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SCHLOSS ALBRECHTSBERG PHIL 2017/18 15. / 18. OKT 2017 Oboenfantasien

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Page 1: 15./18. OKT 2017 Oboenfantasien - · PDF fileMaurice Ravel Sonatine für Oboe und Klavier (1903/1905) (Original für Klavier solo, Bearbeitung von David Walter) Modéré – Mouvement

S C H LO S S A L B R E C H T S B E R G

P H I L 2 0 1 7 / 1 8

15. / 18. OKT 2017

Oboenfantasien

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P R O G R A M M

Francis Poulenc (1899 – 1963) Sonate für Oboe und Klavier (1963)„à la mémoire de Serge Prokofieff“

Elégie (Paisiblement, sans presser) – Scherzo (Très animé) – Déploration (Très calme)

Frédéric ChopinBallade für Klavier Nr. 3 As-Dur op. 47 (1841)

Allegretto

Robert SchumannFantasiestücke für Oboe d’amore und Klavier op. 73 (1849)

(Original für Klarinette und Klavier)Zart und mit Ausdruck – Lebhaft leicht – Rasch und mit Feuer

P A U S E

Malcolm Arnold (1921 – 2006)Fantasy for Oboe op. 90 (1966)

Allegretto

Clara Schumann (1819 – 1896)Drei Romanzen für Oboe und Klavier op. 22 (1853)

(Original für Violine und Klavier)Andante molto – Allegretto – Leidenschaftlich schnell

Frédéric Chopin Ballade für Klavier Nr. 4 f-Moll op. 52 (1842)

Andante con moto

Maurice RavelSonatine für Oboe und Klavier (1903/1905)

(Original für Klavier solo, Bearbeitung von David Walter)Modéré – Mouvement de Menuet – Animé

Johannes Pfeiffer | Oboe und Oboe d’amoreRyoko Taguchi | Klavier

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W W W. D R E S D N E R P H I L H A R M O N I E . D E W W W. KU LT U R PA L A S T- D R E S D E N . D E

ARTISTS IN RESIDENCEIM KULTURPALAST

Katia und Marielle Labèque 25. FEB 2018, SO, 11.00 UHRIGOR STRAWINSKI: Sacre u.a.

Rezital – zwei Klaviere

16./17. JUN 2018, SA / SO, 19.30 / 18.00 UHRBRYCE DESSNER: Konzert für zwei Klaviere (UA)

Juanjo Mena | Dirigent, Dresdner Philharmonie

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Oboenfantasien 3

Fragt man Oboisten und Oboistinnen, was sie an ihrem Instrument lieben, dem man ja ein recht kapriziöses Wesen nachsagt, dann ist eine solche Antwort zu erwarten: „Es ist wohl ihre Fähigkeit, Gefühle mit einer besonderen Intensität, Lieblichkeit und Innigkeit auszudrücken“, sagt etwa Annette Schütz, Oboistin des SWR Symphonie-orchesters, „ja, vor allem ihre besondere Nähe zur menschlichen Stimme. Das liegt viel-leicht daran, dass die Tonerzeugung ähnlich funktioniert: Hier vibrieren zwei Rohrblätt-chen, dort zwei Stimmbänder“. Das Mund-stück der Oboe – das oben abgeflachte, unten runde Anblasrohr, das aus zwei gegeneinander schwingenden Rohrblättchen besteht – ist allerdings sehr empfindlich. Es zickt gerne herum: „Wenn etwa die Luftfeuchtigkeit sehr niedrig ist wie im Januar“, sagt Annette Schütz, „dann klingen die Rohre nicht, spre-chen nicht an, fallen zusammen. Furchtbar!“Aber das empfindliche Doppelrohrblatt hat

auch seine Vorteile: Es braucht wenig Luft, und so ist es möglich, darauf sehr lange, ausgedehnte Phrasen zu artikulieren: Gut für melancholische, weitgespannte Gesänge, ob aus der Nähe oder Ferne, und gut für idyllische Hirtenromantik und für den Ausdruck von Trauer, Klage, Einsamkeit und Sehnsucht. Die Oboe hat viel zu erzählen. Ihr Klang ist wandlungsfähig: schwer und düster in der Tiefe, beißend-schrill in der Höhe, im mittleren Register eindringlich und näselnd. Ihr ungeheuer fein differenziertes dynamisches Spektrum beginnt im leisesten ppp-Bereich. Alles Eigenschaften, die Kom-ponisten gerne solistisch nutzten und nutzen – ob in Solokonzerten, in der Sinfonie oder der Kammermusik. So auch der französische Komponist Francis Poulenc (1899–1963), der mit der Sonate für Oboe und Klavier, die er 1962 dem Andenken Sergei Proko�ew widmete, ein bedeutendes Oboen-Repertoire- stück geschaffen hat.

OBOENFANTASIENO R I G I N A L E S U N D B E A R B E I T U N G E N F Ü R O B O E U N D K L A V I E R

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Poulenc, Enfant terrible der Pariser Kom-ponistengruppe „Les Six“ um Erik Satie, die ausgesprochen anti-wagnerianische Ziele verfolgte, ließ sich gerne von der Musik der Kaffeehäuser, der Revuen und des Zirkus inspirieren, ohne dabei natürlich die typisch französische Farbigkeit und ihren Schmelz zu vernachlässigen. Dass Poulenc in seiner Oboensonate die Tempoverhältnisse der drei Sätze umdreht – langsam-schnell-langsam statt schnell-langsam-schnell –, kommt der besonderen gesanglichen Ausrichtung der Oboe entgegen. Élégie (Klagelied) ist der erste Satz deshalb überschrieben. Herrlich, wie Poulenc die Oboe singen und ihr ganzes dynamisches Spektrum von ppp bis fff sich entfalten und harsche Kontraste von krass-aggressiv bis lyrisch-schüchtern aufeinander-treffen lässt. Der zweite Satz in B-Dur ist dagegen ein typisches Scherzo im Tocca-tenstil, dessen grotesker, quicklebendiger, vorwärtsstürmender und pointierter Drive in der Mitte durch eine verschattete, langsame,

lyrische Episode vorübergehend gebremst wird. Das getragene Finale in as-Moll, „Déploration“ (Totenklage) überschrieben, gibt sich dann harmonisch impressionistisch. Farbige Akkorde des Klaviers stützen den Gesang der Oboe, der seine Kraft aus dem choralartigen �ema zieht, das zu Beginn vom Klavier intoniert wird, und sich dann mehr und mehr freischwimmt.

FRANCIS POULENCS O N A T E F Ü R O B O E U N D K L A V I E R

FRANCIS POULENC* 7. Januar 1899 in Paris† 30. Januar 1963 in Paris

S O N A T E F Ü R O B O E U N D K L A V I E R

Entstehung1962Spieldauerca. 14 Minuten

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Oboenfantasien 5

Auch Robert Schumanns Fantasiestücke op. 73 sind im Original nicht für die Oboe kompo-niert, sondern für die Klarinette. Schumann schrieb die drei Stücke 1849 in Dresden, einem sehr produktiven Jahr für den Künstler – ob-wohl es in Dresden zu schweren politischen Unruhen, zu Kämpfen zwischen Aufständi-schen und sächsisch-preußischen Truppen kam, weswegen Schumann mit seiner Gattin Clara aufs Land – erst nach Maxen, dann nach Krei-scha – fl oh. Der intime, poetische, ja verinner-lichte Charakter der Fantasiestücke will davon nicht sprechen: Fließend und melancholisch ist der Gesang des Soloinstruments – ob Klarinet-te oder Oboe. Freilich nimmt die Intensität, die Bewegung der Stücke zu: „Zart und mit Aus-druck“ ist das seelenvolle erste Stück zu spielen, „lebhaft, leicht“ das mittlere und „rasch und mit Feuer“ das Finale. Schumann notierte am Ende der ersten beiden Nummern jeweils ein „attacca“ (ohne Zäsur zu spielen). Die Fantasie-stücke verschmelzen auf diese Weise zu einem Ganzen und die luftige Klanglichkeit kann sich steigern und frei entfalten. Auch wenn der Klavierpart sehr diff erenziert ist, wirken diese musikalischen Stimmungs-bilder schlicht, fasslich und entsprechen darin ganz dem Zeitgeist des „Volkstons“, der in

diesen demokratisch befeuerten Zeiten für das Ringen um eine allgemein verständliche Kunst steht. Die Fantasiestücke hießen ursprünglich „Soiréestücke“ (Musik für festliche Abend-gesellschaften). Aber der Kassler Verleger der Erstausgabe, Carl Luckhardt, entschied sich für den bis heute üblichen. Schumann stimmte off enbar auch der Beigabe einer alternativen Violin- und Cellostimme zu. Und da sich Opus 73 gut verkaufte, erschien 1851 auch noch eine Version für Klavier zu vier Händen und 1857 eine für Klavier solo.

ROBERT SCHUMANNFA N T A S I E S T Ü C K E

ROBERT SCHUMANN* 8. Juni 1810 in Zwickau† 29. Juli 1856 in Endenich bei Bonn

F A N T A S I E S T Ü C K E F Ü R O B O E D ’A M O R E U N D K L A V I E R O P. 7 3 (Original für Klarinette oder alternativ für Violine bzw. Violoncello und Klavier)

Entstehung1849Spieldauerca. 11 Minuten

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MALCOLM ARNOLD* 21. Oktober 1921 in Northampton† 23. September 2006 in Norfolk

F A N T A S Y F O R O B O E O P. 9 0

Entstehung1966Spieldauerca. 4 Minuten

Auch im Œuvre des Briten Malcom Arnold findet die Oboe große Beachtung. Kein Wunder, war Arnold doch selbst Trompeter und der Bläsermusik deshalb sehr zugeneigt. Arnold war ein ungemein vielseitiger Kompo-nist. Er hat neben Musik für Solobläser und Bläserensembles eine Menge anspruchsvolle Orchestermusik, darunter neun Sinfonien und diverse Solokonzerte, geschrieben. Daneben war er auch ein sehr erfolgreicher Filmkom-ponist, der für seine Musik zum Film „Die Brücke am Kwai“ 1958 mit dem Oscar aus-gezeichnet wurde. Arnolds Musik ist fasslich und hält sich meist im tonalen Rahmen. Seine Fantasy for Oboe op. 90 entstand 1966 im Rahmen eines Auftrags des City of Birmingham Symphony Orchestra. Er sollte Prüfungsstücke für den Internationalen Bläserwettbewerb in Birmingham komponie-ren – für die Oboe, aber auch für das Horn, das Fagott, die Flöte und die Klarinette. Die Ansprüche an solche Stücke sind klar: Sie sollen solo gespielt werden, also ohne Be-gleitung, sie müssen kurz sein, nämlich etwa 4 Minuten, und trotzdem den Spielenden die Möglichkeit bieten, zu beweisen, dass sie sämtliche technischen Schwierigkeiten des Instruments beherrschen und Durchhaltever-mögen besitzen. Nicht das Typische des Ins-trumentes steht im Vordergrund, sondern das Unbequeme. Für die Oboe heißt das: weniger

elegischer Gesang, stattdessen ein Parforce-ritt durch alle Register, quecksilbrige Läufe und Verzierungen, große Intervallsprünge, schnelle Wechsel der Artikulationsarten: etwa aus einer getragenen Adagio-Melodie flugs in schnelles Staccato-Spiel zu switchen. Ständig ändert sich der Klangcharakter: ob schrill auftrumpfend, tänzerisch, neckend oder nervös parlierend.

Der Titel Fantasy zielt natürlich auf den freien, improvisiert wirkenden Charakter des Stücks. �ematisch zusammengehalten wird es durch die erste Phrase des Allegro-Beginns, die nach einem kurzen Vivace wieder auf-gegriffen wird, dann zur Keimzelle für den zentralen Andante-Abschnitt mutiert und auch am Ende noch einmal auftaucht.

MALCOLM ARNOLDFA N T A S I E F Ü R O B O E

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Oboenfantasien 7

Clara Schumann war eine Jahrhundert-Pianistin. Ihre europaweite Berühmtheit hatte sie sich in unzähligen Konzerttourneen erarbeitet. Ihr Anspruch war hoch, ihre Technik überwältigend. Sie war selbst- bewusst und ehrgeizig. Attribute, die sie in der männerdominierten Musik-Welt bestehen ließen – trotz der Geburt von acht Kindern und gegen die Nörgeleien ihres Gatten Robert, der sich von ihrem Klavier-üben beim Komponieren oft genug gestört fühlte und überhaupt das Dasein in ihrem Schatten nicht durchgehend ertragen konnte. Clara Schumann komponierte auch – wie es damals üblich war, in Zeiten, da Virtuosen und Virtuosinnen sich die Werke in die eigenen Finger schrieben. Doch der Spagat zwischen Mutterdasein und Virtuosinnen-Laufbahn

machte Clara ein regelmäßiges Komponieren unmöglich. Und spätestens nach dem Tod ihres Ehemannes 1856, da sie für den Lebens- unterhalt ihrer vielen Kinder nun endgültig alleine sorgen musste, versiegte es ganz. Sie hinterließ deshalb ein nur sehr bescheidenes Œuvre. Darunter auch die Romanzen für Violine und Klavier op. 22 aus dem Jahr 1853, die sie für gemeinsame Auftritte mit dem jungen Geigenvirtuosen Joseph Joachim komponierte hatte – als einziges Kammer-musikwerk neben dem großen, bedeutenden Klaviertrio g-Moll op. 17.

Die drei Romanzen, die im heutigen Konzert in einer Version für Oboe und Klavier erklin-gen, könnten auch Fantasiestücke heißen: Es sind lyrische Charakterstücke, über die 1856

CLARA SCHUMANNR O M A N Z E N

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CLARA JOSEPHINE SCHUMANN, GEB. WIECK* 13. September 1819 in Leipzig† 20. Mai 1896 in Frankfurt am Main

D R E I R O M A N Z E N F Ü R O B O E U N D K L A V I E R O P. 2 2(Original für Violine und Klavier)

Entstehung1853WidmungJoseph JoachimSpieldauerca. 10 Minuten

ein Kritiker der Neuen Berliner Musikzei-tung schrieb: „Sämtliche drei Stücke sind jedes in seinem Character überaus innig gedacht und in zarter, duftiger Weise ausge-führt: Die Melodien der Violine sind an sich zwar einfach, aber durch sehr interessante Harmonie- und Begleitungsunterlage, sowie durch Gegenmelodien, ohne alle Überladung sehr wirkungsvoll behandelt. Der eigenthüm-lich reizende Ton jeder einzelnen Nummer macht es sehr schwer, irgend einer derselben den Vorzug geben zu wollen.“

Maurice Ravels Sonatine, die heute in einer Duo-Version für Klavier und Oboe erklingt, ist eigentlich ein Klaviersolostück. Vor allem der kantable Charakter der ersten beiden Sätze prädestiniert sie aber für ein Arrange-ment für Melodieinstrumente. Kurios ist die Geschichte des Werks. Den ersten Satz komponierte Ravel 1903 für einen Kompositionswettbewerb, den die in Paris erscheinende englisch-französische Kulturzeitschrift „Weekly Critical Review“ ausgeschrieben hatte. Aufgabe: „Komposition eines ersten Satzes einer Sonate in fis-Moll

im Umfang von höchstens 75 Takten.“ Preisgeld: 100 Francs. Allerdings wurde der Wettbewerb abgebrochen, weil Ravel der einzige Teilnehmer blieb und der Anekdote nach den vorgeschriebenen Umfang um zwei Takte überschritten hatte. Wahrscheinlich 1905 ergänzte Ravel das Stück um zwei weitere Sätze und nannte es lapidar „Sonatine“. Einfach zu spielen ist sie aber nicht. Aber eine „Grande Sonate“ wäre Ravel nicht in den Sinn gekommen, ihm, dem Vorreiter des französischen Neoklas-sizismus: Als Gegenreaktion auf die über-

MAURICE RAVELS O N A T I N E

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Oboenfantasien 9

bordende Emotionalität der Spätromantik suchten Komponisten wie er die Rückkehr zur „Objektivität“ der vorromantischer Zeit: kleinere Besetzungen und Formen werden wieder bevorzugt, kontrapunktische Struk-turen, eine transparente Instrumentation, einfachere Harmonik sowie ältere Formen wie die Suite, Toccata, Passacaglia oder das Concerto grosso. In Ravels Sonatine zeigt sich der Blick zurück in der Zartheit und Transparenz des Klaviersatzes. Die drei Sätze sind klar und konzentriert formuliert: der erste Satz in knapp umrissener Sonatenform, die lyrischen Charakter besitzt, der zweite bezieht sich in der Überschrift aufs barocke Menuett, gibt sich aber nicht tänzerisch, sondern sehr gesanglich. Das Finale artikuliert sich als sehr schnelles Perpetuum mobile. Unverkennbar offenbart sich der Personalstil Ravels in der impressionistisch-farbigen Harmonik.

MAURICE RAVEL* 7. März 1875 in Ciboure (Frankreich)† 28. Dezember 1937 in Paris

S O N A T I N E F Ü R K L A V I E RFassung für Oboe und Klavier von David Walter (*1958 in Paris)

Entstehung1903 – 1905Spieldauerca. 12 Minuten

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Der Begriff Ballade stammt eigentlich aus der deutschen Literatur und bezeichnet ein mehrstrophiges, erzählendes Gedicht. Aber Frédéric Chopin – innovativ wie er war – übernahm ihn 1836 mit der Veröffentlichung seiner ersten Ballade g-Moll op. 23 in den Kontext seines Klavierwerks. Und natürlich offenbaren alle seine vier Balladen in ihren weiten, anwachsenden, sich in gewaltigen Höhepunkten entladenden Spannungs- bögen den Charakter einer dramatischen Erzählung. Klar, dass Chopin darin mit den traditionellen, bewährten und erprobten Formen arbeitet: mit der Sonatenform in der Ballade Nr. 3 As-Dur aus dem Jahre 1841 und mit dem Rondoprinzip in der Ballade Nr. 4 f-Moll, komponiert 1842. Aber sein Zugriff ist experimentell, vor allem auch, was die Tonartenkonstellationen angeht.

Chopin vertonte keine konkreten Stoffe. Und doch erzählen seine Balladen Geschich-ten eines Lebens: Musik, der Schmerz innewohnt und die Erkenntnis der Endlich-keit. Chopin (und mit ihm die Interpretin) sinniert, erinnert, reflektiert, lässt Furor als Lebensenergie aufbrausen und wieder ver-schwinden, lässt den poetischen Augenblick wirken, innehaltend in der schönen Melodie: flüchtige Erinnerungen ans Glück, dann wieder gedämpfte Lebensfreude, Liebe, Ein-samkeit, Farben, Nuancen, Schattierungen.

FRÉDÉRIC CHOPINB A L L A D E N

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Oboenfantasien 11

FRÉDÉRIC CHOPIN* 22. Februar oder 1. März 1810 in Żelazowa Wola, im ehemaligen Herzogtum Warschau† 17. Oktober 1849 in Paris

B A L L A D E F Ü R K L A V I E R N R . 3 A S - D U R O P. 4 7

Entstehung1840/41WidmungMademoiselle Pauline de Noailles (1824 –1844), der 17-jährigen Tochter des Staatsmanns Paul de NoaillesSpieldauerca. 10 Minuten

B A L L A D E F Ü R K L A V I E R N R . 4 F - M O L L O P. 5 2

Entstehung1842WidmungBaronin Charlotte de RothschildSpieldauerca. 7 Minuten

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JOHANNES PFEIFFER studierte Oboe bei Prof. Gerd-Albrecht Kleinfeld in seiner Heimat-stadt Berlin. Nach Abschluss des Studiums im Jahr 2001 wurde er Mitglied der Orches-terakademie der Staatskapelle Berlin e.V. und nahm Einflüsse zahlreicher Oboisten verschiedener Berliner Orchester auf. Bereits ein Jahr später wurde er als Solo-Oboist der Dresdner Philharmonie verpflichtet. Gasten-gagements führten ihn u.a. zur Sächsischen Staatskapelle Dresden, dem Gewandhaus-orchester Leipzig, dem SWR Symphonie- orchester Stuttgart, dem Deutschen Sinfonie-orchester Berlin sowie zum renommierten Münchner Kammerorchester.Neben der Tätigkeit im Orchester und Auf-tritten als Konzertsolist widmet sich Johannes Pfeiffer regelmäßig der Kammer-musik. Gemeinsam mit Mitgliedern füh-

render deutscher Orchester und führenden Nachwuchsformationen wie dem Morgen-stern-Trio oder dem Ensemble Mediterrain gab er Konzerte in Deutschland, Brasilien, Südkorea, der Schweiz und der Ukraine.Johannes Pfeiffer betreute einige Jahre als künstlerischer Leiter eine Kammerkonzert-reihe in Hartenstein/Sachsen. Als große Be-reicherung zu seinem musikalischen Schaffen schloss er zudem im Sommer 2017 den dreijährigen Ausbildungsweg „Fortbildung und Studiengang am Lichtenberger Institut“ ab. Auf fachübergreifender wissenschaftlicher Basis ist dessen Ziel, die Zusammenhänge und gegenseitigen Beeinflussungen zwischen dem Klang (und der Vibration als dessen Ursprung) einerseits und den vielfältigen un-willkürlichen Realitäten des Körpers anderer-seits erlebbar und nutzbar zu machen.

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Oboenfantasien 15

Die in Japan geborene Künstlerin RYOKO TAGUCHI absolvierte ein Studium im Fach Klavier an der Ferris Universität in Yokohama, welches Sie mit Auszeichnung abschloss. Anschließend studierte Sie bei Prof. Yuka Imamine an der Hochschule für Musik und �eater München. Ryoko Taguchi ist Preis-trägerin mehrerer nationaler und internati-onaler Wettbewerbe, so zum Beispiel beim Wettbewerb „Musik und Erde“ in Bulgarien sowie beim Musikwettbewerb in Kanagawa. Zahlreiche Konzerte in berühmten Konzert-sälen wie der Suntory Hall in Tokyo kenn-zeichnen ihre künstlerische Vielseitigkeit.

Sie gab ebenfalls Recitals in Deutschland, Polen und der Slowakei. 2005 produzierte der Bayerische Rundfunk Ryoko Taguchis erste CD mit Kompositionen von Sergei Proko�ew. Als Solistin konzertierte sie mit verschiedenen Orchestern. Sie musizierte mit dem Kanagawa Philharmonic Orchestra, dem Symphonieorchester Hiroshima, der Staatlichen Krakauer Philharmonie sowie dem Symphonischen Orchester Belluno. 2011 erhielt sie die Auszeichnung „Young Steinway Artist“.

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IMPRESSUM

DRESDNER PHILHARMONIE

Schloßstraße 201067 Dresden

CHEFDIRIGENT: Michael SanderlingEHRENDIRIGENT: Kurt Masur †ERSTER GASTDIRIGENT: Bertrand de BillyINTENDANTIN: Frauke Roth

TEXT: Verena GroßkreutzDer Text ist ein Originalbeitrag für dieses Heft; Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.REDAKTION: Adelheid SchloemannGRAFISCHE GESTALTUNG: büro quer DRUCK: Elbtal Druck & Kartonagen GmbH

BILDNACHWEIS

Editions Salabert: S. 4Wikimedia commons: S. 5, 6, 7, 10culture images: S. 9Marco Borggreve: S. 13Christoph Wohler: S. 14

Preis: 2,50 €

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Bild- und Tonaufnahmen jeglicher Art während des Konzertes durch Besucher grundsätzlich untersagt sind.

Orchester der Landeshauptstadt

Dresden

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Telefon 0351 4 866 [email protected]

www.dresdnerphilharmonie.dewww.kulturpalast-dresden.de

MUSIKBIBLIOTHEK

Die Musikabteilung der Zentralbibliothek (2. OG) hält ab sofort zu den aktuellen Programmen der Philharmonie für Sie in einem speziellen Regal Partituren, Bücher und CDs bereit.