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Georgismus als Leitbild für die nachhaltige Nutzung globaler Gemeingüter? Prof. Dr. Ottmar Edenhofer 1. November 2017

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Georgismus als Leitbild für die nachhaltige Nutzung globaler Gemeingüter?

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer1. November 2017

Henry George (1839-1897) – 120. Todestag• Bodenrenten drücken die Reallöhne

trotz steigender Arbeitsproduktivität• Besteuerung der Landrenten zur

Überwindung der Armut• Single Tax Bewegung• Bereitstellung öffentlicher Güter

(HG Theorem)• Renten sollen zur Finanzierung

öffentlicher Aufgaben verwendet werden• Debatte zu einem neuen Eigentumsbegriff: Verbindung

von Freiheit und Gerechtigkeit• In einer Gesellschaft der Freien soll es kein

„unverdientes“ Einkommen geben.1. November 2017 2

Henry George und Papst Leo XIIIEnzyklika Rerum Novarum(RN) 1891• Wendet sich gegen den

Eigentumsbegriff von George

• Besteuerung von Landrenten wird als Enteignung und damit als Angriff auf das legitime Privateigentum verstanden.

1. November 2017 3

Quelle: Schratz, Sabine, Das Gift des Alten Europa und die Arbeiter der Neuen Welt. Zum amerikanischen Hintergrund der Enzyklika Rerum Novarum (1891). Paderborn, München, Wien, Zürck 2011.

„McGlynn heriocally staving off two popes“ - Cartoon 1886

Henry George und Papst Leo XIIIZwei Gründea) Die katholische Kirche war selbst Besitzer großer Ländereien

und lebt(e) direkt oder indirekt von der Grundrenteb) Eigentum, Familie und Staat werden nach der Französischen

Revolution als „heilige“ Rechte verstanden. Die Vorstellung eines ungerechten Bodeneigentums wird zurückgewiesen (RN, 7 und 8).

1. November 2017 4

Henry George und die Päpste des 20. und 21. Jahrhunderts• Die Atmosphäre wird als Gemeinschaftseigentum der

Menschheit verstanden (Laudato Si‘ 23)• Die universale Bestimmung der Erdengüter begrenzt das

Privateigentum: das Recht auf Privateigentum wird dem gemeinsamen Recht auf Nutznießung untergeordnet. (Laborem Exercens 14)

• Die Besteuerung von Renteneinkommen wird nicht explizit diskutiert, aber über das Konzept des Gemeinschaftseigentums und der universellen Bestimmung der Erdengüter legitimiert.

1. November 2017 5

61. November 2017

Kernthesen

1. Die Verteilung der Landrenten bestimmt über den Wohlstand im 21. Jahrhundert

2. Landrenten prägen wirtschaftliche Ungleichheiten

3. Landrenten sind eng mit Klimaschutz und dem Schutz der Artenvielfalt (Länder) verknüpft

Landbesteuerung kann als wichtiges Instrument der Nachhaltigen Entwicklungsagenda (SDGs) verstandenwerden

1. November 2017 7

Inhalt1. Was sind Landrenten – und was bestimmt ihre Höhe?

2. Landrenten, Wachstum und Wohlstand

3. Landrenten und Verteilung; Wohnungsfrage

4. Landrenten, Klimaschutz und Waldschutz

5. Bodensteuern – International und in Deutschland

6. Klimarente und globale Nachhaltigkeit1. November 2017 8

Land ist (wieder) im Rampenlicht• Zwei Megatrends des 21. Jahrhunderts:

1. Urbanisierung Städtischer Boden

2. Klimawandel & Bioökonomie Landwirtschaftlicher Boden

91. November 2017

Städte als Wohlstandsmotor

Weltweit entfallen 80% der globalen Wertschöpfung auf Städte 5% durch Tokio, New York, Los Angeles, Paris und London

DeutschlandWertschöpfung in urbanen Gebieten 50% höher als in ländlichen Gebieten

Attraktivität trotz erhöhter Luftverschmutzung, Kriminalität und Lebenshaltungskosten Lebensgefühl, Wahlmöglichkeiten und soziale Interaktion

101. November 2017

Bodenpreise (Index, 1990=100)

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Anstieg der Bodenpreise wird zum Wachstumshemmnis in Industrieländern

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80% des Anstiegs der Wohnkosten getragen vom Anstieg der Bodenpreise

1. November 2017

Entwicklung der Mieten und Bodenrenten in Deutschland

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Bodenpreise (Index) Mieten (Index) Zinssatz

Prei

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: 201

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Zinssatz [%]

Daten: OECD.stat

1. November 2017 12

Stadtplanung ist zur Weltpolitik geworden

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• Paper in PNAS: Nutzungskonflikt zwischen Urbanisierung und Agrarflächen

• Verstädterung verschlingt 300.000 km² fruchtbarsten Ackerlands

Bren d‘Amour et al. (2016)1. November 2017

Klimawandel & Bioökonomie Druck auf landwirtschaftlichen Boden nimmt zuNegative Emissionen werden relevant für „below 2°C“

14Minx et al. 20171. November 2017

1. Was sind Landrenten – und was bestimmt ihre Höhe?

2. Landrenten, Wachstum und Wohlstand

3. Landrenten und Verteilung; Wohnungsfrage

4. Landrenten, Klimaschutz und Waldschutz

5. Bodensteuern – International und in Deutschland

6. Klimarente und globale Nachhaltigkeit1. November 2017 15

Die Besonderheit von Bodensteuern

“Der jährliche Ertrag von Land und Arbeit sowie der reale Wohlstand und das Einkommen der großen Zahl der Menschen würde nach so einer Steuer genauso hoch sein wie davor.”

Adam Smith - Wealth of Nations (1776), Book V, Chap. 2, Art.1

1. November 2017 16

Die volkswirtschaftlichen Kosten von SteuernEinkommensteuern verringern i.A. die Wirtschaftskraft

Ausnahmen:• Verwendung der Einnahmen für wachstumsfördernde Investitionen• Pigou-Steuern (Internalisierung negativer externer Effekte)• Steuern auf fixe Produktionsfaktoren (Land)

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1 EUR Steuer-einnahme

1 EUR direkterEinkommensverlust

(Steuerzahler)

0.96 EUR VerlustWirtschaftsleistung

(Produktion)

Schätzung für Deutschland nach Barrios et al. 2013/EU Commission

1. November 2017 18

Bodensteuern und Portfolio-EffektMartin Feldstein (1977): Portfolio-Effekt• Bodensteuern führen zu einer Umschichtung des

Vermögens hin zu physischem Kapital (Aktien)• Langfristige Wachstumseffekte (da mehr investiert wird,

die Landmenge aber gleich bleibt)

Numerische Größenordnung signifikant (Franks et al. 2016)• Wachstums- und Verteilungswirkungen von Kapital-,

Erbschafts- und Bodensteuern

1. November 2017 19

Bodenrenten bremsen das Wachstum

KapitalsteuernBodensteuernErbschaftssteuern

Franks et al. (2016)

1. November 2017 20

1. Was sind Landrenten – und was bestimmt ihre Höhe?

2. Landrenten, Wachstum und Wohlstand

3. Landrenten und Verteilung – die Wohnungsfrage

4. Landrenten, Klimaschutz und Waldschutz

5. Bodensteuern – International und in Deutschland

6. Klimarente und globale Nachhaltigkeit1. November 2017 21

1. November 2017 22

Heinrich Zille “Der späte Schlafbursche”, 1902.

Henry George – Fortschritt und Armut„[D]ie Hauptursache der Ungleichheit ist das natürliche Monopol, das durch den Bodenbesitz verliehen wird. […] Ist Ungleichheit einmal vorhanden, so neigt sich der Bodenbesitz der Konzentration zu und die Entwickelung geht vor sich. [...] Die ungleiche Verteilung von Macht und Gütern, die durch Ergänzung der menschlichen Gesellschaft geschaffen wird, hemmt die Kraft, durch die der Fortschritt geschaffen wird, die Gesellschaft vorschreitet, und hebt sie schließlich auf“

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Immobilienvermögen wächstüberproportional mit dem Einkommen

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Einkommen vs. Immobilienvermögen

Hauptwohnsitz

Sonstige Immobilien

Haushaltseinkommen [EUR/Monat, netto]

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Daten von Bundesbank / PHF 2014

Steigende Mieten sind regressiv

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Anteil Wohnen [% der Konsumausgaben]

Monatliches Netto-Einkommen pro Haushalt (Euro)

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1. Was sind Landrenten – und was bestimmt ihre Höhe?

2. Landrenten, Wachstum und Wohlstand

3. Landrenten und Verteilung; Wohnungsfrage

4. Landrenten, Klimaschutz und Waldschutz

5. Bodensteuern – International und in Deutschland

6. Klimarente und globale Nachhaltigkeit1. November 2017 26

Bodensteuern – Landnutzung

1. November 2017 27

von Thünen & neoklassische Wachstumstheorie• Urwald besteht überwiegend dort, wo die Bodenrente null ist• Bodensteuern (unit taxes) reduzieren die Landkonversion in

Agrarland• Darüber hinaus: Wachstumseffekte durch Strukturwandel

Kalkuhl & Edenhofer (2017) Int Tax Pub Finance

Grundsteuer vs. Bodensteuer• Grundsteuer = Steuer auf

Boden + Gebäude• Hohe Gebäude (mit vielen

Wohnungen) werdendadurch teurer

• Grundsteuer fördertZersiedelung (Flächen- und Energieverbrauch

• Empirische Untersuchungenin den USA: Umwandlung in Bodensteuer erhöht Dichte

1. November 2017 28

Quelle: Planet Geography http://www.willfox.com/images/skylines/losangeles/1.jpg

1. Was sind Landrenten – und was bestimmt ihre Höhe?

2. Landrenten, Wachstum und Wohlstand

3. Landrenten und Verteilung; Wohnungsfrage

4. Landrenten, Klimaschutz und Waldschutz

5. Bodensteuern – International und in Deutschland

6. Klimarente und globale Nachhaltigkeit1. November 2017 29

Landrenten in Weltregionen

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High income:nonOECD

High income:OECD

Upper middleincome

Lower middleincome

Low income

% GDP Urban land rents Agricultural land rents

Source: Own illustration based on data from World Bank.

1. November 2017 30

Bodensteuern – Relevanz für Entwicklungsländer• Entwicklungsländer leiden unter geringen Steuereinnahmen (10-20%

vom BIP)• Unterangebot öffentlicher Dienstleistungen• Geringes Wachstum

• Einkommensteuern schwer realisierbar wegen eines hohen Anteilsdes informellen Sektors an der gesamten Wertschöpfung

• Bodensteuern sind dagegen schwer zu umgehen• Bodensteuern können zusammen mit einer Reform der Landrechte

(Landtitel) zusätzlichen Nutzen schaffen• Nachhaltigere Landnutzung durch sichere Eigentumsrechte• Nutzung von Land als Sicherheit für Kredite (Investitionen)

• Selbst moderate Steuersätze können erhebliche Einnahmen bewirken

1. November 2017 31

Aktuelle Reform der GrundsteuerBundesrat: Gesetzesinitiative (2016) hat als Bemessungsgrundlage: Bodenwert + Gebäudewert• Besteuerung des Gebäudewertes verschärft

Wohnungsproblematik langfristig• Hoher Verwaltungsaufwand für Gebäudewertermittlung

(IW: Erstbewertung 1,9 Mrd €, laufende Kosten 220 Mio €; Bundesrat: 6 Jahre für vollständige Bewertung)

Wissenschaftlicher Beirat des Finanzministeriums befürwortet dennoch verbundene Grundsteuer• Steuer auf Gebäudewert wirkt wie eine Kopfpauschale• Dies würde Zuzug und Überfüllung verringern

321. November 2017

Alternative: Reine Bodensteuer• geringer bürokratischer Aufwand, da

basierend auf Bodenrichtwerten• verringert Bodenspekulation

• aktuell ca. 7% der Flächen ungenutzt• schafft Anreize zu verdichtetem Bauen und

wirkt der Zersiedelung entgegen• schöpft zusätzlichen Bodenwert ab, die der

Staat selbst durch Investitionen schafft

Laufendes Gesetzesvorhaben: Ländern & Kommunen die Möglichkeit geben, nur die Bodenrente zu besteuernLangfristig: ökologisch-soziale

Steuerreform

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Bodenrichtwerte für Berlin

1. November 2017

Naturrenten als Quelle öffentlicher FinanzenJährliche Rente[Mrd. EUR]

Anteil BIP

Vergleich Aufkommen Lohnsteuer

Vergleich Einnahmen Kommunen

Vergleich öffentl. Investitionen

Immobilienrenten 181,9 7,9% 153% 120% 419%

davon reine Bodenrente 85,2 3,7% 72% 56% 196%

Landwirtschaftl. Bodenrenten 8,4 0,4% 7% 6% 19%

Bodenschätze 1,4 0,1% 1% 1% 3%

CO2-Preis (40 €/tCO2) 34,1 1,2% 29% 23% 79%

GESAMT -Naturrenten 129,1 5,3% 108% 85% 297%

1. November 2017 34

Kalkuhl, Edenhofer, Hagedorn (2017)

Bodenrente und Bodensteuern – Narrative

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Milton Friedman (1912-2006)Henry George (1839-1897)

John Locke (1632-1704)Karl Marx (1818-1883)

Papst Paul VI (1965)

Bodensteuern und die SDGs

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Bodensteuern

Fiskalpolitischer Spielraum für Investitionen in Wohnungsbau

und (lokale) Gemeinschaftsgüter

Effiziente Landnutzung und Schutz der Wälder (Artenvielfalt

und Kohlenstoff)

Reduzierung von Vermögenskonzentration und

Ungleichheit

Stärkung von Realinvestitionen (Wirtschaftswachstum,

Arbeitsplätze)

1. Was sind Landrenten – und was bestimmt ihre Höhe?

2. Landrenten, Wachstum und Wohlstand

3. Landrenten und Verteilung; Wohnungsfrage

4. Landrenten, Klimaschutz und Waldschutz

5. Bodensteuern – International und in Deutschland

6. Klimarente und globale Nachhaltigkeit1. November 2017 37

Durch die Knappheit der Atmosphäre werden fossile Rohstoffe im Boden überflüssig…

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Source: Bauer et al. (2014); Jakob, Hilaire (2015)

Rohstoffe, die im Boden verbleiben müssen

Bis 2100 Mit CCS [%] Ohne CCS [%]

Kohle 70 89

Öl 35 63

Gas 32 64

1. November 2017

Knappe Deponie Atmosphäre, fossile Ressourcen und Reserven

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Weiterführende Publikationen

• Edenhofer, O. und M. Kalkuhl (2016). Von der Landnahme zur Aneignung Globaler Gemeinschaftsgüter. In: Emunds, B. und I. Merkle. Umweltgerechtigkeit. Von den sozialen Herausforderungen der großen ökologischen Transformation. Metropolis-Verlag, Marburg.

• Kalkuhl, M., O. Edenhofer und J. Hagedorn (2017). Steigende Bodenrenten, Vermögensungleichheiten und politische Handlungsmöglichkeiten.

• Kalkuhl, M., B. Fernandez Milan, G. Schwerhoff, M. Jakob, M. Hahnen, F. Creutzig, Jetske Bouma and Stefan van der Esch (2017). Land Taxes as Fiscal Instruments to Promote Sustainable Development. Report. MCC Berlin.

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