vda 6.3 – neue regeln fÜr prozessaudits im … · audit nach dem alten vda 6.3 bei allen...

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Im Juni 2010 wurde der etablierte Stan- dard VDA 6.3 erweitert und überarbeitet als 2. Auflage neu herausgegeben (QZ 9/2010, S. 29–31). Seither beob- achtet das VDA QMC den Umgang mit den erweiterten und neuen Regeln, die auch auf Kritik stoßen. Der Grund: Durch die neue Abstufungsregel wird ein bis- lang mit „B“ eingestufter Produktions- prozess nach neuer Regelung möglicher- weise mit „C“ eingestuft. Grundsätzlich ist das Prozessaudit zur systematischen, reproduzierbaren Auf- nahme, Analyse und Verbesserung der Prozesse die am weitesten verbreitete Me- thode in der Produktion der automobilen Lieferkette. Sowohl die überaus starke Nachfrage nach dem VDA-Band 6.3 selbst als auch nach den vom VDA QMC ange- botenen Anwenderschulungen weisen auf die besondere Bedeutung der Prozessop- timierung in der Produktion der automo- bilen Lieferkette hin. So belegen auch täg- liche Anfragen zu inhaltlichen und Um- setzungs-Themen, dass in der Automobil- branche an der Effizienz der Prozesse kontinuierlich gearbeitet wird. Um der Bedeutung des Regelwerks ge- recht zu werden, wurde auf der VDA- QMC-Homepage eine Seite mit SIs (Sanc- tioned Interpretations) und FAQs (Fre- quently Asked Questions) eingerichtet. So sind Informationen zu Auslegungen und häufig gestellten Fragen für die Anwender direkt von Experten aus dem Qualitäts Management Center (QMC) des VDA zeitnah abrufbar. Etablierte Auslegungen werden dann bei der jeweils nächsten Auf- lage des Bands eingearbeitet. Feedback der Anwender zur 2. Auflage des VDA 6.3 Als durchweg positiv wird von den An- wendern die Erweiterung des Regelwer- kes um die Elemente Projektmanagement und Potenzialanalyse gesehen. Auch die Präzisierung der Anforderungen findet hier ein positives Echo. Es gibt aber auch Kritikpunkte, die nicht verschwiegen wer- den sollen. So beklagen die Anwender, dass keine für die firmenspezifische Um- setzung erleichternden Textdateien zur Verfügung gestellt werden (der Band kann nur als Paperback oder PDF-Datei erstan- den werden). Die Integration der Anfor- derungstexte in firmenspezifische Check- listen bedeutet also in vielen Fällen Fleiß- arbeit. Auch würde die Einarbeitung der Neu- erungen bzw. Änderungen in firmenspe- zifische Auswerte- bzw. Dokumentations- tools dies erleichtern. Vielfach wird ange- fragt, warum der Band nicht auch das Auswertetool enthält.Alle Teilnehmer der VDA 6.3-Schulungen erhalten mit den Se- minarunterlagen auch das Excel-Tool zur Auswertung und Dokumentation der Prozessauditergebnisse. Sie werden in den Seminaren im Umgang mit diesem Tool trainiert. C-Einstufung bereits bei Gesamt- erfüllungsgrad unter 80 Prozent Häufiger Kritikpunkt ist die Verschärfung der Bewertung bzw. die höher gelegte Messlatte zur Erreichung einer B-Einstu- fung. So war es nach Band 6.3, 1. Auflage 1998 möglich, bereits mit einem Gesamt- erfüllungsgrad von 60 Prozent eine B-Einstufung zu bekommen. Nach dem heutigen Regelwerk werden hierfür min- destens 80 Prozent Gesamterfüllungsgrad gefordert. Hierzu ein Beispiel: Firma XY erhielt bei einem Prozess- audit nach dem alten VDA 6.3 bei allen zutreffenden Anforderungen jeweils Ein- zelbewertungen von 6 Punkten (von 10 möglichen). Das Gesamtergebnis war also noch ein knappes „B“. Werden alle Anforderungen mit 6 Punkten bewertet, so heißt das, dass alle Anforderungen nur teilweise erfüllt sind oder größere Abweichungen bei den au- ditierten Prozessen vorliegen. Aus diesem Grund war der für die Erstellung des VDA-Bands 6.3 verantwortliche Arbeits- kreis der Meinung, dass die Verschärfung der Bewertung schon längst überfällig war. Die QS-Leiter der im Qualitätsma- nagement-Ausschuss vertretenen Unter- nehmen stimmten der Veröffentlichung des Bands in der vom Arbeitskreis emp- fohlenen Form zu. Ein weiterer Kritik- punkt sind die sogenannten Hürden- bzw. Abstufungsregeln. NORMEN 34 VDA 6.3 – NEUE REGELN FÜR PROZESSAUDITS IM PRAXISTEST Kritik und Vernunft © Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 56 (2011) 10

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Im Juni 2010 wurde der etablierte Stan-

dard VDA 6.3 erweitert und überarbeitet

als 2. Auflage neu herausgegeben

(QZ 9/2010, S. 29–31). Seither beob-

achtet das VDA QMC den Umgang mit

den erweiterten und neuen Regeln, die

auch auf Kritik stoßen. Der Grund: Durch

die neue Abstufungsregel wird ein bis-

lang mit „B“ eingestufter Produktions-

prozess nach neuer Regelung möglicher-

weise mit „C“ eingestuft.

Grundsätzlich ist das Prozessaudit zursystematischen, reproduzierbaren Auf-nahme, Analyse und Verbesserung derProzesse die am weitesten verbreitete Me-thode in der Produktion der automobilenLieferkette. Sowohl die überaus starkeNachfrage nach dem VDA-Band 6.3 selbstals auch nach den vom VDA QMC ange-botenen Anwenderschulungen weisen aufdie besondere Bedeutung der Prozessop-timierung in der Produktion der automo-bilen Lieferkette hin. So belegen auch täg-liche Anfragen zu inhaltlichen und Um-setzungs-Themen, dass in der Automobil-branche an der Effizienz der Prozessekontinuierlich gearbeitet wird.

Um der Bedeutung des Regelwerks ge-recht zu werden, wurde auf der VDA-QMC-Homepage eine Seite mit SIs (Sanc-tioned Interpretations) und FAQs (Fre-quently Asked Questions) eingerichtet. Sosind Informationen zu Auslegungen undhäufig gestellten Fragen für die Anwenderdirekt von Experten aus dem QualitätsManagement Center (QMC) des VDAzeitnah abrufbar. Etablierte Auslegungenwerden dann bei der jeweils nächsten Auf-lage des Bands eingearbeitet.

Feedback der Anwender zur

2. Auflage des VDA 6.3

Als durchweg positiv wird von den An-wendern die Erweiterung des Regelwer-kes um die Elemente Projektmanagementund Potenzialanalyse gesehen. Auch diePräzisierung der Anforderungen findethier ein positives Echo. Es gibt aber auchKritikpunkte, die nicht verschwiegen wer-den sollen. So beklagen die Anwender,dass keine für die firmenspezifische Um-setzung erleichternden Textdateien zurVerfügung gestellt werden (der Band kannnur als Paperback oder PDF-Datei erstan-

den werden). Die Integration der Anfor-derungstexte in firmenspezifische Check-listen bedeutet also in vielen Fällen Fleiß-arbeit.

Auch würde die Einarbeitung der Neu-erungen bzw. Änderungen in firmenspe-zifische Auswerte- bzw. Dokumentations-tools dies erleichtern.Vielfach wird ange-fragt, warum der Band nicht auch dasAuswertetool enthält.Alle Teilnehmer derVDA 6.3-Schulungen erhalten mit den Se-minarunterlagen auch das Excel-Tool zurAuswertung und Dokumentation derProzessauditergebnisse. Sie werden in denSeminaren im Umgang mit diesem Tooltrainiert.

C-Einstufung bereits bei Gesamt-

erfüllungsgrad unter 80 Prozent

Häufiger Kritikpunkt ist die Verschärfungder Bewertung bzw. die höher gelegteMesslatte zur Erreichung einer B-Einstu-fung. So war es nach Band 6.3, 1. Auflage1998 möglich, bereits mit einem Gesamt-erfüllungsgrad von 60 Prozent eine B-Einstufung zu bekommen. Nach demheutigen Regelwerk werden hierfür min-destens 80 Prozent Gesamterfüllungsgradgefordert. Hierzu ein Beispiel:

Firma XY erhielt bei einem Prozess-audit nach dem alten VDA 6.3 bei allenzutreffenden Anforderungen jeweils Ein-zelbewertungen von 6 Punkten (von 10 möglichen). Das Gesamtergebnis waralso noch ein knappes „B“.

Werden alle Anforderungen mit 6Punkten bewertet, so heißt das, dass alleAnforderungen nur teilweise erfüllt sindoder größere Abweichungen bei den au-ditierten Prozessen vorliegen. Aus diesemGrund war der für die Erstellung desVDA-Bands 6.3 verantwortliche Arbeits-kreis der Meinung, dass die Verschärfungder Bewertung schon längst überfälligwar. Die QS-Leiter der im Qualitätsma-nagement-Ausschuss vertretenen Unter-nehmen stimmten der Veröffentlichungdes Bands in der vom Arbeitskreis emp-fohlenen Form zu. Ein weiterer Kritik-punkt sind die sogenannten Hürden- bzw.Abstufungsregeln.

N O R M E N

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VDA 6.3 – NEUE REGELN FÜR PROZESSAUDITS IM PRAXISTEST

Kritik und Vernunft

© Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 56 (2011) 10

034-035 QZ110437_VDA_korr 21.09.2011 18:25 Uhr Seite 34

Neue Abstufungsregel fokussiert

auf Prozessschwächen

Diese bewirken, dass im Fall einer schwer-wiegenden Abweichung bei kritischenAnforderungen (Sternchen-Fragen) einansonsten mit über 90 Prozent Gesamter-füllungsgrad bewerteter Lieferant von „A“nach „B“ herabgestuft wird. Im Extrem-fall (eine kritische Anforderung bzw.Sternchen-Frage ist nicht erfüllt) wird hiersogar direkt von „A“ nach „C“ abgestuft.Dazu ein Beispiel aus dem aktuellen VDA-Band 6.3:

P 6.2.3 (Sternchen-Frage): Könnenmit den Fertigungseinrichtungen dieproduktspezifischen Anforderungen fürden Kunden erreicht werden?

Wenn diese wichtige Frage mit 0 Punk-ten bewertet wurde, war nach alter Rege-lung noch eine Gesamteinstufung mit „A“möglich, da die Bewertungen aller Fragenstatistisch gemittelt wurden und eine Ab-stufung grundsätzlich möglich war. Die-se Entscheidung war aber dem Auditorüberlassen.

Auch bei dem aktuellen, überarbeite-ten Regelwerk werden die Bewertungenstatistisch gemittelt, aber hier ist die Abstufungsregel keine Kann-Regel undführt im Fallbeispiel zu einer C-Einstu-fung. Die Kritik an der nicht mehr mög-lichen Kompensierung durch gute Bewertungen ist an dieser Stelle ober-flächlich, denn bei schwerwiegenden Ab-weichungen gibt es dringenden Hand-lungsbedarf, der sich jetzt durch die Ab-

stufungsregel immer auch im Gesamter-gebnis widerspiegelt. Die Abstufung istim Auditbericht zu dokumentieren undführt auch durch die höhere Aufmerk-samkeit des Managements in der Regelzu einer raschen Behebung der Mängel.Die Priorisierung bei der Maßnahmen-planung zur Abarbeitung der Schwer-punktmängel ist als Vorgehensweise ef-fizient.

Auch Auditoren müssen sich

weiterentwickeln

Auch bei den Qualifikationsanforderun-gen für Auditoren wurde die Messlatte mitdem überarbeiteten Regelwerk höher ge-legt. Um diese Anforderungen zu unter-stützen, wurde vom VDA QMC ein hier-für zugeschnittenes Trainingsprogrammentwickelt, das als offene Schulung oderauch als Inhouse-Training angebotenwird. Diese Trainings werden in vielenLändern durch nationale und internatio-nale Netzwerke des VDA QMC von pra-xiserfahrenen Trainern angeboten und ge-nutzt.

Auffällig ist die steigende Nachfragenach VDA 6.3-Anwendertrainings vonbranchenfremden Unternehmen. Diesedarf durchaus als Anerkennung und Ak-zeptanz des Regelwerks gewertet werden.Die direkte Anwendung des Tools durchdie OEMs hat sich mit der überarbeitetenVersion deutlich erhöht und wird weiteransteigen. Die großen deutschen Herstel-ler und Lieferanten bemühen sich, die ge-

samte Lieferkette zu motivieren, mit demProzessaudit nach VDA 6.3 die Verbesse-rungsprozesse zu managen. So soll dieQualität der Prozesse und damit die Pro-duktqualität weiter steigen. �

Wolfgang Riering, Berlin

N O R M E N

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HinweisAuf dem Web-Portal des VDA QMC wurde

eine Seite mit Sanctioned Interpretations

(SIs) und Frequently Asked Questions

(FAQs) eingerichtet. So können Auditoren

über Auslegungen und häufig gestellte

Fragen direkt von den VDA-Experten infor-

miert werden. Etablierte Auslegungen wer-

den bei der nächsten Auflage des VDA-

Bands 6.3 eingearbeitet.

www.vda-qmc.de/headernavi/

faqs-und-sis/

AutorDipl.-Ing. Wolfgang Riering, geb. 1952,

ist Fachreferent im VDA QMC und Berater

für Qualitätsmanagement Automotive. Un-

ter anderem ist er Trainer und Prüfer für

den Standard VDA 6.3.

KontaktWolfgang Riering

T 030 897842-243

[email protected]

www.qm-infocenter.deDiesen Beitrag finden Sie online unter der Dokumentennummer: QZ110437

034-035 QZ110437_VDA_korr 21.09.2011 18:25 Uhr Seite 35