versorgungsfokus rheuma (juni 2015)
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Versorgungsfokus
RHEUMA
2015mit einem Beitrag von Prof. Dr. Jürgen Braun, Ärztlicher Direktor, Rheumazentrum Ruhrgebiet
Versorgungsfokus
RHEUMAmit einem Beitrag von Prof. Dr. Jürgen Braun, Ärztlicher Direktor, Rheumazentrum Ruhrgebiet
4 Versorgungsfokus RHEUMA
Vorwort
BiosiMilARs Als CHAnCE füR diE THERApiE dER RHEUMAToidEn ARTHRiTis
Biosimilars werden schon seit 2007 bei der Patientenbehandlung
eingesetzt und besitzen mittlerweile in ihren Therapiefeldern
eine hohe Relevanz für die Versorgung. Die im Therapiealltag
gesammelten Erfahrungen haben gezeigt, dass Biosimilars bei
Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit absolut gleichwertig mit den
Referenzprodukten sind, aber zusätzlich relevante Preisvorteile
bieten.
Mitte Februar 2015 ist mit Infliximab der erste biosimilare mono-
klonale Antikörper in Deutschland auf den Markt gekommen. Im
Vergleich zu bisher verfügbaren Biosimilars ist Infliximab ein noch-
mals komplexeres Arzneimittel, weshalb die Entwicklungszeit zwi-
schen 6 bis 8 Jahren betrug. Infliximab-Biosimilars haben bereits
Ende 2013 die hohen Zulassungsanforderungen der Europäischen
Zulassungsbehörde (EMA) erfüllt und ihre Zulassung erhalten.
Mit dem Gütesiegel der EMA-Zulassung ist die Qualität, Sicherheit
und Wirksamkeit der Infliximab-Biosimilars nachgewiesen. Die
Biosimilars stehen für die Versorgung bereit.
Dabei ist es unbestreitbar, dass die Entscheidung über die Versor-
gung der Patienten mit Infliximab-Biosimilars ausschließlich beim
behandelnden Arzt liegt.
Infliximab ist das erste entzündungshemmende Biosimilar, das zur
Behandlung rheumatologischer Erkrankungen wie rheumatoider
Arthritis und Morbus Bechterew, Darmerkrankungen wie Morbus
Crohn und Colitis ulcerosa oder Hautkrankheiten wie Schuppen-
flechte (Psoriasis) eingesetzt wird.
5
Mit der Einführung von Infliximab-Biosimilars entstehen vor allem
neue Chancen für eine verbesserte Patientenversorgung. Nach
Analysen des IGES Instituts haben noch immer viele Patientinnen
und Patienten in Deutschland nur begrenzt Zugang zu modernen
biopharmazeutischen Arzneimitteltherapien. Ein Grund dafür sind
auch die hohen Kosten der Therapie mit patentgeschützten Bio-
pharmazeutika. Infliximab-Biosimilars können diese bestehende
Versorgungslücke füllen und mehr Patienten zu niedrigeren Kosten
versorgen. Denn Infliximab-Biosimilars bringen erstmalig Wett-
bewerb in diesen Wirkstoffmarkt.
Mit dem vorliegenden „Versorgungsfokus RHEuMA“ möchten wir
über einige grundlegende Aspekte der Biosimilars und deren Ein-
satz zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis informieren. Einen
Beitrag hierzu leistet der anerkannte Rheuma-Experte Professor
Jürgen Braun (Ärztlicher Direktor, Rheumazentrum Ruhrgebiet)
mit einem Artikel über die Rolle der Biosimilars in der Therapie
entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Ergänzt wird dies durch
eine Versorgungsanalyse des IGES Instituts sowie durch eine Reihe
von Informationen zu Biosimilars.
Versorgungsfokus RHEuMA
6 Versorgungsfokus RHEuMA
Was sind Biosimilars?
1Ein Biosimilar ist ein
Folgeprodukt eines ehe-
mals patentgeschützten
Biopharmazeutikums.
2Biosimilars müssen
für ihre Zulassung deut-
lich umfangrei chere
Nachweise er bringen
als Generika.
3 Ein zugelassenes
Biosimilararzneimittel ist
genauso wirksam und
sicher wie das
Referenzarzneimittel.
5 Die Zulassung durch
die EMA ist ein „Gütesie-
gel“, auf das sich Ärzte
und Patienten verlassen
können.
4 Das zentralisierte
Zulassungsverfahren bei der
EMA gewährleistet den hohen
Qualitäts- und Sicher -
heitsstandard der zuge-
lassenen Biosimilars.
7
Was sind Biosimilars?
7 Biosimilars gleichen
der Referenzarznei in
dem Maße, wie sich
unterschiedliche Chargen
der Referenzarznei un-
tereinander gleichen.
8 Von Biosimilars kön-
nen Patienten profitieren,
denen eine Therapie mit
dem Referenzpräparat vor-
enthalten wurde.
6 Ein Biosimilar ist
in der Anwendung, Dosie-
rung und Wirksamkeit abso-
lut vergleichbar zum
Originalwirkstoff.
10 Wo immer möglich, sollte
aus Kostengründen das
Biosimilar eingesetzt
werden.
9 Biosimilars sind eine
Möglichkeit, Wettbewerb zu
den teueren Biopharma-
zeutika zu generieren.
Versorgungsfokus RHEuMA
8 Versorgungsfokus RHEuMA
Prof. Dr. Jürgen Braun, Rheumazentrum Ruhrgebiet
diE RollE von BiosiMilARs in dER THERApiE EnTzündliCH-RHEUMATisCHER ERkRAnkUngEn
Biologika sind Arzneistoffe, die biotechnologisch hergestellt wer-
den. Das erste in einer rheumatologischen Indikation in Deutsch-
land zugelassene Biologikum war der TNF-Blocker Infliximab für
die Indikation rheumatoide Arthritis im Jahr 1999. Inzwischen
(Stand 1. 10. 2014) sind in Deutschland 10 Biologika für rheumatolo-
gische Indikationen zugelassen (Tabelle). Biosimilars sind ebenfalls
gentechnologisch hergestellte Arzneimittel, deren Gensequenz
und Proteinstruktur nahezu identisch, d.h. ähnlich (mit) der des
Referenzprodukts sind.
Biologikum Dosis Indikationen
Infliximab (Remicade®) 3-5 mg/kg alle 6-8 Wo-chen i.v. initial Aufsät-tigung
RA, AS, PsA, Psoriasis, M.Crohn, Colitis ulcerosa
Adalimumab (Humira®) 40 mg alle 2 Wochen s.c. RA, AS, PsA, nr-axSpA, Psoriasis, M.Crohn, Colitis ulcerosa
Golimumab (Simponi®) 50 mg alle 4 Wochen s.c. RA, AS, PsA, Colitis ulcerosa
Certolizumab (Cimzia®) 200 mg alle 2 Wochen s.c. initial Aufsättigung
RA, AS, nr-axSpA, PsA
Etanercept (Enbrel®) 50 mg 1x/Woche s.c. RA, AS, nr-axSpA, PsA, Psoriasis
Abatacept (Orencia®) 10 mg/kg alle 4 Wochen i.v. oder / Woche s.c.
RA
Rituximab (Mabthera®) 2 x 1g im Abstand von 2 Wochen i.v.; Wiederho-lung alle 6-18 Monate
RA, ANCA-assoziierte Vaskulitis
Tocilizumab (Ro-Actemra®)
4-8 mg/kg alle 4 Wochen i.v. oder s.c.
RA
ustekinumab (Stelara®) 45 – 90 mg alle 6-12 Wochen s.c.
PsA
Belimumab (Benlysta®) 10 mg/kg alle 4 Wochen i.v.
Lupus
RA rheumatoide
Arthritis
AS ankylosierende
Spondylitis
nr-axSpAnicht-röntgeno logische axiale Spondyloarthritis
PsAPsoriasisarthritis
Tabelle: In Deutschland
zugelassene Biologika für rheumatologische
Indikationen (ohne Anspruch auf
Vollständigkeit)
9
Die Einführung der Biologika hat die Möglichkeiten für die me-
dikamentöse Behandlung chronisch-entzündlich rheumatischer
Erkrankungen erheblich erweitert. In der Rheumatologie werden
Biologika heute vor allem eingesetzt, um Patienten, die nicht gut
genug auf konventionelle Basistherapeutika wie Methotrexat,
Leflunomid und andere angesprochen haben, wirksam antient-
zündlich zu behandeln – dies stellt heute einen wesentlichen Teil
der sogenannten ‚Treat-to-Target-Strategie’ dar, mit der das Ziel
verfolgt wird, das Voranschreiten der Erkrankung zu verhindern,
Folgeschäden zu vermeiden und die Inzidenz und Ausprägung von
Komorbiditäten, die durch die chronische Entzündung bedingt oder
getriggert sind, zu reduzieren. Als Teil eines solchen Gesamtkon-
zepts werden Biologika in der Therapie entzündlich-rheumatischer
Erkrankungen heute zunehmend und oft mit gutem Erfolg einge-
setzt. Die Therapie bedarf einer sorgfältigen Überwachung durch
den behandelnden Arzt.
Der Einsatz von Biologika ist bis heute mit hohen direkten Kosten
verbunden: Die beiden ausgabenintensivsten Medikamente im Jahr
2013 waren dem Arzneimittelreport 2014 (Springer-Verlag) zufolge
die TNF-Blocker Adalimumab und Etanercept mit etwas unter
1 Milliarde Euro Nettokosten – dies machte etwa 4 % der gesamten
Medikamentenausgaben aus – eine ziemlich beachtliche Summe.
In Deutschland wird innovativen Neueinführungen in der Regel ein
Patentschutz im Bereich von 20 Jahren gewährt. Für die ersten
in der Rheumatologie zugelassenen Biologika wie Infliximab und
demnächst auch Etanercept und Adalimumab läuft der Patent-
schutz daher in absehbarer Zeit aus. Dies gilt auch für Rituximab,
welches schon lange vor der Zulassung für die RA zur Behandlung
von Lymphomen zugelassen worden war. In einigen europäischen
Der Einsatz von Biologika ist bis heute mit hohen direkten Kosten verbunden.
Versorgungsfokus RHEuMA
10 Versorgungsfokus RHEUMA
Staaten sind die Patente bereits abgelaufen. So wird das kürzlich
von der European Medicines Agency (EMA) zugelassene Biosimilar
von Infliximab z.B. in Portugal und einigen nordischen Ländern
bereits in der Therapie eingesetzt. In Deutschland ist das Patent
von Infliximab im Frühjahr 2015 ausgelaufen.
Entsprechend haben inzwischen viele Firmen begonnen, Biosi-
milars zu entwickeln. Da in der Synthese dieser Proteine in den
Mutterzellen wie bei jedem Protein jedoch verschiedene post-
transkriptionelle – und damit unabhängig von der Gensequenz –
Modifikationen wie Glykosilierungen auftreten können und die
exakten Herstellungsmethoden des Erstanbieterpräparates nicht
publiziert werden, sind Biosimilars mit dem Erstanbieterpräparat
nicht exakt identisch, sondern biosimilar – daher auch die Bezeich-
nung „Biosimilar“.
Grundsätzlich sind bei post-transkriptionellen Modifikationen von
Proteinen veränderte antigene Eigenschaften des Proteins, die zur
Entwicklung von gegen das Protein gerichteten Antikörpern und
auch zu allergischen Reaktionen führen können, nicht vollkommen
auszuschließen. In diesem Zusammenhang ist aber auch klarzu-
stellen, dass ebenso der Herstellungsprozess der Originalpräpa-
rate eine zum Teil nicht unerhebliche Variabilität zwischen den
einzelnen Produktionschargen aufweist (batch to batch variability).
Darüber hinaus wurden von Herstellern für verschiedene früher
zugelassene Erstanbieterpräparate über die Jahre durch Änderung
der Produktionsprozesse Veränderungen an den ursprünglich
zugelassenen Wirkstoffen von bis zu 30 % vorgenommen (Schnei-
der CK. Biosimilars in rheumatology: the wind of change. Ann
Rheum Dis 2013 Mar; 72(3):315-8.) – und zwar ohne dass eine neue
Prüfung der Biologika erfolgte. Eine Übersicht über die in Europa
In Deutschland ist das Patent
von Infliximab im Frühjahr 2015
ausgelaufen.
11
zugelassenen Biosimilars und deren Referenzprodukte können
auf der Webseite des Verbands Pro Generika eingesehen werden
(www.progenerika.de, Stand Februar 2015).
Vor diesem Hintergrund hat die EMA strenge Vorgaben zur Zu-
lassung von Biosimilars formuliert: In Artikel 10 Absatz 4 einer
geänderten Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Rats, die
Ende 2005 in Kraft trat (weitere Ergänzungen in CHMP/437/04;
CHMP/49348/05; EMEA/CHMP/BMWP/42832/05; EMEA/CHMP/
BMWP/14327/2006; EMEA/CHMP/BMWP/101695/2006; EMA/
CHMP/BMWP/403543/ 2010; EMA/CHMP/BMWP/86289/2010),
wird fest gelegt, dass ein Nachweis über Qualität, Wirksamkeit und
Sicherheit sowie Verträglichkeit der Präparate in präklinischen
untersuchungen sowie in Phase-I-Studien zu erfolgen hat.
Darüber hinaus müssen die pharmazeutische Darreichungsform,
die Wirkstärke und der Darreichungsweg identisch zum Original-
präparat sein. In der Regel folgt dann eine „head-to-head“-verglei-
chende Phase-III-Studie, in der das Biosimilar mit dem Erstanbie-
terpräparat in einer zugelassenen Indikation verglichen wird. Bei
vergleichbarer Effizienz und Sicherheit (conditio sine qua non) kann
dann unter zuvor festgelegten Kriterien die Zulassung auch für an-
dere Indikationen erfolgen (Extrapolation). Dies beruht dann aber
nicht ‚nur‘ auf zwei Studien – wie im Fall von CT-P13 –, sondern
auf dem gesammelten Datensatz zum exakten Wirkmechanismus
sowie präklinischen In-vitro-Studien inklusive Toxikologie und Im-
munogenität. Da bei der EMA die Bearbeiter der Zulassung von
Biosimilars und neuer Biopharmazeutika identisch sind, liegt hier
ein gewaltiger Schatz an Informationen vor, die auch bei so wich-
tigen Entscheidungen wie der Extrapolation berücksichtigt werden.
Extrapolation ist letztlich nur möglich, wenn für ein Biosimilar
Extrapolation ist letztlich nur möglich, wenn für ein Biosimilar bereits eine zur Referenzarznei vergleichbare Sicherheit und Wirksamkeit in einer sehr sen-sitiven Indikation nachgewiesen wurde.
Versorgungsfokus RHEuMA
12 Versorgungsfokus RHEUMA
bereits eine zur Referenzarznei vergleichbare Sicherheit und Wirk-
samkeit in einer sehr sensitiven Indikation nachgewiesen wurde.
Die derzeit verfügbaren analytischen Techniken können die drei-
bzw. vierdimensionalen Strukturen von komplexen Proteinen wie
die der Originalprodukte bzw. der Biosimilars nicht genau genug
untersuchen, um alle biologischen potentiell klinisch relevanten
Eigenschaften, die die Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimit-
tels letztlich ausmachen, sicher vorhersagen zu können. Daher
sind, wenn auch in begrenztem umfang, klinische Studien grund-
sätzlich erforderlich. Aus Sicht der Arzneimittelkommission der
Deutschen Ärzteschaft sind daher „… aufgrund der behördlichen
Anforderungen bei der Zulassung die für notwendig gehaltenen
Nachweise für die Wirksamkeit und unbedenklichkeit (der Biosimi-
lars/Erstanbieterpräparate) vorhanden“, so „dass biosimilare Arz-
neimittel zu Beginn einer Behandlung ebenso eingesetzt werden
können wie die Referenzprodukte“. Letztlich muss die Entschei-
dung über einen Austausch immer beim behandelnden Arzt liegen.
Grundsätzlich sind für die Zulassung von Medikamenten in ab-
steigender Reihenfolge Sicherheit, Verträglichkeit und Effizienz
entscheidend. Daher müssen alle Biopharmazeutika inkl. der
Biosimilars nach der Marktzulassung ein langfristig angelegtes
Sicherheitsprogramm durchlaufen, um eventuelle gravierende
unterschiede zum Erstanbieterpräparat auch in Form nicht
erwarteter immunologischer Nebenwirkungen wie z. B. Allergien
und Anaphylaxien oder eine vermehrte Bildung von Anti-Drug-
Antikörpern feststellen zu können. So war es in der Vergangenheit
im Fall eines Erythropoetin-alpha-Biosimilars durch den Wechsel
des Lösungsvermittlers zu einer Allergisierung gegen Erythropoe-
tin gekommen. Das führte zur Entwicklung von Antikörpern gegen
Biosimilar-Arz-neimittel können
zu Beginn einer Behandlung
ebenso einge-setzt werden wie die Referenzpro-dukte. Letztlich
muss die Ent-scheidung über
einen Austausch immer beim
behandelnden Arzt liegen.
13
körpereigenes Erythropoetin und damit zu einer Anämie (pure red
cell anaemia). Die Zulassungsstandards für Biosimilars/Biologicals
müssen daher sehr hoch sein und bleiben. Auf der anderen Seite
heißt das nicht, dass das Erstanbieterpräparat immer weniger
Nebenwirkungen verursacht als das Biosimilar – im Gegenteil kann
es angesichts des komplexen und partiell variablen Herstellungs-
prozesses auch durchaus einmal umgekehrt sein. Daher gilt es
sicherzustellen, dass Wirkung und Nebenwirkung tatsächlich dem
Erstanbieterprodukt bzw. dem Biosimilar direkt und exakt zugeord-
net werden können.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) hat sich
kürzlich der Meinung der Arzneimittelkommission der Deutschen
Ärzteschaft angeschlossen und die Einführung und Verwendung
von Biosimilars gerade angesichts der enormen Kosten, die mit
bio logisch hergestellten Arzneimitteln verbunden sind, ausdrück-
lich unterstützt (Lorenz HM et al. Z Rheumatol 2014). Allerdings
hat die DGRh hierbei auch für zwingend notwendig erklärt, dass
auch seltene und unerwartete Nebenwirkungen aller biophar-
mazeutischen Arzneimittel (Biologika & Biosimilars) registriert
und dokumentiert werden. Das bedeutet, dass bei Auftreten von
unerwünschten Arzneimittelwirkungen diese dem Produkt, also
dem Erstanbieterprodukt oder dem Biosimilar, wirklich genau
zugeordnet werden können. Das ist essentiell, um rechtzeitig
Schutzmaßnahmen einleiten zu können. Gemäß Artikel 102e der
Richtlinie 2001/83/EG (inkl. Zusatzbestimmung 2010/84/Eu) des
Europäischen Parlaments wird dies auch entsprechend gefordert.
Nach aktuellem Stand ist dafür die Angabe der Chargenbezeich-
nung und die Nennung des Handelsnamens des Arzneimittels
erforderlich, da unterschiedliche biologische Wirkstoffe mit iden-
tischen Wirkstoffnamen ein unterschiedliches Nebenwirkungsprofil
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14 Versorgungsfokus RHEUMA
haben können, wie bereits erläutert. Dieser Vorgabe wurde bei der
umsetzung in deutsches Recht lediglich als Auflagenbefugnis der
Bundesoberbehörde im Sinne einer „Kann-Bestimmung“ gefolgt,
so dass bei ungenügender Dokumentation die Rückverfolgung
und Identifikation des biologischen Arzneimittels nicht wirklich
möglich ist. Eine grundsätzlich erforderliche Meldung einer mög-
lichen Nebenwirkung in Kombination mit dem Handelsnamen des
Präparates könnte dieses Problem lösen. Die für die ‚International
Nonproprietary Names (INN)‘ zuständige Expertengruppe der WHO
schlägt vor, die Identifikation hinsichtlich eines alphabetischen
Codes sogenannter Biological Qualifiers (BQ) zu optimieren, mit
der jedes Biosimilar identifiziert werden kann. Die EMA sieht
allerdings im Gegensatz dazu keine Notwendigkeit einen solchen
BQ in der Eu einzuführen, weil in der Eu (und in Deutschland)
eindeutige Vorgaben für die Produktbezeichnung von Biosimilars
existieren, durch die eine klare Zuordnung der Produkte möglich ist
(Ref.14). Bei der ärztlichen Verordnung ist somit zu beachten, dass
der Arzneimittelname und die Chargennummer des verordneten
Biosimilars/Biologikums nachvollziehbar dokumentiert werden.
Grundsätzlich sollten die gemeldeten möglichen Nebenwirkungen
in zentralen Registern exakt erfasst und dem Erstanbieterpräparat
bzw. dem Biosimilar genau zugeordnet werden können.
In diesem Zusammenhang sollte auch betont werden, dass vom
Apotheker nicht ohne Anordnung des Arztes vom Erstanbieterprä-
parat auf ein Biosimilar oder umgekehrt umgestellt werden kann
(interchangeability). Ein unkontrollierter und beliebiger Wechsel
zwischen Erstanbieterprodukt und Biosimilar ist zu vermeiden, um
die Immunogenität möglichst gering zu halten. Dieser Aspekt spielt
bei einer Neueinstellung von Patienten auf Biosimilars allerdings
keine Rolle. In den wenigen Studien, die bislang das Auftreten von
Bei der ärzt-lichen Verord-
nung ist somit zu beachten, dass der Arzneimit-
telname und die Chargennummer des verordneten
Biosimilars /Biologikums
nachvollziehbar dokumentiert
werden.
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Immunogenität durch einen Wechsel vom Original zum Biosimilar
untersucht haben, konnte kurzfristig keine Änderung der Immuno-
genität festgestellt werden. Auch hier muss die Entscheidung, mit
welchem Arzneimittel der Patient therapiert wird, grundsätzlich
beim behandelnden Arzt liegen.
Insgesamt kann man die Einführung von Biosimilars aus therapeu-
tischer Sicht nur begrüßen, da dies auf wirtschaftliche Preise und
Therapievielfalt hoffen lässt, was letztlich dazu führen wird, dass
mehr Patienten mit den sehr wirksamen biologisch hergestellten
Medikamenten behandelt werden können.
Insgesamt kann man die Einführung von Biosimilars aus therapeutischer Sicht nur begrü-ßen.
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16 Versorgungsfokus RHEUMA
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http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Annex_to_CHMP_high-
lights/2014/10/WC500175252.pdf
Versorgungsfokus RHEuMA
18 Versorgungsfokus RHEUMA
Deutschland
weltweit
Rheuma:Adalimumab
EtanerceptInfliximab
Onkologie:Bevacizumab,
Rituximab,Trastuzumab
Multiple Sklerose:Beta-1A Interferone,
Glatiramer
umsatz pro Jahr
16,90 Mrd. Euro
12,50 Mrd. Euro
7,3 Mrd. Euro
1,270 Mrd. Euro
0,640 Mrd. Euro
0,837 Mrd. Euro
Bis zum Jahr 2018 laufen viele Biopharmazeutika aus dem Patent – Eine Chance für die Patienten- versorgung mit Biosimilars
Quelle: Pro Generika, IMS® Krankenhausindex (DKM®), umsatz in Euro zu bewerteten
Klinikpreisen; IMS PharmaScope® National, umsatz in Euro (HAP); (Basis: 2013)
19Versorgungsfokus RHEuMA
in der Eu zuge-
lassen
3rd phase
1st/2nd phase
preclinical phase
Infliximab Celltrion
Infliximab Hospira Infliximab Epirus
Adalimumab Sandoz
Adalimumab Epirus
Adalimumab Pfizer
Adalimumab Harvest Moon
Adalimumab BioXpress
Adalimumab Amgen
Adalimumab Biocon/Mylan
Adalimumab AET/Bioexpress
Etanercept Sandoz
Etanercept Hanwha Chemical
Etanercept Biocon
Etanercept Avesthagen
Etanercept Mycenax Biotech
Etanercept Harvest Moon Etanercept BioXpress
Rituximab for RA Sandoz
Rituximab for RA Biocade
Rituximab for RA Mabion
Rituximab for RA Celltrion
Rituximab for RA Merck
Rituximab for RA Teva
Rituximab for RA Pfizer
Rituximab for RA Boehringer Ingelheim
Etanercept Biocon/Mylan
Etanercept Protalix Biotherapeutics
Etanercept Coherus bioscience
Adalimumab Fujifilm Kyowa Kirin Biologics
Rituximab for RA Coherus bioscience
Rituximab for RA Amgen
Rituximab for RA Samsung
Adalimumab Boehringer Ingelheim
Adalimumab Biocon
Infliximab BioXpress
Infliximab LG Life Science
Infliximab Harvest Moon
Etanercept LG Life Science
Die Rheuma-Pipeline der Biosimilarhersteller ist gut gefüllt
Quelle: Recherche Pro Generika für die Wirkstoffe: Adalimumab, Etanercept, Infliximab,
Rituximab for RA; Stand Juni 2014, Projekte können mittlerweile eingestellt sein oder
andere Studienphasen erreicht haben
Viele Rheumapatienten haben heute keinen Zugang zu hochwirksamen Biopharmazeutika – Biosimilars sind ein Baustein, um die Versorgung zu verbessern
Quelle: Analyse IGES Institut, Februar 2015 im Auftrag von Pro Generika, „Behandlungsbedarf
der Rheumatoiden Arthritis mit Biologika in der GKV“
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %
VERSORGuNGSGRAD (MAX) 61 %
VERSORGuNGSGRAD (MIN) 45 % VERSORGuNGSLÜCKE
VERSORGuNGSLÜCKE
Behandelbare Patienten mit Biologika (MAX) / Biologika-Bedarf
Behandelbare Patienten mit Biologika (MIN) / Biologika-Bedarf
Versorgungslücke
20 Versorgungsfokus RHEuMA
Ausgehend von der insgesamt verordneten Wirkstoffmenge beschreibt der Versorgungsgrad das
Verhältnis zwischen der Zahl der Rheumapatienten, die mit den verordneten Biopharmazeutika
hätten behandelt werden können („behandelbare Patienten“), und der Zahl der Rheumapatienten,
für die ein Bedarf an Biopharmazeutika besteht. Der berechneten Zahl der behandelbaren Patienten
liegt dabei die Annahme einer üblichen Erhaltungsdosis bei kontinuierlicher Therapie zugrunde.
21Versorgungsfokus RHEuMA
NACH MARKTEINRTITT BIOSIMILARS
+
50 Patienten
Biosimilars bieten den Vorteil, dass aufgrund sinkender Behandlungskosten mehr Patienten zu gleichen Kosten behandelt werden können
Quelle: Pro Generika, eigene Darstellung und Berechnung
VOR MARKTEINRTITT BIOSIMILARS
40 Patienten
Zusammenfassung der von der EMA zugelassenen Biosimilars
Stand: Februar 2015
alle Angaben ohne Gewähr
Handelsname/Hersteller
INN Referenz-produkt
Datum der Zulassung
Vom Hersteller in Deutschland im Verkehr
Omnitrope®/Sandoz Somatropin Genotropin® 12. 04. 2006
Binocrit®/Sandoz
Epoetin alfa Hexal®/Hexal
Abseamed®/Medice
Epoetin alfa Eprex® 28. 08. 2007
Retacrit®/Hospira
Silapo®/STADA
Epoetin zeta Eprex® 18. 12. 2007
Biograstim®/ CT Arznei mittel
Ratio grastim®/ ratiopharm
Tevagrastim®/ Teva Generics
Filgrastim Neupogen® 15. 09. 2008
–
Zarzio®/Sandoz
Filgrastim Hexal®/ Hexal
Filgrastim Neupogen® 06. 02. 2009 –
Nivestim®/Hospira Filgrastim Neupogen® 08. 06. 2010
Grastofil®/STADA / cell pharm
Filgrastim Neupogen® 18. 10. 2013
Accofil®/Accord Healthcare
Filgrastim Neupogen® 18. 09. 2014 –
Inflectra®/Hospira
Remsima®/Mundipharma
Infliximab Remicade® 10. 09. 2013
Ovaleap®/Teva Follitropin alfa GONAL-f® 27. 09. 2013 –
Bemfola®/Finox Follitropin alfa GONAL-f® 27. 03. 2014
ABASRIA® Lilly/ Boehringer Ingelheim
Insulin Glargin Lantus® 09. 09. 2014 –
22 Versorgungsfokus RHEuMA
23Versorgungsfokus RHEuMA
Quelle: 1 Prof. Dr. Theo Dingermann in „Biosimilars – Ein Handbuch“, Pro Generika, S. 49
2 Zitate aus Blood 2014, 124: 3191 – 3196, American Society of Hematology
Extrapolation von Indikationen – ein bewährtes Konzept
Ist das Referenzprodukt für mehr als eine Indikation zugelassen, müssen im strengen Sinne die Wirksamkeit und Sicherheit des Biosimilars für jede ein-zelne Indikation über entsprechende Tests und Studien nachgewiesen wer-den. Unter bestimmten Bedingungen, basierend auf einer Fall-zu-Fall-Bewertung, erlaubt die EMA jedoch eine Extrapolierung einer Indikation.1
! Die Extrapolation kommt bereits seit vielen Jahren bei Änderungen im
Herstellungsprozess von Referenz-Biologika zur Anwendung, bei denen
oftmals mehr als nur kleinere Änderungen festgestellt wurden.2
! Die Abwägung von Nutzen und Risiken eines Arzneimittels zum Zeitpunkt
der Zulassung beinhaltet immer eine gewisse unsicherheit, die für Bio-
similars sehr viel geringer ist als für innovative Produkte.2
! Biosimilars sind seit etlichen Jahren auf dem europäischen Markt und
haben bei allen zugelassenen Indikationen, einschließlich der extrapo-
lierten Indikationen, das erwartete Verhalten gezeigt.2
24 Versorgungsfokus RHEUMA
Glossar
ANCA
Anti Neutrophile Cytoplasmatic Antibodies, Anti Neutrophile Zyto-
plasmatische Antikörper
AS
ankylosierende Spondylitis
Biopharmazeutika
sind Arzneimittel, die in gentechnisch veränderten Organismen
hergestellt werden.
Zu den Biopharmazeutika zählen u. a. folgende Wirkstoffgruppen:
TNF-Hemmer, Insuline, Interferone, Impfstoffe, Enzyme, Wachs-
tumshormone und Immunstimulantien.
Biosimilars
sind Arzneimittel, die von den Zulassungsbehörden wegen ihrer
Ähnlichkeit in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit
einem biologischen Referenzarzneimittel, mit dem sie verglichen
worden sind, zugelassen werden.
DDD
defined daily dose, definierte Tagestherapiedosis
EMA
European Medicines Agency, Europäische Arzneimittelagentur
Erhaltungsdosis
Die Erhaltungsdosis ist die minimale Menge eines Arzneimittels,
die regelmäßig eingenommen werden muss, um den erwünschten
Therapieeffekt zu erzielen.
25Versorgungsfokus RHEUMA
Extrapolation
Für jede Indikation, für die das Referenzprodukt zugelassen ist,
müssen eigentlich Wirksamkeit und Sicherheit des Biosimilars
über entsprechende Tests und Studien nachgewiesen werden.
unter bestimmten Bedingungen, basierend auf einer Fall-zu-Fall-
Bewertung, erlaubt die EMA jedoch eine Extrapolierung einer
Indikation.
Zum Beispiel:
- wenn bereits in einer sehr sensitiven Indikation Sicherheit und
Wirksamkeit nachgewiesen wurde
- den unterschiedlichen Indikationen der gleiche Wirkmechanis-
mus des Wirkstoffs zugrunde liegt
- wenn es keine wissenschaftlichen Einwände gibt
HAP
Herstellerabgabepreis
INN
International Nonproprietory Name, Internationaler Freiname
Nr-axSpa
nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis
PsA
Psoriasisarthritis
RA
rheumatioide Arthritis
Die AG Pro Biosimilars ist eine Arbeitsgemeinschaft von Pro Generika.
Die Arbeitsgemeinschaft wird unterstützt von unternehmen, die in
Deutschland Biosimilars herstellen, zulassen und verbreiten.
unterstützer sind:
Inhaltliche KonzeptionArbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars | www.probiosimilars.de
HerausgeberPro Generika e.V. | unter den Linden 32–34 | 10117 Berlin
Tel. +49(0)30 - 81 61 60 9-0 | [email protected] | www.progenerika.de
Gestaltungwww.tack-design.de
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