über hypomerie und hypermerie bei aurelia aurita lam

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Ober Itypomerie und Rypermerie bei Aurelia aurita Lam. Von Dr. reed. E. Ballowitz, a.-o. Professor der Anatomie in Greifswald. Mit Tafel V. Eingegangen am 6. December 1898. Missbildungen und aufi'allige Abnormit~tten im grSberen Kiirper- bau, so weir sie nicht durch ~tuBere Insulte, Verletzungen und atypisehe Regenerationen hervorgerufen sind, sondern auf Entwickelungsvor- giinge, resp. St(irungen der normalen Entwickelung zurtiekgefithrt werden kSnnen, werden bei niederen Thieren in der freien ~atur verh~tltnismi~Big sehr selten gefunden, wenn man den eigentlichen Rumpftheil des ThierkSrpers berUcksichtigt und yon den distalen GliedmaBenenden und iiberhaupt den mehr vorgeschobenen KSrper- tbeilen absieht. Zahlreiehere Beobaebtungen liegcn eigentlicb nur ftir die Radiar- thiere vor. Die Abnormitiit besteht hier gew~ihnlich darin, dass ent- weder eine,Reduktion oder eine Vermehrung der Parameren einge- treten ist. Die abweichende Form zeigt dann entweder Weniger oder mehr Radien, als fUr die betreffende Species undl Gat~ung typisch sind. Das gilt sowohl far den ungeradstrahlig-, wie far den geradstrablig-radiiiren Typus. Bekannt ist, dass bei manehen Gattungen tier Seesterne, z. B. Asterias (rubens, glaeialis, tenuispina), die "Zahl der Arme individuell wtriirt, so dass an Stelle der normalen fUnf hiiufig sechs oder sieben, seltener vier oder acbt gleichmaBig ausgebildcte, symmetriseh ver- theilte Arme angetroffen werden. Auch die vielarmigen Gattungen (Solaster, Crossaster, Heliaster) sind hier zu nennen. Ebenso sind bei den Echiniden anstatt der reguli~ren pentameren

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Ober Itypomerie und Rypermerie bei Aurelia aurita Lam.

Von

Dr. reed. E. Ballowitz, a.-o. P r o f e s s o r d e r A n a t o m i e i n G r e i f s w a l d .

Mit Tafel V.

Eingegangen am 6. December 1898.

Missbildungen und aufi'allige Abnormit~tten im grSberen Kiirper- bau, so weir sie nicht durch ~tuBere Insulte, Verletzungen und atypisehe Regenerationen hervorgerufen sind, sondern auf Entwickelungsvor- giinge, resp. St(irungen der normalen Entwickelung zurtiekgefithrt werden kSnnen, werden bei niederen Thieren in der freien ~atur verh~tltnismi~Big sehr selten gefunden, wenn man den eigentlichen Rumpftheil des ThierkSrpers berUcksichtigt und yon den distalen GliedmaBenenden und iiberhaupt den mehr vorgeschobenen KSrper- tbeilen absieht.

Zahlreiehere Beobaebtungen liegcn eigentlicb nur ftir die Radiar- thiere vor. Die Abnormitiit besteht hier gew~ihnlich darin, dass ent- weder eine,Reduktion oder eine Vermehrung der Parameren einge- treten ist. Die abweichende Form zeigt dann entweder Weniger oder mehr Radien, als fUr die betreffende Species undl Gat~ung typisch s ind . Das gilt sowohl far den ungeradstrahlig-, wie far den geradstrablig-radiiiren Typus.

Bekannt ist, dass bei manehen Gattungen tier Seesterne, z. B. Asterias (rubens, glaeialis, tenuispina), die "Zahl der Arme individuell wtriirt, so dass an Stelle der normalen fUnf hiiufig sechs oder sieben, seltener vier oder acbt gleichmaBig ausgebildcte, symmetriseh ver- theilte Arme angetroffen werden. Auch die vielarmigen Gattungen (Solaster, Crossaster, Heliaster) sind hier zu nennen.

Ebenso sind bei den Echiniden anstatt der reguli~ren pentameren

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Formen vier- und sechsstrahlige Individuen wiederholt gefunden worden.

Das G1eiche kann auch am Holothurien-Ktirper eintreten, wenn auch bei dieser Stachelh~tuter-0rdnung Abnormit~tten night hitufig zu sein scheinen. Nur einmal fand LUDWIG 1) in NGapel unter etwa 150 halbwUchsigGn 1Gbenden Exemplaren der gemeinen Cucumaria Planci fUnf Exemplare , welche sigh dutch seehsstrahligen Bau aus- zeiehneten.

BATESON 2) hat neuerlich alle ibm bekannt gewordenen Fiille abnormer Radienzahl und abweichendGr Zahlenverh:~tltnisse bei den Echinodermen (Crinoidea, Asteroidea, Ophiuroidea, Echinoidea, Holo- thurioidea) zusammengestellt. Die Zahl der aufgefiihrten Beispiele lieBe sich wohl leieht noch vermehren.

Weir seltener als bei den Eehinodermen kommen derartige Ab- weichungen, wie es scheint, an dem geradstrahlig-radiliren Typus der CSlenteratGn zur Beobachtung.

So weit ich aus tier mir zugiingigen Litteratur ersehe, sind nur bei wenigen CSlenteraten abnorm-strahlige Individuen beobaehtet worden. Das gilt vor Allem fiir die Ctilenteraten-Gattungen mit niedriger Grundzahl. , J e hSher die Grundzahl steigt, desto unbe- stiindiger wird sie, desto ungleicher bei dGn verschiedenen Individuen einer Species. ~ HAEcKEL 3).

So wurden yon AoAssiz 4) und ROMANES 5) unter grol~en Mengen der sonst vierstrahligen Sarsia einige wenige Male sechstheilige Indi- viduen und ein einziges Mal ein fUnftheiliges eingesammelt. Hierher gehSrt aueh wohl die Meduse yon Eleutheria dichotoma Quatref. 6). tIi~ufiger seheinen Variationen bei der Stauromeduse Haliclystus

1) ~I. LUDWIG', (~bcr seehsstrahlige Holothurien. Zoolog. Anz. Jahrg. 1886. pag. 477.

2) W. BATESON, Materials for the Study of Variation. London 1894. pag. 432 u. ft.

3) E. HAECKEL, Monographie der Medusen. 1881. II. Theil. pag. 133. Vgl. z. B. manche Gattangen der Medusen-Familio der Aequoridae. Dasselbe scheint auch fiir Anthozoen zu gelten; vgl. z. B. MeMuRaIen, Contributions on the Morphology of the Aetinozoa. 4. On some Irregularities in the Number of the Directive Mesenteries in the Hexactiniae. Z. Bull. Boston. Vol. I. Citirt nach dem Zool. Jahresber. der Zool. Station in bIeapel pro 189%

4) L. AG'ASSlZ, Mere. Amer. Ac. Sci. IV. 5) G. ROMASES, An account of some New Species, Varieties and Monstrous

Forms of Medusae. The Journal of the Linnean Society. Zoology. Vol. XII. 1876. Vol. XIII. 1877.

6) BATESOhr, I. C. pag. 425.

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octoradiatus zu sein. Nach HORNELL 1) und BI~OWbIE 2) betreffen die Abweichungen abet hauptsi~chlich die marginalen Organe der Ten- takclarme, der Tentakel und Randpapillen und sind wohl ganz vor- wiegend auf Verletzungen und Regenerationen zurUckzufiihren.

Vielleieht hat man bis jetzt noch zu wenig auf diese Ab- weichungen geachtet und ist es nicht unwahrscheinlich, dass dafiir noeh mehrfache Beispicle gefunden werden kSnnen, wenn die Unter- suchungen bei zahlreiehcn Arten auf groBe Mengen yon Individuen ausgedehnt wcrden 3).

Um so auffallig'er und merkwiirdiger ist es, dass gerade unter den CSlenteraten eine Species, niimlich die gemeine 0hrenqualle, Aurelia aurita Lain., eine ganz auBerordentliche Variabilit~t ihrer K~irperform zeigt, eine Variabiliti~t, welche ohne Zweifel zum bei Weitem grSBten Theil, wenn nicht ausschliel]lich: in frUhen Ent- wickelungsvorg~ingen begriindet ist. Da diese interessante Erschei- hung wenig bekannt zu sein seheint und fur die experimentelle Forschung vielleieht ein ausgiebiges Versuchsfeld erSffnen kann, mi)ehte ich mir erlauben, in Folgendem die allgemeinere Aufmerk- samkeit darauf hinzulenken. Ein sehr reiches Material giebt mir zugleich die MSglichkeit, zu dem bis jetzt Bekannten einige Er- giinzungcn hinzufUgen zu kSnnen.

Das Material sammelte ich in diesem September and Oktober in der 0stsee an der RUgenschen Ktiste und im Bodden bei Greifs- wald. Schon frUher waren mir an der hiesigen KUste abnorm- strahlige Aurelien wiederholt aufgefallen, zum ersten Male im Jahre 1883 bei einem Ausfiuge nach der Insel Hiddensee.

Am 1. and 2. September v. J. wurden nach einem Nordwest- sturme, der allmi~hlich 5stlich gegangen warm bei RUgen in dem ruhigeren Wasser der stillen Bucht zwischen dem GShrener und dem Lobber HSwt ungeheure Mengen der Ohrenqualle 4) am Strande ange-

l) HORNELL, Abnormalities in Haliclystus octoradiatus. Natural Science. Vol. III. 1893.

2) EDWARD T. BROWNE, On the Variation of Haliclystus oetoradiatua. Quarterly Journal of Microscopical Science. Vol. 38, N.S. 1896.

3) Darauf scheinen die Befunde yon BROWNE hinzudeuten. EDWARD T. BROWNE, On British Hydroids and Medusae. Proceedings of the Zoological Society of London for the year 1896. Vgl. such: AoAssIz und WOODWORTH, Some Variations in the Genus Eucope. Bull Mus. Harvard Coll. Vol. 30. Zool. Jahresber. der ZooL Station zu Neapel pro 1896. AGASSIZ und WOODWORTI~ untersuchten nahezu 4000 Exemplare yon Eueope diaphana.

4) Merkwiirdigerweise vermisste ich in diesem Jahre Cyanea vollst~indig, die

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trieben. Die Thiere waren zum Theil schon auf den mit Seetang und Sand bedeekten Strand geworfen, theils schwammen sic in diehtgedri~ngten Massen in dem Wasser an der Strandlinie. Man konnte daher Hunderte und Tausende yon Exemplaren gleichzeitig Uberblicken und abweichende Formen leieht herausfinden. Bei dem Einsammeln der letzteren waren mir Herr Superintendent MI~:TmNG und Fr~tulein Toehter ~us Beelitz mit liebenswUrdigem Eifer be- hilflich.

Sp~tterhin im Laufe des September und 0ktober erschienen so- dann, wie allji~hrlich, im Greifswalder Bodden wiederholt Schwi~rme yon Aurelien, so dass ich Gelegenheit hatte, bei Greifswald noch zahl- reiche aberrante Formen einzusammeln. Die Konservirung wurde in 4% iger FormollSsung und in mit Chroms~ure versetztem 700/0igem Alkohol vorgenommen. Am besten bew~thrte sich die FormollSsung.

Bevor ieh auf die yon mir beobachteten Abweichungen eingehe, dtirfte es zweckmiiBig sein, den normalen vierstrahligen Bau der Ohrenqualle in einer Skizze vorzuftihren. ,

Fig. I (Taft V) zeigt eine nach einem Prliparat entworfene Abbil- dung einer normalen Aurelie in der Ansieht yon der Subumbrella aus. In der Mitre des Thieres findet sich die viertheilige MundSffnung, welehe yon den vier Mundarmen umstellt ist. Diese Mundarme sind, wie auch in den folgenden Figuren, weggesehnitten, so dass nut ihre (schraffirt gezeichnete) Basis, die Armseheibe, erhalten ist. Jede Eeke des viertheiligen Mundes ftihrt in eine Armrinne tiber. Von jedem Mundwinkel geht durch die Mitre der zugeh(irigen Armbasis radii~r zur Peripherie der Hauptstrahl, Perradius (PR der Figuren). Zwischen je zwei Perradien liegt interradial in einer Aussackung des Magen- raumes, der Genitaltasehe, das gebogene Genitalorgan (Gonade naeh HAECKEL), dureh dessen Mitre, in gleiehem Abstande von den be- nachbarten Perradien, ein zweiter Hauptstrahl, der Interradius ([JR der Figuren), zum Schirmrande ~ezogen werden kann. In den Perradien, wie auch in den Interradien vedaufen yon dem Magen- raum, resp. den Genitaltaschen aus Radii~rkan:,ile des Gastrovascular- systems zu dem am Schirmrande befindliehen Ringkanal. Dazu kommen dann noeh in 'der Mitte zwisehen jedem Perradius und Interradius die sogenannten Adradialkaniile (AR der Figuren), so dass im Ganzen normalerweise 16 gastrovaseuliire Radi~trkan~tle vorhanden

ieh in'frUheren Jahren an der Kiisto yon Riigen und Hiddenseo, wenn auch immer nur sehr solten und ganT. voreinzelt, unter den Aure|ien beobachtet hatto.

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sind. Von diesen sind die Adradialkan~tle fast immer ungetheilt; nur selten kommen geringe Ver~tstehngen oder Verbindungen mit den ~'achbarkaniilen zur Beobaehtung. Jeder Perradial- und Inter- radialkanal hingegen entsendet nach jeder Seite einen Hauptast, der sich dichotomisch weiter zerlegt und mit seinen Endzweigen in den Ringkanal eintaucht; netzfSrmige Verbindungen der Zweige werden bier nnd da gefunden. Am Ende eines jeden Perradial- und Inter- radialkanals sitzt am Rande des Schirmes in einer tentakellosen Sinnesbucht je ein I~andkSrper (I~K der Figuren), mit dem Sinnes- kolben (in den Skizzen der Deutlichkeit wegen etwas grSBer ge- zeichnet, als er im Verhaltnis zu der GrSBG der Umbrella steht). Im Ganzen verftigt die normale Aurelie also tiber acht regelmaBig angeordnete RandkSrper.

Von diesem Typus finden sich nun vielfache Abweichungen, zu- n~chst in der Zahl und Anordnung der RandkSrper an sonst normal viertheiligen Exemplaren. BROWNE 1) hat ktirzlich die numerischen Verhi~ltnisse der Randki)rper an den Aurelien n~ther untersueht nnd stimmen seine Beobachtungen mit meinen Resultaten im Wesentliehen Uberein..BRow~E fand unter 383 erwachsenen Exemplaren 87 (22~8 o/o ) mit einer Abweichung in der Zah-1 der Randk51"per; 20 Exemplare batten weniger, 67 mehr als die g'ewShnliche Zahl 8. Die Varia- tionsbreite betrug 6--15; sechs RandkSrper wurden nur zweimal~ 15 nut einmal beobachtet. Die Variation der Randk(irper beeinfiusst nicht die anderen Organe.

UbrigGns sind auch bei bestimmten anderen Medusen die margi- nalen Organe, insbesondere die Sinnesorgane~ in der Zahl unbe- sti~ndig und weehselnd~ WiG HAECKEL 2) fur die polynemalen ~arko- medusen und die Aquoriden, sowie unter den acraspeden Medusen f||r die Collaspiden hervorhebt; bei den letzteren Tiefseemedusen sind die Sinneskolben allerdings zu rudiment:,tren Organen geworden.

Weir auffiilliger, als diese marginalen Abweichungen, sind die Variationen der centralen Organe. Ich beobachtete sic je nach den F~tngen zu 1--4, hiichstens 5o/o, im Durchschnitt zu 1--2o/a.

Diese Variationen bestehen in einer Reduktion und in einer Ver- mehrung der Parameren. Die Reduktion und Vermehrung kSnnen vollstiindig und unvollst~ndig sein, kiinnen alle oder nur einzelne Or- gane des Paramers befallen.

1) BROWNE, On the Variation of the Tentaculoeysts of Aurelia aurita. Quarterly Journal of microscopical Science. Vol. 37, N.S. pag. 247. 1895.

2) E. HAECKEL, Das System der Medusen. 1879 u. 1880.

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Am einfaehsten ist der Fall, dass ein ganzes Paramer voll- standig fehlt oder dass ein oder mehrere regulttre Parameren zu den vier normalen hinzugefUgt sin& Am haufigsten fand ieh seehstheilige Individuen, nieht ganz so oft ftinftheilige; die dreitheiligen waren am seltensten.

Der Bau dieser Medusen ist ein sehr regelm~Biger. Eine re- gular dreistrahlige Aurelie zei~ mithin einen dreitheiligen l~Iund, drei gleieh groBe Mundarme, drei gleieh groBe Gonaden in drei ge- trennten Genitaltasehen, drei Subgenitalh~hlen, drei perradiale, drei interradiale, seehs adradiale Gastrovaseularkanale und seehs Rand- k~rper; eine seehsstrahlige einen seehstheiligen Mund, seehs gleieh groBe ~Mundarme, seehs gleieh groBe Gonaden in seehs getrennten Genitaltaschen, seehs Subgenitalhi~hlen, seehs perradiale, seehs inter- radiale, zwSlf adradiale Gastrovaseularkan~le, zw~lf Randk~rper etc.

Derartige ganz regelm~tBig gebaute, un te r -und Uberstrahlige Aurelien haben EHRE~UEttG und ROUlAdES bereits besehrieben und ab- gebildet.

Weniger untersueht sind dagegen die irregul~ren abnormen Formen. In Fig. 2--10 (Tar. V) habe ieh daher einige Typen dar- gestellt, gleiehfalls in der Ansieht yon der Subumbrella aus.

Zun~ehst variirt die GreBe der Genitalkrausen, yon denen eine oder mehrere kleiner als die iibrigen sein kSnnen. Ebenso finden sigh Abweiehungen in der Form dieser Organe. Aueh bei sonst normal viertheiligen Medusen maeht man diese Beobaehtung. l~ieht selten sind die an die kleineren Genitalkrausen anstol~enden Mund- arme aueh kleiner und sehm~ehtiger, bisweilen sogar in sehr auf- fttlliger Weise (Fig. 6, 9 und 10). Die Zahl der Mundarme stimmt gew~hnlieh mit der Zahl der Gonaden Uberein. l~ur selten ist ein Mundarm zu wenig oder zu viel. An dem Exemplar, yon welehem die Abbildung Fig. 7 entnommen ist, war z. B. bei FUnfzahl der Gonaden ein seehster, merklieh kleinerer l~Iundarm vorhanden.

Die Gonaden liegen gew~hnlieh jede in einer besonderen, durch die Armpfeiler yon den benaehbarten getrennten Genitaltasehe. Hier und da trifft man jedoeh aueh zwei, seltener drei in einer gemein- sehaftliehen Aussaekung des Magenraumes (Fig. 5 und 9). Alsdann bestehen fast regelmaBig Abweiehungen in Zahl und Anordnung der zugehSrigen Radiarkan~le.

Interessant sind die ~Ubergangsformen<< yon der normalen vier- theiligen zu der dreitheiligen Meduse, die nieht selten sind. So beobaehtete ieh am h~tufigsten Formen, bei denen die eine Gonade

t~ber Hypomerie und Hypermerie bei Aurelia aurita Lam. 245

im Vergleich mit den drei anderen gleieh groBen, klein, bisweilen ganz winzig erschien; der eine, bisweilen auch die beiden benach- barren Mundarme waren dann oft gleichfalls kleiner als die anderen. Einmal land ieh, dass die eine Gonade ganz fehlte, w~thrend zwei schm~tchtige Mnndarme auf einen Perradius zwischen zwei Gonaden eng" zusammengedr~ngt warcn. Derartig"e Befunde kiJnnten die Ver- muthung" naheleg"en~ dass die dreitheiligen Formen dadureh entstehen, dass die eine Gonade, welche vielleicht in der ersten Anlage die gleiche Ausbildung", wie die anderen, hatte, in der Entwickelung zurtiekbleibt, resp. schwindet nnd eine Reduktion der benachbarten Org"ane nach sich zieht. Andere Befunde k(innten darauf hindeuten, dass manche dreistrahlig"en Individucn darauf zurUckzuftihren sind, dass zwei Gcnitalkrausen primer zu einer verwachsen. Fig". 2 scheint daftir ein Beispiel zu sein. Die untere Genitaltasche ist weir gr(iBer als die beiden anderen und beherbergt ein Genitalband 7 welches centralw:,trts tief eing"ebogen ist~ so dass zwei zusammenh~tngende, wenn aueh lmgleiche Gonadenabsehnitte vorliegen. Dieser Einbiegung" ent- spricht an der Mnndiiffnnng ein sehr zurUckgebildeter, schmaler Mundarm. Die Zahl und Anordnung der Radi~trkani~le und Rand- k(irper war bci diesem Exemplar genau dieselbe, wig bei der nor- malen viertheiligen Meduse, nut dass die der griiBercn Genitaltasche entsprechenden Kaniile ur~d Randkiirper etwas mehr zusammen- g.edr~tng"t waren. Excmplare mit drei g"leich groBen Gonaden und vier gew~ihnlichen Mundarmen kamen auch mehrfach zur Beobachtung.

Es ist kaum miig.lich, so ohne Weiteres zu sag"en, was bei der Ausbildung dieser Abweiehungen das 1)rim~tre ist, wenn man anch in Betracht zicht, dass bei der soeben abgeliisten Ephyra, abgesehen yon den marginalen Org.anen, nut erst der in den Mag.enmum ftihrende Mund und die gesondertGn BUndel der Gastralfilamente vorhanden sin(t, w~thrend die Mundarme und besonders dig Gonaden erst sp~tter entstehen, die letzteren der Lage nach den FilamentbUndeln ent- sprechend. Wie indessen die Befunde an abnormen Ephyren (siehe unten) vermuthcn lassen, sind wohl die meisten dreitheilig.en Anrelien schon yon ihrer ersten Ausbildung an dreistrahlig ang.eleg.t.

Viele Abweichungen zeigen bei den irreg.ul~tr unter- und tiber- strahligen Aurelien die Radiarkani~le und die Randkiirper. Fig. 3--10 (Tar. V) bring.en einig"e Beispiele diesGr abweichendeu Ramifikationen des Gastrovascularsystems 7 welche g"enau nach dem Pri~parat gezeichnet sind.

In Fig". 3 (Tar. V) ist an eincr sonst reg"uli~r dreistrahligen Meduse eine Vermehrung" dcr Randkiirper auf neun erfolgt. DiG Vermehrung

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wird dadureh beding.t, dass bei IR , PR und IRI nieht die l~adi~r- kan~le selbst, sondern ihre beiden Seiten~ste die Randk~rper tragen. Die Seiten~ste yon I]~ und IR~ haben sieh selbst~tndig, g.emacht und entspring.en direkt aus den Genitaltaschen.

In Fig'. 4 (Tar. V)~ g'leichfalls einer dreitheilig.en Aurelie~ fehlt ein RandkSrper (es sind ftinf statt seehs vorhanden) und sind Ursprung und Ver~tstelung. der GastrovaseularkanRle in der einen HRlfte der Scheibe g.anz irregular g.eworden.

Fig. 5--8 (Tar. V) zeig.en fUnfstrahligo Aurelien. In Fig'. 5 sind zwar zehn RandkSrper vorhanden, ihre Anordnung ist aber ebenso, wie die der Radi~rkan~le~ unregelm~Big, geworden. Bei PR verl~uft ein Perradialkanal ohne SeitenRste und obne RandkSrper zur Peripherie, aueh fehlen die sonst benachbarten Adradialkan~le. Bei Pttj sind zwar an dem perradialen Kanal ein RandkSrper und Verastelung.en vorhanden~ die letzteren entsprechen abet nieht der ~orm; auch werden in seiner Umg.ebung. die Adradialkaniile vermisst. Bei IR ist der interradiale Kanal unverzweig.t und ohne RandkSrper; daftir entspring.en seine ihm sonst zukommenden Seiten~iste selbsti~ndig und trag.en je einen RandkSrper.

Fig.. 6 (Tar. V) besitzt bei ihrer FUnfstrahlig.keit zu wenig Rand- kSrper, namlich acht, Bei PR fehlt an dem abnorm verzweifften Permdialgang" ein RandkSrper, der an den benachbarten (oberen) Adradialkanal g.ewandert ist. Der anstoBende Interradialkanal (IRi ist ohne RandkSrper. Ferner g.reift der Perradialkanal PRj mit seinem einen Seitenast vikariirend in das Gebiet des einen benaehbarten Adradial= und Interradialkanals Uber~ welehe ebenso wie der zu diesem Interradius g.ehSrig.e RandkSrper fehlen.

Die fUnfstrahlig.en Aurelien in Fig. 7 und 8 (Taf. V) haben zu vide RandkSrper, namlich elf, was dadureh bedinfft wird, dass bei I17, IR nicht der hier unverzweig.t verlaufende Interradialkanal den einen Randk~irper triig't~ sondern dass jeder seiner ursprUng'lichen Seiten:~iste selbstiindig geworden ist und mit je einem RandkSrper ausgr er- scheint. In Fig'. S (Tar. V) bestehen augerdem noch an einer anderen Stelle UnregelmitBig.keiten, indem der Perradialkanal bei PR einen abnormen Ursprung hat und in seiner ~Nachbarschaft die beiden Adradialkan;41e vermissen li~sst. Bei R I ( umsehliegen endlich noch die L~tppehen eines RandkSrpers zwei Sinneskolben, eine Verdoppe- lung., die nur sehr selten zur Beobachtung. kommtl).

i) Auch HAECKEL fand bei einer ,Ephyrula pentactis, einen doppelten Sinnes- kolben. Mettrgenesis und Hypogenesis bei Aurelia aurita. 1881. Tab. II Fig. 35.

Uber Hypomerie und Hypermerie bei Aurelia aurita Lain. 247

Fig. 9 (Taf. V) zeigt eine sechsstrahlige Meduse mit nur elf Rand- kSrpern. Das Fehlen des zwi~lften l~andkSrpers erkl~irt sich dadurCh, dass bei P R der Perradialkanal, wie es scheint, ausgefallen ist; auch ein Adradialkanal wird vermisst.

In Fig. 10 (Taf. V) ist eine siebenstrahlige Aurelie abgebildet, mit nut neun RandkSrpern. Wodurch die geringe Zahl der letzteren ver- ursacht wird, zeigt am besten ein Blick auf die unregelm~tBig ver- laufendcn Radi~irkan~tle der Abbildung.

Aus Obigem folgt, dass die RandkSrper nicht allein an Perra- dial- und Interradialkan~ilea bisweilen fehlen, sondern auch an be- liebigen Seiten~tsten derselben sitzen kSnnen; seltener finden sic sich am Ende der Adradialkan~tle.

AuBer diesen reguliiren und irregul~tren unter-und iibertheiligen Individuen werden bei Aurelia, wenn aueh nur sehr selten, wirk- liehe Monstrosifiiten gefunden.

So wurde vor einigen Jahren y o n DU~CKER 1) eine viertheilige Ohrenqualle beschrieben, deren Bero~=artig gestalteter Sehirm umge- klappt und am Rande fast bis zum Sehluss verengt war.

Aueh ich fischte in diesem Herbst im Greifswalder Bodden ein- nlal unter zahlreichen normalen Exemplaren ein Individuum yon ganz absonderlicher Form, welches ich in Fig. 1l (Taf. V) in Seitenansicht und in natiirlicher GrSBe dargestellt habe. Der KSrper war ballonartig gestaltet. Unten hingen vier gleichgroBe, normale Mundarme herunter. Die Umgebung der vier Genitalkrausen trat mit den Subgenital- hShlen sockelartig hervor. Der periphere Schirmtheil war in gleich- m~Biger Breite saumartig dem BallonkSrper gewissermal~en ange- heftet und lief rings um den Ballon herum. Die Radiiirkani~le mit den acht RandkSrpern waren normal. Das Merkwtirdigste aber war, dass das Innere des ganzen BallonkSrpers yon einem groBen~ mit FlUssigkeit geftillten Hohlraum eingenommen wurde, der yon gleich- m~tBig" dieken, glatten Wandungen umgeben war. Die Radfitrkaniile verliefen in der unteren Wand dieses Hohlraumes gegen den Schirm- saum hin. Leider verunglUckte das StUck kurz vor der Pr~tparation in seinem unteren Theil, so dass nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden konnte, ob eine Kommunikation mit" dem Magenraum be- stand oder nicht. Jedenfalls war woh[ keine weite Kommunikations- 5ffnung vorhanden, da das Exemplar bei der Herausnahme aus dem

~) G. DUNCKER, lJber ein abnormes Exemplar von Aurelia aurita L. Archiv f. Naturgoschiehte. Bd. 60. 1894.

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Wasser nnd aus dem Formol nicht kollabirte, was bei der dUnnen Besehaffenheit der KSrperwand sonst h~ttte sofort eintreten mUssen.

Mir ist nicht unwahrscheinlich, dass diese sonderbare Monstrositiit aus einer yon HAECKEL j) als >~Ephyrula tesseroides,, beschriebenen Ephyra-Abnormitiit dadurch entstanden ist~ dass der ~Scheitelkanal,~ dieser Ephyra sich bei der Ausbildung zur Meduse enorm erweitert und den KSrper ballonartig aufgetrieben hat.

K. ERNST u BAEIr 2) ist der Erste gewesen, welcher die Varia- biliti~t der Aurelia aurita beobachtet hat. Da die Angabe dieses Autors von den sp~teren Beobachtern fast dnrchweg Ubersehen ist, will ich sie bier wSrtlich anfiihren, vo~ BAER sagt (1823): ~)Unter der bedeuteuden Anzahl der yon mir (bei Kiinigsberg) beobachteten Exemplare yon Medusa aurita fund ich manche Abweichung in den numerischen Verh~iltnissen der Theile. Etwa 9/1 o zeigten die normale Vertheilung nach der Vierzahl. Einzelne entdeckte ieh aber, die drei, ftinf und sechs Arme hatten. Mit der Zahl der Arme stimmt immer die Zahl der ~ebenhShlen des Magens, der Athemsiicke und der Eier- stScke, meistens aueh die Zahl der Gei~,tBe mit den dunkeln KSrper- ehen in den Einsehnitten des Hutrandes, diese jedoch nieht immer., ~,

Sehon O. F. MiJLLEIr hatte 1788 in seiner Zoologia danica 3) eine Aurelie mit drei ungleich groBen Armen abgebildet.

Eingehender untersuehte sodann EnRnNBERG 4) die Zahlenverh~tlt- nisse und Variet~iten der Medusa aurita. EHRENBERG sch~itzt das procentuale Verh:,tltnis der abnormen Formen zu den normalen ziem- lich hoeh, niimlich auf 10 O/o (Ostsee bei Wismar) und erwiihnt, dass er Individuen mit ein, zwei, drei, ftinf, sechs und acht Genitalkrausen gefunden hat. )~Unter den Tausenden der gesehenen Individuen er= kannte ieh nur zwei aehttheilige und etwa 15--20 sechstheilige, nut etwa 20- -30 fUnf- und dreitheilige, alle iibrigen waren viertheilig. Die ein- und zweitheiligen Eierst0cke hatten keinen weiteren Einfiuss auf die Ubrigen Zahlenverhiiltnisse und waren sehr selten.r In Be- treff der letzteren bemerkt ENRESBEI~G, dass die einfachen und

1) E. HAECKEL, Metagenesis und Hypogenesis von Aurelia aurita. Jena 1881 pug. 27. Taf. II Fig. 25 u. 26.

2) Uber Medusa aurita. Yon Prof. v. BAER in K~inlgsberg. MECKEL'S Deutsches Archly f. d. Physiologie. Bd. VIII. 1823. pag. 390.

3) Vol. II. pag. 50. 1788. 4) EHRENBERG, Uber die Acalephen des rothen Meeres und den 0rganismus

der Medusen der 0stsee. pag. 199: Uber die Zahlenverhi~ltnisse und Variet~ten der Medusa aurita. Abhandlungen der K~nigl. Akademie der Wissensehaften zu Berlin aus dem Jahre 1835 (1837).

Uber Hypomerie und Hypermerie bei Aurelia aurita Lain. 249

doppelten Genitalkrausen sich als aus drei oder mehr unter sich verschmolzenen Genitalorganen zusammengesetzt erwiesen. DiG Drei- theiligkeit war ,mithin die niedrigste wahre Zahl, welche bisher beobachtet wurde<<.

Auch SARS 1) erwiihnt in seiner beriihmten Abhandlung >>Uber die Entwickelung der Medusa aurita und der Cyanea capillatar dass ~nicht selten Abweichungen yon der normalen Form angetroffen werden, z. B. Individuen mit flinf Faltenkriinzen und fUnf Armen, .

In den Jahren i876 und 1877 verSffentlichte RO~IANES 2) zwei kleine Aufslitze Uber die Monstrositiiten der Aurelia aurita und cab einige schematische Abbildungen yon reguliiren unter- und Uber- theiligen Formen, welche er an der OstkUste yon Schottland beob- achtete. Darunter befinden sich auch zwei Skizzen yon einem zwei- und einem dreistrahligen Exemplar mit zwei resp. drei Gonaden und vier resp. sechs RandkSrpern. Indessen bemerkt RO~IASES hierzu: >,In neither of these specimens, however, was the manubrium affected by the reducing process., Am hiiufigsten fand RO~IANES reguliire sechsstrahlige Individuen, wen ige r hi~ufig fUnfstrahlige.

HAECKEL 3) betont in seinem groBen Medusenwerk die ,auBer- ordentliche VariabilitKt der Aurelia aurita und ihre besondere INeigung zur Bildung yon Monstrosit~iten~ und stellt eine besondere mono- graphische Bearbeitung dieser >>merkuUrdigen Verh~tltnisse, welche ftir den Transformismus yon hohem Interesse sind<<, in Aussicht.

SchlieBlich haben noch BROWNE4), BATESONS), UNTHA.N'K 6), HERD- ~AN 7) und SORBY 8) kurze Angaben tiber das Vorkommen yon drei-, ftinf- und seehsstrahligen Individuen gemaeht.

BROWNE fand sic unter den yon ihm bei Plymouth untersuchten 383 erwachsenen Anrelien zu 2,080/0.

1) M. SARS, Uber die Entwiekelung der Medusa aurita und der Cyanea capillata. Archiv f. Naturgeschichte. VII. Jahrg. 1841.

2) G. ROMANES, An account of some New Species, Varieties and Monstrous Forms of Medusae. The Journal of the Linnean Society. Zoology. Vol. XII. 1876. Vol. XIII. 1877.

3) E. tlAECKEL, Das System der Medusen. I. Theil. 2. H~ilfte. pag. 554. Jena 1880.

4) BROW~E, On the Variation of the Tentaculocysts of Aurelia aurita. Quarterly Journal of microscop. Science. Vol. 37, N. S. Derselbe, Aurelia aurita, in: The Nature. Vol. L. 27. Sept. 1894. pag. 524.

~) I. c. pag. 428. 6) The Nature. Vol. L. 1894. pag. 413. 7) Ibidem. Vol. L. 1894. pag. 426. s) Ibidem. Vol. L. 1894. pag. 476.

250 E. Ballowitz

Naeh BATESON kamen unter 1763 an der Ktiste yon Northumber- land durchmusterten Exemplaren 1,49'% abnorme vor.

Die Sehittzungen yon HERDMAN (Expedition naeh Hilbre Island) und SORBY (bei Suffolk und Essex) differiren sehr, da Ersterer 4--5 fUnftheilige Exemplare auf das Dutzend fand, w~ihrend SORBY auf das Tausend nur ),einige wenige,< Abnormit~tten sch~ttzte.

Meine Beobachtungen hinsiehtlich der H~tufigkeit der Abwei- chungeu stimmen demnach am meisten mit den Ang'aben yon BROWNE und BATESON Uberein. Es ist jedoch daran zu denken, dass die 0rtliehkeit und Jahreszeit sehr wohl Differenzen in der H~iufigkeit des Vorkommeus der Abnormit~tten bedingen kSnnen. Aueh wiire es nicht unmSglieh, dass der Procentsatz ihrer H:~tnfigkeit in den ein- zelnen Jahren weehselt. Dariiber kSnnen nur durch Jahre hindureh fortgesetzte Massenuntersuehungen entscheiden. Vollkommen zwei- und aehttheilige Exemplare habe ieh nicht beobaehtet und seheinen dieselben sehr selten zu sein, wie auch yon den frtiheren Unter- suehern hervorgehoben wird; nur EHRENBERG und RO3IA1NES haben ein oder einige wenige solehe Exemplare gesehen. Dagegen land ieh ein siebentheiliges Individuum, das noeh nicht beobaehtet zu sein scheint.

Die H~iufigkeit der Abnormit~tteu legt den Gedauken nahe, ob vielleicht die abnorm-theiligen, speciell die regul~tr-theiligen Aurelien im Staude sind, aus ihren Eiern ausschlief~lich oder doch voruieg'end wieder abnorm-theilige Exemplare hervorzubringeu, besonders wenn die Befruchtuug unter gleichsinnig abnorm-theiligen Miinnchen und Weibchen vermittelt wUrde. Man kSnnte sich denken, dass bei durch mehrere Generationen fortgesetzter gleichsinniger Befruchtung, z. B. dreitheilige Aurelien ausschlieBlich oder doch vorwiegend drei- theilige Ephyren, sechstheilige wiederum sechstheilige Individuen etc. erzeugen wUrden.

Auch wart die Msglichkeit bei der metagenetischen Fortpfianzung der Anrelie ins Auge zu fassen, dass dig abnorme Besehaffenheit der geschlechtsreifen Thiere vielleicht ohne Einfluss ist, dass hingegen manche Seyphostomen b e i d e r Strobilation in Folge irgend welcher innerer oder ~iuBerer, vielleicht experimentell festzustellender EinflUsse in den Stand gesetzt wUrden, abnorm-theilige Ephyren zu ammen.

Eine weitere MSglichkeit w~tre diG, dass die 'abnormen Indivi- duen ganz zufiillig unter unbekannten EinflUssen bei der Strobilation zwischen den normal-theiligen entstehen. Dieser iFall dttrfte abet mit

Uber Hypomerie und Hypermerie bei Aurelia aurita Lain. 251

Rticksicht auf die 0rganisation der Scyphostomen und auf das Vor- kommen schon abnorm gebauter Scyphostomen am wcnigsten Wahr- scheinlichkeit ftir sich haben.

Jedenfalls wtirde es eine hSchst interessante und lohnende Auf- gabe sein, welche weitestgchende Gesichtspunkte eri~ffnet, nach den angegebenen Richtungen hin Versuche mit Aurelien anzustellen. Die biologischen Anstalten an den Meeresktisten wtiren hierfUr der ge- gebcne Oft.

BRowNn ~) hat kiirzlich die Mitthcilung g'emacht, dass auch schon bei den Ephyren abnorm-theilige Exemplare vorkommen. Dieser Forscher untersuchte einmal 359 Exemplare und sp~tter 1156 Exem= plate yon Aurelia-Ephyren und fand das erste Mal 22,(i~/0 , das zweite Mal 20,9 0/o abnorme Exemplare, wclche entweder mehr odor weniger als acht RandkSrper besaI~en (5--14}. Die Variation der Randk(irper beeinfiusste auch bei den Ephyren nicht die Ubrigen 0rgane des KSrpers. Mithin stellte sich hinsichtlich der RandkSrper bei den Ephyren schon ziemlich derselbe Procentsatz hcraus, wie ftir die er- wachsenen Aurelien (22,8o/0, siehe oben). AuBerdem land BRow~n unter diesen Ephyren zwei Exemplare mit drei BUndeln yon GastrM- filamenten, abet vier normalen Mundlappen und sechs StUck mit sechs Btindehl von Gastralfilamenten nnd auch sechs Mundlappen. Auch Spaltungen der prim~tren Ephyralappen wurden beobachtet. SchlieBlich land BROWNE noch eine ganz absonderliche Monstrositgt, welchc bei bestehendem Defekt am Rande der Ephyrascheibe auf dcr Exumbrella einen zweitheiligen Armauswuchs aufwies.

BROWNE ist indessen ganz entgangen, dass schon CLAUS 2) und vor Allem HAECKEL 3) abnorm-theilige Ephyren beobachtet haben. Der letztere Forschcr hat Ephyren mit zwei, drei, ftinf und sechs Mundlappen und Filamentgruppen gefunden und in bekannter Voll- endung abgebildet. Auch HAnCKEL traf am h~tufigsten die reguli~ren Formen an (drei Filamentgruppen, drei Mundlappen, sechs Sinnes= kolben; fUnf Filamentgruppen, ftinf Mundlappen, zehn Sinneskolben; sechs Filamentgruppen, sechs Mundlappen, zwSlf Sinneskolben).

Wie bei den eruachsenen Aurelien~ so kommen also schon bei

l~ BROW~E, On the V:~riation of the Tentacaloeysts of Aurelia aurita. Quarterly Journal of microscopical Science. Vol. 37, N.S. 1895.

2) CLAUS, Studien tiber Polypen und Quallen der Adria. Denkschriften d. Kaiserl. Akademie d. Wissenschaften. Wien 1878. Bd. 38.

3) E. HAECKEL, Metagenesis und Hypogenesis bei Aurelia aurita. Jena 1SS1. Tar. II Fig. 32--36.

Archiv f. Entwickelungsmechanik. VIII. 17

252 E. Ballowitz, Uber Hypomerie und Hypermerie bei Aurelia aurita Lain.

ihren Ephyren unter- und Ubertheilige Formen, ebenso wie eigentliche Monstrosit~tten vor.

Wenn auch ein Theil dieser Abnormit~ten erst an der Ephyra entstehen mag, so ist Far bei Weitem die meisten doch wohl bestimmt anzunehmen, dass ihrc ersten Anf~inge in noch frUheren Entwicke- hngsstadien zu suchen sind. Denn durch die entwickelungsgeschicht- lichen Untersuchungen von CLAUS1), HAECKEL 2) und GOETTE 3) an Aurelia wissen wir~ dass Asymmetrien und UnregelmiiBigkeiten im KSrperbau schon an ganz jungen Scyphostomeu yon Aurella ge- funden werden.

Die experimentelle Forschung zur Feststellung der Ursachen, welche die so auft~tllige Variabilitiit der Aurelia aurita bedingen, muss ira Entwickelungsgange diescr Meduse also auf die Scyphostoma- und Strobilaform, vielleicht noch frtiher, zurUckgehen.

Sollten meine obigen Mittheilungen zu derartigen expcrimentellen Untersuchungen an Aurelia die Anregung geben, so ware ihr Haupt- zweek erreicht.

1) 1. c. ~) 1. c. a) GOETTE, Abhandlungen zur Entwickelungsgeschichte der Thiere. 4. Heft.

Entwickelungsgeschichte der Aurelia aurita und Cotylorhiza tuberculata. Ham- burg-Leipzig 1887.