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Supplement zum trend Nr. 116 - Sonderbeilage Dokumentation Wirtschaftstag 18.06.2008

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Page 1: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008
Page 2: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

im Internet – Aktuelles, Archiv, Daten, Kontakte: www.wirtschaftsrat.de

Fre ihe i t Staatswirtschaft hat ein für allemal ausgedientKurt J. Lauk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Kurs und Wer te 60 erfolgreiche Jahre Soziale MarktwirtschaftAngela Merkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Europa Globalisierung und die Zukunft der EUJosé Manuel Durao Barroso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Innovat ion Konzepte für eine umweltgerechte MobilitätShai Agassi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Staats fonds Retter des internationalen Finanzsystems?Klaus-Peter Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Welthande l Sind wir im globalen Wettbewerb noch gefragt?Carl Bildt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Podium I Weltwirtschaft am Scheideweg – offene Märkte versus ProtektionismusEckhard Cordes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Achim Berg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Bernd Pfaffenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

DiskussionJørgen Elmeskov. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33Hermann-Josef Lamberti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34Fred B. Irwin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Podium I I Deutschland und sein Mittelstand: Leistungsträger und InnovationsmotorVolker Kauder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Michael Mertin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

DiskussionHermann Niehues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Andreas Lapp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42Michael Fuchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Bert Rürup. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Podium I I I Abhängigkeiten und Herausforderungen einer Energiestrategie: national und europäischHans-Peter Villis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46Jochen Homann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

DiskussionReinier Zwitserloot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Dr. Burckhard Bergmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Dr. Matthias Ruete. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55Dr. Uwe Franke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Internat iona ler Abend Mit ICT: Always best ConnectedReinhard Clemens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Die US-Präsidentschaftswahlen 2008 – Folgen für die USA und EuropaRichard Burt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Nelson Cunningham . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Page 3: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

1Dokumentation Wirtschaftstag

Kurs und Wer teAngela Merkel:

„Die Soziale Marktwirtschaft muss immer wieder eineGrundfrage beantworten: Wie gelingt es, zunächst

Wohlstand zu erwirtschaften, bevor über das Verteilengeredet wird? Unsere Wirtschaftsverfassung ist eineOrdnung der Freiheit. Sie speist sich aus der Grund -

überzeugung, dass der Mensch in der Lage ist, an seineGrenzen zu gehen, seine Fähigkeiten auszuschöpfen unddaraus etwas zu schaffen. Das ist nach dem Verständnisder Sozialen Marktwirtschaft die Grundlage für soziale

Gerechtigkeit. Wenn wir uns heute unsere Situationvergegenwärtigen, dann müssen wir auch feststellen,

dass nicht immer alles so gelaufen ist, wie Ludwig Erhard sich das vorgestellt hat.“

Seite 6

Fre ihe i tKurt J. Lauk:„Eine gute Stimmung in derWirtschaft könnte für dieUnion ein zusätzlichesStimm potenzial von drei bissechs Prozentpunkten mo-bilisieren. Dann könnte esfür Schwarz-Gelb reichen.“

Seite 2

EuropaJosé Manuel Durao Barroso:„Wir brauchen mehr klei-nere und mittelständischeUn ternehmen (KMU) –denn sie sind es, die mehrArbeitsplätze schaffen unddas Wachstum in Europastimulieren.“

Seite 11

Innovat ionShai Agassi:„Die Autoindustrie musssich jetzt an die veränder-ten Bedingungen anpas-sen. 2010 können Elektro-autos auf den Straßen sein.Das ist das Projekt unsererGeneration.“

Seite 14

S taats fondsKlaus-Peter Müller:„Die Codizes der Staats-fonds und Offenheit derEmpfängerländer müssenvon hoher Qualität seinund politische Regulierun-gen von Staatsfonds weit-gehend erübrigen.“

Seite 17

Wel thande lCarl Bildt:„Wir müssen zeigen, dasswir durch Zusammenarbeiteine bessere Zukunft ge -stalten. Das Modell Eu ro -pas wird in der Welt zuneh-mend attraktiver empfun-den.“

Seite 22

Kommunikat ionReinhard Clemens:„Wir werden ganz neuetechnische Lösungen fürunsere Gesellschaft undWirtschaft zur Verfügungstellen, damit Deutschlandwettbewerbsfähig und in-novativ bleibt.“

Seite 58

US-Republ ikanerRichard Burt:„Ich glaube, sowohl Obamaals auch McCain werdenwieder zu einer eher multi-lateralen Herangehenswei-se neigen, einen Konsens su-chen und größere Anforde-rungen an Europa stellen. “

Seite 60

US-DemokratNelson Cunningham:„Wir müssen die Ängste derMenschen, die sich von derGlobalisierung zurückge-lassen fühlen, ernst neh-men. Das ist etwas, was dieDeutschen sehr gut ver -stehen.“

Seite 64

Page 4: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

2 Dokumentation Wirtschaftstag

Wir feiern in diesem Jahr den sechzigs -ten Geburtstag einer der erfolgreich-sten Wirtschaftsordnungen der Welt

– der Sozialen Marktwirtschaft. Ludwig Erhard,ihr Gründungsvater, war ein Mann der ord-nungspolitischen Gradlinigkeit. Damit hat Er-hard dem Land Freiheit und Wohlstand ge-bracht. Er war für viele in gewissem Sinne aberauch ein Ärgernis. Zunächst war er ein Ärgernisfür die Alliierten. Er hat praktisch zeitgleich mitder Währungsreform gegen ihren Willen undohne Absprache die Preise für wichtige Güterfreigegeben und die Zwangsbewirtschaftungder Nachkriegszeit beendet. Erhard vertrauteallen Widerständen zum Trotz auf die Kräftedes Marktes und die freie Preisbildung. Ein Ärgernis war Erhard aber auch für die Sowjets,

die seine freiheitliche Wirtschaftspolitik mitder Blockade Berlins beantwortet haben. Ein Är-gernis war Erhard auch für die Gewerkschaften,die wegen vorübergehend steigender Preisenach der Währungs reform zum Generalstreikaufriefen. Erhard war selbst ein Ärgernis für dieUnion, weil er das „Ahlener Programm“ von1947 durch das Bekenntnis zur Sozialen Markt-wirtschaft ersetzt hat. Und schließlich ärgerteErhard auch Konrad Adenauer, weil er ihn ein-dringlich vor der Einführung der dynamischen,umlagefinanzierten Rente warnte. Erhard hatsich in allen Punkten durchgesetzt – und, wiewir heute wissen, hat er Recht behalten.

Die Menschen in Deutschland sind dafür be-lohnt worden. Durch Markt und Wettbewerb

Staatswirtschaft sollte inDeutschland ein für allemal ausgedient haben

Prof. Dr. Kurt J. Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Page 5: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

haben wir mehr Freiheit. Das ist das VerdienstLudwig Erhards. Deshalb feiern wir noch heuteganz zu Recht den Geburtstag der SozialenMarktwirtschaft. Der Wirtschaftsrat sieht sichin dieser Tradition Ludwig Erhards. Dabei istauch in Zukunft Mut gefragt. Mut, um für eingefährdetes Erfolgsmodell zu werben und zukämpfen. Im Sinne Erhards kann auch der Wirt-schaftsrat ein Ärgernis sein – wenn er an dieGrundlagen der Sozialen Marktwirtschaft erin-nert und auf deren Befolgung und Weiterent-wicklung dringt. Denn heute erheben sich wie-der Stimmen, die das Erfolgsmodell infragestellen. Das ist umso erstaunlicher in einemStaat, in dem die Umverteilung und damit diesoziale Gerechtigkeit auf einem sehr hohen Niveau Realität ist. In Deutschland werden je-des Jahr rund 700 Milliarden € durch den Staatumverteilt, das entspricht fast einem Dritteldes Bruttoinlandsprodukts. Dabei werden70 Cent von jedem Euro, den der Staat von sei-nen Bürgern einnimmt, für Sozialleistungenausgegeben. Der Preis für die nivellierende Sozialpolitik ist hoch: Wegen der kalten Steuer-progression reicht heute bereits das 1,4-fachedes Durchschnittseinkommens, um steuerlichals Spitzenverdiener eingeordnet und zumSpitzensteuersatz herangezogen zu werden.Vor 50 Jahren musste man noch das 17-facheDurchschnittseinkommen mit nach Hausebringen, um vom Fiskus als Spitzenverdienerbehandelt zu werden.

Soviel Gleichheit wie heute hat es in diesemLand noch nie gegeben. Zugleich wissen wiraber auch, dass die Zustimmungswerte derBürger zur Sozialen Marktwirtschaft inzwi-

schen geringer sind als je zuvor. Nur noch eineMinderheit steht hinter den Grundwerten Lud-wig Erhards von Markt, Wettbewerb und sozia-lem Ausgleich. Wir als Wirtschaftsrat gehörenzu dieser Minderheit. Mir als Präsident desWirtschaftsrates bereitet es große Sorge, dass

die Mehrheit der Bevölkerung Vorteile und Seg-nungen der sozialen Marktwirtschaft infragestellt. Das sozialistische Wirtschaftsmodellscheint wieder populär zu werden. Das kommteiner Ironie der Geschichte gleich. Nachdem derSozialismus auf deutschem Boden an sichselbst gescheitert ist, wird er nun von der Lin-ken und mit Hilfe einer orientierungslosen SPDwiederbelebt. Das ist absurd. Die Staatswirt-schaft sollte in Deutschland ein für allemal aus-gedient haben.

Unser eigentliches Problem ist, dass unsere Ge-sellschaft auch nach 60 Jahren Sozialer Markt-

3Dokumentation Wirtschaftstag

Page 6: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

4 Dokumentation Wirtschaftstag

wirtschaft noch immer von einer in weiten Tei-len wettbewerbsfeindlichen Grundhaltung ge-prägt ist. Wir als Wirtschaftsrat sind aufgeru-fen, die Soziale Marktwirtschaft gemeinsammit der Union und der Bundeskanzlerin vehe-ment zu verteidigen. Denn wir sitzen in einemBoot. Die Soziale Marktwirtschaft und die CDUsind dank Ludwig Erhard eins. Sinkt die Akzep-tanz des einen, verliert der andere an Vertrau-en. Also kämpfen wir gemeinsam.

Die politische Situation in Deutschland ist inden zurückliegenden Jahren nicht leichter ge-worden. Die Sozialdemokraten sind unter KurtBeck offensichtlich nicht in der Lage, sich inhalt-lich gegen den Populismus der Linkspartei zu

wehren. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wirKurs halten. Die Union muss sich mit ihrem Be-kenntnis zu Freiheit und Markt oft mit einemKoalitionspartner auseinandersetzen, der sichStaatswirtschaft und Rückstände sozialisti-schen Gedankenguts auf die Fahnen geschrie-ben hat. Jahrzehntelang haben wir auf Kostender nachfolgenden Generationen über unsereVerhältnisse gelebt. Doch die Sozialdemokratenscheinen daraus nichts gelernt zu haben. Des-halb unterstützen wir die Bundesregierungnachhaltig, an ihrem strikten Kurs der Haus-haltskonsolidierung festzuhalten. Die Weichenfür die Bundestagswahl im Herbst 2009 werdenjetzt gestellt. Aus unserer Sicht geht es darum,ob dieses Land von einer wirtschaftspolitisch in-kompetenten rot-rot-grünen Koalition regiertwird oder von einer Koalition des bürgerlichen

Das bürgerliche Lager muss alle verfügbaren Kräfte mobilisieren

Ludwig Erhards zukunftsweisende Vorstellungen waren für viele ein ÄrgernisFast auf den Tag genau feiert die Soziale Marktwirtschaft ihren 60. Geburtstag. Das ist weit mehr als nur ein nostalgischesDatum. Sechzig Jahre Soziale Marktwirtschaft sind vor allem Anlass, selbstbewusst eine freie, aber auch sozialverpflichten-de Wirtschaftsordnung zu würdigen.

Als Ludwig Erhard am 21. Juni 1948 eigenmächtig die von den Alliierten verhängte staatliche Preisfestsetzung aufhob, tater das gegen enorme Widerstände. Seine zukunftsweisenden Vorstellungen waren für viele ein Ärgernis:

Ein Ärgernis für die Alliierten: Ludwig Erhard wurde vom damaligen amerikanischen Hochkommissar zum Rapport bestellt,weil er ohne Zustimmung der Alliierten die Preisbindungsrichtlinie geändert hatte. Erhard quittierte den Rüffel un -erschrocken: „Ich habe die Richtlinie nicht geändert, ich habe sie außer Kraft gesetzt!“

Ärgernis für die Union: Im Ahlener Programm der Union war 1947 noch von der Vergesellschaftung der Großindustrie dieRede. Hier machte Ludwig Erhard im wahrsten Sinne des Wortes der Union einen Strich durch die Rechnung.

Ärgernis für die Gewerkschaften: Am 12. November 1948 riefen die Gewerkschaften zum Generalstreik auf. Weite Teile derBevölkerung erschreckten die Preissteigerungen, die die Aufhebung der Preisbindung und der Bewirtschaftung nach sichzogen. Die Menschen waren nicht daran gewöhnt, sich auf freien Gütermärkten zu bewegen. Die Gewerkschaften forder-ten das Ausrufen eines wirtschaftlichen Notstands, die Einsetzung eines Preiskommissars, die Lenkung der Rohstoffe undKredite – kurz, die Einführung einer Planwirtschaft.

Ärgernis für Kommunisten: Die Sowjetunion antwortete auf die Währungsreform in den Westzonen, die eine klare Ten-denz zur freien Marktwirtschaft erkennen ließ, mit der Blockade Berlins.

Ärgernis für das Kabinett: Von Beginn an kämpfte Ludwig Erhard zum Verdruss von Konrad Adenauer gegen die Einfüh-rung einer dynamisierten, umlagefinanzierten Rente. Er hatte schon früh erkannt, dass sie nicht bezahlbar ist.

Ärgernis für die Industrie: Dreimal musste Ludwig Erhard Anlauf nehmen, um das Grundgesetz der Marktwirtschaft, das„Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“, durchzusetzen. Damit ärgerte er nicht nur Bundeskanzler Adenauer, son-dern auch die gesamte deutsche Industrie.

Wirtschaftspolitische Orientierung ist offenbar häufig erfolgreich, wenn sie zuvor mit Ärgernissen verbunden war. DerMut hat sich jedoch gelohnt! Ludwig Erhard ist bisher der erfolgreichste Wirtschaftsminister. Die von ihm gestellten Wei-chen haben die Deutschen insgesamt wohlhabend und unser Land als führende Industrienation zu einem Gewinner derGlobalisierung gemacht.

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Lagers, das immer der Hauptträger der SozialenMarktwirtschaft war und ist. Wir kämpfen ger-ne mit der Union gemeinsam für eine Koalitionmit den Freien Demokraten, damit Alpträumenicht Wirklichkeit werden. Wir wissen, dass diehohe Popularität der Bundeskanzlerin der CDUzugutekommen wird. Die Union darf sich aller-dings auch nicht in den Abwärtssog der SPD hi-neinziehen lassen. Deshalb muss das bürgerli-che Lager alle verfügbaren Kräfte aktivieren. Wirsind hier an der Seite der Bundeskanzlerin. Einegute Stimmung in der Wirtschaft könnte für dieUnion ein zusätz liches Stimmenpotenzial vondrei bis sechs Prozentpunkten mo bilisieren.Dann könnte es für Schwarz-Gelb reichen. Wirhelfen gerne mit, eine bessere Stimmung inwertvolle Stimmen umzumünzen.

Um die Stimmung zu verbessern, ist es wichtig,sich wirtschaftspolitisch klar aufzustellen. Dahaben wir selbstverständlich auch einige Empfehlungen.

Erstens: Wir brauchen eine neue Energiepolitik.Alles, was CO2-freie Energie erzeugt, ist vonexistenzieller Bedeutung für Deutschland:Wind, Wasser, Bio- und Kernenergie gehörenzusammen. Wer Kernenergie ablehnt, meint esmit dem Klimaschutz nicht wirklich ernst.

Zweitens: Wir fordern eine nachhaltige Steuer-reform, die uns endlich ein transparentes, ein-faches und gerechtes Steuersystem beschertund die kalte Steuerprogression zurückführt.

Der Wirtschaftsrat setzt sich außerdem für eine Reform der Erbschaftsteuer ein, die das

Fundament der Familienunternehmen nichtzerstört und einfache unbürokratische Fami -lienübergänge ermöglicht.

Wir brauchen viertens selbstverständlich auchArbeitsmarktreformen, allerdings keine Min-destlöhne, dafür aber eine nachhaltige Bil-dungsinitiative in allen Bereichen der Gesell-schaft. Arbeit und Bildung gehören zu denGrundwerten der Sozialen Marktwirtschaft.

Hier ist sowohl der Staat als auch die Industriegefordert. Wir nehmen die Forderung an. Wirwerden dafür sorgen, dass eine höhere Akzep-tanz der Sozialen Marktwirtschaft wieder Wirk-lichkeit wird. Lassen Sie uns gemeinsam mitder Union dafür kämpfen, dass wieder eine so-ziale, marktwirtschaftliche Politik gemachtwerden kann.

5Dokumentation Wirtschaftstag

Mit der Union wieder eine soziale, marktwirtschaftliche Politik machen

Page 8: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Die Einführung der Sozialen Marktwirt-schaft ist eine der wirkungsmächtigstenZäsuren in der deutschen Geschichte.

Sie war ein mutiger Schritt. Sie war ein Schritt,den Ludwig Erhard mit dem Wort „Verantwor-tungsfreudigkeit“ umschrieben hat. Dazu hateine unglaubliche geistige Klarheit gehört,aber auch Mut, der Mut zu handeln.

Der Generalstreik der Gewerkschaften von 1948erinnert uns daran, dass schon zu Beginn derSozialen Marktwirtschaft die Auseinanderset-zung um die Frage stand, wie viel Freiheit oderwie viel Zentralismus wir brauchen. Die Grund-frage unserer Wirtschaftsordnung wurde zuGunsten des freiheitlichen Lebensentwurfsentschieden.

Ludwig Erhard hat Freiheit jedoch nicht damitverwechselt, dass jeder tun und lassen kann,was er will. Er hat auf den Wettbewerb gesetzt.Aber er hat auf einen geordneten Wettbewerbgesetzt. Damit hat er sich nicht nur mit Zentra-listen, Planwirtschaftlern und Sozialisten ange-legt, sondern in der Frage des Kartellrechtsauch mit der deutschen Wirtschaft. Er war derÜberzeugung, dass ein geordneter Wettbewerberforderlich ist, um kleineren und mittelgroßenUnternehmen eine Chance zu geben.

Mittelstand und Familienunternehmen sindheute das Rückgrat der deutschen Wirtschaft,gerade weil sich Erhard mit diesen ordnungs-politischen Vorstellungen zu einem geordne-ten Wettbewerb durchgesetzt hat.

6 Dokumentation Wirtschaftstag

60 Jahre Soziale Marktwirtschaft– Kurs und Werte einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik

Dr. Angela Merkel MdB,Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

Page 9: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Die Soziale Marktwirtschaft muss immer wie-der eine Grundfrage beantworten: Wie gelingtes, zunächst Wohlstand zu erwirtschaften, be-vor über das Verteilen geredet wird? UnsereWirtschaftsverfassung ist eine Ordnung derFreiheit. Sie speist sich aus der Grundüberzeu-gung, dass der Mensch in der Lage ist, an seineGrenzen zu gehen, seine Fähigkeiten auszu-schöpfen und daraus etwas zu schaffen. Das istnach dem Verständnis der Sozialen Marktwirt-schaft die Grundlage für soziale Gerechtigkeit.Wenn wir uns heute unsere Situation verge-genwärtigen, dann müssen wir auch feststel-len, dass nicht immer alles so gelaufen ist, wieLudwig Erhard sich das vorgestellt hat. Ein Bei-spiel: 1967 hat der Bund rund zwei Prozent sei-nes Budgets für Zinszahlungen ausgegeben, in-zwischen sind es jedes Jahr 15 Prozent des Bun-deshaushalts, die in den Schuldendienst flie-ßen. 1967 standen zwei Drittel des Bundeshaus-halts für Zukunftsausgaben zur Verfügung, einDrittel wurde für Sozialausgaben aufgewen-det. Heute ist das Verhältnis genau umgekehrt.Das alles ist Ausdruck der Tatsache, dassDeutschland lange Zeit über seine Verhältnissegelebt hat.

Wir stehen heute vor enormen Herausforde-rungen. Globalisierung, demografischer Wan-del, neue Anforderungen der Wissensgesell-schaft, Investitionen in die Zukunft und dergleichzeitige Abbau der Staatsverschuldungsind die bekannten Stichworte. Deshalb ist esan der Zeit, sich auch in der täglichen Arbeitwieder an die Grundsätze der Sozialen Markt-wirtschaft zu erinnern.

Wir haben die Regierungsgeschäfte einer rot-grünen Regierung übernommen, die eine verheerende Bilanz vorzuweisen hatte. FünfMillionen Arbeitslose und alle 15 Minuten eineFirmenpleite sind nur zwei Eckdaten, die daswirtschaftspolitische Scheitern von Rot-Gründokumentieren. Glücklicherweise müssen wiruns mit solchen Zahlen heute nicht mehr aus-einandersetzen. Heute sind wir wirtschaftlichwieder jene Lokomotive für Europa, die uns alsgrößter Volkswirtschaft Europas zukommt. Wirhaben heute 1,6 Millionen Arbeitslose wenigerals bei Regierungsantritt. Nimmt man denHöchststand unter Rot-Grün zum Maßstab,sind es sogar zwei Millionen Arbeitslose weni-ger. Und wir haben eine Chance, dass jeder Ju-gendliche einen Ausbildungsplatz bekommt.Wir haben in diesem Jahr erstmals wiedermehr Lehrstellen als Bewerber. Das sind Zahlen,auf die wir stolz sein können. An dieser erfolg-reichen Bilanz hat natürlich nicht nur die Poli-tik mitgewirkt. Aber die Soziale Marktwirt-schaft ist ja auch eine Ordnung mit vielen Ak-teuren. Sie ist eine Ordnung, in der die Politikden Rahmen schafft, in der dann aber Unter-nehmen, Verbände und Arbeitnehmer auch ihre Kraft einsetzen können und müssen.

Gegenwärtig stehen wir vor der Herausforde-rung, die Hände nicht in den Schoß zu legenund nicht schon wieder primär an das Vertei-len der erreichten Wohlstandsgewinne zu den-ken, sondern vielmehr unseren erfolgreichenKurs fortzusetzen, denn mehr als drei MillionenArbeitslose bleiben trotz aller Verbesserungen

7Dokumentation Wirtschaftstag

Es bleibt richtig: Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft

Page 10: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

mehr als drei Millionen Arbeitslose. Die besteMöglichkeit, auch die sozialen Sicherungssyste-me auf ein gutes Fundament zu stellen, ist ei-ne höhere Zahl sozialversicherungspflichtigerBeschäftigungsverhältnisse. Deshalb bleibt dieAussage richtig: Sozial ist, was Arbeit schafft.

Aus der Sicht von Politikern gibt es natürlichverführerische sozialpolitische Konzepte. Insbe-sondere der einheitliche gesetzliche Mindest-lohn scheint eine solche Verführung zu sein, dieman im sechzigsten Jahr der Sozialen Markt-wirtschaft noch einmal genauer diskutierenmuss. Was war das Geheimnis, was war die Ver-heißung der Sozialen Marktwirtschaft? Die Ver-heißung war eine Wirtschaftsordnung, die je-dem Bürger die Möglichkeiten des Einstiegs inden persönlichen Aufstieg eröffnet. Und weildas für die Mehrheit der deutschen Bevölke-rung gelungen ist, war die Akzeptanz der Sozia-len Marktwirtschaft in der Bevölkerung jahr-zehntelang sehr hoch. Heute müssen wir unsdie Frage stellen, wie wir dieses Grundgefühlfür mehr Menschen wieder herstellen können.Wenn uns das gelingt, werden auch die Idealeder Sozialen Marktwirtschaft wieder mehr Ak-zeptanz in der Bevölkerung finden.

In der Debatte um Mindestlöhne hat sich dieUnion nach langen Diskussionen auf das Kon-zept eines Mindesteinkommens verständigt.Nach diesem Modell sichert die Soziale Markt-wirtschaft jedem Einzelnen ein Mindestein-kommen, das durch Transferleistungen defi-

niert wird. Aber wir sind nicht der Meinung,dass wir die Arbeit eines Einzelnen, zum Bei-spiel eines jungen Menschen, der keinen Schul-abschluss hat und dann einen Einstieg in denArbeitsmarkt findet, an diesem Mindestein-kommen messen dürfen. Wir dagegen sagen:Ein Arbeitseinkommen plus aufstockende Sozi-alleistungen ist der bessere Weg. Mindestlöh-ne bergen stets die Gefahr, einen Arbeitsplatzdurch einen zu hohen Einstiegslohn zu vernich-ten. Ein Kombilohn hingegen schafft Einstieg inAufstieg. Das muss die Maxime sein. Dafürwerden wir kämpfen.

Allerdings gilt es zu bedenken, dass wir für einsolches Modell eine möglichst gut und flächen-deckend funktionierende Tarifautonomie be-nötigen. Die Tarifpartner – und das unterschei-det uns von vielen anderen Ländern – haben inDeutschland eine grundgesetzlich geschützteStellung. Unser Grundsatz ist deshalb: Tarifau-tonomie hat Vorrang vor staatlich festgesetz-ten Löhnen. Man kann die verschiedenen Bran-chen nicht einheitlich betrachten, sondern wirmüssen nach differenzierten Lösungen suchen.

Ein weiteres zentrales Thema ist die Haushalts-konsolidierung. Wir werden aller Voraussichtnach 2011 erstmals seit 40 Jahren wieder einenausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen. DieStaatsquote ist in den zurückliegenden sechsJahren von 48,5 auf 43,5 Prozent gesunken. Mankann also feststellen, dass das wirtschaftlicheWachstum zuletzt nicht permanent in neueStaatsausgaben geflossen ist. Wir haben mitder Unternehmensteuerreform und den Ein-

8 Dokumentation Wirtschaftstag

Die Ideale der Sozialen Marktwirtschaftwerden wieder mehr Akzeptanz finden

Page 11: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

kommensteuern inzwischen eine Steuerquote,mit der Deutschland im Mittelfeld in Europaliegt. Allerdings haben wir auch ein Problem,das gegenwärtig unter dem Stichwort „kalteProgression“ diskutiert wird. Die CDU wird des-halb im nächsten Jahr ein Steuerkonzept vor-schlagen, das vor allem Menschen mit mittle-ren Einkommen entlastet. Sie tragen heute inbesonderer Weise Steuerlasten, sie sind zu-gleich die Leistungsträger unserer Gesellschaft.Sie sollen das auch bleiben – und dazu wollenwir sie ermutigen.

Ein eminent wichtiges Thema der Gegenwartkönnen wir hingegen nur global lösen. Das istdas Thema Klimaschutz und Energieversor-gung. Die Arbeit an einer globalen Lösung er-fordert, dass wir in Deutschland erst einmalselbst eine intelligente Energiepolitik machen.Zurzeit bauen wir die Vielfalt in der Energieer-zeugung jedoch nicht aus, sondern ab. Das hal-te ich für den falschen Weg. Ich halte es fürfalsch, unsere Kernkraftwerke, die zu den si-chersten der Welt gehören, abzuschalten. DemZiel, die CO2-Emission abzubauen, wird damitkein guter Dienst erwiesen. Es hilft uns nicht,wenn wir in ein paar Jahren aus der Tsche-chischen Republik, aus Frankreich und ausFinnland Atomstrom kaufen, weil wir unsereeigenen Kernkraftwerke abgeschaltet haben.

Wir beobachten zusätzlich die fatale Entwick-lung, dass sich Widerstände gegen die Erneue-rung von Kohlekraftwerken aufbauen. Deutsch-land erzeugt heute rund 70 Prozent seinesStroms aus Kohle- und Kernkraftwerken. Wenn

wir auch unseren Kohlekraftwerkspark nichtmehr erneuern, berauben wir uns in kürzesterZeit der Grundlagen unserer Stromerzeugung.Das wird massive Auswirkungen auf die Strom-preise haben und ist nicht verantwortbar. Die-se Feststellungen stehen für mich in keinerleiGegensatz zur wichtigen Forderung nach Ener-giesparen und Förderung der erneuerbarenEnergien. Unser Anteil an erneuerbaren Ener-gien steigt permanent. Bis 2020 wollen wir

20 Prozent unseres Primärenergiebedarfs ausalternativen Energiequellen decken. Die Förde-rung der erneuerbaren Energiequellen mussdabei mit Augenmaß und ohne wettbewerbs-verzerrende Wirkungen für unsere Volkswirt-schaft erfolgen. Deshalb bin ich auch dankbar,dass wir in der Europäischen Union eine ge-meinsame Strategie hierzu entwickelt haben.

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Deutschland gehört zu den Ländern, die nocheine Vielzahl von energieintensiv produzieren-den Industriezweigen haben. Dazu zählen vorallem die Chemieindustrie, die Aluminiumin-dustrie und die Stahlindustrie. Ich möchte einEuropa, in dem diese Industriezweige auch inZukunft vertreten sind. Ich möchte kein Europa,das zum Importeur von allen chemischen Gü-tern, Stahl und anderen Dingen wird, nur weilwir hier eine falsche Energiepolitik betreiben.

Der zweite Schwerpunkt unseres Engagementsmuss auf den internationalen Verhandlungenliegen. Denn Europa hat heute einen Anteil von15 Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen.Selbst wenn wir in Europa überhaupt kein CO2mehr emittierten, wäre bei den Wachstumsra-ten von China oder Indien damit zu rechnen,dass die befürchteten abträglichen Klimafol-gen genauso auftreten. Das heißt: Wir wollenVorreiter im Klimaschutz sein, weil wir uns da-von auch Exportchancen versprechen. Aberweil wir diesen Weg nicht alleine gegen denRest der Welt gehen können, setzen wir unserEngagement auf internationaler Ebene ent-schlossen fort.

Die Verheißung der Sozialen Marktwirtschaftmuss für jeden Einzelnen wieder erfahrbar wer-den. Die Grundlage für den Einstieg in den Auf-stieg ist deshalb aus meiner Sicht ganz eindeu-

tig die Bildung. Was früher zum Wohlstand ge-führt hat, reicht heute alleine nicht mehr aus.Bildung ist heute die Voraussetzung für eineWissensgesellschaft, für eine Gesellschaft des21. Jahrhunderts, in der sich die Frage entschei-det, ob Deutschland ein Hochlohnland bleibtoder ob wir nur noch über Verteilungskämpfeim Niedriglohnbereich sprechen. Deshalb hatdie Bundesregierung sich entschlossen, das Lis-sabon-Ziel von drei Prozent für Forschung undEntwicklung konsequent umzusetzen. Aus die-sem Grund geben wir in dieser Legislaturperi-ode sechs Milliarden €mehr für Forschung undEntwicklung aus. Daher haben wir es auch end-lich geschafft, mit der Leopoldina eine nationa-le Akademie der Naturforscher einzurichten.Auch haben wir eine nationale Technikakade-mie gegründet, die zusätzlich Beratungsfunk-tionen für die Bundesregierung durchführt.Und im Hochschulsektor reden wir endlich überExzellenzinitiativen und nicht mehr ausschließ-lich darüber, wie wir das Geld einfach nurgleichmäßig in Deutschland verteilen.

Die Frage, wie viele Menschen Zugang zu Bil-dung haben, wird entscheidend sein für die Zu-kunft unseres Landes. „Wohlstand für alle“ oh-ne „Bildung für alle“ wird es in Zukunft nichtmehr geben. In diesem Sinne hat uns LudwigErhard eine Menge Arbeit hinterlassen – unddie Aufgabe, auch neue Wege zu gehen. Ich ge-höre zu denen, die überzeugt sind: Wir könnendas schaffen.

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Wohlstand für alle ohne Bildung wird es nicht geben

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Europa muss seine ökonomische Wettbe-werbsfähigkeit weiter konsequent stär-ken. Dazu bedarf es verstärkter Anstren-

gungen vor allem in den Bereichen Bildungund Forschung, unternehmerisches Umfeld sowie in der Energiepolitik.

So ist zunächst eine kluge Strategie gegen denFachkräftemangel erforderlich. Die Volkswirt-schaften Europas brauchen mehr qualifizierteArbeitskräfte. Teil der Lösung ist nach meinerAuffassung das „Blue-Card-System“, welchesdie EU-Kommission vorgestellt hat. Wir könnennicht leichtfertig auf hochqualifizierte Arbeits-kräfte von außerhalb der EU verzichten. Ich hof-fe, dass die Mitgliedstaaten den Vorschlägender Kommission zur Blue Card zustimmen.

Europa braucht außerdem mehr Investitionenin Forschung und Entwicklung. Hier ist in ersterLinie der private Sektor gefordert. Das Ziel, biszum Jahr 2010 drei Prozent des Bruttoinlands-produkts für Forschung und Entwicklung aus-zugeben, werden wir zwar nicht mehr pünkt-lich erreichen. Dennoch: Wir bewegen uns defi-nitiv in die richtige Richtung. Das Formuliereneines ehrgeizigen Ziels hat uns geholfen. 2010werden die Mitgliedstaaten der EuropäischenUnion voraussichtlich 2,6 Prozent ihrer Wirt -schafts leistung für Forschung und Entwicklungausgeben. Das sind weniger als drei Prozent,aber deutlich mehr als 1,9 Prozent im Jahr 2005.Es gibt also einen echten Fortschritt, auch wennwir das Ziel noch nicht erreicht haben. Techno-logische Schlüsselprojekte wie Galileo und

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Europa und die Globalisierung –die Zukunft der EU nach dem Lissabonner VertragJosé Manuel Durao Barroso, Präsident der Europäischen Kommission

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natürlich das soeben gegründete EuropäischeTechnologieinstitut in Budapest (EIT) flankie-ren diese ehrgeizigen Ziele und bringen eineechte europäische Perspektive in das Thema.

Ein weiteres Instrument, um die Wettbewerbs-fähigkeit Europas zu stärken, ist die Verbesse-rung der wirtschaftspolitischen Rahmenbe -dingungen. Die Vollendung eines echten euro -päischen Binnenmarkts bleibt auf der Agenda.

Wir benötigen generell mehr Flexibilität in un-seren ökonomischen Systemen. Wir brauchenmoderne, innovative und kundenfreundlicheBürokratien. Ganz wichtig: Wir brauchen mehrkleinere und mittelständische Unternehmen(KMU) – denn sie sind es, die mehr Arbeitsplät-ze schaffen und das Wachstum in Europa stimulieren. Je mehr von ihnen zu Weltmarkt-führern werden, umso besser. Die EU-Kommis-sion schlägt deshalb in ihrem „Small BusinessAct“ vor, rechtliche Hürden für kleinere undmittlere Unternehmen zu beseitigen. So kön-nen wir ihr Wachstum fördern. Fördern wollenwir vor allem innovative Firmen, die auch For-

schung und Entwicklung betreiben. Gerade mitBlick auf die KMU strebt uns vor, bürokratischeHemmnisse zu beseitigen und Bürokratiekos-ten abzubauen. Die so genannte „Stoiber-Grup-pe“ zum Bürokratieabbau in Europa leistet hierfür uns wertvolle Arbeit. Allerdings ist Bürokra-tieabbau in der EU nicht immer eine einfacheAngelegenheit. Jeder kennt den Witz, dassBrüssel Vorgaben für den Krümmungsgrad vonSalatgurken mache. Tatsächlich haben wir, dieEuropäische Kommission, vorgeschlagen, dieseRegelung abzuschaffen. Was ist passiert? Mit-gliedstaaten und Verbände haben sich zu-nächst heftig dagegen zur Wehr gesetzt. DasBeispiel zeigt einmal mehr, dass man mit Kritikan der EU sehr schnell bei der Hand es ist. Aberdie Wirklichkeit sieht oft anders aus, und nichtselten befinden wir uns in der Lage, gegen denWiderstand der EU-Mitgliedstaaten bürokrati-sche Vereinfachungen durchsetzen zu müssen.

Die EU-Kommission bemüht sich, die europäi-schen Gas- und Strommärkte zu öffnen. Davonprofitieren die Konsumenten durch sinkendePreise und bessere Leistungen. Ich bin deshalbsehr froh, dass wir bei diesem Ziel einen großenSchritt weitergekommen sind. Anfänglich hat-ten wir tatsächlich sehr unterschiedliche Vor-stellungen darüber, wie weit die eigentums-rechtliche Entflechtung („Ownership Unbund-ling“) der Energiekonzerne gehen sollte. Am En-de aber war es möglich, einen für alle tragba-ren Kompromiss zu finden. Das ist ein wirklichgro ßer Schritt auf dem Weg zu einem offenenund integrierten europäischen Energiemarkt.Das ist von wesentlicher Bedeutung für Europa.Nicht nur mit Blick auf die Wettbewerbsfähig-keit der europäischen Energiewirtschaft, son-dern auch unter den Gesichtspunkten der Nach-haltigkeit und Sicherheit unserer Energieversor-gung.

Ein weiteres wichtiges Thema für die BürgerEuropas ist der Klimawandel. Die EuropäischeUnion ist global führend im Kampf gegen denKlimawandel. Die Öffentlichkeit, die Bürger, ha-ben die Führungsrolle der EU im Kampf gegenden Klimawandel positiv aufgenommen. Nunwird es darauf ankommen, dass wir die ehrgei-zigen Ziele auch erreichen. Unter dem Motto„20-20-20 bis 2020“ sollen bis zum Jahr 2020die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent re-duziert werden, der Anteil an erneuerbarenEnergien soll auf 20 Prozent steigen und dieEnergieeffizienz um 20 zulegen. Dieses Paketist unsere „Road Map“ für eine nachhaltige Ge-

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sellschaft und Wirtschaft, die wesentliche Ge-winne ökonomischer und ökologischer Artnach Europa bringen wird. Durch eine höhereDiversifikation unseres Energiemixes werdenwir die Abhängigkeit von Öl und Gas reduzie-ren. Weniger Öl, weniger schmutzige Energie-träger – dafür mehr nachhaltige Energiequel-len wie Biogas und Biotreibstoffe. Für alle EU-Staaten, die auf Kernkraft setzen, bleibt auchdie Atomenergie eine Option, die Klimaziele zuerreichen. Für Europas Wirtschaft ist es ganzentscheidend, dass wir uns den technologi-schen Vorsprung bei erneuerbaren Energien si-chern. Hierin steckt ein enormes Potenzial fürWachstum und Beschäftigung.

Ich bin davon überzeugt, dass wir kurz vor weit-reichenden, ja revolutionären technologischenDurchbrüchen stehen. Wir sollten das ökonomi-sche Potenzial technologischer Neuerungen indiesem Sektor nicht unterschätzen. Ich danke derdeutschen Bundesregierung sehr für ihre enga-gierte Unterstützung unseres Klimaschutz -pakets, welches ja während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft beschlossen wurde. Die EU-Kommission ist sich der Einwände der deutschenWirtschaft sehr wohl bewusst. Insbe sonderesind wir uns auch dessen bewusst, dass sich dieenergieintensiv produzierenden Sek toren vor zuhohen Kostenbelastungen fürchten. Wir werdendiese Befürchtungen nicht un berücksichtigt las-sen. Unsere Absicht ist nicht, Umweltverschmut-zung und Arbeitsplätze zu exportieren. Würde esdazu kommen, würde es – global gesehen – kei-nen Fortschritt beim Klimaschutz geben und wirwürden nur Jobs verlieren. Zum Klimaschutzgibt es keine Alternative. Alle, die das nicht ver-stehen wollen, werden zurückbleiben. Die Trends

und wissenschaftlichen Erkenntnisse legen oh-ne Zweifel eine Hinwendung zu einer energieef-fizienteren Wirtschaftsweise nahe. Dazu gibt eskeine Alternative. Der hohe Ölpreis verstärkt denAnreiz enorm. Investitionen in erneuerbareEnergien sind sehr vernünftig. Man erinneresich: Durch den hohen Ölpreis und den Klima-wandel sind heute Tech niken anerkannt, welcheman vor wenigen Jahren noch als Spinnereienbelächelt hat. Das Klimaschutzpaket der EU istnicht nur wichtig für den Klimaschutz. Es istauch von eminenter Bedeutung für die Energie-sicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der EU.Dahinter steht eine simple Erkenntnis. Je früherwir uns dem Klimawandel stellen, desto einfa-cher und kostengünstiger ist es, in den kommen-den Jahrzehnten mit ihm umzugehen. Je früherwir uns auch technologisch auf den Klimawan-del einstellen, umso mehr ökonomische Vorteileauf den Weltmärkten werden wir haben. Beson-ders Deutschland ist hier sehr gut positioniert.Ich bin im Übrigen auch der festen Überzeu-gung, dass sich die innovative deutsche Wirt-schaft weit besser und schneller an die Heraus-forderungen des Klimawandels anpassen wirdals viele andere. Es geht nicht um eine Abwehr-haltung und Rückzugsgefechte, sondern es gehtdarum, die neuen Herausforderungen des Kli-mawandels als Chance zu begreifen. Nur so kön-nen wir als Gewinner aus der Globalisierung her-vorgehen. Es gilt, Trends frühzeitig zu erkennenund für uns nutzbar zu machen. Die Haltung derWirtschaft zu dieser Frage wird für Europa ent-scheidend sein. Die deutsche Volkswirtschaft istschließlich die größte des Kontinents. DamitEuropa besser und stärker wird, müssenDeutschland und die EU-Kommission eng zu-sammenarbeiten. Dann werden wir die Heraus-

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Wir stecken mitten in einem der größ -ten Umwälzungsprozesse unsererGe schichte. Wir erleben derzeit mit

enormer Geschwindigkeit das Ende des Ölzeit-alters. Das betrifft jeden. Konsumenten undUnternehmen, Regierungen und Wissenschaft-ler. In den USA sagt man: Wenn die Gallone Ben-zin und die Tasse Kaffee bei Starbucks vier Dol-lar kosten, dann trinken wir eben keinen Kaffeemehr. So einfach ist das natürlich nicht. Die Pro-zesse, die derzeit voranschreiten, haben bereitsfundamentale Veränderungen ausgelöst. Mandenke nur an den Wohlstandstransfer zwi-schen Industriestaaten und Ölförderländern.Deutschland allein steuert jedes Jahr rund150 Milliarden € dazu bei. Europa insgesamtzahlt pro Jahr inzwischen 600 Milliarden Dol-

lar für Öl. Man stelle sich nur einmal vor, wasman mit diesem Geld alles machen könnte. Bil-dung, Gesundheit, Sozialreformen – die wich -tigen Zukunftsausgaben könnten, wenn mankein Öl bräuchte, mit einem Schlag locker ausder Por to kasse finanziert werden. Öl wird auflange Sicht nicht mehr günstig werden. Bei denhohen Ölpreisen handelt es sich um eine fun-damentale Verschiebung. Vor acht Jahren nochkostete das Barrel Rohöl zehn Dollar, der Preisliegt jetzt weit jenseits der 100-Dollar-Marke.Heute steigt der Ölpreis mitunter an einemeinzigen Tag um mehr als zehn Dollar. Auch ansolchen Beobachtungen zeigt sich, dass auf lange Sicht niemand mehr ernsthaft mit sin-kenden Ölpreisen rechnen kann. Das wäre eineIllusion.

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Technologie und Innovation –neue Konzepte für eineumweltgerechte Mobilität

Shai Agassi,Gründer und Vorstandsvorsitzender Better PLC

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Auch Treibhausgase haben einen Preis, nur be-trägt dieser noch immer null Dollar. Deshalb ha-ben wir in der Vergangenheit das gesamte CO2in der Atmosphäre abgeladen. Das wird nichtmehr lange so bleiben können. Und es wirdauch nicht mehr lange so bleiben. Der Klima-wandel ist eine Tatsache, der wir uns stellenmüssen. Er ist auch eine Tatsache, der sich dieAutomobilhersteller stellen müssen. Klimawan-del und hohe Ölpreise zusammengenommenüben enormen Druck auf die Autokonzerne aus.Die Verkäufe von General Motors sinken derzeitin nur einem Monat fast um ein Drittel – einRückgang, den die Automobilindustrie seit derWeltwirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jah-re nicht mehr gesehen hat. Das sind historischeVeränderungen, auf die die Automobilindustriereagieren muss. Schnell reagieren muss. Wereinfach so weitermacht wie bisher, wird schonmorgen von den Märkten verschwunden sein.Was wird wohl passieren, wenn Benzin in denUSA genauso teuer wird wie in Europa?

Heute können wir zwischen Autos und Öl nochnicht unterscheiden. Sie gehören für uns untrennbar zusammen. Wir kennen nur Groß-städte, die von Luftverschmutzung und Krachgekennzeichnet sind. Das ist geradezu unsereDefinition von Großstadt. Aber wird das so blei-ben? Ich sage nein. Wir müssen lernen, Fortbe-wegung und Transport auf der einen und Ölauf der anderen Seite gedanklich voneinanderzu trennen. Denn wenn wir es nicht tun, dannwird das Ende des Ölzeitalters zugleich das En-de der Globalisierung bedeuten. Wer keine Wa-ren transportieren kann, kann nicht globalisie-ren. Wer nicht globalisieren kann, wird keinenWohlstand erzeugen.

Die Frage also, die man sich stellen muss, lautet:Wie kann man die Welt ohne Öl überleben, oh-

ne dramatische Wohlstandsverluste hinneh-men zu müssen? Oder, heruntergebrochen aufdie Automobilindustrie: Wie können wir 2020bessere, preiswertere und umweltfreundliche-re Autos bauen, die nicht auf Öl angewiesensind? Es geht also um die Zukunft des Automo-bils, oder genauer: Um Elektroautos. Wir von„Project Better Place“ wollen batteriebetriebe-ne Pkw reif machen für den Massenmarkt. Da-zu brauchen wir natürlich nicht nur Autos, son-dern auch ein flächendeckendes „Tankstellen-netz“. Zwei Arten von Zapfsäulen zum Wieder-aufladen der Batterien schweben uns vor. Dereinfache Weg ist eine Elektrozapfsäule, die vomAussehen an eine Säule eines Parksystems erin-nert. Diese sollen überall in Innenstädten in-stalliert werden. Bei der Fahrt ins Kino, zu Hau-se, bei der Arbeit, vor dem Restaurant – jedersoll überall sein Auto einfach aufladen können.Das ist sehr praktisch. Ich komme vom Essen zu-rück, und mein Auto ist wieder vollgetankt. Fürlängere Strecken haben wir uns etwas anderesüberlegt. Längere Strecken bedeuten für Elek-troautos derzeit rund 200 Kilometer. Mehr ge-ben Batterien heute noch nicht her. Wer einelängere Strecke am Stück fahren will, muss al-so tanken. Wie? Durch einen Batteriewechsel,der in unseren Servicestationen in weniger alseiner Minute erledigt ist. Das Wechseln einerBatterie geht schneller als das Auftanken einesAutos. Unser Konzept löst alle gravierendenProbleme, die den großflächigen Einsatz vonElektroautos bisher verhindert haben. Es dau-ert einfach zu lange, bis eine Batterie nach 200Kilometern Fahrtstrecke wieder aufgeladen ist.Wir setzen also auf Wechselakkus. Das Modellist einfach. Unsere Kunden kaufen ein Auto, vonuns kaufen Sie die Batterie. Wir liefern denEnergiespeicher – und wir liefern die Energie.Unsere Kunden zahlen pro Kilometer. Der Preisist nicht höher als bei Benzin. Wir haben uns

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noch etwas überlegt. Kunden sollen auch Abosabschließen können. Das läuft dann ähnlichwie bei Mobilfunkanbietern. Wenn jemand –sagen wir für vier Jahre – ein Batterie-Abo miteinem fixen Preis pro Kilometer abschließt,dann schenken wir ihm ein Auto. Nach vier Jah-ren gibt es dann ein neues Auto. Unsere Kun-den können sich die Farbe aussuchen, die Aus-stattung, und sie können sich auch ein besseresAuto aussuchen. Das wird also ähnlich funktio-nieren wie bei einem iphone. Wer ein besseresAuto will, zahlt eben etwas mehr.

Alles reine Phantasie, eine Vision für die nächs-ten Jahrzehnte, eine technische Spinnerei, dieheute noch nicht realisierbar ist? Keineswegs. Is-rael und Dänemark haben angekündigt, denKauf von Elektroautos massiv zu unterstützen.Wer fortan ein Elektroauto in Israel kauft, zahltkeine Steuern mehr. Wer einen Benziner kauft,

zahlt 72 Prozent Steuern. Das ist ein echter Kauf-anreiz. Präsident Shimon Peres hat angekün-digt, dass Israel binnen zehn Jahren vollständigauf Elektroautos umstellen will. Ministerpräsi-dent Ehud Olmert will noch schneller sein. DieDänen sind ebenfalls sehr ambitioniert. Hiersollen 180 Prozent Steuern auf Benzinautos fäl-lig werden, Elektroautos zahlen gar keine Steu-ern. Wer kauft da noch einen Benziner? Der Vor-standschef von Renault und Nissan hat erklärt,Elektroautos bauen zu wollen. 40.000, 400.000oder acht Millionen pro Jahr. Je nachdem, wiehoch die Nachfrage ist. Das ist alles kein Pro-blem. Sie können die Autos bauen, und sie kön-nen sie schnell bauen. Unser Beitrag ist der Auf-bau des Netzes. Das Netz wird fertig sein, bevordie Autos verkauft werden. Niemand muss einAuto kaufen, für das es kein Tanknetz gibt. Eskauft ja auch niemand ein Mobiltelefon, für dases kein Telefonnetz gibt. Wir gehen ins Risiko.

Für dieses Netz stehen uns bisher 200 Millionen€ für Israel und Dänemark zur Verfügung. In Is-rael werden wir für zwei Millionen Autos einehalbe Million Servicestationen errichten. Das istausreichend, um landesweit eine jederzeit be-quem erreichbare Versorgung zu haben. Der Ef-fekt für die Umwelt: 20 Prozent weniger Treib-hausgasemissionen, das entspricht Kyoto.

Die Infrastruktur ist bezahlbar. Die Kosten be-tragen rund 300 € pro Auto. Das entspricht inetwa den monatlichen Benzinkosten für einAuto. Anders formuliert: Für das gleiche Geld,was Europa in einem Monat für seine Benzin-rechnungen ausgibt, können wir den Absprungvom Öl schaffen. Für das gleiche Geld, dasDeutschland in einem Monat für Benzin aus-gibt, kann sich der Automobilverkehr vom Öl-monopol der Lieferländer befreien. In nur ei-nem Monat! Zu teuer? Wir haben ausgerech-net, dass der Stromverbrauch eines Elektroau-tos heute drei Cent pro Kilometer kostet. EinBenzinfahrzeug kostet 15 Cent pro Kilometer.Durch diese Differenz sind wir mit unserem Ge-schäftsmodell in der Lage, unseren Kunden amAnfang der Vertragslaufzeit ein Gratis-Auto zustellen. Wir nennen es das Null-Null-Modell:Null Emissionen, null Anschaffungskosten.

In welchem Zeitraum können wir die flächen-deckende Umstellung auf Elektrofahrzeuge er-reichen? Es gibt zwei Szenarien. Entweder war-ten wir so lange, bis der Welt das Öl ausgehtund das Barrel 400 oder 500 Dollar kostet. Daswird irgendwann passieren. Dann aber ist es zuspät. Wenn wir es soweit kommen lassen, wirdniemand mehr Auto fahren können und dieGlobalisierung wird zum Erliegen kommen.Unsere zweite Möglichkeit ist, Elektroautosmöglichst schnell nach vorne zu bringen. Auchmit staatlichen Anreizen. Von selbst passiertein so großer Umschwung nicht. Wir sollten dastun, wenn wir davon überzeugt sind. Wir soll-ten die besten verfügbaren Experten und Wis-senschaftler prüfen lassen, ob das Modell, dasich vorgestellt habe, der richtige Weg in die Zu-kunft ist. Wenn er es ist, sollten wir ihn be-schreiten. So schnell wie möglich. Es ist sinnlos,solange zu warten, bis Öl nicht mehr bezahlbarist. Es ist sinnlos, dem Niedergang der Automo-bilindustrie tatenlos zuzusehen. Die Autoin-dustrie muss sich jetzt an die veränderten Be-dingungen anpassen. 2010 können Elektroau-tos auf den Straßen sein. Das ist das Projekt un-serer Generation. Ich bin überzeugt: Wir solltenes so schnell wie möglich anpacken. �

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Ludwig Erhard löste die planwirtschaft -lichen Fesseln im Westen Deutschlandsdurch die Einführung der Sozialen Markt-

wirtschaft. Angesichts eines kriegszerstörtenLandes und einer ungewissen Zukunft gehörtedamals viel Mut und Optimismus dazu, aufLeistung und Wettbewerb zu setzen. Mit fes -tem, unbeirrbarem Glauben verfolgte Erharddennoch sein Ziel. Zu Recht nannte der Politik-wissenschaftler Theodor Eschenburg die Ent-scheidung Erhards für die Marktwirtschaft „einen großen Wurf und einen gut ausgedach-ten und sicher ausgeführten Handstreich“.

Erhards großer Wurf hatte in der Tat etwas voneinem Handstreich. Wenn wir es Mut nennen,dann erkennen wir daran auch, woran es derWirtschaftspolitik heute gelegentlich mangelt.

Denn Erhards Vermächtnis ist aktueller denn je.Wer wünschte sich heute nicht manchmal, dassdie Politik mit jenem unbeirrbaren und festenGlauben ebenfalls zu einem großen Wurf in derLage wäre? Zum Vermächtnis Erhards gehörtauch der Wille, sich konstruktiv für die Gesell-schaft einzusetzen und seine Ziele gegen Wi-derstände auch durchzusetzen. Ich meine, einwenig mehr von dieser Haltung würde unsereGesellschaft heute in vielen Dingen weiter vo-ranbringen. Erhards Marktwirtschaft ist jedochbeileibe nicht überall auf Gegenliebe gestoßen.So konnte in den frühen fünfziger Jahren überdie Hälfte der Bevölkerung mit dem Begriff „So-ziale Marktwirtschaft“ nicht viel anfangen. Nurjeder zehnte Bürger gab seinerzeit eine richtigeErklärung dafür. Zwar wissen heute mehr Bür-ger etwas mit diesem Begriff anzufangen. Aber

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Staatsfonds – Retter des internationalen Finanzsystems?Prof. Dr. h.c. Klaus-Peter Müller,Vorsitzender des Aufsichtsrates der Commerzbank AGund Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken

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mit fast 60 Prozent beklagen unsere Bürger,dass die Soziale Marktwirtschaft nicht so sozialist, wie sie es sich wünschen. Das ist durchausalarmierend. Hier werden Defizite sichtbar.

Wie können wir solche Defizite abbauen? Ich sehe hier vor allem unser Bildungssystem in derPflicht. In den Lehrplänen sollte die Unterrich-tung wirtschaftlicher Fakten und Zusammen-hänge vorgesehen werden – und zwar ohneideologische Scheuklappen, im Rahmen eines ei-genen Schulfachs. Aber auch alle, die in gesell-schaftlicher Verantwortung stehen, müssennoch deutlicher als bislang vermitteln, dass dieSoziale Marktwirtschaft die beste aller mög -lichen Wirtschaftsordnungen ist. Je freier sichProduktion und Verbrauch entfalten können,desto mehr Wohlstand und Freiheit ergebensich für alle. Dieses Credo Ludwig Erhards giltheute unverändert. Dafür habe ich mich immereingesetzt und dafür werde ich mich auch wei-terhin einsetzen. Alexander Rüstow, einer derWeggefährten Erhards, hat einmal gesagt:„Gleichheit am Anfang kann man im Namen derGerechtigkeit fordern. Gleichheit am Ende nurim Namen des Neides. ‚Jedem das Seine‘ fordertdie Gerechtigkeit, ‚jedem dasselbe‘ der Neid.“

Zu einem anderen Thema, das für die SozialeMarktwirtschaft jedoch auch von eminenter Be-deutung ist. Es geht um Staatsfonds – und dieFrage, ob sie als „Retter des internationalen Fi-nanzsystems“ taugen. Oder ob man, wie dieBundesregierung meint, den Einfluss ausländi-scher Investoren in „strategisch“ wichtigen Be-reichen der deutschen Volkswirtschaft be-schränken sollte. Die Parallelen der aktuellenDebatte zu Ludwig Erhards Erbe sind nicht zuübersehen. Denn für Erhard waren Freiheit imAußenhandel und die Rückkehr auf die Welt-märkte von zentraler Bedeutung für den Erfolgder deutschen Wirtschaft. Genau diese Freiheitdroht nun für die Kapitalmärkte eingeschränktzu werden.

Zunächst einige grundsätzliche Anmerkungenzu Staatsfonds. Die finanziellen Mittel, die die-sen Investitionsvehikeln zur Verfügung stehen,sind in der Tat beachtlich. Alle Staatsfonds zu-sammengenommen verfügen zurzeit über An-lagemittel in Höhe von gut drei Billionen US-Dollar. Das entspricht fast dem Bruttosozialpro-dukt unseres Landes. Die größten unter ihnen– Fonds aus den Vereinigten Arabischen Emira-

ten, aus Singapur und Norwegen – erreichenmit Leichtigkeit die Wirtschaftskraft derSchweiz und Österreichs. China hat inzwischenWährungsreserven von über 1,5 Billionen US-Dollar angesammelt. Schätzungen zufolgewachsen diese jeden Tag um 1,5 Milliarden Dol-lar. Ein Gutteil daraus wiederum speist den chi-nesischen Staatsfonds CIC, die China Invest-ment Corporation, die Ende vergangenen Jah-res mit 200 Milliarden US-Dollar ausgestattetwurde. Das sind beeindruckende Zahlen. Aber:Betrachtet man sie im Kontext aller Asset-Klas-sen, dann wird klar, dass sich das Anlagevolu-men etwa von Investment- oder Pensionsfondsauf das Sechs- bis Siebenfache beläuft. Versi-cherungen managen weltweit etwa das fünf-fache Finanzvolumen von Staatsfonds. Das be-deutet: Die Dimension von Staatsfonds nimmtsich bei genauerem Hinsehen etwas geringeraus, als man es nach der aktuellen Diskussionund auf den ersten Blick vermuten würde.

Dennoch sind zwei Aspekte neu: Das dynami-sche Wachstum der Staatsfonds und ihre ver-stärkte Diversifizierung, also der Ersatz vonStaatsanleihen durch alternative Investitionen,etwa in Hedgefonds, Private-Equity oder Un -ternehmensbeteiligungen. Damit stellen dieStaats fonds die bisher praktizierten Regeln fürDirektinvestitionen auf den Prüfstand. Auf denInvestmentmärkten der Welt könnten deshalbwomöglich nicht mehr nur privatwirtschaft -liche Renditeinteressen eine Rolle spielen, son-dern mehr und mehr auch staatlich vorgegebe-ne Anlagestrategien, vielleicht sogar politischeZiele. Viele fühlen sich jedenfalls verunsichert,wenn immer mehr Investitionskapital unterstaatlichen Einfluss gelangt.

Das hängt auch damit zusammen, dass dieStrategien der Fonds nicht in allen Fällen trans-parent sind. Zugleich ist nicht einfach von derHand zu weisen, dass sie Einfluss auf Markt-preise, die Kapitalallokation und damit zumin-dest theoretisch auch auf die Stabilität des Gesamtsystems haben können. Der Ruf nachKontrolle und Regulierung ist dann nicht weit– zumal andere Länder bereits früher zu gesetz-geberischen Mitteln gegriffen haben. Ich nen-ne beispielhaft die USA, Japan und Frankreich.

Wie aber sieht es in Deutschland aus? Vorschlä-ge des Bundeswirtschaftsministeriums sehenbei Investoren, die nicht aus der EU kommen, abUnternehmensbeteiligungen von 25 Prozentdie Möglichkeit einer Prüfung vor. Gegebenen-

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Für Erhard waren Freiheit im Außenhandel und Rückkehr auf die Weltmärkte von zentraler Bedeutung

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falls kann dann als Folge dieser Prüfung auchein Veto ausgesprochen werden. Ähnlich wie inden Ländern, in denen Kontrollen schon ein -geführt sind, führen die Verfechter schärferer Regeln unsere „öffentliche Ordnung und Si-cherheit“ ins Feld, letztlich also das nationaleInteresse. Das ist ein großes Wort – und ebensoschwer bestimmbar. Die öffentliche Diskussionder vergangenen Monate hat gezeigt, wie vageder Begriff ist. So ist es kein Wunder, dass viele– sicher auch die Falschen – sich unter den neu-en Schutzschirm im Außenwirtschaftsgesetzflüchten wollen.

Äußerst fragwürdig ist auch das Argument,man möge vor dem Einstieg eines ausländi-schen Investors die Arbeitsplatzeffekte prüfen.Wenn man es genau betrachtet, ist das Arbeits-platzargument der klassische Sündenfall, wennes um willkürliche Investitionshürden geht. Eine sachgerechte Abschätzung der Arbeits-platzrisiken einer Investition ist – selbst wennman es wollte – im Vorhinein gar nicht möglich.Ein Ausschlusskriterium kann und darf das Arbeitsplatzargument aus guten Gründen ineiner offenen Volkswirtschaft ohnehin nichtsein. Ich halte es für sehr bedenklich, wie sichhier fast unbemerkt der Fokus der Diskussionverschoben hat: Zunehmend geht es nichtmehr um die Staatsfonds selbst oder um staat-lich gelenkte Investoren, sondern um denSchutz vor ausländischen Investoren an sich.Das macht mir Sorge. Die Angelegenheit droht

sich langfristig zum Schaden unseres Landes zuentwickeln. Denken wir etwa, dass Schwellen-länder künftig auf internationaler Ebene engmit uns zusammenarbeiten werden, wenn wirihnen heute – ohne nachvollziehbaren Grund –das Recht verwehren, ihre Gelder nach eigenemErmessen international anlegen zu können? Isteine solche Abschottungspolitik hilfreich, wodoch auch deutsche Unternehmen darauf an-gewiesen sind, im Ausland zu investieren? Diesen Fragen würde man mehr Raum in öffentlichen Diskussionen wünschen.

Die Debatte, wie sie in Deutschland geführtwird, schießt weit über das Ziel hinaus. Und ge-rade das ist eben nicht im nationalen Interesse.Niemand sollte die Wirkung solcher Signale un-terschätzen. Wir vermitteln den Eindruck, alswünsche sich Deutschland ein Bollwerk gegenausländische Investoren. Besser wäre es doch,einen europäischen Konsens darüber zu errei-chen, dass restriktive Maßnahmen nur in abso-luten Ausnahmesituationen ergriffen werden.Dann hätten wir den Rücken frei, uns den Ver-handlungen über Verhaltenscodizes im Inter-nationalen Währungsfonds und in der OECDzuzuwenden. Denn dort wird über die eigent -lichen Grundprobleme gestritten. Die Codizesfür Transparenz der Staatsfonds und Offenheitder Empfängerländer müssen von hoher Qua-lität sein. Eine höhere Transparenz, vor allem

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Die Codizes für Transparenz der Staatsfonds und Offenheitder Empfängerländer müssen von hoher Qualität sein

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eine Transparenz mit höherer Qualität, würdepolitische Regulierungen von Staatsfonds weit-gehend erübrigen.

Kommen wir vom Grundsätzlichen zum Spe-ziellen. Welche Rolle kommen Staatsfonds imFinanzsystem zu? Können sie – Stichwort Sub-primekrise – gar die Retter unseres Finanz -systems sein? Bei der Rekapitalisierung vonBanken, die im Gefolge der US-Subprime-Krise Kapital aufnehmen mussten, spielten Staats-fonds eine gewichtige und eine durchaus posi-tive Rolle. Solange sich Staatsfonds innerhalbder kartell- und kapitalmarktrechtlichen Rege-lungen bewegen, sind sie willkommen. Dennweder das globale Finanzsystem noch die ein-zelnen Volkswirtschaften, schon gar nicht diedeutsche, können oder sollten auf diese Inves-toren verzichten. Ich glaube aber dennoch, dassdem Bild der Staatsfonds als Retter sehr nach-haltig widersprochen werden muss. Denn denRetter treibt immer auch Altruismus. Wir aber

sollten besser davon ausgehen, dass die Staats-fonds nichts zu verschenken haben. Nach mei-ner Lesart waren die Staatsfonds keine Retter.Wie schon seit langem sind sie finanzstarkeund professionelle Partner auf den Kapital-märkten, die einen langen Anlagehorizont haben und hohe Verlässlichkeit aufweisen.Staatsfonds stehen für ein weiteres Zusam-

menwachsen der Finanzmärkte. Wenn man sowill, sind sie nichts anderes als eine moderneVariante des Recyclings von „Petrol-Dollars“,wie wir das schon aus den siebziger Jahren kennen.

Die Fonds sind meiner Auffassung nach jedochkein strukturell entscheidender Faktor bei derLösung jener Fragen, die sich im Gefolge derSubprime-Krise stellen. Das würde ihnen eineRolle aufbürden, die sie nicht erfüllen könnenund sie vermutlich auch gar nicht erfüllen wol-len. Dies müssen Marktteilnehmer, staatlicheAufsicht und Gesetzgeber schon selbst erledi-gen. Mir gefällt sehr gut, was Bundesbankprä-sident Axel Weber vorgeschlagen hat. Im Kerngeht es ja um die Schaffung stabiler Finanz-marktverhältnisse. Weber spricht von „der ers-ten Verteidigungslinie“, die er als das „eigen-verantwortliche Handeln der Marktteilneh-mer“, empfindet, oder, anders formuliert, als„ein wirkungsvolles individuelles Risikomana-gement sowie ein hohes Maß an Markttranspa-renz“. Seine „zweite Verteidigungslinie“ ist eineeffektive Banken- und Finanzmarktaufsicht.

Und schließlich sind globale Standards, die aufdem Wege enger internationaler Kooperationentstehen, eine „dritte Verteidigungslinie“. Anallen drei „Verteidigungslinien“ wird zur Zeitgearbeitet. Ich meine, wir sind auf einem gutenWeg. Staatliche Stellen, allen voran das Finan-cial Stability Forum, Notenbankchefs, Aufseherder führenden Finanzplätze, die Branche selberund das Institute of International Finance inWashington haben Empfehlungen erarbeitet.In der Gesamtbetrachtung liegt damit eine ge-eignete Blaupause zur Vorbeugung ähnlicherProbleme in Zukunft vor. Bei der sachgerechtenUmsetzung dieser Vorschläge muss es darumgehen, den richtigen Mix aus neuer Gesetz -gebung und Selbstregulierung der Marktteil -nehmer zu finden. Dann müssen wir auch nichtlänger über „Retter des Systems“ sinnieren,sondern können uns der eigentlich wichtigenFrage widmen: Wie kann der Beitrag des Fi -nanzsystems für Wachstum und Beschäftigunggesichert und gesteigert werden? Staatsfondskönnen dabei eine durchaus gute Rolle spielen.Das würde auf der Basis von Transparenz undmarktkonformem Verhalten auch dazu beitra-gen, Staatsfonds zu entdämonisieren.

Denn letztlich gilt auch für den Kapitalmarktdas Wort Ludwig Erhards: „Je freier die Wirt-schaft, umso sozialer ist sie auch.“ �

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Wie kann der Beitrag des Finanzsystemsfür Wachstum und Beschäftigung gesichertund gesteigert werden?

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Wirtschaftsrat ehrt Prof. Dr. h.c. Klaus-Peter Müller

Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold für den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Commerzbank AG und Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Banken

Mit der Verleihung der Verdienstmedaille „Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold“ ehrte anlässlich seines Wirtschafts-tages 2008 der Wirtschaftsrat Prof. Dr. Klaus-Peter Müller, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Commerzbank AG.Der Präsident des Wirtschaftsrates, Prof. Dr. Kurt J. Lauk: „Sie haben sich um den Erhalt und die Weiterentwicklung

der Sozialen Marktwirtschaft in hohen Maßen Verdienste erworben. Präsidium und Bundesvorstand verleihen Ihnen im Ein -vernehmen mit der Bundesdelegiertenversammlung mit großer Freude diese höchste Auszeichnung des Wirtschaftsrates.“

Die bisherigen Inhaber der Gedenkmünze Ludwig Erhard sind: Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentral-bank (2007).; Klaus H. Scheufelen, Mitinhaber Papierfabrik Scheufelen GmbH & Co. KG, Lenningen (2006); Dr. Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler der Republik Österreich a.D. (2006); Jean-Pierre Raffarin, Premierminister der Republik Frankreicha.D., Paris (2004); Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler a.D., Berlin (2003); Konsul Dr. Dieter Murmann, Geschäftsführender Gesell-schafter, J.P. Sauer & Sohn Maschinenbau-Beteiligungs-GmbH, Kiel und Ehrenvorsitzender des Wirtschaftsrates (2000).

Lauk weiter in seiner Laudatio: „Wir ehren einen erfolgreichen Unternehmer aus Deutschland. Als Vorstandsvorsitzender hater die Commerzbank wieder auf Erfolgskurs gebracht. Die Stürme auf den internationalen Finanzmärkten hat er erfolgreichüberstanden beziehungsweise sich ihnen weitgehend entzogen. Auch dafür Glückwunsch. Als Unternehmer und Präsident desBundesverbandes der deutschen Banken ist er ein ordnungspolitischer Kämpfer nach dem Vorbild Ludwig Erhards. Er verkör-pert in sich die Tugenden des ehrbaren Kaufmanns. Diese waren immer seine Richtschnur – Anstand, Aufrichtigkeit, Verläss-lichkeit und Übernahme von Mitverantwortung für unser ganzes Gemeinwesen. Klaus-Peter Müller ist ein Beispiel gelebterguter Managermoral. Beim Wechsel vom Vorstandsvorsitz an die Aufsichtsratsspitze ist es normalerweise üblich, dass die Rest-laufzeit des Vorstandsvertrages ausbezahlt wird. Darauf hat er ausdrücklich verzichtet. Das ist moralische Vorbildhaftigkeitin diesem Land. Damit ist er wie geschaffen, sozusagen eine natürliche Wahl für seine neue verantwortungsvolle Aufgabe: AlsVorsitzender der Corporate Governance-Kommission in Deutschland für gute Unternehmensführung ist er in der deutschenWirtschaft fest verankert und wird dieses wichtige Gremium ganz bestimmt erfolgreich führen. Wir sind überaus glücklichüber die wertvolle langjährige konsequente, kontinuierliche Mitarbeit und das Engagement von Klaus-Peter Müller im Wirt-schaftsrat. Er bleibt in der Kommission Soziale Marktwirtschaft und Ethik an unserer Seite.“

Klaus-Peter Müller bedankte sich: „Die Auszeichnung erfüllt mich mit Stolz. Ganz besonders freut es mich aber, im Namen eines Mannes gewürdigt zu werden, der unsere Wirtschaftsordnung, die ökonomische Entwicklung unseres Landes wie kaumein anderer geprägt hat.“

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Die Jahre zu Beginn des dritten Jahrtau-sends sind die wirtschaftlich erfolgreich-sten in der Geschichte der Menschheit.

Der Welthandel hat zwischen 2000 und 2007im Durchschnitt um sieben Prozent pro Jahr zu-gelegt. Darin spiegeln sich die hohen Wachs-tumsraten der beteiligten Volkswirtschaftenwider. Heute lebt rund ein Drittel der Weltbe-völkerung in Staaten, die ein jährliches Wirt-schaftswachstum von rund zehn Prozent ver-zeichnen. Das bedeutet, dass sich ihr Wohl-stand in weniger als einer Dekade verdoppelt.Die Weltwirtschaft ist noch nie so schnell ge-wachsen wie heute. Niemals zuvor sind so vie-le Menschen so schnell aus der Armut heraus-gekommen. 80 Prozent der Weltbevölkerung le-ben heute in Staaten, in denen die Armut sinkt.Im Jahr 1990 lebten gerade einmal zwei vonzehn Menschen in Staaten, die hinreichend of-fene Volkswirtschaften hatten. Wegen der seit-

her eingeleiteten politischen und ökonomi-schen Veränderungen leben heute neun vonzehn Menschen weltweit in einer mehr oderminder offenen Wirtschaft und Gesellschaft.

Es ist jetzt genau dreißig Jahre her, dass DengXiaoping die „Politik der offenen Tür“ ausgeru-fen hat. Diese Politik hat die chinesische Wirt-schaft, einst eine der geschlossensten und amwenigsten entwickelten der Welt überhaupt,zu einer zunehmend offenen Wirtschaft ge-macht. Seither hat sich die WirtschaftsleistungChinas alle acht Jahre verdoppelt. Heute expor-tiert China an einem Tag mehr Waren als da-mals in einem ganzen Jahr. Indien wird in die-sem Jahr eine Wachstumsrate zwischen neunund zehn Prozent erreichen, Indonesien siebenProzent. Was wir heute im Zuge der dritten Glo-balisierungswelle erleben, reflektiert das, waswir bereits während der ersten Globalisie-

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Europa und die Welt: Sind wir imglobalen Wettbewerb noch gefragt?

Carl Bildt, Außenminister von Schweden

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rungswelle im 19. Jahrhundert gesehen haben.1830 waren Russland, Frankreich und Groß -britannien in etwa mit derselben Größe ihresBruttosozialprodukts gestartet. Sechzig Jahrespäter war die Wirtschaftsleistung Russlandsund Frankreichs etwa doppelt so groß, die derBriten hatte sich indes vervierfacht. Warum?Der Unterschied lag in der Politik. Großbritan-nien war weitaus offener und liberaler als Russ-land und Frankreich. Damit waren die Britenweitaus besser darauf vorbereitet, die neuenGelegenheiten zu nutzen, welche vor allemdurch die technologischen Neuerungen jenerZeit entstanden waren. Deutschland ging ei-nen ähnlichen Weg, der bis zum Ersten Welt-krieg ziemlich erfolgreich war. Der Schlüssel zuDeutschlands Erfolg war neben der starken In-dustrie der Zollverein und die konsequenteökonomische Integration. Berlin war in denprosperierenden Dekaden vor dem Ersten Welt-krieg das Silicon Valley Europas. Während Briten und Deutsche, zunehmend auch dieAmerikaner, Vorteile aus dem expandierendenWelthandel zogen und ihre ökonomische Wett-bewerbsfähigkeit verbesserten, blieben weni-ger offene Gesellschaften wie Russland zurück.Ihre Politik war einfach nicht angemessen fürdie neue Ära des offenen Welthandels.

Wir sehen: Die Lehren aus den verschiedenenWellen der Globalisierung sind im Kern die glei-chen. Europa ist sich dessen bewusst. Die euro-päische Integration ist die stärkste Kraft fürFrieden und Wohlstand, die der Kontinent je ge-sehen hat. Ein Kontinent, der viele Jahre vonKrieg und Konflikten gekennzeichnet war, hatsich in einen Kontinent verwandelt, in dem dasRecht des Gesetzes und echter Frieden zwi-schen den Völkern herrscht. Und kaum jemandbezweifelt, dass die EU-Osterweiterung dieWettbewerbsfähigkeit der europäischen Volks-wirtschaften weiter verbessern wird. NeueMärkte bringen neue Möglichkeiten. NeueWettbewerber bringen neue Herausforderun-gen. Neue Konsumenten bringen neue Nach-frage. Wettbewerb und Produktivität könnenso nur steigen. Die Erweiterung der EU ist in je-der Hinsicht eine echte Erfolgsgeschichte. Siebringt Frieden und Wohlstand in jeden Teil un-seres Kontinents.

Wenn wir für die Zukunft planen, müssen wirimmer zwei Dinge bedenken: Die dritte Welleder Globalisierung steht gerade erst am Anfangund sie kommt zeitgleich mit technologischenRevolutionen, die jeden Tag schneller zu wer-

den scheinen. So hat zum Beispiel die Entwick-lung von Mobiltelefonen weit mehr Möglich-keiten und Wohlstand gebracht als jede Entwicklungshilfe. Ich bin stolz darauf, dassSchweden als eines der wenigen Länder derWelt ein Prozent seines Bruttoinlandsproduktsfür Entwicklungshilfe aufwendet. Aber das, wastechnische Innovationen wie die GSM-Revo -lution bewirken, kann Entwicklungshilfe nie erreichen.

In den westlichen Industriestaaten besteht diegroße Sorge, dass Arbeitnehmer im Zuge vonProduktionsverlagerungen ihre Arbeitsplätzeverlieren. Produktionsstätten werden in an - dere Länder abwandern, keine Frage. Aber imGan zen betrachtet ist das eine gute Sache. Wa-rum sollten Europa oder die USA Verlierer sol-cher Produktionsverlagerungen sein? Nehmenwir, um beim Beispiel Mobilfunk zu bleiben, dasiPhone. Auf der Rückseite jedes iPhones kannman lesen: „Designed in California – Assembledin China“. Von den 299 Dollar, die ein iPhonekostet, fließen nur vier Dollar nach China.160Dollar gehen in die USA – für Design, Trans-port, Marketing und anderes mehr. Das bedeu-tet: Europa und die USA müssen vor allem ihreAnstrengungen in Forschung und Entwicklungvorantreiben, um auch künftig zu den Globa -lisierungsgewinnern zu zählen. Wir leben in einer Welt großer und schneller Veränderun-gen. Der Schlüssel zum Erfolg ist Veränderungs -bereitschaft. Wir müssen bereit sein, gegen-über Veränderungen offen zu sein und unsschnell auf sie einzustellen.

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Wir müssen bereit sein, gegenüber Veränderungen offen zu sein

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Früher einmal haben wir über entwickelte Län-der und über Entwicklungsländer gesprochen.Dann änderten wir unsere Terminologie undsprachen über entwickelte und Schwellenländer,also sich entwickelnde Länder. Wir müssen be-greifen, dass sich heute alle Länder entwickelnmüssen – manche mehr, manche weniger. Aberalle müssen sich weiterentwickeln, wenn sieauch in Zukunft erfolgreich sein wollen.

Der Internationale Währungsfonds schätzt,dass in diesem Jahr mehr als die Hälfte derweltweit aggregierten Nachfrage aus den sogenannten Schwellenländern kommt. Das isteine fundamentale Veränderung. Eine sehr lan-ge Zeit haben vor allem die amerikanischenVerbraucher die globale Nachfrage dominiert,heute sind es die Schwellenländer.

Manche fürchten, dass die positiven Verände-rungen der letzten Jahre so nicht weitergehenkönnen. Neue Bedrohungen für offene Gesell-

schaften werden heraufbeschworen. Das libe-rale Welthandelssystem könnte in Frage ge-stellt werden. Befürchtet wird auch, dass dieKnappheit von Öl, Wasser und Lebensmittelnuns in eine Malthusianische Welt mit neuen Rivalitäten und kriegerischen Auseinanderset-zungen zurückführt. Ich halte die pessimis -tische Perspektive für unwahrscheinlich. Rich-tig ist, dass Länder wie Russland und Chinanach wie vor autoritär geführt werden. Aberman muss die Dinge in einer langfristigen Perspektive betrachten.

In China, in Russland und in anderen wirt-schaftlich aufstrebenden Ländern entwickeltsich eine selbstbewusste, weltoffene und gebil-dete Mittelklasse, die zunehmend politischeund gesellschaftliche Freiheiten einfordernwird. Rund um die Welt, in so unterschiedlichenLändern wie Spanien und Griechenland, inSüdkorea und Mexiko, in Brasilien und Indone-sien ist das gleiche schon passiert. Wirtschaftund Gesellschaft haben sich geöffnet und vonihren autoritären Machthabern befreit. Russ-land und China sind begierig darauf, am Prozess der Globalisierung teilzunehmen. Ich erwarte deshalb keinen Veränderungsdruck inRichtung mehr politischer Autorität, sonderndas Gegenteil. Wer am Welthandel und an derGlobalisierung teilhaben will, muss sich öffnen.Und wer sich nach außen öffnet, erzeugt im Inneren ebenfalls offene Gesellschaften.

Auch in der islamischen Welt erkenne ich posi-tive Signale. Die Wahlen in Marokko und Pakis-tan etwa haben gezeigt, dass die Unterstützungfür fundamentalistische Kräfte in der Bevölke-rung gering ist. Dennoch stehen die Gesell-schaften vor enormen Herausforderungen. EinViertel der Jugendlichen im Mittleren Ostenund in den Ländern Nordafrikas sind arbeitslos.In nur 15 Jahren wird die arabische Welt um160Millionen Menschen wachsen. Wenn die Re -gion friedlich bleibt und sich die GesellschaftenStück für Stück öffnen, haben die arabischenStaaten eine demographische Dividende, diesich in Wirtschaftswachstum und neue Mög-lichkeiten ummünzen ließe. Das wäre das posi-tive Szenario. Denkbar ist natürlich auch ein ne-gatives. Permanenter Konflikt und das Ausblei-ben gesellschaftlicher wie ökonomischer Refor-men könnte die arabische Welt in einen Teufels-kreis aus Arbeitslosigkeit und Verzweiflungtreiben. Politische Konflikte und ökonomischesVersagen könnten große Teile der Region imschlimmsten Fall in einen systema tischen Zu-

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sammenbruch treiben. Um das zu verhindern,ist auch die Europäische Union gefragt. Europamuss den arabischen Staaten helfen, ihre Volks-wirtschaften und Gesellschaften zu öffnen.Europa muss helfen, kriegerische Aus ein ander-setzungen in der Region zu vermeiden.

Ich glaube nicht, dass unserem offenen Gesell-schaftsmodell ernsthafte Gefahren von außendrohen. Ich fürchte viel mehr die Gefahren, diesich durch den wiederaufflammenden Protek-tionismus rund um die Welt für unsere offenenVolkswirtschaften ergeben. Ein Scheitern derDoha-Runde wäre fatal. Das wäre das erste Malseit der „großen Depression“, dass globale Han-delsgespräche scheitern. Und dies käme zu ei-ner Zeit, in der sich andere Gefahren und Un -sicherheiten aufbauen. Niemand kann vorher-sehen was passiert. Aber wir sehen schon heu-te, dass die hohen Nahrungsmittelpreise durchpopulistische Handelsbeschränkungen nochweiter in die Höhe geschossen sind. Ohne Ex-portrestriktionen, so eine Studie des Food Poli-cy Research Institute, könnten Nahrungsmittel30 Prozent günstiger und die Preisschwankun-gen deutlich kleiner sein. Im kritischen Bereichder Nahrungsmittel erkennt man also sehrdeutlich, wie schnell Protektionismus die Prei-se anfeuert und menschliches Leiden ver-schärft. Und was für die Lebensmittelpreisegilt, gilt genauso für andere Rohstoffmärkte.

Die Geschichte Europas ist die Erfolgsgeschichteoffener Gesellschaften und offener Märkte. Indiese Richtung sollten wir auch in Zukunft ge-hen. Wenn Europa sich weiter an seine Erfolgs-maxime hält, wird es auch den Wandel hin zu

mehr Offenheit in anderen Teilen der Welt un-terstützen. Wir müssen der Welt zeigen, dass wirdurch Zusammenarbeit und Offenheit eine bes-sere Zukunft gestalten können. Das ModellEuropas wird in der Welt zunehmend attraktivempfunden. Europa hat die Aufgabe und Ver-antwortung, für Freiheit und offene Gesellschaf-ten in der Welt zu werben. Afrikanische Länderkönnen ihre Probleme nie überwinden, wenn siees nicht schaffen, sich zu öffnen und zusammen-zuarbeiten. Und auch hier muss Europa Vorbild,Ideengeber und Unterstützer sein.

Zugleich müssen wir aber auch begreifen, dassder Vereinigungsprozess Europas noch nichtabgeschlossen ist. Im Südosten Europas, aufdem Balkan und in der Türkei, warten weitere100 Millionen Menschen, Teil der europäischenIntegration zu werden. Dieser Erweiterungs-prozess wird noch einmal anspruchsvoller wer-den als jene, die schon hinter uns liegen. Abervielleicht sind die Gewinne daraus noch größer.Wir müssen der Welt zeigen, dass Europa seineKonflikte und Probleme der Vergangenheit be-wältigen kann.

Europa hat sich selbst schon enorm verändert.Es ist heute erfolgreicher und friedlicher als je-mals zuvor in seiner langen Geschichte. Europamuss sich allerdings darauf einstellen, vielmehr als bisher seine Verantwortung in derWelt wahrzunehmen. Das können wir am bes-ten als Vorbild und Unterstützer für offene Ge-sellschaften, ökonomische Integration und einoffenes Welthandelssystem.

Europa ist heute erfolgreicher und friedlicher als jemals zuvor in seiner langen Geschichte

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Der Fall des Eisernen Vorhangs und derAbbau der Handelsbarrieren in den letz-ten Jahrzehnten haben eine noch nie-

mals da gewesene weltwirtschaftliche Dyna-mik entfaltet. Die größten Gewinner befindensich aber nicht in den USA oder Europa, sondernin Entwicklungs- und Schwellenländern. In denvergangenen 30 Jahren ist die Armut um300Millionen Menschen zurückgegangen, ins-besondere in den Entwicklungsländern, diesich an der internationalen Arbeitsteilung beteiligen. Allein in China haben über 250 Mil -lionen Menschen seit 1970 die Armutsgrenzeüberwunden.

Viele Konzerne haben die Öffnung der Märkteund die Transformation von der Plan- zur

Marktwirtschaft genutzt – so auch die METROGroup. War unser Unternehmen 1996 in achtLändern vertreten, sind es heute 31. 59 Prozentihres Umsatzes erzielt die METRO Group imAusland. Die Tendenz ist weiter steigend. Vorzwölf Jahren waren es gerade einmal fünf Pro-zent. Besonders dynamisch entwickelten sichdabei die „Cash & Carry Märkte“, internationalführend im Selbstbedienungsgroßhandel.

An diesem Beispiel zeigt sich, wie alle beteilig-ten Akteure von der internationalen Arbeitstei-lung profitieren. Metro Cash & Carry ist heutein 29 Ländern vertreten, darunter in China, In-dien, Pakistan und Vietnam. Für die Zukunftsind weitere Markteintritte geplant, so zumBeispiel in Ägypten.

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Weltwirtschaft am Scheideweg –Die großen Chancen offenerMärkte

Dr. Eckhard Cordes, Vorsitzender des Vorstandes Metro AG

Podium IPodium I

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Metro Cash & Carry ist in den aufstrebendenVolkswirtschaften ein enger Partner der lokalenWirtschaft. Annähernd 95 Prozent unseres Sor-timents werden von lokalen Produzenten undLieferanten bereitgestellt. Das gibt den vielenkleinen und mittelständischen Unternehmenin den Regionen einen enormen wirtschaftli-chen Schub – und schafft Arbeitsplätze. Aberinsbesondere unsere Kunden profitieren vonMetro Cash & Carry. Die angebotenen Produk-te sind meist günstiger, vor allem besser und ineiner größeren Vielfalt vorhanden als bei dentraditionellen Großhändlern. Darüber hinauskönnen wir eine dauerhafte Verfügbarkeit si-cherstellen. Restaurants, Hotels, Bars und tradi-tionelle Einzelhändler verbessern mit dem Be-zug ihrer Produkte von Metro Cash & Carry ent-scheidend ihre Wettbewerbsfähigkeit und öff-nen damit das Tor zu mehr Wachstum und zugrößerem Wohlstand.

Umgekehrt profitiert auch Metro Cash & Carryvon der Internationalisierung seines Geschäfts,da ein bewährtes standardisiertes Handelsfor-mat in zusätzlichen Märkten eingeführt wer-den kann. Das Unternehmen nutzt die sich bie-tenden Skaleneffekte und steigert dadurch sei-ne Profitabilität. Die positive Gesamtentwick-lung der Weltwirtschaft kann sicherlich nichtdarüber hinwegtäuschen, dass die Spreizungder Einkommen innerhalb Europas und der USAgrößer wird. Das gilt sowohl zwischen den Ar-beitseinkommen der Geringqualifizierten undGutausgebildeten als auch zwischen den Kapi-tal- und Arbeitseinkommen. Der Arbeitskosten-vorteil der Betriebe in Osteuropa und Asienmacht es den Unternehmen in Westeuropa undin den USA schwer, im Wettbewerb zu bestehen– insbesondere in der arbeitsintensiven Produk-tion. Dementsprechend groß sind die Anforde-rungen an die berufliche Anpassungsfähigkeitund Mobilität der betroffenen Berufsgruppensowie an die Flexibilität der Arbeitsmärkte.

Versuche, arbeitsintensive Branchen mit neuenHandelsbarrieren zu schützen, sind jedoch ver-fehlt. Mit protektionistischen Maßnahmen las-sen sich die Marktkräfte allenfalls kurzfristigaufhalten. Langfristig würde eine Politik desProtektionismus sowohl in den aufstrebendenVolkswirtschaften als auch in den Industrie-staaten erhebliche Schäden verursachen. In denSchwellenländern würde sich die Wirtschafts-dynamik verlangsamen. Die Importrestriktio-nen der Industriestaaten würden die Staaten inOsteuropa und Asien zwingen, die Nachfrage

nach Produkten aus den Industrieländern ein-zuschränken. Vor allem die großen Schwellen-länder dürften mit Gegenreaktionen antwor-ten. Dadurch würde sich das Verteilungspro-blem in den Industriestaaten nicht abmildern,voraussichtlich sogar noch verschärfen. Letzt-lich kann nur eine Anpassung der staatlichenTransfersysteme in den Industrieländern – vorallem in Kontinentaleuropa – und eine ernst ge-

meinte Bildungsoffensive eine Antwort auf dieHerausforderungen der Globalisierung sein. Beider Adjustierung der Steuer- und Abgabensys-teme gilt es, nicht die verschiedenen Interessen,also jene der Leistungserbringer und -empfän-ger gegeneinander auszuspielen. Die Kritik vonUnternehmen an zu hohen staatlichen Abga-ben ist genauso zu beachten wie die Sorge desHarz-IV-Empfängers, von der Gesellschaft aus-geschlossen zu werden. Reformbemühungensollten schnell wieder Schub bekommen undauch Systemwechsel ins Auge fassen. Das wäredas beste Mittel, um protektionistischen Ideenden Nährboden zu entziehen.

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Microsoft gehört sicher zu den GlobalPlayern im weltweiten Softwaremarktund der IT-Industrie. Und um es vor-

wegzunehmen: Wir sind auf offene Märkte an-gewiesen! Jede Form von Protektionismus wür-de Microsoft, unseren Mitarbeitern aber auchunseren weltweit rund 700.000 Partnerunter-nehmen und deren Mitarbeitern in über 100Ländern der Erde schaden. Die Alternative zu einem globalen und offenen Wettbewerb darfnicht ernsthaft lauten: Schotten dicht, Brückenhoch – und ab jetzt leben wir vom Protektionis-mus auf der Insel der Glückseligen.

Das gilt ganz besonders für eine Industrie- undExportnation wie Deutschland. Richtig ist aberauch: Der internationale Wettbewerb erreichtimmer mehr Bereiche unserer Gesellschaft. Dasspüren nicht nur unsere Milchbauern. Globa -lisierung ist längst nicht mehr nur ein Wett-kampf um Ressourcen und Talente, der zwi-schen Staaten und großen transnationalen Un-ternehmen ausgetragen wird. Es sind immermehr die kleinen und mittleren Unternehmenund sogar jeder Einzelne von uns, die in einemweltweiten Wettbewerb miteinander stehen.

Aus meiner Sicht besteht eine wichtige Aufga-be darin, diese Unternehmen und Menschenim internationalen Wettbewerb und bei denHerausforderungen des Informationszeitaltersbesser zu unterstützen. Das betrifft Themenwie Innovationsfähigkeit und vor allem auchQualifikation.

Bill Gates hat einmal sinngemäß gesagt: „Frü-her hat deine Herkunft maßgeblich über deineChancen auf ein besseres Leben entschieden.Heute gilt: Es ist vor allem der Zugang zu Bil-dung, technologischen Fähigkeiten und einUmfeld, das Unternehmertum fördert, wasüber die Zukunftschancen entscheidet.“

Deshalb ist auch die Frage legitim, warum sichausgerechnet ein Global Player wie Microsoftmit mittelständischen und kleinen Unterneh-men beschäftigt. Warum macht sich ein GroßerGedanken um die Kleinen? Die Antwort ist imGrunde ganz einfach. Unser globales Geschäfts-modell funktioniert nur lokal. Es ist abhängigvon unserer Präsenz vor Ort und unseren Part-nern in den einzelnen Ländern. Microsoft gibt esin Deutschland ziemlich genau seit 25 Jahren.

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Achim Berg, Vorsitzender der Geschäftsführung, Microsoft Deutschland GmbH

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Mittlerweile beschäftigen wir rund 3.000 Mit-arbeiter an sieben Standorten. Doch unser Er -folg in Deutschland hängt maßgeblich an mehrals 30.000 Partnern in Deutschland mit mehrals 100.000 Beschäftigten, die sich mit unserenProdukten beschäftigen. Das sind überwiegendkleine und mittelständische Unternehmen. DasInteressante daran ist, dass jedem Euro Umsatz,den wir bei Microsoft machen, sieben Euro Um-satz beim Mittelstand gegenüberstehen. Dasheißt: Der Umsatz mit Microsoftprodukten imengeren Sinne generiert einen siebenmal so hohen Umsatz bei unseren Partnern.

Weltweiter Wettbewerb basiert bei Microsoftauf einer globalen Strategie, die ohne lokalesEn gagement nicht auskommt. Unser Ge -schäfts modell ist, wenn man es mit einemKunst wort ausdrücken will, „glocal“. Alsogleichzeitig global und lokal. Das eine gehtnicht ohne das andere. Wir haben deshalb einvitales Interesse an der Wettbewerbsfähigkeitdes Standortes Deutschland. Das gilt natürlichbesonders für die Branche der Informations-technologie und Telekommunikation mit etwa800.000 Beschäftigten und mehr als 140 Mil -liarden € Umsatz.

Es geht um eine sehr schnelllebige Branche.Markterfolg, gerade auch im globalen Maß stab,hängt insbesondere von zwei wichtigen Fakto-ren ab: Qualifikation der Mitarbeiter und – da-raus resultierend – die Innovationskraft der Un-ternehmen. Wenn ich gefragt werde, ob Googleoder Apple unser größter Konkurrent ist, kannich nur antworten: Unser vielleicht wichtigsterKonkurrent sitzt möglicherweise gerade in einer Mensa und trinkt einen Cappuccino. Über-trieben? Keineswegs. Vor zehn Jahren war Goo-gle noch eine Idee, 2004 richtete ein Harvard-Student für seine Kommilitonen aus Spaß einevirtuelle Pinnwand namens „Facebook“ ein. Diese virtuelle Pinnwand ist heute geschätzte15Milliarden Dollar wert. An solchen Beispielenerkennt man, wie schnelllebig die Branche ist.

Wie steht es um die Innovationskraft Deutsch-lands? Glaubt man dem Ausland, sieht es hiersehr gut aus. Nach einer aktuellen Studie vonErnst & Young ist Deutschland der innovativs-te Standort in Europa. Das sagen rund tausendbefragte Unternehmen. Weltweit liegen wir da-mit auf dem dritten Platz hinter den USA undChina, aber noch vor Japan und Indien. Dasklingt sehr gut, hat aber einen Haken: Denn dieStudie sagt auch, dass Deutschland zwar Erfin-

der hat, aber nicht genug Unternehmer. Mantraut den Deutschen einfach nicht den nötigenUnternehmergeist zu. Das gilt besonders fürwichtige Innovationen im Hightech-Sektor –die Beispiele MP3-Player, Faxgerät und CD sindbekannt. Die Produkte wurden in Deutschlandentwickelt, sind aber nie von Deutschen so ver-marktet worden, dass wir daraus großen wirt-schaftlichen Nutzen gezogen hätten.

Ist es also wahr, dass wir in Deutschland, gera-de im Hightech-Sektor, nicht genug Unterneh-men und Gründer haben? Wir haben uns dasetwas genauer angeschaut, und dazu mit demZentrum für Europäische Wirtschaftsforschung(ZEW) kürzlich eine Studie veröffentlicht. Ergeb-nis: Es gibt zwar sehr wohl eine Art „Innovati-onsgen“ in Deutschland, aber das gilt es auchzu fördern und zu entwickeln.

Erstmals seit Jahren wurden in Deutschlandzwar wieder mehr High-Tech Unternehmen ge-gründet als in den Vorjahren. Das ist erfreulich!Und trotzdem: Damit liegen wir immer nochdeutlich unter dem Niveau des Jahres 1995.

Wir hatten 2007 etwa 19.200 Hightech-Unter-nehmensgründungen in Deutschland. LautMcKinsey Studie „Deutschland 2020“ benötig-ten wir jährlich etwa 30.000 technologieorien-tierte Gründungen, um zum weltweiten Inno-vationsführer aufzusteigen. Durch diese Tech-nologiefirmen könnten bis 2020 zwischen 3,5und sieben Millionen Jobs entstehen.

Ob die Zahlen nun so zutreffen oder nicht – einsist jedenfalls sicher: Besonders Hightech-Grün-dungen sind wichtig für Deutschland. Von ih-nen können nachhaltige Impulse für die Wirt-schaft ausgehen. Dabei dürfen wir aber auchnicht einfach die jungen Unternehmer sichselbst überlassen. Offene Märkte darf nicht nurheißen, dass jeder seines Glückes Schmied ist.Es hat nach meiner Auffassung nichts mit Pro-tektionismus zu tun, wenn man die heimi-schen Pflanzen besonders gut hegt und pflegt.Kurzum: Der Weg von der technischen Ideeüber die Innovation bis hin zur Unternehmens-gründung muss noch stärker begleitet werden.Dieser Aufgabe müssen sich Politik und Wirt-schaft gleichermaßen stellen.

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang dasEngagement der Politik, das geistige Eigentum

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Der Weg von der technischen Idee über die Innovation bis hin zurUnternehmensgründung muss noch stärker begleitet werden

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dieser Unternehmen besser zu schützen. Ich se-he derzeit aber auch die Gefahr, dass das ThemaInnovation und Wachstum kurioserweise anBedeutung verliert, gerade weil wir uns in ei-ner Aufschwungphase befinden. Derzeit machtsich zunehmend das Gefühl breit, dass allesdoch auch so irgendwie läuft, also ohne weite-re Anstrengungen. Dem ist aber nicht so. Diedeutsche Wirtschaft bleibt nur mit Innovatio-nen wettbewerbsfähig. Der Hightech-Sektorspielt dabei eine Schlüsselrolle.

Deshalb sehe ich drei zentrale Aufgaben. Dieersten beiden betreffen die Politik, die letzte dieWirtschaft.

Um die Wachstumsphase von Technologieun-ternehmen zu fördern, benötigen wir – erstens– dringend ein neues Private-Equity-Gesetz, dasden Venture-Capital-Markt belebt. Das Problemder Start-ups ist, dass zwar gute Ideen da sind,aber oft das Geld fehlt. Dass wir mit Venture Ca-pital ein Problem haben, sieht man im Vergleichmit anderen Ländern. Ich denke an Großbritan-nien oder Frankreich, die hier deutlich besseraufgestellt sind. In Großbritannien ist viermalmehr Venture Capital auf dem Markt als inDeutschland, in Frankreich immerhin noch dop-pelt so viel. Da muss hier also irgendetwas falschlaufen. Wir sind, wenn man die Zahlen auf dieAnzahl der Einwohner umrechnet, weltweit nurauf Platz 14. Hier fehlen wichtige Impulse.

Zweitens: Wir haben in Deutschland keine nen-nenswerte Business-Angel-Kultur wie zum Bei-spiel in den USA. In den Vereinigten Staatengibt es 240.000 Business Angels. In Deutsch-land gibt es Schätzungen zufolge nur zwischen2.000 und 3.400. Auch dieser wichtige Impulswird in Deutschland nicht gefördert.

Ich möchte aber nicht nur auf die Politik schau-en, sondern auch auf die Wirtschaft. Auch dieUnternehmen müssen eine aktive Rolle über-nehmen. Wir haben gerade in den letzten Mo-naten auch bei Microsoft noch einmal deutlichgemacht, dass sich zu wenige große Unterneh-men bewusst mit Start-ups beschäftigen. Wirhaben gemeinsam mit Partnern ein Programmaufgesetzt, mit dem Titel „Unternimm was“.Hier geht es nicht primär um Geld. Es geht vorallem um die technische Unterstützung vonProdukten, um Unterstützung bei Vertrieb undMarketing, um die Vermittlung von Kontaktenzu unseren Partnern. Dies sind besonders wich-tige Schlüssel für den Markterfolg junger Un-ternehmen.

Wenn man sich mit jungen Unternehmern un-terhält, erfährt man auch, dass es in erster Linienicht unbedingt nur an Geld oder Unterstüt-zung fehlt, sondern der Fachkräftemangel in-zwischen das wohl größte Problem ist. Wir ha-ben in der deutschen IT-Industrie mittlerweileeinen großen Fachkräftemangel. Es gibt über40.000 offene Stellen. Wir haben jedes Jahr abernur 14.000 Universitätsabgänger im Bereich In-formatik. Zum Vergleich: In Indien sind es75.000. Es kommt also nicht genügend Nach-wuchs nach. Wir kommen bei diesem Themanicht richtig weiter. Die Wirtschaft muss dasThema gemeinsam mit der Politik angehen. Fürein Unternehmen wie Microsoft ist das Problemnicht so groß wie für andere. Wir haben genugNachwuchs, wir haben ausreichend Bewerber,die bei uns arbeiten wollen, weil wir ein sehr be-liebter Arbeitgeber sind. Aber für kleinere Un-ternehmen gibt es enorme Probleme. Vor allemSoftwareentwickler, IT-Manager und IT-Projekt-manager fehlen. Sie sind nicht auf dem Marktvorhanden. Der globale Wettbewerb wird daherauch mehr und mehr an den Hochschulen aus-getragen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: OffeneMärkte sind keine Bedrohung, sondern für dieExportnation Deutschland eine Chance fürmehr Wachstum und Arbeitsplätze. Qualifikati-on und Innovationskraft gehören zu den wich-tigsten Standortfaktoren. Deutschland hat alleVoraussetzungen, in wichtigen Wachstumsfel-dern wie der IT- und Kommunikationsbrancheeine führende Rolle zu spielen. Politik und Wirt-schaft können besonders im Hightechsektordurch weitere Maßnahmen noch wichtige Ver-besserungen speziell für Unternehmensgrün-der erreichen. �

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Deutschland gehört zu den Ländern, dievon der weltwirtschaftlichen Integrationeinschließlich der europäischen Integra-

tion am stärksten profitieren. Das zeigen unse-re Außenhandelszahlen: Im vergangenen Jahrimportierte Deutschland Waren und Dienst -leistungen im Wert von 962,2 Milliarden € undlieferte Waren und Dienstleistungen im Wertvon 1.133 Milliarden € an das Ausland. Unsere Exportquote beträgt 46,8 Prozent, die Import-quote 39,7 Prozent. Seit Mitte der fünf ziger Jah-re exportiert Deutschland mehr als es impor-tiert – und seit 2003 sind wir Exportweltmeister.

Die große internationale Verflechtung derdeutschen Wirtschaft zeigt sich auch an denDaten zu den grenzüberschreitenden Direktin-vestitionen. Deutschland gehört zu den wich-tigsten Zielländern für Investitionen aus demAusland und gleichzeitig zu den größten Her-kunftsländern von Investitionen in anderenLändern. Die Integration in die Weltwirtschafthat viele Vorteile für Unternehmen und Bürger.Sie ermöglicht es den Unternehmen, Effizienz-gewinne durch Spezialisierung und Arbeitstei-lung zu realisieren und eröffnet ihnen neue In-

vestitionsperspektiven. Sie erhöht den Wettbe-werb und trägt so zu einem besser an den Kun-denwünschen ausgerichteten Angebot sowiebeschleunigtem technischem Fortschritt bei.Konsumentinnen und Konsumenten profitie-ren von einem erweiterten Güterangebot beigünstigeren Preisen.

Protektionismus kann für Deutschland mithinkeine Alternative sein. Eine Abschottung derMärkte würde unser Wachstums- und Wohl-standspotenzial deutlich verringern. OffeneMärkte sind die Grundlage für den Erfolg unse-rer Volkswirtschaft. Daher setzt sich die Bun-desregierung auf internationaler Ebene imRahmen der G8, der WTO und der OECD dafürein, dass Märkte geöffnet werden und offenbleiben. Die Weltwirtschaft hat sich in den ver-gangenen 15 Jahren durch technologischenFortschritt und durch neue schnell wachsendeWettbewerber wie China und Indien entschei-dend verändert. Das Tempo der weltwirtschaft-lichen Arbeitsteilung ist gestiegen, der Wettbe-werb intensiver geworden. Diese veränderte

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Dr. Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundesministeriumfür Wirtschaft und Technologie

Offene Märkte sind die Grundlage für den Erfolg unserer Volkswirtschaft

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weltwirtschaftliche Situation erfordert eineWeiterentwicklung der Spielregeln für das in-ternationale Miteinander. Tragfähige Lösungensind hier jedoch ohne die Schwellenländernicht denkbar. Deshalb hat die Bundesregie-rung die G8-Präsidentschaft im vergangenenJahr dazu genutzt, einen Beitrag zur Stärkungder gemeinsamen Verantwortung der Indus-trie- und Schwellenländer für globale Fragen zuleisten. Im Rahmen des mit fünf großenSchwellenländern vereinbarten Dialogs spieltunter anderem die Frage nach den weltweitenInvestitionsbedingungen eine wichtige Rolle.Dieser so genannte Heiligendamm-Prozess istmittlerweile auf gutem Weg.

Die Bundesregierung unterstützt auch die Ar-beiten des IWF und der OECD zu „best practi-ces“ für Staatsfonds und zu Leitlinien für Emp-fängerländer von Staatsfondsinvestitionen. Siesetzt sich im Rahmen internationaler Organi-sationen für die Stärkung von Transparenz, Sta-bilität und Vertrauen auf den Finanzmärktenund im internationalen Kapitalverkehr ein.Auch bei der Frage nach der Ausgestaltung dernationalen Regeln für ausländische Investitio-nen ist für die Bundesregierung Offenheit vonhöchster Priorität. Mit der derzeit vorgesehe-nen Änderung des Außenwirtschaftsrechtszielt die Bundesregierung darauf ab, eine ange-messene Balance zwischen dem Interesse anoffenen Märkten für ausländische Direktinves-titionen und der staatlichen Pflicht zum Schutzder öffentlichen Ordnung und Sicherheit her-zustellen. Nur wenn die öffentliche Ordnungoder Sicherheit durch eine ausländische Direkt-investition gefährdet ist, kommt eine Prüfungin Betracht. Dies setzt voraus, dass die Investiti-on ein Grundinteresse der Gesellschaft als Gan-zes berührt. Das ist bei einer Investition in eineinzelnes Unternehmen nur in sehr seltenenAusnahmefällen denkbar.

Der Anwendungsbereich der Prüfungsmöglich-keit ist begrenzt, weil nur Investoren geprüftwerden, die mindestens 25 Prozent der Stimm-rechte eines deutschen Unternehmens erlan-gen. Häufig sind Investoren lediglich an weit-aus geringeren Anteilen interessiert. Bewusstwurde auf sektorspezifische Regeln verzichtet.Rechts- und Planungssicherheit für Investoren

sind essenziell für erfolgreiches wirtschaft -liches Handeln. Daher sind sehr kurze Fristenfür die Prüfung vorgesehen. Wenn innerhalbvon drei Monaten nach dem Erwerb keine Prü-fung eingeleitet wird, hat der Erwerb Bestand.Eine etwaige Prüfung muss binnen zwei Mona-ten nach Übermittlung der relevanten Unter -lagen mit einer Entscheidung über eine Unter-sagung oder Anordnung abgeschlossen wer-den. In einem solchen Falle ist die Zustimmungder Bundesregierung erforderlich. Ergeht biszum Ablauf der Prüf- und Untersagungsfristenkeine Entscheidung, ist eine Einflussnahmeausgeschlossen. Der Gesetzentwurf sieht somithohe gesetzliche Hürden für die Überprüfungvon Investitionsentscheidungen vor. Damit be-kräftigt die Bundesregierung ihr Bekenntnis zuoffenen Märkten und gegen Protektionismus.

Vor diesem Hintergrund hat auch der mög-lichst rasche Abschluss der WTO-Verhandlun-gen der Doha-Runde für die Bundesregierungnach wie vor handelspolitische Priorität. Wirwollen ein ausgewogenes Ergebnis über alleVerhandlungsbereiche mit Marktzugangsver-besserungen bei Industriegütern und Dienst-leistungen. Das jüngste WTO-Ministertreffen inGenf bot die große Chance, die Grundlagen füreinen Abschluss der Doha-Runde in diesemJahr zu legen. Doch leider wurde diese Chancenicht genutzt, obwohl man sich, wie EU-Kom-missar Mandelson betonte, in 95 Prozent der of-fenen Fragen bereits weitgehend einig war. DieBundesregierung wird deshalb darauf drän-gen, dass möglichst bald die Verhandlungenzur Doha-Runde fortgesetzt werden. FürDeutschland, mit seiner starken und vielfachmittelständisch geprägten Exportwirtschaft, istletztlich das multilaterale Handelssystem nachwie vor die beste Lösung für weltweite Markt-öffnung. Unser Ziel werden weiterhin Marktzu-gangsverbesserungen für Industriegüter undDienstleistungen sein. Sie machen mehr als 90Prozent des Welthandels aus; Agrar güter tragennur etwa sieben Prozent dazu bei. Die nächstenWochen werden zeigen, wie sich die Verhand-lungen zur Doha-Runde weiterentwickeln wer-den. Ein zügiger Abschluss der Doha-Runde wä-re zum Nutzen aller Beteiligten. Insbesonderesind schon etliche Verständigungen zu Guns-ten der Entwicklungsländer erreicht worden. Sowürde ein erfolgreicher Abschluss der Rundeauch einen Beitrag zur Verbesserung der Nah-rungsmittelversorgung in den ärmsten Län-dern leisten, indem Handelsverzerrungen ab-gebaut werden. �

32 Dokumentation Wirtschaftstag

Bei der Ausgestaltung der nationalen Regelnfür ausländische Investitionen ist für die BundesregierungOffenheit von höchster Priorität

Unser Ziel werden weiterhin Marktzugangsverbesserungen für Industriegüter und Dienstleistungen sein

Page 35: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Die OECD unterstützt offene Märkte. DieEntscheidung für oder gegen offeneMärkte ist zwar letztlich eine politische,

doch Ökonomen können die Politik beraten.Neuere wissenschaftliche Arbeiten der OECDbelegen, dass ein liberales Welthandelssystemund freier Kapitalverkehr in der Summe maß-gebliche Wohlfahrtsgewinne bringen. Deshalbunterstützt die OECD offene Märkte. Weil auchstets die Gefahr besteht, dass frühere Handels-liberalisierungen zurückgedreht werden,warnt die OECD auch eindringlich vor einemWiedererstarken des Protektionismus.

Man muss zugleich allerdings konzidieren, dassdie Wohlfahrtsgewinne der Handelsliberalisie-rung und des freien Kapitalverkehrs nicht über-all gleich verteilt sind. Das gilt sowohl inner-halb einzelner Nationen als auch für die Vertei-lung ökonomischer Vorteile zwischen den Staa-ten. Manchmal dauert es zudem eine Weile, bissich die Wohlfahrtsgewinne einer Liberalisie-rung materiell konkret bemerkbar machen. Tei-len der Bevölkerung wird durch die Globalisie-

rung und offene Märkte viel abverlangt. Die An-passungskosten – welche sich in dem Verfallbranchenspezifischer Fachkenntnisse und inArbeitsplatzverlusten manifestieren können –sind mitunter hoch. Aber vernichten liberaleMärkte Einkommen und Arbeitsplätze? Nein,nach unseren Erkenntnissen trifft das Gegen-teil zu. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dassdie Globalisierung die Einkommen in den In-dustriestaaten in der Summe drückt. Wenndies in einzelnen Sektoren der Fall ist, könntedies auch ein Hinweis darauf sein, dass die Be-zahlung zuvor in einem wettbewerbsarmenUmfeld gemessen an der Produktivität zu hochwar.

Der Prozess der Globalisierung geht immerschneller voran. Auch die Natur der Globalisie-rung hat sich verändert, lange bestehendeStrukturen unterliegen einem rasanten undnachhaltigen Veränderungsprozess. Nach einerStudie der OECD korrelieren zehn Prozent Zu-

33Dokumentation Wirtschaftstag

Jørgen Elmeskov, Amtierender Chefökonom der OECD

Jørgen Elmeskov

Lange bestehende Strukturen unterliegeneinem rasanten und nachhaltigen Veränderungsprozess

Podiumsdiskussion

Page 36: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

wachs beim Handel mit vier Prozent höherenEinkommen für die Bevölkerung. Ähnliches giltfür offene Kapitalmärkte. Für Direktinvestitio-nen konnten wir ebenfalls einen spürbaren po-sitiven Einkommenseffekt feststellen. Umgangmit Globalisierung bedeutet Umgang mit Ver-änderung. Die OECD hat untersucht, wie Staa-ten mit den neuen Herausforderungen am bes-ten umgehen sollten. Mit Blick auf die Arbeits-märkte haben sich das skandinavische und dasangelsächsische Modell als überlegen erwie-sen. Sie zeichnen sich vor allem durch ein hohesMaß an Flexibilität und innovative Volkswirt-schaften aus. Wichtig ist auch eine kohärentewirtschaftspolitische Gesamtstrategie. Protek-tionismus ist nicht die richtige Antwort auf dieGlobalisierung. Für die Politik sollte es viel

mehr darum gehen, die Anpassungslasten,welche dynamische Märkte bei den betroffe-nen Arbeitnehmern hervorrufen, etwa durchWeiterbildung abzumildern.

Viele Menschen in Deutschland habenAngst vor sozialem Abstieg infolge derGlobalisierung. Diese Angst hat in jün-

gerer Zeit in der Politik umso mehr einen Reso-nanzboden gefunden, als zunehmend auch dieMittelschicht verunsichert ist. Diese Sorgenmüssen ernst genommen werden, damit sichPopulismus und Protektionismus nicht weiterausbreiten können und das politische Handelnbestimmen.

Die bürgerliche Mittelschicht trägt wesentlichzum Funktionieren von Wirtschaft und Gesell-schaft bei. Sie stellt die Fachkräfte in den Unter-nehmen, zeichnet sich durch Leistungsbereit-schaft aus, sorgt für Kinder und engagiert sichbei deren Erziehung. Zugleich muss dieselbeBevölkerungsgruppe aber auch feststellen,

dass der Staat immer tiefer in ihre Taschengreift und Anstrengungen sich immer wenigerlohnen. Allein durch die kalte Progressionnimmt der Staat als Inflationsgewinner jedesJahr über drei Milliarden € mehr von seinenBürgern ein. Dem Spitzensteuersatz unterlie-gen heute Einkommensbezieher, die weit da-von entfernt sind, zu den Besserverdienendenzu zählen.

Darüber hinaus finanzieren die Arbeitnehmeraus der Mittelschicht und deren Arbeitgebermehr als die Hälfte aller Beiträge zur Sozialver-sicherung. Umgekehrt kappt der Sozialstaatseine oft wohlfeilen Leistungen gerade bei die-ser Gruppe. Die Halbierung des Sparerfreibe-trages, die kräftige Kürzung der Pendlerpau-schale in den letzten Jahren und die jetzt ge-planten Einschnitte bei der steuerlichen Ab-setzbarkeit der Elternbeiträge für private Schu-len sind dafür nur drei Beispiele.

Das Unbehagen der Bürger kann daher nichtverwundern. Unverantwortlich wäre aber, sichdamit abzufinden. Es sollte ein Alarmsignalsein, dass die Unzufriedenheit zunehmend inMisstrauen gegen unsere Marktwirtschaft um-schlägt. Wo Zweifel an der freiheitlichen Wirt-schaftsordnung wachsen, ist der Ruf nachstaatlichen Interventionen nicht weit. Damitdroht Deutschland immer tiefer in das Sama -riterdilemma des Sozialstaates zu geraten, dermit allzu viel Umverteilung den Menschennicht nachhaltig hilft, aber die Wirtschaft

34 Dokumentation Wirtschaftstag

Hermann-Josef Lamberti, Mitglied des Vorstands Deutsche Bank

Hermann-JosefLamberti

Podium IIn das Thema: „Weltwirtschaft am Scheideweg – OffeneMärkte versus Protektionismus“ führten ein: Dr. EckhardCordes, Vorstandsvorsitzender der Metro AG, Achim Berg,Vor sitzender der Geschäftsführung der MicrosoftDeutschland AG und Dr. Bernd Pfaffenbach, Staats se kre -tär im Bundesministerium für Wirtschaft und Techno -logie.Unter der Moderation von Henning Krumrey, Leiter derParlamentsredaktion Focus, diskutierten: Jørgen Elmes-kov, Amtierender Chefökonom der OECD; Hermann-JosefLamberti, Mitglied des Vorstands Deutsche Bank AG; Fred B. Irwin, Präsident American Chamber of Commerce.

Henning Krumrey

Page 37: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Die Finanzkrise hat das Misstrauen derMenschen gegenüber dem Kapitalismuserhöht. Weltweit diskutieren Aufsichts-

behörden, Finanzministerien und Zentralban-ken, wie das Finanzsystem krisenfester ge-macht werden kann. Allerdings ist die Gefahrgroß, dass staatliche Interventionen mehr scha-den als nutzen. Die positiven Wirkungen einesfreien Finanzmarktes könnten eingeengt wer-den. Das bedeutet dann aber auch: Weniger In-novationen, weniger Risikobereitschaft undeben auch weniger Wachstum für die Weltwirt-schaft. Die starke Rolle des Dollar schwächt sichweiter ab. Das Wachstum der USA wird unterseinem Potenzial bleiben.

Mit Blick auf die Immobilienkrise ist es wahr-scheinlich, dass die Hauspreise noch eine Zeit

lang weiter fallen. Die Vermögen vieler US-Haushalte schmelzen dahin. Mehr Menschenkommen in finanzielle Schwierigkeiten. Bankenwerden die Kreditausfälle spüren. Die Finanzkri-se hat sich auf Hypotheken mit besserer Bonitätausgeweitet und greift jetzt auch auf Kreditkar-ten, klassische Konsumentenkredite, Autofinan-zierungen und Firmendarlehen über. Die Ge -fahren steigender Ölpreise sind enorm. In ei-nem solchen Umfeld entsteht Politik gegen die Globalisierung und den freien Welthandel. Diegroße Aufgabe des nächsten US-Präsidentenwird sein, den wirtschaftlichen Anpassungs-prozess zu managen, ohne der WeltwirtschaftSchaden zuzufügen.

Staatsfonds sind auf politischer Ebene höchstumstritten. Dabei gilt: Staatsfonds sind nichts

35Dokumentation Wirtschaftstag

schädigt – und damit das Fundament unseresWohlstands untergräbt.

Wenn die Akzeptanz der freien Wirtschaft gesi-chert werden soll, müssen die sozialen Siche-rungssysteme mit ihrem Abgabensog zuerstauf den Prüfstand, denn hier zeigen sich be-denkliche Mängel. Das beginnt bei der heuti-gen Grundsicherung. Die Hartz-IV-Reform warökonomisch sinnvoll. Nicht ohne Grund aberempfinden es die Bürger heute als ungerecht,wenn der Staat sie im Fall längerer Arbeitslosig-keit selbst nach vielen Jahren im Beruf genau-so behandelt als hätten sie nie gearbeitet undSozialabgaben entrichtet.

Das Unbehagen über das Missverhältnis von ei-gener Leistung und staatlicher Gegenleistungresultiert aus einem kardinalen Webfehler derdeutschen Sozialversicherung. Wer währenddes Erwerbslebens nur ein geringes Einkom-men erzielt, weil er im Niedriglohnbereich ar-beitet oder längere Zeit arbeitslos ist, für densind die Sozialabgaben eine zusätzliche Straf-steuer. Sie schmälern das Nettoeinkommen,führen aber im Bedarfsfall nicht über den vomStaat allgemein gewährten Mindestsozial-schutz hinaus. Schlimmer noch: Die Sozialbei-träge vermindern die Beschäftigungschancender Betroffenen. Sie treiben die Arbeitskostengerade bei einfachen Waren und Diensten, dieohnehin latent von Abwanderung in Niedrig-lohnländer oder die Schattenwirtschaft be-

droht sind, kräftig in die Höhe. Im Ergebnis pro-duziert das Sozialsystem nicht mehr, sondernweniger soziale Sicherheit.

Protektionismus hat natürlich viele Gründe. Inden westlichen Staaten allerdings ist dieHaupttriebfeder die Angst vor dem Verlust vonArbeitsplätzen und Einkommen. Nach einerUntersuchung der Weltbank konzentriertensich Ende der neunziger Jahre noch rund

80 Prozent des globalen Wohlstands in den G7-Staaten. Im Jahr 2050 werden es nur noch etwa35 Prozent sein. Und dennoch: Deutschland war– zumindest bisher – einer der Hauptgewinnerder Globalisierung.

Fred B. Irwin, Präsident American Chamber of Commerce

Fred B. Irwin

Deutschland war – zumindest bisher –einer der Hauptgewinner der Globalisierung

Page 38: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Geheimnisvolles – und sie sind auch nichtsNeues. Staatsfonds haben sich in den vergan-genen Jahrzehnten als zuverlässige und unpro-blematische Investoren erwiesen. Die Haupt-aufgabe der mittlerweile mehr als 40 Staats-fonds ist die Risikodiversifizierung, da der wirt-schaftliche Erfolg vieler Staaten von wenigenFaktoren – meist den Rohstoffmärkten – ab-hängig ist. Bislang haben sich Staatsfonds aus-schließlich auf Minderheitsanteile an Großun-ternehmen beschränkt und keinen signifikan-ten Einfluss auf das operative Geschäft oder diePolitik fremder Staaten genommen. In der ak-tuellen Finanzkrise haben Staatsfonds mit ih-ren Investitionen zur Stabilisierung internatio-naler Investmentbanken beigetragen. Die USAverschärften vor kurzem die Hürden für auslän-dische Investoren – aus Furcht, Staaten wie China, Russland oder andere könnten maßgeb-lichen Einfluss auf sicherheitsrelevante In dus -trien und Technologien bekommen.

Auch die Bundesregierung in Deutschlandüberlegt, wie das finanzielle Engagement we-nig transparenter Staatsfonds in deutschenSchlüsselindustrien besser überwacht werdenkann. Aus Sicht der Wirtschaft sieht es indes soaus, dass viele Unternehmen die Investitionenausländischer Staatsfonds als neue alternativeFinanzierungsquelle begrüßen.

Wollen wir den Kurs unserer freiheitlichen Außenwirtschaftsordnung, der uns in den letz-ten Jahren so viel geholfen hat, weiterführen?Oder wollen wir – wie dies im Augenblick leider etwas dem internationalen Trend entspricht –

unser Land von der Globalisierung stärker ab-schotten und uns gegen Staatsfonds „schüt-zen“? Die Amerikanische Handelskammer inDeutschland verfolgt die Entwicklungen undDiskussionen zum Thema Staatsfonds auf-merksam. AmCham Germany schlägt vor, dasgeplante Gesetz zunächst auf fünf Jahre zu be-fristen und es gegebenenfalls nach dieser Fristzu novellieren. So verständlich das Verlangennach Schutz der öffentlichen Sicherheit und In-frastruktur ist, so stellen die Pläne der GroßenKoalition, das Außenwirtschaftsgesetz auszu-weiten, doch auch ein gewisses Risiko für dasInvestitionsklima dar. Ein frühzeitiges Ausräu-men eventueller Bedenken gegenüber Staats-fonds ist wichtig für die Wahrung eines positi-ven Investitionsklimas. Protektionismus würdeattraktive Investoren verprellen und den not-wendigen internationalen Kapitalfluss unnö-tig beschränken.

Wir schlagen ein gemeinsames europäischesVorgehen vor. Staatsfonds agieren weltweit, sodass multilaterale Lösungen vorteilhafter sindals nationale Maßnahmen. Ein nationaler Al-leingang Deutschlands könnte dazu führen,dass die Bundesrepublik für wichtige interna-tionale Investitionen an Attraktivität verliert.Daher sollten internationale Vereinbarungennationalen Alleingängen vorgezogen werden.Derzeit werden auf verschiedenen internatio-nalen Ebenen Verhaltensstandards gemeinsammit den betroffenen Staaten erarbeitet. Am-Cham Germany schlägt vor, dass Deutschlanddie internationalen Vereinbarungen mitträgtund zur Grundlage der eigenen Politik macht.

Deutschland braucht Investoren. Investitionensind die Voraussetzung für Arbeitsplätze undWohlstand. Wichtig ist, weiterhin offene Märk-te und Investitionsfreiheit zu gewährleisten.Die Botschaft muss lauten, dass Investitionenin diesem Land willkommen sind. Die grundle-gende Offenheit der deutschen Wirtschaft ge-genüber der Welt darf nicht aufs Spiel gesetztwerden. Deutschland ist Exportweltmeister.Wir können unsere Exporterlöse aber nur er-wirtschaften, wenn andere Länder ihre Märktefür unsere Produkte öffnen. Und diese werdendas nur tun, wenn auch wir unsere Märkte fürausländische Produkte offenhalten.

Wir müssen deshalb Regelungen finden, die diefortschreitende Globalisierung der Weltwirt-schaft nicht gefährden – sondern sie in die rich-tigen Bahnen lenkt. �

36 Dokumentation Wirtschaftstag

Protektionismus würde attraktive Investoren verprellen und den internationalen Kapitalfluss unnötig beschränken

Page 39: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Der Mittelstand ist der wichtigste Trägerdes deutschen Wirtschaftsaufschwungsin den vergangenen Jahren. Der Beschäf-

tigungsaufbau war ganz überwiegend eineLeistung der klassischen mittelständischen Un-ternehmen. Trotz gegenwärtig schwierigerkonjunktureller Umstände haben derzeit vorallem innovative Mittelständler gute Wachs-tumsperspektiven. Dementsprechend ist ihreGrundstimmung weiterhin positiv.

Rege Forschungstätigkeiten und die Bereit-schaft, Herausforderungen des strukturellenWandels anzunehmen, zahlen sich aus. Der Optimismus bei den Unternehmen ist auch einBeleg für die erreichten politischen Erfolge. DieQualität des Standorts Deutschland hat sich

durch die Unternehmensteuerreform der Gro-ßen Koalition erheblich verbessert. Mit anderenpolitischen Mehrheiten könnte hier aber nocheiniges mehr verbessert werden. Das gilt etwafür die Reform der Erbschaftsteuer. Deutsch-land ist nach Einschätzung von Ex pertengleichwohl bereits der attraktivste Standort inEuropa – und zugleich der innovativste.

Untersuchungen zeigen, dass die Konzentra -tion von Forschungsaktivitäten den Unterneh-men am Standort Deutschland Wettbewerbs-vorteile verschafft. Die Große Koalition hat denStandort nach vorne gebracht. Die Unterneh-mensteuerreform verbessert deutlich die steu-erliche Attraktivität des Standorts. Das giltauch für mittelständische Unternehmen. Sie

37Dokumentation Wirtschaftstag

Deutschland und sein Mittelstand: Leistungsträgerund InnovationsmotorVolker Kauder MdB, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Podium IIPodium II

Page 40: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

bringt eine Nettoentlastung von mehr als fünfMilliarden €. Verbessert wurden auch die recht-lichen Rahmenbedingungen für Wagniskapitalund Unternehmensbeteiligungen (Private-Equity-Gesetz). Die High-Tech-Strategie zur Ver-besserung der Rahmenbedingungen für deninnovativen Mittelstand (Einführung einer For-schungsprämie) ist ebenfalls von großem Vor-teil. Die Absenkung des Arbeitslosenversiche-rungsbeitrags von 6,5 Prozent auf 3,3 Prozentmit einer Entlastung von insgesamt 20 Milliar-den € fördert die Beschäftigung und entlastetArbeitgeber und Arbeitnehmer. Positiv zu er-wähnen ist ferner die Stabilisierung der Ren-tenversicherung und der Abbau belastenderBürokratie durch Mittelstandsentlastungs -gesetze.

Die Union erklärt den politischen Willen, nochverbleibende Vorhaben der Großen Koalitionim Interesse des Standorts Deutschland umzu-setzen. Dazu zählt die Erbschaftsteuerreform,die mittelstandsfreundlich gestaltet werdenmuss. Dazu gehört weiterer Bürokratieabbaudurch ein drittes Mittelstandsentlastungsge-setz, und dazu gehört unbedingt auch die Fort-führung der Konsolidierung des Bundeshaus-halts. Mit der „Föderalismusreform II“ strebenwir zudem die Einführung einer wirksamenSchuldengrenze im Grundgesetz an. Eine Neu-ordnung der Arbeitsmarktpolitik unter Ver-wirklichung von Kosteneinsparungen bleibtfür uns ebenfalls auf der Agenda.

Die Union wird darüber hinaus aber auch wei-tere Vorstellungen über erforderliche Reformen

und wirtschaftspolitische Konzepte deutlichmachen. Wir fordern ein klares Bekenntnis zumIndustriestandort Deutschland. Hochqualifi-zierte Dienstleistungsarbeitsplätze in Deutsch-land sind nur erreichbar und erhaltbar im Zu-sammenhang mit wettbewerbsfähigen Indus-trien.

Dazu zählen für mich auch energieintensive In-dustrien. Erforderlich ist hier ein marktorien-tierter Ansatz, nicht jedoch ein staatlich-dirigis-tischer Ansatz unter dem Deckmantel ökologi-scher Zielsetzungen. Zentrales Instrument istdie Sicherung funktionierenden Wettbewerbs;die staatliche Förderung alternativer Energienmuss regelmäßig überprüft werden. Die Ver-besserung der Wachstumsperspektiven in be-stimmten wirtschaftlichen Bereichen ist aberauch durch gezielte Maßnahmen möglich: Be-kämpfung des Fachkräftemangels, Verbesse-rung der Breitbandinfrastrukturversorgung inländlichen Gebieten, Unterstützung der Aktivi-täten von Forschung und Entwicklung bei klei-neren und mittleren Unternehmen und geziel-te Forschungsförderung im Bereich Energie.

Wir müssen auch Perspektiven schaffen für eine steuerliche Entlastung in der Mitte der Be-völkerung. Nur die konsequente Fortsetzungder Haushaltskonsolidierung schafft eine soli-de Basis für dauerhafte Entlastungen. Arbeitmuss attraktiver gemacht werden – durch eineReduzierung der Schere zwischen Brutto undNetto. Wir haben einiges auf den Weg gebracht– und ich bin überzeugt davon, in der nächstenLegislaturperiode können wir in einer anderenKonstellation manches noch besser machen,was jetzt nicht gelungen ist.

38 Dokumentation Wirtschaftstag

Wir müssen Perspektiven schaffen für einesteuerliche Entlastung in der Mitte der Bevölkerung

Page 41: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Der Mittelstand ist der eigentliche Innova-tionsmotor Deutschlands – diese Aussa-ge klingt zwar sehr gut, sie zeigt aber lei-

der nur die halbe Wahrheit. Wir müssen unter-scheiden zwischen Innovation und Forschung.Unter Innovation verstehe ich eine kurz- bis mit-telfristige Umwandlung von Wissen in Geld. Dasbedeutet, ein Unternehmen setzt sein Know-how und seine Kompetenzen ein, um ein mög-lichst erfolgreiches marktfähiges Produkt zuentwickeln und schließlich zu vertreiben.

Forschung hingegen ist wesentlich langfristigerangelegt und stellt, wenn man so will, die Um-wandlung von Geld in Wissen dar. Die Basis hier-für wird häufig in unseren Universitäten undForschungsinstituten gelegt oder erfolgt zumin-dest in Kooperation mit diesen. Forschung imSinne einer echten Grundlagenforschung wer-den wir bei klein- und mittelständischen Unter-nehmen kaum finden, da ihnen hierzu meist derfinanzielle Rückhalt und auch das Volumenfehlt. Innovationen, und damit neuartige, aufdie Kundenbedürfnisse abgestimmte Produktefinden wir dagegen sehr wohl bei klein- und mit-telständischen Unternehmen. Zum Teil könnendiese – aufgrund ihrer schlanken und flexiblen

Strukturen – sogar schneller auf einen Marktbe-darf reagieren als ein globales Großunterneh-men. Entscheidend ist an dieser Stelle also nichtdas „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“. Wir brauchen globale Großunternehmen,ihre Finanzstrukturen und ihre Erfahrungen beider Marktbeobachtung. Wir brauchen ihre Er-fahrungen bei der Globalisierung und nicht zu-letzt auch ihre Fähigkeit und Kapazität, langfris-tig und strategisch zu denken und zu handeln.

Wir brauchen aber genauso kleine und mittel-ständische Unternehmen, bei denen der Unter-nehmer oft gleichzeitig Eigner ist. Einige dieserUnternehmen entwickeln sich in Zukunft viel-leicht zu einem globalen Großunternehmen. Ak-tuelle Beispiele hierfür findet man in der Solar -industrie: Conergy etwa wurde 1998 gegründetund ist heute mit mehr als 700 Millionen € dasumsatzstärkste Solarunternehmen Euro pas.Oder Google: Ebenfalls 1998 gegründet, machtGoogle heute einen Jahresumsatz von mehr als16 Milliarden Dollar.

Um den Innovationsmotor und unsere universi-täre Forschungslandschaft in Gang zu halten, istder Austausch zwischen den Unternehmen der

39Dokumentation Wirtschaftstag

Dr. Dr.-Ing. Michael Mertin, Vorsitzender des Vorstands Jenoptik AG

Page 42: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

verschiedenen Größenordnungen ausgespro-chen wichtig. Die Vernetzung zwischen demlangfristigen Handeln der Großunternehmenund dem kurzfristigen flexiblen Agieren derKMUs zum einen und der Verknüpfung von For-schung und Innovation zum anderen stellen dieGrundlage für die Herausbildung einer Leucht-turmregion dar. Im Zuge der Globalisierung wer-den die so genannten Emerging Markets vonMittelständlern häufig nicht nur als verlängerteWerkbank mit niedrigen Löhnen genutzt, son-dern ganz überwiegend als Absatzmärkte von inDeutschland hergestellten Produkten. Dadurchsichern wir Arbeitsplätze am Standort Deutsch-land oder bauen sie sogar aus. Jenoptik hat inden letzten fünf Jahren seine Belegschaft in denheutigen Kernbereichen von 2.290 auf 3.400Mitarbeiter ausgebaut. Dabei wurden 675 Ar-beitsplätze in Deutschland und 446 im Auslandaufgebaut oder durch Akquisitionen hinzu -gefügt.

Wie viele andere Mittelständler haben wir da-mit – absolut gesehen – mehr Arbeitsplätze inDeutschland als im Ausland geschaffen, auchwenn relativ gesehen das Wachstum im Auslandgrößer ist. Aber ohne diesen überproportionalenAufbau im Ausland wird es Deutschland auchnicht gelingen, weiter Exportweltmeister zubleiben. Die notwendige Er schlie ßung immerneuer ausländischer Märkte und der offenereUmgang mit globalen Märkten stellt eine großeHerausforderung für uns Mittelständler dar: Wirmüssen eine internationale Kultur im Unterneh-men verankern. Dazu gehört neben dem Ausbauder reinen Fremdsprachen-Kompetenzen derBelegschaft auch die Ausbildung von Kompeten-zen im interkulturellen Management, die auchdie verstärkte Förderung ausländischer Fach-und Führungskräfte mit einbezieht. Da bildetdie Jenoptik keine Ausnahme.

Es gibt meines Erachtens gute Beispiele in denNiederlanden oder bei den skandinavischenLändern, von denen Deutschland und die deut-schen Unternehmen noch etwas lernen können.Aufgrund der geringeren Größe sind diese Län-der viel stärker gezwungen, sich international zuorientieren. Das beginnt bei der fehlenden Syn-chronisation ihrer Spielfilme und endet bei derbegrenzten nationalen Marktgröße.

Ein gutes Instrument zur Förderung dieses Mit-einanders stellt nach meiner Auffassung derzeitdie Clusterinitiative des Bundesministeriums

für Bildung und Forschung dar. Die klassischestaatliche Förderung von Forschung und Ent-wicklung orientierte sich bisher zwangsläufigan der Forschung in einem sehr frühen Stadium.Eine gezielte und steuernde Erfolgskontrolle warnahezu nicht möglich und auch nicht sinnvoll.Die Clusterinitiativen greifen diesen Schwach-punkt auf und fördern gezielter einzelne The-menschwerpunkte und zusätzlich das Miteinan-der zwischen den Unternehmen verschiedensterGrößen.

Durch die gezielte Förderung der Zusammenar-beit von kleinen und mittleren Unternehmen,Großunternehmen, Universitäten und For-schungseinrichtungen wird die Vernetzung ge-stärkt, so werden kritische Lerneffekte ermög-licht. In der Tendenz ist damit eine marktgerech-tere Ausrichtung aller Akteure möglich, wo-durch sich der wirtschaftliche Wirkungsgrad derstaatlichen Förderung deutlich erhöhen kann.Dies darf nicht als Credo für „mehr Staat“ miss-verstanden werden, sondern muss vielmehr alsCredo für einen „Staat an der richtigen Stelle“begriffen werden.

Aufgabe des Staates ist die Schaffung von Rahmenbedingungen und Grundlagen für dieMarkt wirtschaft. Er übernimmt damit die Rolleeines „Enablers“. Die Leistungsfähigkeit des Mit-telstandes könnte von der Politik durch den fäl-ligen Abbau von Überregulierung noch enormgesteigert werden. Laut Bundeswirtschafts -ministerium wenden kleine und mittlere Unter-nehmen (KMU) schätzungsweise vier bis sechsProzent ihres Umsatzes allein für Bürokratie auf.Sie werden dadurch nach Einschätzung desWirtschaftsressorts „in ihrem Wachstum und ihrer Innovationskraft und damit auch bei derSchaffung von Arbeitsplätzen gebremst.“

Eine fundamentale Vereinfachung des Steuer-rechts, wie sie Paul Kirchhof vorschlägt, wärenach meiner Auffassung eine enorme Erleichte-rung für die Unternehmen. Die kleinen und mit-telständischen Unternehmen würden von einerVereinfachung am meisten profitieren. Und da-bei muss sich das Gesamtsteueraufkommen fürden Staat noch nicht einmal reduzieren. In unse-rem Hause sind allein fünf Vollzeitmitarbeitermit der Abgabe von Steuererklärungen und derSteuerprüfung beschäftigt. Damit will ich michnicht abfinden. Diese fünf Mitarbeiter könntensich besser um unsere Kunden in aller Welt küm-mern – und mithelfen, das Wirtschaftswachs-tum in unserem Land zu sichern. �

40 Dokumentation Wirtschaftstag

Aufgabe des Staates ist die Schaffung von Rahmenbedingungen

Page 43: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Nach gemeinhin anerkannten Defini -tionsmerkmalen gibt es in Deutschlandrund drei Millionen mittelständische

Unternehmen. Das sind 92,7 Prozent aller um -satzsteuerpflichtigen Firmen. Sie tätigen48,8 Prozent aller steuerpflichtigen Umsätzeund rund 47 Prozent aller Investitionen. Sie be-schäftigen überdies rund 70 Prozent aller Mit-arbeiter und bilden 82 Prozent aller Lehrlingeaus. Ihre Bruttowertschöpfung beläuft sich auf49 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Die qualitative Definition des Mittelstandsgeht dabei sogar noch weit über die quantita-tive hinaus. Hier wird häufig von der Identitätzwischen Unternehmen und Unternehmerngesprochen, die wirtschaftliche Existenz des Eigentümers und seiner Familie ist mithingleichbedeutend mit der wirtschaftlichen Exis-tenz des Unternehmens.

Gesellschafterunternehmen haben mehrereWettbewerbsvorteile. Bessere Kundenorientie-

rung, höhere Innovations- und Risikobereit-schaft sowie eine nachhaltigere Wirtschaftsak-tivität. Kennzeichnend für mittelständischeUnternehmen sind ferner flache Hierarchienund die bessere persönliche Einbindung in dieBeschäftigtenstruktur. Zugleich kann man fest-stellen, dass die Bindung von Personen zumUnternehmen und die Bindung von Beschäftig-ten zum Kunden in der Regel enger und inten-siver sind.

Legt man diese qualitativen Kriterien zugrun-de, ist Mittelstand weniger eine Frage der Grö-ßenordnung, sondern der Unternehmenskul-tur. Diese stützt sich auf flache Hierarchien –und ist damit unmittelbar dichter am Kundenund an den im Unternehmen ablaufenden Pro-zessen und am Markt orientiert. Gleichzeitigbewirkt eine differenzierte Segmentierung,auch von größeren Unternehmen, dass mehrUnternehmer im Unternehmen vorhandensind, die verschiedene Produktmarktsegmentevorantreiben.

41Dokumentation Wirtschaftstag

PodiumsdiskussionDr. Hermann Niehues, Vorsitzender des Vorstands Rethmann AG & Co.

Hermann Niehues

Page 44: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Die Dynamik mittelständischer Unternehmenscheint in Expansionszeiten höher zu sein. Sokann man feststellen, dass sich in den Jahren2003 bis 2007 die Zahl der sozialversichungs-pflichtig Beschäftigten in mittelständischenUnternehmen bis 500 Mitarbeitern um 300.000erhöht hat. Großunternehmen haben in die-sem Zeitraum ihre Stammbelegschaften hinge-gen um 150.000 Arbeitnehmer verkleinert.Zwar beschäftigen Unternehmen mit wenigerals 500 Mitarbeitern nur jeden fünften in ei-nem Unternehmen tätigen Wissenschaftler –aber immerhin 57.000 Vollzeitforscher.

Die Innovationsfähigkeit des Mittelstands nachdiesem Kriterium zu behandeln ist allerdingsaus meiner Sicht sehr verkürzt, da viele Inhaberneben ihrer Tätigkeit als Unternehmer auchselbst der treibende Motor für Prozess- undProduktinnovationen sind.

Viele mittelständische Maschinenbauunter-nehmen leben nach wie vor von der Kreativitätder Inhaberunternehmer sowie von ihrer Ko-

operationsbereitschaft mit Kunden, auch mitUniversitätsinstituten und sonstigen For-schungseinrichtungen. Hier wird sehr oft einpersönliches Vertrauensverhältnis aufgebaut.

Die Internationalisierung des Mittelstands istinsbesondere in den größeren mittelständi-schen Unternehmen im produzierenden Ge-werbe sehr hoch. Sie liegt etwa bei 36 Prozent,bei größeren Unternehmen liegt sie bei knapp50 Prozent.

Für das Produzierende Gewerbe, den Han-del, das Gastgewerbe und andere Bran-chen zeigen Untersuchungen für das Jahr

2005, dass in Deutschland 99 Prozent aller Be-triebe zu den kleineren und mittleren Unter-nehmen (KMU) zählen. Fast 60 Prozent aller Beschäftigten sind für diese KMU tätig. Die

KMU erzielten nach Angaben des StatistischenBundesamtes nahezu 35 Prozent aller Umsätze,tätigten 40 Prozent der Bruttoinvestitionen inSachanlagen und erwirtschafteten 46 Prozentder gesamten Bruttowertschöpfung.

Die Region Stuttgart ist nach einer Studie vonEurostat unter den Top drei im EuropäischenVergleich. Fast 20 Prozent aller Beschäftigtenarbeiten hier in Mittel- und Hochtechnologie-betrieben. 40 Prozent der „Think Tanks“ sind inBaden-Württemberg ansässig. Zehn Prozentder Mitarbeiter der Lapp-Gruppe sind im Be-reich Forschung und Entwicklung (FuE) tätig.Ihr Budget beläuft sich auf fünf Prozent unse-res Umsatzes. Unser Ziel ist, 25 Prozent unsererErlöse mit Produkten zu generieren, die nichtälter sind als fünf Jahre.

Kooperationen bei Innovationen sind notwen-dig. Dies muss auch weit über den traditionel-len Weg mit Kunden und Lieferanten hinaus -gehen. Deutschland liegt im Durchschnitt der27 EU-Länder aber an vorletzter Stelle. Hier giltes, die vorhandenen Potenziale besser zu ver-

42 Dokumentation Wirtschaftstag

Andreas Lapp, Vorsitzender des Vorstands Lapp Holding AG

Podium IIIn das Thema: „Deutschland und sein Mittelstand – Leis-tungsträger und Innovationsmotor“ führten ein: VolkerKauder MdB, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion imDeutschen Bundestag und Dr. Michael Mertin, Vorsitzen-der des Vorstands Jenoptik AG.

Unter der Moderation von Daniel Goffart, RessortleiterPolitik/Wirtschaft des Handelsblatts, diskutierten: Dr. Her-mann Niehues, Vorsitzender des Vorstands Rethmann AG& Co.; Andreas Lapp, Vorsitzender des Vorstands LappHolding AG; Dr. Michael Fuchs MdB, Vorsitzender Parla-mentskreis Mittelstand, CDU/CSU-Fraktion im DeutschenBundestag; Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Vorsitzender desSachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung.

Daniel Goffart

Mittelstand: Weniger eine Frage der Größenordnung, als eine der Unternehmenskultur

Page 45: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

knüpfen – das gilt auch für den Bereich der öf-fentlich-privaten Zusammenarbeit.

Innovation ist als ganzheitliche Aufgabe zu be-greifen. Denn Innovationen müssen auch „ver-kauft“ werden, Fehlinvestitionen können Fir-men an den Rand des Ruins treiben. Die Orga-nisation muss deshalb so aufgestellt sein, dasses möglich ist, die Innovation schnellstmöglich,technisch geprüft und zu marktgerechten Prei-sen anzubieten. Dies kann am besten im Mit-telstand geschehen, weil er über die entspre-chende Flexibilität verfügt, um Innovationenauch auf den Markt zu bringen.

Der Mittelstand hat zudem auch eine sozialeVerantwortung. Lokal angesiedelt, Inhaber per-sönlich bekannt – dieser Verantwortung muss

man sich bewusst sein. Der Grundstein für For-schung und Entwicklung muss jedoch viel frü-her gelegt werden, nämlich bei den Kindern inder Schule. Die Entwicklung technischer Lö-sungskreativität muss bereits im Kindesaltervermittelt und ausgebaut werden.

Erschwert wird diese Entwicklung allerdingsdurch nicht vorhandene oder alte Ausstattungin den Schulen. Nach meiner Auffassung sindin den neuen Lehrplänen zu wenige technisch-wissenschaftliche Fächer enthalten. Die derzei-tigen Aktivitäten wie „Jugend forscht“, die„TecToYou“-Sonderhalle auf der Hannover Mes-se oder der Ideenpark von Thyssen Krupp müs-sen verstärkt werden. Hierfür gibt die Wirt-schaft allgemein, aber auch der Mittelstand imBesonderen punktuell zu wenig Geld aus.

43Dokumentation Wirtschaftstag

Einheitliche gesetzliche Mindestlöhne sindaus Sicht der Union abzulehnen. Die Tarif-hoheit sollte bei Arbeitgebern und Ge-

werkschaften bleiben. Wir müssen die Rah-menbedingungen so setzen, dass es nicht mög-lich ist, einen Tarifvertrag durch einen anderenauszuhebeln. Es kann nicht sein, dass ein grö-ßerer einen kleineren Tarifvertrag aushebelt.Wenn es Bereiche gibt, in denen Tarifverträgevorhanden sind, sollen die das regeln. Es istnicht die Aufgabe der Politik, die Funktionender Tarifpartner wahrzunehmen. Auch mit derAllgemeinverbindlichkeit sollten wir sehr vor-sichtig sein. Es gibt einen negativen und einenpositiven Koalitionszwang – und wir sollten dasnicht aufheben. Das sind Rechte, die wir grund-

gesetzlich abgesichert haben. Es geht auch umSubsidiarität. In Betrieben können bessere Lö-sungen gefunden werden. Ich glaube, dass diePolitik sehr schlecht beraten wäre, wenn sie sichzu sehr in die Tarifpolitik einmischt. Das kanndie Politik gar nicht leisten. Deswegen solltenwir die Tarifhoheit denen überlassen, die eskönnen.

Die Politik muss dafür sorgen, dass wir optima-le Bildungssysteme haben. Deswegen halte iches auch für sehr richtig, dass die Bundeskanz -lerin die Bildungsrepublik Deutschland ausge-rufen hat. Denn wir müssen wissen: Wir habennichts anderes als das, was in den Köpfen unse-rer Menschen ist. Wenn es uns nicht gelingt, da

Dr. Michael Fuchs MdB, Vorsitzender Parlamentskreis Mittelstand, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Andreas Lapp

Dr. Michael FuchsMdB

Page 46: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

ganz schnell etwas anzuschieben oder Verbes-serungen zu schaffen, dann werden wir wirkli-che Probleme bekommen. Wir haben heuteschon in einigen Branchen ein Facharbeiter -problem. Zahlreiche Unternehmen berichten,dass sie händeringend Fachkräfte suchen.

Hier ist die Politik gefordert. Hier sind aberauch die Unternehmen gefordert. Ausbildungund Bildung finden nicht nur in der Schule oderan den Universitäten statt, sondern auch in der

Wirtschaft. Wir müssen hier für eine bessereVerzahnung zwischen Wirtschaft und Univer -sitäten, zwischen Wirtschaft und Schulen, zwi-schen Fachhochschulen und Wirtschaft sorgen.Das ist eine dringende Notwendigkeit. Denn eswird auch in der Zukunft wegen der demogra-phischen Entwicklung erhebliche Veränderun-gen geben. Eine vernünftige Zuwanderungspo-litik ist ebenfalls wichtig. Es kann nicht sein,dass wir qualifizierte Leute nicht hereinlassen.Wir brauchen auch Zuwanderung aus demAusland.

Mittelstand“ ist ein nur im deutschenSprachraum üblicher Begriff. In ande-ren Ländern sprich man dagegen von

„kleinen und mittleren Unternehmen“(KMU).Man meint damit eine nach Beschäftigungs-zahlen, Umsatz- oder Bilanzsumme statistischeindeutig abgrenzbare Teilmenge aller Unter-nehmen. Der Begriff „Mittelstand“ oder „mittel-ständische Unternehmen“ umfasst zwar allekleinen und mittleren Unternehmen, will aberzusätzlich bestimmte qualitative Merkmale,insbesondere Unternehmensführung und Or-ganisation, zum Ausdruck bringen. In Deutsch-land ist es üblich, von kleinen Unternehmen zusprechen, wenn die Anzahl der Beschäftigtenunter zehn Personen oder der Jahresumsatzunter einer Million € liegt. Von mittleren Un ter -nehmen spricht man, wenn sie zwischen zehnund 499 Mitarbeiter beschäftigen oder einenJahresumsatz zwischen einer Million € und unter 50 Millionen € erzielen.

Nach einer mehrere Jahre anhaltenden Schwä-chephase erfährt die deutsche Volkswirtschaftseit dem Jahr 2005 eine deutliche wirtschaftli-che Belebung, die allerdings als Folge der Ein-trübung des weltwirtschaftlichen Umfelds baldan Dynamik verlieren wird. Getragen wurdeund wird diese erfreuliche Entwicklung derletzten Jahre insbesondere auch von der ausge-prägten Wettbewerbsfähigkeit der deutschenIndustrie. Dieser zentrale Befund für die Ge-samtwirtschaft gilt auch für den deutschenMittelstand. Er hat einen großen Anteil an derguten konjunkturellen Entwicklung, in derenFolge nicht nur die Zahl der Beschäftigten, son-dern auch die Investitionsbereitschaft in die-sem Bereich stark gestiegen ist.

In diesem Zusammenhang ist zu konstatieren,dass der deutsche Mittelstand die Chancen derGlobalisierung durch eine zunehmende inter-nationale Ausrichtung sowohl hinsichtlich Ab-

44 Dokumentation Wirtschaftstag

Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrateszur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Wir brauchen Zuwanderung aus dem Ausland

Page 47: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

satz wie Vorleistungsbezug wahrgenommenhat. Notwendig verbunden mit der Globalisie-rung ist ein erhöhter Wettbewerbsdruck, wel-cher – zumindest aus Sicht der ökonomischenLehre – zu einer höheren Effizienz und Produk-tivität führt. Dies gilt auch für rein inlandsori-entierte Unternehmen und damit auch für denMittelstand.

Tendenziell sind im Ausland aktive Unterneh-men größer und gehören dem FuE-intensivenVerarbeitenden Gewerbe an. Auch haben sichexportorientierte KMU und solche, die Aus-landsinvestitionen tätigten, in den letzten Jah-ren besser entwickelt als KMU, die auf in län -dische Märkte konzentriert waren. Belas tun -gen der derzeitigen wirtschaftlichen Ent wick-lung drohen als Ausfluss der Finanzmarktkriseaus der Schwäche der US-Ökonomie, dem ho -hen Ölpreis und dem gestiegenen Euro-Kurs.Allerdings spricht die gute „Konstitution“ derdeutschen Wirtschaft und insbesondere diedes Mittelstands dafür, dass die sich abzeich-nende Abkühlung nicht in einer Rezession en-den wird. Ungeachtet der erfreulich guten Ver-fassung der meisten Unternehmen in Deutsch-land wäre es falsch, sich auf dem Erreichtenausruhen. Dies gilt speziell für die Bereiche derGründungen und Innovationen und damit zu-sammenhängend für die Finanzierungsbedin-gungen.

Eine „gute“ Wirtschaftspolitik muss für be-schäftigungs- und wachstumsfreundliche Rah-menbedingungen sorgen, unabhängig von derGröße eines Betriebes. Insofern sollte Wün-schen nach einer gezielt den „Mittelstand“ för-dernden Politik widerstanden werden. Subven -tionen in Form von Finanzhilfen und Steuer -erleichterungen sind durchaus legitime Instru-mente der Wirtschaftspolitik, wenn man ge-zielt bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten – sozum Beispiel im Rahmen einer strategischenHandelspolitik und der Grundlagenforschung– zur Abfederung von Härten bei sektoralenWandlungsprozessen, zur Internalisierung vonexternen Effekten oder zur Einkommensum-verteilung fördern will. Den „Mittelstand“, alsonur Unternehmen in einer bestimmten Größe,besonders zu fördern, ist allerdings ein sehrproblematischer Subventionszweck.

Gleichwohl lassen sich einige Handlungsfeldereiner Wirtschaftspolitik definieren, die allenUnternehmen, aber besonders den kleinen undmittleren, nutzen: In Deutschland sind die steu-

erlichen Rahmenbedingungen für Unterneh-men – insbesondere auch für jüngere – ausmehreren Gründen verbesserungsbedürftig.Erstens diskriminiert die deutsche Steuerge-setzgebung ab dem kommenden Jahr Eigen -kapital und damit Beteiligungsfinanzierungengegenüber Finanzierungen aus Fremdkapital.Zweitens werden Gewinne und Verluste asym-metrisch bei der Besteuerung berücksichtigt,was vor allem für junge, forschungsintensiveUnternehmen, die über eine längere Phase Anlaufverluste anhäufen, nachteilig ist. Drit-tens sehen sich Beteiligungskapitalgeber inDeutschland bisher ungünstigeren Rahmenbe-dingungen gegenüber, als in vielen anderenLändern .

Mit dem Gesetzesentwurf zur Modernisierungder Rahmenbedingungen für Wagniskapital-beteiligungen werden allerdings der Freibetragbei wesentlichen Beteiligungsveräußerungenerhöht und die Verschärfung der Mantelkauf-vorschriften im Zuge der Unternehmensteuer-reform für ein spezielles Segment von Unter-nehmen wieder rückgängig gemacht. Das vor-handene Instrumentarium des Bundes zur För-derung von Wagniskapitalinvestitionen sollteauf seine Wirksamkeit gerade in Bezug auf dieFörderung innovativer Unternehmen über-prüft werden – und nicht zuletzt daraufhinüberprüft werden, ob die zahlreichen punktu-ellen staatlichen Förderprogramme nicht bes-ser zu einer allgemeinen steuerlichen Förde-rung zusammengefasst werden. Zur Unterstüt-zung von unternehmerischen Tätigkeiten – undhier insbesondere im Bereich Gründungen undInnovationen – ist zudem ein weiterer Abbaurechtlicher und bürokratischer Hemmnissewünschenswert.

45Dokumentation Wirtschaftstag

Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup

Page 48: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Podium III

Zahlreiche globale Entwicklungen im Ener-giesektor unterliegen weder dem Einflussder Energieunternehmen noch dem der

deutschen oder europäischen Politik. Zu diesenglobalen Entwicklungstendenzen zählen derglobale Siegeszug der Kohleverstromung unddie Renaissance der Kernkraft sowie der massi-ve Ausbau der Energieerzeugung in Ländernwie China oder Indien – mit steigenden Investi-tionskosten für Erzeugungsanlagen.

Das heißt allerdings nicht, dass die Energiepo-litik keine Gestaltungsspielräume hätte. Es istsehr wohl möglich, innerhalb dieser Rahmen-

bedingungen zum Nutzen – oder auch zumNachteil – von Umwelt, Konsumenten und Er-zeugern energiepolitische Pflöcke einzuschla-gen. Eine widerspruchsfreie deutsche und eu-ropäische Energiestrategie ist notwendig. Dasbedeutet, dass sich energiepolitische Maßnah-men auf EU-Ebene und nationaler Ebene nichtwidersprechen dürfen. Marktteilnehmer müs-sen von der Politik klare und langfristig sicht-bare Signale bekommen, die zu Investitionenermuntern. „Langfristig“ ist hierbei sehr wich-tig: Wir müssen daran denken, dass ein Inves-tor, der sich entscheidet, ein Kraftwerk oder einNetz zu errichten, eine Entscheidung trägt, die

46 Dokumentation Wirtschaftstag

Die Abhängigkeiten undHeraus for de run gen für eine moderne Energie strategie: National und europäisch

Hans-Peter Villis, Vorsitzender des Vorstands EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Podium III

Page 49: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

auch in 30 oder 40 Jahren noch betriebswirt-schaftlich zu rechtfertigen sein muss.

Nicht notwendig ist hingegen detailfreudigesund von einem Grundmisstrauen gegenüberMärkten geprägtes Hineinregieren in alle nurdenkbaren Bereiche der Energiewirtschaft. Dasgilt insbesondere dann, wenn es an nachvoll-ziehbaren ökonomischen Gründen fehlt.

In Deutschland und Europa gibt es derzeit kei-ne konsistente Energiestrategie, die diese Be-dingungen erfüllt. Das wirkt sich vor allemschädlich auf die Kernbereiche Erzeugung undNetze aus. Eine konsistente Energiestrategiewird auf nationaler Ebene durch widerstreiten-de Interessen und widersprüchliche Politikvor-gaben unmöglich gemacht. So gibt es auf Bun-desebene zum Beispiel noch immer keinen po-litischen Konsens über die Kernkraft. Auf derEbene der Länder wiederum fehlt Einigkeitüber die Energieerzeugung aus Kohle. Eine ein-heitliche Haltung der Länder ist auch mit Blickauf die länderübergreifenden Netzinvesti -tionen nicht zu erkennen. Hinsichtlich der„Netzrendite“ bestehen unterschiedliche Auf-fassungen zwischen Bundeswirtschaftsminis-terium und Bundesnetzagentur.

Wir begrüßen zwar die massive Förderung dererneuerbaren Energien durch die Bundesregie-rung. Gleichzeitig sind die dazu dringend not-wendigen Investitionen in die Netze betriebs-wirtschaftlich kaum noch zu rechtfertigen.Meinungsunterschiede zwischen Bundesum-weltministerium und Bundeswirtschafts -ministerium hinsichtlich der Erdverkabelungmachen die komplexe Gemengelage der Inte-ressen auch nicht einfacher. Ein Weiteres: Für

den Einzelnen mag es rational sein, den Netz-oder Kraftwerksausbau in seinem „back yard“zu verhindern – für eine wirtschaftliche und klimafreundliche deutsche Energieversorgungist das aber fatal. Die Bundesregierung stecktin einem Dilemma. Sie möchte strenge Klima-vorgaben, sie möchte aber zugleich nicht, dassder Verbraucher die Kosten bemerkt. Gleicher

Auffassung sind im Übrigen auch die Verbrau-cher. Besonders klimafreundliche Politik kannzu wachsenden Abhängigkeiten von Gas füh-ren. Insbesondere dann, wenn kohlebasierteProduktion immer schwieriger wird.

Auch auf europäischer Ebene gibt es zahlreicheProbleme. Die Vorgaben auf supranationalerEbene schränken die Gestaltungsspielräumeeiner nationalen Energiestrategie zusätzlichein. Die EU hat vieles für die Schaffung eines

47Dokumentation Wirtschaftstag

Eine konsistente Energiestrategie wird auf nationaler Ebene durch widerstreitende Interessen und

widersprüchliche Politikvorgaben unmöglich gemacht

Page 50: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

einheitlichen Energiebinnenmarktes geleistet.Derzeit beobachten wir aber einige Entwick-lungen auf der europäischen Ebene mit Sorge,die wiederum die Bereiche fossile Erzeugungund Netze betreffen. Emissionshandel ist eine

effiziente Methode, um dem drohenden Klima-wandel zu begegnen. Andererseits aber schei-nen gerade die Interessen der deutschen Indus-trie, die im internationalen Wettbewerb steht,wenig berücksichtigt zu werden.

Die geplante Vollauktionierung beim Emissi-onshandel wird sich außerdem sehr negativauf die Kraftwerksinvestitionen auswirken. DieDebatte um das so genannte „Ownership Un-bundling“, also die rechtliche Trennung von Er-zeugung und Netzen und damit die drohendeNetzenteignung ist dem Investitionsklimanicht eben förderlich.

Was kann getan werden? Nicht alle Widersprü-che werden in einem föderalen Deutschlandund in Europa aufzuheben sein. Wir fordern diePolitik aber auf, uns bei der Information der Öf-fentlichkeit bei den Themen Investitionen infossile Energieerzeugung und Netzausbau zuunterstützen. Drei Viertel der deutschen Erzeu-gung werden auch weiterhin aus fossilen odernuklearen Anlagen stammen müssen, auchwenn die Ziele bei den erneuerbaren Energieneingehalten werden. Und gerade der Ausbauder erneuerbaren Energien ist nur bei substan-ziellen Netzinvestitionen möglich.

Die Energieunternehmen werden weiterhin ihren Beitrag zu einer effizienten, verlässlichenund umweltfreundlichen Versorgung leisten.Wir wollen und müssen weiterhin in Netze undin Erzeugungskapazitäten investieren und dürfen nicht bei jedem Gegenwind einknicken.Bedingung dafür ist allerdings immer, dass sichdas Projekt betriebswirtschaftlich rechtfertigenlässt.

Die Politik steht in engem Austausch mit uns.Allerdings ist jetzt auch Handlungsorientie-rung gefragt. Vielleicht gelingt es uns kurzfris-tig nicht, eine konsistente Energiestrategie zuentwickeln. Einige Probleme („Erzeugungs -lücke“, Netzinvestitionen) sind aber so drän-gend, dass sie jetzt pragmatisch angegangenwerden müssen.

Wer diese Probleme jetzt noch negiert, wirdsich künftig Vorwürfe über hohe Energiepreiseoder mangelnde Versorgungssicherheit anhö-ren müssen. Wir befürchten, dass dann wiederallein den Energieunternehmen die Schuld indie Schuhe geschoben wird.

48 Dokumentation Wirtschaftstag

Drei Viertel der deutschen Erzeugung werden auch weiterhinaus fossilen oder nuklearen Anlagen stammen müssen

Page 51: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

49Dokumentation Wirtschaftstag

Auf nationaler wie europäischer Ebenesehe ich in der Energiepolitik auf dreiThemenfeldern den dringlichsten Hand-

lungsbedarf. Das sind die Themen Klimaschutz,Preisentwicklung und sichere Energieversor-gung.

Ich beginne mit dem Klimaschutz. Niemandstellt in Frage, dass alle Emittentenländer einenangemessenen Klimaschutzbeitrag leistenmüssen, um die schlimmsten Folgen des Klima-wandels zu verhindern. Wie dieser Beitrag je-weils aussieht und wer die unvermeidlichenLasten trägt, muss allerdings sorgfältig bedachtwerden. Klimaschutz auf Kosten von Wettbe-werbsfähigkeit und Versorgungssicherheit istebenso wenig nachhaltig wie ein sorgloser Um-gang mit Energie zu Lasten des Klimas. Die ge-genseitigen Abhängigkeiten sind hier unüber-sehbar.

Auf europäischer Ebene haben wir eine Verrin-gerung der Treibhausgasemissionen der EU so-wie ehrgeizige Ziele beim Ausbau der erneuer-baren Energien und bei der Verbesserung derEnergieeffizienz vereinbart. Deutschland er-

bringt seinen Beitrag zur konkreten Umset-zung dieser Ziele mit dem Integrierten Energie-und Klimapaket, das vom Bundeskabinett imDezember letzten Jahres beschlossen wurde.Der zweite Teil des Gesetzes- und Verordnungs-pakets wurde kürzlich vom Bundeskabinettverabschiedet.

Das Integrierte Energie- und Klimapaket (IEKP)sieht einen verstärkten Ausbau der erneuerba-ren Energien genauso vor wie eine Steigerungder Energieeffizienz. Zur Minderung der Treib-hausgasemissionen gibt es Vorschläge der EU-Kommission. Kern ist der Emissionshandel. ImEmissionshandel entscheiden die Unterneh-men, wo und wie sie Treibhausgasemissionenvermeiden wollen. Die Preise für Zertifikate bil-den sich am Markt. Damit wird prinzipiell si-chergestellt, dass die Vermeidung von Emissio-nen auf dem effizientesten Weg erfolgt. Das istim Grundsatz zu begrüßen. Dieser richtige An-satz gerät allerdings in ein schiefes Licht, wenndie Kommission frühzeitige Klimaschutzan-strengungen nicht berücksichtigt und etliche

Jochen Homann, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Dringender Handlungsbedarf im Klimaschutz, bei der Preisentwicklung und bei der Versorgungssicherheit

Page 52: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

50 Dokumentation Wirtschaftstag

säumige Mitgliedstaaten sogar von ihren Kyo-to-Zielen entlasten will. Der gute Ansatz desEmissionshandels wird auch desavouiert, wenner zu einseitigen Kostenbelastungen für Unter-nehmen führt, die im internationalen Wettbe-

werb mit Konkurrenten stehen, die keine Zerti-fikate ersteigern müssen und so einen Kosten-vorteil haben. Um Erfolg zu haben, müssen wirdeshalb möglichst alle Emittenten erfassenund andererseits die Kosten der CO2-Vermei-dung möglichst gering halten. Ob dies gelingt,wird sich im Dezember 2009 auf der Klimakon-ferenz in Kopenhagen zeigen, wo eine Einigungauf ein neues internationales Klimaschutzab-kommen angestrebt wird.

Zweites wichtiges Thema ist die Preisentwick-lung. Ich streite nicht ab, dass Energieeinspar-und Klimaschutzmaßnahmen in der Regel mit

zum Teil hohen Anfangsinvestitionen verbun-den sind, die sich erst über Jahre rechnen. Beiden derzeitigen Preissteigerungen für Öl undGas werden sich die Investitionen in erneuer-bare Energien, Energiesparen und Energieeffi-zienz entsprechend schneller amortisieren. Dievermeintlich teuren Klimaschutzmaßnahmenkönnen damit sogar einen kostendämpfendenEffekt haben. Neben den Maßnahmen, mehrWettbewerb auf dem Energiesektor einzufüh-ren, kann die Regierung allerdings kaum etwasgegen die hohen Preise bei Energierohstoffenunternehmen. Das ist eine Entwicklung aufden Weltmärkten, die alle Nationen gleicher-maßen betrifft. Angesichts dessen und ange-sichts des Klimaschutzes sollten wir verstärktdarüber nachdenken, ob der Beschluss, aus derKernkraft auszusteigen, noch haltbar ist. Dennes geht nicht nur um eine versorgungssichereund CO2-arme Energieerzeugung, sondernauch um eine preisgünstige.

Das dritte wichtige Thema lautet sichere Ener-gieversorgung. Nicht nur wegen des Klima-schutzes oder des Preises, sondern auch ausGründen der Versorgungssicherheit müssenwir unsere Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren. Darauf gibt es zwei Antworten. Ers-tens: Weniger Energie und höhere Energie -effizienz. Zweitens: Mehr Diversifikation beiEnergieträgern, Energiequellen und Transport -wegen.

Zum ersten Aspekt: Das Integrierte Energie-und Klimaprogramm setzt deutliche Anreizezur Erhöhung der Energieeffizienz und zumEnergiesparen. Ein Beispiel ist die Einspeisever-gütung des Erneuerbare-Energie-Gesetzes(EEG) für Strom aus erneuerbaren Energien.

Kernenergie darf kein Tabuthema sein – wir sind mit unserer Haltung international isoliert

Page 53: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen werden ge-fördert. Wir setzen mit der Energieeinsparver-ordnung Anreize zum Energiesparen im Ge-bäudebereich. Bei der Wärmeerzeugung inNeubauten müssen erneuerbare Energien ein-gesetzt werden, wo dies wirtschaftlich sinnvollist. Und wir setzen schließlich einen finanziel-len Anreiz zur Nutzung erneuerbarer Energienbei der Wärmeerzeugung in Altbauten.

Zum zweiten Punkt Diversifikation möchte ichnicht nur erneut die Kernkraft anführen, son-dern auch die Kohle. Es ist nicht nachzuvollzie-hen, wie man sich gegen den Neubau von hoch-effizienten Kohlekraftwerken wehrt, wenn imGegenzug alte ineffiziente Kraftwerke vomNetz gehen. Wir brauchen die Kohle als sicherverfügbaren Energieträger. Die Emissionen re-gelt der Emissionshandel ohnehin. Die Verhin-derung eines Kohlekraftwerks ist deshalb keinBeitrag zum Klimaschutz. An einer Tatsachekommen wir allerdings nicht vorbei. Gerade beidem für den Wärmemarkt wichtigen Energie-träger Gas sind Bemühungen um Diversifikati-on Grenzen gesetzt. Der Großteil der Reservenliegt in Russland, den GUS-Staaten, im Iran undQuatar. Stabile Beziehungen, insbesondere zuRussland, sind daher für uns von enormer Be-deutung.

Mit Projekten wie der Nordstream-Pipelinekönnen wir von der direkten Nachbarschaft zuRussland profitieren. Das Verhältnis zu Russ-land sollten wir konstruktiv im Sinne einerEnergiepartnerschaft weiterentwickeln. DassRussland gleichzeitig seinen weltweiten Absatzdiversifizieren wird und in Zukunft vermehrtnach Asien und Amerika liefert, müssen wir ak-zeptieren.

Zum Komplex der Versorgungssicherheit zähltauch der Energietransport. Hier geht es nichtallein um Gaspipelines, sondern auch umStromleitungen. Deshalb ist es wichtig, dass dieBundesregierung den Entwurf eines Energie-leitungsausbaugesetzes beschlossen hat, dasden Bedarf für vordringliche Leitungsbau -vorhaben gesetzlich festlegt. Leitungen, dienach allgemeiner Auffassung dringend erfor-derlich sind, können nun schneller realisiertwerden.

Um es abschließend zusammenzufassen: DerAusbau der erneuerbaren Energien schützt dasKlima, reduziert unsere Importabhängigkeitund lohnt sich schon auf mittlere Sicht. Kern-energie darf kein Tabuthema mehr sein. Wirsind mit unserer Haltung international isoliert.Die Energieeffizienz muss gesteigert werden.Sowohl Leitungen als auch konventionelleKraftwerke müssen ausgebaut werden.

51Dokumentation Wirtschaftstag

Page 54: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Die Europäische Union hat als zweit -größter Energieverbraucher und größterEner gieimporteur der Welt im globalen

Vergleich zu anderen großen Verbraucherlän-dern und Regionen eine einzigartige Ausgangs-position, um die eigene Energieversorgunglangfristig mit wirtschaftlich vertretbarem Auf-wand zu sichern. Rund 80 Prozent der weltwei-ten Erdgas- und Erdölreserven befinden sich ineinem Umkreis von etwa 4500 km. Das ist einentscheidender Wettbewerbsvorteil, den es ge-rade wegen der weltweit rasant steigendenEnergienachfrage auszunutzen gilt. Angesichtsder Bestrebungen rasch wachsender Schwellen-länder wie China und Indien, ihre Rohstoffdefi-zite durch weltweite Importe und direkten Zu-gang zu Öl- und Gasquellen auszugleichen, istaber ein aktives Handeln Europas notwendig.Energiesicherheit fällt Europa nicht automa-tisch in den Schoß. Allein durch den Einsatz er-neuerbarer Energien lässt sich – bei aller Wert-schätzung ihrer Notwendigkeit und zuneh-menden Bedeutung – die Versorgungssicher-

heit Europas nicht gewährleisten. Fossile Ener-gieträger bilden somit auch für die kommendeGeneration das Rückgrat der europäischen Ver-sorgungssicherheit. Unter den fossilen Energie-trägern sticht Erdgas aufgrund seiner hohenEnergieeffizienz und seiner relativ günstigenUmwelteigenschaften heraus. Erdgas setzt beiseiner Verbrennung deutlich weniger Kohlendi-oxid frei als andere fossile Energieträger undträgt damit entscheidend zum Schutz des Kli-mas bei. Die verstärkte Substitution andererfossiler Energieträger durch Erdgas leistete inEuropa seit 1990 den wichtigsten Einzelbeitragzur Reduktion von CO2-Emissionen.

Wichtige Wachstumsbereiche für den Erdgas-einsatz liegen im Einsatz als Brennstoff für klei-ne und dezentrale Kraftwerke sowie allgemeinin der Abdeckung des wachsenden Mittellast-und Spitzenlastbereiches im Kraftwerksseg-ment. Aufgrund ihrer flexiblen Fahrweise sindGaskraftwerke für diese Lastbereiche beson-ders gut geeignet. Der in Zukunft noch zuneh-

52 Dokumentation Wirtschaftstag

Reinier Zwitserloot, Vorsitzender des Vorstands Wintershall Holding AG

Reinier Zwitserloot

Podiumsdiskussion

Page 55: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

mende Beitrag von Erdgas zum Klimaschutzkommt aber nur dann zum Tragen, wenn es ge-lingt, den wachsenden Erdgasimportbedarf inEuropa zu decken. Ein nüchterner Blick auf dieWeltkarte zeigt, woher das zusätzlich benötig-te Erdgas kommen kann. Norwegen wird sei-nen Anteil an der europäischen Erdgasversor-gung bis 2020 weitestgehend halten, jedochnicht ausbauen können. Afrika wird die Gaslie-ferungen längerfristig zwar erhöhen können,wird aber bei weitem nicht die sich abzeichnen-de Importlücke der EU-27 decken können. Flüs-siggas (LNG) kann einen nennenswerten Bei-trag zur Gasversorgung der EU und zur Diversi-fizierung der Bezugsquellen leisten. Allerdingsist ein scharfer Wettbewerb um die verfügba-ren Flüssiggasmengen zu erwarten. In Nord-amerika und in den großen asiatischen Nach-frageregionen wird man aufgrund dort fehlen-der Alternativen bereit sein, hohe Preise für dieglobal knappen LNG-Mengen zu zahlen.

Wenn die Europäische Union ihre strategischgünstige Lage in der Nähe großer Gasreservennutzen will, bleiben die kaspische Region undRussland. Die kaspische Region unter Einschlussvon Iran und Irak verfügt zwar über große Gas-reserven, wird aber – ganz abgesehen von denpolitischen Unwägbarkeiten bei Gaslieferun-gen aus dieser Region – die sich abzeichnendeImportlücke nicht schließen können. Somitwird deutlich: Eine wirklich substanzielle, denwachsenden Bedarf deckende Ausweitung derImportmengen kann unter realistischen An-nahmen nicht ohne Russland geleistet werden.Russland verfügt über die weltweit größtenErdgasreserven und liegt zugleich in Pipeline-Reichweite zum europäischen Markt. AktuellePrognosen gehen davon aus, dass Russland sei-ne Gasexporte in die EU-27 bis zum Jahr 2020um etwa 50 Prozent erhöhen kann. Die Energie-

partnerschaft zwischen Russland und Europaspielt damit eine Schlüsselrolle für die europäi-sche Versorgungssicherheit.

Diese Energiepartnerschaft hat sich in den ver-gangenen Jahrzehnten selbst in den politi-schen Krisenzeiten des Kalten Krieges bewährtund als zuverlässig erwiesen. Auch Unstimmig-keiten in der jüngeren Vergangenheit zwischenRussland und den osteuropäischen Transitlän-dern haben zu keinem Zeitpunkt die europäi-sche Versorgung wirklich gefährdet. In den letz-ten Jahren wurde die enge Partnerschaft durchgemeinsame Investitionen weiter vertieft. Einwichtiges Schlüsselprojekt dieser Partnerschaftist das Projekt „Nordstream“. Mit ihm könnenlangfristig zusätzliche Erdgasmengen für dieEU gesichert werden. Dabei versteht sich „Nord-stream“ keinesfalls als Konkurrenz zu anderengroßen Pipelineprojekten wie Nabucco undmacht diese auch nicht überflüssig. Vielmehrist die Realisierung aller dieser Pipelineprojek-te zur Sicherung der Versorgung Europas unab-dingbar. Trotz seiner gewaltigen Dimensionenkönnen über Nordstream nur gut acht Prozentdes Erdgasbedarfs der EU-27 in 2020 abgedecktwerden.

53Dokumentation Wirtschaftstag

Podium IIIIn das Thema „Abhängigkeiten und Herausforderungeneiner Energiestrategie: national und europäisch“ führtenein: Hans-Peter Villis, Vorsitzender des Vorstands EnBWAG und Jochen Homann, Staatssekretär im Bundesminis -terium für Wirtschaft und Technologie.

Unter der Moderation von Roland Tichy, Chefredakteurder WirtschaftsWoche, diskutierten: Reinier Zwitserloot,Vorsitzender des Vorstands Wintershall Holding AG; Dr.Burckhard Bergmann, Mitglied des Direktorenrates OAOGazprom; Stellv. Vorstandsvorsitzender Ost-Ausschuss derDeutschen Wirtschaft; Dr. Matthias Ruete, Generaldirek-tor GD Energie und Verkehr, Europäische Kommission undDr.Uwe Franke, Vorsitzender des Vorstands Deutsche BPAG.

Roland Tichy

Page 56: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Erneuerbare Energien gehören ohne Zwei-fel zu den tragenden Säulen einer zu-kunftsfähigen Energieversorgung in

Europa. Deshalb ist es im Prinzip zu begrüßen,dass die deutsche wie die europäische Politikhierzu ehrgeizige Ziele formuliert. Eine weiterenachhaltige Verbesserung der Energieeffizienzund ebenso der nachhaltige Ausbau der erneu-erbaren Energien sind indes Prozesse, die sichnicht über Nacht realisieren lassen. Die fossilenEnergieträger müssen deshalb auf längereSicht einen unverzichtbaren Beitrag zur Ener-gieversorgung leisten. Das gilt gerade in einemLand wie Deutschland, wo nach gegenwärtigerpolitischer Beschlusslage auf den Einsatz derKernenergie verzichtet werden soll.

Hocheffiziente Kohle- und Gaskraftwerke wer-den darum auch künftig einen wichtigen Bei-trag zur Stromerzeugung leisten müssen. EineSelbstblockade dringend benötigter Investitio-nen kann sich ein führendes Industrieland wieDeutschland nicht leisten. Im Rahmen einer sicheren, effizienten und klimaverträglichenEnergieversorgung werden alle Energieträger –einschließlich der Kernenergie – gebraucht.Auch wenn die quantitativen Zielvorgaben er-reicht werden, die erneuerbaren sind nur imDoppelpack mit den fossilen Energien darstell-bar. Natürlich hat der Import von Energie Risi-ken. Aber ein hoher Grad an Importabhängig-keit kann nicht automatisch mit einer niedri-

gen Sicherheit der Versorgung gleichgesetztwerden. Jedenfalls nicht, wenn es gelingt, dieEnergiezufuhr aus Drittländern ökonomischwie politisch stabil zu gestalten. Dies ist eineAufgabe für die Unternehmen wie die Politik.

Es ist zu begrüßen, dass das Thema Versor-gungssicherheit stärker in den Fokus der Politikrückt und zum Beispiel die EU-Kommission sichihm im Rahmen des kommenden zweiten „Stra-tegic Energy Review“ im zweiten Halbjahr 2008unter französischer Ratspräsidentschaft mit be-sonderer Aufmerksamkeit widmen wird. Dabeiwird allerdings darauf zu achten sein, dass diesim Ergebnis nicht zu mehr Intervention und Regulierung der Versorgungssicherheit führt.Die Rollenteilung zwischen Politik und Unter-nehmen darf nicht grundsätzlich verschobenwerden. Die Versorgungsverantwortung liegtauch künftig in erster Linie bei den Unterneh-men. Der Mainstream in Deutschland wieEuropa ist allerdings, die Märkte zu regulieren,den Unternehmen Verantwortung zu entziehenund sie gleichzeitig zu neuen Aufgaben zu ver-pflichten. Die Beschaffungsmärkte wandelnsich und werden immer globalere Märkte, geo-politische Faktoren gewinnen an Einfluss. Des-halb erfordert die Sicherung der Energiezufuhrzunehmend politische Unterstützung. Zu Rechtsetzt sich deshalb die Erkenntnis durch, dassVersorgungssicherheit integraler Bestandteilder Außen- und Sicherheitspolitik sein muss.

Gerade in einer Zeit, in der die Konkurrenz umbegrenzte Energieressourcen weltweit zu-nimmt und andere Importländer und -regio-nen ihre Energieinteressen außenpolitisch absi-chern, sollte die europäische Politik in enger Ko-operation mit der Wirtschaft ein gemeinsamesVerständnis der EU-Energieinteressen im Ver-hältnis zu Drittländern entwickeln und nachaußen hin möglichst geschlossen auftreten.

Insofern hat der europäische Binnenmarktauch eine externe Dimension. Partnerschaft istauch ein Schlüsselwort für die energiewirt-schaftlichen Beziehungen zu Russland, das sichbisher als ein verlässliches und berechenbaresLieferland erwiesen hat. Mit seinen enormenEnergieressourcen wird Russland auch künftigein wichtiger Energielieferant für Deutschland

54 Dokumentation Wirtschaftstag

Dr. Burckhard Bergmann, Mitglied des Direktorenrates OAO Gazprom, Stv. Vorstandsvorsitzender Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Dr. Burckhard Bergmann

Page 57: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

und Europa bleiben. Gegenseitige russisch-deutsche Investitionen werden zu noch mehrStabilität und Sicherheit in den Beziehungender beiden Länder beitragen. Handel und Wirt-

schaft sind und bleiben starke Brücken der Ver-ständigung. Es besteht deshalb kein Anlass,möglichen Engagements russischer Investorenin Deutschland mit Skepsis zu begegnen.

Energieverbraucher und -produzenten sindin einem gegenseitigen Abhängigkeitsver-hältnis und teilen das Interesse an einer

nachhaltigen Energiezukunft. Die Energiepoli-tik der EU zielt auf eine nachhaltige Energiezu-kunft. Energiesicherheit ist mehr als Versor-gungssicherheit – und es geht um mehr als dieSicherung des weltweiten Zugangs zu Rohstof-fen. Energiesicherheit beginnt zu Hause. DieEnergieziele, die sich der Europäische Rat imMärz 2007 unter der Leitung von Bundeskanz-lerin Angela Merkel gesteckt hat, sind richtung-weisend. Die Realisierung eines 20-prozentigenEinsparpotenzials beim Energieverbrauch undder Ausbau der erneuerbaren Energieträgerauf 20 Prozent werden einen wesentlichen An-teil daran haben, unseren Primärenergiever-brauch zu senken und den Bedarf an zu impor-tierenden Energieträgern nicht übermäßig an-steigen zu lassen.

Der europäische Gesamtenergieverbrauch liegtzurzeit bei mehr als 1,8 Milliarden Tonnen Öl-einheiten. Ungebremst würde dieser Ver-brauch bis 2020 um 150 Millionen Tonnen stei-gen. Die Verwirklichung der vorgeschlagenenPolitik hingegen ermöglicht es, den Gesamt-energieverbrauch im Jahr 2020 auf rund 1,7 Mil-liarden Tonnen zu beschränken. Der Importbe-darf an Rohöl könnte trotz der sinkenden ein-heimischen Ölförderung in etwa konstant ge-halten werden. Bei anhaltend hohen Ölpreisenist davon auszugehen, dass die Ölimporte un-ter das heutige Niveau sinken. Ähnliches zeich-net sich beim Gasimportbedarf ab. Trotz des ag-gressiven Ausbaus der erneuerbaren Energie-träger im Strom- und Wärmebereich wirdEuropa ein Nettogasimporteur bleiben. OhneGegensteuern würden wir im Jahr 2020 sogarum die Hälfte mehr importieren müssen alsheute.

Trotz aller Bemühungen, der Energieeffizienzzum Durchbruch zu verhelfen, wird der Strom-bedarf in Europa bis zum Jahr 2020 um bis zuzehn Prozent steigen. In den kommenden zwölf

Jahren müssen deshalb bis zu 350 Gigawatt anKapazität erneuert werden respektive zusätz-lich ans Netz gehen. Je nach Energieträger undEntwicklung der Grund- und Spitzenlast wirddieses Bild zu differenzieren sein. Es ist davonauszugehen, dass sich der Anteil der erneuer-baren Energieträger im europäischen Strom-markt mehr als verdoppeln wird. Der Marktwird diesem Investitionsbedarf allerdings nurnachkommen, wenn er Vertrauen in die neuenRahmenbedingungen fassen kann. Deshalbmuss die Politik alles daran setzen, so schnellwie möglich die Verhandlungen über die vonder EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnah-men zum besseren Funktionieren des Binnen-markts abzuschließen.

Gleiches gilt für die vorgeschlagene Neurege-lung der Emissionsbegrenzung und des Han-dels mit Emissionszertifikaten. Die neuen Rah-menbedingungen werden nach Ansicht derKommission nicht nur den Ausbau der grenz-überschreitenden Kuppelstellen, sondern auchden Ausbau neuer, emissionsarmer Technolo-gien beschleunigen. Die auf europäischer Ebe-ne gesetzten Rahmenbedingungen werdenden Energiemix der Mitgliedstaaten beeinflus-sen – ohne freilich direkte Einflussnahme aufso sensible nationale Fragen wie die Nutzungder Atomkraft nehmen zu wollen. Leistungsfä-hige Übertragungsnetze sind für den Energie-binnenmarkt von entscheidender Bedeutung.Von großer Bedeutung sind sie aber auch für ei-ne solidarische Energiesicherheit, zu der eben-so eine effiziente Beschaffungs- und Bevor -ratungspolitik wie die Diversifikation der zuimportierenden Energieträger zählt.

Der markanteste Faktor in der Energiepolitik istdie gegenseitige Abhängigkeit zwischen Ver-braucher- und Erzeugerländern. Die EU-Mit-gliedstaaten teilen diese Einsicht. Auffassungs-unterschiede gibt es allerdings mit Blick auf denUmgang damit. Das mag an unterschiedlichen

55Dokumentation Wirtschaftstag

Dr. Matthias Ruete, Generaldirektor für Energie und Verkehr, Europäische Kommission

Dr. Matthias Ruete

Funktionierende Märkte setzen gemeinsame Spielregelnund ein Mindestmaß an Vertrauen voraus

Page 58: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

historischen Erfahrungen sowie an den Gege-benheiten regionaler Versorgungsstrukturenliegen. Ein wesentlicher Grund dafür mag aberauch ein Mangel an Vertrauen in so manche Er-zeugerländer sein. Die zunehmende Nationali-sierung von Energiekonzernen in Erzeugerlän-dern trägt aus europäischer Sicht ebenfalls we-nig zur gegenseitigen Vertrauensbildung bei. Ei-ne Stärke der EU war und ist es, funktionieren-de Märkte zu befördern. Die EU sollte sich des-halb im Rahmen ihrer inter- und multilateralenBeziehungen auf ihre Stärken konzentrierenund das fördern und fordern, was auch im in-

nereuropäischen Kontext zu Wachstum undWohlstand geführt hat.

Allerdings setzen funktionierende Märkte ge-meinsame Spielregeln und ein Mindestmaß anVertrauen voraus. Der Zwang zu mehr Klima-schutz, die Endlichkeit der Öl- und Gasressour-cen und die Verantwortung für künftige Gene-rationen bilden die global gültigen Rahmenbe-dingungen für eine verantwortungsbewussteEnergiepolitik. Funktionierende Märkte sind dieeffizienteste Lösung – das ist ein gemeinsamesPfund, mit dem die Europäer wuchern sollten.

Europa ist arm an Energieressourcen. Ge-schieht nichts, steigt in den nächsten 20Jahren der Einfuhranteil bei Öl von heute

70 auf 90 Prozent und bei Gas von 50 auf 70Prozent. Die Kohlevorräte Amerikas und Asienssind deutlich größer. Zwei Herausforderungenstehen damit im Mittelpunkt. Das ist erstensder Zugang zu Energieressourcen und zweitensder Erhalt der Fähigkeit, Energieressourcenmöglichst wirtschaftlich und umweltverträg-lich in Strom und Kraftstoffe zu verarbeiten.Das Defizit an eigenen Energieressourcen ver-langt in besonderer Weise, dass nicht noch einDefizit in der Weiterverarbeitung hinzutritt.

Wir haben genügend Öl und Gas für den Restdes Jahrhunderts. Erst recht gilt das für Kohle.Neue Ölfunde wie jüngst vor der brasilianischenAtlantik-Küste, die zunehmende Ausbeutungvon Teersanden und Schwerölen sowie die Verbesserung der Fördertechnologie lassen kei-ne Ressourcenknappheit aufkommen. Entschei-dend sind jedoch der Wille und die Fähigkeit, indie Erschließung und Förderung von Öl- undGasvorräten zu investieren. Mit steigenden Öl-und Gaspreisen lassen sich selbst bei stagnie-renden oder zurückgehenden Produktionskapa-zitäten noch höhere Gesamterlöse erzielen. Zu-gleich verlängert sich der Zeitraum, in dem vor-handene Ressourcen genutzt werden können.

Die öffentliche Diskussion der Ölpreisentwick-lung in den letzten Monaten suggeriert Knapp-heiten, die es nicht gibt. Der hohe Ölpreis ist ineiner Reihe von Faktoren begründet. Dazu ge-hört die anhaltend hohe Nachfrage im Nicht-OECD-Raum, insbesondere in China und Indien.Dazu zählt auch das Ausbleiben von Investitio-

nen in den Ausbau von Förderkapazitäten inwichtigen Produktionsländern. Auch der Ein-fluss der Finanzmärkte spielt eine zunehmendeRolle. Öl wird verstärkt als Rendite- und Speku-lationsobjekt angesehen. Ölpreiswetten spie-geln aber keine tatsächlichen Marktverhältnis-se, sondern nur Erwartungen von Marktteilneh-mern. Die Öl- und Gasressourcen und ihre Aus-beutung stehen zu 85 Prozent unter der Kontrol-le staatlicher Unternehmen. Kooperation mitnationalen Öl- und Gasgesellschaften ist damitentscheidend für unsere Energiesicherheit. Diesbetrifft zum einen die direkte Zusammenarbeitzwischen privaten westlichen und nationalenÖl- und Gaskonzernen und zum anderen die po-litische Zusammenarbeit zwischen Produkti-ons- und Verbraucherländern.

Das Risiko für Strategie und Investitionen kannden Unternehmen nicht abgenommen wer-den. Für die politischen und rechtlichen Rah-menbedingungen sind jedoch die beteiligtenRegierungen verantwortlich. Wir brauchenPartnerschaften zur besseren Ausbeute von Reserven durch Technologietransfer, zum geo-politischen Interessensausgleich, zur Vertei-lung des Risikos auf mehrere Schultern, zur Si-cherung von Wachstum und Stabilität in denExportländern und schließlich zur Sicherungvon Nachhaltigkeit im Bereich Umweltschutz.

Die Schlüsselprinzipien dieser Partnerschaftensind Fairness, Transparenz und Rechtsstaatlich-keit. Letztere rückt umso mehr in den Mittel-punkt des Interesses, je stärker Ressourcen- Nationalismus und Missbrauch des Heimvor-teils von inländischen Investoren zu Lasten ihrer ausländischen Geschäftspartner um sich

56 Dokumentation Wirtschaftstag

Dr. Uwe Franke, Vorstandsvorsitzender Deutsche BP AG

Dr. Uwe Franke

Page 59: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

greifen. Vertragssicherheit und eine unpar-teiische Justiz sind unverzichtbar. Die Notwen-digkeit einer Energieaußenpolitik ist inzwi-schen Konsens, natürlich und vor allem mitRussland. Russland ist und war immer ein zu-verlässiger Lieferant. Wir sollten uns idealer-weise an den seit über 30 Jahren laufenden,umfangreichen Öl- und Gaslieferungen aus derNordsee ausrichten, die nie als politisch riskantangesehen wurden. Politik spielt hier über-haupt keine Rolle. Es geht um Strategien für eine wirtschaftliche Verflechtung – unter ande-rem durch Investitionen, aber auch zum Bei-spiel durch kulturelle und wissenschaftlicheZusammenarbeit. Verflechtung ist der besteGarant für gegenseitige Investitionssicherheit.

Die Weiterverarbeitung von Energieressourcenzu Strom und Kraftstoffen muss mit zwei He-rausforderungen zurechtkommen: Das Ausblei-ben eines neuen nationalen Energiekonsensesseit Tschernobyl und die Notwendigkeit des Kli-maschutzes, insbesondere seit Einführung deseuropäischen Emissionshandels im Jahr 2005.Beide Herausforderungen hängen miteinanderzusammen, weil es dabei um die Frage des rich-tigen Energiemixes geht, der dauerhaft undnachhaltig Versorgungssicherheit, Wirtschaft-lichkeit sowie Klima- und Umweltverträglich-keit verbindet. Der Kern dieses Zusammen-hangs bildet die ungelöste Frage nach dem zu-künftigen Umgang mit der Kernenergie.

Der alte Energiekonsens ist an der Frage der Sicherheit der Kernenergie zerbrochen. Derneue Energiekonsens im Zeichen des Klima-schutzes kommt nicht zustande, weil die Not-wendigkeit eines Klimaschutzbeitrags derKernenergie umstritten ist. Unabhängig davonbildet die gebotene Reduzierung der CO2-Emis-sionen im Wege des Emissionshandels eine be-sondere Herausforderung für DeutschlandsSchlüsselindustrien. Sie dürfen nicht zu Guns-ten der neuen Leitmärkte Umwelt- und Klima-schutz vernachlässigt werden. Alte und neueIndustriezweige müssen sich vielmehr ergän-zen. Die durch den CO2-Emissionshandel ent-stehenden Zusatzkosten dürfen nicht zu einemKonkurrenznachteil im globalen Wettbewerbwerden. Deswegen muss bei den Post-Kyoto-Verhandlungen ein zentrales Ergebnis sein,dass es weltweit zu einem Handel mit CO2-Emissionen kommt. Es darf nicht sein, dassDeutschland und Europa ihre Wettbewerbs -fähigkeit verlieren, weil sie höhere Kosten fürKlima-, Umwelt-, Arbeits- und Sozialschutz in

Kauf nehmen, während andere durch Verzichtauf derartige Schutzmaßnahmen Kostenvor-teile erlangen. Die Antwort darauf darf jedochnicht Protektionismus sein, sondern die schritt-weise weltweite Verständigung über den Wertdieser Schutzmechanismen. Im Klimaschutz istweltweiter Emissionshandel besser als welt-weite Klimazölle. In der aktuellen Lage heißtdas aus Sicht der Mineralölwirtschaft: Die Raf-finerien in Deutschland und Europa müssen imVergleich mit außereuropäischen Standortenkonkurrenzfähig sein. Sonst tritt zur Importab-hängigkeit bei Öl und Gas noch eine Einfuhrab-hängigkeit bei Mineralölprodukten hinzu.

Zusammengefasst brauchen wir für eine Ener-giestrategie, die dauerhaft und nachhaltig seinsoll, einen neuen Energiekonsens. Er sollte nachMöglichkeit europäisch angelegt sein. Zumin-dest braucht Deutschland diesen neuen Kon-sens, wie in Zukunft Energiesicherheit und Kli-maschutz als zwei Seiten einer Medaille ausge-staltet sein sollen. So wie in der Sozialversiche-rung immer wieder mit Erfolg überparteilicheund damit für Wahlkämpfe nicht geeignete Lösungen gefunden werden, sollte es auch inder Energieversorgung praktiziert werden. DieZeche zahlen sonst unsere Nachkommen.

57Dokumentation Wirtschaftstag

Page 60: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Für die Deutsche Telekom ist das Thema In-novation ganz wichtig. Wir setzen täglichdarauf, neueste Technologien und innovati-

ve Produkte einzusetzen. Unseren Kunden wol-len wir die gesamte Angebotspalette aus Mobil-funk, Festnetz und EDV-Lösungen bieten. Der Ge-schäftskundenbereich T-Systems bietet den Un-ternehmen Lösungen rund um das Thema Infor-mations- und Kommunikationstechnologie an.Wir verfügen über ein innovatives Portfolio ausInfrastrukturleistungen und Sys temlösungen.

Dafür haben wir ein neudeutsches Wort ge-prägt: Information and Communication Tech-nology – kurz ICT. Das Zusammenwachsen vonIT und EDV prägt die Zukunft. Warum ist ICT sowichtig? ICT lässt Prozesse verschmelzen. DieSystembrüche zwischen Kommunikation und

EDV entfallen. Die Technologien wachsen zu-sammen, und dadurch werden wir Effizienzstei-gerungen bekommen. Unsere Netzwerke undEndgeräte werden in Zukunft immer mehr soausgelegt sein, dass Sie in jeder Lebenslage anjedem Standort die optimal passende Technolo-gie und den besten Netzzugang nutzen können.Wir nennen das: always best connected.

Die Deutsche Telekom ist überzeugt, dass ICT zueinem festen Bestandteil unseres Lebens wird.Den Beweis dafür liefern wir in Friedrichshafen.In den kommenden Jahren werden wir dort ei-ne ganze Reihe von nutzbaren ICT-Lösungenund Anwendungen entwickeln. Ein Beispiel istdie „mobile Visite“. Kardiologen des Friedrichs-hafener Klinikums können Herzpatienten inter-aktiv in ihrer vertrauten Umgebung zu Hause

58 Dokumentation Wirtschaftstag

Internationaler Abend:

Mit ICT: Always best Connected Reinhard Clemens,Vorstand Geschäftskunden, CEO von T-Systems,Deutsche Telekom AG

Page 61: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

betreuen. Bei der mobilen Visite werden Blut-druck, Puls, Gewicht und ähnliches über Mobil-funk und mobile Messgeräte an die Klinik über-mittelt und dort ausgewertet. Das bedeutet lückenlose Betreuung für die Patienten. In eineralternden Gesellschaft sind das Lösungen, dieeinerseits Kosten reduzieren, andererseits aberauch eine große Erleichterung für Patientenund Ärzte bedeuten. Ein weiteres Beispiel ist dietägliche Ablesbarkeit von Stromzählern. Da-durch können Verbraucher ihren Stromver-brauch besser erfassen und Strom sparen, Ener-gieunternehmen werden in die Lage versetzt,ihre Stromproduktion effizienter zu gestalten.

Das sind nur zwei von vielen Beispielen, die inFriedrichshafen entstehen. Aber nicht nur imprivaten Bereich wird ICT Einzug halten. ICT bie-tet auch der Wirtschaft neue Möglichkeiten.Die Entwicklung des Internets war in den letz-ten Jahren rasant. Wir glauben, dass sich das inden kommenden Jahren noch weiter erhöhenwird und die Geschwindigkeit dabei zunimmt.Der enorme Anstieg bezahlbarer Bandbreitenbei der Datenübertragung wird ein Schlüsselsein für die zukünftige Entwicklung. Der Zugriffauf Daten wird einfacher und leichter werden.Auch die Möglichkeiten von Videokonferenzenwerden deutlich zunehmen. Wir stehen hiertechnisch vor einem Durchbruch. Dabei werdendie Grenzen zwischen nationalem und interna-tionalem Arbeiten verschwimmen – und wirwerden einer globalen Welt, einem globalenNetzwerk einen Schritt näher kommen. DieWelt reduziert sich – wenn man so will – auf einen Raum. Für Mitarbeiter wird in globalenNetzwerken eine ganz neue Form der Kom -munikation und Transparenz geschaffen. Sokönnen Informationen in einem globalen Dialog mit Mitarbeitern von jeder Stelle aus

sofort und punktgenau verfügbar gemachtwerden. Die Deutsche Telekom sieht sich verpflichtet, Deutschland mit einer internatio-nal führenden Infrastruktur auszustatten. Und

wir werden technische Lösungen für unsereGesellschaft und Wirtschaft zur Verfügung

stellen, damit Deutschland wettbewerbsfähigund innovativ bleibt.

59Dokumentation Wirtschaftstag

Page 62: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Der Wahlkampf um das amerikanischePräsidentenamt, das „horse race“, wiewir es nennen, ist völlig offen. Ich denke,

dass das Ergebnis dieser Wahl wie bei den letz-ten beiden Wahlen in den USA wieder sehrknapp ausfallen wird. Als Republikaner undUnterstützer von John McCain muss ich sagen,dass das angesichts der derzeitigen Verfassungder Republikaner bemerkenswert ist. Wir ha-ben einen amtierenden Präsidenten, dessenUmfragewerte zu den schlechtesten der Ge-schichte gehören. Wir haben einen Präsidenten,der nur wenige innen- oder außenpolitische Er-folge vorzuweisen hat. Und wir haben einenPräsidenten, der sich, wenn er ins Ausland reist,mit anderen führenden Politikern aus Angstvor Protesten der Öffentlichkeit an obskurenOrten treffen muss.

Aus dieser Sicht ist es erstaunlich, dass sichJohn McCain ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Barack Obama liefert. Aus meiner Sicht hat dasmit der Struktur der amerikanischen Politik zutun. Wir haben nicht die starken, zentralisier-ten Parteistrukturen, die viele europäische Länder, darunter auch Deutschland, haben.Und die Leute wählen eher den Mann oder dieFrau als die Partei. Und das erlaubt einerheraus ragenden Persönlichkeit wie McCain,sich über das gegenwärtige Imageproblem, dasdie Republikanische Partei in den USA hat, zuerheben.

John McCain ist ein Mann mit einer bemer-kenswerten Bilanz. Er ist jemand, der seinemLand jahrelang in Uniform und als Politiker ge-dient hat, jemand, dessen bemerkenswerte

60 Dokumentation Wirtschaftstag

Internationaler Abend:

US-Präsidentschaftswahlen 2008– Folgen für die USA und Europa

Richard Burt, Botschafter a.D.

Page 63: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Courage als Kriegsgefangener heute in denUSA fast mystisch ist. John McCain ist sehr erfahren, und er hat von dem kontroversenKampf zwischen Barack Obama und HillaryClinton profitiert. John McCain hat, auch das istsehr wichtig, einen deutlichen Vorsprung von20 Prozentpunkten oder mehr bei den weißenmännlichen Wählern. Im Übrigen: Die Demo-kraten hatten keine Mehrheit mehr bei denweißen männlichen Wählern seit 1976, als Jimmy Carter gewählt wurde.

Ein anderer Bereich, wo John McCain einenwichtigen Vorsprung hat, ist bei den weißenFrauen aus städtischen Außenbezirken. Vieledieser weißen Frauen aus den Vororten warenAnhängerinnen von Hillary Clinton. Und vondiesen werden jetzt sehr viele John McCain un-terstützen. Ebenfalls achten sollte man auf dieStimmen der Hispanoamerikaner, der amschnellsten wachsenden Minderheit in denUSA. Zurzeit genießt Barack Obama hier einenbeträchtlichen Vorsprung. Aber McCains Kam-pagne wird sich sehr stark auf die Hispanoame-rikaner konzentrieren.

Wie wird die Außenpolitik der amerikanischenRegierung aussehen, wenn John McCain Präsi-dent wird? Lassen Sie mich diese Frage beant-worten, indem ich zunächst feststelle, dass esseit dem Ende des Zweiten Weltkrieges Zyklengegeben hat, wo die USA in vielen Bereichen imAusland die Führungsrolle übernommen ha-ben. Es hat aber auch Phasen amerikanischerKonsolidierung gegeben. Die USA haben Endeder vierziger Jahre die Führungsrolle beim Mar-

shall-Plan übernommen, bei der Schaffung derNATO, des IWF, der Weltbank und der Bretton-Woods-Institutionen. In den fünfziger Jahrenwaren die Amerikaner weniger Hegemon derWeltpolitik, es war eine Phase der Konsolidie-

rung. Während der Kennedy-Jahre gab es einezweite Phase der Führung. Wir hatten Erfolgemit der Kennedy- und der Johnson-Regierung,aber wir hatten auch einige sehr ernste Proble-me, dazu gehört der Vietnam-Krieg.

Als das Jahr 1968 kam und Richard Nixon ge-wählt wurde, hatten wir eine Phase der Konso-lidierung, die, wie sich herausstellte, eine sehrkreative Phase in der amerikanischen Außenpo-

61Dokumentation Wirtschaftstag

Wir werden in jedem Fall wieder eine Phase der Konsolidierung in der amerikanischen Außenpolitik erleben

Page 64: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

litik war. Ich nenne die Öffnung Chinas und dieDétentepolitik unter Henry Kissingers Führunggegenüber der damaligen Sowjetunion. Wir ha-ben also gewisse Schwankungen in der ameri-kanischen Außenpolitik gesehen. Und daraus

ziehe ich den Schluss, dass, egal wer im Novem-ber zum neuen Präsidenten gewählt wird, wirwieder eine Phase der Konsolidierung in deramerikanischen Außenpolitik erleben werden.

Natürlich stehen die USA innenpolitisch vor ei-nigen sehr schweren Herausforderungen. Vorallem wirtschaftlich. Und hier gibt es einen gro-ßen Unterschied zwischen John McCain und Ba-rack Obama. Wenn Obama im November ge-wählt wird, wird er Ende Januar im WeißenHaus mit einer wahrscheinlich großen demo-

kratischen Mehrheit – im Repräsentantenhausund im Senat – die Macht übernehmen. Deshalbwird er in gewissem Sinne einen Blankoscheckfür seine Politik haben. Und diesen Scheck wirder unterschreiben. Ich bezweifle, dass dies derrichtige Zeitpunkt für die USA ist, um massiveAusgaben für soziale Programme zu tätigen.Wir haben gravierende Haushaltslücken. NeueAusgaben für das Gesundheitswesen, für dasSozialversicherungswesen, für die Infrastruktur– das mögen alles Dinge sein, die wir in den USAfrüher oder später brauchen. Aber hohe Ausga-ben in Verbindung mit höheren Steuern für Pri-vatleute und Unternehmen werden unsere ge-genwärtigen wirtschaftlichen Probleme ver-schärfen. Und hier möchte ich anfügen: Es gibteinen sehr ungesunden Trend zum Protektionis-mus in der Demokratischen Partei. Wenn Oba-ma mit einer großen demokratischen Mehrheitim Repräsentantenhaus und im Senat Präsidentwird, so werden die Initiativen für ein geordne-tes und liberales internationales Handelssys-tem umso schwerer. Deswegen könnte es eineökonomisch sehr schwere Zeit für eine neueObama-Regierung werden.

Ich komme zum Nahen Osten. Wer ist besserpositioniert, um mit den Problemen und He-rausforderungen umzugehen? Man kann pau-schal über die Probleme im Iran oder im Iraksprechen und sagen, dass Obama aussteigenwill und McCain gewinnen will. Oder dass Oba-ma mit dem Iran verhandeln will, währendMcCain eine unnachgiebige Politik bevorzugt.Tatsache ist, dass keiner der beiden beim The-ma Irak viel Spielraum haben wird. Obama willdie Anzahl der Soldaten in einem bestimmtenZeitraum automatisch verringern, McCain willmehr Flexibilität. Er hat erkannt, dass wir, wennwir uns zu früh zurückziehen, ein Machtvaku-um im Irak hinterlassen, das zu einem größe-ren Bürgerkrieg und einem Krieg in der Regionführen kann. Die amerikanische Öffentlichkeitwill, dass die Soldaten schnell abgezogen wer-den. Aber sowohl Obama als auch McCain sindklug genug, um zu wissen, dass ein automati-scher Truppenrückzug ohne Berücksichtigungder Situation vor Ort zu einem sehr beunruhi-genden Ergebnis führen könnte.

Zum Iran: Das Problem bei Verhandlungen mitdem Iran ist, dass es nicht klar ist, mit wem manin Teheran überhaupt spricht. Die Macht istsehr verstreut, das Land ist schwer zu verste-hen. Es erinnert mich fast an den Kalten Krieg,als die Leute Fotos von russischen Generälen

62 Dokumentation Wirtschaftstag

Page 65: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

und Mitgliedern des Politbüros machten, weilsie nicht wussten, wer eigentlich die Entschei-dungen traf. Auch im Iran weiß man nicht sogenau, wer die Entscheidungen in Wahrheittrifft. Wir wissen, dass Mahmud Ahmadine -dschad einen gewissen Machtumfang hat.Aber wir wissen auch, dass er die iranische Ar-mee nicht kontrolliert. Wir wissen, dass Perso-nen wie Larijani und Rafsanjani immer mehrmit ihm konkurrieren. Wir wissen ebenfalls,dass der Oberste Rat und der Oberste Führer ei-ne wichtige Rolle spielen. Meine Anmerkung zuGesprächen mit dem Iran ist: Wir sollten sehrvorsichtig sein, bevor wir uns voreilig auf Ver-handlungen einlassen. Wir verstehen die Impli-kationen nicht. Und das erinnert mich daran,als John F. Kennedy 1961 nach Wien reiste, umChruschtschow zu treffen. Kennedy glaubte,dass es notwendig sei, reinen Tisch zu machenund einen Dialog mit dem russischen Staats-führer zu beginnen. Was er in Chruschtschowfand, war jemand, der tobte, aggressiv war undDrohungen aussprach. Und weniger als einJahr, nachdem Kennedy Chruschtschow inWien getroffen hatte, wurde die Berliner Mauer gebaut. Zwei Jahre später spielteChruschtschow in Kuba mit Nuklearwaffen. Ichwill nicht gegen einen Dialog mit dem Iran ar-gumentieren. Ich will nur sagen, dass wir sehrgeduldig und sehr vorsichtig sein müssen. Wirsollten uns dem Iran nicht nur von der Positionaus nähern, dass wir einen Dialog wünschen,sondern wir müssen zugleich aus einer Posi -tion der Stärke agieren.

Wenn wir an den nächsten amerikanischen Prä-sidenten denken, müssen wir auch an den Dia-log denken, der unweigerlich zwischen diesemPräsidenten und der Europäischen Union undden Staatschefs der wichtigsten europäischenLänder stattfinden wird. Ich glaube, sowohlObama als auch McCain werden wieder zu ei-ner eher multilateralen Herangehensweise nei-gen und einen Konsens suchen. Sie werden be-strebt sein, Konsultationen abzuhalten und ei-nen gemeinsamen Standpunkt zu erreichen.Die Strategie der Bush-Regierung – „Entwederseid Ihr für uns oder gegen uns“ – wird es nichtmehr geben. Wenn man über Konsens sprichtund über Partnerschaft nachdenkt, dann heißtdas aber auch zwangsläufig, dass die USA grö-ßere Ansprüche an Europa stellen werden. DieVereinigten Staaten werden offen für eine wirk-liche Partnerschaft sein. Für die Europäer wirdes dann zugleich aber nicht mehr so einfachsein, sich mit Verweis auf eine falsche amerika-

nische Politik zurückzuziehen. Darauf solltensich die Europäer vorbereiten, wenn eine neueUS-Regierung Gestalt annimmt.

Es gibt in beiden Lagern – sowohl in derMcCain- als auch in der Obama-Gruppe – im-mer noch einen Wettkampf zwischen Pragma-tikern und Ideologen. Es gibt immer noch Leu-te, die die USA auf einer Mission sehen, auf ei-

ner Art globalem Kreuzzug. Und es gibt Leuteauf der anderen Seite, die erkannt haben, dasses notwendig ist, Konsultationen abzuhaltenund bereit zu sein, Kompromisse zu suchen –nicht nur mit unseren Freunden, sondern auchmit unseren Gegnern. McCains Erfahrung unddie Tatsache, dass er so viele Jahre auf die Pro-be gestellt wurde, sagt mir, dass er ein Realistsein wird.

63Dokumentation Wirtschaftstag

Page 66: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Ich kenne Barack Obama seit 2003. SenatorObama füllte bei seinen Reden schon damalsden Raum, obwohl sich seine politische Erfah-

rung auf Illinois beschränkte. Die Kraft BarackObamas und sein ungeheures Charisma beimUmgang mit politischen Problemen haben be-reits vor fünf Jahren bei vielen Menschen einentiefen Eindruck hinterlassen.

Ich habe mit Stolz zugeschaut, als Obama 2004auf der Versammlung der Demokraten seineerste Rede hielt. In dieser Wahlkampfsaisonwar ich etwas hin- und hergerissen, denn ichhatte für Hillary Clinton gearbeitet, als sie dieFirst Lady im Weißen Haus war. Und ich hatteVerbindungen zu einigen der anderen Kandi-daten.

Also beschloss ich, neutral zu bleiben. Und ichdachte, dass das mit Obama in wenigen Wo-chen vorbei sein würde. Dann wurden aus denWochen Monate und schließlich war diese fa-belhafte sechsmonatige Zeit der Vorwahlen zuEnde. Ich habe mich nun im Obama-Lager zum

Dienst gemeldet – sowohl in Washington alsauch in Berlin.

Ich möchte einige Anmerkungen zum „horserace“ machen. Die Demokratische Partei hatsechs Monate Vorwahlen hinter sich, sie habensich sehr lange hingezogen. Obama musste sichdavon erholen. Er muss die Partei einen, ermuss alle hinter sich bringen – und er muss alsAnführer einer vereinten Partei voranschreiten.Die gute Nachricht ist, dass er in einer sehrkomfortablen Lage ist, das auch zu tun. Wäh-rend der Kampagne sind die beiden Kandida-ten in alle Teile des Landes gekommen, in Ge-genden, wo die Demokraten selten auftreten.Orte, die wir vor Jahrzehnten aufgegeben undden Republikanern überlassen hatten.

Zwei Millionen Demokraten haben sich im Lau-fe der Vorwahlen eingetragen. Obama sammel-te über 200 Millionen Dollar, die Unterstützungdurch die Demokraten ist erstaunlich hochge-schnellt. Und obwohl er zeitweilig eine sehr ge-spaltene Phase hinter sich hatte, lag er in Mei-nungsumfragen unmittelbar nach den Vor-wahlen noch immer sechs Prozentpunkte vor

64 Dokumentation Wirtschaftstag

Nelson Cunningham,Managing Partner Kissinger McLarty Associates

Wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen –das ist etwas, was die Deutschen sehr gut verstehen

Page 67: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

65Dokumentation Wirtschaftstag

John McCain. Wenn heute Wahltag wäre, wür-de man das wohl als einen erdrutschartigenSieg bezeichnen. Obama liegt bei den weibli-chen Wählern 19 Prozentpunkte vor SenatorMcCain, wobei die Frauen die Wählerschaftsind, um die man sich wegen Senator ClintonSorgen macht. Er führte bei den Hispanoameri-kanern mit 62 gegenüber 28 Prozent beiMcCain. Das ist ein historischer Vorsprung. Undselbst bei den Arbeitern liegt er mit einem Pro-zentpunkt vorn. Barack Obama beginnt dieletzte Phase des Wahlkampfs damit in einer Po-sition, in der er die Partei eint, im Rennen vorneliegt und alle Ressourcen einer starken Demo-kratischen Partei hat, die er zum Tragen brin-gen kann.

John McCain ist ein Mann mit erstaunlichen Talenten. Aber er ist belastet durch eine repu -blikanische Partei, deren Ansehen durch siebenJahre Missmanagement George W. Bushs unddavor durch die Republikaner im Kongressschwer beschädigt ist. Schwer belastet istMcCain zusätzlich durch seine Unterstützungfür den schlimmsten außenpolitischen Fehlerder letzten 100 Jahre, nämlich die Invasion imIrak. John McCain kann nun argumentieren,dass er Erfahrung hat, Urteilsvermögen und derbeste Mann ist, der uns nach vorn führen kann.Aber dennoch war er 2002 einer der jenigen, dieuns in diesen Krieg geführt haben – aus Grün-den, die keiner bislang erklären konnte.

Barack Obama war damals Senator. Niemandfragte die Senatoren seinerzeit, was sie vomEinmarsch in den Irak halten. Dennoch sprachsich Obama sehr deutlich gegen den Krieg aus.

Er sagte ganz klar, dass dies aus seiner Sicht einverheerender Krieg sei, den man nicht führensolle. Mit den 600 Milliarden Dollar, die wir fürden Irak-Krieg ausgegeben haben, hätten wir

viele Straßen und Schulen bauen können. Statt-dessen haben wir das Geld für einen Krieg aus-gegeben, der noch immer kein Ende findet.

Ein Wort noch zum angeblichen Protektionis-mus, den die Republikaner den Demokratennachsagen. Weder ist Obama ein Protektionist,noch ist die Demokratische Partei eine protek-tionistische Partei. Wir haben in den Vereinig-ten Staaten eine schlechte Globalisierungspoli-tik. Das liegt meines Erachtens an den letztensieben Jahren der Bush-Regierung. Bill Clintonwusste, was man tun muss, um die Idee der Glo-

Page 68: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

balisierung zu verkaufen. Als erstes brauchtman ein Programm, um mit der Angst umzuge-hen, die die Arbeiter empfinden. Ein Programmfür Arbeiter aus Fabriken, die geschlossen wer-den, aus Orten, denen es wirtschaftlich schlecht

geht. Man muss ihnen zeigen, dass man sich umsie kümmert. Man braucht Infrastruktur, manbraucht Straßen, Weiterbildungsprogrammeund Schulen. Und zweitens muss man mit demKongress zusammenarbeiten, um dafür zu sor-gen, dass die internationalen Handelsabkom-men die Elemente beinhalten, die die Demokra-ten fordern. Zum Beispiel Vereinbarungen überArbeitsrecht und Umweltschutz – das sind Din-ge, an die auch die Deutschen glauben. DieseDinge wollen die Demokraten auch in ihrenHandelsabkommen wiederfinden.

Im Gegensatz dazu hat Georg W. Bush siebenJahre damit verbracht, keine Infrastruktur auf-zubauen und sich nicht mit den Ängsten derArbeiter zu beschäftigen. Seine Wirtschaftspo-litik lautete: Wir senken die Steuern für die Rei-chen, davon werden die Armen und die Arbei-terklasse schließlich auch profitieren. Das funk-tioniert nicht. Und ganz sicher führt es nichtdazu, dass die Armen und die Arbeiterklassedas Gefühl haben, dass man sich ihrer Nöte an-nimmt. Bush hat ferner aus den Handelsab-kommen die Vereinbarungen zum Arbeitsrechtund Umweltschutz gestrichen, die die Demo-kraten brauchen, um die Abkommen unter-stützen zu können. Es ist also kein Wunder, dasswir nach sieben Jahren dieser Politik ein Pro-blem haben.

Wie können wir dieses Problem lösen? Wir müs -sen die Ängste der Menschen ernst nehmen.Das ist etwas, was die Deutschen sehr gut ver-stehen. Man muss die Ängste der Arbeiter an-gehen, die sich von der Globalisierung zurück-gelassen fühlen. Und man muss Möglichkeitenfinden, es politisch zu verkaufen, damit jederversteht, dass die Globalisierung funktioniert.

Ob nun Barack Obama oder John McCain Präsi-dent wird – beide werden es mit einem demo-kratischen Kongress zu tun haben, und der wirdAntworten auf diese Fragen verlangen. BarackObama ist derjenige, der weiß, wie man mitdiesem Kongress redet und wie man diese Pro-gramme einführt. Auf diese Art bekommt maneine echte Globalisierung, eine Ausweitung desHandels. John McCain wird nach meiner Auf-fassung nicht in der Lage sein, das zu erreichen.

66 Dokumentation Wirtschaftstag

Page 69: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

Zu einer kritischen Frage eines Zuhörerszur Rolle des umstrittenen Reverend Jeremiah Wright für Barack Obama be-

merkte Cunningham, dass das schwierigsteThema für die USA das Thema Rasse sei. BarackObama habe auf die zweifelhaften Äußerun-gen seines Pastors mit einer sehr klugen unddurchdachten Grundsatzrede reagiert. Cun-ningham wies darauf hin, dass nach den Wor-ten Obamas Reverend Wrights Generationdurch schwere Zeiten gegangen sei, in der Bürgerrechtsbewegung gekämpft habe undunter den Bedingungen der Rassentrennungauf gewachsen sei. „Für alles, was sie erreicht

haben, mussten sie sehr hart kämpfen“, sagteCunningham. „Sie haben etwas erreicht, weilsie eine kämpferische Natur hatten und einegewisse Radikalität entwickelten, die ihnen dienötige Energie gegeben hat, um Hindernisse zuüberwinden.“

Heute sei Amerika jedoch ein anderes Land.Heute werde das Thema Rasse anders gesehen,auch und vor allem wegen der Kämpfe, die diefrüheren Generationen erfolgreich ausgefoch-

67Dokumentation Wirtschaftstag

Internationaler Abend:

Diskussion zeigte: Unterschiedliche Ansätze derKandidaten Obama und McCainin der Wirtschaftspolitik

Heute wird das Thema Rasse anders gesehen, auch und vor allem wegen der Kämpfe,

die die früheren Generationen ausgetauscht haben

Page 70: Dokumentation zum Wirtschaftstag 2008

ten hätten. Für Obama sei Wright wie ein älte-rer Angehöriger, der Dinge sagt, mit denen mannicht einverstanden sein könne. „Wir habenviel Zuneigung für sie, und das war ganz klar ei-ne dieser schwierigen Beziehungen“, sagteCunningham. Inzwischen habe sich Obama je-doch trotz seiner langen Bindung deutlich vonWright distanziert und seine Kirche verlassen.Zur Rolle der konservativen Evangelikalen imrepublikanischen Lager bemerkte Richard Burt,dass er deren Einfluss für geringer halte als beifrüheren Wahlen. „Ich glaube nicht, dass dieEvangelikalen bei diesen Wahlen eine so wich-tige Rolle spielen wie in der Vergangenheit“, er-

klärte Burt. „Ich glaube auch, dass sie nichtmehr so ideologisch sind wie früher.“ Gleich-wohl sei der Umgang mit den Evangelikalen fürJohn McCain nicht einfach. Anders als GeorgeW. Bush habe McCain nie versucht, sich mit die-ser konservativ-religiösen Gruppe besonderszu identifizieren. „Er will ihre Unterstützung –aber er ist bereit, in mehreren Punkten von ihnen abzuweichen.“

Nelson Cunningham fügte hinzu, dass sich diepolitische Landkarte der USA stark verändert ha-be. „John McCain kommt bei bestimmten Teilenseiner Wählerschaft nicht an, dafür kommt erbei Teilen der unabhängigen Wählerschaft undsogar bei Teilen der demokratischen Wähler an.“Bei Obama sei das ebenso. „Deswegen wird sichdie Wählerlandkarte im November deutlich än-dern – und das ist ein Grund, warum die Wahlenin diesem Jahr sehr interessant werden.“

Ein Zuhörer wollte wissen, wie John McCain sichdie künftige Außenpolitik der USA vorstelle, was

ihm vorschwebe, „um das Schiff wieder auf Kurszu bringen“. Nach den Worten Burts ist Außen-politik komplizierter als gemeinhin angenom-men. „Wir neigen dazu, Diplomatie und militä-rische Stärke als Antipoden zu begreifen.“ Diessei falsch. Außenpolitik sei – auch in historischerBetrachtung – stets eine Mischung aus mehre-ren Instrumenten. „Außenpolitik ist die Anwen-dung militärischer Gewalt, wirtschaftlicherMacht, diplomatischer Überzeugungskraft undöffentlicher Diplomatie“, sagte Burt. „Eine reindiplomatische Herangehensweise funktioniertgenauso wenig wie eine rein militärische.“ Dassei der Fehler gewesen, den George W. Bush ge-macht habe. „Mit seinem Krieg gegen den Irakund dem Kampf gegen den Terrorismus hat erweder Herzen noch Köpfe gewinnen können“,kritisierte Burt. Die Regierung Bush habe aus-schließlich militärische Gewalt eingesetzt. „Siehat keinen breiten Ansatz mit verschiedenen In-strumenten entwickelt.“ McCain sei in diesemPunkt völlig anders, er habe dank seiner langenErfahrung verstanden, dass Außenpolitik stetsdie erfolgreiche Mischung aller verfügbaren po-litischen wie militärischen Instrumente sei.Cunningham widersprach – und reklamiertefür Obama, dieser habe einen realistischerenBlick auf die Welt als McCain. Obama verfolgeeinen stärker multilateral ausgerichteten An-satz in der Außenpolitik als sein republikani-scher Kontrahent und sei bereit, die Verbünde-ten der Vereinigten Staaten weitaus stärker inaußenpolitische Fragen einzubeziehen.

In der Debatte wurde deutlich, dass Obamaund McCain einen unterschiedlichen Ansatz inder Wirtschaftspolitik haben. So kritisierte Cun-ningham insbesondere, dass McCain neuerli-che Steuersenkungen für Wohlhabende auf derAgenda habe, sich aber nicht darum schere,dass die Defizite im Staatshaushalt so weiter-wüchsen.

Große Einigkeit zwischen Cunningham undBurt bestand hingegen in grundsätzlichenenergiepolitischen Fragen. Sowohl Obama alsauch McCain hätten sich für verbindliche Emis-sionsgrenzen ausgesprochen, um den Klima-wandel zu bekämpfen. „Ich glaube aber, dasskeine der beiden Parteien beim Thema Energie-versorgung bisher mit dem amerikanischenVolk Klartext gesprochen hat. Es gibt viele Ide-en in beiden Parteien, die meisten aber taugennicht viel“, sagte Burt. „Ich muss leider sagen,dass ich Richard Burt in diesem Punkt voll zu-stimme“, erklärte Cunningham. �

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Sowohl Obama als auch McCain haben sichfür verbindliche Emissionsgrenzen ausgesprochen, um den Klimawandel zu bekämpfen

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IMPRESSUMDokumentation Wirtschaftstag / Internationaler Abend 2008Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Supplement zu trend – Zeitschrift für Soziale Marktwirtschaft, Nr. 116 / 30. Jahrgang

Herausgeber: Prof. Dr. Kurt J. Lauk, Präsident, für den Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Schriftleitung: Erwin Lamberts, Chefredakteur (v.i.S.d.P.); Katja Sandscheper, Redaktion; Silvia Axt, Assistenz

Wissenschaftliche Beratung: Hans Jochen Henke; Dr. Rainer Gerding

Gemeinsame Postanschrift: Redaktion trend, Luisenstraße 44, 10117 Berlin, Telefon: 030/24087-300/301, Telefax: 030/24087-305, Internet: www.trend-zeitschrift.de

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18. Juni 2008Wirtschaftstag 2008