sternstunden des ddr- humors / 1961 - 1962
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Die Jahre 1961 1962: Lieber schlankweg in den Westen
als dicke da im Osten

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Otto Stark: Ein Kabarettist fürchtet sich nicht
1 Kapitel: Lieber schlankweg in den Westen
als dicke da im Osten
Renate Holland-MoritzAllet aus Propajanda
John StaveVorsicht LiebesgabenHorst BeisseEs kommt was an
Hansgeorg StengelBesuch von drüben
Ottokar DommaMein schönstes ErlebnisDeutlichErwin F B AlbrechtIm Bundeshimmel
Lothar KuscheBürger haltet die Ostsee sauber
2 Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes
Humorvolles aus dem AlltagC U WiesnerFrisör Kleinekorte äußert sich
zur Weltraumfahrt
Achim FröhlichGeht nicht
Rudi StrahlVon morgens bis abends
Achim FröhlichEin tragischer Verlauf
Peter GauglitzÖfter mal 11mräumenErich HankoFrau Bramke und das PolyvinylchloridHans-Joachim PrellDer Tierarzt
„3 Kapitel: Lernen lernen nochmals lernenAls w r Schüler und Pioniere waren
Ottokar DommaUnser Werklehrer Pankraz
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Inhalt
Alfred Schiffers••
So eine Uberraschung
Joachim PrieweUm die Zukunft keine Bange
Alfred SalomonEine Fünf
JohnStaveDie Aufklärung
Irmgard Abe
Geschlossene Gesellschaft
4. Kapitel: Was des Volkes Hände schaffenWir Werktätigen in Stadt und Land
Hansjoachim Riegenringesuch bei Freund Eduard
Joachim Priewe
DorfkrugstudieGünter KroneDie Grenzen der Technisierung
Arwed BouvierDas Versicherungsgeschäft
Günter GregorTagebuchnotizen eines Dorfbürgermeisters
Jochen PetersdorfNachrichten
John StaveLesen und lesen lassen
5. Kapitel: Heißer SommerVon Ostseestrand, Datsche und Jugendclubs ...
Ulrich SpeitelSchlaf der Ungerechten
Ralph WienerDer Wackelstein
Erwin F. B. AlbrechtDer positive Kellner
Ulrich SpeitelUrlaubsfreuden ohne Urlaub
H. J. SteinDeutsche Bahnhöfe
John StaveDer Hieb auf den Kürbis
6. Kapitel: Höher, schneller, weiter
Sportlich sportlich
Erwin F. B. AlbrechtWie ich Sportzecher wurde
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Alfred SchiffersWie s im Tagebuche steht
Rudi StrahlDer Weitgereiste
Hansjoachim RiegenringAuf dem Anstand
John StaveWer wird Fußballmeister 962
7 Kapitel: Unter vier AugenÜber Verliebte und Verheiratete
Peter GauglitzAmor lebt
Joachim PrieweDer Hausfreund
Herbert SeifertGedanken in einem kalten Zimmer
John StaveMehr allgemein
Hansgeorg StengelGruß nach vom
Peter GauglitzCampingküsse
Jochen PetersdorfDauer-Renner
Renate Holland-MoritzModeme Ehe
Ralph WienerIch liebe Ingeborg
8 Kapitel: Wo wir sind ist vornEs geht seinen sozialistischen Gang
C U WiesnerFrisör Kleinekorte und der neue Mensch
John StaveWeshalb
Ulrich SpeitelWas der Mensch alles braucht
Nils WernerDer Tod des Schlagwo.rts
Lothar KuscheMinister im Traum
Zeittafel
Rechtliches
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Die Wahrheit in der osentasche
Si Ct 6 A ottist ~ r e l t o t siele Hielct
Man hat mich gebeten, für die Sternstunden des DDR-Humors ein passendes, lustiges, geistreiches Vorwort zu schreiben. Aber wie soll mandie Jahre 61-62 beschreiben: satirisch, humoristisch, ärgerlich oder garfröhlich? Es war die Zeit des Mauerbaus, des Kalten Krieges, der Frieden war in Gefahr. Alles ernste Probleme. Es gab eine Abgrenzung derIdeologien. Jeder hatte recht und die Wahrheit in der Hosentasche. Auf
welche Wahrheit konnte man sich berufen, auf Links oder Rechts, aufOben oder Unten, Ost oder West? Was ist überhaupt Recht? Man sollteangemessen urteilen über Recht und Unrecht, und auch da gibt es Probleme, wie eine Anekdote aus der k. und k. Monarchie erzählt: Es kommtein Mann zu einem weisen Rabbi und bittet ihn, einen langjährigen Streitzwischen zwei Freunden zu schlichten. Er stimmt zu, hört sich den er
sten an und sagt: »Du hast recht.«Er hört sich den zweiten an und sagt:»Du hast auch recht « Daraufhin meint die Frau des Rabbis: »Aber es kön
nen doch nicht beide recht haben.« Der Rabbi nickt und sagt: »Da hastauch du recht « Ich habe oft an diese Anekdote gedacht, wenn ich vorEntscheidungen stand, auf der Bühne oder im Leben. Sie erinnert michauch an den 13. August 1961, als ich mit meiner Frau in der Wachau in••
Osterreich war und wir an einem schönen Sonntagmorgen spazierengin-gen und ich aus einem offenen Fenster über die Grenzziehung in Ostberlin hörte. Wir diskutierten im Familienkreis, ob wir zurückkehren oder
in Österreich bleiben sollten. Onkel Willi, der letzte Überlebende der Familie, hörte zu und sagte zu meiner Frau: »Du kannst doch nicht deinealten Eltern allein lassen«, und zu mir gewandt: »Du gehst natürlich mit.
Was willst du hier in Wien? Hier kennst du alle Nazis. Drüben sind auchwelche, aber die kennst du wenigstens nicht.« Wir fuhren drei Tage später zurück. Mein Schwiegervater wunderte sich, warumwir zurückkamen.»Um uns braucht ihr euch keine Sorgen zu machen«, meinte er lachendund setzte schmunzelnd hinzu: »Wir sind bestens geschützt durch eineMauer.« Ja, wir waren jetzt bestens geschützt durch einen »antifaschisti
schen Schutzwall«. Ganz wohl war uns dabei nicht. Aber wir spieltenwieder Kabarett mit großer Freude und all den kleinen und großen Sor
gen, die uns damals der Alltag bescherte.Da mein Vorwort nicht ganz so lustig ausfiel, hoffe ich, daß Sie umso mehrFreude an den Beiträgen in diesem Buch finden werden. Ich wünscheIhnen viel Spaß und schließe mit den Worten von Winston Churchill, alser sich als Politiker verabschiedete: »Ein kluger Mann macht nicht alleFehler selber ... Er gibt auch anderen eine Chance «
Otto Stark
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»Hast du schon gehört? Die AutobahnBerlin-Rostockwird nun dochnicht gebaut?«»Wieso dennnicht?«
»Weil sie die Betonteile erst mal umBerlin herum zumTrocknen aufge
hängt haben. «
Lieber schlankweg in den Westen
Renate Holland Moritz
Isset denn die Möglichkeit, die Buntzeln Seit wann arbeiten
Sie denn in Schöneweide? Na nu weenen Se man nich, ickweeß schließlich am besten, wie weich eim inne Knie wirdohne det jute Hartjeld. Wir ham et ja alle nich einfach in die
Zeit, wo se uns so brutal von unse Brida abjespalten ham, detman se nich mal mehr mit een paar Scheiben Kotlett unta de
Arme jreifen kann.Na abajewiß doch hab ick mir einjedeckt Alladings weeß icknich wat ick mit die zehn Kilo Mehl anfangen soll, weil bei unsze Hause doch ja keena Kuchen jeme ißt. Wat meine linke
Nachbarin is, die hat sich for hundert Mark Backpulvajekooft.Zu wat die so ville Triebmittel braucht, is mir unklar. Mit ihm
dreihundat Funt Lebendjewicht übalebt die jlatt die nechste
Hungasnot.Nee wissen Se Buntzeln, det is ja jetzt übahaupt keen Leben
mehr. Meine Uffwartung mußte ick ja nu ooch entlassen. Nu
kann ich mir wieda selba beit Dreckfejen inne eijene Wohnung
machen. Jewiß Arbeit schändet nich aba wenn man so lange eenjuten Posten als Raumflejerin in Neukölln hatte, kommt man
sich bei so niedrije Varrichtungen doch een bißken schebich vor.Also wat mir am meisten schmerzt bei die neuen Maßnahmen,
det is, wie sich die Menschen zu ihm Nachteil vaändem duhn.Wat mein Jroßen seine Braut is, unse Helja, die is doch bei denprivaten Jrünkramhändla Meier aus de Schulzendorfa Vakäu
ferin. Die janzen Jahre hatta nüscht an se auszusetzen jehabt,weil er jenau wußte, bei die erste demlije Bemerkung kricht er
die Flebben vor die Beene. Unse Helja hat'n damals klipp undklar ausenandaposementiert, det se sich ooch nach Kreuzberch
vaändem kann. Und wat glooben Sie Frau Buntzel, wat sicholle Meier vajangene Woche alaubt? Er sacht, Helja könnte ru
hich ooch mal den Laden ausfejen, und wenn se sich nich eenandan Ton for de Kundschaft anjewöhnt, muß er leida uff ihr
vazichten. Det klee ne zarte Medchen hat sich bald die Seele
aus dem Leib jeweent. Det der West-Ofen nu aus ist, ist schon
traurich jenuch. Aba det Meiern so was ausnutzt, det finde ick
direkt unmoralisch. Also denn machen Sie et man jut, Buntzeln. Inne Paradiesstraße soll et übrijens Pilze jeben. Die janze
Jahre jabs bloß drühm weiche. Da sehen Sie wieda mal, zu watvor Methoden der Osten jreift - allet aus Propajanda

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Lieber schlankwes in den Westen1 1 2
John Stave
llorsie t
Unlängst bekommt unser Opa auf einmal ein Paket. Wir sinderstaunt. Aber die Anschrift stimmt genau. rr öffnen also dasPaket. Und was ist da alles drin? Sonneneiernudeln, ein Päckchen Krafts Scheibletten, Graupen, Margarine, Dr.-Oetker-Pudding und ein Brief. »Laß Dir alles gut schmecken, mein Junge«,steht in demselben. »Nie werde ich vergessen die schönen Stunden, die wir beide voriges Jahr in Berlin verbrachten. Nun trenntuns bekanntlich die Mauer, die uns allen ein Dom im Auge ist.Damit Du etwas von der Freiheit noch hast, sende ich Dir dieseLeckereien. Laß Dir alles gut bekommen, und schicke mir noch
ein paar Anschriften, damit ich dieseauch erfreuen kann. Bleibe auchhübsch gesund. Ein frohes Weihnachtsfest ... «
Wir lassen den Brief sinken undglotzen uns erstaunt an. Das ist jwirklich nett von dem Mann aus Lüneburg. Unser Opa hat uns nie vonihm erzählt, von den schönen Stun
den voriges Jahr. Aber das war jauch schlecht möglich; denn Opa ist
bereits im Jahre 1952 gestorben.rr haben noch ein bißchen überlegt
und das Paket ein paarmal unschlüssig rumgedreht und beklopft.Dann haben wir das ominöse Paketzur Polizei getragen. Wir hatten dasundufte Gefühl, der Dr. Oetker woll
te uns vergiften ...Über die Polizei sind wir schließlich zum Zoll gekommen. Dasist j sehr interessant dort. Die vom AZKW zu deutsch: Amtfür Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs) kennen schon ihrePappenheimer. Der eine der Zollisten nimmt unser Paket, gucktsich die Schnur an, pfeift wie ein Kriminaler durch die Zähneund sagt uns, daß es sich bei diesem Paket um ein sogenanntes Organisations-Paket handle, das von der Beförderung durchdie Post ausgeschlossen ist und der Beschlagnahme durch den
Zoll verfallen muß diese Maßnahme wird bei familiären Ge-
1 1
und d nn schreibt
sie noch w s vom Duftder großen weiten
Welt
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2 Lieber schlankweg in den Westen
schenksendungen natürlich nicht angewandt, sofern sie den
internationalen Zollbestimmungen entsprechen .
Da gibt es nämlich in der Bundesrepublik Leute, die um jeden
Preis Freude ins DDR-Haus bringen wollen. Sie trompeten in
allen Bundesländern herum, daß die Menschen unter Ulbrichts
Gewalt nichts zu essen haben, und deshalb immer in den einschlägigen Parkanlagen die Rinde von den Bäumen abknabbern
müssen. Jedenfalls wird Geld zusammengetrommelt, und dann
werden die Pakete gepackt. Oberflächlich könnte man dieseTrommler für wahre Menschenfreunde halten. Aber sie haben
nun mal das Bedürfnis, neben der leiblichen Kost auch für das
geistige Wohl unserer bedauernswerten Bürger zu sorgen.
Im Kl KW Magdeburg betreten wir eine große Buchhandlung.
Jedenfalls fühlt man sich in eine solche hineinversetzt, wenn
man das Tausende von Bänden umfassende Literaturlager be-
trachtet. Alles Werke aus beschlagnahmten PakeDa muß man sich in der armen Ost- ten. Von der niedrigsten Pornographie bis zum El-
zone revanchieren. binger Bildkalender, von der »Schlucht des Grau-
ens« bis zu »Panzern, die Richtung Baku rollen« ja
bis zur offenen Anti-Sowjet-Hetzschrift reicht das Sortiment.
Und für solche oder ähnliche Liebesgabensendungen zeichnen
dann westdeutsche Heimatverbände als Absender oder - was
uns besonders gefallen hat - die »Evangelische BruderhilfeBremen«. Aber sie bedienen sich auch privater Absender ohne
deren Kenntnis.
Andere Liebesgaben aus dem Westen sind noch konkreterer
Natur. Es handelt sich um Zaster. Um solchen Zaster, der Re
publikflüchtigen nun nichts mehr nutzt. Sie lassen ihn in die
alte Heimat zurückkehren. In Zigarettenschachteln versteckt,
in Schokoladentafeln, in Bonbonpapier und so weiter. Seit dem
13. August sind m privaten Geldversand über 100 000 entdeck
te DM über die Staatsgrenze gekommen.Da muß man sich natürlich revanchieren. Und dann geht aus
der armen Ostzone so was nach drüben: in Kuchen eingebakkene goldene Eheringe, ganze Besteckkästen, Knackwürste, in
»Anfeuerholz« versteckt, Puppen, die um den Leib Armbanduh
ren tragen, nagelneue Bettwäsche, Untertrikotagen und so wei
ter. An hochwertigen Textilien wurden auf diese Weise pro Jahr
für viele Millionen DM Ware nach dem Westen verschenkt.Eine Frage zum Schluß: Können Sie uns sagen, weshalb bei
spielsweise Bettwäsche bei uns so knapp ist? Nee nich?

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Lieber schlankwes in den Westen
Horst eisse
»Sie, Schrödem, wissense schon von de Dahlienstraße?«
»Nee, Frau Lemke, was isn da? «
»Also, Schrödem, bei Meiern in de Dahlienstraße is wat unterwegs Na, Se wissen schon, was ick meine. Man spricht ja
heute nich so drüber ...«
»Ach, wie mir des freut für die Leute, Frau Lemke Ick weeß
ja nischt, und ick kümmer mir ja nie drum, aber ... et is doch
wohl det erste, wa? «
»Nee, Schrödem, det dritte schon Die jehören woll zu denen,
die nie jenuch kriejen können. Die Tochter von Meiers hat
ihret ja ooch schon lange haben wollen. Und überall hin
habense jeschrieben, und nun wird et endlich ankommen. Mei-
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UNTER. NOE N
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•ieber schlankweg in ~ n Westen
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ers Elli is jetzt wie ausjewechselt Und die Oma freut sichooch.«»Klar, Frau Lemke Hoffentlich wird det bei Elli nich so kleen. «
»Det wolln wa wünschen, Schrödem. Is ja wat Wertvollet,
nicht? Ooch wenn man Loofereien hat.«
»Na ja, Frau Lemke, wenn de Jahre so verjehen, hat man im-merhin ne kleene Hilfe, wa?«»Üogenblick mal, Schrödern Da is eener an de Düre draußen.
Ick jeh mal raus. - Sehn Se, nun is et da Der Briefträger hat
et mir eben erzählt. Bei Meiers is et schon anjekommen, Schrö
dern «
»Jotte, nee, Frau Lemke, was is et denn? Een Junge oder een
Meechen?«»Quatsch Ick hab et Ihnen doch anjedeutet ... een Westpaket «
Man spürt es gleich am sanften Hub der Schritte,
am Schal des Mannes und am Duft der Frau:
Hier handelt's sich um eine Stippvisite
der Bundesrepublik in Crimmitschau.
Das mindeste: Die Dame ist Komtesse
und er Besitzer einer Tuchfabrik.
Sie haben Geld wie Heu und Auslandspässe,
und ihre Fotos stehen in der »Quick«.
Man würde beide schrecklich gern befragen.
Doch geht man ganz behutsamn auf sie zu,
hört man den Dünkel der Gesäße klagen:»Wir sind zu vornehm für ein Interview «
Nur der Hoteldirektor Heinrich Lehmann
weiß, weil sie auf dem Meldezettel stehn:
Es sind die Gerbersgattin Koch plus Eh'mann
aus Hof, die schwänzelnd durch die Straßen gehn .
ansgeorg Stengel

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Ottokar Domma
IS
Meine Mutter sagte daß sie eine dringende Fahrt nach Berlin
machen möchte weil doch die Italiener jetzt wieder so schön
legen und das Pfingstfest vor der Tür steht. Darauf hab ich dieTür aufgemacht wo aber kein Pfingstfest gestanden hat son
dern unser individueller Misthaufen. Der stank.
Wie ich zurückgekommen bin in die gute Stube hat mich meine
Mutter ganz ernst angesehen so wie damals bei den Masern
und gesagt daß ich mit darf nach Berlin wenn ich keinem
Menschen etwas verrate. Ich hab ein ganz verschwiegenes Ge
sicht gemacht und geantwortet daß so einer wie ich der den
langen Zahel Arthur glatt hinlegt niemals nicht etwas verra
ten wird. Als es soweit war hat meine Mutter einen Brief fürdie Klassenlehrerin geschrieben daß sie mit mir ganz drin
gend zum Arzt muß. Die Lehrerin ist mir über den Kopf gestrichen und hat mir freigegeben. Da hat sich meine Mutter mäch
tig gefreut.
Wie wir dann zum Bahnhof gegangen sind war meine Mutterviel dicker als sonst. Im Zug hat mich meine Mutter gefragt
wo wir hinfahren. Ich habe gesagt daß wir nach Berlin fahren
aber sie hat gesagt daß wir nicht nach Berlin fahren sondern
nach Potsdam zu Tante Frieda und ich soll mir das einprägen.Meine Mutter hat mich dann noch siebenundzwanzig mal ge
fragt wo wir hinfahren und ich hab dann siebenundzwanzig
mal gesagt nach Potsdam zu Tante Frieda. Ich wollte wissen
wer Tante Frieda ist und ob sie auch so geizig ist wie Tante
Alma. Aber meine Mutter hat bloß ganz verzweifelt geguckt.
Ich soll meinen Mund halten hat sie gesagt und daß sie es
schon bereut weil sie mich mitgenommen hat. Ich hab dann
die Telegrafenstangen gezählt.
Dann sind wir umgestiegen in einen Zug mit großen Fensternund ohne Lokomotive. Wie wir gesessen haben setzte sich ein
sehr schönes Fräulein neben mich. Die hatte rote Lippen und
reiche Eltern weil sie so gut roch. Bei meiner Mutter saß ein
dicker Mann. Der hat dauernd geschwitzt. Wie wir gefahren
sind wollte meine Mutter wieder wissen wo wir hinfahren.Ich hab gesagt: Nach Potsdam zu Tante Frieda. Meine Mutter
hat sich darüber sehr gefreut und die anderen angeschaut ob
sie sich auch freuen. Aber die haben sich nicht gefreut weil der
Wer ist der größteFeldherr der Welt-
- _
51
. . ? . .· . ..
. geschichte. . .. •. . „
Walter Ulbricht . .Er hat zwei Millio·nen Menschen fu
die Flucht geschlagen und 17 Millio
en gefangengenom
men.

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>>ndlich die gute West-
medizin. Ieh freue mich
aufmeine Krankheit <<
- Lieber schlankweg in den Westen
Dicke immer noch schwitzte und das schöne Fräulein gelesen
hat. Wie der Zug wieder hielt hat meine Mutter auf einmalauch geschwitzt. Der Dicke hatte sie angesteckt. Dann kam ein
Genosse Grenzer und hat mit seiner Hand gegrüßt. Er hat ge-
sagt »Ausweijittee« und in die Büchlein geguckt; die ihm die
Leute hinhielten. Das von meiner Mutter hat vor Freude gezittert weil ich so schön sagen konnte wo wir hinfahren. Aber
der Genosse Grenzer hat das nicht gesehen weil er immer zu
dem schönen Fräulein schauen mußte.
Als wir mitten in der Stadt waren hat meine Mutter aufgehört
zu schwitzen und geseufzt daß sie Gott dankt. Dann sind wir
ausgestiegen. Meine Mutter ist oft vor den Schaufenstern ste
hengeblieben und sie hat mich gefragt ob das schön ist. Ich
hab gesagt Potsdam ist schön und wann wir endlich bei Tante
Frieda sind denn ich hatteschon einen mächtigen Hunger.
Dann ist meine Mutter in ein
Geschäft rein wo alles nur so
blitzte und nach Käse stank.
Die Frau hinterm Ladentisch
hat laut aufgeschrien und zumeiner Mutter gesagt wie sie
sich freut. Ich dachte mir
gleich daß das Tante Frieda istund eine eingebildete Stadtnu
del weil sie meine Mutter mitSie angesprochen hat. Und ich
hab gedacht ich spiel ihr einen
Schabernack.
Dann hat Tante Frieda zu mirgesagt daß sie jetzt schnell mit meiner Mutter ins Wohnzim
mer muß und ich soll im Laden aufpassen und sagen daß sie
gleich wieder da ist. Ich hab gesagt ich paß schon auf und ichhab in meinen Taschen gewühlt und einen dicken rostigen
Nagel gefunden. Den hab ich in einen dreieckigen Käse ge-
drückt bis er nicht mehr zu sehen war und ich hab das Silber
papier wieder mit Spucke angeklebt. Und wie ich hörte daß
meine Mutter mit der Stadtnudel wieder zurückkommt hab ich
schnell noch ein paarmal in den Quark gespuckt weil sie so
geizig ist. Meine Mutter war jetzt viel dünner als vorher und
hat immerzu gelacht und gesagt daß ihr jetzt leichter ist. Tante
Frieda schenkte meiner Mutter einen Käse und hat mit ihrer

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Lieber schlankweg in den e s ~ ~ p
feuchten Hand über meinen Kopf gestrichen und gefragt ob ich
einen Kauboifilm ansehen will. Ich habe gesagt daß ich Hunger hab und ich hab ihr die Zunge gezeigt aber nur von innen.
Meine Mutter konnte jetzt viel schneller gehen als vorher und
hat immerzu im Kopf gerechnet. Vor einer Bude hat sie mich
gefragt ob ich ein schönes buntes Heft zum Lesen will. Ich
habe mir eins ausgesucht wo ein Mörder einem Mann die Gurgel zudreht und seine Augen schon draußen waren. Der Verkäufer hat gesagt das ist ganz spannend und man liest es in
einem Zuge. Ich habe gesagt daß ich es lieber zu Hause lesen
will und nicht im Zug, weil es dort so wackelt.
Wie wir zu Hause angekommen sind hat meine Mutter zumVater gesagt sie hat was Schönes mitgebracht und sie hat in
ihrer Tasche geraschelt. Wie sie ihm den Käse gegeben hat hat
Vater gleich das Papier abgewickelt und hineingebissen. Auf
einmal hat er gelauscht und ganz dumm geguckt. Dann hat er
seinen Mund wieder aufgemacht und blutige Käsebrocken aus
gespuckt und ein Stück vom Zahn. Und er hat meiner Mutter
das andere Stück Käse ins Gesicht geschmissen. Dabei fiel ein
Nagel runter.
Dies war mein schönstes Erlebnis.
' D o ~ t l i e l aZwei halbstarke Westberliner in Lederjacken und Niethosen
schlendern - die Hände tief in den Taschen vergraben - auf den
Kampfgruppenposten an der Bemauer Straße zu. »Wo möchten Sie hin?« fragt der Genosse Kämpfer.»Zu Hause « sagt der längere der beiden recht lässig.
Und mürrisch kommen sie der Aufforderung nach ihre West-• •
ausweise vorzure1gen.
»Die Strelitzer Straße« sagt der Genosse Kämpfer »ist gesperrt. Bitte benutzen Sie die Brunnenstraße als Übergang «Der kurze Halbstarke räsoniert: »Jestem war noch uff. rr jehn
schließlich immer hier durch «»Sehn Sie«, sagt der Posten »und nun nicht mehr «»Dürfen wa det als amtliche Mitteilung uffassen?«
»Klar«, sagt der Genosse Kämpfer, »diese Angabe erfolgte mit
Gewehr «
•
In den 60er Jahrengab es eine Ausschreibung für denIn- und Außenputzder Mauer.Fünf Mann bewar-ben sich für den .
Innenputz und ,„.
zehn Millionen für .den Außenputz.
7r

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Lieber schlankwes in den Westen
Erwin F B Albrecht
Es war nicht ganz einfach gewesen hinaufzukommen. Ein junger Elegant in Cut und gestreifter Hose der so gar nichts mitdem alten Petrus gemein hatte empfing mich.
»Nennen Sie mich Mr. Peters« sagte er »ich bin ein Jünger von
Old Petrus.«»Es hat sich hier wohl allerhand verändert?«»Kann man wohl sagen. Seitdem die Ostmenschen in das Welt-
all vordringen haben wir uns in den Hinterhimmel verzogen.Man läßt sich schließlich nicht gern alle naselang von so einemSputnik in die Fenster gucken nicht wahr?«
»Und Sie haben den Umzug wie man hört gleich zu einer durch-
greifenden Renovierung benutzt?«»Genau« bestätigte der junge Herr »die Fassade ist zwar nochdie alte wegen der Werbung mit Posaunenengeln und so aberinnen werden Sie staunen. Alles nach streng freiheitlichen Ge-
sichtspunkten reorganisiert.«Er führte mich über einen Vorhof zu einem gewaltigen fünfek-
kigen Gebäudekomplex. Ich stutzte. »Nanu? Ein Pentagon?«»Die zweckmäßigste Form für den Bundeshimmel« erklärtemein Begleiter. »Am besten werfen wir erst einmal einen Blickin das Innere. Bitteschön sehen Sie selbst.«In einem umzäunten mit der Überschrift »Soldatenhimmel«versehenen Sandkasten saßen Friedrich der Zwote BismarckWilhelm der Letzte und Hindenburg. Sie tranken französischenBurgunder während im Hintergrund ein Ochse am Spieß briet.In zahllosen Hollywoodschaukeln ließen sich MillionärsdamenAustemcocktails Sekt und kalten Fasan servieren am Randeeines Swimming-Pools bewirtete Großadmiral v Tirpitz in Voll-
bart und Badeanzug eine kreischende Gesellschaft von Starletts aus Marinefilmen mit Rheinsalm und Gebirgsforellenwährend braun uniformierte Gestalten mit weißen Paradegamaschen an Lagerfeuern saßen gebratene Hühner verschlangen Whisky tranken und aus Colts schossen. Auch hier obenwollten die Millionäre und die Generale nicht auf die Besatzungsmacht verzichten.»Es wird leider schon wieder ein bißchen eng« bedauerte Pe-
ters »die Eingänge mehren sich rapide denn statt dreihundert
Millionären besitzt die Bundesrepublik jetzt bekanntlich über

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Lieber schlankweg in den Weste n ;
achttausend, und ihre Ansprüche werden immer größer, nach
dem ihr irdisches Aktienkapital von dreißig auf über siebzig
Milliarden angestiegen ist.«
»Und wo bleiben die kleinen Leute?« fragte ich. »Man sieht
nicht einen einzigen einfachen Menschen.«
»Sie Unschuldsengel«, lachte Peters, »woher sollen denn die
kleinen Leute hier oben die Miete nehmen Die können wir na-türlich nur im Souterrajn unterbringen. Aber es geht ihnen da
ganz gut, nachdem wir die Abteilung Kundendienst eingerich
tet haben, die wir nun besichtigen wollen.«
In einem Büro von der Größe eines Exerzierplatzes saßen Hun-
derte himmlischer Sekretärinnen, lauter Engel, mit Kopfhörern
vor einer Art von Klappenschränken und machten Notizen.
»Hier notieren wir schon bei Lebzeiten die Wünsche unserer
Kunden, damit wir sie nach ihrem Eintreffen individuell beleh
ren können, daß eine Erfüllung nicht möglich ist, daß sie sich
vielmehr auf die Einrichtung der neuen Himmelssteuer einzu-
stellen haben.«
»Aha. Und warum können Sie die Wünsche der kleinen Leute
nicht erfüllen?«
»Lediglich aus Fürsorge. Viele von ihnen wünschen sich bei-
spielsweise mehr Fleisch und Delikatessen. Sie übersehen, daß
ihnen das üppige Leben nur schadet.«
Ich sah einer der Damen über die Schulter »Hugo Meier, Rentner, 67, Duisburg«, notierte sie, »fleht um Erlaß weiterer Miet-
erhöhungen. Karola Schmitz, Hausfrau, 48, Köln, wünscht sich
Stop der steigenden Lebensmittelpreise. Jupp Lindner, Arbei-
ter, 30, Essen, verflucht Mehrbelastung durch Sozialversiche
rung-«
»Sie sehen«, meinte Peters, »daß die Leute Unmögliches ver
langen. Als wenn sie noch nie was von himmelhohen Preisen
gehört hätten «
»Aber warum gehen hier nur immer Wünsche von meinen Leu-ten ein?« fragte ich.»Weil die Großen in der Bundesrepublik naturgemäß den Him-
mel bereits auf Erden haben«, erwiderte Peters mit Bestimmt
heit, »aber kommen Sie, meine Zeit ist knapp, ich habe den
heutigen Eingang an Selbstmördern noch nicht abgefertigt.«
»Einen Moment noch, Sir«, bat ich, »was ist das für ein Lärm
über uns?«
»Okay, kommen Sie mit.« Peters schob mich zum nächsten Pa
ternoster. »Werfen Sie noch einen Blick in eine Sitzung unse-
9i

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2
))Wzr sind eine seriöse
Zuckerimportfirma und
Sie meine Herren ar-beiten im Außendienst.
ieber schlankweg in ~ s t e n1
•
res Aufsichtsrates. Wie Sie vielleicht noch nicht wissen wer
den haben im renovierten Bundeshimmel die Aufsichtsräte den
Rang von Heiligen. Und wenn ich nicht irre spricht gerade der
heilige Dividendus der auf Erden Stinnes hieß. Rechts von
ihm werden Sie den alten Krupp erblicken der bei uns der hei-
lige Profitius heißt links den alten Thyssen jetzt der heilige
Multimill genannt.«
Ich blickte in eine Gesellschaft gut angezogener Schmerbäu
che Specknacken und Kahlköpfe. An ihren Jacketts schimmer
te als Bruststern ein Heiligenschein. Die meisten tranken
Karlsbader Brunnen. »Und so freue ich mich meine Herren«
y
sagte der heilige Dividendus »Ihnen mitteilen zu können daßder Himmel nach der Renovierung und Einführung der Kleinen
Leute-Steuer endlich wieder einen Gewinn abwirft. Entspre
chend unseren großen Vorbildern in der Bundesrepublik wer
den wir in diesem Jahr an unsere Herren Aktionäre elf Prozent
Dividende ausschütten und den doppelten Gewinnbetrag als
Rücklage verbuchen können.«
Mir wurde übel und wir gingen. Am Ausgang saß brabbelnd
ein Bettler. Er trug ein Armesünderhemd aber auf der Brust
einen Ordensstern in Form eines Heiligenscheins.»Ein Verrückter« erläuterte Mr. Peters »er leidet an Hunger
ödemen bildet sich seitdem ein er gehöre zum Aufsichtsrat
und plädiert am Straßenrand für die Aufhebung der finanziel
len Lasten.«
»Einer aus dem Souterrajn« sagte ich bedrückt.
»Wir lassen ihn ruhig machen« meinte der Empfangschef her
ablassend »denn wir sind ja schließlich hier im Himmel der
Freiheit.«

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P N
Lothar Kusche
i4r11or altot dio Ostsoo sa-.Oor
Zu Beginn der Zeiten schuf Gott das Meer, »mit allem, was drin
ist«. Seither: sind noch Unterseeboote hinzugekommen.A. Polgar
Wenn der Sommer endlich da ist, drängt j hierzulande alles
zur Ostsee. Schon Heinrich Mann fand, Heringsdorf sei ein Vor
ort von Berlin. Ohne Ostsee kann sich ein rechter Bürger un
seres Staates überhaupt nicht erholen, obwohl man nachweis
lich im Gebirge auch einen hübschen Sonnenbrand kriegen
kann. Der Unterschied zwischen Ostsee und Gebirge besteht
ja hauptsächlich darin, daß im Gebirge weniger Kurkonzert
verübt wird.
Schwedenland, du hast es besser Um sich möglichst viel Ost
seeküste zu verschaffen, haben die Schweden nämlich die so
genannten Schären erfunden oder zumindest vorgefunden: un
zählige Inselchen, von denenjede ringsherum lauter Küste hat,
und entsprechend viele Leute können da baden gehen.
Natürlich haben wir auch schöne Inseln, kleine und große. Eine
der kleinsten ist die Greifswalder Oje. Ihren Namen verdankt
sie einem Manne, der vor langer, langer Zeit bei einem großenWind in einem kleinen Boot an ihr vorüberfuhr. Als er seinenKameraden gerade die Insel zeigen wollte, fühlte er sich plötz
lich ganz hundeelend, und er sagte nichts weiter als immer
nur: »Ü jeh 0 jeh « Unsere größte Insel aber heißt Rügen.
Rügen ist so groß, daß das gesamte Störtebeker-Freilichtthea
ter dort Platz hat und außerdem noch Zuschauer draufpassen.Vielleicht haben wir zuwenig Inseln oder aber zu viele Insel
freunde. Es wäre jedoch unrecht, dafür den Schriftsteller Her
bert Nachbar verantwortlich zu machen, von dem das Buch»Die gestohlene Insel« stammt, denn er hat deswegen schon
genug Vorwürfe hören müssen. Suchet, so werdet ihr finden -
auch Inseln. Es gibt sogar welche in unseren Binnenseen.
Rings um Berlin heißen sie meistens »Liebes-Insel« und wer
den von großen Mückenvölkern bewohnt, so daß es mit der
Liebe Essig ist.Auf Hiddensee beispielsweise ist das Verhältnis zwischen Mük
ken und Liebe umgekehrt proportional; dort wachsen in der
wärmeren Jahreszeit viele hübsche Mädchen. Auch gibt es ein
211 ill lllllll illllll 1 1 1 1 1
•
•
•
•

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is willst du denn mit
den zehntausend Acht-
pfennigzigaretten? < -
>>Die rauch ich bis mir
schwindelig wird det
ick jede Mark wieda
mal vier sehe
Lieber schlankweg in den Westen
großes Vogelschutzgebiet. Auf Hiddensee habe ich die soge-
nannte Inselkrankheit kennengelernt, von der manche Men-
schen befallen werden, wenn sie ringsumher nichts als Meersehen. Zuerst spürt man ein angenehmes, berauschendes Ge-
fühl eine wahre Ostseeligkeit packt einen; doch schließlich ist
es, als sei man in einen Strudel geraten und wird ohnmächtig.Es ist aber möglich, daß an der Inselkrankheit der Deutsche
Wermut schuld war, den wir damals getrunken haben.
Doch was ist schon ein Tropfen bitterer Wermut in dem gro-
ßen Ostsee-Becher Er ist gar nicht zu bemerken, was man von
dem Hochhaus, welches in das schöne Badedorf Ahrenshoop
hineingebaut werden soll, nicht gerade sagen kann. Der Plan
ist zweifellos originell. Um zu einem Ausgleich zu kommen,
fordere ich hiermit, und zwar stürmisch: Her mit einigen Fi-
scherkaten auf die Berliner Stalinallee
Man könnte natürlich in Ahrenshoop und Umgegend statt in die
Höhe auch in die Breite gehen, also flach bauen, denn es ist j
nicht nur oben in der Luft genügend Platz vorhanden. Wie dem
auch sei: es ist jedenfalls besser und begrüßenswerter, als in
die Tiefe zu bauen, wie es geschieht, wenn NATO U Boot Bun-
ker angelegt werden. Herr Bundes-Admiral Ruge ist in dieser
Beziehung sehr strebsam. Er möchte U Boote in die Ostsee
streuen wie andere Leute Salz in die Suppe; und seine Suppe
müssen wir dem Manne versalzen. Es sind noch reichlich alte
Minen in der Ostsee. Wer jetzt schon wieder neue bereithält,
darf nicht erwarten, daß seine Nachbarn gute Miene zu denbösen Minen machen.
•

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4
»uri du bist der erste
Mensch der der Welt
beweist daß ich mei-
ner eit voraus war.
lles zum Wohle des Volkes
C U Wiesner
oi to orto äl rt
tral Htse i a rt
Nehmse Platz, Herr Jeheimrat Was gibsn Neues aufm Bau?
Wieder Nachtschicht gehabt? Macht nischt, nachts wachsen
die Haare langsamer, da sparnse ne Masse Jeld. Fassong
schnitt?
Hamse denn heute nacht den Sputnik jesehn? Der soll j mal
wieder über Berlin rüberjondeln. Ick halt j nich ville von den
janzen Spuk: Früher - dis muß so inne Systemßeit jewesen
sind, hab ick mir j ooch ab un ßu den Kopp varenkt. Nachn
Zeppelin, det lohnte sich wenijstens.Aber die Menschheit wird j immer va-
rückter Immer höher wollnse hinaus.
Erst steijense auf dem Himmaleia un
belästijen die Schneemenschen - abernein, dis jenügt nich: se müssen auch
noch partuh bis uffn Mond un dabeikönnse den im Leben nich erreichen,
weil er nämich nischt weiter is wie ne
Luftspiejelung. Wat die überhaupt mit-ten in Himmel ßu suchen ham - als ob
set nich erwarten könn. Mann, da
komm wa doch alle noch beißeiten hin.
Nehmse maln Kopp n bißken tiefer
Nu mach ich mir j bei alles so meine
eigenenJedanken. Harn Sie ßum Beispiel schon maljelesen, det
die mit ihre Raketen auch nur eine Spur vom lieben Jott ent
deckt ham? Is j ooch keen Wunder. Ick sage Ihnen, den Mann
hamse einfach vajrault. Auf die Dauer kann disja nichjutjehn.Am liebsten wollnse uns j weismachen, det se een schön Tages
mit ihre Weltraumdampfer auf die Milchstraße rumsejeln wie
bei uns die Weiße Flotte. Aber ich laß ma doch nich for dumm
verkaufen. Höher als zirka hundert Kilometer kann man die
Dinger j janich hochballem. Muß ick doch wissen, wo ick
anno fünfzehn in Frankreich bei die schweren Mörser jestan
den habe. Sehnse, dis warn damals die modernsten Steilfeuer
geschütze, wo wir hatten. Passense auf: Ick bin der Mörser un
die Bürschte hier is dis Jeschoß. Jetz schieß ick bis anne Decke

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lles zum Wohle des Volkes
- pardong. Ihnen wollt ick nich treffen, Herr Jeheimrat. Aberhamse jesehn: Ick kann ma noch sone jroße Mühe jeben - dis
Ding kommt immer wieder runter, un jenauso isses mit die Ra
keten. Rund um die Erde is doch der sojenannte Luftozean(hab ick mal inne »Jriine Post« jelesen, die war ja damals sehr
auf Wissenschaft jeeicht), un dahinter is janischt mehr, da is
die Welt mit Bretter vanagelt, wie ein großer Jelehrter sagt. Unnu kommt also dis Raumschiff, dringt bis anne Oberfläche vor
un ßieht nu auf den Luftozean hurtig seine Kreise. Martha,
setz doch mal Kaffeewasser auf, ich bedien bloß noch den ein
Herrn.Dis geht natürlich nur so lange, als wie die Schiffsschraube Wi
derstand gejen die Schwerkraft findet. Nu hamse doch mei
stenteils n klein Köter als Piloten, was ja an sich ne Affen
schande is, unsern Dackel früher is schon immer aufs Ketten
krussel schlecht jeworden. So, nu stellnse sich vor, dis Tiermacht ein einzijen Fehler - bums schon isset passiert, un da
könnse den Hund vorher nich so jut ausjebildet ham. Aber las
sense man, der Russe is unberechenbar. Eines Tages schicken
die n lebendijen Menschen hoch, un denn klappt et, passense
auf. Ick? Ob ick ma freiwillig daßu melden würde? Wo denken
se denn hin Komm ick nach drei Lichtjahre wieder auf der
Erde - da is mein Herrensalong PeJeHa, un ick bin Neese.
{)ol tt 1tiel tt
Frau Lehmann, die kam in den Laden,
es war wohl so zwanzig nach Vier'n:
»Ich möchte den hübschen Bikini
im Schaufenster schnell mal probier'n «
»Nicht möglich«, sprach da der Verkäufer,»ich hoffe, daß Sie das verstehn ...
Sie müssen da schon, meine Dame,
in unsre Kabine mal gehn «
Achim Fröhlich
1;
\
{.
l1
1
1
'
. ;;..
• • •
Frage an den Sender Ierewan: »Ist ü k k e h t JY m
·; -
Mond wirklich 'so
25
gefährlich?«
Antwort: »Im Rrin-. Teonnisch
ist das Problem gelöst, aber wie sol-
.
len i ir unsere-Kosniof äuten ·.•
Rückkehr überreden?«
----
_ _ - ---- „__ .... · 4-·-- --- .1 _________
Weltniveau in Raum-
f hrt und Bademode

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26
. -„ .
. -
. .......1
- - ·-
Nachdem Regen bei-
ß n sie am besten
lles zum Wohle des Volkes
Rudi Strahl
Ich habe ein paar Tage gesessen. Im Zeitungskiosk Nr. 308, ge
genüber dem S-Bahnhof Berlin-Grünau, geöffnet täglich vonsechs Uhr dreißig bis neunzehn Uhr dreißig außer sonntag
nachmittags), umschichtig betreut von Frau Zimmerling undFrau Grieger. Beiden ist der strenge Winter so unsympathisch
wie ein heißer Sommer: Das kleine Heizgerät kämpft gegen die
Kälte mit ebenso geringem Erfolg wie der winzige Ventilator
gegen dreißig Grad plus. Aber schließlich kann ein Kiosk-In
neneinrichter nicht für gleichmäßig unaufdringliches Wetter
mit milden Temperaturen sorgen. Oder?
-
Ich fühle mich hinter den lichten,hohen Scheiben wie ein Ausstel
lungsstück. Aber zu früh habe ich
mich auf die dummen Gesichtervon Bekannten gefreut: Selbst
wenn sie herantreten, um was zu
kaufen, sehen sie mit leeren Blik
ken durch mich hindurch. Nur derdicke Gustav Müller von der »Di
stel« scheint den Nachbar Menschauf der Straße zu beachten. Erstutzt, grient und sagt: »Endlich
haben Sie sich einen vernünftigenBeruf gesucht, Herr Strahl ... «
Je früher der Tag desto eiliger die Kunden. Wo nicht, sind sie
Restbestände des kargen Berliner Nachtlebens und wollen gar
keine Zeitung, sondern ein letztes Bier. Die Eiligen greifen zum
»Neuen Deutschland« oder zur »Berliner Zeitung«, knallen
stumm ihre Münzen aufs Zahlbrett und stürmen zur S-Bahn hinüber. Die ganz Eiligen haben auch dafür keine Zeit. Sie werden
jemandem über die Schulter gucken und mitlesen.
Ein kluger Mann hat festgestellt: Wenn drei Deutsche zusam
mentreffen, gründen sie einen Verein. Es bliebe hinzuzufügen:Und dieser eine Zeitung. Nach gründlicher Umschau wüßte ich
kein Gebiet aus der Vielzahl menschlicher Interessen mehr zu
nennen, das nicht sein eigenes Organ hätte. Aber gefragt ist»Der Geflügelzüchter« wie »Der Kleingärtner«, »Der Briefmar
kensammler« wie »Der Hund«. Und da ich selber Zeter und Mor-

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Alles zum Wohle des Volkes
dio schreien würde fände ich nicht jeden Dienstag meine »Rad-
sportwoche« im Angebot wage ich auch dem abseitigsten Blattnicht die Existenzberechtigung zu bestreiten.
Wohl aber bestreite ich daß die Vielfalt der Druckerzeugnissedas Auge besonders anspricht. Von einigen Illustrierten und
Magazinen abgesehen: Was sich auf dem Auslagetisch an dürf-
tiger, uniformer Aufmachung häuft lockt nicht eben zum Kaufund schon gar nicht zum Lesen und Betrachten. Die Tageszei
tungen haben Angst vor Schlagzeilen. Sensationen sind als sol-
che verpönt. Fachschriften sehen grundsätzlich aus wie einge
bundene Grabreden. Die Farben - so vorhanden - scheinen aus
matter Limonade zusammengerührt. Die brav lächelnden Mäd-
chen auf eventuellen Titelfotos verbergen ängstlich ihr klein
stes bißchen Sex-Appeal. Und das »Mosaik« ist leider nur für
Kinder bestimmt.
Autofahrer sind sicherlich keine schlechte
ren Menschen als Fußgänger. Wohl aber
sind sie schlechtere Kunden. Erst der
sechsundneunzigste Wagen hält an sein
Besitzer steigt aus und kauft eine Ansichts
karte vom Berliner Rathaus. Ich versucheihm einen Eulenspiegel anzudrehen. Doch
er lügt schamlos: »Habe ich schon « Und
dabei lacht er über die Titelseite die ichihm hinhalte aus vollem Halse. Bei allerSelbstachtung: Daß jemand gleich zweimal
über unsere Witze lacht glaube ich einfach
nicht. Bei aller Selbstachtung.
•
7
Gegen Mittag werden alle Menschen
freundlicher Menschenfreundlicher. Sie
sagen jetzt ziemlich oft »Guten Tag« und•. - -
sogar »Danke schön« auch wenn sie keinen Hundertmark
schein gewechselt haben wollen. Ein junger Bursche stellt festdaß er eine Mark zuviel herausbekommen hat. Ein alter Herrlegt stillschweigend einen Bonbon neben seinen Groschen. Die
Toilettenfrauvon nebenan bringt eine Tasse heißen Kaffee. Ein
Akademiker pumpt sich fünfzig Pfennig weil er seine Brieftasche vergessen hat und rasch in die Stadt muß. Ein Straßen
bahner kauft einem fremden Knäblein einen »Bummi«. Und Frau
Grieger kommt eine halbe Stunde früher zur Ablösung weil
Frau Zimmerling morgen Geburtstag hat.
Ich laufe sonst jeden Tag über die kleine Verkehrsinsel. Aber

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i 1
•
•
• . .
• ••
• • • •
Erwin wir jehn erst
eine halbe tunde frü.h-
stücken.
•
- lles zum Wohle des Volkes
ich habe eigentlich noch nie gemerkt, daß sie soviel Platz für
Freundlichkeit und nette Gesten hat.Mit Männern sind übrigens bessere Geschäfte zu machen als
mit Frauen. Sie lassen sich viel leichter zu nicht vorgesehenen
Käufen animieren. Und an Lohntagen nehmen sie alles, was nur
im Kiosk zu haben ist: Spielkarten, Kriminalromane, Taschen
kalender und Radiergummis. Einer wünscht sogar ein paar Ein
legesohlen. Und regt sich auf, weil keine zu haben sind. Sicher
lich beschwert er sich darüber bei der Postdirektion. Und viel-
.
•
. . . .. .. - . .......11.
-
.• • •
- - .v ~ = = .• •
. -.. . .
leicht ... aber nein, das glaube ich nun doch
nicht.
Manche Leute tun, als sei die Zeitungsfrau
auch für das verantwortlich, was in der Zei
tung steht. Oder was nicht darinsteht. Doch
ich wette: Meist bleibtihr Zorn
vordem
Kioskliegen wie ein vergessenes Gepäckstück. Und
manchmal ist das sehr, sehr schade. Andere
lassen sich eine Illustrierte zeigen, blättern
eine Viertelstunde darin herum die Straßen
bahn fährt nur alle zwanzig Minuten) und
legen sie mit verächtlichem Achselzuckenwieder zurück. Andere denken, die »Urania«
sei was Unanständiges und wollen sie nach
drei Tagen empört zurückgeben, weil ihre Er-wartungen enttäuscht worden sind.Das Buchangebot besteht zumeist aus Ladenhütern, die vor
Arger über ihre Unabsetzbarkeit schon ganz gelb angelaufen
sind. Sie befinden sich auf der letzten Station ihres Weges in
irgendeine Tombola, wo sie dann einem Pechvogel als Trost
preis zufallen werden. Ein schöner Trost Die Taschenbücher
hingegen florieren, nur die »Treffpunkt-Heute«-Reihe vegetiert
im Schatten der übrigen Buntheit dahin. Ich kaufe aus Mitleid
eins der Bändchen und lasse es späterin
der S-Bahn liegen.Aus Versehen.
Der Feierabend entläßt die Leute aus der Stadt. Wer noch kein
Fernsehgerät hat, deckt sich jetzt mit Lesestoff für den langen
Winterabend ein. Man klagt über die Dünne vieler Wochen
schriften - im Umfang, versteht sich. Ein Ausländer fragt nach
einer Abendzeitung. Als er die »BZA« bekommt, sagt er irritiert:
»Aber die habe ich doch schon heute mittag gelesen « Er hat
eben keine Ahnung vom Berliner Tempo.

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lleszum Wohle des Volkes
Achim Fröhlich
i tr
Es war eine unabänderliche Tatsache: Egon Zwecke würde sich
in den folgenden drei Wochen selbst verpflegen müssen seine
Frau war verreist. Mit einem Einkaufsnetz am Arm betrat Egonam nächsten Tag bereits gegen sieben Uhr einen Laden. »Drei
Schrippen bitte« sagte er kurz und legte fünfzehn Pfennig auf
den Ladentisch. »Was bitte?« fragte die Verkäuferin böse. Egon
wiederholte seinen bescheidenen Wunsch. Das Fräulein hinter
dem Ladentisch stemmte drohend ihre Arme in die Hüften.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen junger Mann?« -
»Durchaus nicht« beeilte sich Egon erschreckt zu versichern
inzwischen durch den Fischgeruch im Laden etwas irritiert.
»Wie Sie wohl zumindest RIECHEN werden st hier die HO
Fischwaren. Das HO-Backwaren-Geschäft befindet sich jetzt
dort wo bisher die HO für Damenstrümpfe drin war. Im bishe
rigen Fischladen gibts jetzt Regenschirme. Damenstrümpfe da
gegen erhalten Sie im ehemaligen Milchgeschäft. Den neuen
HO-Milchladen wiederum finden Sie in der bisherigen HO-Mie
derwaren die seit vorgestern im ehemaligen Fleischwarenge
schäft ...« Verwirrt über die Vielzahl der Umzugsmöglichkeiten
verließ Egon Zwecke die HO-Fischwaren- ohne Schrippen na
türlich. Er bekam auch keine mehr; denn um diese Zeit warenderartige Backwaren im früheren HO-Geschäft für Damen
strümpfe aus Gründen des möglichen Risikos um zehn Uhr
keine Schrippen mehr loszuwerden ausverkauft. Eine Woche
später bekam Egon einen unwiderstehlichen Appetit auf He
ringsfilet in Tomatensoße. Hoffnungsvoll wanderte er in densel
ben Laden wie in der Woche zuvor. »Heringsfilet? In Tomaten
soße? In einem Süßwarengeschäft?« Die Verkäuferin konnte
sich von ihrem Lachkrampf lange nicht erholen so daß Egon
schließlich von ihrer weniger unernsten Kollegin erfuhr dasHO-Fischgeschäft sei inzwischen in das ehemalige Miederwa
rengeschäft und jenes wiederum in den HO-Milchladen umge
zogen. Milch gäbe es hinfort in der Ex-Verkaufsstelle für Da
menstrümpfe ... Wie aus glaubwürdigen Quellen verlautet soll
Egon Zwecke bösartige Briefe an die Leitung des HO-Kreisbe
triebes verfaßt haben deren Beantwortung teilweise noch aus
steht - oder verschiedentlich in der Feststellung gipfelte daß
der werte Bürger es wohl geeigneteren und qualifizierteren
Kollegen überlassen sollte die Investitionspläne zu erfüllen.
29
·Anfrage an den Sen
der Jerewan: »Gibt
es bei uns mehrHumor als anders-
„
·,w .o?«· .·· · · · +
. Antwort: Im Prinzip
ja. Aber wir haoenihn auch nötig.«

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lles zum Wohle des Volkes
eter Gauglitz••
rr besitzen fünf Räume: Wohn- und Schlafzimmer, Bad, Kücheund Keller. Dazu einen kleinen Balkon. Eva meine Frau, räumt
schrecklich gerne um. Die armen Möbel. Von einem Zimmer ins
andere. »Öfter mal umräumen erweitert den Wohnhorizont «
sagte Eva. Vorige Woche vertauschte sie Wohn- und Schlafzim-
mer miteinander. Das ging noch an. Als ich vor drei Tagen nachHause kam, standen die Küchenmöbel im Schlafzimmer, das
Wohnzimmer in der Küche und die Schlafzimmermöbel im Keller. »Schlafzimmer ist unmodern«, sagte Eva, »und zum Kochen
brauch ich Morgensonne « Die Eier briet sie
auf einer Kochplatte in der alten Schlafstube.Auf dem Gasherd, der aus technischen Gründen im neuen Wohnzimmer verbleiben mußte,
stand der Fernseher. Davor der Sessel. Wir
hatten einen schönen Abend. Wer Hunger
hatte, konnte ins gewesene Schlafzimmer zumKühlschrank. Wer Durst hatte, drehte kurz
den warmen Wasserhahn auf. Aus Platzman-
gel lag unser großer Teppich die halbe Kü
chenwand hoch. Bis zur Küchenuhr, die jetztWohnzimmeruhr war. Nachdem ich mir ein
sauberes Nachthemd aus dem Kleiderschrank
im Keller geholt hatte, wollte ich ins Schlafzimmer. »Willstwohl auf dem Küchentisch schlafen?« fragte Eva. Daran lag
mir nichts. Verstimmt klemmte ich mich in einen Sessel. Pack-
te die Beine auf den vielseitig verwendbaren Ausguß. Schlief
drei Stunden kurz. Am nächsten Abend hatte Eva erneut umgeräumt. Das Wohnzimmer stand im Wohnzimmer. Todmüde
trat ich in die Schlafstube und sah die Bescherung: zehn Kästen Brennholz, Kartoffelkisten, Erinnerungskisten, Regale mit
Eingemachtem. »Jetzt brauchst du nicht mehr wegen jedem
Fussel die elf Stufen in den Keller runter «strahlte Eva. Nach
Luft ringend, öffnete ich die Balkontür. »Die Nächte werden
immer wärmer ... « hörte ich Eva plärren, tat einen Schritt und
fiel zwei Meter vierzig tief. Genau auf einen Matratzenstapel.
Die tatkräftige Eva hatte die Betten in den Garten gestellt und
die Badewanne in den Keller bugsiert. Alles nur damit der klei-
ne Balkon ins Badezimmer reinging

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. · · · · ~ ~ ~ · - " " " ' " · - 11 „•• * . .:1_.;. ~ ie und' l ' · ' - f l Jf i ' * *' s e t z u n g U ::J; / • , ~ . •
· .Uie zusammen F.lsdlftotte iiJld 8bhln-:der Ertrag unserer · vom Wetter u,nct·
.111 von der J ~ e s z e i t , us nicht z.u be.tbß..Vielen anderen ~ J ~ b sind n i c h t sta11 ·.mende Faktoren. 5tets fu gleidlen Men-
.dig alle ~ : ; e ' ; ~ es am v ~ ~::n di' Jenigen FisCbsorten zu . f a u ~ n · e
. ari leboten · e r d ~ n ~ . · -, , ·. .
•• . .
-. . . .
Zwei Frauen an der Straßenbahniiaitestelle tutterhaiten sich »Weißt. .
· du«, fragt die eine, »Warum die neue Straßenbahn •Parteisekretär.heißt?« Die andere verneint. Daraufhin die erste: »Das ist ganz ein-
-fach: Außen rot innen holil, unä sie hat ilur zwefAnhänger."
r

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•
•
lles zum Wohle des Volkes
Erich Hanko
t ~ ttt t ~as Po y i y e
Hin und wieder treffe ich mit Frau Bramke zusammen. Manch
mal bei den Backwaren, manchmal in der Wurstabteilung, zu
weilen auch am Käsestand. Diesmal begegneten wir uns in der
Kosmetik. Da noch einige Kunden vor uns dran waren, hatten
wir Zeit, wieder eine unserer zeitgemäßen Unterhaltungen ab-
zuhalten.
»Sie haben j einen neuen Regenmantel«, sagte
Frau Bramke.
»Gutbeobachtet, Frau
Bramke«sagte
ich.»Ab
solut wasserdicht Aus Polyvinylchlorid hergestellt.«»Wie?«
»Ich meine, der Mantel ist aus Polyvinylchlorid
gemacht. Gewöhnlich sagt man j nur PVC. Ken
nen Sie das nicht?« Ich hatte die Vokabel auch
erst vor kurzem gelernt, aber das brauchte Frau
Bramke j nicht zu wissen.»Nie
gehört. Was soll das sein?«»Aber Frau Bramke Polyvinylchlorid ist derbe
kannteste chemische Kunststoff. PVC wird im
Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld herge
stellt und ist einfach unverwüstlich. Meine
Schuhsohlen sind auch aus PVC gemacht.« Ich
zeigte Frau Bramke meine Schuhsohlen. Dasheißt, natürlich nur eine. Die andere brauchte ich zum Stehen.
Frau Bramke sah sich die Sohle mit herabgezogenen Mundwin
keln an. »Leder bleibt Leder« meinte sie kurz. »Und außerdemstinkt es nicht.«
»Polyvinylchlorid stinkt auch nicht« erwiderte ich etwas belei
digt. »Und was die Haltbarkeit anbelangt, Frau Bramke, es ist
wissenschaftlich festgestellt worden, daß man mit Ledersoh
len achthundert Kilometer laufen kann, ehe sie kaputt sind. Mit
PVC-Sohlen aber können Sie zweitausend Kilometer laufen
Sie würden damit von hier bis ... na, also ... ungefähr bis Kon
stantinopel kommen.«
»Was soll ich denn in Konstantinopel?« fragte Frau Bramke be -

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Alles zum Wohle des olkes
fremdet. »Ich habe da keine Bekannten. Und wenn ich welchehätte, würde ich mit der Bahn fahren und nicht hinlaufen.«»Sie sollen j auch gar nicht, Frau Bramke. Aber ...«»Das hätten sie damals in der Völkerwanderung erfinden sol-
len, wo die Leute alle noch laufen mußten. Aber wer läuft dennheute noch zweitausend Kilometer? Das haben wir doch bei
unserer Technik nicht mehr nötig «»Frau Bramke«, sagte ich und zwang mich gewaltsam zur Ruhe,
»von dem technischen Fortschritt rede ich j gerade SehenSie, Polyvinylchlorid ist kein Ersatzstoff. Es ist ein vollwertiger neuer Werkstoff mit vielen Vorzügen. Er ist zum Beispielunbrennbar ...«Frau Bramke lachte schallend auf. »Großartig Dann könnenIhre Schuhsohlen also nie in Brand geraten, wenn Sie malschnell zur Bahn rennen. Ich persönlich brauche keine feuer
festen Sohlen. Ich gehe immer langsam.«Das stimmte. Frau Bramke konnte auch gar nicht schnell rennen, weil sie hundertfünfundachtzig Pfund wog.
»Sie wünschen?« fragte der Verkäufer. Wir hatten bei unsererhitzigen Debatte gar nicht bemerkt, daß die übrigen Kundenschon bedient waren und wir allein vor dem Ladentisch standen.»Ich möchte eine Zahnbürste«, sagte Frau Bramke. »Aber einegute «
»Bitte sehr, meine Dame. Hier ist die beste, die wir haben.«Frau Bramke untersuchte die Zahnbürste mit großer Genauig-keit. »Brechen die Borsten auch nicht ab?«
»Ausgeschlossen, meine Dame. Die Bürste ist unverwüstlich.Sie ist aus Polyvinylchlorid hergestellt.«Ich konnte einen kleinen Hustenanfall nicht unterdrücken.Frau Bramke sah mich scharf an. Dann schob sie die Zahnbürste über den Tisch zurück. »Danke. Ich habe keine Lust, mirdie Zähne mit Schuhsohlen zu putzen. Geben Sie mir eine Pakkung Pfefferminzpastillen. Heutzutage kann man sich j über-all anstecken.« Sie sah mich abermals scharf an, um festzustellen, ob ich die Spitze verstanden hatte.»Wie Sie wünschen, meine Dame. Bitte sehr Sechzig Pfennig.«»Sind die nun wenigstens echt?«fragte Frau Bramke und suchte in ihrer Handtasche nach den sechzig Pfennig.»Unbedingt, meine Dame Die Pastillen werden im VEB Jenapharm hergestellt, unserem bedeutendsten Werk für pharmazeutische Chemie.«
»Ein Mann sitzt im
Lokal. »Ober, einenKaffee, bitte.« -»Tut mir leid, mo-
mentan ist keinKaffee da. «- »Was,
kein Kaffee? Alleswegen dem einen. einen Tee dannbitte.« - »Leider istauch kein Tee da. «- »Auch kein Tee?
Sauerei Alleswegen dem einen «
Darauf steht einMann am Neben-
tisch auf, schlägtdas Revers seinesMantels zurück:»Staatssicherheit,kommen Sie bittemit « Beim an-
schließenden Ver-
hör mit dem StasiMajor: »Das sind j
starke Äußerungen. Wen meinenSie denn mit demeinen?«- »Wen sollich schon meinen?Den Adenauer natürlich, der hatdoch das Interzonenhandelsabkommen gekündigt « -
»Ach so, hm, hm,
Adenauer. Gut, wir
haben keine Fragenmehr. Sie könnengehen.«Der Mann
steht auf, geht zurTür, dreht sichnoch einmal um
und fragt: »Ach, anwen hatten Sie ei-
gentlich gedacht?«

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4 l les zum Wohle des Volkes
Hans-Joachim Preil
' or iorarzt
Sketch mit Herricht Prell
Preil redet auf emcht ein der sich ein Haustier kaufen will: ...wenn man sich ein Tier anschaffen will
Herricht aufmerksam lauschend: J aa . das will ich
Preil: ... muß man ein bißchen Ahnung von Tieren haben.
Herricht gibt zu: Das ist wahr ...
Prell erklärt wichtig weiter: Und aus diesem Grunde habe ich mir
dieses Tierbuch hier gekauft. Das ist klug, nicht wahr?
Herricht mißversteht: Das Buch ...?
Prell: Nein Ich meinte die Idee, sich ein Tierbuch zu kaufen
Da steht nämlich alles drin, was man über Tiere wissen muß.Zum Beispiel Tierzucht, Tierpflege, Tierkrankheiten usw.
Herricht großartig: Ist ja klar
Prell: Und Sie wissen auch ... ich habe einen Vogel ...
Herricht vorlaut: Ich glaube, das weiß wohl jeder.
Prell: Bitte, nicht so Ich meine doch einen richtigen.
Herricht macht Rückzieher: Ja, und was für ei... Was haben Sie
eigentlich für ein Vögelchen?
Prell stolz: Ich habe einen Harzer Roller
Herricht stutzt: Einen Harzer Roll... Bitte, was haben Sie ...?Preil betonter: Ich habe einen Harzer Roller
Herricht überlegt: Sprachen wir nicht eben von einem Vogel ... ?
Prell: Sagen Sie mal, kennen Sie keinen Harzer Roller?
Herricht: Ja, doch, doch ...
Prell malt weiter aus: So klein und gelb ...
Herricht: Trotzdem ... ich mag ihn nicht Der riecht so
Prell verblüfft: Wie bitte? Der riecht doch nicht.
Herricht: Ja, zugegeben, wenn er frisch ist, riecht er noch nicht.
Prell eifrig: Das heißt nicht frisch, das heißt jungHerricht gibt nach: Ich hab s zwar noch nie gehört, aber wie Sie
wollen Der Käse ist nicht frisch - er ist jung
Prell erregt sich: Wer redet denn hier von einem Käse? Der Har-
zer Roller ist ein Kanarienvogel Und wie der Name schon be-
sagt, kommt er woher?
Herricht selbstverständlich: Aus dem Harz
Preil betont: Nein Von den Kanarischen Inseln Dort fliegt er
frei umher.
Herricht verblüfft: Guck mal an
Prell fährt fort: Die Kanarischen Inseln heißen aber gar nicht
Kanarische Inseln, sondern ... ?

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lleszum Wohle des Volkes
Herricht ohne zu überlegen Sonder-Inseln.
Preil: Quatsch Hunde-Inseln Die heißen richtig Hunde-Inseln
Herrichthöchstverwundert Achjaaa?Preil: Nun wissen Sie hoffentlich, was Harzer Roller sind?
Herrichtfreimütig Ja ... fliegende Hunde
Preil böse Blödsinn ... Das ist mit Ihnen wieder mal, um junge
Hunde zu kriegen.
Herricht: Sehen Sie, Herr Prell, nun kommen wir endlich zum
Thema. Also, wie gesagt, ich will mir einen Hund anschaffen.
Prell bremst ihn Nun fangen Sie doch erst mal klein an.
Herricht: Mit kleinen Hunden.
Preil: Nein ... wir nehmen mal mein Buch. Und werden nach
sehen, da wird j was drinstehen. Was Pas
sendes für Sie werden wir schon finden ...
Herricht mitBegeisterung OooooohhhhPreil hat eine Seite aufgeschlagen Ja, hier ... Ah
ja Na sehen Sie ... aufgeschlagen, schon hab. hC S
Herricht vorlaut Eine Hundehütte
Prell verbessert Was ist das?
Herricht noch mal Eine Hundehütte
Preil: Das ist ein Terrarium
Herricht sofort Ach so ...
Preil: Und was kommt da rein ... in das Terrarium?Herricht prompt Ein Terrier ...
Preil: Aber nein Da kommt rein, zum Beispiel, ein Goldhamster
Herricht bewundernd Aha, ein Goldharn ... Goldhamster?
Preil bestätigt Ein Goldhamster
Herricht zweifelnd Die sind aber teuer?
Preil: Ach was Zwei bis drei Mark das Stück.
Herricht zweifelnd Jaaa, dann sind es aber keine echtenPreil unwirsch Nun nehmen Sie mal das Buch hier und lesen
Sie, was da über den Hamster steht.Herricht liest das Buch auf dem Kopf Taramschi buffinaze ...
Preil richtet das Buch Was ist denn jetzt los? Was lesen Sie denn
da . . . Geben Sie her . . . Sooo . . . rum Bitte
Herricht: Danke Ich dachte, das wäre Lateinisch?
Preil zeigt aufdie Stelle Fangen Sie an: Der Hamster ...
Herricht liest weiter Der Hamster . . . ist bösartig und übellau-
nig . . . Sehen Sie mal an, Herr Preil, der auch
Preil verletzt Bitte unterlassen Sie das. Sehen Sie sich erst
mal den Hamster an. Gefällt er Ihnen ... ?Herricht gibt nach Jaaa, gefällt mir gut.
Preil beharrlich Was fällt Ihnen da zum Beispiel am Kopf auf?
35

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6
& frage an deJI
S e n d e ~ Jerewan:m s ist eine"
..
S p r o t t ~ ? « .
~ t w o r t : »Eia Wal .·aer im K o m r i f i m i s ·"
~ u s angekommen ..:ISt.« · ' ~ ~ : ·
lles zum Wohle des Volkes
Herricht erstaunt Am Kopf fällt mir nichts auf. Oh doch ... na-
türlich Zwei Ohren fallen mir auf.
Preil streng Nein ...
Herricht: Nein ... die Ohren fallen mir natürlich nicht auf.
Preil belehrend Ich meine doch die Hamstertaschen ...
Herricht stutzt jetzt wirklich Die Hamstertaschen . . . Bitte was?
Preil erregt Na, wo hat er denn die Hamstertaschen ... ?
Herricht äfft nach Na, wo hat er denn die Hamstertaschen ...
Preil weist ihn zurecht Na ... was soll das?
Herricht: Vielleicht hat er sie vergessen ... oder irgendwo stehen-
gelassen ... Was weiß ich, wo der einkaufen geht?
Preil verzweifelt Die hat er am Kopf. Und wie sagt man dazu?
Herricht patzig Der hat was am Kopf
Preil verbessert aggressiv Ach was Backentaschen
Herricht wiederholt BackentaschenPreil zornig Und was trägt er in den Backentaschen?
Herricht wird immer böser Backwaren ... oder was weiß ich?
Preil gibtfast auf Donnerwetter noch mal ... Und so was will sich
einen Hund kaufen?
Herricht aufatmend Na endlich
Preil noch erregt Ich möchte bloß wissen, was für einen?
Herricht sofort Das kann ich Ihnen sagen ... diesen hohen, dik-
ken ... diesen langen ... wie heißen die ... warten Sie mal ...
Achtpfundländer ...Preil entsetzt Neufundländer
Herricht streitsüchtig Na, auf ein Pfund mehr oder weniger
kommt es doch wohl nicht an?
Preil kommt zum Thema zurück Kennen Sie sich überhaupt aus
in Hunderassen?
Herricht großspurig Aber, lieber Herr Preil
Preil zufrieden Na gut .. also, wenn der Jäger auf die Jagd geht,
nimmt er was mit?
Herricht sofort Eine FlintePreil bohrt weiter Was denn noch?
Herricht selbstverständlich Noch 'ne Flinte.
Preil: Wieso denn ... ?
Herricht lakonisch Vielleicht 'ne Doppel-Flinte
Preil ungehalten Den Dackel ...
Herricht schnattert nach 'ne Flinte für den Dackel ... Was?
Preil giftig Haben Sie schon mal einen Dackel schießen sehen?
Herricht keß Ganz selten, ganz selten, Herr Preil
Preil intensiv Wenn der Jäger auf die Fuchsjagd geht ...Herricht aufpassend Ach ... jaaa?
reilfährt fort Dann setzt er den Dackel auf die Fährte ...

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lles zum Wohle des Volkes
Herricht listig: Ach, und darauf reitet der Dackel hinterher ...
Prell wütend: Nein, verdammt noch mal ... Ich sagte nicht Pfer
de ... ich sagte Fährte ... So, und nun passen Sie auf ... plötz
lich knackt es im Unterholz ... Was macht der Fuchs? Na ... ?
Was macht der Fuchs ... ?
Herricht neugierig: Was macht der ... ?
Prell fachmännisch: Er schnürt plötzlich davon ...
Herricht erstaunt: Was macht der ...?
Preil wiederholt: Er schnürt plötzlich davon ...
Herricht ungläubig: Ach ...
Prell: Und was macht der Dackel ...?
Herricht: Der schnürt auch davon Oder schnürt ein Päckchen.Ich weiß doch nicht, was die Tiere da im Walde treiben?
Prell erklärt: Ihn packt das Jagdfieber ...
Herricht entsetzt: Jetzt kriegt der auch noch Fieber. Da müssenwir mit ihm zum Arzt oder irgendwas ... ?
Preil: Doch nicht zum Arzt ...
Herricht bleibt dabei: Wenn er Fieber hat, ist er doch krank.
Prell klärt Herricht auf: Das ist doch keine Krankheit. Eine rich-tige Tierkrankheit ist zum Beispiel die Tollwut
Herricht weiß Bescheid: Ja, die kenne ich. Tollwut kenne ich
Prell zweifelnd: Sie kennen immer alles. Woran erkennen Sie
denn die Tollwut?
Herricht überlegt krampfhaft: Ja, das ...also, nun das ist so ...
Prell fährt fort: Stechender Blick ...
Herricht: Ja
Prell: Gereiztheit
Herricht: Ja
Prell: Wutanfälle
Herricht schnell: Immerzu ...
Prell: Un<l übertragbar auf den Menschen.
Herricht trocken: Ja, das wissen wir j ...Prell: Bitte, unterlassen Sie das.freundlich: Lieber Herr Herricht
Herricht im gleichen Ton: Lieber Herr Preil
Preil: Wenn Sie ein Tierhalter sind, müssen Sie auch ein bißchen
Ahnung von Tieren haben ...
Herricht gibt zu: Ja, das ist wahr ...Prell: Von Tierkrankheiten ...
Herricht: Das muß man ...
Prell: Denn der Tierarzt fragt j nicht das Tier ... er fragt Sie
Herricht erstaunt: Was?
Preil konstruiert: Stellen Sie sich doch mal vor, Ihr armer Hund
würde eines Tages krank
37
Unserer ist uns zuge-
flogen.

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8
»Können Sie ntir erklären, warum in
der DDR alle Pfer-de abgeschafft wurden?»Das ist s·chnell ge
sagt: Die Gäule ·
. haben die DDR ver-„ •
äppelt.«
lles zum Wohle des Volkes
Herricht: Ist ja nicht so schlimm. Es gibt ja Tierärzte. Da gehich zum Tierarzt und sage: »Guten Tag, Herr Tierarzt ... «
Prell: Der arme Tierarzt Waren Sie schon mal in einer Tierarzt-Praxis?
Herricht schüttelt den Kopf Nein, noch nie ... Aber wie ich Sie
kenne, werden Sie es mir ja gleich erklären. Da lerne ichdoch wieder so viel von Ihnen ...
Prell schlägt das Buch wieder auf Ach, Sie wollen was lernen
... Also gut. Sie sind jetzt mal der Tierarzt ... und ich bin ...
Herricht prompt: Der Hund
Preil wütend: Quatsch Ich bin das »Herrchen«
Herricht verwundert: Das Herr . . . Bitte?
Prell wiederholt: Das »Herrchen« Was gibt's denn da zu lachen?
Jeder Hund hat ein »Herrchen«
Herricht das Lachen verkneifend: Jeder ... hat ein »Herrchen«Prell beginnt mit dem Spiel: So, und jetzt komme ich.
Herricht unterbricht: Moment mal ... Herrchen
Prell: Was denn nun schon wieder?
Herricht naiv: Hat denn das »Herrchen« ein Hundchen?
Prell winkt ab: Das will ich ja gerade holen
Herricht erschrocken: Was denn, einen richtigen Hund?
Prell: Unsinn, 'n richtigen Hund ? Einen Spielzeughund
Herricht beruhigt: Ach, dann ist' s ja gut
Prell holt einen weißen Arztkittel So, und Sie ziehen sich inzwi-schen hier diesen Arztkittel an .. .
Herricht erstaunt: Was mache ich ... ?Prell befiehlt: Sie ziehen sich den Kittel bitte an ...
Herricht nimmt den Kittel: Ja, ja ... ich ziehe den Kittel an ...
Preil erklärt weiter: Und dann rufen Sie mich herein.Herricht gefügig: Dann rufe ich herein ...
Prell betonend: Sie rufen mich herein Denn hier ist das Be
handlungszimmer. Da hinten ist das Wartezimmer ... und da
werde ich jetzt warten ...Herricht keß: Da können Sie lange warten
Prell: Na, na, na, na ... also, ich gehe jetzt.
Herricht allein versucht den Kittel anzuziehen. Das gelingt nur
schlecht: Jetzt machen wir auch noch im Kostüm. Es wirdimmer schöner Das sind so die Kittel, die Herr Preil besorgt.
Preil ruft aus dem Wartezimmer: Dauert denn das noch lange ... ?
Herricht schlagfertig: Hat da nicht eben ein Hund gebellt????
Prell kommt empört herein. Er hat im Ann einen kleinen Spielzeug-
hund: Sagen Sie mal, ich hör wohl schlecht?Herricht schlagfertig: Sie hören schlecht? Da müssen Sie zum
Ohrenarzt, der wohnt gleich um die Ecke

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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lles zum Wohle des Volkes
Prell berichtigt ihn Das heißt: »Der Nächste bitte «
Herricht mißversteht und redet wie mit einem Schwerhörigen Dasist der Nächste ... die anderen wohnen viel weiter ...
Preil belehrt Herricht Wenn Sie mich hereinrufen ... dann heißtdas »Der Nächste bitte « Und außerdem müssen wir beide uns
erst einmal bekannt machen.
Herricht verwundert Aber, ich kenne Sie doch. Sie sind doch das»Herrchen- Freilehen«
Prell entnervt Menschenskind ... das gehört doch zum Spiel
Herricht versteht Aha ...
Prell geduldig Ich komme nun noch mal ...
Herricht laut rufend Der Nächste bitte ... noch mal
Preil stellt sich vor Guten Tag Prell
Herricht macht es genauso Guten Tag Herricht
Preilfährtfort Mein Hund ist krankHerricht: Ach, das ist nicht so schlimm ...
Prell bemerkt den verkehrt angezogenen Kittel Halt
Herricht zuckt zusammen Was ist denn nun schon wieder?
Prell erbost Sagen Sie mal, was soll denn das? Warum habenSie denn die Knöpfe hinten?
Herricht: Entschuldigen Sie ... ich stehe verkehrt herum.Preil: Wollen Sie sich nicht mal vernünftig anziehen?
Herricht tut ihm leid Herr Preil, es war vorhin so eilig, und das
Wartezimmer voller HundePreil voller Ungeduld Können wir denn nun endlich anfangen?Herricht bereitwillig Wir könnten längst fertig sein ...
Prell nervös Also, zum dritten Mal ... Mein Hund ist krank
Herricht erzürnt Zum dritten Mal ...? Und da kommen Sie jetzt
erst? Warum kommen Sie nicht beim ersten Mal ... ? Jetztist's zu spät
Preil giftig Wollen Sie bitte endlich untersuchen?
Herricht spielt jetzt Arzt Bitte ... machen Sie sich frei
Preil: Der Hund ist krankHerricht ungerührt Machen Sie den Hund frei
Preil erbost Also, bitte schön ... Sie müssen doch als Tierarztalles erfragen. Erst einmal die Anamnese
Herricht mit Spätzündung Natürlich ... bitte, was?
Preil wiederholt Die AnamneseHerrichtjreundlich Ach, der Hund heißt Anna?
Prell: Wie kommen Sie denn darauf?
Herricht: Sprachen Sie nicht von Annas Neese?
Prell betonend Anamnese heißt Krankengeschichte Der Tierarzt muß alles wissen Erst einmal: Das ist ein Zwergpudel
Woher stammt er?
9

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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40 l les zum Wohle des Volkes
Herricht äfft nach: Von den Zwergen
Preil böse: Aus welchem Zwinger?
Herricht: Aus welchem Zwing... Dresden ... Aus dem Dresdner
Zwinger
Preil derangiert: Zum letzten Mal, der Hund fühlt sich elend ...
Herricht: Ooooch ... hundeelend
Preil: Er kratzt sich hinter den Ohren.Herricht weise: Na, der denkt vielleicht über sein Elend nach?
Preil: Außerdem hat er dauernd seinen Schwanz eingeklemmt
Herricht: Drum ist der auch so kurz
Preil böse: Unsinn ... Wenn ein Hund sich nicht wohl fühlt, dann
klemmt er den Schwanz ein.
Herricht erstaunt: Und das hilft?Preil wütend: Ach, Menschenskind ... Auf was schließen Sie bei
einer belegten Zunge?
Herricht kurz: Er fraß zuviel belegte Brötchen ...Preil schnauzt Herricht an: Quatsch Magenverstimmung Und
was machen Sie jetzt? Mein Gott ... nachsehen
Herricht er sieht dem Hund ins Hinterteil: Jawoll ... nachsehenPreil reißt ihm den Hund weg: Mensch ... doch nicht hinten Ma-
chen Sie doch mal die Schnauze auf
Herricht empört: Was mache ich?
Preilfast unter Tränen: Beim Hund
Herricht lehnt ab: Na, schön dumm ... Nachher beißt der mich?
Preilfassungslos Der beißt doch nicht Ein Tierarzt darf dochkeine Angst haben Menschenskind ... Geben Sie den Kittel
her Jetzt werde ich Ihnen zeigen, wie das ein Tierarzt macht.
Sie sind jetzt der Hundebesitzer und ich bin der Tierarzt. Da
muß nämlich jeder Handgriff sitzen
Herricht spielt den Begeisterten: Sie würden also einem Hund so
richtig in die Schnauze fassen?
Preil zieht dabei den Kittel an: Ein Tierarzt hat nämlich keine
Angst.
Herricht geht ab: Na, dann kann ich j jetzt kommen Ein Tierarzt hat wirklich keine Angst?
Preil mit Größe: Löchern Sie mich nicht dauernd. Sie werden
es j gleich erleben. Wie ich das Tier richtig anpacke ... Rich
tig anpacke Sie Angsthase Aber sich einen Hund kaufen.
So, ich bin soweit ... Bitte der Nächste ...
Herricht kommt mit einer großen Dogge aufdie Bühne Die Dogge
bellt natürlich Preil stößt einen unartikulierten Angstschrei aus
und ist zur anderen Seite verschwunden

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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42
~ ~Y • ;
•
Lernen lernen nochmals lernen
Ottokar Domma
itor r z
Ich gehe für mein Leben gern in die Schule, wenn der Unter
richt ausfällt. Denn dann haben wir meistens Werken. Werkenfällt niemals nicht aus, weil unser Herr Werklehrer Pankraz
niemals einen Schnupfen hat und immer da ist. Wenn wir Herrn
Pankraz nicht hätten; wäre ich kein so freudiger Schüler, und
das kommt so:Unser Herr Werklehrer Pankraz hat eine große Liebe fürs Wer
ken und eine verstümmelte Hand mit vier Fingern. Der fünfte
ist in einer Maschine hängengeblieben, als Herr Pankraz noch
Jung- und Tischlergeselle und darum in diesem Zustand unvor
sichtig war. Aus dieser Zeit stammt auch sein Lebensspruch,mit welchem er uns immer beim Werken begleitet. Er heißt:
Vorsicht ist die Mutter der Weisheit.
Wenn Herr Pankraz sieht, wie wir den Fuchsschwanz am
Schwanze fassen, ruft er immer ganz laut nach der Mutter der
Weisheit. Einmal kam die Weisheitsmutter zu spät, als Pillen
heini mit dem Hammer daneben haute. Erst war sein Daumen
rot, dann blau wie eine Pflaume. Sein Vater kam am nächsten
Tag gleich in die Schule gelaufen und hat unserem Herrn Pan
kraz mit schweren Strafen gedroht, wenn er den Daumen anzeigt. Herr Pankraz hat gesagt, daß er keine Angst hat und es
ihm leid ist um den Daumen von Heini und daß er ihn mit es
sigsaurem Ton oder Erde einwickeln soll. Aber Pillenheinis
Vater schrie immerfort, wie gut er weiß, wie man breitgeklopf
te Daumen behandelt. Nach diesem Zerwürfnis ging Heinis
Vater zunächst mal an seine Apotheke.
Wenn Herr Pankraz nicht nach der Weisheitsmutter ruft, dann
zeigt er uns, was man alles aus Holz machen kann. Zum Bei
spiel Frühstücksbretter für Wurst- und Käseschnitten. Mankann auch Zwiebel darauf schneiden und Grimassen, wenn manzu dicht mit den Augen rankommt. Ich habe schon viele Früh
stücksbretter geschnitten, eins für Vater eins für Mutter, eins
für meine Geschwister und Gebrüder eins für Oma und Opa
eins für Onkel Franz und Tante Paula und eins für das frommeFräulein Beul, nämlich das mit dem Sprung. Als ich .es mit der
Raspel behandelte, war es passiert und hatte einen Knacksweg. Seitdem ist Fräulein Beul immer so freundlich mit mir.
Jetzt machen wir Schlüsselbretter. Aber so viele Schlüssel gibtes gar nicht, wie wir Bretter machen. Darum hat unser Herr

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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Lernen lernen nochmals lernen
Werklehrer Pankraz bei einer Hospitation zum Herrn Direktor
Keiler gesagt er möchte keine Schlüsselbretter mehr machen
weil sie ihm über sind. Herr Pankraz hat gesagt daß er uns
Kindern lieber was anderes beibringen will zum Beispiel die
leichten elektrischen Sachen und wie man ein Motorrad aus
einandernimmt. Unser Herr Pankraz hat auch gesagt wie er
immer an Juri Gagarin denken muß und an die Schlüsselbret
ter auf die man den Schlüssel zum Weltraum nicht aufhängen
kann. Der Herr Direktor hat dann mit dem Finger geprüft ob
die Haken an den Schlüsselbrettern halten und ist ganz ernst
gewesen. Er sagte daß unser Herr Pankraz ein wichtiges Pro-
blem gestellt hat was so nicht in den Vorschriften steht.
Wenn ein wichtiges Problem nicht genau vor-
geschrieben ist muß man es im Kollegium dis-
kutieren. Wenn dort alle Ja gesagt haben muß
man es weitertragen in den Kreis. Wenn indem Kreis dieses als wichtiges Problem er-
kannt wird kommt es an die große Glocke.
Aber das kann lange dauern und man muß
Geduld haben. Unser Herr Werklehrer Pankraz
hat gesagt daß er keine Geduld nicht hat und
fuchtelte mit einer Zeitung in der Luft. Daraus
will er vor allen Lehrern im Kreissaal vorlesen
die Wörter vom Herrn Minister über die Rolle
der Bedeutung des Werkunterrichts.Unser Herr Direktor hat jetzt immerfort mitdem Kopf auf und nieder gemacht und dann
11
mit ganz hoher Stimme gesprochen daß das Wichtigste die
Rüben sind. Und der liebe Herr Pankraz soll lieber an Weih-
nachten denken welches ein Fest der Versöhnung ist wo man
alle Menschen beschenken kann zum Beispiel mit Schlüssel
brettern.Ich habe unsern Herrn Pankraz gern weil er seit diesem wich-
tigen Gespräch mit dem Herrn Direktor uns noch schönere Sa-chen beibringt. Aber da darf niemand von wissen weil das noch
nicht vorgeschrieben ist. Wir haben zum Beispiel elektrische
Stecker auseinander- und zusammengemacht einen Kran aus
Metallbaukästen gebaut Stühle und Klobrillen repariert wo die
Scharniere schnell durchrosten und bei der LPG einen Zaun
gesetzt. Nächste Woche will Herr Pankraz mit unserer Hilfe den
Wasserhahn im Zimmer vom Herrn Direktor heilmachen. Die-
ser ist schon ausgeleiert und tropft dauernd sagt unser Herr
Werklehrer Pankraz.
43
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--- -- ._.............. .. ...
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1•
Nicht einfach so ein
Aufsatz Wen könnten
wir denn noch um Hilfe
bitten?<<

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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Kl assenarbeit: undbeißen bei der Beschafjung von Schulheften
immer wieder aufGra-
nit <<
Lernen lernen nochmals lernen
Alf ed Schiffers••
OI O
Krause führt durch alle Hallenseines Werks zwei Mädchenklassen,die sich mit viel Wohlgefallenpolytechnisch bilden lassen.
Denn die Theorie alleineist nur eine halbe Wahrheit -Mit der Praxis im Vereine
erst gewinnt man volle Klarheit.
,.
„. - -
So ist Krause unbefangen
Erstens sehn sie zwanzig Postenan Millionen Schraubgewinden,die zwar ein Vermögen kosten,aber nie Verwendung finden.
Dann zeigt Krause tausend Kühlerund reibt fröhlich seine Hände;denn wer denkt als Oberschülergleich an Überplanbestände ...
mit den süßen kleinen Bienenstundenlang durchs Werk gegangen,ihrem Unterricht zu dienen.
Ei wie dankten ihm die Püppchen,als sie mittags heimwärts strebtenund vereinzelt, wie in Grüppchen,
das Geschaute nach erlebten
Ganz besonders dankte Klassenpate Bolle fürs Gezeigte.»Krause« rief er »kaum zu fassen «während er sich stumm verneigte.
Krause wirkte schrecklich heiter.Dann erfuhr er: Pate Bolle
war im Hauptberufe Leitereiner Staatlichen Kontrolle.

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.Ftiftclien geht mit si;ineru Vatel' spazieren. . ie li:01nruen . •
eineltt Aibeiterdenknta.t Vorbei. •Wieso- fragt Fritzcben, • st
. Mädchen •biste j e n ·heißtet Dann _arianne•
.dettn derÄrbeiter SQklein? Das entspriclltgarnicht der.Wirk- .lieh.keif und deru SOtialistischen Reazisinust. - •Bocb das •
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ist schon in Ordnung. sagt der Vater, •derArbeiter llat zehn .Jalfre am Betnebsessen teilgenorunien.•
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46 lernen lernen, nochmals lernen
Joachim Priewe
I O
»Was sagen Sie? Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder,
große Sorgen? Bei mir nich Wenn meine auch schon dreizehngeworden is, ich habe meine in Zuch Und da begreif ich eben
nich, warum die Lehrer dauernd was mit ihr haben. Obwohl sie
'n hübsches Mädchen is. Aber isses nich so: wir ziehn sie groß,
damit die andern drüber meckern können Neulich zum Beispiel
hatte sich das Mädel die Fingernägel anlackiert. Was soll ich
Ihnen sagen, am nächsten Tag kommt von der Schule ein el-
lenlanger Brief. Und so geht das dauernd, als ob das Papier auf
den Bäumen wächst. Wenn dem Klassenlehrer die roten Fin-
gernägel nich gefallen, habe ich ihm geantwortet, hätte sie viel-leicht lila nehmen sollen. Also komisch isses j wirklich, was
die Schule heutzutage für Wünsche hat. Das liegt einem ewig
in den Ohren und auf dem Portemonnaie. Neulich hat einer ver-
langt, daß Monichen sich einen eigenen Tusch-
kasten kauft, und das, obwohl sie sich doch ge-
rade erst ihre teuren nahtlosen Perlonstrümpfeim Produktionstag zerrissen hat Nein, nein, es
Auf wen die Lehrer einen Rochus
haben der kommt auf keinen
grünen Zweig.is schon so, heute gönnt man der Jugend nich
das harmloseste Vergnügen. Kam doch gestern der, Dingsda,na, Sie wissen schon, zu nem Elternbesuch, wie er meinte. Als
er etwa ne Viertelstunde gesessen hatte, habe ich mal kurz ge-
fragt, ob er sich bei uns einmieten will. Unsereins als Hausfrau
hat doch noch etwas anderes zu tun. Da is man für so was gar
nich aufgelegt. Wie sie sonst in der Schule steht? Ach. Sie wissen ja, auf wen die Lehrer einen Rochus haben, der kommt auf
keinen grünen Zweig. Ich habe sie getröstet und gesagt, spä
ter interessieren niemanden die paar Fünfen aufm Zeugnis. Ich
habe um meine Tochter keine Bange nich: Schließlich wird sie
j doch mal heiraten. Hat schon ab und zu einen kleinenFreund. Kein Wunder, wo sie nach Muttern kommt. Aber, habe
ich sie gewarnt, daß du mir höchstens jeden Monat mit nem
andern kommst, sonst isses unmoralisch Und ich möchte auch
nich, daß du dich abends nach zwölwe noch draußen rum
treibst, sonst setzt es was. Sehen Sie, und da versteh ich eben
nich, wieso da zehn Jahre Schule notwendig sind, wo ich schon
selbst auf alles bei ihr achte. Und was heißt größeres Wissenfür die Zukunft? Für Monis Zukunft sehe ich nich schwarz.
Zum Kinderkriegen braucht sie schließlich keine Algebra «

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Lernen lernen nochmals lernen
»Wie der Bursche in die 8. Klasse gekommen ist, wird mir ein
ewiges Rätsel bleiben«, dachte der Lehrer Kluge und schüttel
te sein kummergebeugtes Haupt. »Der Bursche beherrscht ja
nicht einmal die Grundrechenarten.«Als sich das Unglück des Kollegen Kluge in der Schule herum
sprach, fanden alle eine Geste des Mitleids.
Kluge besorgte sich 21 Methodiken und vertiefte sich eifrig
darin. Dieser Sorgenknabe Schmidtchen wurde der Mittelpunkt
der Klasse. Keine Stunde verlief von nun an ohne freundliche
Ermahnung, ohne besonderen Hinweis, ohne besonderen Tadel.
Alle behandelten diesen Sproß mit größter Liebenswürdigkeit.
Aber das Furchtbare ließ sich nicht verhindern. Schmidtchen
stand haarscharf auf Fünf, als es auf Erteilung der Zeugnisse
losging. Kluge alarmierte die Eltern, miete-
te sich dort ein und förderte den Jungentäglich zwei Stunden. Die Lernbrigade der
Klasse arbeitete mit Hochdruck. Die Pio
nierorganisation organisierte einen Wettbe
werb mit dem Motto »Fünf raus « Der Pa
tenbetrieb stellte einen hauptamtlichenMentor, und der Direktor erlebte kummer
volle Wochen.
Kluge diskutierte, referierte, argumentier
te. Trotz alledem, Schmidtchen ließ sich
nicht erweichen. Die Grundrechenarten erwiesen sich als zu hart für seine verwöhn
te Großhirnrinde.
Rechtzeitig vor der Zeugniserteilung er
schien der Direktor bei Kluge.»Na, wie schauts denn aus? Es wird docheine Vier?«
•
-
•
•• ••
•
• •
•
•
Als Kluge das bittende Gesicht des Direktors sah, hätte er bei
nahe Ja gesagt, aber seine Ehrlichkeit siegte. Er senkte be
schämt und reuevoll sein Haupt.
Doch da wurde die Stimme des Direktors fest. »Es wird eine 4.
Sonst liegen wir mit einer Promille über dem Kreisdurchschnittin der Sitzenbleiberquote - und diese Schande dürfen Sie un
serer Schule nicht antun «
7
•
))Ich laß ihn immer mal
bei meinen Schularbei-
ten helfen Er freut sich
drüber

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8
Die Pioniere sindunterwegs zum Alt
stoffsammeln. Sieklingeln n einerTür. Eine vornehmeDame öffnet.»Haben Sie alteWein- oderSchnapsflaschen? «»Sehe ich etwa soaus, als ob ich Al
kohol trinke?«
»Das gerade nicht,aber Essigflaschenhaben sie doch be
stimmt.«
Lernen lernen nochmals lernen
John Stave
Vater: Nimm Platz, mein Junge. Willst du 'n Bier oder 'ne Zi
garette?
Sohn: Nein, danke, Vati. Ich rauche noch nicht. Und ich trinkeauch nicht
Vater: Wie alt bist du eigentlich?
Sohn: Elf. Elfeinhalb.
Vater: Als ich elf - elfeinhalb - war, da habe ich - auch noch
nicht geraucht. Aber ich wußte schon Bescheid, wie die
Sache läuft.
Sohn: Welche Sache, Vati?
Vater: Diese Sache, über die wir heute kurz diskutieren wol
len. Also Mutti ist jedenfalls der Meinung, daß also - daß
darüber geredet werden muß, gewissermaßen, daß es an der
Zeit sei und so weiter. Die Dinge des Lebens, der Ernst des
Lebens - verstehst du?
Sohn: Ja.Vater: Habt ihr ä - habt ihrbeispielsweise in der Schule, also
bereits durchgenommen, wie die Kinder - also wie soll ich
das sagen? Daß die Kinder - die Kinder - ä - fallen ja nicht
vom Himmel, sie werden geboren, falls dir das was sagt?Sohn: Ja, Vati.
Vater: Den Vorgang als solchen - diese Partnerschaft, die dazu
gehört, die habt ihr also durchgenommen? Der Hahn, die
Henne. Die Bienenkönigin. Der Pfau. Habt ihr den Pfau
durchgenommen?
Sohn: Den Pfau direkt nicht.
Vater: Also, mein Junge. Da stoßen wir mal in eine Lücke. Der
Pfau, dieser farbenprächtige gefiederte Freund, der bäumt
sich auf. Er schlägt gewissermaßen ein Rad. Nicht, daß ersich überschlägt. Er macht das mit seinem Schweif, verstehst
du? Er spreizt die Schweiffedem. Das sieht wundervoll aus.
Es ist ein sogenanntes Imponiergehabe. Verstehst du, was ich
meine?
Sohn: Nein, Vati.
Vater: Unterbrich mich nicht Ich bin jetzt gerade so schön drin.
Also der Pfau, der will damit zum Ausdruck bringen, daß er
mit der Dame etwas anfangen will. Daß er Interesse hat.
Wie soll ich das sagen? Das Liebesleben in der Natur. Jetzt

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Lernen, lernen nochmals ler1 1en
ist es heraus. 0 je. Das Liebesleben. Das Werben. Die Erhaltung der ... wie sagt man da? - die Erhaltung eben. Die Er-
haltung der Sippschaft. Die Erhaltung der Art - jetzt habich's
Sohn: Ist die Liebe die Erhaltung der Art?
Vater: Bring mich jetzt nicht heraus Die Liebe ist im Grundeeine Art Vorspiel, eine Willenserklärung. Jetzt ist es soweit,
hör mal zu, wir beide, du undich, also Mann und Frau - wie
soll ich das sagen -Sohn: Wir wollen die Art erhal
ten?
Vater: Ja, genau. Nur mit völliganderen Worten: Ich liebe dich
- drei Worte nur. - Hier, siehmal, da drüben, auf der Dach-
rinne, der Täuberich. Was
macht er?Sohn: Er wackelt hin und her.Vater: NEIEN Er tänzelt Er
sagt jetzt gerade zu derTaube, also zum Täubchen:»Hier bin ich. Liebst du mich?
Ich begehre dich«, und so wei-
ter. Er plustert sich auf. Erzeigt sich von seiner besten
Seite. Wäre er ein Pfau, dannschlüge er jetzt ein Rad. Er
bäumte sich auf. Dieses Impo-
niergehabe, das ich vorhinschon ausführte. Die Vögel
sind da genauso wie die Men-
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schen. Das Werben . Das ist genau dasselbe. Das Liebeslebenin der Natur - das ist alles eine Schose.Sohn: Ist es bei dir und Mami genauso?
Vater: Ja - es war ganz genauso. Anfangs schon. Die Taubenund so weiter. Ich sehe, du verstehst.
Sohn: Die Tauben und die Menschen, die machen es genauso.Genau wie die Menschen?
Vater: Endlich Endlich hast du's begriffen Ende der Debatte.Genau wie die Menschen Glasklar. - Allerdings nicht auf der
Dachrinne.
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5 Lernen lernen nochmals lernen
lrmgard be
os OSSO O oso
Unsere lieben Frauen sind gewiß keine knospenden Rosen im
Silbertau. Unsere lieben Frauen haben anjeder Hand drei Kin
der, über sich einen Mann, unter sich vier Rindviecher, zwei
Schweine und eine ganze Geflügelarmee, im Kopf viele klugeund etliche weniger kluge Gedanken, im Herzen aber tragen sie
eine große Fröhlichkeit. Sie sind überaus lebenslustig und vonerstaunlicher Einigkeit gegen alles, was Mann ist. Sie müssen
die Lebenslust wo.hl gleich mit der Muttermilch eingesogen
haben, ·denn auch unsre Omas sind nicht von Pappe.Das klärt
das Geheimnis ihres Frohsinns und ihrer auffallenden Einigkeit
allerdings noch nicht völlig. Ein klitzekleiner Rest liegt, vertraulich verraten, im Dunklen. Im dunklen Keller der »Blauen
Maus«: ein Lebenswässerchen, kühl, klar und
Unsere munteren Frauen springen
von den Tischen und umgaukeln den
Vorsitzenden wie Schmetterlinge
vierzigprozentig, ein Helfer in allen Lebensla-
gen. Lischt ein altes Leben aus oder kündigt ein
neues sich an, unsre lieben Frauen schlucken
den ersten Schreck gemeinsam in der »Blauen
Maus« hinunter. Ja, ich bin nicht einmal sicher, ob sie ein Feuerim Dorf nicht erst mal mit einem Lebenswässerchen begießen
würden, bevor sie zum Löschwasser griffen. Selbstverständlich,daß unsre lieben Frauen rührig im LPG-Leben stehn. Ein klei-
nes Schlückchen, und sie tüfteln dir Pläne aus, die unserm
Männerverstand schon Selbstmordgedanken eingegeben haben.
Der Vorstand, .zum Beispiel, erbittet Soldaten für die Getreide-
schlacht. Im Verein mit den fleißigen Frauen, so hofft er, wird
das Schlachtfeld zum Abendrot leer sein. Die Soldaten fahren
ins Unterdorf ein, unsre lustigen Frauen rodeln zum Oberdorf
raus in die Heidelbeeren.
· »Was willst du«, rechtfertigen sie sich beim Vorsitzenden, »wirhätten die armen Kasernenhelden nur von der Arbeit abge-
lenkt Sieh doch unsre braunen Arme und Beine « Sie lüpfen
die Blusen, sie lüpfen sogar die Röcke ein wenig. Der Vorstand
dreht ab.
Er kommt ihnen bei Gelegenheit ökonomisch. Kein Rübenhak-
ken in der Kolonne mehr, die Rüben werden morgenweis an die
Frauen verteilt. Persönliche Pflege Persönliche Verantwortung»Ei, der Deibel « lachen die Frauen. »Wollt uns gegeneinander
ausspielen, he? Nicht mit uns Und der ökonomische Hebelsaust auf den Buckel des Vorstands zurück.
Eines Tages kriegen wir einen neuen Vorsitzenden. Eines an-

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lernen , lernen nochmals lernen
deren Tages steht uns übern kurzen Weg eine Forderung derZeit und des Kreislandwirtschaftsrates ins Haus: Qualifizie
rung der Frauen. Facharbeiterlehrgang und Winterschule.»Du lieber Heiland « murmeln die Brigadiere und kriegen trübeAugen. Unser neuer Vorsitzender, ein junger Mann mit einem
Blick fürs große Ganze, sieht keine Schwierigkeit. »Den
Heiland brauchen wir nicht. Wir müssen den Genossen
schaftsbäuerinnen die Sache nur richtig erklären.«Frauenversammlungen erfreuen sich bei uns einer großen
Beliebtheit. Sie gelten als legitimes Mittel, die Kinderbet
ten, den Abwasch und die Schweinekartoffeln für einenAbend dem geliebten Manne zu überlassen. Unser neuerVorsitzender, der junge Mann mit dem Blick fürs großeGanze, sieht also die Frauen vollzählig vor sich.»Ihr braucht euch nicht so zu drängeln«, ruft er zufrieden,»es kommt jeder ran.« Er wähnt die Schlacht wohl schon
gewonnen. Redet über die Bedeutung des Lehrgangs fürdie Frauen, die LPG, die Republik und so weiter.Die Frauen sehn ihm stillvergnügt in die blauen Augen.Was er sich denkt - Aufsätze schreiben. Bücher lesen.Prüfungen ablegen und weiß der Schinder, was noch
»Also«, sagt der Vorsitzende, »schreibt euch ein Wer zu
erst kommt, kriegt die besten Plätze.«
Die Frauen schenken ihm ein dünnes Lächeln, einAbschiedslächeln. Sie zupfen ihre Nylonblusen zurecht
und marschieren, ohne auch nur einen Ton zu verlieren,aus der Versammlung und beehren die »Blaue Maus«.
Was soll man auch sonst dazu sagen. Der Landwirt
schaftsrat wettert: die einzige LPG ohne FrauenqualifizierungIm August wird ein Fest gefeiert. LPG-Jubiläum, schuldenfrei, einen Haufen Geld auf der Kante, undenkbar
ohne die jahrelange, fleißige Arbeit unsrer fröhlichenFrauen. Als die Kapelle vor Erschöpfung einschläft,
hockt auch der Vorsitzende abgekämpft vor dem letzten
„.--
>>Wenns an die Qualifizierung geht könnt st du dich ruhig ein bißchen mehr beeilen Mutti <<
51

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52
»Pioniere, was istein.e Kollektivleistung beim Ler- ,
. -
nen..?« fragt der .nierleiter beim -
=-
Grnppennachmit-t a g ~>Kollektivleistungistl wenn einer die -Scil.ularbeiten rich .
tig:macht und alle ·--anö.em von ihm ab-schreiben.«
lernen lernen nochmals lernen
Freibier. Unsre muntren Frauen aber springen von den Tischen
und umgaukeln ihn wie die Schmetterlinge.
»Der arme Vorsitzende Wie sieht er doch traurig aus Kapel
le Einen Extratanz «
Der Vorsitzende rudert unsicher mit den Armen.
»Haut bloß ab, ich kann euch nicht mehr sehn Habt mich imStich gelassen, Weibervolk «
»Nu hör einer den Dollen Wenn er nicht soviel reden würde,
lieber einen Schnaps mit uns trinken, da möchten wir schon zur
Schule gehn, noch unsern Doktor machen auf die alten Tage «
»Unter Zeugen?« - »Großes Pionierehrenwort «
Die Frauen lachen Tränen, küssen den Vorsitzenden, dieses
Jungchen, von vorne und hinten ab, und für sieben von ihnen
findet sich im Durcheinander sogar noch ein Schnäpschen.
Der Lehrgang soll steigen. Die sieben Kandidatinnen beratensich. Ach, was ist schon dabei Kostet j nichts, und aufhören
kann man immer. Man macht sich den Spaß. Amüsiert sich
über die ersten Vorträge, praktische Sachen, seit Jahren an den
Gummistiefeln abgelaufen. Amüsiert sich gemeinsam mit
denen, die nicht ihr großes Pionierehrenwort geben konnten,
weil sich gerade kein Lebenswässerchen finden ließ.
Kein berauschender Anfang, gewiß. Doch mit der ersten Eins
wird der Ehrgeiz lebendig. Später müssen die Sammeltassen
den Ehrenplatz in der Vitrine räumen, wohin sonst mit den Büchern? Den anderen entgeht das im bunten Treiben des Alltags.
»Wo ist denn Lydia heute?« - »Na, beim Lehrgang.« - »Ach ja,
beim Lehrgang.« Ein Jux.
Sie werden erst wieder mobil, als es heißt: Lehrgang beendet,
heute abend wird stramm gefeiert.
Vergnügt ziehen all unsere munteren Frauen die Nylonblusen
an, stecken einen Notgroschen ein und marschieren zur »Blau
en Maus«. Sie reißen die Tür auf, den fröhlichen Zuruf schon
auf den Lippen, und sehen sich einer langen, weißgedecktenTafel gegenüber. Blumensträuße, Urkunden, fremde Männer in
tadellosen Anzügen: die Lehrer, der Tierarzt, ein Zeitungsmann
und andere wichtige Leute, dazwischen ihre sieben Frauen, die
Ohren rot, die Mienen feierlich.
Befremdetes Schweigen bei den Versammelten, betretene Ge
sichter bei unseren lustigen Weiblein.
»Könnt ihr nicht lesen?« fragt der Vorsitzende.
»Entschuldigung«, murmeln sie, machen leise die Tür wieder
zu und bemerken ein Schild: »Geschlossene Gesellschaft «»Da sieht mans«, sagen sie, »bloß wer mit ihm säuft, den läßt
er studieren «

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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5
Warum gtbt es in _der DDRnie Erd- =.
. der am Verteilen. war, schob er die .-
Wolken räber der .. ·. . „
DDR be.tse1te, sah ··
die kaputten Häu
ser und Straßen. und meil)te: »Oh,
· hier h ja
schon < ·
Was des Volkes ände schaffen
Hansjoachim Riegenring
1
Wrr sind alle nur Menschen und nicht mal die besten. Ich kann
deshalb ruhig zugeben, daß ich ihn nicht völlig unterdrückenkonnte, den Neid, der in den Innereien meiner Seele wühlte, als
ich Eduards Brief las. Ich kenne Leute, die seit Generationenvon einer neuen Wohnung träumen wie andere von einem Fün
fertreffer oder einer schönen Frau, die ihnen ganz allein gehört.
Eduard bekam eine. Eine Wohnung. Ganz frisch von der Kellein einem neugebauten Neubau.
Genau das, was ich mir wünschte.Komisch, daß immer nur die andern Glück haben. Ich war ge
laden. Eingeladen. Zum Kaffee und zur Besichtigung des Wohnwunders.
Ich nahm den Hut ab, bevor ich ehrfürchtig den verchromten
Klingelknopf drückte. In der Sprechanlage knatterte es. Eine
Staubwolke flog aus dem Lautsprecher.
»Chchch--schschschpffffchrrr-plpsps?«
Das schien Eduards Stimme zu sein. Vielleicht hatte man ausVersehen eine Dolmetscheranlage eingebaut.»Tag, Eduard«, hustete ich ins Mikrofon , »ich bin s.«
»Krrrsptöööchrabööh.« Der Türöffner brummte.In einem modernen Haus gibt es zwei Möglichkeiten, in den
vierten Stock zu gelangen: Treppe oder Fahrstuhl. Ich habe
noch nie erlebt, daß das Schild »Außer Betrieb« an der Treppehängt.
»Herzlich willkommen«, begrüßte mich Eduard, »du kannst mir
gleich helfen, die Tür wieder einzuhängen. Sie war etwas reichlich.«
»Oder der Türrahmen zu klein«, gab ich zu bedenken.
»Donnerwetter. Daran habe ich gar nicht gedacht. Na, egal. Ichhabe unten zwei Zentimeter abgehobelt. Faß mal an.«
Wir wuchteten die Tür in die Angeln. Die Tür klemmte oben.
Dafür schien unten die Sonne in den Korridor. Wir hoben, he
belten, hobelten. Es war die reinste Türquälerei.Als ich mir den Mantel ausziehen wollte, hielt mich jemand vonhinten fest. »Die Farbe an der Wand ist noch frisch«, entschul
digte sich Eduard. Mein Mantel blieb an der Wand hängen,
ohne Garderobenhaken.
Aus dem Bad wälzte sich eine mächtige Hitzewelle in denKorridor.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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Was des Volkes Hände schaffen
»Willst du mal unser Badezimmer sehen?« sagte Eduard.
»Ruch«, machte Helga, als wir reinguckten, bedeckte die Se-
henswürdigkeiten mit den Händen und verschwand bis ans
Kinn unter Wasser. »Sehr schön«, lobte ich, »solch eine Bade-
zimmereinrichtung wünsche ich mir auch.«
»Die Handbrause funktioniert nicht«, schmollte Helga.»Und dabei h t sie das Gütezeichen«, wunderte sich Eduard.
»Aber keine Löcher«, stellte ich fest. Mit einem Nagel klopften
wir die nicht mitgelieferten Löcher hinein. Eine langweilige Ar-
beit, denn das Badewasser war mit einer Essenz gefärbt undundurchsichtig.
Vor dem Kaffeetrinken mußten wir zwei Beine des Ti-
sches verkürzen. Wegen der schrägen Dielen. Entweder
war den Maurern die Wasserwaage eingefroren, oder der
Polier schielte. Das Klavier stand so schief, daß es nur
für schräge Musik zu gebrauchen war.r.„„ „Nach dem ersten Schluck Kaffee fiel mir ein Stück Putz
in die Tasse. »Putztausend«, sagte ich erstaunt.: .„. ~--- -»Nein, wie putzig«, lachte Helga. »Genau dasselbe ist mir
gestern passiert. Ob der Dingsda nicht sorgfältig gear
beitet hat, der ... der ... « - »Putzmacher«, half ich ihr.
»Außerdem zieht es.« Ich schloß das Fenster. Den Griff
behielt ich in der Hand. Die Scheibe fiel aus dem Rah-
men und blieb zwischen den Tulpen vor dem Hause stek
ken. »Das liegt am Kitt«, meinte Eduard kummervoll,
• ... 1 •
55
•
»oder am Glaser.« Er hat endlich moderne
»Der gehört ins Kittchen«, schimpfte ich. »Aber warum zieht das Leuchten bekommen «
hier so? Habt ihr den Staubsauger nicht abgestellt?«
Eduard deutete stumm nach oben.
Ich wußte, daß zu einem Neubau Grundriß, Aufriß und Seiten
riß gehören. Dieses Haus besaß außerdem einen Wandriß, der
für die Luftzirkulation sorgte.»Nachbarin, euer Fläschchen«, seufzte ich. Eduard klomm zur
Hausbar empor. »Du solltest dir Hausschuhe mit Nägeln anschaffen«, empfahl ich. Dann mußte ich aufstehen und fest auf
die achte Diele von rechts treten, weil man sonst den Schrank
nicht öffnen konnte. Nach dem dritten Schnaps fragte mich Edu-
ard heimtückisch, ob ich einen Bilderhaken einschlagen würde.
Wer kann den bittenden Augen eines Mannes widerstehen, der
eine schöne Frau hat. Ich klopfte - nein, ich säuselte den Haken
sanft in die Wand. Der letzte Schlag verschaffte mir einen in-
teressanten Einblick in das Familienleben der Leutevon
nebenan. Der Nachbar kam gesträubten Schrittes auf mich zu.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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6 Was des olkes ände schaffen
»Herr«, schnarrte er. Das konnte ich nicht abstreiten. Ich nickte.»Sie haben einen Stein aus der Mauer geschlagen « Ich nickte
wieder.
»Der Stein ist in unsere Suppenterrine gefallen, in unserEssen «
»Na so was«, lächelte ich bedauernd. »Das tut mir leid. Ist abernicht so schlimm. Wir wischen den Stein wieder ab.«
Wir schoben einen Schrank vor das Loch. Als Schalldämpfer.Die nachbarliche Erregung klang nun nach eingemotteten Pel
zen und alten Hosen. Beim Verschieben des Schrankes bogensich die Balken. Ein dumpfes Stöhnen rieselte durch die Mau-
em, der Kalk lagerte sich am Fußboden ab. Die Bewohner derunteren Stockwerke flüchteten auf die Straße und schrien, es
wäre eine Mißachtung der Menschenrechte, in einem bewohnten Neubau Möbel zu verrücken.
Ich trat auf den Balkon, um meine vergrämten Bronchien mitneuem Sauerstoff zu beleben. Im letzten Moment konnte ich
Der Müllschlucker verschluckte sichmich am Geländer festhalten. Sonst wäre esheruntergefallen.
und spuckte eine stinkende Haus-
haltsabfallmischung in die Wohnung»Was machst du denn?« staunte Eduard.»Das siehst du doch. Eine Geländerübung.«Er
zog mich ins Zimmer. Von links rauschte einWasserfall von der Größe des Niagara.
»Das ist nur die Wasserspülung«, beruhigte mich Eduard.»Eure?« - »Haha«, lachte er, »das ist mindestens zwei Häuser
weiter. Du solltest mal hören, wenn bei uns einer ... «»Verstehe«, sagte ich, »ein Zug an der Kette, und das Haus fällt
•
em. «
Wir fegten den Putz zusammen, der durch unser lautes Sprechen von der Decke gefallen war, und nun lernte ich einen der
größten Vorzüge einer Neubauwohnung kennen: den Müll-
schlucker. Er funktionierte wirklich. »Siehst du«, strahlte Edu-
ard, »so bequem ist das. Ein Griff - weg ist der Dreck.« Er kipp-te den letzten Eimer Putz in den Schacht. Die Klappe klemm-te, Eduard rüttelte. Der Müllschlucker verschluckte sich und
spuckte eine stinkende Haushaltsabfallmischung in die Woh-
nung. Papier, Lumpen, Blechbüchsen, verwelkte Blumen, sogar
eine Garnitur Unterwäsche. »Natürlich«, gab Eduard zu, »hat so
eine neue Wohnung auch gewisse Mängel. Aber du mußt doch
zugeben, daß es schön ist, eine Wohnung mit allem Komfort zu
besitzen, mit allen Schikanen ... «
»Eben«, sagte ich. Und kehrte in meine alte Bude zurück, diemich nicht mit Komfort verwöhnt.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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gebote unter B 45 59 esu t. „Volksstimme Burs 8 an die
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58
-
rst heißt es, die
Jugend wächst nicht
im Treibhaus auf, und
dann verlangen sie das
ganze Jahr über Gemü-
se - Ist das etwa ein
gesunder Widerspruch?«
Wa s des Volkes ände schaffen
Joachim Priewe
Als Lehrer Hern1ann Schulz aufs Land ging stand für ihn eins
fest: Er wollte beweisen, daß die Behauptung, studierte Leute
seien eingebildet, eine völlig unberechtigte Verallge-meinerung sei, jedenfalls was ihn betraf.
Er hätte sich am ersten Abend im Dorfkrug auch al-
lein an einen Tisch setzen können, aber im Zuge sei-
ner Absicht rückte er an den Tisch eines Bauern. Ei-
gentlich war er mehr für Wein hatte auch nichts
gegen Bier, aber alles gegen Schnaps. Also bestell
te er zwei Pils, schob eins seinem Tischnachbarn
hinüber und erhob sein Glas. »Auf gute Gemein-
schaft « sagte er und nach einer Weile: »Haben Sie
mal Feuer für mich?«
»Bitte« sagte Bauer Korn. »Du bist also der neue
Schullehrer.« Hermann Schulz nickte und hielt ihm
sein Zigarettenetui hin: »Hier nehmen S... nimm
auch eine Zigarette.«
»Danke «, sagte Korn »aber du brauchst nicht zu
denken, daß du was Besseres bist, weil du eine sil-
berne Zigarettenschachtel hast. Wenn ich auch nicht
studiert habe, ich merke doch daß du aufs Dorf ge-
kommen bist, um hier den klugen Mann zu spielen.«
»Aber ich denke gar nicht daran, zu denken, daß ich
etwas Besseres bin. Und studiert habe ich doch nur
damit ich mithelfen kann, daß aus deinen Kindern
gute Bauern und Agronomen werden.«
»Deshalb brauchst du dich mit deinem Studierennicht wichtig zu machen.«
»Will ich j auch gar nicht.«
»Du tust es aber doch«, widersprach Korn.
Darauf wußte Schulz nichts zu sagen. Er sah die Notwendig-
keit, Argumente ins Feld zu führen, die überzeugender als
Worte sein konnten. Er überwand sich und bestellte zwei
Schnäpse. Ein Schnaps gab schließlich den anderen. Endlichschien der Boden für die Verständigung genügend durchfeuch
tet zu sein. Da sagte mitten in die erwartungsvolle Stille hin-ein LPG -Bauer Korn: »Wenn ich auch nicht studiert habe,
brauchst du dir nicht einzubilden, wir Bauern sind dumm weil
wir nicht studiert haben.«

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Was des Volkes Hände schaffen
»Das hat doch aber niemand behauptet«, versuchte Schulz ihn
zu beruhigen. »Jeder von uns hat seinen Beruf und macht seine
Arbeit, so gut er kann. Es geht doch nicht darum, ob einer stu
diert hat oder nicht, denke ich.«
»Denke ich, denke ich Wenn ich das schon höre Du kommst
ir wohl wie ein großer Denker vor? Wenn ich auch nicht stu
diert habe ... «Darauf bestellte Schullehrer Schulz rasch zwei Doppelte. Was
sich aber nicht verdoppelte, war die Einsicht des Bauern Korn.
Der wollte sich jedenfalls nicht nachsagen lassen, er könne
sich das mit seinem unstudierten Gehalt nicht erlauben, und
bestellte sechs Doppelte.
Da beschloß Hermann zögernd die Demontage sämtlicher
Dinge, die an Studium auch nur entfernt erinnern könnten. Er
riß sich diskret den Schlips vom Hals und knöpfte das Hemd
auf. Wenig später öffnete er die Schnürsenkel. Doch Kornschien es nicht zu bemerken: Schulz erinnerte sich an irgendeine Lautverschiebung, sprach das G von Gans ganz weich aus
und wurde in Sprache und Ausdruck »volkstümlich«. Korn war
nicht zu rühren: »Wenn ich auch nicht studiert habe, das heißt
Gans und nicht Jans.«
Als Schulz bemerkte, daß Korn seinen Zigarettenstummel auf
die Erde fallen ließ und beiläufig mit dem Fuß austrat, betrach
tete Schulz das als Aufforderung, auf den Fußboden zu spuk
ken. Er spuckte so lange, bis es dem Wirt auffiel. Als auch dasohne Eindruck auf Korn blieb, versuchte er zwischendurch kräf-
••
tig zu rülpsen, was ihm aber auf Grund mangelnder Ubung
prächtig mißlang. Darauf nahm ihm Korn den soeben bestell
ten Doppelten wieder weg. Doch Schulz griff mit verzweifelter
Fröhlichkeit nach dem Glase und ließ sich den Schnaps ins
Hemd laufen, um Korn vielleicht auf humorvolle rt zu gewin
nen. Dabei rief er jauchzend: »Hach, was sind wir Bauern heut
wieder lustig « und schlug Korn auf die Schulter, daß der sich
verschluckte.Bauer Korn verhielt sich immer abweisender. Und so begann
Schulz mit einem letzten Versuch, seinem Sprachschatz ein
Dutzend urwüchsiger Kraftausdrücke zu entnehmen, von denen
das Wort Scheißdreck noch das harmloseste war.
Hoffnungsvoll sah Schulz auf Korn. Der aber stand plötzlich
stocknüchtern auf und sagte mit aller Verachtung, deren er
fähig war: »Pfui Teufel Und so etwas hat nun auf unsere Ko-
sten studiert «
9
Zwei LPG-Bauernschauen zum Him
mel. »Eh nu, einFlugzeug « sagt der
•
eme.
»Bestimmt die Re-
gierung « erwidertder andere.
»Eh nu, eher un-
wahrscheinlich.
Wenn s die Regie-
rung wäre, würden
weiße Männer auf
Motorrädern drum
herum sein.«

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60 Was des Volkes Hände schaffen
ünter Krone
Dio
Der VEB Prima war wegen seiner technischen Vollkommenheit
weit und breit berühmt. Die Verwaltungsarbeit wurde durchelektronische Rechenmaschinen und andere komplizierte Ap
parate erleichtert. Sogar die Produktion war schon lange voll
automatisiert. Lediglich Sitzungen wurden noch wie in alten
Zeiten durchgeführt weil für sie eine rt Vernunft erforderlichist die Maschinen nicht haben.Kollege Schulze hatte als Leiter des Büros für Erfindungswesen an diesem bewunderswerten Stand der Technik erheblichen Anteil. Er war auch ein ganz ungewöhnlich begabterMann. Aber eines Tages war der Kollege Schulze ratlos. Ersaß vor einem als Verbesserungsvorschlag bezeichneten Schrei
ben der Kollegin Ranft die als Reinemache-Wenn Sie eintreten wollen rufen Sie
laut und deutlich: >Auf Das Tor öffnet
sich auf Zuruf.
frau im Betrieb beschäftigt war und wußte
sich nicht zu helfen. Er suchte den techni
schen Leiter Schuster auf um dessen Mei-
nung einzuholen. Jedoch auch Kollege Schu
ster wußte nicht was man mit dem Schreiben anfangen sollte.
Zu der Stunde da beide Kollegen über dem Schreiben der Kollegin Ranft ihre Köpfe schüttelten s ß ich beim Werkleiter
Moosdorf im Zimmer. Der Werkleiter Moosdorf war mit dem Er
reichten keineswegs zufrieden: »Gewiß«, sagte er, »unsere Pro
duktion ist längst vollautomatisiert und unsere Roboter sindkaum zu überbieten. Auch die Verwaltungsarbeit ist durch
Denkmaschinen der verschiedensten rt zu einer reinen Freude geworden. Wir haben sogar kürzlich Wendeapparate eingesetzt die unseren Kollegen beim Umblättern der Akten behilf
lich sind. Aber uns hat das Glück der Unzufriedenheit erfaßt.Die Entwicklung schreitet weiter. Gegenwärtig sind wir dabei
technische Vorgänge auf das sogenannte akustische Prinzipumzustellen.«
Offenbar sah er meinem Gesicht an daß ich mir darunter nichtsvorstellen konnte. »Für den Laien gesprochen« sagte er, »be
deutet das: Alle unsere Apparate werden eingeschaltet indemman auf einen Knopf drückt oder einen Hebel bewegt. Bisher
mußte man dazu seine Finger bewegen; da ging den Kollegen
natürlich viel Kraft ganz überflüssig verloren. Jetzt werden wirdie Kontakte einfach durch Geräusche auslösen lassen - des-

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asdes Volkes ände schaffen
halb akustisches Prinzip- also etwa durch Räuspern oder Hu-
sten.«
»Hoffentlich husten Ihnen die Kontakte nicht was«, sagte ich
aber in diesem Augenblick kamen die Kollegen Schuster undSchulze mit dem Schreiben der Kollegin Ranft ins Zimmer und
trugen es dem Werkleiter vor. So verblüfft habe ich den Kolle-
gen Moosdorf selten gesehen. Allerdings enthielt das Schrei
ben auch einen außerordentlich kühnen Gedankenflug der mit
alten Gewohnheiten völlig brach. Kollege Moosdorf dachte län
ger nach als ich warten konnte. Deshalb verabschiedete ich
mich, bevor er seine Entscheidung getroffen hatte. Ein Robo-
t r trug mich aufs Dach auf dem ich meinen Diensthubschrau
ber abgestellt hatte.
Etwa ein halbes ahr später hatte ich wieder im VEB Prima zu
tun. Offensichtlich hatte man in dieser kurzen Zeit das akusti
sche Prinzip schon weitgehend verwirklicht. Denn als ich vor
dem Werktor aus dem Atomauto stieg las ich auf einem Schild:
»Wenn Sie eintreten wollen rufen Sie laut und deutlich: >Auf <
Das Tor öffnet sich auf Zuruf.« Also rief ich laut und deutlich:
»Auf « und trat ein. Hinter dem Tor bestieg ich einen sogenann
ten »Luftikus«, auch eine Neuanschaffung des Betriebes. Ein»Luftikus» ist ein zwei Personen fassendes Gefährt das nach
dem akustischen Prinzip in Gang gesetzt wird und das sich auf
Luftpolstern fortbewegt. In ihm schwebte ich über die Treppen
und Gänge, zum Vorzimmer des Werkleiters.Dort war gerade die Kollegin Ranft bei der Arbeit. Sie bohner
te das Parkett indem sie auf den Knien liegend das Bohner
wachs mit einem a p p ~ n verrieb. Ihr Vorschlag für die Büro-
reinigung eine Bohnermaschine anzuschaffen schien also nicht
verwirklicht worden zu sein.
„ •• ·r---
61
Alles macht die Ma-
schine automatisch -endlich haben wir Ar-
beitskräfte fürs Verpak-
ken frei <

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6 Was des Volkes Hände schaffen
rwed Bouvier
»Ich sage dir« sagte er mir »man muß sich einen Beruf suchen
der so ausgefallen ist daß man auf jeden Fall überall damit auf
fällt und alle Leute darauf hereinfallen. Ein Beruf muß das
sein den es noch nie gab der absolut neu ist.«
Und so setzten wir uns hin und gründeten die UVA die Univer
sal-Versicherungsanstalt. In den ersten Wochen erlebten wir
eine unwahrscheinliche Konjunktur. Theodor erwies sich als
ein Meister von Versicherungsagent und brachte jeden Tag von
seinen Streifzügen Stapel von Verträgen mit nach Haus. Mit
Hagel Brand und Diebstahl freilich gaben wir uns nicht ab un
sere Ambitionen gingen tiefer und erfaßten alle Bereiche desöffentlichen Lebens. Die UVA versicherte die Kohlköpfe ge
schäftiger Kleingärtner nicht gegen Schädlingsbefall oder an
Im Winter erholten sich fünfzig Urlauber
auf unsere Kosten in Zakopane
dersartige Vernichtung sondern garantierte
ihren Klienten mühelosen Absatz und höch
sten Gewinn auf Grund der Voraussicht daß
der staatliche Handel auch in diesem Jahr
kaum in der Lage sein würde durch ein übergroßes Gemüse
angebot die kleingärtnerischen Kohlköpfe zum Verfaulen zu
verdammen. Cholerikern die um ihre Zukunft bangten versprach Theodor auch für die nächste Zeit ein reiches Betäti
gungsfeld ihres Temperaments; er konnte das weil er die Ar-
beitsweise gewisser Amter und Verwaltungen genauestens
kannte. Wrr hatten in der ersten Zeit kein einziges Minusge
schäft zu beklagen was sicherlich daran lag daß Theodor nur
solche Geschäfte abschloß die absolut sicher waren. Er lieb
te es nicht auch nur das geringste Risiko einzugehen und er
fand mit bewundernswert sicherer Hand solche hundertpro
zentigen Gelegenheiten heraus.Herrn Mäusemüller der in unserer Straße als übler Saufbruder bekannt ist gab Theodor es schriftlich daß seine Stamm
kneipe die jetzt von der HO übernommen wird in zehn Jahrennoch genauso dreckig und verqualmt sein wird wie bisher. Mit
Fräulein Krause die dreiundsiebzig ist und bei uns im Hauswohnt schloß Theodor einen Vertrag daß Herbert Roth den
Fräulein Krause über alles liebt bis an ihr Lebensende im de
mokratischen Rundfunk zu hören sein wird; und das obwohl
Fräulein Krause sich bester Gesundheit erfreut und mindestensnoch fünfzehn Jahre zu leben hat. Theo hatte eben ein untrüg-

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Was des Volkes ände schaffen
liches Organ für todsichere Geschäfte. So verlebten wir ein
paar Wochen ungetrübten Glücks; Theodor schloß täglich neue
Verträge ab und ich besorgte die häusliche Buchführung. Es
war die schönste Zeit meines Lebens. Aber wie das so mit mei
nem Bruder Theodor ist: Nach einiger Zeit begann der neue Job
ihn zu langweilen, und er fing an, schludrig zu arbeiten.
Ich bemerkte es zuerst, als er mit Herm Meier einen Vertragaufsetzte, nach dem bei den nächsten Fußballweltmeisterschaf
ten die DDR den Weltmeister zu stellen hätte. Anderenfalls
würde Sportfreund Meier von uns zehntausend Mark zu erwar
ten haben. Obwohl ich von Fußball nichts verstehe, äußerte ich
Theo gegenüber meine Bedenken. Aber er lachte mich nur aus
und setzte seine fragwürdigen Methoden fort.
Und so begann die Periode unseres geschäftlichen Niedergangs.
Theodor, von allen guten Geistern verlassen, schloß Geschäf
te ab die zum Himmel schrien.Er versicherte einhundertfünfzig Besucher einer Veranstaltung
der Konzert- und Gastspieldirektion, daß sie sich durchaus an
nehmbar amüsieren und unterhalten würden. Wir hatten eine
geschlagene Woche zu tun, um die Gelder auszuzahlen.
Eine Hausgemeinschaft, der Theodor vertraglich versprach,
daß innerhalb von sechs Monaten der Klempner zu ihr käme,
konnte sich von unserem Geld einen Fernsehapparat und eine
Waschmaschine zulegen.
Einern Wartburgbesitzer, der nach Ersatzteilen jammerte, konnte Theodor auf seine Weise zwar nicht zu diesen, wohl aber zu
einem neuen Wagen verhelfen.
Von solchen Lappalien wie die Versicherung von Reisenden auf
die Pünktlichkeit der Deutschen Reichsbahn sowie von Rau
chern auf die Genießbarkeit von Turf und Casino will ich gar
nicht erst sprechen.
Im Wmter erholten sich fünfzig Urlauber, denen Theo im Som
mer nervenstärkende und strandhundfreie Ferien garantiert
hatte, fünf Wochen lang für unser Geld in Zakopane.
Als wir auf diese Weise kurz vor dem Bankrott standen, ent
schlossen wir uns zu einer Verzweiflungstat. Ich schrieb diese
Geschichte, und Theodor schloß einen Vertrag mit dem Eulen
spiegel, daß alle Leser etwas aus der Geschichte lernen wür
den. Wir erhoffen uns von diesem Geschäft Rettung und erneu
ten Auftrieb für unser Unternehmen.
Aber nach allem, was wir bisher erlebt haben, erscheint mir -
unter uns gesagt - das Gelingen unseres Planes etwas zwei
felhaft.
63
.
gleich einen Ails-weis: » S c h m t 1 f t _ABS.« Auch . -Schmidt er . · s ·
.. ' - .
Gewünscil .. - .
\ ' • ' • - . .
, neugien§ - _ · _ ..._. . . "
V e r k i j . u f e r l n - · .
bitte, ist·denm -gentlich ABS?«_4t. · _
Schmidt erwi& 1achend: ».Arhm-Bek
k e r · S t r a ß e ~ -

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6
Die Komplexbrigade
Leite du ihn mal an,
ich hab Komplexe, ich
verstehe nichts von
Landwirtschaft «
Was des Volkes ände schaffen
1a 4e Otizo oi OS
~ orHtoistors
ausgegraben von Günter Gregor
10 Januar Hatte heute Sprechtag. Mußte aber dienstlich zum
Kreis. Weil die auch Sprechtag hatten. Die regeln ihre Sachen
mit dem Bezirk am Donnerstag. So ein kleiner Bürgermeister
muß sich aber an die normalen Sprechtage halten. Bloß, nicht
an die eigenen. Kann mich ja nicht zerreißen.
15 Januar Sonntags müßte so ein Mistwetter verboten werden. Bin froh daß der Offenstallumbau fertig ist. Der Kreis
wollte ihn ja erst dies ahr einplanen. Da hätt unsre Tbc-freie
Herde im Winter aber dagestanden. Wir haben trotzdem ge-
. .
/
.„.
baut. Auf eigene
Kappe, versteht
sich.
19 Januar Mußmorgen wieder zum
Kreis. Wegen der
Schlachtgenehmi
gungen. Wenn man
sie mit der Postschickt, kommensie ewig nicht zu
rück. Als ob das einBürgermeister nicht
selbst entscheiden könnte Dabei drückt bloß einer, der unser
Dorf überhaupt nicht kennt, seinen Stempel drauf. Ordnung
muß sein
28. Januar War wieder mal ne verrückte Woche. Bürgennei
stertagung, Sprechtag, Gemeinderatssitzung, Kreistagssitzungund MTS-Stützpunktberatung. Dazu abends LPG-Versammlung
und Elternbeirat. War die ganze Woche bloß vier Stunden im
Amt Post unterschreiben. Wenn die Aktion »Weg vom Schreib
tisch« so aussieht ...
8 Februar Der Kulturraum in der alten Schule ist fertig. Alles
im NAW gemacht. Bloß, der Kreis ist stur. Will die 3000 Mark
für Tische und Stühle nicht bewilligen. Mal sehn, wie wir das
verbuchen. Werden das Kind schon schaukeln.
15 Februar Spielte wieder mal Briefträger. Schlachtgenehmigungen, Rechnungen und Fragebogen verteilt. Steuern und Be
richte eingeholt.

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asdes olkes ände s h f f e n
Gemeindebote ham wa nich: Stellenplan sieht nur Sekretärin
und halbe Buchhalterin vor Und den Bürgermeister natürlich.
Wer sollte denn sonst Botengänge machen?
22. Februar: Unser RSJ09B78 ist unbezahlbar. Hat heut beide
Ställe entmistet. Hätten wir ihm nicht auf eigene Faust die Ga-
rage gebaut wär er im Wmter vergammelt. Wenn die einer vom
Kreis sieht gibts wieder Stunk. Doch er kann sie ja nicht mehr
abreißen höchstens wütend abreisen.
1. März: Mußte gestern mal ne Nachtschicht einlegen. Paar
Berichte und Statistiken waren fällig. Ums der staunenden
Nachwelt zu erhalten: Monatlich verlangt der Kreis 14 ausge
füllte Formblätter. Sekretärin müßte man sein dann könnte
man wenns dicke kommt einfach mal krank werden. Wie•
meme.
3 März: Nehme alle Hintergedanken gegen meine Sekretärin
mit Bedauern zurück. Hab selber noch Schreibkrampf. Müssen
doch alles mit der Hand ausfüllen. Die
breiten Bogen passen nicht in unsere
GROMA Muß mal sehn ob ich nichthintenrum so ne Langwagenmaschine
... Es sei denn die Statistik ändert mal
die Bogenformate.
20 März: Wollt mir heut ein Flächen
verzeichnis machen. Hatte grad den er-
sten Strich gezogen da kamen welche
vom Kreis von wegen Kultur. Kaum
warn die raus klopften die Handels
fritzen. So ging das den ganzen Tag
weiter. Abends packte ich meinen
Strich - die Arbeit eines Tages - wie-
der in die Schublade.
13. April: Heut machte mich die Finanzkontrolle vom Kreis zur
Schnecke. Hatte für die Maurer vom Patenbetrieb 12 Essen und
fürs Richtefest einen Kasten Bier verbucht. Dafür gäbs keinen
Fonds meinten sie. Bezahlte das Maurerfest von meiner letz
ten Prämie. Krümelkacker die ...
17 April: Meine Frau hat mich im Verdacht. Weil ich jeden
Morgen den Briefträger abpasse. Doch nischt is mit Liebes
brief. Warte täglich daß uns der Kreis Produktions- und Fi-
nanzplan bestätigt zurückschickt. Als Weihnachtsgeschenk
brauchen wir sie auch nicht mehr. Verflucht faule Aprilscher
ze.
26. April: Der Kindergarten ist prima geworden. Den alten
Tanzsaal erkennt man nicht wieder. War vorgestern mit dem
65
>>Mhm, das schmecktgut << - Ernteversorgung
ufden LPG Feldem

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•
Durch insatz mondä-
ner austoffe wird aus
Opas Futterkrippe ein
Wildversorgungszen-tru
1
Was des Volkes ände schaffen
Auto vom LPG-Buchhalter noch
schnell in Berlin. Bunten Fußbo
denbelag organisieren. Am 1. Mai
können wir dann singen: Ihr Kin
derlein kommet ...
10. Mai: Wurden vom Kreis endlichmal für Initiative gelobt. Aber nicht
lange. Die Finanzkontrolle machteuns einen Tanz. Wegen des umge
bauten Tanzsaals. Und der Kilome
tergelder für den Buchhalter. Krum
me Touren nennen die das. Na ich
kam vielleicht auf Touren ...
23. Mai: Heut war mein erster Ur
laubstag. Wollte früh runter insAmt mal nach dem Rechten sehn;
kam aber nicht weit. Der alte Wend
ler die dicke Emma der Puteri-Her
mann und der ABV quatschten
mich an. Hatte drei Sprechstunden
weg als ich mittags ins Büro kam. Mußte gleich Post unter
schreiben. Sah die Notwendigkeit ein. Wenn der Kreis nicht
seine Protokolle zum Abheften kriegt denken die immer gleich
sie tun nischt. Die Dorfbürgermeister.
tte rie toH
Gestern trafen sich an einem sicheren Ort führende Kfz-Schlos
ser Installateure und Baufachmänner.
Bei diesem Treffen wurden verschiedene den Kunden nicht zu
interessieren habende Probleme im Geiste gegenseitigen Ein
verständnisses erörtert. Die Diskussion verlief harmonisch undohne größere Preisdifferenzen. Die Abschlußresolution sowie
Schmiergelder wurden einstimmig angenommen.
Von einem Wmtergewitter überrascht wurde kürzlich der 42jäh
rige Genossenschaftsbauer Benno Wundertüter. Zum Glück
schlug der Blitz nicht in ihn ein sondern in die auf dem Feld
stehende leicht vergammelte dreijährige Dreschmaschine. Ein
schönes Beispiel für die mitunter segensreiche Auswirkung
einer gesunden Unordnung in der Genossenschaft.
Jochen Petersdorf

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asdes Volkes ände schaffen
John Stave
OSO lt
Der Kurzgeschichtenschreiber soll ja wie auch jeder richtige
Schriftsteller - an die Basis gehen. Gewissermaßen seinem
Leser Auge in Auge und Zahn um Zahn gegenübersitzen. Da
das allgemein bekannt ist hagelt es Einladungen am laufen
den Band. Betriebe melden sich. Kulturbünde. Kleingartenver
eine. Klubs der Werktätigen solche der Intelligenz und ande
re Institutionen.
Nun gibt es ja Kollegen die richtig glücklich sind wenn sie ä
f entlieh auftreten können. Die haben mittlerweile den Bogen
so gut raus daß man am Ende glaubt sie seien direkt von der
Konzert- und Gaststättendirektion. Ein Kollege hat sogar mal
im Fernsehen play-back gesungen. Wochenlang hat er in der
Kneipe hinterher noch davon gezehrt.
Aber wie gesagt es gibt auch solche Kollegen die aschgrau im
Gesicht werden wenn sie vor einem gewissen Kreis etwas vor
lesen sollen. Na ja gut mit Krankheit und Heiserkeitkann man
sich schon eine ganze Weile herausreden. Auch mit Auslands
reisen geht es. Aber da ist schon wieder die Gefahr vorhanden
daß der betreffende Klub - oderwer gerade etwas vorgelesen
bekommen haben möchte - sagt: »Das ist aber fein. Da können
Sie ja nach der Lesung noch ein bißchen über Ihre Auslands
erlebnisse plaudern wenn Sie zurück sind ...«
Jedenfalls eines Tages da ist es dann soweit und es gibt auch
kein Entrinnen mehr. Sie fahren sogar mit dem Wagen vor
damit überhaupt nichts schiefgehen kann. Und so trifft man
rechtzeitig an Ort und Stelle ein von starkem Schüttelfrost be
fallen. Es handelt sich um einen Klub in dem man bei anderen
Gelegenheiten schon gewaltig gezechthat und den man sowie-
67

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68
Was ist ein ULB?
Die Energie die be-
nötigt wird um vom
Sessel aufzustehenund den Fernseherauszlllllachen \Venn
Walter Ulbricht eine
Rede hält.
Was des olkes ände schaffen
so immer recht gemütlich fand. Heute hebt sich das Gebäude
wie eine drohende Festung vom Abendhimmel ab. Mit weichen
Knien betritt man die Vorhalle. Eine ladyartige Dame njmmt
Mantel und Hut entgegen aber dann wird man schon an den
späteren Schicksalsort geleitet. Es sitzen erst ein paar Leute
herum fünf oder sechs und man hofft im stillen daß es nichtmehr werden oder daß die Veranstaltung durch einen puren Zu-
fall nicht bekanntgemacht worden ist. Sie geben einem Bier
damit man etwas gelöster wird. »Unser Freund« sagt der Klu
bleiter zu der inzwischen verdoppelten Anzahl von Besuchern
»ist ein ausgesprochener Biertrinker ... «
»Ah wie interessant« wispert es von den Tischen herüber. Der
Klubleiter gibt noch einen drauf: »An einem Abend hat er schon
einmal vierundzwanzig halbe Liter getrunken ... «
Man winkt ab schwach aber doch ein wenig stolz. »Wie be scheiden er ist« wispert es von den Tischen herüber.
Der Saal füllt sich. Gesprächsfetzen schwirren durch die Luft.
»Ich hab ihn mir jünger vorgestellt ... Ich dachte er sei gesetz
ter ... Die Krawatte paßt aber gar nicht zum Anzug ... Mich
stört hauptsächlich die Brille ... Drei Bier hat er schon weg ...
Jetzt könnte er anfangen ... «
Der Klubleiter eröffnet. Man wird vorgestellt. Man wird gelobt
und zwar in solcher Weise daß man sich selber darüber wun
dert wieso man eigentlich immer noch keinen Nationalpreis er-halten hat oder wenigstens den Nobelpreis. Man erhält das Wort.
»Meine erste Geschichte heißt: Warum spatzt der Piep - ä -
Warum pappt der - Warum spitzt - Warum piept der Spatz ... «
Es wird gelacht. Die Leute meinen offenbar es sei Absicht ge-
wesen dabei ist man plötzlich des Sprechens nicht mehr mäch-
tig man lispelt und stottert. Man liest sechs oder sieben oder
gar acht Geschichten im Schweiße seines Angesichts. Man ver
haspelt sich legt Kunstpausen ein und sehnt das Ende der
letzten Geschichte herbei. Beifall braust auf und als der Klubleiter Dankesworte im Namen aller fallen läßt und betont daß
dies der beste lustigste interessanteste Leseabend seit Beste
hen des Klubs gewesen sei und daß man um ein baldiges Wie-
derlesen bitte steigen die Leute auf die Stühle und werfen ihre
Hüte hoch. Man ist im Sessel zusammengesunken praktischer
weise kurzerhand gestorben um allem aus dem Weg zu gehen.
»Jetzt müssen sie immer alles alleine lesen« mit diesem Gedan
ken war man sanft entschlummert. Beim Hinausgehen sagt
eine j11nge Dame noch so zu ihrer Freundin: »Ich wette er ist
weit über fünfzig .. . « Aber das hört man j nicht mehr.

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7
0
0
Q
0 .
Siehste - so sorgt un-
sere Reichsbahn dafü.r
daß unsere Werktätigen
den Urlaub in vollen
Zügen genießen kön-
nen«
eiß r Sommer
Ulrich Speitel
e r
Es war schon Abend als ich in der Stadt eintraf und der Por
tier antwortete auf meine Frage nach einem Zimmer sie hätten in der ganzen Stadt keins mehr frei aber dafür hätten sie
grade Festspiele. Festspiele gut und schön aber ich wollte lie-
ber in einem ganz kleinen Zimmer schlafen als in einem ganz
großen Theater.»Wir haben aber kein Zimmer mehr frei.«
»Auch keine Couch? Keine Luftmatratze? Keine Badewanne?«
»Nein nur noch ein Bett.«
»Mann Gottes ein Bett?«
»In einem Vierbettzimmer« sagte der Pförtner.Ich sagte mir schlecht geschlafen ist besser als jede Mitropa
und nahm das Bett.
-
•
Meine drei Zimmergenossen waren bereits anwesend. Der eine
ein kleiner Dicker putzte sich eben die Zähne gurgelte dabeiwie ein Wasserfall und schnaufte daß er durchaus den Ein-
druck eines begabten Schnarchers machte der für die Nacht
das Schönste erwarten ließ. Der zweite war ein seriöser Herr.
Leider hinderte ihn das nicht daran dauernd zur Toilette zu lau
fen. Er entschuldigte sich jedesmal wegen seiner erkälteten
Verdauung und errötete heftig und schamlos was seinen
Magen aber nicht weiter störte. Dazu erzählte der dritte
schnell aber laut - obwohl ich keineswegs prüde sondern mit
einem unserer bekannten Conferenciers weitläufig bekannt bin.»Ach« sagte der Witzeerzähler »das stört Sie Männeken? Dann

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eißerSommer
warten Sie mal ab was ich erst im Schlaf alles von mir gebe.
Ich habe mal mit einem geschlafen, der war hinterher drei Tage
lang taub und von Beruf Ohrenarzt. Was sagen Sie nun?«
Ich sagte, ich würde häufig von entsetzlichen Träumen geplagt.
»Normalerweise gerate ich dreimal nächtlich in eine wilde Af
fenherde und steche dann lebensgefährlich um mich.« Dabei
holte ich beiläufig mein Messer aus der Tasche, legte es auf denNachtschrank und bemerkte seufzend: »Das bringt der Beruf
eines Raubtierwärters so mit sich.«
Der Witzeerzähler ging beleidigt aus dem Zimmer. Auch die
andern beiden beendeten ihre Abendtoilette und entfernten sich
nacheinander. Ich war allein, aber ich würde nicht lange allein
bleiben. Nach ein, zwei Stunden waren alle drei gewiß wieder
da, und es würde eine Nacht beginnen, vor der mir schon jetzt
in den schrecklichsten Farben graute. Als ich meinen Wider
willen reichlich genährt hatte, schien mir eine durchbummelte Nacht weniger anstrengend, bestimmt ober amüsanter zu
sein als der Aufenthalt unter drei schrecklichen Männern in
71
einem einzigen Zimmer. Ich ging. Draußen herrsch- . . . . .te ein emsiger Herbst und ließ das heruntertröpfeln, Wir s ~ d ein kul.t1v1ertes Haus wel
was man auch in einer regen Stadt einen Landregen ches einen Schlips verlangen muß.
nennt. Ich wartete auf die Straßenbahn, bis meine Grippe per-
fekt war. Dann gewann ich allmählich den Eindruck, die Kol-
legen von der Berliner Linie 7 4 müßten zur Hilfe in die Fest-
spielstadt geschickt worden sein. Ich nahm ein Taxi. »Zum El-beschlößchen, bitte.«
Ich hatte einen tüchtigen Fahrer erwischt. Als wir anlangten,
war er der Meinung, ich hätte vierzehn Mark zu bezahlen.
»Für dieses Stückchen? Das ist j unerhört «
Er entschuldigte sich, rechnete nach und hatte sich geirrt. Es
machte siebzehn Mark. Ich sagte: »Streiten wir nicht, ein Trink
geld haben sie jedenfalls verwirkt.« Das störte ihn aber nicht,
weil er auf meine zwanzig Mark ohnehin nicht herausgeben
konnte. Immerhin, man soll nicht geizen, wenn man die Nachtsonst mit einem schnarchenden, einem phantasierenden und
einem dritten Mann verbringen müßte, dessen Verdauung er
kältet ist. Der Herr, der im Elbeschlößchen den Einlaß besorg
te, war sehr aufmerksam. Er entdeckte sofort, daß ich zwar ein
solides Strickhemd, aber keinen Schlips trug, wogegen sein
buntes Sporthemd mit einer gelben Krawatte dezent untermalt
war. »Denn wir sind ein kultiviertes Haus, welches einen
Schlips verlangen muß« , sagte er. »Wir leben j nicht mehr im
Jahre sechsundvierzig.«

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72 eißer Sommer
»Sandern im entfalteten Aufbau des Sozialismus« sagte ich
»der nicht zu machen ist wenn man in Tanzlokalen keinen
Schlips umhat.«
»So ist es. Ohne Schlips h t der Mensch keine Moral beim Tan-
zen.« Ab fünf Mark war der Herr langsam bereit meine Moral
zu stützen. Er kramte eine Krawatte hervor die mich ausge-zeichnet verschandelte und ich sagte: »Danke.«
»Es macht zehn Mark« sagte er. Nein ausleihen dürfe er Schlip-
se nicht das wäre schon wegen der Hygiene in diesem kulti-
vierten Haus ganz unmöglich. Angesichts der Schmutzflecke
auf meinem neuen Schlips und eines geradezu hübschen Mäd-
chens das eben eintrat gab ich ihm recht. Auf einen Geld-
schein kam es nun wirklich nicht mehr an wenn ich die näch-
sten Stunden st tt in jenem gräßlichen Zimmer angenehm in
diesem kultivierten Hause verbringen durfte.Das geradezu hübsche Mädchen war übrigens auch dieser An-
Gegen Morgen setzte mein Erinne-
rungsvermögen wieder ein
sicht denn es trank am liebsten weißen Bor-
deaux oder Sekt. Sie tanzte gut war verlobt
und hatte anregende Beine was sich vornehm-
lich unter dem Tisch bemerkbar machte. Ihr
Verlobter sagte sie sei Steuermann bei unserer Fischfangflot-
te. Er mußte sie häufig allein lassen. Das schmerzte sie und
wir einigten uns darauf daß der geteilte Schmerz nur noch ein
halber sei. Auch als ihr Verlobter seinen Fangplan vorfristig er-füllt hatte und kam als wir gehen wollten erwies sich diese
Philosophie als richtig denn er behandelte uns beide gleicher-
maßen rauh wie das Meer.
Gegen Morgen setzte dann mein Erinnerungsvermögen wieder
ein. Zu dieser Zeit wurde ich der Mitropa verwiesen nicht weil
ich die Leute mit unzüchtigen Witzen ermuntert hatte die von
einem Elefanten und einer Maus handelten sondern weil es der
Bahnpolizei nicht gefiel daß ich ohne Fahrkarte in einem halb-
leeren Warteraum saß.Nach einer gewissen Wiederherstellungsperiode erinnerte ich
mich unseres Vierbettzimmers und daß ich trotz allem noch
froh sein konnte. Ich beschloß mich im Hotel wenigstens noch
zu waschen und zu rasieren und meine Sachen abzuholen. Als
ich das Zimmer betrat gähnten mich drei aschfahle völlig über-
müdete Gestalten an. Sie mußten wirklich eine schreckliche
Nacht hinter sich haben. »Na wohlgemht?« fragte ich.
»Wohlgezecht« sagten sie und wiesen wortlos auf die vier Bet-
ten die sämtlich unbenutzt waren.

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eißerSommer
Ralph Wiener
»So, Kollegen«, sagte der Reiseleiter, »heute brechenwir zeitig
auf. Es geht zum Wackelstein «
»Zum Wackelstein?« fragte Ema Bloßfeld, die eine gewisse wissenschaftliche Neugierde niemals verbergen konnte. »Warum
heißt der denn >Wackelstein<?«
Reiseleiter Sehunke setzte seine würdigste Amtsmiene auf.
»Aber Kollegen, das sagt doch schon der Name: Es ist ein Stein,
der bei aller Größe, die er besitzt - auf ihm können nämlich
zirka zwölf Personen stehen- beständig wackelt.«
»Den müssen wir sehen « riefen begeistert die
Touristen aus und standen fünf Stunden spä
ter vor dem seltsamen Naturdenkmal.Albert war der erste, der sich emporwagte.
Das war nicht so einfach, denn es war frischer
Schnee gefallen, und die steilen Steinflächenhatten durch vorhergegangenen Frost eine be-
achtliche Glätte gewonnen. Als Albert oben
angelangt war, wackelte er selbst zwar sehr
merklich; der Stein jedoch stand wie eine
Eiche.
»Bei einem Mann Belastung wackelt er nochnicht « erklärte sachkundig der Reiseleiter.
»Da müssen schon mehrere hinauf «
Albert zog Ema nach oben. Fast. Denn kurz
f
vor dem Ziel rutschte sie aus und landete zu Füßen ihrer Kol-
legen.
Jetzt machten sich drei beherzte Männer an den Aufstieg. Sie
stützten sich gegenseitig und standen schließlich neben Al-
bert. Der Wackelstein rührte sich nicht.
»Ihr müßt mal springen « riet Reiseleiter Sehunke.Die Männer sprangen. Sie sprangen sogar gleichzeitig. Aber es
half nichts. Der Reiseleiter atmete schwer. »Versucht' s mal auf
der anderen Ecke «
Aber auch die andere Ecke zeigte kein Erbarmen.
»Wrr sind zu wenig « verteidigte Albert die Position seines Quar-
tetts. »Die Belastung muß größer werden «
Wohl oder übel versuchten die übrigen Touristen, den Stein zu
erklimmen.
7

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7
Untersuchung vor dem
Start: Im Mittelpunkt
steht der Mensch
•
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Heißer Sommer
Nach einer halben Stunde hatten sie es geschafft. Nur Ema war
wieder ausgerutscht. Resigniert blieb sie unten.
»Alles hört auf mein Kommando « schnarrte der Reiseleiter.
»Wrr stellen uns auf die äußerste Kante und springen bei >drei<
gemeinsam in die Höhe. Eins, zwei, drei «
Die acht Leute sprangen, was die Beine hergaben. Fast gleich
zeitig kamen sie auf. Der Wackelstein wackelte nicht.»Schweinerei « fluchte Reiseleiter Sehunke. »So foppt man die
Touristen «
»Ist das überhaupt der Wackelstein?« fragte Albert skeptisch.
»Natürlich « erwiderte der Reiseleiter. »Es steht deutlich auf der
Karte. Und da unten ist ja auch ein Hinweisschild «
»Sonderbar«, murrten die Touristen und sprangen noch einmal
in die Höhe.
Plötzlich hörten sie von unten Ema Bloßfeld laut auflachen.
»Was lachst du denn so dämlich?« rief Albert wütend hinunter.
Aber Ema konnte sich nicht halten. Sie hatte am Wackelstein
unter dem Schnee eine Inschrift entdeckt, welche lautete:
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•
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Zum Gedenken
an den Heimatforscher
Friedrich August Wackel
1744-1812
- „ - .
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Heißer Sommer
Erwin F B. lbrecht
Die Sonne schien spätsommerlich warm und die Luft roch nach
Grummet Wald und Bratkartoffeln als Emmerich Krampe undFrau Hermine das Gartenlokal »Zum Heidereiter« betraten. Ob
wohl die Kirchturmuhr im nahen Dorf noch nicht zwölf geschla-
gen hatte war der Zustrom der Ausflügler bereits erheblich
und nur mit Mühe ergatterte das ältliche Ehepaar noch einen
freien Tisch im Schatten.
In den Gängen tauchte bald hier bald da eine weiße Jacke aufin der ein beweglicher kleiner Mann von etwa fünfzig Jahren
steckte. Schon jetzt perlte während er große Tabletts mit Glä
7
sern und Flaschen schleppte Speisen servierte Be
stellungen entgegennahm und Auskünfte erteilteder Schweiß auf der Stirn unter dem grauen Schei
Ich fliege schon meine Dame umSie zufriedenzustellen.
tel. Aber mit gleichbleibender Höflichkeit und einer
anscheinend unerschöpflichen Geduld ausgestattet bediente
Kellner Ferdinand seine Gäste trug auf räumte ab notierte
kassierte und half zwischendurch neuen Ankömmlingen aus
dem Mantel oder einem hingefallenen Kind auf die Beine. Jetzt
gewahrte er auch die Signale des Ehepaars Krampe an dem
etwas abseits gelegenen Tisch Nr. 22. »Einen Augenblick bitte
meine Herrschaften ich komme gleich.«Und er kam wirklich gleich. »Guten Tag meine Herrschaften
willkommen im >Heidereiter< Haben Sie schon gewählt? Oder
darf ich etwas empfehlen einen delikaten Entenbraten mit Rot
kohl oder ein schönes Schnitzel mit Blumenkohl oder ne Bock-
wurst mit Salat?«
»Essen nich« erklärte Krampe »wir wollen bloß was trinken.«
»Aber bitte schön mein Herr. Was darf es sein?«
Nanu? Der Kellner blieb freundlich obwohl man keine große
Zeche machen wollte? Argwöhnisch blickte Krampe auf. »Washaben Sie denn zu trinken?«
»Pilsner Bier helles Bier Malz Brause Selters? Oder vielleicht
für die Dame einen Kaffee?« Er verwies einen also nicht mal auf
die Getränkekarte die neben der Speisekarte auf dem Tisch lag?
»Also sagen wir mal zwei Helle« entschied Krampe. »Und recht
schön kühl« ergänzte die Gattin. »Aber nicht zu kalt« schränk-
te Krampe ein. Und noch immer blieb der Kellner ruhig scherz-
te sogar: »Zwei Helle nach Maß bitte sehr bitte gern.«

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7 eißer ommer
Krampe wurde unsicher. Und um sich wieder mehr Halt zu
geben, meckerte er jetzt bewußt: »Aber bitte nich soviel
Schaum «Darauf der Kellner: »Aber nein, mein Herr, wir wis
sen ja, daß Sie sich damit nicht rasieren wollen.« Und jetzt, ausdem gleichen Gefühl wie der Gatte, meckerte auch Frau Her-
mine: »Und bitte recht schnell, wir haben großen Durst « Und
wieder der Kellner: »Ich fliege schon, meine Dame, um Sie zu-
friedenzustellen, obwohl dies, ehrlich gesagt, gar nicht mein
Revier ist. Aber mein Kollege ist noch nicht angetreten.«
Nicht sein Revier? Sprachlos, kopfschüttelnd, mit allen Anzei-
chen völliger Verständnislosigkeit sahen Mann und Frau sich
an, bis Krampe sich entschloß: »Komm , Hermine, wir jehn. Derwill uns uffn Arm nehmen.«
aßt mich den Winterurlaub preisen:
Der Mensch soll nicht nur sommers reisen
Wenn wir den Urlaub recht betrachten,
so stelln wir unumwunden fest:
Es ist durchaus nicht zu verachten,wenn man die andern reisen läßt.
Kein schauerliches Regenwetter,••
kein Arger mit der Nacktkultur,
kein liebestoller Seelenretter
und auch vom Strandfunk keine Spur.
Man kann, ist man daheim geblieben,
mit wenig Mühe und Geduldfast alles auf den Urlaub schieben;
denn wer in Urlaub ist, hat schuld.
Kein Reichsbahnstehplatz und auch keine
Konzert- und Gastspieldirektion.
Daheim jedoch hat man das eine:Die Ruhe als gerechten Lohn.
Hier hat er dies und das vergessen,
dort hat er jenes nicht bestellt.
Wer Urlaub hat, wird unterdessen
daheim ein negativer Held.
Doch leider hat die Praxis Lücken.
Die Nebel wehn, der Herbst ist nah.Jetzt kann man sich vor nichts mehr drücken;
denn jetzt sind alle wieder da.
Drum soll man nicht nur sommers reisen.Ich lob euch Rodelsport und Schi,
Laßt mich den Winterurlaub preisen
Ich selber aber reise nie.Ulrich Speitel

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Ein Schotte ein Russe und ein DDR-Bürger werden gefragt welches
Getränk sie mit in die Sahara nehmen würden. Der Schotte sagt: »Eine
Flasche Wbiksy.• Der Russe: »Eine Flasche Wodka.• Der DDR-Bürgersagt: »Eine Tasse Kaffee und eine Tageszeitung.« Alle wundem sich
und verlangen eine Erklärung. Da sagte der DDR-Bürger: •Ich trinke
einen Schluck Kaffee lese den Leitartikel. da kommt mir der Kaffee
wieder hoch ...«
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8 eißer Sommer
H J tein
Es gibt in Berlin einen Bahnhof, da steht an einem einfachenWasserbecken folgender emaillierter Hinweis: »Kein Trinkwas
ser Jede Verunreinigung sowie, mißbräuchliche Benutzung der
Wasserleitung ist verboten und wird bestraft «
Mich quält die weltbewegende Frage: Wie benutze ich eine
Wasserleitung mißbräuchlich? Wasser, schön und gut, kann
ich mißbräuchlich beispielsweise benutzen, um den Stations
vorsteher vollzuspritzen. Oder um Frau Habermann die Gum
migaloschen vollzufüllen. Oder um soviel Wasser zu trinken -
obwohl das ja verboten ist - bis ich platze und auf dem Bahn
steig liegenbleibe. Wasser, wie gesagt, kann ich andauernd»mißbräuchlich benutzen«. Aber die Leitung?
Ich habe lange darüber nachgesonnen, wie man eine einfache,
reichsbahneigene Wasserleitung aus Messing mißbräuchlich
benutzen kann. Etwas Rechtes ist mir nicht eingefallen. Man
könnte den Daumen auf der Leitung haben - aber das ist ja
nichts Neues. Man könnte die Leitung auch einfach klauen,
aber das wäre ja wieder kein Mißbrauch, sondern Diebstahl.
Es ist schon ein Elend auf den deutschen Bahnhöfen mit die
sen Hinweis-, Gebots- und Verbotsschildern. Lese ich doch unlängst: »Halt Ende des Bahnsteiges « Ja, zum Donnerwetter.
welcher Mensch sieht denn nicht, daß der Bahnsteig an dieser
Stelle zu Ende ist? Meistens stammen all diese Schilder noch
aus der Zeit, da eine Königlich-Preußische Eisenbahndirektion
einem Volk von Halbirren die Grundbegriffe des Reisens beizu
bringen gedachte. Da unsere Reichsbahn offenbar an der Tra
dition festhalten will, seien ihr noch einige Tips gegeben. Gut
zum Beispiel wären an den Bahnsteigkanten Schilder: »Ach
tung Bahnsteigkante Ohren anlegen Hier fährt der Zug ein «Schön wären auch Schilder wie: »Das Bewandeln der Gleiskör
per bei Einfahrt des Zuges ist bahnamtsärztlicherseits unter
sagt « Oder: »Das unbefugte Betasten der Stromschienen sowie
das Inhalieren der daraufhin erfolgenden elektrischen Schläge
ist Zivilpersonen nicht erlaubt « Oder: »Das Wegnehmen der
Dienstmütze des Stationsvorstehers ist bei Strafe verboten «
Mein schönstes Erlebnis hatte ich auf einem kleinen norddeut
schen Bahnhof. Auf der dortigen Station mahnte ein Schild in
ehernen Lettern: »Nicht auf den Boden spucken «Keiner tat es. Nur der Stationsvorsteher.

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eißerSommer
ohn Stave
r OH
Wrr Kleingärtner von der ehemaligen Kleingartenanlage »Frisch
voran« vormals »Königin Luise« erinnern uns heute noch gerne
an unser letztes Erntefest, weil es damals einen sogenanntenZwischenfall gegeben hat.
Die Angelegenheit betraf den Gartenfreund Eduard Frommholt
sowie den Nicht-Gartenfreund Willi Schieske, obwohl die bei
den zwar nicht direkt verwandt, aber eventuell etwas verschwä
gert waren
Ich muß jetzt allerdings ein biß
chen weiter ausholen, damit der
Kern des Zwischenfalls besser her
ausgearbeitet werden kann.Die Sache war die daß unsere ver
ehrte Gartenfreundin Emma Bull
rich, die eigentlich aus Bad Salzun
gen stammte, ganz unerwartet ihre
Augen schloß und auch nicht mehr
aufmachte. Aber dieses Vorkomm-
nis hatte sie offenbar nicht sonder
lich überrascht, weil sie rein testa
mentmäßig Herrn Eduard Frommholt z m Alleinerben ihrer Parzel
le samt Laube und sonstigem Zube
hör eingesetzt hatte.
Eduard Frommholt, das war so ein .
Einzelgänger. Er war unverheiratet,
wohl auch schon Rentner, aber
noch als Chefpförtner in der volks
• •
„
• •
eigenen Gummifabrik beschäftigt. Hin und wieder, wenn ein
besonders schöner Tag war, saßen Emma Bullrich und EduardFrommholt Hand in Hand vor der grün angestrichenen Laube
auf der Bank und sahen zu, wie die Tomaten rot wurden. Der
Kollege Schieske war aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er
war, konnte man sagen, ein Berserker. Kreuz wie ein Kleider
schrank, von Beruf Kohlenträger, Vater von drei Kindern und
leiblicher Neffe von Frau Emma Bullrich.
Aber die Tante konnte den Neffen nicht ausstehen, weil der
Wtlli immer nur zur Erntezeit aufkreuzte, und zwar mit seiner
ganzen Blase, also mit den drei Kindern und seiner etwas dik-
•
·
9
Aber Kollege Verkaufs-
stellenleiter Die lagendoch übers Wochenende
draußen auf'm Hän-
ger

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8
Du dumme kleine Uhr
gehst schon wieder zehn
Gramm vor
eißer Sommer
ken Frau, die in den schönen alten Korbstuhl von Tante Emma
tadellos reinpaßte, jedoch nur schwer wieder herauszukriegen
war.
Dieser Willi Schieske machte im Garten der Tante keinen ein
zigen Finger krumm, im Gegenteil: Er trank sogar den letzten
Sommer über eine ganze Gallone Rhabarberwein aus, den die
Tante selbst angesetzt hatte
Hingegen betätigten sich die Kinder sehr eifrig im Garten. Sie••
zertraten die Beete, brachen Aste von den Obstbäumen und
zertrümmerten einmal sogar das von Eduard Frommholt mit so
viel Liebe errichtete Klosett
Wenn die Familie Schieske auf dem Grundstück von Emma
Bullrich weilte, wurde Eduard Frommholt nie
vorgezeigt. Erst nach Abzug der Schieskes stell
te er sich wieder ein, beseitigte die Trümmer und
harkte den Garten sauber.
Doch Schieskes wußten, was hier gespielt
wurde, zumal ihr mittleres Kind einmal beim
Spielen unter dem Bett der Tante ein paar männ
liche Hosenträger entdeckt hatte ...
Und Schieskes ahnten sogar, daß ihnen die Parzelle einmal, wenn es soweit war, durch die Lap
pen gehen würde. Möglich, daß sie deswegenwie die früheren Vandalen hausten, damit sie we
r · nigstens etwas von dem Grundstück haben konn-ten. Kurz und gut: Die Frau Bullrich war nun
tot, und das Grundstück in unserer Kleingartenanlage »Frisch voran« vormals »Königin Luise« wurde von Edu
ard Frommholt sozusagen verwaltet. Ich komme jetzt gleich auf
den sogenannten Zwischenfall, den ich zum Anfang nur kurz
andeutete, zu sprechen.
Die Sache war die, daß es eine alte Tradition gab, und zwarnoch von »Königin Luise« her. Es handelte sich um den größ
ten Kürbis der ganzen Kolonie, also Anlage. So eine Kleingar
tenanlage hat übrigens - das möchte ich bei der Gelegeneit
einmal einfließen lassen - umweltfreundlichen Charakter und
sollte deshalb erhalten bleiben, obwohl diese Einsicht für
»Frisch voran« ein bißchen zu spät kommt Leider. Jedenfalls
war bei diesem Wettbewerb Emma Bullrich immer gut im Ren
nen gewesen. Dreimal hatte sie sogar die Siegestrophäe davangetragen. Einmal bekam sie ein Heizkissen, dann einen Suma
tic-Wecker und ferner einen Zimmerspringbrunnen, der heutein der Stadtwohnung von Eduard Frommholt sprudelt.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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eißerSommer
Wenn wir im Vorstand über die Kürbisse im allgemeinen spra
chen, da gab es stets die einhellige Meinung, daß Emma ihre
am schönsten waren. Auch diese Tatsache war der Familie
Schieske nicht verborgen geblieben
Nun war es klar, daß der Alleinerbe Frommholt die Erfolgsse
rie von Emma Bullrich fortsetzen wollte. Und so sah man, als
es Mai wurde, den guten Eduard hinter dem Häuschen, alsonicht hinter der Laube, wie er die Kürbiskerne sorgfältig in die
Erde steckte. Er hatte sie vorher in Blumentöpfen etwas kei-
men lassen, weil Emma Bullrich es auch so gehalten hatte.Das war überhaupt die Grundlage ihrer Erfolge, daß s ie Pfer
demist in zirka S Zentimeter tiefe Löcher tat, mit einer etwa20 Zentimeter dicken Schicht Mistbeeterde bedeckte, und darin
die vorgekeimten Kerne versenkte.
Aber so sehr sich Eduard Frommholt auch mühte: kein Kürbis-
trieb ließ sich blicken. Gartenfreund Frommholt überlegtelange, was er falsch gemacht haben könnte, doch er kam nicht
dahinter. Erst nach einer ganzen Weile - es war schon Ende
Juno, und in der Anlage hatten Hunderte von Kürbissen dasLicht der Welt erblickt- kam Eduard Frommholt auf den Trich-
ter.
Dieser verdammte Bösewicht und Nicht-Gartenfreund Schieske
hatte nachts die Kürbiskerne ausgegraben und in die vorschrifts
mäßig gedüngten Löcher zusätzlich auch noch Unkraut-Ex ge-
streut Das mit dem Unkraut-Ex kam erst später bei der Ver-handlung zutage, als der Vorstand dem Kollegen Willi Schies
ke und seiner ganzen Sippschaft ein Anlagenverbot erteilte.
Doch nun geschah das Wunder Trotz der frevelhaften und ver-
abscheuungswürdigen Tat dieses Kollegen Sch. steckte eines
Tages an dem betreffenden Tatort ein kleiner Kürbis seinen
Kopf aus dem Boden, und nach ein paar Tagen konnte man ihn
mit bloßem Auge von der Straße aus hinter dem Häuschen rot
gelb hervorlugen sehen Das brachte Willi Schieske, der mit
einem künstlichen Schnurrbart und einer ebensolchen Brilleverkleidet an der Frommholtschen Parzelle vorbeischlich, völ-
lig aus dem seelischen Gleichgewicht. Und so dachte er sich
eine neuerliche Hundsgemeinheit aus .. .
Ich will jetzt gleich zu dem sogenannten Zwischenfall kommen
und deshalb nur kurz erwähnen, daß der Kürbis unseres Gar-
tenfreundes Eduard Frommholt das größte und schönste Me-
lonengewächs der ganzen Kleingartenanlage »Frisch voran«vormals »Königin Luise« wurde
Und dann kam der Tag des Erntefestes. Die Sonne schien, die
8

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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8
Im Bahnhofsrestaurant: »Herr Ober,
ich kaue schon 20Minuten auf diesemSchnitzel herum.«»Sie können ruhig
weiterkauen, mein
Herr, Ihr Zug hat40 Minuten Verspä-tung.«
Heißer Sommer
Spatzen tirilierten, die Parzellisten hatten ihre Sonntagsanzü
ge angezogen, und alle waren aus dem Häuschen. Hinter der
Blaskapelle schritt der Vorstand. Es war eine schöne Tradition, daß der größte Kürbis der Anlage, in diesem Fall »Frisch
voran«, an Ort und Stelle ausgezeichnet wurde. Die Kapelle
wußte schon von ganz alleine, wo sie haltmachen mußte: bei
Emma, Nachfolger Eduard. Von demselben war jedoch keineSpur zu sehen, aber die Gartenpforte stand weit offen. Einmächtiger Kürbis lachte den Weg herunter, der von umgedreh
ten leeren Flaschen gesäumt wurde. Beinahe hatte man denEindruck, der Kürbis sei über Nacht noch um beträchtliche
Zentimeter gewachsen.Vor der offenen Pforte hielt die Blaskapelle an, und der Vor-
stand wartete, daß Gartenfreund Frommholt zur Begrüßung
herauskommen sollte. Aber er ließ sich nicht blicken. Statt
dessen trat der von mir schon lange ange, kündigte sogenannte Zwischenfall ein Plötzlich teilte sich das Gebüsch, und eine
dunkle Gestalt mit Schnurrbart und schwarzer Brille schoß
heraus und drang in das Grundstück des Gartenfreundes
Frommholt ein. Die Gestalt zog unter dem Umhang einen
schweren eisernen Knüppel hervor und holte zu einem gewal
tigen Hieb auf den Stolz der Kleingarten-Anlage aus.
Den Zuschauern stockte der Atem. Einige hielten sich in Er-
wartung eines unangenehmen Geräusches die Ohren zu. Dann
sauste der Knüppel nieder. Aber es war kein Bersten der Rie-
senfrucht zu hören. Es machte vielmehr »plong« oder »dang«.
Der Knüppel wurde dem Attentäter aus der Hand geschlagen,
und dieser stand einen Augenblick lang ganz verdutzt oder ver-
dattert da. Dann heulte der Kollege Schieske wütend auf, stürz
te sich auf die Spezialanfertigung aus der Gummifabrik und
schleuderte den Ball von 1,20 Meter Durchmesser gegen den
Vorstand und die Blaskapelle.
Der Ball landete jedoch auf dem Stacheldraht des Gartenzaunes und zerplatzte.
So denken wir noch heute gerne an diesen sogenannten Zwi-
schenfall zurück, obwohl wir im Grunde selbst die Leidtragen
den oder Hereingefallenen waren. Und es ist j auch im Proto
koll festgehalten, das von der betreffenden Verhandlung ange
fertigt wurde. Genau wie der Ausspruch unseres Vorsitzenden,
des Gartenfreundes Siegfried Trautmann, der haargenau des
Pudels Kern traf: »Der liebe Gott läßt die Kürbisse nicht in denHimmel wachsen «
Willi Schieske hieß er mit bürgerlichem Namen.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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84•
Höher schneller weiter
Erwin F B. Albrecht
»Wir begrüßen jedes Mitglied«, empfing mich der Trainer der
»Gemeinschaft Deutscher Sportzecher«, Herr Gastwirt i. R.
Christoph Glucker, »das unserem schönen Sport den nötigenErnst entgegenbringt. Witzbolde, Trudelheinis und Suffköppe
haben bei uns nichts zu suchen.«
»Aber das Zechen«, wollte ich, stolz auf meine Kondition, ihn
unterbrechen, »dient doch eigentlich auch der -«
»Das Zechen zerfällt in drei Disziplinen«, belehrte der Trainermich, »a) Flasche, b) Molle und Schnaps, c) Universal. «
Ich leckte mir unwillkürlich die Lippen.
»Der Kampf geht selbstverständlich immer blind vor sich«, fuhr
der Experte fort, »da es unser sportliches Ziel ist, den Bierdek
kel ohne Zuhilfenahme der Augen möglichst zentral zu treffen.«
»Macht nichts», dachte ich, »es schmeckt auch blind.«
»Der Turnierdeckel ist dann natürlich etwas kleiner als der••
Ubungsdeckel«, erklärte Glucker, »aber ehe Sie in die Meister-
Der Vorstand blieb hart bedrohte
jeden renitenten Aktiven mit
sofortigem Ausschluß.
klasse kommen, wird j noch einige Zeit verge
hen. Wir treffen uns sonnabends um 20 Uhr, der
Beitrag beträgt monatlich zwei Mark. Wenn Sie
also Lust haben ... « Natürlich hatte ich Lust, bei
dem Beitrag »Also dann auf morgen um acht inder Turnhalle«, sagte der Zechtrainer, »und in Sportkleidung.«
Nachdem ich mir am nächsten Abend im »Anker« ein zünftiges
Eisbein einverleibt hatte, war ich pünktlich zur Stelle, nahm
unter etwa zwölf Sportfreunden Platz und ließ mir, berstend vorSpannung, zu einem Probetest die Augen verbinden. Vor mir lag
der Bierdeckel, einer drückte mir ein Glas in die Hand, ich
wollte ansetzen ... »Nicht so hastig«, rief mir jemand vom Vor
stand zu, »es wird alles gewertet, Glasführung, Lippenansatz,
Gesamthaltung, Schluckvolumen, Mundwischen mit der Handbedeutet Disqualifikation. Und nun Achtung, auf >los gehts
los. Los « Ich setzte an, trank ... und stellte das Glas entsetzt
zurück, natürlich daneben. Es enthielt Wasser. Kohles, labri
ges Leitungswasser. War ich das Opfer eines Scherzes gewor
den? Aber nein, niemand lachte. Nur der Gerätewart ließ sich,
während er mir die verrutschte Binde zurechtrückte, mahnend
vernehmen: »Du hast doch hoffentlich nicht gedacht, daß hier
gesoffen wird? Los, starte «Ich hätte es nicht für möglich gehalten - mit der Zeit begann
die Sache mir Spaß zu machen, ja, mein sportlicher Ehrgeiz er-

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Höher, schnelle r, weiter•
wachte, und bei den bald darauf stattfindenden Vereinsmeisterschaften gelang es mir sogar, in der Flaschendisziplin mit dem
Titelhalter punktmäßig gleichzuziehen.Aber mehr noch. Ich wurde ein Wasserfeinschmecker und rißmeine Sportfreunde auf diesem Wege mit. Gegenseitig brachten wir uns Kostproben des heimischen Wassers, beurteilten
sie nach ihrem Bouquet und der Süffigkeit und erfreuten unsbald einer Gesundheit, wie nur echter Sport sie verleiht.
8
Da begannen sich in der Gemeinschaft erste Anzeichen einerKrise bemerkbar zu machen. Ein Vorstandsmitglied behauptete fest, er bemerke eine Umformung seines Kopfes in einenWasserkopf, einem Sportfreund lief dauernd dasWasser im Mund zusammen, ein anderer wollte „.= ·== .„... · ~ ; ; ; ; „ r : = : : : : : : = ~ ~ = = ~wiederholt ins Wasser gehen, und bei der Ver-
einssekretärin zogen auf einmal die Strümpfe
Wasser. Unser Trainer behauptete, ihm wüchsenSchwimmhäute, und ich begann bei unseren Trai-
ningsabenden zu tauchen, wenn auch nur unterden Tisch. Der Vorstand schritt zur Tat. »Wegen
Übertrainierung«, beschloß er »werden die Ver-
sammlungen zwecks Ausgleichssport auf Kostender Mitglieder in den >Anker< verlegt. Sportkleidung und Augenbinden kommen in Fortfall. Als••
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Ubungsgetränk dient Pilsner.«•, \ / I I
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Wir Mitglieder wehrten uns mit Händen undFüßen, wir baten um Pfefferminztee, wir schlugen Malzkaffee vor - vergebens. Der Vorstand
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blieb hart, bedrohte jeden renitenten Aktiven mit sofortigemAusschluß und suchte uns durch die Ausschreibung eines Pilsnerzehnkampfes abzulenken.Seitdem können Sie uns jeden Sonnabend im »Anker« beimAusgleichssport sehen. Hart wie wir sind, würgen wir in tadelloser Haltung das widerliche Bier hinab. Sport ist nun einmal
kein Zuckerlecken, und zuweilen bringen wir sogar das Opferden Turniervorschriften entsprechend auch noch fröhlich »Ein
Prosit der Gemütlichkeit« zu singen. Nach drei, manchmal auchvier Stunden härtesten Trainings erst, bisweilen sogar nochspäter, pflegt unser erster Vorsitzender das erlösende Wort zu
sprechen: »Schlußpfiff, Freunde Und weil ihr alle so gut inForm seid, gehen wir jetzt noch auf ein Stündchen in die At-
lantikbar hinüber. Sie hat das beste Wasser.«
Und darin hat unser Vorsitzender recht. Das Wasser ist dort von
geradezu kristallener Klarheit und hat ein hocharomatischesBouquet. Sie nennen es Kirschwasser.
1/ 1
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>>Nein ich habe hier in
der Nähe noch keinen
erg gesehen.<<

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8
Der erfolglose Mittelstürmer derDDR-National
mannschaft stehtim Himmel vorPetrus.Fragt der ihn ganzerstaunt: »Wie hastdu denn das Torgefunden?«
Höher schneller weiter
lf ed Schiffers
Am ersten Tag nach Saisonbeginn habenwir unsere erste dies
jährige Niederlage, die eine sehr empfindliche ist, hinnehmen
müssen. Unser Gegner war recht schwach. Wir konnten diese
Niederlage nur erreichen, indem wir noch einen Zahn schwä
cher waren. Wir werden aus dem verlorengegangenen Spiel
lernen und eine Auswertung vornehmen
Nach der ersten Niederlage haben wir nun die zweite an un
sere Klubfahne heften müssen. Der einzige Trost ist, daß wir
den gegnerischen Torsteher förmlich an den Rand des Ein
schlafens gebracht haben, was noch keiner Mannschaft vor
uns gelungen ist. Trotzdem ist an dem empfindlichen End
resultat von 6:0 leider nichts zu ändern. Die von uns vorgese
hene Auswertung wird bestimmt wertvoll sein
Das war ein Sonntag Allein unsere Niederlage dem Dunst in
der Halle in die Schuhe zu schieben wäre unfair. Vielleicht
war die Umstellung nach der Halbzeit die Wurzel des 10:0-
Fiaskos. Die Aussprache vor dem Kollektiv wird uns weiter
helfen. Wir sind schon alle sehr gespannt.
Heute war wohl der bisher dunkelste Sonntag für uns 12:0
ist kein Pappenstiel Die Brüder vom SC »Heimatklang« soll
ten sich aber nicht allzuviel einbilden Immerhin haben wir
ebenfalls zwei Treffer erzielt. Wenn auch ins eigene Netz. Auch
dieses Spiel wird Thema unserer Aussprache sein.
Gestern abend fand die mit Spannung erwartete Aussprache
statt Diese Auswertung wurde etwas vorgezogen, weil der
Kreis nach dem letzten Spiel darauf drängte. Da der Ball von
der 59. Minute ab in der Zuschauerkulisse verschwunden war,
ließen wir - das muß offen ausgesprochen werden - dem Geg
ner mal wieder keine Chance, seinen knappen 10:0-Vorsprung
weiter auszubauen ) Die Kritik unseres Trainers Karl Matzke
an den bisher gelieferten Spielen war aufschlußreich. Als beste
Spieler unserer Hallenhandball-Mannschaft bezeichnete er dieSportfreunde Meier, Schulze, Lehmann, Krause, Ellrich, Sut
ter, Buttermann sowie die Auswechselspieler Veith, Sack, Utikal, Karbinkel, Rupps und Fliederbusch.

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Höher schneller weiter
Rudi Strahl
oro sto
In den letzten Tagen des Jahres wurde mir eine große Ehre zu
teil: Ich durfte den weitestgereisten Mann unseres Landes in
terviewen Er hat in den vergangenen zwölf Monaten eineStrecke zurückgelegt, die etwa dreimal um den Äquator reichte; außerdem aber war er an verschiedene Punkte des Erdballsgelangt, die zur Zeit seines Aufenthalts gerade Brennpunktedes Weltgeschehens waren.»Wer also wäre berufener als Sie, verehrter Meister«, sagte ich,»unsern Lesern ein paar Worte über das zu sagen, was sich -in Ihrer eigenen Rückschau - als das Wesentlichste des ver
gangenen Jahres erwiesen hat?« Er meinte schlicht, daß dazuwohl niemand kompetenter wäre. Und wo er, beispielsweise, be-
ginnen sollte.»Nun«, sagte ich, »in Afrika beispielsweise, jenemErdteil der ... «Ja, ja, sagte er, ,,ich weiß schon - in Afrika also.Also das war so: Ich wurde, wie immer, in die Na
tionalmannschaft berufen und flog ruhigen Her-
zens hin nach Afrika, denn ich hatte mich, wie
immer auf meine Starts sorgfältig vorbereitet.Am Tage des ersten Wettkampfs jedoch ... «»Verzeihung, Meister«, sagte ich, »Ihre rein sportlichen Erlebnisse und Erfolge haben wir ja sei-nerzeit schon erfahren und gewürdigt. Das heißt
...«Er schien ein bißchen gekränkt, daß ich ihn unterbrochenhatte, denn er runzelte die Stirn und fragte: »Das heißt was?«»Das heißt«, sagte ich vorsichtig, »daß wir darüber eigentlichnicht mehr zu reden brauchten ... «
Aber ich schien doch nicht vorsichtig genug gewesen zu sein.Seine Stirnfalten vertieften sich zusehends, und anklagendmurmelte er: »Aha. Darüber brauchenwir nicht ... Ja, der Ruhm
ist vergänglich Aber damals, als ich gewonnen habe ... «»Und wie Sie gewonnen haben « rief ich. »Glauben Sie mir, Ge
nosse, die dankbare Nation wird es Ihnen nie vergessen Ichmeinte ja auch nur: Heute befrage ich Sie nicht als den Verdien
ten Meister des Sports, sondern als den weitestgereisten Mann
unseres Landes. Verstehen Sie? Und als einen welterfahrenen
Zeitgenossen schlechthin, denn wie schreiben doch alle IhreBiographen?«

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Höher schneller weiter
»>Er ist nicht nur ein Sportler , zitierte er, rasch versöhnt und
sogar aus dem Kopf, »>ein aktives Mitglied unserer Gesell
schaft, ein Mensch, der mit offenen Augen durch die Welt geht
... <Meinten Sie das?«
»Ja«, sagte ich glücklich, »das meinte ich. Und ich erbitte Ihr
Urteil über das, was Sie gesehen und sogar miterlebt haben,
wie man sagt. Das war doch gerade ... «»Die große Hitzewelle«, sagte er nachdenklich. »Die selbst für
Afrika ungewöhnliche Hitzewelle Das Stadion glich einem
Backofen. Dennoch, sagte ich mir, dennoch mußt du gewin-
nen Ich ging also an den Start und ...«
Und natürlich wagte ich nicht, ihn schon wieder zu unterbre
chen. Ich ließ mir das Rennen bis zum furiosen Ende schildern
und kriegte auch die Blumenkränze zu sehen, die man ihm an-
schließend um den Hals gewunden hatte.
»Wunderschön«, sagte ich. »Und, nicht wahr, besonders wertvoll, weil von Menschen gewunden, die mitten im Kampf gegen
die Fremdherrschaft standen «
»Freilich«, sagte er stolz. »Und erst das Gewühl, als ich das Sta
dion verließ. Mir standen direkt Tränen der Rührung in den
Augen, als sich ein Verwundeter mein Autogramm auf seinen
Verband schreiben ließ «
»Sie haben also auch das Leben gesehen, das außerhalb der
Arena pulsierte«, sagte ich erleichtert.
»Gewiß doch Auf dem Wege ins Hotel rief alles >Vivat <, als ich
vorbeikam. Und dann habe ich auch >Vivat < gerufen - was
etwas heißen will nach solchem anstrengenden Kampf und bei
dem Staub dort unten. Da war nämlich gerade eine große Hit-
zewelle, wissen Sie ... «
Sie wird ihm nicht bekommen sein, dachte ich. Und dann lenk
te ich unser Gespräch auf die Tatsache, daß er wenig später
nach Kuba gefahren sei. Wo ja gerade ...
»Wo ja auch gerade allerhand los war«, sagte er. Und ich atme
te auf. Kuba si - Yankee no Jetzt hatte ich ihn dort, wo ich ihn
haben wollte
»Ja«, sagte er nachdenklich, »ein gewaltiger Regen es goß nur
so vom Himmel herunter ... «
»Was aber keinen besonderen Einfluß auf den Gang der Dinge
hatte«, scherzte ich. Ich hätte es lieber sollen bleiben lassen,
denn er fuhr in die Höhe und rief erzürnt: »Was? Keinen Ein-
fluß? Die Aschenbahn war so aufgeweicht, daß ich barfuß lau
fen mußte Sind Sie schon mal barfuß ein internationales Ren-
nen gelaufen, Sie?«
89
»Im August 1961•
haben sich überfünfzigtausend Bür-
ger beim Leichtath
letikverband angemeldet.« ·
»Tja, unsere Men-
schen sind eben
sportbegeistert ... «»Sie wurden abernicht aufgenommen.«
»Warum denn ·
nicht?«
~ S i e wollten Stabhochsprung trainie
ren ...«

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Woche des Waldes:
>In Anerkennung ausge-
zeichneten Wachstums
befördere ich das ge-
samte Unterholz vom
Jagen 5 2 zum Ober-
holz
Höher schneller weiter
Tief beschämt gestand ich, daß ichs noch nie getan hätte.
»Na also« sagte er, »dann unterlassen Sie solch albernes Ge
fasel. Außerdem muß ich jetzt zum Training. Und Sie haben
auch wohl genug nicht?«
Das hatte ich. Und dann ging ich den zweitweitestgereisten
Mann des Jahres interviewen: einen Konzert-Virtuosen der••
zweimal um den Aquator gekommen war. Und von dem alle Bio-
graphen sagten er sei nicht nur ein großer Musiker sondern
auch ein Mensch der mit offenen Augen durch die Welt gehe.
Er empfing mich auch gnädig fragte wo er beginnen solle und
begann: »Also, das war so: Ich wurde wie immer, mit gewal
tigem Beifall empfangen und ging ruhigen Herzens an denStart ... «
Nicht doch Er sagte: »In den Konzertsaal ...«

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Höher s hneller weiter
Hansjoachim Riegenring
Ich habe sie entdeckt Eine der schönsten Sportarten - die
Jagd Als Anfänger macht man natürlich Fehler und weiß auch
nicht, wie man sich richtig verhält, wenn einen das Jagdfiebergepackt hat.Im Schaufenster waren Jagdausrüstungen ausgestellt. Klei
dung - alles in Waldesgrün natürlich. Jagdtaschen, Jagdmes
ser und ein richtiges Jagdhorn. Ich stellte mir vor, wie ich drauf
im Wald und auf der Heide »Im Wald und auf der Heide« bla
sen würde.
Da kam sie. Sie schwebte vor das Schaufenster und betrachte
te interessiert die ausgestellte Jägerlust. Ich pirschte mich
einen halben Schritt näher. »Das Jagdhütchen würde Ihnen gutstehen«, begann ich vorsichtig, um sie nicht zu verschrecken.
Sie sah und hörte mich anscheinend nicht. Wunderschöne
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große Mädchenaugen hatte sie, und eine Figur
- bei diesem Anblick hätte selbst Hubertus einen
Zwölfender schießen lassen. Von anderen.»Wenn ich Sie mir so in der grünen Jacke vorstelle«, ging ich einen Schritt weiter, »die braune Le-
Bleib anständig sagte ich mir du bist
hier wie der Weidmann sagt auf
dem Anstand.
dertasche an der einen Seite-«, und mich an der anderen, woll
te ich eigentlich sagen, aber so weit waren wirwohl noch nicht.Sie sah mich nicht und hörte mich nicht. Ich hätte sie j nun
mit Diana vergleichen können oder ihr sagen, daß sie auch als
Amazone phantastisch aussehen würde -
Ich verkniff mir das alles. Bleib anständig, sagte ich mir, du
bist, wie der Weidmann sagt, hier auf dem Anstand. Vielleicht
ist es eine Ausländerin, fiel mir ein, und versteht dich gar nicht.
Ich lächelte sie in vier Sprachen an.
Keine Reaktion. Sie guckte mit unbeweglichem Gesicht auf
eine wunderbare Jagdtasche.Ich gebe zu, beinahe hätte ich die Jagd aufgegeben. Da entdeck
te ich im Schaufenster ein Buch: »Ansprechen des Muffelwil
des«. Genau das brauchte ich. Ich sagte: »Warten Sie einen Au
genblick, ich bin gleich wieder da.«
»Oh, Sie wollen mir die Jagdtasche kaufen, ja?« sagte sie da mit
strahlenden Rehaugen. »Sie sind aber nett «
So einfach ist das. Halali.

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92 Höher schneller weiter
John Stave
War wir ~ J O a 8 8 t a i s t a r 962
Lichtenberg zeichnet sich dadurch aus, daß es ein Stadtteil
von Berlin ist. Vor allem, daß es die, wenn auch nicht immer
objektivsten, so doch sachverständigsten Fußballzuschauer besitzt; ihr Stammlokal ist die Budike »Zu eisernen Schienbein«.Wir blenden uns ein:
»Ick wer euch ma wat sagn. Wenn se damals Lichtenberch
4711 als Auswahl von unse Republik gejen Wehls und die
Schee-Es-Er hättn spieln gelassen ... «
»Diß stimmt Unse Jungs, die wärn bestimmt nach Schwedengefahm.«
»Man hätt se ja nbißken verstärkn können«, meint nun Exper
te Ossi, »durch Trögern, Moppel Schröter und die beeden Wolfs.Ick wette ... «
ooch für Buschner und Binges Müller.«
»Momang ma«, un
terbricht Egon, »den
Wirbel haste noch
vergessn, überhaupt
die vom ASK. Denn
soo schlecht is der
Meyer janich. Und
uff Spickenagelkannsta ooch verlassn. «
»Und Manni Kaiser
wie :finntan den?«
»Kla, den noch und
Herbert Schoen «
»Na, dann bin ick
»Mann, wat wär Lichtenberch 4711 dann für ne dufte Mannschaft «
»Nu is doch aber jakeener mehr von unse Jungs dabei.«
»Macht nüscht, Ottochen Dafür hätten wa unsan Schiedsrich
ter mitgenommen - und mit dem wärn wa bestimmt Weltmei
ster geworden «
»Na, was nich is, kann ja noch werdn Herr Wirt, drei doppel
te Klare uff den Weltmeista von 1962: uff Lichtenberch 4711 «

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Unter vier Augen
Peter auglitz
Der Frost hatte sich verdrückt.
Die Berliner Luft, die die Passanten sonst nur hastig geschnappt hatten, wurde von ihnen genießerisch inhaliert.»Ah«, sagten sie, »Vorfrühlingsluft «Das Straßenbild wies helle Flecken auf: winterlich bleiche
Glatzen, die sich das erste Mal unbekleidet der Sonne entgegen reckten.
»Üh«, sagten ihre Inhaber, »Vorfrühlingssonne « Sebastian, ein
•
•
junger Mann, der soviel Vorfrühlingsluft geatmet hatte, daß er beschloß, ein kleinesInserat aufzugeben, schritt beschwingt zur
Inseratenannahme.
Hinter zwei dicken Mauem, neben demSchild »Wir beraten Sie in allen Inseraten
fragen« s ß Beate, ein inseratenkundiges
Mädchen, und fröstelte.
Da tr t Sebastian vor sie hin.»Ich möchte ein Inserat aufgeben « sagte er.»Ein Kauf-, Verkauf-, Tiermarkt- oder Such
inserat?«erkundigte sich Beate.
»Ein Suchinserat«, entgegnete Sebastian
furchtlos, »ich suche nämlich eine Freundin «»Wo ist Ihnen die junge Dame denn abhan
den gekommen?«»Verstehen Sie mich richtig«, stammelte
Sebastian, »ich suche eine neue, eine, dieich noch gar nicht kenne «»Ein Heiratsinserat also«, bestimmte Beate
und ergriff ihren Bleistift.
»Ein Freundin-Suchinserat nur«, erklärte Sebastian und über
reichte Beate den Text desselben.
»Lese ich richtig«, fragte diese, »soll das hier >Amor lebt< heißen?«»Sicher«, erwiderte Sebastian, »warum sollte er nicht mehr
leben?«»Und das wollen Sie als Titelzeile haben?« wunderte sich dieinseratensachverständige Beate, »SO was hatten wir noch nie.

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Unter vier ugenr
Viel werbewirksamer wäre statt dessen ein Wort, das Ihren
Beruf anzeigt, oder haben Sie keinen zugkräftigen?«»Ingenieur bin ich«, sagte Sebastian, »doch ist mir Amor wich-tiger «»Schreiben wir doch lieber: >Ingenieur; amourös ...< forderte
Beate.
»Lassen Sie den Amor leben«, bat, bleich geworden, Sebastian.»Fettdruck, mein Herr?«»Vollfett, bitte «
»Dann weiter im Text«, murmelte Beate und las halblaut: »Jun-ger Mann, Sebastian ...«
»Sie heißen selbst Sebastian?« fragte Beate.
»Ja doch «»>Ledig<«, las Beate, »>einsachtundsiebzig, Mittzwanziger, Brat
schist aus Neigung ... < da sind Sie also eine rt Kücheninge
nieur?«»Nein«, erwiderte Sebastian gequält, »Bratsche spiele ich zumeinem Vergnügen «»Und das hier soll wohl >voll Lebensgefühl<heißen?« wunder
te sich Beate. »Das möchte ich umformulieren.«
Derweil Beate es tat, warf Sebastian einen Blick zum Fenster
der Inseratenannahme hinaus, sah einen Vogel, der ein Liebes-lied probierte, und seufzte andeutungsweise.
»Haben Sie außer dieser Bratsche nicht noch einen Motorrol-ler?« erkundigte sich da Beate.
»Ein Auto«, antwortete Sebastian, »aber das gehört doch wohlnicht ins Inserat?«
»Wohin sonst? Und eine eigene Wohnung, haben Sie die auch?«»Eine Wohnung, ein Paddelboot und einen Fernseher «
»Und da suchen Sie, wenn ich richtig lese, ein junges Mädchen
kennenzulernen, ganz einfach ein junges Mädchen, ohne alles?«
Beate konnte das nicht fassen.
»Das genügt mir vorerst«, sagte Sebastian und sah peinlich be-rührt zur Tür, durch die gerade eine jüngere Dame eintrat, dieverschämt einen Zettel aus der Handtasche hervorholte.
»Ich bin verpflichtet, Sie auf den drohenden Mißerfolg Ihres In-serates aufmerksam zu machen, wenn Sie an die Person der
gesuchten Dame keine weiteren Bedingungen knüpfen « warn
te Beate. »Die treffliche >Suche intelligent-sportlich-mondäne,
platinblonde Zwanzigerin mit Eigenheim, Vermögen und Segel
flugzeug< brachte dem Inserenten allein hunderteinundneun
zig Zuschriften begeisterter intelligent - sportlich - mondäner
z · r
Anfrage an den
Sender J rewan:: »Darf im Komm -
· irismus der Chef ·
·mit seiner Sekre
tärin ins Bettgehen?«.,Antwort: »Im Prin-
·nein. Aber .. " .
· wenn er es tut
9
sind das noch Überbleibsel der alten-sozialistischen
, Moral.«

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Zwanzigerinnen, die sowohl über platinene Haare als auch über
Segelflugzeuge, Eigenheim und Barvermögen verfügten «
»Wenn ich aber ein einfaches Mädchen suche«, wagte Sebasti
an einzuwenden.»Die es in unseren Inseraten schon lange nicht mehr gibt, mein
Herr. Sie sollten sich wenigstens für eine kunst- und naturlie
bende, allinteressierte, solid-moderne, blauschwarze Zwanzige-
rin mit Motorboot entscheiden.«»Gut«, sagte Sebastian, der bemerkte, wie die junge Dame hin-
ter ihm bereits an ihrem Inseratentext herumänderte, »lassen
Sie wenigstens das Motorboot weg, ich mags nicht «
»Sie gehen an Ihrem Glück vorbei«, prophezeite die sachkun
dige Beate, »wer wenig verlangt, bekommt auch nicht viel «
Der Dame hinter Sebastian schien dieser Ausspruch so zu ge-
fallen, daß sie ihren Text wiederum änderte. »Kein Motorboot «rief Sebastian.
»Da nehmen wir am besten auch den Amor raus, um dafür
Ihrem Auto eine fette Zeile zu geben«, riet Beate.
Da aber Sebastian keinesfalls gewillt war, das Leben Amors
einer raffinierten Werbetechnik aufzuopfern, sagte er zu Beate:»Soll ich Ihnen beweisen, daß Amor lebt?«
Die regsame Beate, die auch nur ein Fräulein war, errötete.
Und die Dame, die immer noch hinter Sebastian stand, kicher
te erwartungsvoll.Beate kürzte wortlos den Inseratentext. »Achtunddreißig fünf-
zig und den Personalausweis << bat sie sodann mit schwacher
Stimme.»Mit dem größten Vergnügen « sagte Sebastian und reichte ihr
beides. Dann trat er hinaus in den Vorfrühlingstag und stelltefest, daß eine ganz leise Musik in der Berliner Luft lag.»Lebt Amor wirklich?« fragte in diesem Augenblick die junge
Dame, die solange hinter Sebastian gestanden hatte und nun
dran war.»Er lebt«, erwiderte Beate schlicht, »ich habe mich soeben
davon überzeugen können «
Am Sonntag erschien dann Sebastians Inserat.Es lautete: »INGENIEUR, Sebastian, Mittzwanz.,
178/led., eig. Wagen, Fernseh., Boot,
Bratsche u. Waschmasch. vorh.Sucht: Kunst- u. natlbd., allinteress., solid-
modern, blauschw. Zwanziger. kennenzul.
AMOR LEBT «

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• •
Meier zu Krause: »Da hat neulich der Genosse Schulze
seine Frau mit einem anderen im Bett überrascht. Erreichte die Scheidung ein. Das Gericht sprach ihn schul-dig.«Entsetzt fragt Krause: »Wieso denn das? ann ich
nicht verstehen « »Na verstehmal«, sagt Meier »hätteGenosse Schulze das Parteilehrjahr nicht eine Stundevorzeitig verlassen, hätte es auf keiner Seite irgendwelche Probleme gegeben.«
-. -
••
•
•
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· .Seitdem ich mit der Kortoffelschölmoschine arbeitekommt das leisch erst so richtig zur Geltungr
•
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.
•
Na hören Sie ich kann
doch meinen echten
Schmuck nicht so offen
herum-tragen
\
\
•
Unter vier ugen
Joachim Priewe
Frauen untereinander haben, falls sie sich nicht gerade zanken,
Geheimnisse. Zu diesem Schluß kam Herr Jemine, als er eines
Tages im Papierkorb seiner Frau, in welchem r eigentlichnichts zu suchen hatte, den Fetzen eines Briefes fand. Er wäre
ihm nicht weiter aufgefallen, wenn r über das Wort »Haus-
freund« nicht augenblicklich gestolpert wäre. Welche auf
schlußreiche Unvorsichtigkeit seiner Frau Beim näheren Be-
trachten las er: » .. und werde Dir einen Hausfreund besorgen
••• « Mehr war nicht zu entziffern. Was r da soeben gelesen
hatte, war ihm kaum faßbar, was er faßte, ihm nicht klar. Klar
l
·
war, daß das, was er gelesen hatte, mehr als eine
Frechheit war. Er beschloß, vorläufig nichts zusagen, vielmehr seine Frau mit vielsagendem
Nichtssagen zu beobachten. Zweifel beschlichen
sein Herz, ob Beobachtungen allein hinreichend
sein konnten, den Ränken einer listenreichen Frau
entgegenzuwirken. Zweifellos nicht Von nun an
ging r täglich einkaufen, um seiner Frau jede Mög-
lichkeit eines heimlichen Zusammentreffens mit
ihm zu nehmen.
Zum Erstaunen seiner Frau übernahm er überhauptund freiwillig den gesamten Außendienst derWirt
schaft.
Der Hausfreund beschäftigte ihn Tag und Nacht. Herr Jemine
war unermüdlich im Erfinden neuer Grausamkeiten, die r den
beiden Ehebrechern zudachte: Doch im Grunde seines Wesens
war r ein gutmütiger Mensch und begann nach weniger blu-
tigen Lösungen zu suchen. Es gab Augenblicke, in denen er
sogar mit dem Gedanken spielte, seiner Frau den Hausfreund
einfach vorzuenthalten und wegzunehmen. Er dachte anSchachspielen, an den dritten Mann zum Skat oder daran, ihn
zu gemeinsamen Radtouren zu überreden, um so mit ihm das
Weite zu suchen, ehe der in der Nähe seiner Frau ... Aber bald
wurde ihm wieder so recht klar, daß es sich nicht um seinen
Hausfreund handelte, sondern um den seiner Frau. Und dann
überkam ihn wieder das zur leidigen Gewohnheit gewordene
Gefühl der Hilflosigkeit, das ihm den kalten Schweiß in Perlen
auf die Stirn trieb. Mit Schrecken wurde er sich der gebotenen
Gelegenheit bewußt, die der Hausfreund nur zu ergreifen brauch-

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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Unter vier usen• . i i i i i i ?
te, während er am nächsten Tage seiner Arbeit nachging Nun
hatte sich sein gesundheitlicher Zustand durch ständiges Kopf-
zerbrechen und fortwährende Grübelei so verschlechtert, daß
ein mehrtägiger Aufenthalt im Bett nahezu unumgänglichwurde und ihn - welch glückliches Zusammentreffen - in die
Lage versetzte, den seiner Frau zugedachten Freund womög-
lich selbst in Empfang zu nehmen. Das Bett mußte, keine Wi-
derrede half, im Korridor neben der Wohnungstür aufgestellt
werden. So verband Herr Jemine das Unangenehme seiner Lage
mit dem Nützlichen. Den Tag füllte er damit aus, daß er die un-
geklingelte Zeit apathisch verstreichen ließ und als geheime
Rache an seiner Frau hin und wieder ein Fieberthermometer
zerbrach. Hier empfing er auch die Besuche seiner Bekannten,
denen er ob ihres Erstaunens erzählen mußte, daß seine Frau
verreist sei und er genötigt wäre, auf diese Weise und so wei-
ter ... Es versteht sich von selbst, daß er seiner Frau verboten
hatte, beim Klingeln nach der Wohnungstür zu blicken, bezie-
hungsweise sich blicken zu lassen. Mitleidig versorgte man
ihn mit allen erwünschten Lebensmitteln. Er aß für zwei. Das
heißt, seine Frau wurde von dem Mitgebrachten durch Herrn
Jemine gnädig mitemährt, was in den Augen der nichtsah
nenden Bekannten auf Grund des so gesteigerten Appetits zu
der Annahme führte, er sei der gesündeste Mensch der Welt,
nur etwas beängstigend gefräßig.
Briefsendungen empfing er durch den Schlitz der Tür direkt im
Bett. Die Post ahnte nicht, wie zuvorkommend sie die Aufträge erfüllte. Es kamen Rechnungen. Es kamen Zeitungen. Eskam der Vertreter einer Lebensversicherung. Es kam - kein
Hausfreund.
Irgendwann mußte doch endlich das lange Warten von Erfolg
sein. Als es am fünften Tage klingelte, waren seine Erwartun
gen aufs äußerste gespannt, zumal er den ganzen langen Tag
ohne jeden Besuch, ohne das belebende Geräusch der Klingelauf der Lauer gelegen hat, ein Tag, der in seinem Ablauf einer
verstopften Sanduhr glich. Mit jeder Faser seines erwartungs
vollen Herzens hingen seine Augen, die er beide weit öffnete,
an der Tür, um zu sehen, woran er sei. Doch es war nur der
Postbote, der ihm ein Paket überreichte. Seelisch verbraucht
verkroch sich Herr Jemine wieder in seinem Bett. Er fand kaum
die Kraft die Schnur des Paketes zu entknoten. Auch das Papier setzte ihm einigen Widerstand entgegen. Und da - lag vor
ihm der Hausfreund - ein Teppichbesen aus Suhl, Marke »Haus-
freund« .
;

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Unter vier ugen
Herbert Seifert
Od 1H OH
H OIHOHt 1tltoH Zi t tor
Der Tag war heiß, als ich dich kennenlernte:Du lagst am Strand und nahmst ein Sonnenbad.Wie schnell die Zeit vergeht: Das war zur Ernte,
und jetzt sind draußen minus neunzehn Grad
Am Abend schworen wir uns tausend Eide.
Wir küßten uns und träumten Hand in Hand.
Die Liebe überflutete uns beide
und füllte unsre Herzen bis zum Rand .
Der Strandkorb schützte uns vor fremden NasenSein Stoff war an den Seiten leicht zerfetzt.
Es roch nach Meer. Hier riechts nachKohlengasen .
Der Ofen wird im Frühjahr umgesetzt.
Wie gerne ließ ich mich von dir betörenMein Grips flog zwitschernd in die Nacht
hinaus.Der Wind sang damals zärtlich in den Föhren,und heute jault er wie ein Hund ums Haus
Es war nur jammerschade, daß uns späterder Strandkorbwächter in die Szene lief.
Der Mann verlangte unter Mordsgezeterfür das Im-Strandkorb-Sitzen Nachttarif.
Ständ jetzt der Strandkorb hier in meiner Diele,ich schlüge ihn zu Brennholz. Kurz und klein.Man sieht daran: Bei winterlicher Kühle
gefrieren selbst die innigsten Gefühle
wie frostbefallne Wasserrohre ein.

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Unter vier ugen
John Stave
, " 'tOI
Nun sitze ich also hier und schreibe eine Abhandlung über die
Frau, ihre Gleichberechtigung, Förderung und so weiter. Mor-
gen muß ich dieselbe in meiner Gewerkschaftsgruppe halten.
Es ist ein sehr kompliziertes Thema, ich gebe es zu. Aber es
wird durchgezogen. Viele Männer gibt es, werde ich anfangen,
deren Leitspruch lautet: Frauen gehören an den Kochtopf Kol-
legen, dieser Zopf ist ab.
»Irene Mach mir doch mal einen Topp
Kaffee «
Dieser Zopf ist also ab. Und jetzt packe
ich die Kollegen von hinten: »Wie sagt
doch der Dichtermund so schön? Er sagt:
Ganz ohne Weiber geht die Schose nichtDieser Dichter, Kollegen - man kann es
auch singen, jawoll - ist ein Burschoas.Er ist dennoch etwas auf den Trichter ge-
kommen «
» rene Wo bleibt der Kaffee? Mit Milch «
Auf den Trichter gekommen Aber heute
gibt es noch Kollegen, denen die Frauen
arbeitsmäßig ein Dom im Auge sind.Diese Kollegen vergessen zum Beispiel,
daß bereits kein Geringerer als Friedrich
•
Engels gesagt hat - ich kann es nicht genau wortgemäß wie-
dergeben, aber sinnbildlich: Die Frau und der Sozialismus ...
»Irene Kochts Wasser noch nicht? Zucker auch <<
Der Sozialismus, Kollegen, kennt keinen geschlechtlichen Un-
terschied. Arbeitsmäßig gesehen Schließlich kommt es beim
Arbeiten auf denKopf
und die Hände an. Figur und so weitersind bei der Arbeit Schall und Rauch. Manche Männer nun bin-
den ihre Frauen zu Hause fest. Bildmäßig. Und es dauert gar
nicht lange, da sagen sie, meine Frau kann mir nicht mehr fol-
gen; dieselbe ist stehengeblieben und so weiter.
»lrene Jetzt platzt mir aber bald der Kragen (Pfiff) Kaffee mitMilch und Zucker «
Wo war ich stehengeblieben? Ach ja: Kollegen - die alte wird
abgeschoben und eine neue Frau herangezogen und an den ver-
waisten Kochtopf gestellt. Sie ist etwas besser entwickelt als
101
•
•
-
Von seiner Laube
konnte sich mein Mann
nicht trennen

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1 2 - Unter vier ugen
die alte. Gesellschaftsmäßig gesehen Weil sie noch in der FDJ
ist»Irene Wenn ich jetzt mal um den Kaffee bitten dürfteeeee «
Noch in der FDJ. Und die Betriebe gucken dumm aus der Wä
sche, wenn unsere Mädels alle herausgeheiratet werden. Ehe
sie sich einmal umgesehen haben, sind zwei, drei Kinderchenda. Und der Staat kann sich nicht im gleichen Atemzuge soviel
Kinderkrippen machen lassen Und die Qualifizierung ist in die
Binsen gegangen
»Irene Irene « (Pfiff)
Sind doch alles Binsenweisheiten im Grunde. Der Frauenför
derungsplan unseres Betriebes, liebe Kolle-
Das arme kleine Frauchen ist zur Abend gen, schiebt allem einen Riegel vor. Es mußschule gegangen Erleichterungen für die Frau geben, so daß
· sie die betriebliche Flinte nicht immer gleichins Korn werfen muß, wenn irgend so ein Casanova kommt
oder Kinder unterwegs sind.
» reeeeeeneeee «
Da soll doch gleich ein Donnerwetter losgehn Was ist denn das
für eine Art? In der Küche ist sie auch nicht? Sieh an Der Vogel
ist ausgeflogen, aber den Zettel im Schnabel hat er auf dem Kü
chentisch liegengelassen Irene Wo ist meine Brille? Ach so:
»Liebes kleines Hutzelmännchen Dein armes kleines Frauchen
ist zur Abendschule gegangen. Arbeite nicht mehr so lange «Was die Frau sich immer so einbildet Bezieht alles auf sich
Man redet natürlich hier und da über Frauenprobleme. Aber es
ist doch mehr allgemein, nicht wahr. Nicht so direkt personen
gebunden Dabei fällt mir ein: Morgen ist ja gar kein Frauen
thema dran Morgen soll ich ja über den Abschluß von Paten
verträgen mit der Lehrwerkstatt sprechen Ich Ochse
Ich Hornochse Und das meine ich jetzt wirklich mal direkt
personengebunden.
An seine Braut schrieb Fritz N.: »Mein Entschluß
ist unumstößlich. Die kleinbürgerlichen
Floskeln am Briefende werden gestrichen.
Mit sozialistischem Kuß «
ansgeorg Stengel

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Unter vier2
ugen1 1 1 b 1 1 1 2 1
Peter a ug 1 tz
••~ s s»Bitte, nein « hauchte Karin, als mein erregter Mund ihr den
ersten gemeinsamen Kuß antrug.
Bitte und Verneinung Ratlos verharrte mein Mund. Karin hobihre Lider und warf, an mir vorbeizielend, einen langen Blickins Wasser.
»Lassen wir das « sagte sie.
»Ich habe doch gar nicht ...«
»Darum ja gerade«, sagte sie.
Still ruhte der Campingplatz. Der Nachtbademeister maß die
Temperatur des vom Badebetrieb erhitzten Sees.
Auch ich beschloß, aktiv zu werden, stoßseufzte dreimal, ging
mit meinem Mund auf Karin los und küßte den
ihren mit Nachdruck.»Was hast du getan?« fragte das Mädchen und
rannte in ihr Zelt. Rasch trat ich auch in meineshinein, wo ich als erstes mit dem Barfuß in
meine Campingmausefalle geriet.
Wie war die eingeschnappt Leicht blutend hink
te ich zum Kuß-Tatort zurück. Dort saß bereits
Karin, die in einem dicken Wälzer blätterte.
»Es tut mir leid, Karin«, sagte ich, und meine
Stimme schwankte zwischen kleinlaut und un
hörbar, »daß ich vorhin links tief abgekommen bin, es soll nicht
wieder vorkommen.«
»Ein Kuß ist unhygienisch«, sprach das Mädchen meiner Kuß
wahl, »stell dir vor, bei einem einzigen werden zehn Millionen
Bakterien übertragen «
»Es war man nur ein Campingkuß«, beruhigte ich Karin, ein
beunruhigendes Kribbeln in der Höhle meines Mundes verspürend.
»Der Kuß ist von seinem Entstehungsart unabhängig«, belehr
te mich Karin, »schon der gemeine Wald- und Wiesenkuß ist
eine ziemlich bakteriologische Angelegenheit.«
Karin deutete auf ihren gedruckten Ratgeber, der sich »Hygie
ne im Alltag« betitelte. Mit vereinten Kräften schlugen wir das
Kapitel »cussis temporale« auf.
»Siehst du«, sagte Karin, » .. die Kußhygiene ist ein schwer
wiegender Gesundheitsfaktor, der besonders im Sommer, der
1 3
„ .··-
J
Um Gottes willen was
soll denn das?<<
Ich trainiere nur fü.r
Camping.<<

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1 41111111 II 1111 1111 1 1 1 1 11 II 111111111I11111111111 lllllLI II 111 J 1 1 1 11 II 1 I II 1 1 1 1 1 1 11 r 1 111 1 111 1 u n J r 111Y ie f I ~ l ~ I
Kußhochkonjunktur, von allen Ausübenden strengste Selbstdis
ziplin verlangt «
»Kußrationierung also?« vermutete ich. Das hygienische Buch
gab aber gerade über diese Frage keine Auskunft. Es bezog sich
vielmehr auf den Ausspruch eines Kußexperten, des Chefhygie-
nikers des Referats für Kußangelegenheiten, H. H. Niekuß,
der gesagt hatte: »Kein Operateur entschließt sich mit unsterilen Instrumenten zur Herzoperation. Pflegen Sie Ihre Kuß-
werkzeuge gründlich, wenn Sie eine solche vorhaben «
»Wie küßt man hygienisch?« fragte mich Karin.»Es wird sterile Lippenoblaten geben«, vermutete ich drauflos,
»Kußdämpfer, Bakterienzügler, Kußneurosen, Kußquaran
täne ... «
»Genug « stöhnte Karin. Im Schilf sang ein unbekannter Och-
senfrosch eine Schnulze. Da wagten wir es noch einmal ohne
sterile Schutzvorrichtungen.
Nach dieser unhygienischen Tat taten wir rasch noch was fürunsere Kuß-Allgemeinbildung. Schlugen das Kapitel »Kußka-
pazitäten « auf.»Hier steht was über den Kuß im Wandel der Zeiten«, bemerk
te Karin »wie lehrreich « Wir erfuhren, daß a) der Kuß bei Ver-
liebten ein Mittel zum Zweck, b) bei jung Verheirateten Attri
but ersten Zusammenlebens und c) bei abgehärteten Ehepaa
ren die Macht der Gewohnheit sei. Daß femer die Kußquote mit
der Zeit ansteige.»Hätte ich nie geglaubt«, freute sich Karin. Auch ich hatte nie
gedacht, daß der »gedankenlose Kuß« (routinemäßiger Ab-
schieds- und Ankunftskuß bei Altehepaaren) eine nutzlose bak
terielle Dauergefahr darstelle.
»Der Kuß wird auf diese Weise entwürdigt « entrüstete sich
Karir1, worauf ich schwor, es nie soweit kommen zu lassen und
lieber nicht zu heiraten.Karin sah nach dieser Mitteilung stumm aufs Wasser. Der Och-
senfrosch hatte sich verschluckt. Mitleiderregend hallte sein
Gehuste über den stillen See.»Liebling«, sprach ich, »wir werden mit den Bakterien schon fer-
tigwerden « Karin wollte nicht. Leise las ich: »Unter anderem
erfüllt der Kuß als Gehilfe der Geburtenstatistik eine nicht zu
übersehende Rolle im ... «
Wütend entriß mir Karin die alltägliche Hygiene. Unser Kuß-
duett schien verklungen zu sein. Karin nahm auf dem wissen
schaftlichen Werk Platz, ich schälte ihr mit dem Taschenmes-

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Unter vier ugen
ser einen Kienapfel. Dicke Verlegenheit hatte uns eingehüllt,
jeden extra selbstverständlich
»Da « sagte Karin endlich, »das ist der absolut sterile Kuß « Er
staunt schaute ich auf ein Riesen-X, das sie mit ihrer größten
Zehe in den Sand gezeichnet hatte.
»Das briefliche Kuß-Kurzzeichen « erläuterte mir Karin dieneue Kußtechnik. Sogleich eignete ich sie mir an. Kratzte Kuß
serien in den Mutterboden, zeichnete eine blendende Kuß-Per
spektive zu Karins Füßen: Riesenküsse, lange Küsse, Küsse,
die sich gegenseitig küßten. Nachdem ich rund um uns herum
die Erdoberfläche mit Küssen bedeckt hatte, zeigte Karin mirden Viertelmond, der mit einer Sichelspitze ein Wölkchen be
rührte.
»Er küßt es « ubelte Karin. Das taten wir ihm sofort nach. Die
Bakterien frohlockten. Wechselten die Wohnsitze.Wozu wir ihnen genügend Zeit ließen. - Camping, Karin und
hundertachtzig Millionen Kußbakterien. Hundertachtzig Mil
lionen waren es vorgestern. Zur Stunde müssen es schon eine
halbe Milliarde sein. Wir fürchten sie nicht mehr. Derweil
Karin, die wißbegierige Bibliothe-Karin, verschämt und anti
bakteriell gurgelte, habe ich alter Bastler meine Campingmau
sefalle enorm verfeinert, das Schwungrad der Falltür beschleu
nigt und eine solide Infrarotheizung eingebaut. Mit Mann und
Maus gehen die Bakterien in diese Falle, und nachts, wenn sieschlafen, ersäufen wir sie unbemerkt im allgemeinen Badewas
ser
Ot
Wandergretel, laß dich grüßen
Morgensonne lacht wie nie.Und du trabst auf deinen Füßenfroh zur Krippe, juppheidi
Wo die Berge mächtig steigen,
wird das Kind im Wagen schwer,Wollt ihr zwei es auch nicht zeigen,
fehlt der Papa dennoch sehr.
Papa würde gerne schieben.
Denn der Papa ist nicht schlapp.Aber jeden Tag um sieben
holt der Fahrer Papa ab.
Denn der Papa, völlig richtig,
nimmt die Pünktlichkeit genau.
Seine Tätigkeit ist wichtig:
Referent für »Glück der Frau«.
ochen Petersdorf
1 5

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1 6
•
und warum liebst du
mich nicht mehr wenn
ich fragen darf?
Unter vier Augen1
enate Holland Moritz
Wrr saßen beim Abendbrot. »Liebst du mich?« fragte sie.
»Ich liebe dich« antwortete er »es gibt nichts anderes mehr fürmich als dich zu lieben.« ·
Ich goß meinem Mann Tee ein ohne den Blick vom Bildschirm
zu wenden. Das Fernsehliebespaar begab sich zu vorübergehen
der Ruhe auf die Couch. Mein Mann stippte seine Bockwurst
mit traumwandlerischer Sicherheit in den Mostrich. Das küs
sende Pärchen verlor er nicht eine Zehntelsekunde aus denAugen. Plötzlich schnorrte es im Apparat. Die Röhren knister
ten und spuckten sich gegenseitig an. Es blitzte noch einmal
verheißungsvoll auf dann war es still. Der Bildschirm war so
schwarz wie ein verdunkelter Kohlenkeller.
Mit fahrigen polytechnischen Gesten
klopfte mein Mann an dem Apparat
herum. Er versuchte es mit Schockthe
rapie. Nichts. Der Kasten war unwider
ruflich kaputt.»Er ist kaputt« sagte mein Mann über
flüssigerweise.
»Ja« sagte ich »das mußte ja mal so
kommen.«
Dann schwiegen wir obwohl uns nun
auch das Liebespaar nichts mehr zu
sagen hatte.
Wir beendeten unser Abendbrot
· schweigend denn seit wir den Fernseh
apparat besitzen haben wir immer brav den pädagogischen
Grundsatz befolgt: »Beim Essen spricht man nicht.« Auch an
so was kann man sich gewöhnen.
Ich räumte den Tisch ab und setzte mich wieder in meinen Ses
sel. Die Sessel stehen einander nicht vis-a-vis weil man sonst
nicht fernsehen kann. Aber nun war der Apparat ja kaputt.
»Wrr könnten die Sessel umdrehen« sagte ich »ich meine wenn
wir ohnehin nichts sehen ... «
»Gewiß« sagte mein Mann und setzte sich in meine Blickrich
tung. Dann schwiegen wir wieder. Es war halb neun entschie
den zu früh zum Schlafengehen. Normalerweise hätten wir noch
anderthalb Stunden femgesehen. Mir fiel ein daß ich Wäsche
waschen müßte. Aber wenn man gewöhnt ist ab acht Uhr

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Unter vier ugen
abends stillzusitzen kann man sich nicht zum Wäschewaschenentschließen.
»Wir könnten etwas lesen« sagte mein Mann gegen dreivier-
tel neun. Beide dachten wir angestrengt nach. Aber es fiel uns
nichts Passendes ein. Genauer gesagt: Wir waren des Lesens
entwöhnt.
Schließlich etwa um neun fragte mein Mann: »Gabs was Neuesmit der Kleinen?«
»Nein« sagte ich »wie immer. Sie kam aus dem Kindergarten
ging aufs Töpfchen und wusch sich die Hände. Dann sah siesich die Sandmännchen an.«
»Das Sandmännchen« sagte mein Mann. Er ist Lehrer.»Nein die Sandmännchen« sagte ich. »Beide.«
»So« sagte er.
Gegen halb zehn fragte mich mein Mann ob es angängig wäre
jetzt noch den Fernsehreparaturmann anzurufen.»Tus lieber nicht« riet ich ihm »er sieht doch gerade das schö-
ne Fernsehspiel.«
»Natürlich« brummte mein Mann gehässig »son Handwerkerder hats gut. Der repariert sich seinen Apparat in fünf Minu-
ten. Der muß auf nichts verzichten.«
Wir schwiegen bis zehn. Dann stand ich auf. »Zeit zum Schla-
fengehen« sagte ich.
»Auch gut« sagte mein Mann und gähnte gehorsam.
Ich konnte nicht einschlafen. Sanft streichelte ich meinemMann über den Kopf und fragte leise: »Was mögen die beiden
wohl auf der Couch gemacht haben?«
»Das weiß ich doch nicht« sagte er mürrisch »der Apparatging ja kaputt.«
1 7
Endlich ein Programm
bei dem du nichtmeckerst.

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»Hast du schon ge-hört? Karl Eduard
von Schnitzler isttot.«»Nein und so plötzlich ... «»Ja er ist im
schwarzen Kanalertn1nken. «
Unter vier ugen
alph Wiener
el 1Jio6o 31t11 6or11
Heute habe ich Ingeborg kennengelernt. Sie ist zwanzig Jahre
alt, dunkelhaarig und gehört einer Ballettgruppe an. Wir ver-
standen uns gleich prima. Ich glaube, sie ist die Frau fürs
Leben. Wenn sie lächelt, geht einem richtig das Herz auf. Undwenn sie spricht, ist es, als höre man die Callas singen. Ingeborg ist die erste Frau, bei der ich wünsche, daß es die letzte
sein möge. Sie ist - ehrlich gesagt - meine große Liebe.
Mußte mir ausgerechnet heute Karin über den Weg laufen Ich
hatte sie schon ziemlich vergessen, weil wir uns seit drei Tagen
nicht mehr gesehen hatten. Aber das Wetter war so herrlich,
die Parkanlagen so grün, und Karins Kostüm einfach entzük
kend. Trotzdem habe ich immer an Ingeborg denken müssen.
Die HO müßte ihren Kosmetik-Verkäuferinnen jede Unterhal
tung mit männlichen Kunden verbieten Da habe ich mich doch
schon wieder von so einer Seifenpuppe bezirpsen lassen. Sie
hieß Ursula und wollte partout immer Ulla genannt werden.••
Uberhaupt, wenn ich es richtig bedenke: Küssen konnte dieseUlla gar nicht. Blutige Anfängerin
Heute hat mir Ingeborg einen Brief geschrieben. Leider bin ich
nicht in der richtigen Stimmung. Dorothea hat mich aus dem
Chemischen Laboratorium angerufen: Sie hat Nachtdienst und
erwartet mich im Bereitschaftszimmer. Daß die Krankenhausverwaltung so etwas gestattet
Lilo ist immer noch so wie vor zwei Jahren. Vorher ist sie etwas
kapriziös, aber danach kann man sich mit ihr ganz vernünftig
unterhalten. Sie schwärmt neuerdings für Baudelaire und hat
mir drei seiner Gedichte vorgelesen. Der Mann konnte gut
Französisch. Lilo auch. Trotz allem ist mir Ingeborg lieber. Es
ist eben doch die große Liebe.
Heute ist mein Geburtstag. Annemarie hat mir ein blödes Te-
legramm geschickt: »Herzli_hen Glückwunsch stop muß leider
schließen stop Telegramm wird sonst zu teuer stop man muß
überall sparen stop entschuldige bitte stop deine Annemarie.«
Vor Wut habe ich Erika angerufen. Wir gehen ins Kabarett.
Es ist alles aus Vorhin habe ich Ingeborg überraschend be-
sucht. Sie hatte einen fremden Herrn zu Besuch. Natürlich habe
ich ihr sofort den Laufpaß gegeben. So etwas kann man sichdoch als Mann nicht bieten lassen

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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11 Wo wir sind ist vorn
C U iesner
risör oi o ort
~ 1 O ~ O OHSe
Nehmse Platz, Herr Jeheimrat Was gibsn Neues aufm Bau?
Wieder Nachtschicht gehabt? Werd ick in mein Betrieb auchbald einführen müssen. Ick komm ja in diese Tage jar nichmehr allein durch mit meine Kundschaft, wo doch nu mal der
Sommer der reinste Hochkonjunktiv für uns Haarkünstler is.Sehnse, in die grimmige Wmterszeit trägt der Mensch Hüte
und Mützen, und in diesen Falle merken die Vorüberjehenden
jar nich, wie ungeflegt er über der Straße lauft. Wenn nu aber
die liebe Sonne scheint, denn juckt es auf die Kopfhaut, und
der Mensch emfindet dis wie eine Alarmklingel. Und wenn die
reden könnte, würde sie sagen: Höchste Zeit, deß de mal wie-der bei Vater Kleinekorten gehst. Denn ein geflegter Haar-
schnitt is nu mal der Anfang von einen neuen Menschen. Die-
sen komplessierten Begriff erklär ick Ihnen gleich noch. Und
grade wie nu mein Salong in diese Beziehung mithelfen soll,
mehr neue Menschen in der Welt von heute und morgen zu set-
zen, laßt mir Herr Kafforke aufsitzen.
Dabei hab ick dem Manne sone dolle Schangse jeboten. Wie ick
mit Muttern verreist bin hab ich ihm gesagt: Herr Kafforke hab
ich gesagt, ich ernenne Ihnen zum Entwicklungskater, und Siedürfen in meine Abwesenheitjanz von alleine im Betrieb schal-
ten und walten. Nehmse mal den Kopp n bißken tiefer Und wie
hat ers mir jedankt? Indem er alle Stammkunden erzählt hat,
ick richte ihm mit meine Mennitschermanieren zujrunde, und
noch mehr solche Schlechtigkeiten. Nu war ick ja auf achtzig
und hab ihm zur Rede jestellt, wie er sich son Quatsch aus
seine ollen Wurschtfinger polken kann. Sagt der doch er hat
inne Zeitungjelesen, jeder Werktätige soll sich eigne Jedanken
um seinen Betrieb und die Zukunft machen. Aber da können-se wieder mal sehn, wohin dis führt, wenn sone Perlen von jute
Jedanken so wahllos unter die Leute jeworfen werden. Da hat
der Staatsrat einfach nich bedacht, deß Herr Kafforke über-
haupt kein neuer Mensch is und daher sone Anregungen völ-
lig in falschen Hals kriegt. Und denn meckert er wahllos über
seinen erfahrenen Meister. Aber den hab ick vor alle Kunden
Bescheidjestoßen, mit sone richtigjehende Steintorstimme, wo
ick immer kriege, wenn ick mächtig wütend bin. Herr Kaffor-
ke, hab ich ihm ins Gesicht geschleudert, jemand wie Sie und
ich sind wie Feuer und Wasser, wobei ick natürlich dis Feuer

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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Wo wir sind ist vorn •
bin, und schließlich machen wir in mein Salong keine westli
che Konferenztheorie, dis hab ichjesagt; weil auch welche mits
Parteiabzeichen im Laden saßen. Aber die ham so ulkig je-
grient. Darum schoß ick mein stärkstes Jeschütz ab und sage:Aus Ihnen wird nie ein neuer Mensch, aber ick mach Ihnen
noch dazu, darauf könnense Jift nehmen. Und wie reaschiert derKerrel? Bums - läßt er sich am andern Tag krank schreiben.
Angeblich wegen Heuschnuppen. Hamse für son boshaften Ra-
cheakt noch Töne? Haatschiii Tschuldigense Anjestochen hat
er mir auch noch mit sein dusseliges Rumjeniese.
Und da soll man nu in Ruhe über den neuen Menschen und so
nachdenken. Der spukt ja schon jeraume Zeit über der Fern
sehröhre und den Blätterwald, soweit ick diesen halte. Und ins
Berliner Angzambel soll der Mann von die Frau Flinz sojar ein
Theaterdrama darüber verfaßt ham. Ick beschäftige mir in letz
te Zeit viel mit sone filosofische Probleme, und dis mit den
neuen Menschen find ick inwiesofern interessant, weil es nich
so pullitisch is, und kann sich jeder auf seine Weise ausmalen.
Außerdem hab ick Angst, ick bin eines Tages nich mehr aufm
laufenden und kann mir denn mit die Kundschaft bloß noch
über Koppschuppen und so unterhalten. Anjefangen hats mit
Robert Köppen vonne Bezirksleitung. Mit den kenn ick mir ja
nu schon so lange, deß er mir manchmal anvertraut, worüberman sich in die höchsten Kreise momentan so seine Jedanken
macht.
Sagt er zu mir - die Kotletten wieder grade? - wir brauchen
neue Menschen. Jut, sag ick, dis seh ick ein, weil wir nämlich
mit die, wo wir ham, sowieso nich reichen. Beispielsweise die
Verkäuferinnen ins Jemüsejeschäft oder die Arbeitskräfte bei
meinen Sohn in Buna. Nu klärt mir aber Robert auf, man dürf
dis nich so zahlenmäßig sehn. Wrr müssen vielmehr aus die
alten Menschen neue Menschen machen. Da wurd ick erst mal
ärgerlich und sagte, immer wollt ihr die alten Leute ändern, wo
wir in unser Leben schon jenug durchjemacht ham. Vielleicht
fangt ihr lieber mal bei die Jüngeren so bis sechzig an. Anje-
fangen, sagt Robert daraufhin, ham wir schon vor Stücker
zwanzig Jahre, und sogar son oller Meckerkopp wie du is nich
mehr janz der alte, und ick soll mir man nich dusseliger anstel
len, als wie ick bin.
Von einen andern würd ick mir so was jar nich bieten lassen,
aber Roberten läßt sich auch mal von mir Kontra geben. Da
stell ich ihn beispielsweise eine Fangfrage: Wie soll denn euer
neuer Mensch nu in Wirklichkeit aus sehn? Na, sagt er, überleg dirmal selber, Wtllem Und wenn ick nächstens wiederkom-
1 1 1
An einer öffentli-. chen Toilette hängtein Schild mit dem
· Hinweis: »Schlüs-
sel beim Pförtnerdes Rates der
·_Stadt.«-
_Am nächsten Tagsteht darunter: »In
dringenden Fällenan den Rat des Be-
zirkes wenden «

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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2
Unser Campingmodell:
Kritiker aus Gummi -vollelastisch piekt ni htund stößt nirgends hart
an.
o wir sind ist vorn
me, machste mir deine Vorschläge. Also da könnense doch wie-
der mal sehn, wie die von janz oben sogar auf meine wertvol-••
len Uberlegungen anjewiesen sind. Nu berede ick mir schon mit
allen Kunden über diese Frage, aber Muttern is, glaub ick, aufn
richtigsten Dampfer. Vatern, meintse jestern, der neue Mensch
hat ne jesunde und mäßige Lebensweise, is ziemlich jebildet
und macht sich um alles Jedanken, vor allem über den neuenMenschen. Wennse Muttern kennen, waren da natürlich n paar
dicke Spitzen gejen mir selber drinne.
Oder jehts Ihnen etwa nich so, desse viel zuville Jeld füm juten
Schluck und besonders schnuddlige Sachen inne Läden tragen?
In diese Beziehung kommt mir die Rejierung wie die himmli-
schen Mächte vor: Erst führt sie uns mit die janzen Schmacka
zien in Versuchung, und denn er-
wartetse, deß wir ihr widerstehn
und janz jesund essen. Nu kukkense bloß nich auf den kleinen
Mollenfriedhof, wo ick mir in letz-
ter Zeit zujelegt habe. Da bin ick
man noch n janz schwacher
neuer Mensch, weil ick mir so
was in mein früheres Leben alles
nich hab leisten können. Der Zü-
chologe, der hier manchmal kommt, teil tja nu wieder die Men-
schen janz anders ein: in Lesbiosomen, Schützofremde, mehrso Melankolische und sone Picknicker wie mir, die Essen und
Trinken schmeckt. Aber dafür hab icks mit die Bildung wieder
ville leichter, weil ick da schon von jeher ne Art neuer Mensch
war und mir immer leicht an dis anpassen konnte, was jrade
modern war. Oder denkense, ick pöble noch die jungen Bur-
schen an, weil se langes Haar tragen? Ins Gegenteil: Ick frag
ihnen bloß, ob se unter ihre Mähne schon wenigstens n Stück
neuer Mensch sind Denn es soll ja noch welche geben, die ak
kern tagsüber fleißig aufm Bau rum, womit ich Ihnen mal ausnehmen will, und nach Feierabend verschiebense ne janze La
dung Kies für Zahnarzt Stippekohl sein Wochenendjrundstück.
Und so betrachtet, hat natürlich Robert Köppen jar nich mal
unrecht, wenn er sagt, die Haare aufm Kopf wachsen ebent
schneller als wie der neue Mensch. Und nu mach ick den Laden
für heute dichte und jeh aufn Schnäpperken in Blauen Affen.
Wenn ick denn so n paar kleine Kurze intus habe, fühl ick mir
vorüberjehend wie ein janz und jar neuer Mensch. Bloß Mut-
tern kommt denn mit sone Bejriffe nich mehr janz klar undnennt mir auf janz rückständige Weise ne alte Schnapsdrossel.

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e •
W ~
•
• •
Eine Oma geht unbekümmert auf die Mauer zu. DerGrenzer; »Oma, hier darf man nicht langgehen « Die
Oma setzt ihren Weg unbeirrt fort Der Grenzerschreit; »Oma, hau ab, hier ist die Grenze «Sagt die
Oma: »Na was denkst du denn, was ich vorhabe?"

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»Hast du schon ge hört? Die DDR
wird umbenannt inDGR.«
»Was soll denn dasheißen?«
»Deutsche Gebirgs-republik - ein Eng-
paß am anderen. .• · ' _ ••
. ,• : : .,,. ;;
Wo wir sind ist vorn
John Stave
•••
die vor Aufbauprojekten stehenden Sichttafeln immer aus Lat-
ten zusammengesetzt sind
Als Bewohner einer im Krieg schwer mitgenommen Stadt er-
freut es einen besonders, wenn irgendwo etwas Neues aufge
baut wird. Die Stadt als Bauherr vergrößert einem die Freude
noch, indem sie vor den Aufbauprojekten (man kann auch
sagen: Baustellen) große Sichttafeln aufstellt, die dem Betrachter optimistisch verkünden: »Berlin baut auf «und ihm gleich
zeitig Kontrollmöglichkeiten geben. Ich begrüße diese Tafeln.
Es kann gar nicht genug von ihnen geben.
Eine Frage indessen hat mir keine Ruhe gelassen: Weshalb
sind diese Tafeln eigentlich immer aus Latten zusammenge
setzt?
Ich bin jetzt dahintergekommen.
Wir lesen, wer auf so einer Tafel alles aufgeführt wird:
Oberbrett: Berlin baut auf
1. Latte: Name des Objekts
2. Latte: Projektant
3. Latte: Architekt
4. Latte: Planträger
5. Latte: Bauleitung6.-9. Latte: Ausführende Betriebe
10. Latte: Baubeginn und Fertigstellung
Ende der Latten.Eines Tages nun sagte die 5. zur 4. Latte: »Gottverdammich
noch mal, wir können den Termin der Fertigstellung nicht ein-
halten «- »Scheiße «sagte die 4. Latte (die Sache spielt ja auf
dem Bau, da fällt hin und wieder mal ein treffend es Wort). Die
Bauleitung geht zum Polier Schulze und sagt: »Gottverdam-
mich, Karl, wir können den Termin nicht einhalten.« - »Okay«,
sagt Karl Schulze, »ick werde das Notwendige veranlasen.«
Nach Feierabend geht Schulze an der Tafel vorbei, öffnet seine
Aktentasche, holt einen Holzhammer heraus und donnert -
zong, zong - zweimal gegen die 10. Latte. Sie fliegt herunter,
er bricht sie übers Knie und hat abends eine warme Badestube.
Deshalb sind die vor Aufbauprojekten stehenden Sichttafeln
immer aus Latten zusammengesetzt.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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owir sind ist vorn
Ulrich peitel
as or
Sitz ngen: Gäbe es keine Sitzungen, dann hätte unsere Abtei-
lung Landwirtschaft mehr Zeit dann könnte sie sich mehr ihrerArbeit widmen. Könnte sie sich mehr ihrer Arbeit widmen dannwürde sie mehr Berichte schreiben. In ihren Berichten wirdaber jetzt schon genügend geschummelt. Also muß es mehr Sit-
zungen geben.
Gifte: Gäbe es keine Gifte dann nähmen die Schädlinge überhand, dann würden sie auch den Wald vernichten. Gäbe es kei-
nen Wald dann fehlte es uns an Holz. Hätten wir kein Holz
dann hätte unser Bürgermeister keinen Schreibtisch, dannkönnte er auch nichts verbuddeln. Wir haben aber nun maleinen Jugendförderungsplan. Also muß es auch Gifte geben.
Papier Gäbe es kein Papier, dann könnte unsere Kreisverwalt11ng keins vollschreiben. Könnte unsere Kreisverwaltung keinPapier vollschreiben, dann würde sie viel Geld sparen. Würdesie viel Geld sparen, dann könnte sie sich mehr Kraftfahrzeuge kaufen. Hätte unsere Kreisverwaltung mehr Kraftfahrzeu
ge dann würden ihre Instrukteure die Genossenschaften nochöfter anleiten. Unsre LPG-Vorsitzenden sollen aber arbeiten.Also muß es auch Papier geben.
Dor od dos SeAlla worts
Ein Wort kommt munter und keck
oder ernsthaft und schweraus seinem Wortschatzversteckund stelzt als Schlagwort umher.
Ein jeglicher nimmt s in den Mund
meist gegen den Sinn der Verfasser,und daraus erwächst der Befund:
Das Schlagwort wird bleicher und blasser.
Es lebt dann noch still einen Tagund klopft an verschlossene Ohren.
Dann stirbt es, wie jedes, am Schlag.Und schon wird ein neues geboren.
ils Uiemer
11 5

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116 Wo w r sind st vorn
Lothar Kusche
Ich stand schon ungefähr eine halbe Stunde vor dem Haupt
bahnhof in Bolzenhajn und wartete auf ein Taxi.
Das heißt, ich lag im Bett und wartete auf ein Taxi.Genauer gesagt, ich lag im Bett und träumte, ich stünde vordem Hauptbahnhof in Bolzenhain.
Obwohl Träume in der Regel auf verwirrende Weise unlogisch
sind, hatte dieser doch realistische Züge.
Es kam nämlich kein Taxi.Der Hauptbahnhof in Bolzenhain heißt Bolzenhajn-Hauptbahn
hof, damit ihn jedermann von dem Bahnhof Balzenhain-West·
unterscheiden kann, der vor etwa siebzehn Jahren stillgelegt
worden ist.Statt dessen erschien ein Mann. Der nagelte am
Bahnhofs-Klosett ein Schild an mit der AufschriftWEGEN INVENTUR GESCHLOSSEN.
Der Genosse hat ausgefallene Ideen
Sonst wär er ja auch nicht Minister
gewordenIch fragte diesen Mann: »Gibt es hier nur das
Schild TAXI-HALTESTELLE? Oder existiert auch ein dazuge
höriges Kraftfahrzeug?«
Der Mann sagte: »Ja. Aber dieses befindet sich derzeit im Ur
laub.«
»Wie bitte?«»Also, der Taxifahrer ist mit seinem Taxi im Urlaub. Aber er
kommt in acht Tagen zurück.«
So lange wollte ich nicht warten.
Nun drehte ich mich im Bett auf die andere Seite, und genau
in diesem Moment hielt plötzlich und unerwartet direkt vor
mir eine schätzungsweise neun Meter lange Luxus-Limousine
vom fyp OMO 7000, doppelt weiß lackiert, importiert aus dem
mit uns befreundeten Grönland. Lautlos öffnete sich eine der
vollautomatisch bedienten Türen, und mit elastischem Schrittund seinem bekannten CHLORODONT-007-Lächeln stieg mein
alter Freund Rolf-Bob aus seinem total klimatisierten 80-Me
gawatt-Auto.
»Alter Junge « sagte er kameradschaftlich. »Wohin darf ich dichfahren?«
»Rolfi « staunte ich. »Wie kommst denn du zu diesem TRAUM
BOOT DER LANDSTRASSEN?«
Rolf-Bob scherzte: »Durch ehrliche Arbeit natürlich Aber dein
Nappaleder-Koffer ist ja auch nicht ohne ... «

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owir sind ist vorn
»Das ist kein Nappaleder«, klärte ich ihn auf, »sondern nur ein
synthetisch verchromter Pappkarton mit dem internationalanerkannten Wäscheleinen-Sicherheitsverschluß. «»Na gib mal her«, sagte Rolfi, »ich weiß doch, daß dir vom vie
len Reden die Arme immer so weh tun.« Mit diesen Worten
ließ er mein bescheidenes Gepäckstück in dem von einer Licht
orgel illuminierten 6-Kubikmeter-Kofferraum verschwinden.
Dann glitt der sogenannte ROLLER DER GROSSEN WELT fast
lautlos mit uns dahin.Ehe mir noch Rolf-Bob die Vorzüge der quarzgesteuerten
Schwungbackenbremsung mit Datumsanzeige) so richtig er
klärte, waren wir beim INTUS-HOTEL INTERSCHRECK ange
kommen.
Zwei Pförtner begrüßten uns sehr, sehr höf- r·lieh; und ein dritter bat fast auf Knien darum,
mein Gepäck aufs Zimmer befördern zu dür
fen.
Mein Freund Rolf-Bob erklärte diesem Pförtner
kurzerhand: »Das mache ich lieber selbst.«Ein vierter Vertreter der entwickelten Einrich
tung INTERSCHRECK, ein Mensch im offen
sichtlich frisch gebügelten und relativ dunklen
Anzug, überreichte mir einen großen Blumen
strauß und sprach: »Herzlich willkommen,
Herr Minister Ich wünsche Ihnen im Namen
aller Mitarbeiter einen angenehmen Aufenthalt
sowie ein ständig sich steigerndes persönli
ches Wohlergehen Haben Sie irgendeinen be
sonderen Wunsch?«
»Sie müssen mich verwechseln«, unterbrach
ich ihn, »ich bin kein Minister, ich bin bloß ein
simpler Bürger ... «
•
»Ich verstehe, Herr Minister«, murmelte er diskret, »Sie wün
schen kein Aufsehen und so weiter. Wir werden das selbstver
ständlich berücksichtigen.« Und dann bewillkommnete er Rolf
Bob wie er zu sagen beliebte - als »meinen engsten und wich
tigsten Mitarbeiter« und führte uns durch das frisch gebohner
te Foyer zum Direktions-Fahrstuhl und aus diesem in ein Spe
zial-Appartement mit gekacheltem Fichtennadel-Bad, thera
peutischem Schlafzimmer, drei Balkons, Farbfernseher für
sämtliche erreichbare Programme, Klimaanlage und üppigem
Blumenschmuck.
»Möchten Sie auf dem Zimmer speisen?« fragte er. »Unser
r,
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117
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118
Vor dem Staatsratsgebäude in Berlinlangweilen sicheine Schnecke undeine Ziege. Sie
schließen, einen·Wettlauf zu ma
chen. Die Ziege isteindeutig schneller.
Aber da kommt dieSchnecke aus dem
·Staatsrat und trägteine Verdienstme
daille.»Wieso du? Ich wardoch viel schneller«, sagt die Ziege .Darauf die Schnekke: »Darfst nichtmeckern. Mußtkriechen.<<
o wir sind ist vorn
Oberkellner steht vor der Tür auf dem Gang bereit. Oder wol
len Sie sich erst mal ein bißchen frisch machen? Getränke be
finden sich im Kühlschrank. «»Besten Dank«, sagte Rolf-Bob, »wir wollen uns erst mal die
Hände waschen. Seife haben wir mit.«
»Aber ich bitte Sie « protestierte der Empfangschef. »Im Bad
ist doch alles vorbereitet Darf ich Wasser einlassen?«
»Nein « ordnete Rolf-Bob an. »Wir lassen selbst ein.«
»Es ist recht«, sagte der dienstleistungswillige Herr und zog
sich zurück. Ich versank in einem der Bolzenhainer Minister
sessel und stöhnte: »Sind die hier alle übergeschnappt?«
»Laß sie doch, wenn's ihnen Spaß macht«, kicherte mein
Freund. Dann holte er aus dem Kühlschrank eine Pikkolo-Fla
sche Sekt (Marke Graf Koks) für mich und eine Pepsi-Cola für
sich und goß ein. »Prost, Ministerehen Haste Hunger? Dann
gehn wir runter und bestellen uns ein doppeltes INTER-Ome
lett «»Und der Oberkellner? Der steht doch vor der Tür?«
»Von mir aus«, sagte Rolf-Bob, »kann er da stehn bleiben, bis
er Rente kriegt.«Der Ober kam aber mit in den Speisesaal. Dort gab er sofort
dem amtierenden Leiter des Goldregen-Quintetts ein Zeichen.
Die Musiker unterbrachen schlagartig die Toselli-Serenade,
an der sie gerade gearbeitet hatten, um die Verdauung der
Gäste zu fördern. Unverzüglich intonierten sie das zu Herzen
gehende Volkslied der DDR »Auf die Bäume, ihr Affen, derWald wird gefegt« . Und der Oberkellner raunte mir schmun
zelnd zu: »Auch hier in Bolzenhain, Genosse Minister, hat man
von Ihrem goldigen Humor Wind erhalten.«
Dann nahmen wir an einem reservierten Tisch Platz - obwohl
man uns gar nicht vorschriftsmäßig plaziert hatte
»Ich bin kein Minister « flüsterte ich energisch.
Der Ober entschuldigte sich wegen seiner Indiskretion und
empfahl dann einige Spezialitäten der berühmten INTER
SCHRECK-Küche: »Wie wär's mit Pökelsprotten am eloxierten
Räuber-Spieß? Oder vielleicht Bolzenhainer Wachteleierku
chen auf pikantem Makkaroni-Haschee? Sehr beliebt ist auch
unser flambiertes Flammeri mit den drei gegrillten Johannis
beeren?«
»Der Herr«, erklärte Rolf-Bob leise, aber bestimmt, »wünscht
eine Terrine Löffelerbsen mit Speck « Der Oberkellner erstarr
te für den Bruchteil einer Sekunde, doch dann klatschte er in

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owir sind ist vorn
die Hände, rief: »Köstlich Köstlich « und hüpfte zur Küche, wo
wir ihn verkünden hörten: »Der Genosse hat ausgefallene
Ideen - das muß man ihm lassen. Na, sonst wäre er ja auch
nicht Minister geworden. Nun seht mal zu, wo ihr Löffelerbsen herkriegt, ihr Idioten Los, los Marsch, marsch «
Nachdem wirdie
aus der näch-sten Eckkneipe importierte Mahl
zeit mit Appetit verzehrt hatten,
wurde mir der Spaß doch ein biß
chen unheimlich. Ich bat Rolfi,
unauffällig meinen Pappkoffer zuholen, und erwartete ihn am Por
tal des INTER-Hotels INTER
SCHRECK.
Da klingelte derWecker.
Ich stellte ihn ab und träumte
weiter.Nachdem ich der diensthabenden
Kalten Mamsell und dem ersten
Stellvertreter des Leitenden Toi
lettenmannes je ein Autogramm
gegeben hatte, bremste ein Mo
torrad vor dem Hotel. Der in
Leder gekleidete Fahrer nahmseinen Sturzhelm ab und die
dicke Aktenmappe zur Hand, und ich bemerkte, daß er eine••
verblüffende Ahnlichkeit mit mir hatte.
»Was wollen Sie hier?« schnauzte ihn der rangälteste Portier
an. Der Motorradfahrer sagte: »Für mich ist hier ein Zimmer
bestellt. Ich bin Minister Korzubeck. «»Und wissen Sie, wer ich bin?« höhnte der Türwächter. »Ich bin
Willi Schwabe, hähä - Außerdem würde ich Sie in diese Auf
machung hier ja nich reinlassen.Sie
ham ja nich ma einenSchlips um, Mensch Da radeln Se bessa zum Bahnhofs-Hotel.«
Der Minister Korzubeck sah den INTERSCHRECK-Zerberus
grimmig an und sagte: »Wenn ich's nicht so eilig hätte, mein
Lieber ... «Dann startete er in Richtung Bahnhof.
Noch während ich endgültig erwachte, glaubte ich zu hören,wie der Portier zu seinen Kameraden sagte: »Habt ihr dis je
sehen? Ein Minister aufs Motorrad Höhöhö. Wo gibt's denn
so watt??«
Sein Licht sollte man nicht über den Scheffel stellen.
9
Bei mir ist jede Stundebesetzt (

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12
Hans entzien
Schulung in derLPG. »Die Sowjets
· fliegen schon zumMond « ruft der Par-
.teiredner. Hoff-nungsvoll fragt einBauer: »Alle?«
Anfrage an den Sen-der J rewan.»Warum haben soviel StaatsmännerGlatzen?«Antwort: Auf politi-sche Fragen antwor-ten wir nicht.
96
1. Januar
8. Januar
7. Februar
19. Februar
24. Februar
1961
Die vorbeugende Impfung gegen Diphtherie und Wundstarrkrampf wird Pflicht.Zum dritten Mal gewinnt Helmut Recknagel die internationale Vierschanzentournee.
Kommunique des Politbüros über die Rolle der Jugend.
Erste Sendung der Reihe >>Fernseh-Akademie<<.
Hans Bentzien wird zum Kulturminister berufen.
1. März Eröffnung des Ersten sozialistischen Armeemuseums<<in Potsdam im Marmorpalais.
7. März Mit Musik von Dimitri Schostakowitsch hat die DEFA
Co-Produktion mit der UdSSR Fünf Tage Fünf Nächte<<Premiere; mit Annekathrin Bürger, Heinz-Dieter Knaup,Wilhelm Koch-Hooge.
16.-19 . März Das Zentralkomitee der SED beschließt den Plan NeueTechnik<<, um die Kollektivierung der Landwirtschaft unddie Entwicklung der Industrie voranzutreiben.
1. April Stiftung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Medaille als höchsteAuszeichnung des DTSB.
12. April Juri Gagarin fliegt als erster Mensch ins Weltall und umkreist in der Raumkapsel >>Wostok 1 die Erde.
12. April Das Arbeitsgesetzbuch wird von der Volkskammer angenommen und tritt am 1. Juli in Kraft. Alle Werktätigen erhalten das Recht auf einen Arbeitsplatz entsprechendihren Fähigkeiten sowie auf eine Bezahlung gemäß ihrergeleisteten Arbeit.
14. April Der Empfang Juri Gagarins in Moskau ist die erste Fernseh-Direktübertragung aus der Sowjetunion.
19. April Protest des Ministerrats gegen den imperialistischenÜberfall auf das kubanische Volk Invasion in derSchweinebucht).
23. April Einweihung der Nationalen Mahn- und GedenkstätteSachsenhausen mit einer Plastik-Gruppe von WaldemarGrzimek.
24. April Das Standbild von Scharnhorst wird als erstes der Denkmäler von Heerführern der Befreiungskriege neben derStaatsoper Unter den Linden aufgestellt .
28. April Die 1 Internationale Gartenbauausstellung wird in Erfurteröffnet.
Wie heißt das blumenreichste Land der Erde? Die DDR 17 Mil-
lionen Mauerblümchen und eine Bartnelke.

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Ze i t tafel 96•
1. Mai
8. Mai
17. Mai
25.-27. Mai
30. Mai
3./4. Juni
3.-5. Juni
10.-18. Juni
14. Juni
15. Juni
23. Juni
4. Juli
6. Juli
13. Juli
25. Juli
29. Juli
3.-5. August
6./7. August
9. August
Jungfernfahrt der >>Fritz Heckert<<, des ersten in der DDR
gebauten Urlauberschiffes des FDGB.
Uraufführung der Komödie >>Frau Flinz<< von Helmut Bai
erl am Berliner Ensemble; Hauptrolle Helene Weigel.
DEFA-Filmpremiere >>Professor Mamlock<< nach Friedrich
Wolf in der Regie von Konrad Wolf.
V Schriftstellerkongreß; Wiederwahl von Anna Segherszur Vorsitzenden.
Die UdSSR gewährt der DDR einen Kredit über 2 Milliar-
den Mark.
Chruschtschow und Kennedy treffen in Wien zusammen.
Chruschtschow überreicht Kennedy das sogenannte
Berlin-Memorandum. West-Berlin soll eine neutrale,
entmilitarisierte Stadt werden. Adenauer lehnt eine Ent
militarisierung ab; auch die drei Westmächte zeigen eine
ablehnende Haltung. Ein separater Friedensvertrag
Sowjetunion/ DDR wird angekündigt.VI. Pädagogischer Kongreß. Ansprache von Walter Ulb
richt: Unsere Schule prägt das Gesicht der Menschen von
morgen.
3. Arbeiterfestspiele im Bezirk Magdeburg unter Teilnah
me von 20000 Laienkünstlern. Preis für künstlerisches
Volksschaffen an das Dorftheater Ebersdorf, das Ensem
ble des VEB Maxhütte und das Lehrersinfonieorchester.
Willi Stoph räumt im >>Neuen Deutschland<< ein, daß es
Versorgungsprobleme bei Fleisch und Milch gibt.
Walter Ulbricht erklärt auf einer internationalen Pressekonferenz zu innerdeutschen Absperrmaßnahmen: >>Nie-
mand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.<<
Hildrun Claus erzielt in Berlin Weltrekord im Weitsprung.
Am Schwerin er Theater wird Max Frischs >>Biedermann
und die Brandstifter<< erstaufgeführt.
Deutscher Friedensplan der Volkskammer zur Verbesse
rung der bilateralen Beziehungen zur BRD.
DEFA-Kinderfilmpremiere >>Die goldene Jurte<< (Co-Pro
duktion DDR/Mongolei).
US-Präsident Kennedy erklärt in einer Rundfunkrede,Westberlin notfalls auch atomar zu verteidigen.
Einführung des >>Haushaltstages<< für berufstätige Frauen.
Beratung der Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrages
in Moskau über >>Maßnahmen zur Sicherung des Frie
dens<< Sie geben ihre unveröffentlichte Zustimmung zur
Abriegelung West-Berlins.
Das sowjetische Raumschiff >>Wostok << mit German
Titow an Bord umrundet 25mal die Erde.
In Ost-Berlin werden die Grenzgänger, die im Westteil
der Stadt arbeiten, registriert.
2
Helmut aierl
»Warum kostet denndie >Prawda< nur 10Pfennige, daß ~ ~Deutschland b ~ r
>
15 Pfennige?1<Ml1der Kunde am Zei-tungskiosk wissen.»Ganz einfach«, sagtdie Verkäuferin,»beim >Neuen
Deutschland< kom-men noch die Über-setzungskostenhinzu.<<
»Die russischenKosmonauten habenaber ein Pech ge-habt «- »Wieso?« -»Da flie,gen
1~ ttm .
die gan e Erde uµt
landen ausgereehlletwieder in der · , ·
SoVJjetunion «

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22
Winfried unge
11. August
13. August
14. August
16. August
24 . August
Zeittafel 96
Die Volkskammer beauftragt den Ministerrat die auf derTagung der Warschauer Vertragsstaaten beschlossenenMaßnahmen zur Grenzsicherung in und um Berlin >>vor-
zubereiten und durchzuführen<<.
Schließung der Grenzübergänge nach West-Berlin. DerMauerbau beginnt.
Das Brandenburger Tor wird seitens der DDR zum We
sten hin geschlossen. Die Telefonverbindungen zwischender Bundesrepublik und der DDR werden vorübergehendunterbrochen.Für alle Bewohner der DDR und Ost-Berlins wird dieGrenze zur Bundesrepublik Deutschland gesperrt.Zwei DEFA-Filmpremieren >>Der Fall Gleiwitz<< und >>Der
Traum des Hauptmann Loy<<
28 . August Regisseur Winfried Junge beginnt mit den Dreharbeitenfür >>Die Kinder von Golzow<<. Es wird der längste Dokumentarfilm der Filmgeschichte.
28. August Der ZRA 1 von Carl Zeiss Jena der erste serienmäßigproduzierte Rechenautomat wird in Betrieb genommen.
4. September Die FDJ ruft zu ihrer Aktion >>Blitz kontra Nato-Sender<<auf die sich gegen das Hören von Westsendern richtet.
5.-14 . September >>Gewissen in Aufruhr<< mit Erwin Geschonneck wird
gesendet ein Fünfteiler nach den Aufzeichnungen vonRudolf Petershagen .
7. September Ost-Berlin wird als Hauptstadt der DDR zum 15. Bezirkder DDR erklärt.
15. September Die bisherige Deutsche Grenzpolizei wird Kommando derGrenztruppen und eine Teilstreitkraft der NVA.
20 . September Die Volkskammer beschließt das Gesetz zur Verteidigungder DDR.
28. September Verordnung über Pflege und Schutz der Denkmale.
30. September Heiner Müllers >>Die Umsiedlerin<< an der Studentenbüh
ne der Berliner HfÖ wird als >>reaktionäres Machwerk<<abgesetzt. 32 Parteistrafen für Beteiligte. Müller wird ausdem Schriftstellerverband ausgeschlossen.
4. Oktober Manfred Preußger stellt in Magdeburg im Stabhochsprung mit 4 70 m einen neuen Europarekord auf.
5. Oktober Die Technische Hochschule in Dresden wird TechnischeUniversität.
8. Oktober DDR-Erstaufführung der Oper >>Krieg und Frieden<< vonSergej Prokofjew in Leipzig.
10./11. Oktober Auf der Wirtschaftskonferenz des Zentralkomitees der
SED und des Ministerrates werden Maßnahmen zur>> Störfreimachung der Wirtschaft beraten.

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•
Zeittafel 96•
13 . Oktober Erstmals erscheint das knollige DDR-Ampelmännchen in
einer Berliner Verkehrsampel.
17. 31. Oktober Eine Delegation mit Walter Ulbricht reist zum XXII . Par
teitag der KPdSU. Die Abrechnung mit dem Stalinismus
geht weiter. Stalins Leichnam wird aus dem Mausoleum
entfernt. Differenzen mit China; die chinesische Delegati-
25 . Oktober
29 Oktober
3. November
5 November
on reist vorfristig ab.Am Checkpoint Charlie stehen sich amerikanische und
sowjetische Panzer gegenüber. DDR-Grenzer hatten
Angehörigen der US-Militärmission den Zugang nach
Ostberlin verweigert.
Im Fernsehen startet die Sendereihe >>Erlesenes<<
DEFA-Kinderfilmpremiere >>Küßchen und der General<<.
Auf der 6 Bezirkskunstausstellung in Leipzig werden
Werke von Heisig, Tübke und Mattheuer präsentiert.
13 November Stalinstadt heißt nun Eisenhüttenstadt. Die Ostberliner
Stalinallee wird umbenannt, das Stalindenkmal abgebaut.30 November In einem Brief schlägt Ministerpräsident Grotewohl Bun
deskanzler Adenauer Schritte zur Normalisierung der Be
ziehungen vor. Das Bundeskanzleramt verweigert die An
nahme des Briefes.
2 Dezember
12 Dezember
15. Dezember
16 Dezember
30 Dezember
Fidel Castro erklärt Kuba zur sozialistischen Republik.
Grundsteinlegung für das >>Haus des Lehrers<< am Alex
anderplatz.
Gründung der Liga für Völkerfreundschaft, die alle DDR
Freundschaftsgesellschaften umfaßt.
Das Politbüro beschließt das Kommunique >>Die Frau
der Frieden und der Sozialismus<<.
In einem Interview mit der Prawda beziffert Walter Ulb
richt die durch Abwerbung und Flucht entstandenen
Schäden mit rund 30 Milliarden Mark.
Von Jahresanfang bis zum Mauerbau verlassen 159730 DDR-Bürger das
Land.
Sportler des Jahres:
Gustav-Adolf Schur
Radrennen)
Ute Starke
Turnen)
Fußballmannschaft des
SC Empor Rostock
neue Bücher:
Franz Fühmann
>>Kabelkran und blauer
Peter<<
Karl-Heinz Jakobs
>>Beschreibung eines
Sommers<<
Erik Neutsch
Bitterfelder Geschich
ten<<
Eduard Claudius
>>Die Nacht des
Käuzchens<<
Christa Wolf
>>Moskauer Novelle<<
Anna Seghers
>>Das Licht auf dem
Galgen<<<<
23
Wolfgang attheuer
Oberliga Plazierung96
Nachdem nach sowje
tischem Vorb:ld 1956. .
die Fußballsaison dem
Kalenderjahr angegli-.
chen worden war, ·
kehrtdie Oberliga
wieder zum Herbst
Frühjahr Rhythmus
ZlJrück. Da die vorhe-. rige Saison im De-
. zember 1960 endete, .
beginnt die neue · ·Spielzeit im Frühjahr ·
1961 und endet nach. .
drei Runden im Som-
mer 1962.
große Hits:
>>Sari<<
Fred Frohberg
>>Reserviert für Pierre<<
lrmgard Hase
Denk daran<<
Fanny Daal
>>Weiße Wolken,
blaues Meer und du<<
Jenny Petra

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24
Ulbricht steht an der
Mole in Rostock undsieht beim Beladen
der Schiffe zu. Erfragt die Seeleute:»Wo fahrt ihr hin?«
»Nach Kuba.«
»Was bringt ihr hin?«
»Maschinen undFahrzeuge.«»Womit kommt ihr
zurück?«
»Mit Apfelsinen.«
Er fragt die Seeleuteeines zweiten Schif-fes: »Wo fahrt ihr
hin?«
»Nach Afrika.«
»Was bringt ihr hin?«
»Maschinen undFahrzeuge.«
»Womit kommt ihr
zurück?«
»Mit Bananen.«Und die eines drittenSchiffes: »Wo fahrt
ihr hin?«
»In die Sowjetunion.«
»Was bringt ihr hin?«
»Apfelsinen und Ba-
nanen.«
»Womit kommt ihr
zurück?«
»Mit dem Zug.«
962
1. Januar
4. Januar
Zeittafel 962
Die vorbeugende Impfung gegen Keuchhusten wird als
Pflichtimpfung eingeführt.
>>Astronautisches Studio<< hat Fernsehpremiere.
. „
Anfrage an den Sender J i.ewan: »Stimmt e s ~ daß dem Kosmonau-ten Gagarin auf dem Roten Platz ein rotes Auto übetreiclit worden ist?« Antwort: »Im Prinzip ja. Nur handelte es sich nicht umden Kosmonauten Gagarin sondern um einen Arbeiter gleichenNamens. Und es geschah nicht n Moskau sondern in i e w ~ Eswar auch kein Auto sondern ein Fahrrad und es wurde ihm nichtüberreicht sondern gestohlen.«
4. Januar
5./6. Januar
6. Januar
16. Januar
24. Januar
5. Februar
DEFA-Filmpremiere >>Auf der Sonnenseite<< mit Marita
Böhme und Manfred Krug.Auf der Frauenkonferenz des Zentralkomitees der SED
wird beschlossen, die Mitarbeit von Frauen in Staat und
Wirtschaft zu verstärken. Bisher sind 46°o aller Beschäf
tigten in der DDR Frauen.
Die Bauarbeiten am Rostocker Hafenbecken werden ab
geschlossen.
In Berlin wird das >>Bulgarische Kulturzentrum eröffnet<<.
Die Volkskammer beschließt das >>Gesetz über die allge
meine Wehrpflicht<< in der DDR und in Ost-Berlin.
Frankreich verweigert der DDR-Mannschaft die Einreise
zu den Skiweltmeisterschaften in Chamonix.
10.-11. Februar llse Geisler und Thomas Köhler erringen bei der Renn
schlitten-WM in Krynica (Polen) die Weltmeistertitel im
Einsitzer.
22. Februar DEFA-Filmpremiere >>Die aus der 12b<<.
24.-25. Februar Beim Skispringen auf der Großen Schanze in Zakopane
wird Helmut Recknagel Weltmeister.
9.-11. März In Magdeburg tagt der VII. Bauernkongreß unter der
Losung >>Für gute genossenschaftliche Arbeit in jeder LPG
für Frieden und Sozialismus <<
13. März Die DDR erklärt in einem Schreiben an den UNO-General
sekretär den Verzicht auf Erwerb, Herstellung und Statio
nierung atomarer Waffen.
15. März Die DDR-Regierung stiftet den Ehrentitel >>Kollektiv der
sozialistischen Arbeit<<.
22. März Die DDR-Regierung führt Visa für Bundesbürger ein, die indie DDR einreisen wollen.

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Ze i t tafel 962
28. März
8. April
24. Mai
1. Juni
16./17. Juni
18. Juni
Als Antwort auf ein bereits von der Bundesrepublik ein
geführtes Zollgesetz verabschiedet die Volkskammer ein
eigenes Zollgesetz, das Westberlin als nicht zum Hoheits
gebiet der BRD gehörend einstuft.
DEFA-Kinderfilmpremiere >>Christine und die Störche<<.
Zwischen der DDR und dem Irak wird die Einrichtung
eines Generalkonsulates der DDR in der irakischen StadtBagdad beschlossen .
Gründung der ersten Schulsportgemeinschaft SSG) für
körperbehinderte Kinder und Jugendliche in Magdeburg.
Der >>Nationalkongreß der Nationalen Front verabschie
det ein >>Nationales Dokument<<, das unter anderem die
Koexistenz beider deutschen Staaten und eine Konfödera
tion vorsieht. Der Beschluß basiert auf der Forderung der
SED nach völkerrechtlicher Anerkennung beider deutscher
Staaten.Der neunzehnjährige Grenzsoldat Reinhold Huhn wird
von einem Fluchthelfer an der Mauer erschossen.
1. Juli 31. August Hans-Grundig-Ausstellung in der Berliner Nationalga
lerie.
6. 12.Juli
10. Juli
12. Juli
Erstmalige Durchführung der Sommerfilmtage der DDR in
den Bezirken Dresden, Rostock, Gera, Berlin . Eröffnung in
Berlin mit dem DEFA-Film >>Das verhexte Fischerdorf<<.
Eine DEFA-Literaturverfilmung nach Wilhelm Raabe
kommt in die Kinos: >>Die schwarze Galeere<<.
Ankündigung, daß die Arbeiter- und Bauern-Fakultäten,
die jungen Werktätigen den Weg zur Hochschulreife er
möglichten, 1963 ihre Arbeit einstellen.
25
Warum nimmt Wal-
ter Ulbricht Lotteimmer mit·auf ei-
sen?Damit er sie zum
Abschied und zurBegrüßung nichtküssen muß
\\
13. Juli Ein neuer Märchenfilm hat Premiere: >>Rotkäppchen<<, mit
Blanche Kommerell. Fred Frohberg
13.- 14. Juli
14.August
17. August
1. Schlagerfestival der Ostseeländer in Rostock. Fred Froh-
berg und Bärbel Wachholz gewinnen den Wettbewerb.
Ein spannender Kinderfilm nach einer Erzählung von MaxZimmering läuft an: >>Die Jagd nach dem Stiefel<<.
Bei einem Fluchtversuch stirbt der achtzehnjährige Peter
Fechter an der Berliner Mauer.
22. August Die sowjetische Kommandantur in Berlin wird aufgeho
ben. Ein >>Stadtkommandant für die Hauptstadt der DDR
wird eingesetzt.
6. September Der Komponist Hanns Eisler stirbt vierundsechzigjährig in
Ost-Berlin.
8. September Walter Ulbricht bezeichnet die Mauer als >>antifaschistischen Schutzwall<< .
J
Hanns isler

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1
lfred Kurella
»Genosse«, sagt derParteisekretär, »ichkann dir die erfreu
liehe Mitteilung ma- .chen, daß du ·nach .Kuba delegiertwirst, um den Siegdes Sozialismus inLateinamerika voranzutreiben «
Drauf der Genosse:»Ach nein, bitte, ichmöchte nicht ... «
Der Parteisekretär: ·
»Aber es ist einegroße Ehre und eineverantwortungsvolle ·Aufgabe «»Ach weißt du, Ge
nosse Parteisekretär, ich hab ja schonvieles mitgemacht:Unter Stalin sindwir stalinisiert wor
den, unterChruschtschow . ,chruschtschowi
siert, und nun soll ·
ich zu Castrogehen?«
Zeittafel 962
12. September Mit der Gründung des >>Rates für Industrieform<< reagiertdie DDR auf den steigenden Konsum technischer Gebrauchsgüter in den Privathaushalten. 1964 wird die >>äs-
thetische Prüfpflicht<< für Konsumprodukte in der DDReingeführt.
12.-16. September Manfred Matuschewski wird als erster DDR-SportlerEuropameister über
800m bei der Leichtathletik-EM in
Belgrad.
21.-23. September 1 Gehörlosen-Spartakiade des Deutschen Verbandes für
Versehrtensport DVFV) in Leipzig.
22. September - 3. Juni 1963 V. DDR-Kunstausstellung im Albertinum inDresden mit insgesamt 210 000 Besuchern.
30. September In allen Betrieben, Verwaltungen, Hoch- und Fachschulenwerden Reservisten-Kollektive gebildet .
.
Ein Hauptmann begrüßt die jungen Soldaten. »Woher kommen. .
..Sie denn? «fragt er einen ~ n l i n g»Aus Gera, Herr K o l l B ~ ~ l i ~ f . (<. . „
. >Sagen. lieb.er ß e ~ ~ ~ l ~ l ~ ~ n zu tnU . « ··>awohl, lieoer G e n e s s a u p , : f m a n n . ~
' . fi .. ; ::,
3. Oktober
12. Oktober
14. Oktober
16. Oktober
17. Oktober
23. Oktober
25. Oktober
28. Oktober
Auf der 17. Tagung des Zentralkomitees der SED heißt es,daß die >>Aufgaben der Übergangsperiode<< vom Kapitalismus zum Sozialismus >>im wesentlichen gelöst<< seien.Alfred Kurella zur Kulturpolitik: >>Wir schaffen die sozialistische Kultur für die ganze Nation.<<
DEFA-Filmpremiere >>Menschen und Tiere<< eine Co-Produktion DDR/ UdSSR).
Premierenapplaus von 45 Minuten bekommt die Uraufführung von Hacks >>Der Frieden<< nach Aristophanes) amDeutschen Theater.
Beschluß zur Bildung von Kommissionen zur sozialistischen Wehrerziehung.
Gründung der Frederic-Chopin-Gesellschaft in Leipzig.
Die Werktätigen aus dem VEB Büromaschinenwerk Sömmerda rufen zum sozialistischen Massenwettbewerb auf:>>Gründlich denken, ehrlich arbeiten, wirtschaftlich rechnen, wissenschaftlich forschen, froh und kulturvoll
leben.<<
250000 Berliner demonstrieren gegen die Kuba-Politikder USA.
Chruschtschow kündigt den Abbau sowjetischer Raketenin Kuba an.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1961 - 1962
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Zeittafel 962
28. Oktober Die bundesdeutsche Schriftstellervereinigung Gruppe 47
verleiht ihren diesjährigen Preis dem Schriftsteller Johan
nes Bobrowski aus der DDR.
3.-5. November Die ersten Telemann-Festtage finden in Magdeburg statt.
9.-18. November V Internationale Dokumentar- und Kurzfilmwoche in
Leipzig. Der Große Preis geht an den kubanischen Film
>>Geschichte eines Balletts<<.
10. November Die Berliner Zeitung fragt erstmals nach den >>Fernseh
lieblingen<<, die sie in ihrer Ausgabe vom 16. Dezember
veröffentlicht.
11. Dezember Als Leiter der Sektion Lyrik der Akademie der Künste
hatte Stephan Hermlin zur Einsendung unveröffentlichter
Gedichte aufgerufen, die auf einer Veranstaltung vorge
tragen werden. Wolf Biermann ist unter den Autoren.
14. Dezember Die Intershop-Handelsorganisation wird gegründet. Ein
kaufen dürfen nur Ausländer mit konvertierbarer Währung.
15. Dezember Im Friedrichstadtpalast findet eine Gala zum zehnjährigen
Bestehen des Fernsehens statt Walter Ulbricht wird be
grüßt.
15. Dezember In Zwickau beginnt die Produktion des Trabant P60. Bis
1965 werden 106 628 Stück gebaut.
19. Dezember Der Ministerrat beschließt ein Wohnungsbauprogramm.
23. Dezember Veröffentlichung des Entwurfs eines neuen Parteipro
gramms der SED
1962 verlassen 21 356 DDR-Bürger das Land.
Sportler des Jahres:
Helmut Recknagel
Skispringen)
Ingrid Krämer
Wasserspringen)Die 4 x 100 m-Lagen
staffel der Frauen
Torschützenkönig der
Oberliga:
Arthur Bialas vom
SC Empor Rostock
mit 23 Treffern
Fernsehlieblinge:
Rolf Herricht
Willi Schwabe
Margot Ebert
Heinz Florian Oertel
Heinz Quermann
das Sandmännchen
lnge Keller
Eberhard Cohrs
Prof. Ullrich
Bärbel Wachholz
neue Bücher:
Franz Fühmann
>>Das Judenauto<<
Hermann Kant
>>Ein bißchen Südsee<<Max Walter Schulz
>>Wir sind nicht Staub
im Wind<<
Anna Seghers
>>Karibische
Geschichten<<
Joachim Wohlgemuth
>>Egon und das achte
Weltwunder<<
127
Oberliga Plazierung
1962
1. ASK Vorwärts Ber-
lin
2. SC Empor Rostock
3. SC Dynamo Berlin
4. SC Motor Jena
5. Motor Zwickau
6. SC Lok Leipzig7. SC Wismut Karl
Marx-Stadt
8. SC Rotation ·Leipzig
9. SC Aufbau Magde
burg
10. SC Turbine Erfurt
N)
11. SC Chemie Halle
12. SC Aktivist Brieske
Senftenberg13. SC Einheit Dresden
A)
14. Lok Stendal N, A)
große Hits:
>>Frühlingsfest auf
Kuba<<
Rica Deus
>>Treu sein<<Bärbel Wachholz
>>Das Wunder der
Nacht<<
Petra Böttcher
>>Für dich und für mich<<
Helga Brauer
>>Einmal weht der
Südwind wieder<<
Rica Deus

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Nachweise
Die Karikaturen stammen von
Heinz Behling: 51 64 66 90 112Henry Büttner: 43 73 85 92 98
Peter Dittrich: 61 77 112
Karl Holtz: 57 119
Heinz Jankofsky: 30
Kurt Klamann: 31 58Harald Kretzschmar: 120 121 122 123 125 126
Lothar Otto: 107Harri Parschau: 11 16 21 39
Kurt Poltiniak: 13
Louis Rauwolf: 22 32 37 79 80 87 97 u.
Wtlmar Riegenring: 45 o.
Horst Schrade: 8 44 78 103
Karl Schrader: 42 45 u. 47 49 94 97 o. 106 100 110
Carl Sturtzkopf: 20 74Georg Wtlke: 26 28 55 67 70 88 101 117
Fotos:
Manfred Uhlenhut: 35
Archiv Zentralkonsum e. G.: 65
Für die freundliche Genehmigung z m Abdruck danken wir den Auto
ren Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns gelungen
Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Hono
raransprüche bleiben gewahrt.
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Steinerne Furt D-86167 Augsburg
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aus dem Film »Auf der Sonnenseite«
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Lieber schlankweg in den Westen
als dicke da im Osten