft“ (kakusa shakai 格差社会) bis hin zu „Unterschichtengesellschaft“ (karyū shakai 下流社会), „Gesellschaft der ungleichen Zukunftshoffnungen“ (kibō kakusa shakai 希望格差社会) oder auch „neue Hierarchiegesellschaft“ (atarashii kaikyū shakai 新しい階級社会) und „Rutschbahngesellschaft“ (suberidai shakai すべり台社会 ). Ebenso wurde von einer Polarisierung der Gesellschaft in „Gewinner- und Verlierergruppen“ (kachigumi, makegumi 勝ち組み, 負け組) gesprochen, und 2008 wurde gar die „Armuts-Supermacht Japan“ ausgerufen (Hinkon taikoku Nippon 貧困大国ニッポン).37

Diese Berichte rückten erstmals nationale sozioökonomische Problematiken wie soziale Ungleichheit und sinkende soziale Mobilität in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Diese wurden auf verschiedene institutionelle, ökonomische, soziale sowie individuelle Ursachen zurückgeführt, darunter die Schwächung des Systems des Übergangs von Schule zu Beruf, ökonomische Kontraktion im Zuge des Platzens der Bubble Economy,

                                                                                                     31 Vgl. JILPT: Japanese Working Life Profile, S. 48. 32 Vgl. zu diesem Themenbereich z.B. die Arbeiten von Tachibanaki („Inequality and Poverty in Japan“, 2006), Jones (Income Inequality, Poverty and Social Spending in Japan, 2007), Ida („Kaisō shūdan no kenkyū“, 2008) oder Ohtake („Inequality in Japan“, 2008). 33 Vgl. Sugimoto: An Introduction to Japanese Society, S. 39 34 Vgl. hierzu die Ausführungen von Kreckel (Politische Soziologie der sozialen Ungleichheit, S. 66, 79, 90). 35 Für eine dezidierte Bestimmung der Konnotationen des Begriffs kakusa siehe Shirahase: Social Inequality in Japan, S. 8. 36 Inzwischen ist dieses Paradigma der egalitären Gesellschaftsstruktur jedoch auch insofern relativiert worden, als sich erwiesen hat, dass es sich hierbei nicht um eine quantitativ mess- und überprüfbare Zugehörigkeit zu einem bestimmten Einkommenssegment handelte, sondern vielmehr um eine politisch gewollte und medial perpetuierte Konstruktion eines positiven kollektiven Selbstbildes. Vgl. hierzu den Beitrag von Chiavacci („From Class Struggle to General Middle-Class Society“, 2008). 37 Weitere dazugehörige Publikationen sind:, Hara/Seiyama (Shakai kaisō 社会階層, 1998), Yamada (Kibō kakusa shakai 希望格差社会, 2004), Ôtake (Nihon no fubyōdō 日本の不平等, 2005), Miura (Karyū shakai下流社会, 2005), Hashimoto (Atarashii kaikyū shakai 新しい階級社会, 2007), Yuasa (Hanhinkon. Suberidai shakai kara no dasshutsu 反貧困 すべり台社会の脱出, 2008) und Kadokura u.a. (Hinkon taikoku Nippon 貧困大国ニッポン, 2008).

 

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komplexer werdende globalwirtschaftliche Verflechtungen sowie neue, neoliberal ausgerichtete Arbeitsmarktreformen und die folgende Zunahme irregulärer Beschäftigung. Bemerkenswert ist dabei, dass sich eine Veränderung des Arbeitsmarktes, gerade was die Zunahme irregulärer Beschäftigung angeht, bereits infolge der Ölkrisen während der 1970er Jahre abzeichnete. Zu dieser Zeit hatte das Paradigma der einzigartig homogenen, meritokratischen und wohlhabenden „Mittelklassengesellschaft“ jedoch seinen diskursiven Höhepunkt erreicht und spiegelte sich in der Lebensrealität vieler Japaner wider38; vor dem Hintergrund des bis dahin erreichten, relativ breiten materiellen Wohlstands und nur leicht abgeflachten Wirtschaftswachstums wurden die Veränderungen des Arbeitsmarktes kaum als gravierendes soziales Problem wahrgenommen. Dies lag auch daran, dass vornehmlich Frauen und Rentner in irreguläre Beschäftigungsverhältnisse eintraten, während (junge) Männer weiterhin in der Mehrheit in regulären Arbeitsverhältnissen standen. Bis weit in die 1990er Jahre hinein war die soziale Mobilität der japanischen Mittelschichten weitgehend gewährleistet, die vornehmlich auf dem beruflichen Weiterkommen (junger) Männer beruhte; trotz weiter abflachendem wirtschaftlichem Wachstum verblieb der allgemeine Wohlstand und Konsum auf einem sehr hohen Niveau bestehen.39

Umgekehrt entwickelte sich die Situation seit dem Platzen der Bubble Economy gegen Mitte der 1990er Jahre: Aufgrund der strukturellen Besonderheiten des japanischen Anstellungssystems geriet der für junge Japaner so wichtige und weitgehend institutionalisierte Übergang von der Ausbildung in das Berufsleben teilweise ins Stocken. Sogar Absolventen anerkannter Universitäten erlebten Schwierigkeiten, begehrte Festanstellungen in einem der Großunternehmen zu erhalten, und mussten sich mit schlechter abgesicherten Anstellungen zufriedengeben; einige fielen sogar als NEET (Not in Education, Employment or Training) vollständig aus dem Arbeitsmarkt heraus.40 Im Jahr 2003 erreichte die Arbeitslosenrate der Absolventen im Alter zwischen 20 und 24 Jahren ihren bisherigen Höchststand von 9,8 %.41

So rückten die Problematiken irregulärer Beschäftigung erst in den Fokus, als zunehmend jüngere Alterskohorten betroffen waren, die im meritokratischen System Japans eigentlich „alles richtig“ gemacht hatten und auf einen Ein- und Aufstieg in den „Normallebenslauf“ des regulär beschäftigten sararîman サラリーマンgehofft hatten. Während in Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums soziale Ungleichheiten und Statusunterschiede als notwendiges und erwünschtes Ergebnis der sozial verankerten Meritokratie gesehen wurden, deutet die prekäre Lage der Betroffenen auf eine zunehmende Chancenungleichheit – und eben nicht auf Leistungsungleichheit – hin. Der neue kakusa-Diskurs etablierte sich also auf Basis einer zunehmenden Wahrnehmung von Unfairness in Bezug auf Berufschancen, sozialer Mobilität und Reichtumsverteilung, gegen die es kaum Absicherung zu geben schien.42 Demgegenüber bildete sich ebenfalls eine Teildebatte heraus, die sich auf junge urbane Japaner in irregulärer Beschäftigung (Freeter) fokussierte und deren Situation als deviantes Verhalten in Ablehnung der vorgegebenen Karrierepfade interpretierte.43

So führte die Aufarbeitung der steigenden sozialen Ungleichheit zu einer dominanten massenmedialen und gesellschaftlichen Prekariatsdiagnose, die wiederum mit der Alltagswahrnehmung vieler Japaner korrelierte beziehungsweise in diese rückwirkte. 44 Obwohl keineswegs breite Bevölkerungsgruppen von diesen Veränderungen betroffen waren45, lösten diese Berichte scheinbar eine Art gesamtgesellschaftlichen Schock und derartige Bedrohungsempfindungen aus, dass ein relativ schneller Wandel in der japanischen Eigenwahrnehmung einsetzte: Umfragen belegten, dass das Bewusstsein von Ungleichheit46 ebenso zunahm wie subjektive Prekaritätsempfindungen, und dies sogar weitgehend unabhängig von selbst erfahrener materieller Armut. 47 Während an den Grundlagen sowohl des früheren Paradigmas der „homogenen Mittelstandsgesellschaft“ als auch an der heutigen „neuen Differenzgesellschaft“ deutliche Zweifel bestehen, wurde dieses aktuelle Krisenszenario von Forschern häufig aufgegriffen, wie zuletzt 2013 beispielsweise von Anne Allison in Precarious Japan (2013). Sie spricht – auch unter dem Eindruck von Fukushima – gar von einer

                                                                                                     38  Während im Zuge der Bildungsexpansionen in der frühen Nachkriegszeit der Eindruck einer erhöhten Chancengleichheit und Durchlässigkeit zwischen den Schichten entstand und dieser das meritokratische System stützte, so führten Reformen des Bildungssektors in den 1970er und 1990er Jahren tatsächlich jedoch dazu, dass eben die soziale Herkunft in Japan einen entscheidenden Einfluss auf Bildungserfolg und Berufschancen nahm, und zur Reproduktion bestehender Schichtungen beitrug. Vgl. hierzu Eswein: Meritokratie in Japan und Deutschland, S. 33–38 und Shirahase: Social Inequality in Japan, S. 40. 39 Tachibanaki (Confronting Income Inequality in Japan, 2005), Chiavacci („Divided Society Model and Social Cleavages in Japanese Politics“, 2010), Shirahase (Social Inequality in Japan, 2014). 40 Vgl. Kosugi (Escape from Work, 2008, S. 76) 41 Vgl. MIC: Nenrei kaikyūbetsu kanzen shitsugyōshasū (Internetquelle). 42 Vgl. Shirahase: Social Inequality in Japan, S. 14. 43 Vgl. Miura: Karyū shakai, S. 7-8, 164-168. 44 Vgl. Chiavacci: „From Class Struggle to General Middle-Class Society“, S. 8. 45 Tatsächlich diente der Einstellungsstopp junger Absolventen – auch als „Eiszeit der Einstellungen“ (shūshoku hyōgaki 就職氷河期) bekannt – bei größeren Unternehmen in erster Linie auch dazu, die bereits dort Beschäftigten vor einem Jobverlust zu bewahren. 46 Vgl. Tachibanaki: „Inequality and Poverty in Japan“, S. 6. 47 Hommerich (Neue Risiken, neues Selbstbild, S. 286) legt gerade zur Verbreitung der subjektiven Exklusionsempfindung sehr aufschlussreiche empirische Untersuchungsergebnisse vor.

 

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„Verflüssigung“48 Japans und meint damit ein Aufbrechen und Verschwinden vorher (scheinbar) universell bestehender sozialer Verbindungen. Sie schließt sich damit dem Diskurs um die so genannte muen shakai 無縁社会 an, also einer Gesellschaft, in der soziale und familiäre Verbindungen weitestgehend geschwächt sind.49

Wie kann man also diese erstaunlich nachhaltige Verbreitung des neuen kakusa-Paradigmas erklären? Hierzu existieren mehrere komplementäre Erklärungsansätze: Zunächst kann argumentiert werden, dass lediglich eine „Illusion des Abstiegs“ eintrat, nachdem die lang anhaltende und in ihrem Ausmaß überbewertete positive wirtschaftliche Entwicklung zu einem Abflachen kam. Dieses Abflachen erschien dann – relativ gesehen – noch signifikanter beziehungsweise negativer. 50 Als Modell wird hierfür häufig die sich stetig nach oben bewegende Rolltreppe herangezogen, die jedem Mitglied der Gesellschaft einen gleichmäßigen Aufstieg versprach; das plötzliche Anhalten dieser Rolltreppe bedeutet das Ende eines kontinuierlichen sozialen Aufstiegs – nicht jedoch zwingend einen sozialen Abstieg. Darüber hinaus befassten sich gerade nach 2006 japanische Leitmedien – darunter die Tageszeitungen Asahi shinbun und Yomiuri shinbun sowie der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NHK – mit diesen Problematiken.51 Schon allein aufgrund starker medialer Fokussierungen auf gesellschaftliche Risiken kommt es zu einer individuell verstärkten Wahrnehmung eines abstrakten Risikos und damit zu dessen Überbewertung.52 Jedoch nicht nur die quantitative Zunahme der Berichterstattung, sondern auch deren Qualität führte schließlich dazu, dass sich das neue Paradigma der ungleichen japanischen Gesellschaft durchsetzen konnte: Zwar existierten laut Shirahase Debatten um soziale Ungleichheit bereits zu früheren Zeitpunkten in Japan, diese fanden jedoch vornehmlich in einem marxistisch geprägten Intellektuellenmilieu, weit außerhalb des Blickfeldes der Massenmedien, statt. Erst die nach 1998 einsetzende und vergleichsweise (ideologie-)neutralere Berichterstattung machte den neuen kakusa-Diskurs zugänglicher und verständlicher für die breite japanische Öffentlichkeit. 53

Die sprunghafte Zunahme an Medienberichten und Forschungsarbeiten ist ebenfalls der Tatsache geschuldet, dass diejenigen, die solche Berichte verfassen – Meinungsmacher im wahrsten Sinne des Wortes – solche Veränderungen in ihrer eigenen Lebensrealität besonders wahrnehmen oder als besonders berichtenswert empfinden.54 Wie Toivonen und Imoto unter anderem anhand des Beispiels der Kategorie der NEET zeigen, werden solche sozialen Probleme sogar teilweise erst mit und durch deren Aufarbeitung in Forschung und Medien und von selbst ernannten Sozialkritikern (hyōronka 評論家) mitproduziert, perpetuiert und moralisch bewertet. Belastbare empirische Daten treten dabei ebenso in den Hintergrund wie mögliche Gegendiskurse, auch in der Wissenschaft: „Quite simply, the sheer symbolic lure of these categories [...] is so powerful that it predisposes researchers across disciplines to pursue certain topics, neglect others, and implicitly adopt many of the associated assumptions.“55 Solche Meinungsmacher – ob nun Journalisten, Aktivisten, Forscher, Ministerien, Interessensgruppen oder Politiker – verfolgen erwartbar eigennützige Intentionen. Diese bestimmen wiederum die Art, wie Themen erklärt, Kategorien gebildet und Diskurse aufrechterhalten werden. Ebenso nehmen die Akteure Einfluss darauf, welche Bedeutung den Problemen beigemessen wird, und ob und welche Lösungsstrategien dafür gesucht werden. So wurde beispielsweise die Frage der Verantwortung des damaligen Premierministers Koizumi Jun’ichirô 小泉純一郎 und seiner neoliberalen Reformen bei den steigenden sozialen Ungleichheiten nicht nur von Vertretern der DPJ, sondern auch von Teilen der LDP für ihre eigenen politischen Zielsetzungen verwendet. Die Thematisierung dieser Probleme stellte sich schließlich ein wichtiger Faktor bei den Wahlniederlagen der LDP in den Oberhauswahlen 2007 und Unterhauswahlen 2009 heraus.56

Daneben spielen auch finanzielle Interessen eine Rolle im Diskurs um soziale Ungleichheiten: Die Sorge um das Auseinanderbrechen bestehender – oder gefühlter – Sicherheiten und Normen und deren Widerspiegelung in der eigenen Lebensrealität bereitet eine stetige Nachfrage nach Erklärungshilfen. Wenn ein soziales Problem dann als allgemein relevant und empirisch bedeutsam genug erscheint, können damit ganze Verwertungsindustrien entstehen, die den zyklischen „Markt für Kulturkommentare“ 57 bedienen. Auch kulturelle Formate befassen sich mit der neuen „Verelendung“ Japans, und seit Mitte der 2000er Jahre werden in Literatur, bildender Kunst, in Fernsehserien, Reality-Formaten und Kinofilmen recht erfolgreich verschiedene Aspekte der aktuellen sozialen

                                                                                                     48 Allison: Precarious Japan, S. 8. 49 Vgl. hierzu die Arbeiten von Tachibanaki (Muen shakai no shōtai 無縁社会の正体, 2010) und von NHK (Muen shakai 無縁社会, 2010). 50 Vgl. Satō: „An Explosion of Inequality Cosciousness“, S. 19. 51 Vgl. Chiavacci: „Divided Society Model and Social Cleavages in Japanese Politics“, S. 58. 52 Vgl. Beck: Risikogesellschaft, S. 30 53 Vgl. Shirahase, Social Inequality in Japan, S. 190 54 Vgl. Sugimoto: An Introduction to Japanese Society, S. 61 55 Toivonen/Imoto: „Transcending Labels and Panics“, S. 63. Insofern kann auch argumentiert werden, dass diese Kommentatoren eine Nische gefunden haben, die es ihnen erlaubt aus der Problemsituation anderer finanzielle Vorteile zu ziehen. 56 Chiavacci („Divided Society Model and Social Cleavages in Japanese Politics“, S. 63) weist jedoch auch darauf hin, dass diese Verantwortung – zumindest in der ersten Hälfte der 2000er Jahre – nicht zwingend bestand, denn zwischen Reformen und deren Auswirkungen besteht immer eine zeitliche Lücke. 57 Gebhardt: Nach Einbruch der Dunkelheit, S. 235

 

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Situation ökonomisch verwertet. 58 Obwohl es sich bei diesen populärkulturellen Darstellungen zumeist um fiktive Protagonisten dreht, liegt aufgrund ihrer allgemeinen Zugänglichkeit hier das größte Potenzial, die Wahrnehmung einer ganzen Gesellschaft nachhaltig und einseitig zu prägen.

Es drängt sich bei der Betrachtung der populärwissenschaftlichen als auch kulturellen Repräsentationen der „neuen Ungleichheit“ anhand ausgewählter Gruppen der Eindruck auf, dass damit vornehmlich die Mittelschichten und deren abstrakte Abstiegsängste und Krisengefühle bedient werden sollen; kurzum, der dortige kakusa-Diskurs dreht sich um die gefühlte Bedrohung der „Noch-Nicht-Prekarisierten“ und nicht um eine Suche nach konkreten Lösungsansätzen, denn eine tatsächliche Auseinandersetzung mit seit Jahrzehnten bestehenden, verfestigten Armutslagen, wie wir sie beispielsweise bei Tagelöhnern, Obdachlosen oder (illegalen) Immigranten feststellen, wird weitestgehend ignoriert. Dass die sozioökonomischen Indikatoren überdies auf eine deutlich nuanciertere soziale Realität hinweisen, bleibt ebenfalls weitgehend unbeachtet, Gegendiskurse zum Paradigma der prekarisierten Gesellschaft sind indes selten.59

4 Das japanische Prekariat – marginalisierte Gruppe oder neues politisches Selbstbewusstsein?

Wie Gebhardt bemerkt, hegen nur wenige der Autoren des literarischen „Prekariatsbooms“ Ambitionen auf ein kritisches politisches Engagement, auch wenn sich gesellschaftskritische Elemente in diesen Verarbeitungen wiederfinden.60 Als eine Ausnahme hiervon kann die intensive Medienarbeit von Aktivisten in Form von Publikationen, Interviews und Blogs gelten. Diese teilweise selbst von unfreiwilliger atypischer Beschäftigung Betroffenen rückten gerade die Problematiken dieser Beschäftigungsformen aus einer persönlichen Sichtweise in den öffentlichen Fokus, wobei sie sich höchst kritisch über ihre aktuelle und zukünftige Lebenssituation äußerten. Die Aktivisten beschränken sich nicht nur auf das Publizieren von kritischen Beiträgen, sondern versuchen seit etwa Mitte der 2000er Jahre durch organisierte kollektive Aktionen wie beispielsweise Demonstrationen, Boykottaufrufe und Tarifverhandlungen gegen schwierige Arbeitsbedingungen vorzugehen.61

Die Speerspitze bilden – mitunter nicht unumstrittene – Aktivisten wie Amamiya Karin雨宮処凛 und Yuasa Makoto湯浅誠, die als regelrechte Ikonen der Bewegung dieses „Gegenangriffs der Prekären“ gelten. Gerade Amamiya legte mit ihren Veröffentlichungen, allen voran dem Buch „Prekariat. Die unsichere Lebensweise der Generation der digitalen Tagelöhner“ (Purekariāto. Dejitaru hiyatoi sedai no fuanna ikikata プレカリアート デジタル日雇い世代の不安な生き方 ) aus dem Jahr 2007, den Grundstein der Rezeption des Prekariatsbegriffs in Japan. Inspiriert von den europäischen MayDay-Aktivisten, legt sie eine alternative Konstruktion der „Prekären“ vor, die sie nicht länger nur als Opfer einer von außen oktroyierten Prekarisierung sehen, sondern die sich mitunter zu einer neuen „Klasse der Widerständigen“62 formieren. In ihren Publikationen verwendet sie eine sehr deutliche Rhetorik, die auf Einzelberichten basierend mitunter von kriegsähnlichen Zuständen – einem „Schlachtfeld, in dem es ums Überleben geht“ 63 – spricht, womit sie auf drastische Weise die Lebensrealität der Betroffenen illustriert. Hierzu zählt Amamiya vornehmlich die Gruppen der Leih- und Zeitarbeiter sowie obdachlose Jugendliche, die in Internetcafés und Schnellrestaurants übernachten.64 In dieser Weise formiert sie einen Gegendiskurs zur durchaus verbreiteten Vorstellung, dass gerade jüngere Japaner an ihrer prekären Situation teilweise selbst Schuld trügen. Mit der Bildung der gemeinsamen Kategorie des „Prekariats“, das von verschiedenen Aktivisten als offensive Selbstbezeichnung und Ausdruck subjektiver Verweigerungshaltung gebraucht wird, deutet sich demnach ein Wandel in der Wahrnehmung von Armut als Indikator persönlichen Scheiterns hin zu einem externalisierten Problem an.

Ob man aber von einer umfassenden Prekariatsbewegung in Japan sprechen kann, die ein tatsächliches politisches Potential in sich vereint, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Dies liegt

                                                                                                     58 Siehe hierzu z.B. die Arbeit von Iwata-Weickgenannt/Rosenbaum (Visions of Precarity, 2015) Für eine umfassende und detaillierte Darstellung dieses Literaturmarktes mit zahlreichen Beispielen ist die Monographie Gebhardts (Nach Einbruch der Dunkelheit, 2010) besonders aufschlussreich. 59 Etwa seit 2010 etablieren sich durchaus Gegenstimmen, wonach sich die Lage nicht als eindeutig negativ darstellt. So scheinen gerade junge Japaner zwischen 20 und 30 Jahren zwar in Bezug auf ihre berufliche Zukunft und die Zukunft der japanischen Gesellschaft verunsichert, aber nicht unbedingt unzufrieden mit ihrer gegenwärtigen persönlichen Situation. Dies läge daran, so der junge Sozialwissenschaftler Furuichi Noritoshi (Zetsubô no kuni S. 102-106, 246-248), dass sie gegenwärtig noch keinen Mangel in ihrer alltäglichen Lebensrealität erlebten, und eben keine zukünftige Besserung erhofften. Junge Japaner arrangieren sich also im Spannungsfeld von Erwartungen und Chancen mit ihrer gegenwärtigen Situation, ohne dabei größere Zukunftsambitionen zu hegen, während sie die Ideale des Mainstreams nicht mehr nur als unerreichbar, sondern auch zunehmend als unattraktiv bewerten. 60 Vgl. Gebhardt: Nach Einbruch der Dunkelheit, S. 237. 61 Siehe hierzu z.B. Kawazoe/Yuasa („Action Against Poverty“, 2007), O’Day (Japanese Irregular Workers in Protest, 2012) oder Cassegård (Youth Movements, Traum and Alternative Space in Contemporary Japan, 2014). 62 Standings (The Precariat, 2011) Kernargument, wonach sich das „globale Prekariat“ zu einer neuen „Klasse“ formierte, ist jedoch anzuzweifeln: So ist sowohl die Annahme fraglich, dass alleine das gemeinsame Merkmal von irregulärer Anstellung zu einer (globalen!) Klassenbildung führt, ebenso wie die Vorstellung, dass „das Prekariat“ inhärent andere politische Forderungen verfolge als beispielsweise das „Salariat“. Siehe hierzu ausführlich Breman („A Bogus Concept?“, 2013). 63 Amamiya: Binbō wo gyakute 貧乏を逆手, S. 35. 64 Amamiya: Purekariāto プレカリアート, Kap. 1.

 

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mitunter an den ambivalenten Intentionen der Akteure, denn während einige für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von irregulär Beschäftigen kämpfen beziehungsweise einen Übertritt in reguläre Beschäftigungsverhältnisse erreichen wollen, verfolgen andere im Gegensatz dazu die Emanzipation von „normalen“ Arbeitswelten und eine Verteidigung ihrer alternativen Lebensstile vis-à-vis dem japanischen Mainstream.

Während sie in der medialen und wissenschaftlichen Darstellung einen vergleichsweise großen Teil einnehmen, repräsentieren diese Aktivistengruppen jedoch nur einen kleinen Teil der heterogenen Gruppe der von Armut und sozialer Ungleichheit Betroffenen in Japan, nämlich diejenigen, die, zumindest teilweise, außerhalb der bestehenden Normen und Strukturen leben wollen. Eine allzu starke Fokussierung auf diesen aktivistischen Teil der „Prekären“ verleitet dazu, diejenigen zu übersehen, die nicht über ausreichende materielle und immaterielle Ressourcen verfügen, um selbstrepräsentierend in den gesellschaftlichen Diskurs einzugreifen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob sich der größere Teil der japanischen Prekären nicht eher vollständig gesellschaftlich abgehängt sieht und dabei nur geringes Vertrauen und wenige soziale Kontakte hat.

5 Schlussbetrachtung

Dieser Beitrag ging der Frage nach, ob man in Japan tatsächlich von einer „Prekarisierungsgesellschaft“ sprechen kann, und wie man diese neue soziale Entwicklung greifbar machen kann. Während der Blick auf die empirischen Daten zeigte, dass Japan gesamtgesellschaftlich sicherlich noch nicht als prekär gelten kann, wurde ebenfalls deutlich, dass Quantität und Qualität des medialen Diskurses seit Mitte der 2000er Jahre durchaus auf eine umfassende Bedrohungsempfindung hinweist – ganz im Sinne Marcharts Prekarisierungsgesellschaft. Die konkrete Relevanz der Problematik ist unstrittig, denn es geht um gegenwärtige und zukünftige Konfigurationen des sozialen Zusammenlebens. Gleichzeitig bleiben aus meiner Sicht derartige gesamtgesellschaftliche Diagnosen insofern problematisch, dass sie durch allzu breite Erklärungsansätze komplexere Sachverhalte verdecken, von sozialen Realitäten der Betroffenen ablenken und Exklusions- und Abstiegsängste erst noch befeuern. Selbstverständlich müssen breite gesellschaftliche Trends aufgedeckt, in einer allgemein verständlichen Weise thematisiert und anhand von Einzelfallberichten fundiert werden. Doch sollte man hierbei nie die Intentionen der möglichen Profiteure aus dem Blick verlieren. Auch die (diskursive) Erschaffung einer neuen „Klasse“ des Prekariats verwischt aus meiner Sicht tatsächlich bestehende große Unterschiede der individuellen Lebensumstände.

Über diese grundlegende Frage hinaus zeigte sich, dass der Art und Weise, wie soziale Veränderungen begrifflich und konzeptuell gefasst werden, eine große Bedeutung zukommt, denn „Diskurse geben Denk- und Handlungshorizonte vor [...], gleichzeitig sind sie ein zentraler Raum der Aushandlung und des Kampfes um gesellschaftliche Verhältnisse.“65 Die Konzepte der Prekarisierung und sozialen Ungleichheit sind somit als Deutungsangebote sozialer Veränderung zu verstehen, die für unterschiedliche – auch gegenläufige – Agenden benutzt werden können.

Anstatt sich also zu sehr auf die konzeptionelle Frage nach einer japanischen „Prekarisierungsgesellschaft“ zu fokussieren, sollten möglicherweise konkretere Fragen in den Mittelpunkt rücken: Wie kann man als Gesellschaft Armut verhindern, wie kann man mehr Gerechtigkeit erreichen? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Armutsrisiken und Effekte der Ungleichheit zu verringern? Was sind die tieferen Zusammenhänge zwischen Armut und Reichtum, auch über die Grenzen Japans hinaus? Literaturverzeichnis Abe, Aya: „Poverty and Social Exclusion of Women in Japan“. In: Japanese Journal of Social Security Policy, Nr. 9.1 (2012), S. 61–82. Abe, Aya: „Social Exclusion and Earlier Disadvantages: An Empirical Study of Poverty and Social Exclusion in Japan“. In: Social Science Japan Journal, Nr. 13.1 (2010), S. 5–30. Allison, Anne: Precarious Japan. Durham: Duke University Press 2013. Amamiya, Karin 雨宮処凛: „Binbō wo gyakute ni hangeki ga hajimatta 貧乏を逆手に反撃が始まった“. In: Ronza論座, Nr. 143.4 (2007) S. 35–40. Amamiya, Karin雨宮処凛: Purekariāto. Dejitaru hiyatoi sedai no fuanna ikikata プレカリアート デジタル日雇い世代の不安な生き方. Tōkyō: Yōsensha 2007. Asao, Yutaka: Overview of Non-Regular Employment in Japan (JILPT Research Report 10). Tokyo: JILPT 2011. Ballas, Dimitris u.a: „Income Inequalities in Japan and the UK: A Comparative Study of two Island Economies“. In: Social Policy and Society, Nr. 13.1 (2014), S. 103–117.

                                                                                                     65 Freudenschuß: „Prekäre (Kultur-)Kämpfe?“, S. 362.

 

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