[improvement of compliance supported by pharmacists]

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© 2010 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Therapeutische Umschau 2010; 67 (6): DOI 10.1024/0040-5930/a000053 293 Übersichtsarbeit Pharmaceutical Care Research Group, Dept. Pharmazeutische Wissenschaften, Basel Isabelle Arnet, Kurt E. Hersberger Einleitung Eine Arzneimitteltherapie zu befolgen bedeutet, eine fremde Packung in sei- nen Alltag zu integrieren und eine wie- derkehrende Handlung mit korrektem Rhythmus zu planen. Doch muss vor- erst ein grundlegender psychologischer Schritt stattgefunden haben: die Ak- Verbesserungen der Compliance durch die Apotheke Die Verbesserung der Compliance ist für alle Medizinalpersonen und insbeson- dere für die Patienten eine alltägliche Herausforderung. Es gilt, die Notwendig- keit einer Therapie einzusehen, mit der Therapiewahl sich anfreunden zu kön- nen und dann einen Therapieplan in den Alltag integrieren zu können – allenfalls mit einer lebenslangen Dauer. Willentliche und unwillentliche Non Compliance sind häufig; Studien berichten von bis zu 50 %. Die Apotheker, als letztes Glied in der Versorgungskette, sind in bester Position um den Patienten nach Motivation, Kenntnissen und Hindernissen zu befragen und maßgeschneiderte technische und motivationale Hilfe zu leisten. Unverzichtbar ist die eingehende Anwen- dungsinstruktion bei der Abgabe, damit allfällige eingeschränkte Fertigkeiten (Geschicklichkeit, Sehvermögen, Kognition) erkannt und Hilfe angeboten wer- den kann. Eine Vielzahl von Hilfsmitteln sowie neue Technologien können ge- zielt eingesetzt werden um auch die langfristige Befolgung eines Therapieplanes zu gewährleisten. zeptanz der Therapieempfehlung und die Bereitschaft, die Therapie wie ge- plant auszuführen. Die Compliance ist somit das Resultat eines kommunika- tiven Prozesses zwischen dem Patien- ten und seinem Umfeld (Arzt, Apothe- ker, Pflegende, Familie, Freunden, Medien) gekoppelt mit der praktischen Fähigkeit und Fertigkeit, die Anwen- dung auszuführen. Die Verbesserung der Compliance durch eine Medizinal- person soll zum Ziel haben, die kor- rekte Ausführung des Therapieplans zu gewährleisten und dadurch den Thera- pieerfolg zu sichern. Die stärksten Ef- fekte einer Compliance-Förderung auf den Therapieerfolg werden erreicht, wenn der Patient aktiv eingebunden wird in die Wahl der Therapie, die Ver- antwortung für Selbstfürsorge („self care“) übernimmt und soziale Unter- stützung erhält [1]. Die Evidenzlage ist dünn, dass Interventionen zur Verbes- serung der Compliance tatsächlich ef- fektiv sind, vor allem im Hinblick auf die andauernde Compliance und Per- sistenz [2]. Doch viele Studien deuten darauf hin, dass die Compliance ver- bessert wird, wenn die Umstände statt der Patient geändert werden [2]. Die Apotheker, als letztes Glied in der Versorgungskette, sind in bester Posi- tion um den Patienten nach Motiva- tion, Kenntnissen und Hindernissen zu befragen und eine maßgeschneiderte technische und motivationale Hilfe zu leisten. Die 2 Typen der Non Compliance Die Non Compliance kann zwei Typen annehmen, eine willentliche (intentio- nal) und eine unwillentliche (uninten- tional) Form [3]. Die willentliche/be- wusste Non Compliance ist, wenn der Patient die Diagnose oder die Behand- lung verweigert und die Therapie gar nicht startet, oder wenn er die Dosie- rungsempfehlungen verändert, um sei- ne eigenen Bedürfnisse zu decken. Die unwillentliche/unbewusste Non Com- pliance ist nicht geplant und geht oft mit Vergesslichkeit, mit Verständi- gungsfehlern, mit komplexen Thera- pien oder mit eingeschränkten Fertig- keiten (Geschicklichkeit, Sehvermögen, Kognition) einher [4, 5]. Überlappungen sind möglich, bzw. Patienten können Compliance auf deutsch: Therapietreue, Befolgung, Einwilligung, Unterwürfigkeit. £ Ausmaß, mit welchem das Verhalten des Patienten mit den abgesprochenen therapeutischen Empfehlungen übereinstimmt. MeSH* seit 1975. Adherence auf deutsch: Einhaltung. £ gleiche Definition wie Compliance; das neue Wort versucht, sich vom Bild des folgsamen, passiven Patienten zu lösen. MeSH* seit 2009. Concordance auf deutsch: Übereinstimmung. £ partnerschaftliche Kooperation zwischen Medizinal- person und Patient, mit vertrauensvoller Beziehung, eigenverantwortlichen und konsensualen Entscheidungen sowie aktiver Einbezug des Patienten bei der Planung und Realisierung der Behandlungsmaßnahme. Persistence auf deutsch: Beharrlichkeit, Ausdauer. £ Zeitspanne, in der ein Patient compliant ist. *MeSH: Medical Subject Headings; systematische Schlagwörter für eine effizientere Literatur- suche in PubMed (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed) Definitionen

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© 2010 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Therapeutische Umschau 2010; 67 (6): DOI 10.1024/0040-5930/a000053

293Übersichtsarbeit

Pharmaceutical Care Research Group, Dept. Pharmazeutische Wissenschaften, Basel

Isabelle Arnet, Kurt E. Hersberger

Einleitung

Eine Arzneimitteltherapie zu befolgen

bedeutet, eine fremde Packung in sei-

nen Alltag zu integrieren und eine wie-

derkehrende Handlung mit korrektem

Rhythmus zu planen. Doch muss vor-

erst ein grundlegender psychologischer

Schritt stattgefunden haben: die Ak-

Verbesserungen der Compliance durch die Apotheke

Die Verbesserung der Compliance ist für alle Medizinalpersonen und insbeson-

dere für die Patienten eine alltägliche Herausforderung. Es gilt, die Notwendig-

keit einer Therapie einzusehen, mit der Therapiewahl sich anfreunden zu kön-

nen und dann einen Therapieplan in den Alltag integrieren zu können – allenfalls

mit einer lebenslangen Dauer. Willentliche und unwillentliche Non Compliance

sind häufig; Studien berichten von bis zu 50 %. Die Apotheker, als letztes Glied in

der Versorgungskette, sind in bester Position um den Patienten nach Motivation,

Kenntnissen und Hindernissen zu befragen und maßgeschneiderte technische

und motivationale Hilfe zu leisten. Unverzichtbar ist die eingehende Anwen-

dungsinstruktion bei der Abgabe, damit allfällige eingeschränkte Fertigkeiten

(Geschicklichkeit, Sehvermögen, Kognition) erkannt und Hilfe angeboten wer-

den kann. Eine Vielzahl von Hilfsmitteln sowie neue Technologien können ge-

zielt eingesetzt werden um auch die langfristige Befolgung eines Therapieplanes

zu gewährleisten.

zeptanz der Therapieempfehlung und

die Bereitschaft, die Therapie wie ge-

plant auszuführen. Die Compliance ist

somit das Resultat eines kommunika-

tiven Prozesses zwischen dem Patien-

ten und seinem Umfeld (Arzt, Apothe-

ker, Pflegende, Familie, Freunden,

Medien) gekoppelt mit der praktischen

Fähigkeit und Fertigkeit, die Anwen-

dung auszuführen. Die Verbesserung

der Compliance durch eine Medizinal-

person soll zum Ziel haben, die kor-

rekte Ausführung des Therapieplans zu

gewährleisten und dadurch den Thera-

pieerfolg zu sichern. Die stärksten Ef-

fekte einer Compliance-Förderung auf

den Therapieerfolg werden erreicht,

wenn der Patient aktiv eingebunden

wird in die Wahl der Therapie, die Ver-

antwortung für Selbstfürsorge („self

care“) übernimmt und soziale Unter-

stützung erhält [1]. Die Evidenzlage ist

dünn, dass Interventionen zur Verbes-

serung der Compliance tatsächlich ef-

fektiv sind, vor allem im Hinblick auf

die andauernde Compliance und Per-

sistenz [2]. Doch viele Studien deuten

darauf hin, dass die Compliance ver-

bessert wird, wenn die Umstände statt

der Patient geändert werden [2].

Die Apotheker, als letztes Glied in der

Versorgungskette, sind in bester Posi-

tion um den Patienten nach Motiva-

tion, Kenntnissen und Hindernissen zu

befragen und eine maßgeschneiderte

technische und motivationale Hilfe zu

leisten.

Die 2 Typen der Non Compliance

Die Non Compliance kann zwei Typen

annehmen, eine willentliche (intentio-

nal) und eine unwillentliche (uninten-

tional) Form [3]. Die willentliche/be-

wusste Non Compliance ist, wenn der

Patient die Diagnose oder die Behand-

lung verweigert und die Therapie gar

nicht startet, oder wenn er die Dosie-

rungsempfehlungen verändert, um sei-

ne eigenen Bedürfnisse zu decken. Die

unwillentliche/unbewusste Non Com-

pliance ist nicht geplant und geht oft

mit Vergesslichkeit, mit Verständi-

gungsfehlern, mit komplexen Thera-

pien oder mit eingeschränkten Fertig-

keiten (Geschicklichkeit, Sehvermögen,

Kognition) einher [4, 5]. Überlappungen

sind möglich, bzw. Patienten können

Compliance auf deutsch: Therapietreue, Befolgung, Einwilligung, Unterwürfigkeit.

Ausmaß, mit welchem das Verhalten des Patienten mit den abgesprochenen therapeutischen Empfehlungen übereinstimmt. MeSH* seit 1975.

Adherence auf deutsch: Einhaltung. gleiche Definition wie Compliance; das neue Wort

versucht, sich vom Bild des folgsamen, passiven Patienten zu lösen. MeSH* seit 2009.

Concordance auf deutsch: Übereinstimmung. partnerschaftliche Kooperation zwischen Medizinal-

person und Patient, mit vertrauensvoller Beziehung, eigenverantwortlichen und konsensualen Entscheidungen sowie aktiver Einbezug des Patienten bei der Planung und Realisierung der Behandlungsmaßnahme.

Persistence auf deutsch: Beharrlichkeit, Ausdauer. Zeitspanne, in der ein Patient compliant ist.

*MeSH: Medical Subject Headings; systematische Schlagwörter für eine effizientere Literatur-suche in PubMed (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed)

Definitionen

Isabelle Arnet, Kurt E. Hersberger Verbesserungen der Compliance durch die Apotheke

Übersichtsarbeit294

sowohl willentliche wie auch unwil-

lentliche Non Compliance für verschie-

dene Arzneimittel zeigen, ja sogar für

das gleiche Arzneimittel zu unter-

schiedlichen Zeitpunkten.

Die 10 Formen der Non Compliance und ihre Konsequenzen

Eine optimale Compliance trägt fol-

gende Charakteristika: Die Einnahme

des richtigen Arzneimittels zum ver-

ordneten Zeitpunkt, in verordneter

Dosierung, für die verordnete Behand-

lungsdauer und ohne ungewollte Kom-

binationen [6]. Daraus lassen sich die

10 Erscheinungsbilder der Non Com-

pliance ableiten.

Parkplatzeffekt: wenn der Patient kurz

nach Beschaffung des Arzneimittels

das gesamte Quantum entsorgt. Diese

Nicht-Akzeptanz wurde bei 2 % Hyper-

toniker gesehen [7].

Drug holiday: eine Therapiepause, die

ein getreuliches Befolgen für kurze Zeit

unterbricht. Hier gehört das „Strecken“

einer Packung damit sie länger hält,

z. B. bei Patienten in finanziell schwie-

riger Lage. Dieser abrupte Unterbruch

der Therapie kann eine Reboundwir-

kung auslösen (z. B. nach Absetzen von

Clonidin) oder die Resistenz begünsti-

gen.

Zahnputzeffekt: der Patient beginnt die

sonst weitgehend ignorierte ärztliche

Empfehlung kurz vor dem Arzttermin

zu befolgen, vergleichbar der Zahnpfle-

ge vor einem Zahnarztbesuch. Dieses

Einnahmemuster kann eine Non Com-

pliance verschleiern, weil bei den ärzt-

lichen Verlaufskontrollen z. B. der Blut-

druck zwar gut eingestellt zu sein

scheint, dies im Langzeitverlauf jedoch

nicht der Fall ist.

Das falsche Arzneimittel perfekt einge-

nommen ist mit einer fehlenden oder

unerwarteten Wirkung verbunden.

Überdosierung, Unterdosierung sowie

eine erratische Dosierung stellen die 3

Möglichkeiten der Dosierungsfehler

dar und sind mit exzessiven bzw. uner-

wünschten oder fehlenden Wirkungen

verbunden.

Falsche Einnahmefrequenz (z. B. zwei-

mal statt wie verordnet dreimal täglich)

und falsche Einnahmedauer (z. B. Ab-

bruch der Therapie nach 5 Tagen statt

nach 2 Wochen) sind oft mit einer

scheinbaren Wirkungslosigkeit ver-

bunden.

Polymedikation ist die Einnahme von

zusätzlichen, nicht verordneten Arz-

neimitteln und hat ein Interaktions-

potential.

Die Analyse des Einnahmeschemas (1×

täglich) von 4783 Hypertonikern aus 21

klinischen Studien zeigte z. B., dass

etwa die Hälfte der Patienten ihre The-

rapie nach einem Jahr abgebrochen ha-

ben, obwohl diese lebenslänglich ver-

schrieben war [7]. Die Persistenz wurde

auf 68 % nach 6 Monaten geschätzt.

Die Konsequenzen der Non Compli-

ance sind erhöhte Kosten, da unter an-

derem eine Dosierungserhöhung oder

ein Arzneimittelwechsel bzw. eine Auf-

hebung der toxischen Wirkungen oder

der Interaktionen eingeleitet werden

müssen [8].

Analyse des Medikationsverhaltens

Bezüge von ärztlich verordneten Medi-

kamenten müssen in den Apotheken in

einer Patientenhistory gespeichert

werden. Bei Dauerverordnungen mit

bekannter Tagesdosierung kann in

einem sog. „Drug Use Review“ die zeit-

liche Abfolge der Bezüge Hinweise ge-

ben auf die Compliance. Die graphische

Darstellung (Abb. 1) kann genutzt wer-

den für die Ansprache der Compliance

bzw. für die Suche nach Gründen bei

Lücken in den Bezügen [9].

Information und Instruktion liefern

Instruktionen scheinen oft trivial, wer-

den aber von verschreibenden Ärzten

oft nicht erteilt [10]. Bei flüssigen Arz-

neiformen muss gewährleistet werden,

dass eine geeignete Dosierhilfe zur Ver-

fügung steht, welche auch problemlos

vom Patienten angewendet wird. Die

Dosierangaben müssen exakt und un-

missverständlich formuliert werden,

uneindeutige Abkürzungen (ml; ML)

sollen ausgeschrieben werden (Mess-

Abbildung 1 Drug Use Report (OFAC, Genf, Schweiz)

Therapeutische Umschau 2010; 67 (6): 293 – 301

295Übersichtsarbeit

löffel) und bei haushaltsgängigen Be-

zeichnungen (Tee-, Kaffee- oder Esslöf-

fel) muss beachtet werden, dass die

Dosierung sehr ungenau ist mit Varia-

tion von bis zu +/– 50 %. Bei Nasen-

sprays wird oft das Schütteln einer

wässrigen Suspensionen (z. B. Na-

sonex®) vergessen sowie das vorsichtige

Schnäuzen vor der Applikation, oder

das Kreuzhalten der Flasche um ein

Sprayen auf die Nasenscheidewand zu

verhindern (Flasche in der linken Hand

halten für eine Applikation in das rech-

te Nasenloch und umgekehrt). Augen-

tropfen stellen hohe Anforderungen an

die Feinmotorik des Patienten. Mithilfe

von Vorrichtungen können sowohl das

Entleeren der Tropffläschchen als auch

deren korrekte Positionierung über

dem Auge erleichtert werden (Abb. 2).

Neben diesen, für viele Augentropfen

anwendbaren Applikationshilfen exi-

stieren präparatspezifische Vorrich-

tungen (z. B. kleiner Spiegel mit Fla-

schenhalterung zur visuellen Kontrolle

des Eintropfens der MSD-Präparate

Cosopt® und Trusopt®).

Immer häufiger werden Fertigspritzen

zur Selbstinjektion verordnet, um The-

rapien ambulant durchzuführen, z. B.

niedermolekulares Heparin, Epoetin,

Interferon, Methotrexat, Triptane. Der

Instruk tionsbedarf ist hier groß und

eine Anwendung unter Aufsicht sollte

vor jeder Erstanwendung zu Hause

stattgefunden haben. Eine gute In-

struktion sollte Placebo-Präparate und

Bildmaterial nutzen, um die Angst des

Patienten vor der Selbstinjektion, die

schon in vielen Fällen zu Therapieab-

bruch geführt hat [11], zu mindern. Die

Entsorgung der Spritzenabfälle sollte

thematisiert werden.

Von festen Arzneiformen werden seit

einiger Zeit halbe und geviertelte Do-

sen verordnet, vorwiegend aus Spar-

gründen, obwohl bei knapp der Hälfte

der Fachinformationen zu Tabletten

mit Bruchrille die Angaben über eine

mögliche Teilung fehlen [12]. Swissme-

dic warnt explizit vor unsachgemäßer

Teilung [13], denn trotz der Verwen-

dung eines Tablettenteilers (Abb. 3) ist

das Teilen oft schwierig, die Bruch-

stücke ungleich und die Aufbewahrung

der halbierten Tablette problematisch.

Viele Patienten, die mit dem Teilen

konfrontiert sind, erwähnen eine Ab-

nahme ihrer Compliance und einen

Verlust ihres Vertrauens in die Thera-

pie [14].

Verschiedene Studien zeigen, dass In-

formationen wichtige Voraussetzungen

für einen stärkeren Einbezug des Pa-

tienten sind [1]. Eine Studie konnte

klar zeigen, dass der frühzeitige The-

rapieabbruch von Clopidogrel nach

einem Herzinfarkt mit einem Informa-

tionsmangel verbunden war: zu wenige

und zu wenig genaue Angaben über die

Therapiedauer führten unter anderem

zum Therapiestopp nach 30 Tagen bei

den befragten Patienten [15]. Doch

muss die Information so gegeben wer-

den, dass der Patient fühlt, dass er ver-

standen wird und er mehr wie eine Per-

son als wie ein Fall behandelt wird [1].

Motivationale Gesprächsführung

Das Erfragen der Compliance ist aber

eine heikle Sache, weil diese meistens

vom Patienten überschätzt wird. Dabei

sollten Vorwürfe oder Schuldzuwei-

sungen vermieden werden. Die meisten

Patienten, die mit der Compliance

Mühe haben, geben dies aber auf ent-

sprechende Fragen zu. Die Frage, die

sich dazu eignet und ein erläuterndes

Gespräch einleiten kann, lautet: „Ver-

gessen Sie manchmal Ihre [Krankheit]

Medikamente einzunehmen?“ [16].

Non Compliance kann von der Pa tien-

tenperspektive her „sinnvoll“ sein:

Angst vor Abhängigkeit, Bedenken

Abbildung 2 Applikationshilfe für Au-gentropfen Eyot® (Alcon SA, Hünen-berg, Schweiz)

Abbildung 3 Tablettenteiler (Wiegand AG, Bülach, Schweiz)

Isabelle Arnet, Kurt E. Hersberger Verbesserungen der Compliance durch die Apotheke

Übersichtsarbeit296

über Nebenwirkungen, Hoffnungen auf

eine spontane Verbesserung des Krank-

heitszustands können gute Gründe

sein, seine Therapie nicht zu befolgen.

Den Patienten nach seinem Kenntnis-

stand, seiner Auffassung, seinen Ein-

stellungen, seinen Erwartungen und

seinen Befürchtungen befragen, ihm

aktiv zuzuhören und ihm dabei helfen,

selbstständig eine Entscheidung zu

treffen, ist effektiver als ihm zu befeh-

len, was er zu machen hat. Eine Verhal-

tensänderung vollzieht sich nämlich

über mehrere Stadien [17]. Zwei Vo-

raussetzungen sind zur Verhaltens-

änderung notwendig: Austausch von

Informationen und Abbau von Resis-

tenzen, indem dem Patienten seine

Ambivalenzen aufgezeigt werden [18].

Dazu braucht es seitens der Medizinal-

person unter anderem Empathie und

aktives Zuhören, die Verwendung von

offenen W-Fragen wie „Was beschäftigt

Sie jetzt am meisten ?“ [1] sowie die

Technik des Rückfragens wie z. B.

„Habe ich mich verständlich ausge-

drückt ?“ statt „Haben Sie mich ver-

standen ?“, die oft bejaht wird, aus

Angst für dumm gehalten zu werden.

Die vier Gebiete, die mit dem Patienten

exploriert werden müssen, betreffen

a) seine Kenntnisse der Diagnose und

der Behandlungsmöglichkeiten; b) sein

Empfinden („beliefs“) der Notwendig-

keit der Therapie und seine Bedenken

hierzu; c) die möglichen Probleme, die

er mit der Compliance bzw. bei der

konkreten Durchführung der Therapie

antreffen könnte; d) die praktische Un-

terstützung um diese Probleme zu be-

wältigen [1].

Optische Hilfsmittel

Bis zu 70 % der Patienten versorgen

spontan ihre Arzneimittel in spezielle

Behälter wie Schale oder Schachteln,

und lagern diese sichtbar an Orten, wo

die Einnahme stattfinden wird, meis-

tens wo die Mahlzeiten eingenommen

werden, um sich mit einem Blick an die

Einnahme zu erinnern [19]. Bei Poly-

medikation kann es sinnvoll sein, den

Tages- oder Wochenbedarf peroraler

Arzneiformen in Dispenser umzufül-

len. Ausnahmen sind Brausetabletten

sowie dispersible, sublinguale, bukkale,

stark hygroskopische oder zytotoxische

Arzneiformen [20], welche allenfalls

verpackt als einzelne Blisterfragmente

in Dispenser gefüllt werden können.

Das Angebot an verschiedenen Tages-

oder Wochendispensern ist groß und

die Wahl muss sehr individualisiert

erfolgen. Ein Nutzen ist nur möglich,

wenn eine kompetente Beratung die

korrekte Anwendung erklärt. Für jeden

Patienten muss individuell vereinbart

werden, ob der Patient bzw. Ange hö-

rige den Dispenser autonom bestückt

oder ob die Spitex oder die Apotheke

diese Arbeit übernimmt. Seit dem

1. Januar 2005 kann der Apotheker in

der Schweiz für das Bestücken eines

Wochendispensers bei ärztlich verord-

neter Compliance-Hilfe für Patienten

mit mindestens 3 unterschiedlichen

Arzneimitteln pro Woche eine „Com-

pliance-Pauschale“ von 20 Taxpunkten

verrechnen. Die Sicherheit und die

Compliance werden verbessert, wenn

auch der aktuelle und vollständige

Therapieplan im Dispenser integriert

sowie dessen Inhalt genau bezeichnet

ist.

WochendispenserBei diesen Arzneimittelkassetten ha-

ben sich zwei Systeme durchgesetzt.

Beim Dosett® (Abb. 4) ist der ganze Ein-

satz herausnehmbar, was Vorteile bei

der Befüllung und der Reinigung bietet.

Bei Medi 7® (Abb. 5a) und Medidos®

(Abb. 5b) handelt es sich um eine Kas-

sette mit abtrennbaren Tagesrationen,

1 Box jeweils für 1 Tag, unterteilt in

4 Teile (morgens, mittags, abends,

nachts). Die jeweilige Tagesration kann

abgetrennt und separat mitgenommen

werden. Diese Wochendispenser sind

handlich und einfach in der Handha-

bung, haben jedoch Nachteile bei der

Beschriftung und der Reinigung. Wo-

chendispenser benötigen eine einge-

hende Instruktion betreffend ihrer An-

wendung (Einfüllen und Entnahme der

Arzneimittel) und der exakten Zutei-

lung des Therapieplans auf die mög-

lichen Abteilungen pro Tag. Die Ver-

ordnung „Dosett“ auf einem Rezept

soll als allgemeiner Begriff für Wochen-

dispenser aufgefasst werden.

Abbildung 4 Dosett® Midi (Vifor AG Abteilung Adima, Villars-sur-Glâne, Schweiz)

Therapeutische Umschau 2010; 67 (6): 293 – 301

297Übersichtsarbeit

WochenblisterDie Medikamente werden in einen in-

dividuell bestückten Blister abgefüllt

(Abb. 6) und sind bis zum Gebrauch

sicher verpackt. Die festen Arznei-

formen können weder verrutschen

noch herausfallen. Vorteile gegenüber

den herkömmlichen Wochendispen-

sern sind Hygiene, ausführliche Be-

schriftung auf der Rückseite und ein-

fache Handhabung. Zudem entfällt die

Zirkulation der leeren Wochendispen-

ser. Laut einer US-amerikanischen Stu-

die steigt die Compliance von 62 % auf

über 96 % an, wenn die Arznei mit indi-

vidualisierter Verblisterung verab reicht

wird [21].

Die Software Pharmis® kann in alle

Apothekenbetriebssysteme integriert

werden und ermöglicht, die Rezeptver-

waltung, die direkte Verrechnung und

die Verwaltung der Medikamenten-

charge, welche zum einzelnen Kunden

zurückverfolgt werden kann. Die Ver-

wendung von Großpackungen vermin-

dert Kosten und Medikamentenabfälle.

Eine Studie konnte zeigen, dass die

Verwendung von Wochenblistern bei

schlecht eingestellten Diabetikern mit

durchschnittlich 5 Tabletten täglich

die HbA1c-Werte gegenüber einer Kon-

trollgruppe ohne Wochenblister signi-

fikant zu senken vermochte [22]. In der

Schweiz bieten zur Zeit über 50 Apo-

theken die individuelle Verblisterung

mit Pharmis® an. Die Investitionen für

die Apotheke sind gering und lohnen

sich bereits ab Auslieferung von 10

Blis ter pro Woche bzw. auch nur für

kurzfristige Behandlungen (z. B. die

Eradikationstherapie bei H. Pylori-In-

fekten). Besonders geeignet sind diese

Blister bei der Versorgung von Patien-

ten in Alters- und Pflegeheimen.

Schlauchbeutel („pouches“, „bubble pack“)

Verordnete Arzneimittel werden pa-

tien tenindividuell pro Einnahmezeit-

punkt in transparente Kunststofftüt-

chen (sog. Schlauchbeutel) verpackt

(Abb. 7). Die maschinelle oder manuel-

le Schlauchverblisterung ermöglicht

sowohl Unit-dose- als auch Multi-dose-

Blister: Ein besonders empfindliches

Arzneimittel kann separat verpackt

werden, ebenso ein Medikament, das

vor Verabreichung aufgelöst werden

muss. Andere Medikamente, die zeit-

gleich eingenommen werden dürfen,

befinden sich in einem gemeinsamen

Beutel. Die Beschriftung auf dem trans-

parenten Beutel schützt vor Verwechs-

lung. Die Handhabung der Medika-

mente in einem Beutel entspricht der

eines Medikaments, ohne das Tablet-

Abbildung 5 a, b Wochendispenser links a) Medi 7® (Frey Theo AG, Bern, Schweiz) und rechts b) Medidos® (Femada SA, Lausanne, Schweiz)

Abbildung 6 Wochenblister (Pharmis GmbH, Beinwil am See, Schweiz)

Abbildung 7 Schlauchbeutel (Medifilm AG, Oensingen, Schweiz)

Isabelle Arnet, Kurt E. Hersberger Verbesserungen der Compliance durch die Apotheke

Übersichtsarbeit298

tensortieren. Die Einwegtütchen sind

auch für Rheuma- oder Parkinson-

patienten leicht zu öffnen. Adress- und

Rezeptverwaltung, Artikelkennzeich-

nung, Dosierungseingabe, Dokumen-

tation, Nachproduktion, Medikations-

blätter – eine Software erledigt solche

Aufgaben zuverlässig. Die Belieferung

von Altersheimen mit Beuteln er-

leichtert dem Heimpersonal die täg-

liche Arbeit enorm. Doch die Investi-

tionen für den Apotheker sind groß

und lohnen sich für die Versorgung von

sehr vielen Patienten bzw. mehreren

Pflegeinstitutionen.

Elektronische Hilfsmittel

MonitorsystemeBei den MEMS® („Medication Event

Monitoring System“) registriert ein

Mikroprozessor im Schraubverschluss

des Medikamentenbehälters Zeit und

Datum der Öffnungen (Abb. 8). Ein Le-

segerät ermöglicht die Daten auf einen

PC zu transferieren und zu analysieren.

Eine Studie aus Lausanne konnte zei-

gen, dass die Aufzeichnung der Ein-

nahmemuster und ihre Besprechung

mit therapieresistenten Hypertoniepa-

tienten es ermöglichte, die Blutdruck-

werte signifikant zu senken und eine

Compliance von über 90 % zu erreichen

[23]. Die „Kontrolle“ scheint die Pa-

tienten zu motivieren, ihre Medika-

mente regelmäßiger einzunehmen. Die

MEMS® haben die Nachteile, dass die

festen Arzneiformen vorerst in den

speziellen Behälter umgepackt werden

müssen und, dass pro Behälter nur ein

Arzneimittel abgegeben werden kann.

Bei den sogenannten „RFID smart blis-

ters“ werden die herkömmlichen in

Blis ter konfektionierten peroralen Arz-

neimittel in eine zusätzliche, speziell

dazu entwickelte Verpackung gesteckt.

RFID (Radio Frequency Identification)

ist eine technische Entwicklung, um

Daten berührungslos und ohne Sicht-

kontakt zu lesen und zu speichern. Das

System funktioniert mittels eines Mi-

krochips mit Antenne und erlaubt eine

automatische Identifikation über eine

kurze Distanz in Echtzeit.

Beim IDAS („Intelligent Drug Admi-

nistration System“, z. B. Helping Hand®

von Bang & Olufsen Medicom, Struer,

Dänemark) wird ein akustisches und

optisches Signal gesendet, wann die Ta-

blettenentnahme fällig ist. Sobald der

Blister wieder in die Halterung einge-

schoben wird, geht die Lampe auf grün

und bedeutet gute Compliance, im Ge-

genteil zu orange (mittlere Compli-

ance) oder rot (schlechte Compliance).

Wie bei den MEMS® kann hier die Ta-

bletteneinnahme nur angenommen

werden, doch Vergleiche mit Plasma-

konzentrationen zeigen, dass nach

dem Öffnen des Behälters in den aller-

meisten Fälle eine Einnahme folgt

[24].

Beim DDSi („Discret Dose Slider with

intelligence“ von Stora Enso, Helsinki,

Finnland) oder Med-ic ECM („Electro-

nic Compliance Monitor“, Abb. 9) sind

elektronische Sensoren auf der Schach-

tel oder im Karton aufgedruckt und in

der Schachtel/Karton ist ein Mikro-

chip eingearbeitet, aus dem die er-

fassten Informationen, wie Datum

und Zeit der Dosisentnahmen, abge-

rufen und auf ein Handy oder einen

Computer übertragen werden können.

Weitere Entwicklungen wie das Cere-

pak® Electronic Compliance Packaging

(MeadWestvaco Healthcare Packaging,

Richmond, USA) ermöglichen zudem,

dass der Patient mit einem Druck auf

einen eingebetteten Antwortschalter

auf der Schachtel weitere Informa-

tionen aufzeichnen kann, z. B. wie sei-

ne Schmerzen sind, oder wie er auf die

Medikamente anspricht. Alle Ver-

packungen können auch mit einem

akustischen Signal ausgestattet wer-

den, welches den Patienten an die Ein-

nahme seiner Medikamente erinnert.

Viele Studien zeigen, dass diese Blis-

terverpackungen die Compliance ver-

bessern und mit einem besseren Out-

come korrelieren, auch bei älteren

ambulanten Patienten > 65 Jahre [25].

Die spezielle Beratung und Informa-

tionsabgabe, die mit solchen Verpa-

ckungen verbunden sind, scheinen ad-

ditiv auf die Compliance zu wirken

[25].

Abbildung 8 MEMS®-Behälter, MEMS®-Reader und Chronogramme (Aardex, Zug, Schweiz)

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10

Therapeutische Umschau 2010; 67 (6): 293 – 301

299Übersichtsarbeit

Mit der Entwicklung von druckbarer

Elektronik können Blister mit einer Fo-

lie versehen werden, die beim Brechen

ein Signal generiert. Beim OtCM sys tem

(„Objective therapy Compliance Mea-

surement“, Abb. 10) enthalten die Fo-

lien aufgedruckte Sensoren und Mikro-

prozessoren aus leitfähigen Tinten,

welche direkt auf die kommerziellen

Blister geklebt werden. Die Entnahme

der Tablette aus dem Blister unter-

bricht die Leiterbahnen und wird mit

Datum, Zeit und Ort der Tablette auf

dem Blister registriert. Die Daten des

leeren Blisters können vom Patienten

oder von einer Medizinalperson dank

wireless RFID Transfer auf ein Handy

oder einen Computer übertragen wer-

den. Die Technologie ist mit digitalen

Systemen kompatibel, so dass auch Er-

innerungen per SMS oder per e-Mails

möglich sind.

Schluckbare Sender (IEM „Ingestible Event Marker“)

Der Sandkorn-große Pillenchip enthält

eine Minibatterie, die aus Nahrungsbe-

standteilen hergestellt und gut verdau-

lich ist. Kommt sie mit Wasser in Kon-

takt, z. B. bei der Zersetzung der

Abbildung 10 Druckbare Elektronik auf flexibler Folie (DSM TCG „The Compliers Group“, Eindhoven, Holland)

Abbildung 9 Med-ic® ECM (IMC “Infor-mation Mediary Corp.”, Ottawa, Canada)

Tablette im Magen, entsteht ein elek-

trisches Signal, das durch das Gewebe

weitergeleitet wird. Dadurch bekommt

ein Chip, der als Pflaster auf der Schul-

ter des Patienten klebt, die Informa-

tion: „Tabletteeinnahme OK“, aber auch

Herzrate oder Atemfrequenz können

registriert werden. Die Technologie ba-

siert nicht auf RFID (Radio Frequency

Identification), sondern verwendet die

leitenden Eigenschaften der Gewebe

für das Weiterleiten des Signals. Fehlt

das Signal, sendet der Chip eine Erin-

nerung per SMS, an den Patienten

selbst, einen Angehörigen oder eine

Medizinalperson. Die fehlende Com-

pliance kann per SMS oder per Wlan

gemeldet werden. Das kalifornische

Unternehmen Proteus Biomedical ent-

wickelt bereits implantierbare Chips

(SkinChips®).

Telefonische Hilfsmittel

Die telefonische Erinnerung, damit der

Patient seinem Therapieplan folgt, hat

viele Vorteile, wie die allgegenwärtige

Erreichbarkeit, die minimale Störung

der Privatsphäre, die tiefen Kosten und

die Einfachheit des Systems. Die weni-

gen durchgeführten Studien in diesem

Bereich zeigen, dass Interventionen

mittels SMS eine höhere Compliance

und einen besseren Outcome bewirken

können [26], vor allem bei chronischen

Krankheiten, welche regelmäßige Kon-

trolle verlangen wie Diabetes, Asthma

oder AIDS, aber auch bei der Raucher-

entwöhnung und bei pädiatrischen Pa-

tienten [27].

Das System memorems® ermöglicht

dem Apotheker, Erinnerungsmeldun-

gen als Sprachnachricht auf den Fest-

netzanschluss oder als SMS auf das

Mobiltelefon der Patienten einfach und

zuverlässig zu versenden. Die Nach-

richt wird auf dem Portal von memo-

rems® programmiert, zugänglich über

Benutzername und Passwort. Mit der

wachsenden Zahl von Handybesitzern

und von Patienten, die bereit sind, sol-

che Technologien in ihren Alltag zu

integrieren, werden mehr Studien

durchgeführt und eindeutigere Resul-

tate erhalten.

Schlussfolgerung

Viele Strategien und Interventionsmög-

lichkeiten (Abb. 11) stehen dem Apo-

theker zur Verfügung, um die Compli-

ance seiner Patienten und den Erfolg

der Arzneimitteltherapie zu verbessern.

Doch bevor eine Hilfe angeboten wird,

soll die Form der Non Compliance cha-

rakterisiert werden. Aus Studien geht

Isabelle Arnet, Kurt E. Hersberger Verbesserungen der Compliance durch die Apotheke

Übersichtsarbeit300

klar hervor, dass eine höhere Compli-

ance erreicht wird, wenn der Patient

eine maßgeschneiderte Beratung erhält,

welche zwingend sowohl auf seine aktu-

ellen Kenntnisse als auch auf sein Ver-

halten fokussiert ist. Technische, auf

den Patienten abgestimmte Hilfsmittel

können eine unwillentliche Non Com-

pliance verbessern, wenn der Patient ein

komplexes Therapieschema hat oder

viele Arzneimittel einnehmen muss

oder verminderte Fertigkeiten zeigt

(Geschicklichkeit, Sehvermögen, Kogni-

tion). Die willentliche Non Compliance

kann nur im Gespräch aufgespürt und

durch eine motivationale Kommunika-

tion verbessert werden. Der Apotheker

kann hier die Bereitschaft des Patienten

zur Verhaltensänderung evaluieren und

die Ambivalen zen aufzeigen. Denn für

Verhaltensänderungen muss das Indivi-

duum dort abgeholt werden, wo es sich

in seinem Krankheits- und Gesund-

heitsverständnis befindet.

Die Abgabe von Informationen und In-

struktionen ist in allen Fällen zwin-

gend, auch um eine unwillentliche Non

Compliance wegen Verständigungsfeh-

lern zu korrigieren. Geplante Maßnah-

men müssen vom Patienten verstanden

und akzeptiert werden, sie müssen sei-

nem Bedarf und seinen Bedürfnissen

angepasst werden und er muss die

Möglichkeit haben, sie umzusetzen.

Die Basis für solche Beratungen bilden

die im Fach Pharmaceutical Care ver-

mittelten Methoden und Techniken,

welche seit einigen Jahren Teil der uni-

versitären Ausbildung in der Schweiz

sind [28]. Diese neue patientenorien-

tierte Rolle des Apothekers verlangt

Engagement und Zeit. Die Anstren-

gungen lohnen sich und es gilt, in enger

Kooperation mit allen Medizinalberu-

fen, der Complianceförderung und der

zugehörigen Praxisforschung hohe Pri-

orität einzuräumen.

Improvement of compliance

supported by pharmacists

Improving patient compliance poses a

daily challenge to all healthcare pro-

fessionals, and especially to the pa-

tients, who must accept the need for

drug treatment, come to terms with

the selected medication and, finally,

integrate it into their daily life – at

most, this can represent a lifelong ne-

cessity. Intentional and unintentional

non compliance are both common

with research showing up to 50% non

compliance. Community pharmacists

are often the last point of contact in

the healthcare chain for patients col-

lecting their prescription(s). They are,

therefore, well placed to screen for

motivational problems, to assess any

obstacles or lack of understanding and

knowledge and to provide technical

and motivational support tailored to

the patients’ needs. Dispensing medi-

cines must be accompanied by exhaus-

tive instructions regarding medication

use in order to detect any restricted

ability (dexterity, vision, cognition)

and to offer specific support. A wealth

of compliance aids and new technolo-

gies are available to guarantee even

long-term compliance with the drug

therapy plan.

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Unbeabsichtigt(unintentional)

FähigkeitenPrakt.BarrierenRessourcen

Beabsichtigt(intentional)

MotivationEinstellungen

Wahrnehmung

Beispiele individuell angepasster Interventionen auf beabsichtigte und unbeabsichtigte Non Compliance

Information & Instruktion

psychologische Unterstützung

Erinnerungs-hilfen

KriseninterventionBelohnung

Engmaschige Betreuung

BetreuteSelbst-

Messung

Einbezug Angehöriger

(adaptiert [2])

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Korrespondenzadresse

Dr. Isabelle Arnet

Pharmaceutical Care Research Group

Klingelbergstraße 50

CH - 4056 Basel

[email protected]