grundkurs theoretische philosophie 2. religionsphilosophie

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Abteilung Philosophie Grundkurs Theoretische Philosophie 2. Religionsphilosophie Prof. Dr. Ansgar Beckermann SoSe 2010

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Abteilung Philosophie

Grundkurs Theoretische Philosophie

2. Religionsphilosophie

Prof. Dr. Ansgar BeckermannSoSe 2010

•2

Abteilung Philosophie

LiteraturLiteratur

Löffler, W., Einführung in die Religionsphilosophie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006

Rowe, W.,Philosophy of Religion. 4th ed., Belmont CA: Thomson Wadsworth 2007

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Abteilung Philosophie

Aspekte von ReligionAspekte von Religion

GrundüberzeugungDer nicht-moderne Mensch erlebt die Welt als weitgehend unverfügbar – er ist Naturkatastrophen, Krankheiten, Missernten etc. im Wesentlichen hilflos ausgeliefert. Allerdings glaubt er nicht an Zufälle, sondern daran, dass das, was ihm – im Guten wie im Schlechten – zustößt, auf von uns unabhängige (übernatürliche) Mächte zurückgeht.⇒ Versuch, mit diesen Mächten in Kontakt zu treten, sie

gewogen zu stimmenrituell-kultische Handlungsformenbedeutsame Zeiten und OrteGebet, Meditation

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Abteilung Philosophie

Aspekte von ReligionAspekte von Religion

Weitere Aspektestrukturierte Gemeinschaft von Anhängernheilige Schriftenreligiöse Moral

Weitere religiöse ÜberzeugungÜberzeugungen über der Entstehung der Weltüber das Schicksal des Menschen nach dem Tod

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Abteilung Philosophie

Aspekte von ReligionAspekte von Religion

Sonderstellung BuddhismusAusgangspunkt: die Lehre von der WiedergeburtFrage: Wie kommt man aus diesem Kreislauf heraus?Die Antwort findet sich in den Vier Edlen Wahrheiten: Erstens der Erkenntnis, dass das Leben von Leiden geprägt ist, zweitens der Erkenntnis, dass dieses Leiden durch Gier, Hass und Verblendung verursacht wird, drittens, dass das Leiden durch Beseitigung dieser Ursachen beendet werden kann, und viertens, dass der Weg dahin über den „Achtfachen Pfad“ führt.Ziel von Buddhisten ist es, durch ethisches Verhalten, die Kultivierung der Tugenden, die Praxis der „Versenkung“ und die Entwicklung von Mitgefühl und Weisheit aus dem Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt herauszutreten. Auf diesem Weg sollen Leid und Unvollkommenheit überwunden und durch Einsicht (Erwachen) der Zustand des Nirwana realisiert werden.

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

GrundfrageWie steht es um die Vernünftigkeit bzw. Unvernünftig-keit religiöser Überzeugungen?Insbesondere: Ist es vernünftig, an einen theistischverstandenen Gott zu glauben?

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismusAtheismusAgnostizismus

Negative Theologie

Pantheismus

Deismus

Monotheismus

Polytheismus

Henotheismus

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus 1. Es gibt genau einen Gott mit den

folgenden Eigenschaften• ewig – allgegenwärtig• höchst vollkommen (allmächtig,

allwissend, allgütig)• hat die Welt erschaffen – erhält

und lenkt sie• Person

2. Es gibt einen oder mehrere Götter.

AtheismusAgnostizismus

Negative Theologie

Pantheismus

Deismus

Monotheismus

Polytheismus

Henotheismus

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus

1. Es gibt keinen Gott mit den genannten Eigenschaften.

2. Es gibt überhaupt keinen Gott.

AtheismusAgnostizismus

Negative Theologie

Pantheismus

Deismus

Monotheismus

Polytheismus

Henotheismus

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus

Man kann weder beweisen, dass es Gott gibt noch dass es ihn nicht gibt. Wissen ist in diesem Punkt nicht möglich.

AtheismusAgnostizismusNegative Theologie

Pantheismus

Deismus

Monotheismus

Polytheismus

Henotheismus

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ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus

Gott übersteigt jedes menschliche Erkenntnisvermögen; auch unsere Sprache reicht nicht aus, um an ihn heranzukommen.

AtheismusAgnostizismus

Negative TheologiePantheismus

Deismus

Monotheismus

Polytheismus

Henotheismus

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ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus

Alles in der Welt ist göttlich. Spinoza: Deus sive natura.

AtheismusAgnostizismus

Negative Theologie

PantheismusDeismus

Monotheismus

Polytheismus

Henotheismus

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ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus

Es gibt einen Gott, der die Welt erschaffen hat; aber jetzt kümmert er sich nicht mehr um sie und greift in ihren Lauf nicht ein.

AtheismusAgnostizismus

Negative Theologie

Pantheismus

DeismusMonotheismus

Polytheismus

Henotheismus

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus

Es gibt genau einen Gott.

AtheismusAgnostizismus

Negative Theologie

Pantheismus

Deismus

MonotheismusPolytheismus

Henotheismus

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus

Es gibt mehrere Götter.

AtheismusAgnostizismus

Negative Theologie

Pantheismus

Deismus

Monotheismus

PolytheismusHenotheismus

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

Einige GrundbegriffeTheismus

Es gibt mehrere Götter; aber nur einer wird verehrt.

AtheismusAgnostizismus

Negative Theologie

Pantheismus

Deismus

Monotheismus

Polytheismus

Henotheismus

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

GrundfrageWie steht es um die Vernünftigkeit bzw. Unvernünftig-keit religiöser Überzeugungen?Insbesondere: Ist es vernünftig, an einen theistischverstandenen Gott zu glauben?

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

VernünftigkeitPraktische

Es ist für mich praktisch vernünftig, p zu glauben, wenn mir diese Überzeugung in meinem Leben hilft –unabhängig davon, ob sie wahr ist.

Theoretisch Es ist für mich theoretisch vernünftig, p zu glauben, wenn es Umstände (Gründe) gibt, die für die Wahrheit von p sprechen.

In der Religionsphilosophie geht es nur um theoretische Vernünftigkeit – also darum, ob es Gründe gibt, die für die Wahrheit religiöser Überzeugungen sprechen.

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Abteilung Philosophie

ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

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Abteilung Philosophie

Hauptthemen Hauptthemen

• Gottesbeweise

Ontologische GottesbeweiseKosmologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

• Problem des Übels

• Religiöse/mystische Erfahrung

• Religiöse Epistemologie

• Gottesbegriff

• Gott und Moralität

• Leben nach dem Tod

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Abteilung Philosophie

Hauptthemen Hauptthemen

• Gottesbeweise

Ontologische GottesbeweiseKosmologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

• Problem des Übels

• Religiöse/mystische Erfahrung

• Religiöse Epistemologie

• Gottesbegriff

• Gott und Moralität

• Leben nach dem Tod

Gründe für oder gegen den Glauben an GottWelche Rolle spielen religiöse Erfahrungen?Braucht man überhaupt Gründe, um an Gott zu glauben?

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Abteilung Philosophie

AusgangsfrageGibt es gute Gründe für die Annahme, dass es einen theis-tisch verstandenen Gott gibt?

GottesbeweiseGottesbeweise

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Abteilung Philosophie

AusgangsituationEs wäre kein Problem, an Gott zu glauben,

• wenn es jeden Tag fünf offensichtliche Wunder gäbe,

• wenn das Anbringen von Christopherus-Plaketten tatsächlich zu weniger Autounfällen führen würde,

• wenn durch Beten tatsächlich Erdbeben verhindert werden könnten,

• wenn der Besuch eines Wallfahrtsortes nachweislich die Heilungschancen von Krebs erhöhen würde,

• wenn das Darbringen von Opfergaben tatsächlich zu einem längeren und glücklicheren Leben führen würde.

GottesbeweiseGottesbeweise

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Abteilung Philosophie

AusgangsituationDoch das ist nicht der Fall.

Offenbar gibt es keine Tatsachen in unserer Welt, deren Auftreten am besten durch das Wirken eines allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gottes erklärt werden kann. ⇒ empirische Verborgenheit Gottes

⇒ Versuche, mehr oder weniger indirekte Beweise für die Existenz Gottes zu finden

GottesbeweiseGottesbeweise

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Abteilung Philosophie

Kosmologische GottesbeweiseAllein aus der Tatsache, dass die Welt existiert, bzw. aus einigen allgemeinen Tatsachen in der Welt können wir auf die Existenz Gottes schließen.

Teleologische GottesbeweiseAus der Tatsache, dass die Welt wohl geordnet ist bzw. dass sie auf Zwecke gerichtete Wesen enthält, können wir auf die Existenz Gottes schließen.

Ontologische GottesbeweiseAllein aus dem Begriff Gottes können wir auf die Existenz Gottes schließen.

Klassische GottesbeweiseKlassische Gottesbeweise

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Abteilung Philosophie

Version 1: Thomas von AquinDer zweite Weg ist aus dem Begriff der bewirkenden Ursache […]. Wir finden nämlich, daß in den sinnlich wahrnehmbaren (Dingen) hier eine Ordnung der wirkenden Ursachen besteht. Es findet sich jedoch nicht und ist auch nicht möglich, daß etwas Wirkursache seiner selbst sei, da es so früher wäre als es selbst, was unmöglich ist. Es ist aber nicht möglich, daß die Wirkursachen ins Unendliche gehen, weil bei allen geordneten Wirkursachen (insgesamt) das Erste Ursache des Mittleren, und das Mittlere Ursache des Letzten ist […]. Ist aber die Ursache entfernt worden, dann wird auch die Wirkung entfernt. Wenn es also kein Erstes in den Wirkursachen gibt, wird es kein Letztes und auch kein Mittleres geben. Wenn aber die Wirkursachen ins Unendliche gehen, wird es keine erste Wirkursache geben, und so wird es weder eine letzte Wirkung, noch mittlere Wirkursachen geben: was offenbar falsch ist. Also ist es notwendig, eine erste Wirkursache anzunehmen. Diese nennen alle Gott. (Summa Theologiae, I 2.3)

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

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Thomas von Aquin

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

(1) Es gibt eine Ordnung der wirkenden Ursachen; d.h., es gibt Verursachungsketten.

… → Ai-1 → Ai → Ai+1 → Ai+2 → …

(2) Nichts ist seine eigene Wirkursache.Begründung: Dann müsste es früher sein als es selbst, was unmöglich ist.

(3) Die Kette der Wirkursachen kann nicht bis ins Unendliche zurückgehen. Begründung: Wenn die Kette bis ins Unendliche ginge, gäbe es keine erste Ursache. Aber wenn es keine erste Ursache gäbe, gäbe es keine mittleren Ursachen und keine letzte Wirkung, was falsch ist.

(K) Es gibt eine erste (unverursachte) Wirkursache. Und diese erste Wirkursache nennen alle Gott.

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Abteilung Philosophie

Grundidee Version 1

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

Unmöglichkeit eines unendlichen Regresses von Ursachen⇒ Es muss einen ersten (unbewegten) Beweger geben.

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Abteilung Philosophie

Version 2: Thomas von Aquin – Leibniz – Clarke

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

Thomas von Aquin, der dritte Weg

Gottfried Wilhelm Leibniz, Über den ersten Ursprung der Dinge, Die Vernunftprinzipien der Natur und der Gnade

Samuel Clarke, A Demonstration of the Being and Attributes of God and Other Writings

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Abteilung Philosophie

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

Thomas von AquinDer dritte Weg ist von dem Möglichen und Notwendigen her genommen und verläuft so: Wir finden nämlich unter den Dingen solche, welche die Möglichkeit haben zu sein und nicht zu sein, da sich einiges findet, das entsteht und vergeht und infolgedessen die Möglichkeit hat zu sein und nicht zu sein. Es ist aber unmöglich, daßalles von dieser Art [ewig] [sic!!] sei, weil das, was möglicherweise nicht sein kann, auch einmal nicht ist. Wenn also alles die Möglichkeit hat nicht zu sein, dann war hinsichtlich der Dinge auch einmal nichts. Wenn dies aber wahr ist, dann wäre auch jetzt nichts, weil das, was nicht ist, nur anfängt zu sein durch etwas, was ist. Wenn also (einmal) nichts Seiendes war, dann war es auch unmöglich, daß etwas zu sein anfing, und so wäre nun nichts: was offenbar falsch ist. Also ist nicht alles Seiende nur Mögliches, sondern es muß auch etwas Notwendiges unter den Dingen geben.

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Abteilung Philosophie

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

Thomas von AquinJedes Notwendige aber hat die Ursache seiner Notwendigkeit entweder von anderswoher oder nicht. Es ist aber nicht möglich, daßes ins Unendliche bei den notwendigen (Dingen) gehe, die eine Ursache ihrer Notwendigkeit haben, wie dies auch bei den Wirkursachen nicht möglich ist, wie (oben) bewiesen. Also ist es notwendig etwas anzunehmen, das an sich notwendig ist und die Ursache seiner Notwendigkeit nicht von anderswoher hat, sondern das (vielmehr) Ursache der Notwendigkeit für die anderen (Dinge) ist. Dies nennen alle Gott. (Summa Theologiae, I 2.3)

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Abteilung Philosophie

Thomas von Aquin

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

(1) Es gibt kontingente Dinge (Dinge, die existieren und auch nicht existieren können.)

Begründung: Manche Dinge entstehen und vergehen.

(2) Nicht alles kann in diesem Sinne kontingent sein.Begründung: Was nicht existieren kann, existiert auch irgendwann einmal nicht. D.h., wenn alles kontingent wäre, würde es irgendwann einmal gar nichts geben. Aber dann gäbe es auch jetzt nichts, „weil das, was nicht ist, nur anfängt zu sein durch etwas, was ist.“Tatsächlich gibt es aber jetzt Dinge.

(K1) Es gibt mindestens ein notwendiges Ding (etwas, das nicht nicht sein kann).

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Abteilung Philosophie

Thomas von Aquin

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

(3) Alle notwendigen Dinge haben die Ursache ihrer Notwendigkeit in etwas anderem oder in sich selbst.

(4) Nicht alle notwendigen Dinge haben die Ursache ihrer Notwendigkeit in etwas anderem.Begründung: Denn dann gäbe es wieder einen unendlichen Regress.

(K2) Es gibt ein notwendiges Ding, das die Ursache seiner Notwen-digkeit in sich selbst hat und das die Ursache der Notwendig-keit der anderen notwendigen Dinge ist. Und dieses nennen alle Gott.

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Abteilung Philosophie

Grundidee Version 2

Kosmologische GottesbeweiseKosmologische Gottesbeweise

Das Prinzip vom zureichenden GrundEtwas, A, beginnt nur dann zu existieren, wenn es etwas (anderes) gibt, was schon existiert und was die Existenz von A hervorbringt.

⇒ Das Prinzip vom zureichenden Grund führt zu der Annahme, dass es notwendige Wesen geben muss –Wesen, die ihren Grund in sich selbst haben

KritikHume: Das Prinzip vom zureichenden Grund kann nicht a priori als wahr erwiesen werden Quantenphysik

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Anselm von Canterbury

Ontologische GottesbeweiseOntologische Gottesbeweise

Wir glauben, „daß Du [Herr] etwas bist, über dem nichts Größeres gedacht werden kann.“ Auch der Tor versteht diesen Ausdruck „und was er versteht, ist in seinem Verstande, auch wenn er nicht einsieht, daß dies existiert.“ Das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann, existiert also zumindest im Verstande (selbst des Toren).

„Und sicherlich kann ‚das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann‘, nicht im Verstande allein sein. Denn wenn es wenigstens im Verstande allein ist, kann gedacht werden, daß es auch in Wirklichkeit existiere – was größer ist. Wenn also ‚das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann‘, im Verstande allein ist, so ist eben ‚das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann‘, über dem Größeres gedacht werden kann. Das aber kann gewiß nicht sein. Es existiert also ohne Zweifel ‚etwas, über dem Größeres nicht gedacht werden kann‘, sowohl im Verstande als auch in Wirklichkeit.“(Proslogion, Kapitel 2)

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Abteilung Philosophie

Anselm von Canterbury

Ontologische GottesbeweiseOntologische Gottesbeweise

(1) Gott =def. das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann.

(2) Gott (= das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann) existiert zumindest im Verstand.

(3) Gott existiert allein im Verstand (aber nicht in Wirklichkeit). (Annahme)

(4) Wenn Gott im Verstand existiert, kann gedacht werden, dass er inWirklichkeit existiert.

(5) Wenn etwas in Wirklichkeit existiert, ist es größer, als wenn es allein im Verstand existiert.

(6) Das, über dem nichts Größeres gedacht werden kann, ist etwas, über dem Größeres gedacht werden kann.

Das ist ein Widerspruch. Also muss die Annahme (3) falsch sein.

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Abteilung Philosophie

Anselm von Canterbury

Ontologische GottesbeweiseOntologische Gottesbeweise

Indirekter Beweis (reductio ad absurdum)Wenn aus einer Annahme A etwas Unmögliches (oder auch nur etwas Falsches) folgt, dann ist A falsch.

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Abteilung Philosophie

Kritik an Anselm

Ontologische GottesbeweiseOntologische Gottesbeweise

Gaunilos Insel(1) Die denkbar vollkommenste Insel existiert allein im Verstand

(aber nicht in Wirklichkeit). (Annahme)

(2) Wenn die denkbar vollkommenste Insel im Verstand existiert, kann gedacht werden, dass sie in Wirklichkeit existiert.

(3) Wenn etwas in Wirklichkeit existiert, dann ist es voll-kommener, als wenn es allein im Verstand existiert.

(4) Die denkbar vollkommenste Insel ist eine Insel, über der eine vollkommenere Insel gedacht werden kann.

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Abteilung Philosophie

Kritik an Anselm

Ontologische GottesbeweiseOntologische Gottesbeweise

Kant 1„Wenn ich das Prädikat in einem identischen Urteile aufhebe und behalte das Subjekt, so entspringt ein Widerspruch, und daher sage ich: jenes kommt diesem notwendiger Weise zu. Hebe ich aber das Subjekt zusamt dem Prädikate auf, so entspringt kein Widerspruch; denn es ist nichts mehr, welchem widersprochen werden könnte. Einen Triangel setzen und doch die drei Winkel desselben aufheben, ist widersprechend; aber den Triangel samt seinen drei Winkeln aufheben, ist kein Widerspruch.“ (KrV A 594, B 622)

⇒ Negative Existenzaussagen sind niemals widersprüchlich!

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Abteilung Philosophie

Kritik an Anselm

Ontologische GottesbeweiseOntologische Gottesbeweise

Kant 2„Sein ist offenbar kein reales Prädikat, d.i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne. Es ist bloß die Position eines Dinges, oder gewisser Bestimmungen an sich selbst. […] Der Satz: Gott ist allmächtig, enthält zwei Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; […] Nehme ich nun das Subjekt (Gott) mit allen seinen Prädikaten (worunter auch die Allmacht gehöret) zusammen, und sage: Gott ist, oder es ist ein Gott, so setze ich kein neues Prädikat zum Begriffe von Gott, sondern nur das Subjekt an sich selbst mit allen seinen Prädikaten, und zwar den Gegenstand in Beziehung auf meinen Begriff. […] Und so enthält das Wirkliche nichts mehr als das bloß Mögliche. Hundert wirkliche Taler enthalten nicht das Mindeste mehr, als hundert mögliche.“(KrV A 598f., B 626f.)

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Abteilung Philosophie

Vertreter

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

Thomas von Aquin, der fünfte Weg

William Paley, Natural Theology: Or, Evidences of theExistence and Attributes of the Deity, Collected from theAppearances of Nature

Richard Swinburne, The Existence of God

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Abteilung Philosophie

William Paley

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

In crossing a heath, suppose I pitched my foot against a stone, and were asked how the stone came to be there; I might possibly answer, that, for any thing I knew to the contrary, it had lain there for ever: nor would it perhaps be very easy to show the absurdity of this answer. But suppose I had found a watch upon the ground, and it should be inquired how the watch happened to be in that place; I should hardly think of the answer which I had before given, that, for any thing I knew, the watch might have always been there. Yet why should not this answer serve for the watch as well as for the stone? why is it not as admissible in the second case, as in the first?

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Abteilung Philosophie

William Paley

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

For this reason, and for no other, viz. that, when we come to inspect the watch, we perceive (what we could not discover in the stone) that its several parts are framed and put together for a purpose, e. g. that they are so formed and adjusted as to produce motion, and that motion so regulated as to point out the hour of the day; that, if the different parts had been differently shaped from what they are, of a different size from what they are, or placed after any other manner, or in any other order, than that in which they are placed, either no motion at all would have been carried on in the machine, or none which would have answered the use that is now served by it. […] This mechanism being observed […], the inference, we think, is inevitable, that the watch must have had a maker: that there must have existed, at some time, and at some place or other, an artificer or artificers who formed it for the purpose which we find it actually to answer; who comprehended its construction, and designed its use. (Paley, Natural Theology, 1ff. – meine Hervorh.)

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Abteilung Philosophie

Williem Paley

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

(1) Es gibt in der Natur zweckmäßig eingerichtete Dinge –Dinge, die aus Teilen bestehen, die so aufeinander abgestimmt zusammenwirken, dass ein positives Resultat entsteht (z.B. Lebewesen oder die Organe von Lebewesen).

(2) Die anderen zweckmäßigen Dinge, die wir kennen, sind von Menschen geschaffene Maschinen.

(3) Maschinen haben intelligente Urheber.

(K) Die natürlichen zweckmäßigen Dinge haben auch intelligente Urheber.

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Abteilung Philosophie

William Paley

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

Analogieschluss(1) b ähnelt a in vielerlei Hinsicht.(2) a hat die Ursache c.(K) b hat eine Ursache, die c ähnlich ist.

Allgemeiner(1) b ähnelt a in vielerlei Hinsicht.(2) a hat die Eigenschaft F.(K) b hat die Eigenschaft F.

Analogieschlüsse sind Wahrscheinlichkeitsschlüsse; sie sind nicht deduktiv gültig.

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Abteilung Philosophie

Humes Kritik

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

1. Analogieschlüsse beruhen darauf, dass sich a und bwirklich ähnlich sind.

„Aber sicher willst du nicht behaupten, das Universum habe derartige Ähnlichkeit mit einem Haus, daß wir mit derselben Gewißheit auf eine ähnliche Ursache schließen können […]“ (Hume, Dialoge, S. 71)

•49

Abteilung Philosophie

Humes Kritik

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

2. Doch davon einmal abgesehen, wenn wir von den Ursa-chen von Maschinen auf die Ursachen von Lebewesen schließen, was dürfen wir dann wirklich folgern?

Die Urheber von Maschinen sind endliche Wesen.

Müssten wir nicht also schließen, dass auch die Urheber von Lebewesen endliche Wesen sind?

Gerade die besten menschlichen Maschinen werden nicht von einem, sondern von mehreren Menschen geschaffen.

Müssten wir nicht also schließen, dass auch Lebewesen auf die Zusammenarbeit mehrerer intelligenter Urheber zurückgehen?

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Abteilung Philosophie

Humes Kritik

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

2. Doch davon einmal abgesehen, wenn wir von den Ursa-chen von Maschinen auf die Ursachen von Lebewesen schließen, was dürfen wir dann wirklich folgern?

Menschen, die Urheber von Maschinen, sind körperliche Wesen mit Augen, Nasen, Mund und Ohren.

Müssten wir nicht also schließen, dass auch die Urheber von Lebewesen körperliche Wesen mit Augen, Nasen, Mund und Ohren sind?

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Abteilung Philosophie

Humes Kritik

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

2. Doch davon einmal abgesehen, wenn wir von den Ursa-chen von Maschinen auf die Ursachen von Lebewesen schließen, was dürfen wir dann wirklich folgern?

Die Urheber von Maschinen sind sterblich und erneuern ihre Art durch Zeugung.

Müssten wir nicht also schließen, dass auch die Urheber von Lebewesen sterblich sind und sich durch Zeugung fortpflanzen?

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Abteilung Philosophie

Ein anderer Ansatz

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

Man kann den teleologischen Gottesbeweis auch als einen Schluss auf die beste Erklärung auffassen.

Schluss auf die beste Erklärung(1) a hat bestimmte Eigenschaften.

(2) Die beste (einzig mögliche bzw. bekannte) Erklärung für die Entstehung von Dingen mit diesen Eigen-schaften ist X.

(3) Die Erklärung von a ist X.

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Abteilung Philosophie

Ein anderer Ansatz

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

Man kann den teleologischen Gottesbeweis auch als einen Schluss auf die beste Erklärung auffassen.

Schluss auf die beste Erklärung(1) Es gibt natürliche zweckmäßig eingerichtete Dinge, die

nicht von Menschen geschaffen wurden.

(2) Die beste (einzig mögliche bzw. bekannte) Erklärung für die Entstehung zweckmäßiger Dinge sind intelli-gente Urheber.

(3) Auch die natürlichen zweckmäßig eingerichteten Dinge haben intelligente Urheber.

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Abteilung Philosophie

Ein anderer Ansatz

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde dies ganz allgemein für ein überzeugendes Argument gehalten.

Die Situation ändert sich erst 1859 mit Darwins The Origin of Species.Jetzt gab es eine alternative Erklärung.

Die uns bekannten natürlichen zweckmäßig eingerichteten Dinge – Pflanzen und Tiere – sind samt und sonders im Laufe der Evolution durch Mutation und Selektion entstanden.

•55

Abteilung Philosophie

Kritik des „Intelligent Design“

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

Es gibt im Bereich der Lebewesen Strukturen von irreduziblerKomplexität, die nicht evolutionär entstanden sein können. Eine Struktur ist irreduzibel komplex, wenn sie (a) einem Zweck dient und (b) aus einer Vielzahl von Teilen besteht, die alle für das Erreichen dieses Zwecks erforderlich sind.

Eine solche Struktur kann nicht evolutionär entstehen, da es auf der einen Seite extrem unwahrscheinlich sei, dass alle Teile zugleichdurch Mutation entstünden, auf der anderen Seite die Teile aber auch nicht nacheinander entstanden sein könnten, da in der Evolution nur überlebe, was einem Zweck diene, die Struktur ihren Zweck aber erst erfülle, wenn alle Teile vorhanden seien.

Beispiel: Bakteriengeißel.

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Abteilung Philosophie

Fine Tuning

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

Es gäbe „keine Expansion des Universums, keine stabilen Atome, damit natürlich auch kein Leben auf Kohlenstoffbasis, keine Evolution etc. […] , wenn etliche fundamentale Naturkonstanten ganz geringfügig abweichende Werte gehabt hätten. Dies gilt u.a. für die Gravitationskonstante, die starke Wechselwirkung […] oder das Verhältnis von Protonen- zu Elektronen-massen.

Auch die Anfangsgeschwindigkeit der Expansion des Universums war(nachträglich betrachtet) ‚gerade richtig‘, um sowohl sein sofortiges gravitationsbedingtes Wiederkollabieren zu verhindern als auch eine zu schnelle Ausbreitung ohne die Bildung von Strukturen.

Ebenso waren die Störungen kurz nach der Entstehung des Universums einerseits stark genug, dass sich durch Ungleichverteilungen Strukturen wie Galaxien herausbilden konnten, andererseits aber auch wieder nicht so stark, dass das Universum im Chaos versunken wäre.“ (Löffler, 71)

•57

Abteilung Philosophie

Fine Tuning

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

„Insgesamt, so nun die Verfechter des fine tuning-Arguments, sei es extrem unwahrscheinlich, dass dieses Zusammentreffen zufällig zustande gekommen ist, es spreche vielmehr alles für eine intelligente Planung durch Gott.“ (ebd.)

•58

Abteilung Philosophie

Fine Tuning

Teleologische GottesbeweiseTeleologische Gottesbeweise

„1. Es gibt verschiedenste mögliche Konstellationen, wie die fundamentalen Eigenschaften des Universums hätten beschaffen sein können.

2. Jede faktisch bestehende Konstellation geht entweder auf Zufall oder auf absichtliche, intelligente Planung und Herstellung zurück.

3. Die uns bekannte, ‚feinabgestimmte‘ Konstellation ist extrem unwahrscheinlich.

4. Wenn eine extrem unwahrscheinliche Konstellation faktisch besteht, ist die Wahrscheinlichkeit absichtlicher, intelligenter Planung und Herstel-lung fast gleich 1, die des Zufalls fast gleich 0.

5. Als solcher Planer und Hersteller eines [!] kommt nur ein äußerst mächti-ges und weises Wesen in Frage, d.h. ein Gott im Sinne des Theismus.

6. Also ist die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes fast gleich 1, d.h. seine Existenz ist so gut wie sicher.“ (ebd.)

•59

Abteilung Philosophie

Wichtigstes Argument gegen die Existenz eines theistischverstandenen Gottes.

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

AusgangspunktEs gibt auf der Welt eine ungeheure Menge von unsäglichem Leid.

Das Erdbeben von Lissabon 1755 forderte 30.000 bis 100.000 Todesopfer.

Täglich sterben auf der Welt mehr als 24.000 Kinder an Krankheiten, die größtenteils vermeidbar und heilbar sind.

In Deutschland werden jährlich ca. 600 Säuglinge mit spinabifida geboren.

•60

Abteilung Philosophie

Ausgangspunkt

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

„Wenn ein Fremder unvermittelt in diese Welt versetzt würde, so würde ich ihm zur Exemplifizierung ihrer Übel eine Klinik voll von Kranken, ein Gefängnis belegt mit Verbrechern und Schuldnern, ein Schlachtfeld übersät mit Leichen, eine dem Ozean ausgelieferte Flotte, ein unter Tyrannei siechendes Volk sowie Hungersnot und Pest zeigen.“ (Hume, Dialoge, 96)

Wichtigstes Argument gegen die Existenz eines theistischverstandenen Gottes.

•61

Abteilung Philosophie

Problem

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Wie soll die Existenz eines allwissenden, allmächtigen und allgütigen Gottes mit der Existenz all dieser Übel und Leiden vereinbar sein?

Folgt aus der Existenz dieser Übel und Leiden nicht, dass Gott, wenn es ihn denn gibt, nicht zugleich allwissend, allmächtig und allgütig sein kann?

Merke

Es geht nicht direkt um die Existenz Gottes, sondern zunächst allein um die Frage, ob Gott tatsächlich so vollkommen ist, wie der Theismus annimmt.

•62

Abteilung Philosophie

Die logische Version

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Sind die beiden Aussagen

(1) Gott ist allmächtig, allwissend und allgütig

und

(2) Auf der Welt gibt es eine solche Menge von unsäglichem Leid

logischen miteinander vereinbar?

•63

Abteilung Philosophie

Die logische Version

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

„Gott will entweder die Übel aufheben und kann nicht; oder Gott kann und will nicht; oder Gott will nicht und kann nicht; oder Gott will und kann.

Wenn Gott will und nicht kann, so ist er ohnmächtig; und das widerstreitet dem Begriffe Gottes.

Wenn Gott kann und nicht will, so ist er mißgünstig, und das ist gleichfalls mit Gott unvereinbar.

Wenn Gott nicht will und nicht kann, so ist er mißgünstig und ohnmächtig zugleich, und darum auch nicht Gott.

Wenn Gott will und kann, was sich allein für die Gottheit geziemt, woher sind dann die Übel, und warum nimmt er sie nicht hinweg?“

(Laktanz, Vom Zorne Gottes, Abs. 13 – Laktanz selbst schreibt diese Argu-mentation Epikur zu)

•64

Abteilung Philosophie

Die logische Version

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Eine Gruppe von Aussagen ist logisch inkonsistent, wenn sich aus ihr ein Satz und seine Negation ableiten lassen.

In diesem Sinne sind die Aussagen (1) und (2) nicht direkt logisch inkonsistent.

Genau so wenig wie die beiden Aussagen

(3) Dieser Ball ist rot

und

(4) Dieser Ball ist nicht farbig.

•65

Abteilung Philosophie

Die logische Version

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

In einem weiteren Sinn sind Aussagen aber auch dann logisch inkonsistent, wenn aus ihnen – zusammen mit geeigneten analytischen Aussagen – ein Satz und seine Negation abgeleitet werden können.

(3) Dieser Ball ist rotund

(4) Dieser Ball ist nicht farbigsind also inkonsistent, weil aus ihnen und der analytischen Aussage

(5) Alles, was rot ist, ist farbig

die Sätze „Dieser Ball ist farbig“ und „Dieser Ball ist nicht farbig“abgeleitet werden können.

•66

Abteilung Philosophie

Die logische Version

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Frage

Gibt es eine analytische Aussage, die es gestattet, aus (1) und (2) einen Satz und seine Negation abzuleiten?

Möglichkeit

(6) Ein allwissendes, allmächtiges und allgütiges Wesen verhindert jedes Auftreten von Schmerz und Leid.

•67

Abteilung Philosophie

Die logische Version

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

ProblemAuch ein allmächtiges Wesen kann nur tun, was logisch möglich ist.

Wenn bestimmtes Leid logisch notwendig dafür ist, dass ein höherwertiges Gut entsteht, dann muss Gott dieses Leid um des höheren Gutes willen zulassen (ja sogar fördern).

Analytisch wahr ist deshalb nicht (6), sondern nur:

(6′) Ein allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott würde alles Leid verhindern, das nicht zur Erlangung höherwertiger Güter logisch notwendig ist.

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Konsequenz

Wenn man zeigen will, dass das in der Welt vorhandene Leid mit der Existenz eines allwissenden, allmächtigen und allgütigen Gottes vereinbar ist, muss man argumentieren:Alles in der Welt vorhandene Leid ist zur Erlangung höherwertiger Güter logisch notwendig.

Merke

Es reicht nicht zu zeigen, dass man prinzipiell Leid zur Erlangung höherwertiger Güter in Kauf nehmen muss.

Man muss vielmehr zeigen, dass jedes einzelne Leid zur Erlangung höherwertiger Güter notwendig ist.

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Leid um der Freiheit willen (free will defense)

Eine Welt, in der es Wesen mit freiem Willen gibt, ist besser als eine Welt, in der es solche Wesen nicht gibt.

Gott kann nicht verhindern, dass Wesen mit freiem Willen anderenLeid zufügen. (Wenn er das verhinderte, wären diese Wesen nicht mehr frei.)

Also

Gott kann nicht verhindern, dass in einer Welt mit freien Wesen Leid entsteht.

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Erstes ProblemDas erklärt bestenfalls einen Teil des Leides in der Welt.

Wichtige UnterscheidungMoralisches Übel

Leid, das Menschen wissentlich und willentlich verursachen.

Natürliches ÜbelLeid, das durch Krankheit, Naturkatastrophen und andere natürliche Ursachen entsteht.

Die Free Will-Defense erklärt bestenfalls die Existenz moralischer Übel.

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Zweites ProblemEs geht nicht nur darum zu erklären, dass diese Welt überhaupt Leid enthält;

sondern darum zu erklären, warum sie all das Leid enthält, das wir in der Welt tatsächlich vorfinden.

FrageIst es wirklich plausibel anzunehmen, dass es unter den vielen möglichen Welten, die Gott hätte erschaffen können, keine gibt, in der es zwar auch freie Wesen, aber weniger Leid gibt als in dieser Welt?

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Die logische Version

Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Drittes ProblemWarum greift Gott nicht wenigstens manchmal aktuell in der Lauf der Dinge ein, um wenigstens die übelsten Folgen freien mensch-lichen Handelns zu verhindern?

MerkeGott ist nicht an die Naturgesetze gebunden!

•73

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

FrageWenn wir die Welt unvoreingenommen so betrachten, wie sie ist, mit ihren schönen und mit ihren schrecklichen Seiten –

wie plausibel ist dann die Annahme, dass diese Welt von einem allwissenden, allmächtigen und allgütigen Gott geschaffen wurde?

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

„Wenn ein durchaus beschränkter Verstand […] die Versicherung besäße, daß [das Universum] die Schöpfung eines sehr guten, weisen und mächtigen, wenngleich endlichen Wesens sei, so würde er sich im voraus, aufgrund seiner Vermutungen, von diesem Universum ein anderes Bild machen, als wir es in der Erfahrung vorfinden.

Und er würde bloß von diesen Eigenschaften der Ursache aus, über die er Bescheid weiß, niemals auf die Idee kommen, daß die Wirkung so voller Laster, Elend und Unordnung sein könnte, wie es in diesem Leben den Anschein hat.“ (Hume, Dialoge, 107)

•75

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Humes Frage

Nehmen wir einmal an, dass ein sehr gutes, weises und mächtiges, wenngleich endliches Wesen – also ein Wesen, das viel weniger vollkommen ist als der christliche Gott – eine Welt erschafft. Wie wird diese Welt wohl aussehen?

Humes Antwort

Von einem solchen Wesen werden wir eine Welt erwarten, die deutlich besser ist als unsere. Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Wesen eine Welt wie die unsere „so voller Laster, Elend und Unordnung“ schafft, ist sehr gering, und die Wahrscheinlichkeit, dass ein wirklich vollkommenes Wesen eine solche Welt schafft, ist noch weit geringer.

•76

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Andererseitsist die Wahrscheinlichkeit, dass ein weit weniger vollkommenes Wesen, ein Wesen, das seinen Geschöpfen in ihrer Not entweder nicht helfen kann oder nicht helfen will, eine solche Welt schafft, sehr viel größer.

•77

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Hume vergleicht also zwei WahrscheinlichkeitenWie wahrscheinlich ist die Hypothese (H2), dass ein sehr gutes, weises und mächtiges, aber endliches Wesen eine Welt wie diese (W) erschafft?

Diese Wahrscheinlichkeit ist sehr gering!

Und wie wahrscheinlich ist die Hypothese (H1), dass ein weit weniger vollkommenes Wesen, ein Wesen, das seinen Geschöpfe in ihrer Not entweder nicht helfen kann oder nicht helfen will, eine Welt wie diese erschafft?

Diese Wahrscheinlichkeit ist deutlich größer. Also:

p(W/H1) >> p (W/H2)

•78

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Die Likelihood-RegelWir haben ein bestimmtes Symptom s und wollen wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand mit diesem Symptom die Krankheit K hat.

p(K/s)

Dann ist es sinnvoll, zuerst umgekehrt zu fragen, wie wahrschein-lich es ist, dass jemand, der die Krankheit K hat, das Symptom s ausbildet.

p(s/K)

Diesen Wert nennt man die Likelihood von s bzgl. K.

•79

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Die Likelihood-RegelEine einzelne Likelihood ist aber nicht sehr aussagekräftig. Interes-santer ist der Vergleich.

Jemand hat rote Flecken im Gesicht. Hat er eher Masern oder eherGrippe?

p(rote Flecken im Gesicht/Masern) = 0.95

p(rote Flecken im Gesicht/Grippe) = 0.05

⇒ Wenn jemand rote Flecken im Gesicht hat, ist es wahrschein-licher, dass er Masern als dass er eine normale Grippe hat.

Vorsicht: Natürlich kommt es auch darauf an, wie häufig Masern und Grippe überhaupt vorkommen!

•80

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Die Likelihood-RegelWenn zur Erklärung eines Datums E zwei rivalisierende Hypothesen H1 und H2 existieren, dann gilt:

Wenn p(E/H1) deutlich größer als p(E/H2), dann spricht E eher für H1 als für H2.

•81

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

Für Hume bedeutet dasDa die Wahrscheinlichkeit, dass ein eher schwaches Wesen eine Welt wie diese schafft, deutlich größer ist als die Wahrschein-lichkeit, dass eine sehr gutes, weises und mächtiges Wesen eine solche Welt schafft, spricht die Tatsache (E), dass die Welt so ist, wie sie ist, deutlich für die Hypothese

(H1) Diese Welt wurde von einem eher schwachen Wesen ge-schaffen, das nicht allmächtig, allwissend und allgütig ist

und gegen die Hypothese

(H2) Diese Welt wurde vom einem sehr guten, weisen und mächtigen Wesen geschaffen.

•82

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Das Problem des Das Problem des ÜÜbelsbels

KonsequenzWenn wir die Welt mit all dem Leid, das in ihr vorkommt, unvoreingenommen betrachten, dann bietet sie uns wenig oder gar keinen Grund für die Annahme, dass sie von einem allmächtigen, allwissenden und allgütigen Wesen geschaffen wurde.