vorlesung handelsrecht prof. dr. martina benecke

47

Upload: elvira-straub

Post on 06-Apr-2016

232 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke
Page 2: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Vorlesung Handelsrecht

Prof. Dr. Martina Benecke

Page 3: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Literatur:Gesetzestext HGB und• Grundkurs Handels- und GesellschaftsrechtKindler, Peter. - 7. Aufl. - München : Beck, 2014• Handelsrecht : [mit vielen Übersichten, Beispielen und Fällen]Jung, Peter. - 10. Aufl. - München : Beck, 2014• Handelsrecht : mit Grundzügen des Wertpapierrechts ; [mit Fällen und Aufbauschemata]Brox, Hans/Henssler, Martin - 21., neu bearb. Aufl. - München : Beck, 2011 (neu 2016)• Handelsrecht : mit UN-Kaufrecht [mit zusätzlichen Fällen und Lösungen auf CD]Bitter, Georg/Schumacher, Florian 2. Aufl. – Vahlen 2015• Grundzüge des HandelsrechtsKlunzinger, Eugen. - 14., überarb. Aufl. - München : Vahlen, 2011• Handelsrecht mit GesellschaftsrechtWörlen/Kokemoor, 12. Aufl. Vahlen 2015

Page 4: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsrecht in der Rechtspraxis:Ihr Freund Franz (F) hat sein BWJ-Studium nach dem 2. Semester abgebrochen, um sich seiner Leidenschaft zu widmen und einen Laden für rare Jazz- und Rock-CD’s zu betreiben. Tatsächlich beginnt der Laden nach einiger Zeit zu florieren, er macht erhebliche Umsätze und muss auch bald den Gerhard (G) als Angestellten beschäftigen, um selbst noch in seiner Jazz-Band spielen zu können. F ist mit sich und der Welt zufrieden. Er meint, er hätte in den ersten zwei Semestern genug über Kauf-, Dienstverträge und Stellvertretung gelernt und habe nun keine unangenehmen Überraschungen mehr zu erwarten. Hat er Recht? 1. F bestellt bei der X-GmbH ein neues Ladenregal. Da viel zu tun ist, bleiben die unausgepackten Kisten zunächst vier Wochen stehen. Beim Auspacken stellt F fest, dass das Regal wackelt und etliche Schrauben fehlen.Er verlangt von der X Nacherfüllung nach §§ 433, 434, 437 Nr. 1, 439 BGB. Rügeobliegenheit, § 377 I, II HGB. 2. Der G ist eines Morgens wegen des Genusses illegaler Rauschmittel am Vortag nicht ganz auf der Höhe. Er verkauft daher dem erfreuten Kunden K einige rare Stücke aus der Privatsammlung des F. F sucht K auf, teilt ihm mit, die Vertretungsmacht des G habe sich darauf nicht bezogen und verlangt nach § 812 I 1 1. Fall BGB die CD’s zurück. Scheinhandlungsvollmacht, § 56 HGB

Page 5: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Struktur und Bedeutung des HandelsrechtsSonderprivatrecht der Kaufleute: Handelsrecht knüpft subjektiv nicht an das Geschäft, sondern grundsätzlich (Ausnahmen!) an die Kaufmannseigenschaft an Kaufmannsbegriff in § 1 ff. HGB Bedeutung des Handelsrechts:a. Rechtsvereinheitlichungb. Besonderer Bedarf: Schnelligkeit – Vertrauensschutz Rechtsgrundlagenc. HGBd. Handelsrechtliche Nebengesetze, z. B. Wechsel-, ScheckGe. Gewohnheitsrecht: im Handelsrecht kaum, aber:f. Handelsbräuche (§ 346 HGB): große Bedeutung in der Praxisg. AGB, vgl. § 310 I 1 BGB

Page 6: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Kaufmannsbegriff - § 1 HGB1. Betrieb eines Handelsgewerbesa) Handelsgewerbe = offene, planmäßige, erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und selbständige Tätigkeit, die kein freier Beruf ist (s. auch §§ 1 II, 2 S. 1 HGB)• offen = tritt nach außen in Erscheinung• planmäßig = auf Dauer angelegt• erlaubt (streitig) = nicht verboten• auf Gewinnerzielung gerichtet – tatsächlicher Gewinn egal. Bei Privaten zu

vermuten, bei öff. Hand nicht• selbständig• kein freier Beruf (hist. Gründe)

Page 7: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Kaufmannsbegriff - § 1 HGB1. Betrieb eines Handelsgewerbesb) Betrieb = Gewerbe muss selbst betrieben werden, Geschäfte müssen für und gegen den Kaufmann wirken.• nicht Verwaltung fremden Vermögens• nicht entscheidend, auf wessen Rechnung gehandelt wird oder mit

wessen Mitteln gehandelt• unerheblich außerdem: Ausbildung, Geschäftsfähigkeit, Familienstand (in

den 50ern Einschränkungen für Ehefrauen!), Verfügungsbefugnis (bei Insolvenz), ör Gewerbeerlaubnis; Gewerbe (anders vor 1998!) • Bei Mischtätigkeit: Überwiegendes Gewerbe• Beginn: Aufnahme der Geschäftstätigkeit

Page 8: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Kaufmannsbegriff2. Istkaufmann und Kannkaufmanna. Istkaufmann: Gewerbe erfordert in kaufmännischer Weise eingerichteten

Betrieb, § 1 II HGB; Eintragung ins HReg nur deklaratorischb. Kannkaufmann• Kleingewerbetreibender, § 2 HGB• Land- und Forstwirt, § 3 HGB 3. Handelsgesellschaften als Kaufleutea. AG, GmbH: § 6 II HGB – Formkaufleuteb. OHG, KG: § 6 I HGB

Page 9: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Die BürgschaftDer Hochstapler Krull arbeitet in einem Grandhotel als Nachtportier. In seinem umfangreichen Bekanntenkreis behauptet er

indes, das Hotel gehöre ihm („und das ist nicht das einzige“). Eines Tages tritt sein Freund Frido sichtlich verlegen an ihn heran.

Er benötigt dringend einen Kredit, dem die Firma Shark GmbH ihm nur geben möchte, wenn er einen solventen Bürgen

beibringen kann. K begleitet F in die Geschäftsräume der Shark und erklärt dem Geschäftsführer gegenüber, er, der „Hotelier“ K

verbürge sich für den Kredit des F in Höhe von 10.000 €. Wie zu erwarten, wird K nach einiger Zeit aus der Bürgschaft in

Anspruch genommen. Mit Aussicht auf Erfolg?

 

§ 350 HGB: § 766 BGB gilt nicht, formlose Bürgschaft wirksam, wenn K Kaufmann ist.

 

Variante: K hat, um seinen künftigen Schwiegervater zu beeindrucken, im Handelsregister eine Eintragung als Betreiber eines

Hotels erwirken lassen.

Page 10: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

1. Fiktivkaufmann, § 5 HGBa) Sinn: Rechtsverkehrb) Fallgruppen:• Nichtkaufmann wird als Kaufmann angesehen• Beweiserleichterung bei Zweifeln• Gilt auch, wenn GBR statt OHG oder KGc) Voraussetzungen/Prüfungsschema• Eintrag im HReg• Gewerbe wird unter Firma betrieben (str., aber hM, da Gesetzeswortlaut Gewerbe voraussetzt• Partei beruft sich auf Eintragungd) Folgen: Eintragung wirkt für und gegen alle, also auch zugunsten des Eingetragenen. Allerdings nur im Privatrecht, nach hM auch nicht im Deliktsrecht

Page 11: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

2. Scheinkaufmanna) Quelle: Analogie zu §§ 171, 405, 409 BGBb) Voraussetzungen• jemand hat Rechtsschein gesetzt, Kfm. zu sein• zurechenbar, d. h. selbst oder durch andere verschuldet• Gutgläubigkeit des Dritten• Rechtsschein für dessen Handeln ursächlichc) Folgen: Rechtsschein wirkt nur zugunsten des Dritten und nur soweit er reicht

Page 12: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Recht des Handelsregisters1. Begriff • Öffentliches Verzeichnis (jedermann!)• Derjenigen Tatsachen, die für den Rechtsverkehr erheblich sind (eintragungsfähige und

eintragungspflichtige Tatsachen)

2. Eintragungsverfahren• Anmeldung in Form des § 12 I HGB• Ggf. Beugestrafen, § 14 HGB iVm § 132 ff. FGG• Ggf. Klage auf Eintragung der WE zur Eintragung• Im Verfahren Amtsermittlungsgrundsatz, § 12 FGG• Eintragung mit Veröffentlichung, §§ 10 f. HGB

Page 13: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Rechtliche Bedeutung des Handelsregisters: § 15 HGBÜbersicht:• § 15 II HGB: Handelsregister ist richtig• § 15 I HGB: HReg ist unrichtig, weil etwas fehlt – negative Publizität• § 15 III HGB: HReg ist unrichtig wegen falscher Bekanntmachung

Page 14: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

1. Negative Publizität, § 15 I HGBa) Voraussetzungen:• Eintragungspflichtige Tatsache (z. B. Prokura, § 53 HGB), d. h. nicht nur eintragungsfähige

Tatsache• Auch Veränderung!• Tatsache nicht eingetragen oder (!) nicht bekannt gemacht• Dritter nimmt gutgläubig eine Rechtshandlung vor, für die guter Glaube ursächlich ist. Nur beim

rechtsgeschäftlichen Handeln!

b) Folgen: • Wirkung nur zuungunsten des Eintragungspflichtigen• Und zugunsten des Dritten• Ggf. Wahlrecht zwischen eingetragener und wahrer Tatsache: „Rosinentheorie“

Page 15: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

2. Richtige Eintragung, § 15 II HGBa) Voraussetzungen:• auch eintragungsfähige Tatsachen• richtige Tatsache• eingetragen und bekanntgemacht• Dritter ist nicht bösgläubig (Beweislastumkehr!)• Schonfrist 15 Tageb) Folgen: • Wirkung zuungunsten des Dritten• Kann auch einem Rechtsschein widersprechen

Page 16: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

3. Falsche Bekanntmachung/Positive Publizität, § 15 Abs. 3 HGB„Der Bekanntmachung kann man trauen“a) Voraussetzungen• einzutragende Tatsache• nach hM auch eintragungsfähige Tatsache, wenn falsch bekanntgemacht• Tatsache unrichtig bekanntgemacht (Eintragung kann richtig sein!!!)• Guter Glaube, Ursächlichkeit (s.o.)b) Folgen• Dritter kann (Wahlrecht!) sich auf die falsch bekanntgemachte Tatsache• Gegenüber (zuungunsten) demjenigen berufen, in dessen Angelegenheiten sie

einzutragen war• Str.: muss Antragsgegner Eintrag (durch Antrag) veranlasst haben? HM ja.

Page 17: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Der PilzfreundDie Grundstücksmaklerin K kauft am 5. 3. formwirksam ein Grundstück von der Y-GmbH. Ihr Verhandlungspartner ist G, der ihr mitgeteilt hat, Geschäftsführer und damit gesetzlicher Vertreter der Y-GmbH zu sein. Als K am 16. 5. Auflassung (Übereignung) des Grundstücks verlangt, teilt ihr X, der amtierende Geschäftsführer der Y-GmbH mit, G sei aufgrund des Genusses berauschender Pilze bereits seit dem vergangenen Winter an einer schizoiden Psychose erkrankt und unerkennbar geschäftsunfähig. Seit dem 1. 3. sei er nicht mehr Geschäftsführer der GmbH. K erwidert, es sei erst am 6.4. in das Handelsregister eingetragen worden, dass G nicht mehr Geschäftsführer ist.Kann K Auflassung verlangen?Variante: Was ist, wenn K inzwischen in Geldnöten ist und ihr die Unwirksamkeit des Grundstücksgeschäfts ganz recht wäre?(Fall sehr frei nach BGHZ 115, 78, s. Kindler, Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 19)

Page 18: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Der Pilzfreund: zur LösungAnspruch auf Auflassung, § 433 II BGB, wenn Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist.1. Vertretungsmacht des G, § 35 I GmbHG – G nicht mehr Geschäftsführer2. Aber: Eintragungspflichtige Tatsache gemäß § 39 GmbHGnegative Publizität § 15 I HGB1. Variante: nach hM Rosinentheorie, d.h. der Dritte hat ein Wahlrecht

zwischen der sich aus dem Handelsregister ergebenden und der wahren Rechtslage

2. aber: Geschäftsunfähigkeit gemäß § 105 I BGBnicht eintragungspflichtig, § 15 I HGB gilt nicht

Page 19: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

 Der gekränkte Prokurist

P war seit 10 Jahren Prokurist des exklusiven Golf-Pro-Shops des Kaufmanns K, allerdings war die Prokura nie ins Handelsregister eingetragen worden. Nachdem P einen Golfkurs in den USA gemacht hat, hat sich sein Spiel so erheblich verbessert, dass er den K mehrmals besiegt. Das Verhältnis von beiden verschlechtert sich zusehends und endet damit, dass K dem P am 23. 3. die Prokura entzieht. Auch das wird nicht ins Handelsregister eingetragen. P ist schwer gekränkt und beschließt, sich zu rächen. Bei der Hausbank B des K, wo er persönlich bekannt ist, nimmt er mehrere kleine Kredite auf. K fällt aus allen Wolken, als B ihn im Juni auf Rückzahlung in Anspruch nimmt.

Page 20: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Der gekränkte ProkuristAnspruch der B gegen K aus § 488 I 2 BGB?Anspruch gegeben, wenn P den K wirksam vertreten hat.1. Prokura wirksam erteilt? • Eintragungspflichtig nach § 53 HGB,• aber § 15 I HGB: Wirkung nur zuungunsten des Eintragungspflichtigen2. Prokura wirksam widerrufen?• § 15 I HGB: Eintragungspflichtiger kann sich nicht auf Erlöschen der

Prokura berufen

Page 21: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Der gekränkte Prokurist - FortsetzungK, nun klug geworden, lässt am 30. Juni das Erlöschen der Prokura eintragen und bekanntmachen und macht sich auf die Suche nach P. Zuletzt hat man diesen am 22. Juli im Reisebüro des R gesehen, wo er namens des K ein Flugticket nach Argentinien löste. R verlangt bei dieser Gelegenheit von K Bezahlung nicht nur dieses Flugtickets, sondern auch etlicher kleinerer Reisen, die P seit dem Sommer unternommen hat. Er sagt, P sei ihm persönlich bekannt gewesen und habe schließlich auch früher die Reisen zu Golfturnieren bei ihm gebucht.

Anspruch R gegen K aus § 433 II BGB?1. Reisen vor dem 30. Juni: wie oben• Reise bis zum 15. Juli (Fristbeginn vgl. § 187 I BGB)• Schonfrist § 15 II 2 HGB2. Reise nach Argentinien?• Schonfrist abgelaufen• Anscheinsvollmacht? § 15 II HGB geht als lex specialis vor• Ausnahme: Aus Geschäftsbeziehung ergibt sich Pflicht, den Dritten auf Veränderungen hinzuweisen. Hier wohl

noch nicht

Page 22: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsfirmaa) Def. § 17 HGB• Name einer Person, also nicht Person selbst (nat. oder jur.)• Kaufmann selbst ist Träger des Namens, nicht sein Unternehmen• Nur Kaufleute, Einzel- oder Handelsgesellschaft• Nur im Handelsverkehr zu benutzenb) Abgrenzung: Geschäftsbezeichnungen (Pow Wow Cafe), Firmenabkürzungen (MAN), Marken (Jacobs Krönung)c) Firmenschutz:• Missbrauchsverfahren, § 37 I HGB• Unterlassungsanspruch, § 37 II HGB

Page 23: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Grundsätze des Firmenrechts1. Firmenwahrheit, § 18 HGB2. Firmenbeständigkeit auch bei Wechsel des Inhabers (vgl. §§ 21 ff

HGB); Gesellschaftsform darf nicht irreführend angegeben werden3. Firmenausschließlichkeit, § 30 HGB4. Firmeneinheit: Ein Kaufmann darf nur eine Firma führen5. Firmenöffentlichkeit: Eintragung im Handelsregister

Page 24: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

§§ 21ff. HGB• Fortführung bei Namensänderung, § 21 HGB

• Bloße Namensänderung des Geschäftsinhabers oder eines Gesellschafters ohne den Wechsel in der Person

• Fortführung bei Erwerb des Handelsgeschäfts, § 22 HGB• Wechsel in der Person des Unternehmensträgers

• Fortführung bei Änderungen im Gesellschafterbestand, § 24 HGB• Aufnahme als Gesellschafter in ein Handelsgeschäft• Eintritt als Gesellschafter in eine Handelsgesellschaft• Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Handelsgesellschaft

• § 23 HGB: „Die Firma kann nicht ohne das Handelsgeschäft, für welches sie geführt wird, veräußert werden.“

Page 25: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Unternehmenserwerb: a) Unternehmenskauf

• Kaufgegenstand ist das gesamte Unternehmen, die Verfügungsgeschäfte betreffen jeden Vermögensgegenstand einzeln (Spezialitätsprinzip)• Asset Deal

= Erwerb der Wirtschaftsgüter • Share Deal

= Erwerb der Anteile

Page 26: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Unternehmenserwerbb) Haftungsrechtliche Folgen

• § 25 I 1 HGB: Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung• Zweck: Schutz des Rechtsverkehrs BGH: „Kontinuität des Unternehmens tritt durch Firmenfortführung nach außen in Erscheinung“• Schuldenhaftung: Erwerber haftet für alle im Betrieb des Geschäfts

begründeten Verbindlichkeiten • Haftung mit gesamtem Vermögen• Kenntnis des Erwerbers unerheblich

• § 26 I 1 HGB: Früherer Inhaber bleibt daneben auch verpflichtet (zeitliche Begrenzung der Haftung)

Page 27: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

§ 25 HGB - Besonderheiten• Abweichende Vereinbarung möglich, § 25 II HGB

• Eintragung ins HReg und Bekanntmachung oder• Mitteilung an Dritten

• Ohne Firmenfortführung: Erfordernis eines besonderen Verpflichtungsgrundes, § 25 III HGB

• Forderungsübergang: § 25 I 2 HGB (Fiktion)

Vorrang der tatsächlichen Übertragung

Page 28: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Unternehmenserwerb – weitere Formena) § 27 HGB: Haftung des Erben bei Geschäftsfortführung

• Bürgerlich-rechtliche Erbenhaftung nach §§ 1967ff. BGB• Voraussetzungen:• Ein zum Nachlass gehörendes Handelsgeschäft• Erwerb durch Erbschaft (-) bei Ausschlagung der Erbschaft nach § 1953 I BGB• Fortführung des Handelsgeschäfts durch Erben• Fortführung unter der bisherigen Firma (Rechtsgrundverweisung in § 25 I 1 HGB)• Keine Einstellung der Fortführung (Frist: innerhalb von drei Monaten nach Anfall der Erbschaft), § 27 II 1

HGB• Kein Ausschluss nach § 25 II HGB

• Rechtsfolge:• Haftung des Erben wie des Erwerbers für Altverbindlichkeiten nach § 25 HGB

Page 29: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Unternehmenserwerb – weitere Formen

b) § 28 HGB: Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns

• Entstehung einer Gesellschaft• Keine Firmenfortführung erforderlich• Schuldenhaftung: Gesellschaft haftet für alle im Betrieb des Geschäfts

begründeten Verbindlichkeiten Gesetzlicher Schuldbeitritt • Daneben Gesellschafterhaftung nach OHG-/KG-Recht • Forderungsübergang: § 28 I 2 HGB• Abweichende Vereinbarung möglich, § 28 II HGB• Früherer Geschäftsinhaber wird Kommanditist, § 28 III 1 HGB

• Haftung nach § 26 HGB• Fristbeginn: Eintragung der Gesellschaft ins HReg

Page 30: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Down UnderA) Obwohl „der Laden brummt“ ist keiner der Töchter des Kaufmannes Viktor Vollmer (V) bereit, dessen eingeführtes Beerdigungsunternehmen zu übernehmen. V sucht daher nach einem Käufer und findet einen Interessenten in Gestalt des Diplomkaufmanns Klaus Krämer (K). K ist über das Geschäft in mehrfacher Hinsicht unsicher. Er ruft seinen Freund Franz an, einen erfolgreichen Diplomwirtschaftsjuristen, den er im Studium kennengelernt hat, und fragt ihn:

1. Soll er das Geschäft unter der Firma „Vollmer Bestattungen“ fortführen? Ihm schwebt mehr eine Bezeichnung wie „Center Down Under“ vor.

2. Wie soll der Kauf vertraglich geregelt werden? Muss ein gesonderter Vertrag über die Firma geschlossen werden?

3. V hat ihm laut Kaufvertrag einen bestimmten Mindestumsatz garantiert. Wonach richtet sich die Haftung, wenn aufgrund des Rauchverbots die Sterbezahlen zurückgehen und dieser sich nicht erreichen lässt?

Page 31: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Down Under - FortsetzungB) F überredet K zur Übernahme der Firma. Nun steht er plötzlich einer Forderung des Holzlieferanten L GmbH in Höhe von 80.000 € gegenüber, die bereits vier Monate vor dem Kauf entstanden war und von der V wohlweislich nichts gesagt hatte. V lebt inzwischen unter unbekannter Adresse in der Karibik. K wendet sich erneut an F:1. Muss K zahlen?2. Kann K sich an die Tochter Trude des V wenden, die in dessen Haus lebt?3. Kann K sich zumindest an den Schmitt wenden, der die aufwendige Beerdigung seines

Großvaters noch nicht bezahlt hat, auch wenn V noch diese durchgeführt und die Rechnung geschrieben hat?

C) K hat nun deutliche finanzielle Schwierigkeiten. Da erfährt er, dass sein reicher Onkel Egon ihm seinen Partyservice vermacht hat. Obwohl er beide Unternehmen für die optimale Ergänzung hält, will er aber nun wissen, ob ihm ähnlich unangenehme Überraschungen drohen.

Page 32: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsbüchera) Buchführungspflicht, §§ 238 ff. HGB nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, § 238 I 1; Einzelheiten § 239 HGBb) Pflicht zur Inventarerrichtung, §§ 240 f. HGBc) Jahresabschluss, §§ 242 ff. HGB• Umfasst Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung, § 242 III• Es gelten Grundsätze der Klarheit (§ 243 II), Wahrheit (§ 246 I) und Kontinuität (§ 252 I

HGB)d) Offenlegungspflichten für Kapitalgesellschaften, §§ 325 ff. HGBe) Bei Verletzung keine zivilrechtlichen Ansprüche (keine Schutzgesetze); allenfalls Straftaten über Insolvenzstraftatenf) Im Rechtsstreit besteht Vorlegungspflicht (§§ 420 ff. ZPO) und Einsichtsrecht (§§ 259 ff. ZPO)

Page 33: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Prokura: Bedeutung und ErteilungForm der rechtsgeschäftlichen Vertretungs-macht gemäß §§ 164 ff. BGB (vgl. §§ 35 GmbHG, 78 I AktG); Sonderregeln §§ 48-53 HGB

Erteilung, § 48 I HGB:• Erklärender muss Kaufmann oder gesetzlicher Vertreter einer

juristischen Person sein• Empfänger kann Prokurist sein, aber auch Außenprokura möglich• Prokura muss persönlich und ausdrücklich erteilt werden

Page 34: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Prokura:  Umfang, §§ 49, 50 HGBa) § 49 I HGB: grundsätzlich Geschäfte jeder Art, die zum Betrieb (irgendeines!) Handelsgewerbes gehören, Dritten gegenüber keine Beschränkung (Ausn. Missbrauch)b) Grenzen:• Immobiliarklausel, § 49 II HGB• Prinzipalgeschäfte, z. B. §§ 29, 31, 245 und 48 I HGB oder sog Grundlagengeschäfte• Geschäfte außerhalb des Geschäftsbetriebs des Kaufmannsc) Gesamtprokura, § 48 II HGB: Zusammenwirkung bei jedem Rechtsgeschäft. Gilt allerdings nicht für Entgegennahme von WE und Willensmängel• Unechte Gesamtprokura: Gemeinsam mit gesetzlichem Vertreter, z. B.

Geschäftsführer. Nicht mit Kaufmann selbst, da dieser der Vertretene ist!d) Filialprokura, § 50 III HGB; Gegenbegriff Generalprokura

Page 35: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Prokura: Erlöschena) Erlöschensgründe:• Widerruf, § 52 I HGB• Beendigung des Grundverhältnisses, z. B. Arbeitsvertrag (§ 168 S. 1

BGB)• Tod des Prokuristen • Verlust der Kaufmannseigenschaft des Geschäftsinhabersb) Folgen: Prokurist verliert Vertretungsmacht. Im HReg anzumelden, § 53 II HGB

Page 36: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Der fitte ProkuristKevin (K) betreibt als Einzelkaufmann ein Fitnessstudio. Da ihm seine vielfältigen Aufgaben über den Kopf wachsen, möchte er seinem langjährigen Mitarbeiter, dem vielfachem Bodybuildingmeister Paulchen (P) Prokura erteilen. Da er gewissen Zweifel hat, dass das Verantwortungsbewusstsein des P ebenso groß ist wie sein Bizeps, möchte er mit P vereinbaren, dass dieser Geschäfte mit einem Volumen über 5000 € nur mit ihm gemeinsam vornehmen kann. Ist das möglich? Welche anderen Möglichkeiten hat K zur Einschränkung der Prokura? Variante: P wird die Prokura ohne entsprechende Einschränkungen erteilt. Sie wird im Handelsregister eingetragen.

a) P kauft im Autohaus A namens des K einen Sportwagen für 50.000 €. Als A von K Bezahlung verlangt, sagt dieser, Autokäufe gehörten nicht zu den Aufgaben des P und er brauche allenfalls einen Transporter für seine Geräte. A hat sich nichts dabei gedacht: Ein Sportwagen für ein Fitnessstudio, das passt doch.

b) Wutentbrannt entzieht K dem P die Prokura. Bevor das in das Handelsregister eingetragen werden kann, verkauft P als Racheakt „ppa“ das K gehörende Firmengrundstück an den X, dann verschwindet er mit unbekanntem Ziel. X verlangt von K Auflassung des Grundstücks.

Page 37: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handlungsvollmacht:Abgrenzung zur Prokuraa. Handlungsvollmacht ist jede Vollmacht, die keine Prokura ist. Es

gelten §§ 164 ff. BGB und spezielle Vorschriften des HGB, §§ 54 ff. HGB

b. muss nicht persönlich und nicht ausdrücklich erteilt werden, § 54 I HGB

c. nicht ins HReg eintragbard. Gegenüber Dritten gilt § 54 III HGBe. Zeichnung i. V. statt ppa

Page 38: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handlungsvollmacht:Umfang, Grenzen und Erlöschena. Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht (z. B.

Personal), Spezialhandlungsvollmacht (best. Geschäft).Gesamthandlungsvollmacht möglich

b. Grenzen: kraft Gesetzes § 54 II HGB, rechtsgeschäftlich (aber § 54 III HGB)

c. Erlöschen nach allgemeinen Regeln des BGB, s. insb. § 168 BGB; Schutz Dritter nach §§ 170-173 BGB

Page 39: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handlungsvollmacht des Ladenangestellten§ 56 HGB: Scheinhandlungsvollmachta) Voraussetzungen:• Laden oder offenes Warenlager (muss dem Publikum offenstehen)• Angestellt: mit Wissen und Wollen des Ladeninhabers dort tätig (auch

Familienangehörige)• Geschäft gewöhnlich, also idR Verkäufe oder Empfangnahmen• Dritter gutgläubigb) Folge: Scheinhandlungsvollmacht;Grenzen des § 54 II HGB gelten de majore auch hier.

Page 40: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handlungsvollmacht und Außendienst§§ 55, 91 HGBa. Abschlussvollmacht, § 55 I HGB: Umfang und Grenzen aus der

Verweisung §§ 54 II, III HGB, § 55 II-IV HGBb. Vermittlungsvollmacht vgl. § 75 g HGB. Schließt

Vermittlungsbevollmächtigter Geschäft ab, handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht; es gelten die allgemeinen Regeln des BGB.

Page 41: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Der ideenreiche MusikantM studiert Musik. Er wohnt in der Nähe der Klavierhandlung H und ihm fällt auf, dass der noble Verkaufsraum oft stundenlang unbesetzt ist. Das bringt ihn auf eine Idee, seine Barschaft aufzubessern. Als er sieht, wie ein Kunde K den Laden betritt und sich suchend umschaut, betritt er diesen durch einen anderen Eingang und beginnt ein Verkaufsgespräch. K hat aufgrund der Sachkunde des M und seiner eleganten Kleidung keinen Zweifel daran, mit einem Verkäufer der H zu sprechen. Als M dem K noch einen Nachlass bei sofortiger Barzahlung verspricht, händigt dieser ihm 5000 € in bar für einen gebrauchten Flügel aus. Als K am nächsten Tag den Flügel abholen lassen möchte, klärt sich alles auf. Kann K Übergabe und Übereignung des Flügels von H verlangen? Variante: M ist ein Neffe des Ladeninhabers der H, der sich dort in den Ferien ein paar Euro mit Aushilfsarbeiten verdient. Obwohl ihm H eingeschärft hat, nicht mehr als allenfalls Notenhefte zu verkaufen, veräußert er an K den Flügel. Wirksam?

Page 42: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsvertreter:Begriff gem. § 84 I 1 HGB• Vermitteln von Geschäften: Einwirken auf einen Dritten, der sich zum Abschluss

entschließen soll (Vermittlungsvertreter)• Abschluss von Geschäften: Abgabe und Entgegennahme von WE im Namen des

Unternehmers (Abschlussvertreter)• Geschäfte: grundsätzlich jede Art. Müssen im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit

des Unternehmers vorkommen, aber keine Handelsgeschäfte sein• Unternehmer: jede natürliche oder juristische Person öffentlichen oder privaten

Rechts, muss nicht Kaufmann sein (auch HV selbst, vgl. § 84 III)• HV muss mit Vermitteln oder Abschluss ständig betraut sein

(Dauerschuldverhältnis)• HV ist unabhängig, d. h. selbständiger Gewerbetreibender

Page 43: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsvertreter:Abgrenzungen• Handlungsgehilfe: ist Arbeitnehmer• Kommissionär: handelt im eigenen Namen (allerdings in der Regel auf

fremde Rechnung)• Handelsmakler: vermittelt nur Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen• Kommissionsagent: ist im Gegensatz zum Kommissionär ständig für einen

Geschäftsherrn tätig, handelt aber ebenfalls im eigenen Namen• Vertragshändler: handelt im eigenen Namen und für eigene Rechnung• Franchisenehmer: handelt ebenfalls im eigenen Namen und für eigene

Rechnung; anders als Vertragshändler in Organisations- und Marketingkonzept des Franchisegebers gebunden

Page 44: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsvertreter:Arten• Einfirmenvertreter: wird nur für einen Unternehmer tätig• Bezirksvertreter (Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen)• Alleinvertreter: Unternehmer darf in seinem Bezirk selbst keine

Verträge schließen• Generalvertreter: steht in mehrstufiger Vertriebsorganisation

zwischen Unternehmer und UntervertreterBeachte Sonderregeln §§ 92 ff. HGB!

Page 45: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsvertreter: Rechte und Pflichten§§ 84 ff. HGB, ersatzweise §§ 675, 611 ff. BGBa) Pflichten gegenüber Unternehmer:• Bemühen um Geschäfte, § 86 I HGB• Berichterstattung, § 86 II HGB• Treuepflicht: ggf. Folgen von Weisungen, Verschwiegenheit, ordnungsgemäße Verwahrung.

Wettbewerbsverbot nur bei entsprechender Vereinbarung, vgl. § 90 a HGB

b) Rechte gegenüber Unternehmer• Provisionsanspruch: Abschluss-, Inkasso- (§ 87 IV HGB), Delkredere- (§ 86 b HGB), gesetzliche

(§ 354 HGB). Voraussetzungen der Provision: §§ 87 I 1, 87 a HGB; Höhe § 87 b HGB. Kein Aufwendungsersatz, § 87 d HGB, wenn nichts anderes vereinbart.

• Anspruch auf Unterstützung, § 87 a HGB• Zurückbehaltungsrecht: § 273 BGB, §§ 369, 88 a I HGB

Page 46: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsvertreter:Außenverhältnis zum Kunden• Es gelten allgemeine Regeln des Vertretungsrechts, also grundsätzlich

entscheidend, ob Abschluss- oder Vermittlungsvertreter• Beachte aber § 75h HGB!• Bei Täuschung: beachte § 123 II 1 BGB

Page 47: Vorlesung Handelsrecht Prof. Dr. Martina Benecke

Handelsvertretung: Beendigunga) Beendigungsgründe• ordentliche Kündigung, § 89 I 1 HGB• außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (entspricht § 626 BGB), § 89 a

HGB(Frist des § 626 Abs. 2 BGB gilt nicht, aber ggf. Verwirkung)• Zeitablauf, Aufhebungsvertrag, Tod des Vertreters, Insolvenz des Unternehmers (§

116 InsO)b) Ausgleichsanspruch, § 89 b HGB• Sinn: Ausgleich dafür, dass dem Unternehmen neue Kunden zugeführt wurden• Voraussetzungen § 89 b I HGB• Ausschluss des Anspruchs: § 89 b III HGB