sternstunden des ddr- humors / 1985 - 1986

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 Die Jahre 1985-1986: Bürger weisen ie sich aus

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985 986

Bür er weisen ie sie aus

Weltbild

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Matthias Biskupek Ein Mineralsekretär kommt

1 Kapitel: Bürger weisen Sie sich ausMatthias BiskupekWir vom Vordmck-LeitverlagManfred WolterVerwirrung

Irmgard Abe •

Wie man einen Antrag ausfülltManfred StrahlDer Fall B 2

Thomas ReuterAuf der Suche nach meiner kriminellen

7

9

10

11

12

15

Vergangenheit 17Ernst RöhlSchöner Abend 2

Lothar KuscheDeutsche Dienstmützen 22

John StaveDie Rache des kleinen Weihnachtsmannes 23

2 Kapitel: Alles zum Wohle des VolkesHumorvolles aus dem Alltag 25

Angela GentzmerHurvinek und Spejbl 26

Sketch m t elga ahnemann und i Korn

Matthias BiskupekVeröffentlichtes Ärgernis 28

John Stave

Meinenassen

Flecken31

Heli BusseWie ich die EDV beherrschen lernte 33

Hansjoachim RiegenringFlötenkonzert 35Renate Holland-MoritzDie Leiche im Keller 36Ernst RöhlHundeleben 39

Jochen PetersdorfThema mit Variationen 41

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Inhalt

3 Kapitel: Lernen lernen nochmals lernen

Als wir Schüler und Pioniere waren

John StaveMärchen

Ottokar Domma

Der Empfang beim Herrn Direktor

Ernst RöhlQuasnicks Annette

Peter Ensikat / Wolfgang Schaller /Manfred SchubertAktuelle Umfrage

4 Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen

Wir Werktätigen in Stadt und Land

C U WiesnerFrisör Kleinekorte 11nd das Glas Most

Ernst Röhl

43

44

47

52

55

57

58

Interview mit Sisyphos 62

Wolfgang SchallerKlomann Richard 66

Wolfgang Stumph in der erkuleskeule

Irmgard Abe

Vor dem Privatmißbrauch von Bäckerburschenwird gewarnt 67

5 Kapitel: Heißer Sommer

Von Ostseestrand Datsche und Jugendclubs ... 71

Angela GentzmerReisegruppe

Sketch mit elga ahnemann und lfred Müller

Helga Hahnemann

UrlaubsgrüßeLothar KuscheNa, was gibt's denn Neues?

Hell BusseWissen, wofür

John StaveWas vom Urlaub haben

Matthias BiskupekIn keinem anderen Land

72

74

79

82

84

5

DI

Eulcnspteicl--.icn  _

20 .Studenten1 1

Sommer .

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-

6. Kapitel: Höher, schneller, weiter

Sportlich sportlich

Ernst Röhl

Der Wetter aus Dingsda

Hansjoachim Riegenring

HürdenlaufIrmgard Abe

Unsere Kicker von Bräsen 08

7. Kapitel: Unter vier Augen

Über Verliebte und Verheiratete

Lothar Kusche

Eine Nacht mit sieben Frauen

Rudi Strahl

Der Schneemann

Hansjoachim Riegenring

Bildung in Raten

Renate Holland-Moritz

Das war eine herrliche Zeit

Jochen Petersdorf

Lilomaus

8. Kapitel: Wo wir sind, ist vornEs geht seinen sozialistischen Gang

Matthias Biskupek

Meldestelle für Bedenken

Hans Krause

Kuddeldaddeldu und die Preußen

Edgar Külow

Die Jury

Inge Ristock

Problematische Problemproblematik

Ernst Röhl

Drecksache

Wolfgang Schaller

Gelöbnis

Zeittafel

Rechtliches

Inhalt

85

86

91

93

97

98

102

104

105

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Prost zum las Most

Viele hatten sich eingerichtet, Mitte der achtziger Jahre, in

ihrem Dreibuchstabenstaat. Zwischen äffentlicher Gängelung

und heimlicher Sicherheit. Der Chefredakteur des »Eulenspiegel« hielt seine Stellung tapfer. Seit Jahrzehnten. Die Berufs

kabaretts trafen sich in Gera, um vorwärtsweisend zu kritisie

ren. Mancher aber saß auf gepackten Koffern; Ausreiseanträ

ge wurden mal genehmigt, mal nicht beachtet, mal drakonisch

bestraft. Eine gewisse Wtllkürwarvom Großen Bruder Sowjet

union über die Jahre hinweg eingesickert nun kamen von dort

plötzlich zwei neue Wörter. Perestroika und Glasnost. Man

kalauerte: »Prost zum Glas Most «, denn ursprünglich sollte

es eine Kampagne gegen Alkohol sein, was der Mineralsekretär Gorbatschow im fernen Moskau sich ausgedacht hatte.

Doch als nicht wenige bis dato treue Genossen den Ruf »Von

der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen « wörtlich nahmen

und gegen all das anstinken wollten, was verdroß: Zensur,

Gängelei, Abschottung, Umweltzerstörung - da wurden die

greisen Poli tbürokraten munter. Kurt Hager, oberster Ideolo

giechef, beschloß die Diskussion so: Wenn der Nachbar tape

ziert, müssen wir das noch lange nicht tun. Fortan hieß er

Tapeten-Kutte.Im »Eulenspiegel« verfaßte ich damals monatlich die Kolum

ne »Literatouristik«, geißelte zum Beispiel Bücher aus dem

Militärverlag: wegen kitschiger Sprache und schablonenhafter

Figuren. Die Leser verstanden: Der meint die Armee, doch die

darf man ja nicht kritisieren. Also mäkelt er über Soldaten

literatur.

Viele dachten, jetzt wäre die Zeit für den echten Sozialismus

gekommen. Ich erinnere mich, daß wir oft und lange - auch

darüber - lachten. Ernst mochten wir die Staatsgetreuen nichtmehr nehmen. Doch mit Scherzen konnte man sich zwar nicht

mehr i m den Kopf, aber noch immer schnell um seinen modi

schen Kragen reden.

Matthias Biskupek

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Warum gehen die

Volkspolizisten zudritt auf Streife?Weil sie sich so ambesten ergänzen

Der erste kannlesen, der zweitekann schreiben, undder dritte paßt aufdie beiden Intellektuellen auf.

Bürger weisen Sie sich aus

atthias iskupek

Die Devise heißt: Vordrucke müssen sein. Oder will das jemand

bestreiten? Will jemand ernsthaft bestreiten, daß alles, waswir erreicht haben, ohne Vordrucke erreicht worden wäre? Man

will nichts sagen und nichts gesagt haben. Jeder weiß dochschließlich. Na also.

Das ist gegenwärtig sehr komplex. Eins greift ins andere. Und

die Vordrucke werden doch nicht bei uns erarbeitet. Jede Ein-

richtung braucht Rahmenrichtlinien. Jedes gesellschaftlicheGanze braucht exakte Klarheit. Die Leute müssen doch wissen,

wenn sie Vordrucke ausfüllen, in welches Kästchen. Das sind

doch alles ganz sinnvolle Gegebenheiten, die sich die Mensch-heit imVerlaufe einer langen Geschichte erarbeitet hat. Gerade

wir vom Vordruck-Leitverlag bekommen das täglich zu spüren.

Die Vordrucke bekommen wir vorgegeben. Auf Heller und Pfen-

nig. Von denen, für die wir sie ja schließlich erstellen. Wrr ma-

chen nichts anderes, als von uns gewollt wird. Vordrucke von

den Menschen als Vordrucke für den Menschen.Bürgernahe Vordrucke.

Einfach gesagt: Wir würden auch gern anders.

Und wenn es nun schon Vordrucke gibt, weil es sie geben muß,weil wir alle sie dringend brauchen, muß es doch eine Einrich

tung geben, die koordiniert, anleitet, bündelt, zusammenfaßt

und auseinanderdividiert. Das machen wir. Weil einer es ma-

chen muß und wir dafür vorgesehen wurden.

Es soll doch niemand denken, wir hätten uns danach gedrängt,

diese Rolle zu spielen. Das wird festgelegt. Da gibt es Anwei-

sungen. Da kriegt man einen Vordruck und der ist ausgefüllt

wieder an die kompetente Stelle zurückzusenden.

Und auf wen der Vordruck statistisch niederfällt, das ist be-schlossen. Das ist eine kollektive Entscheidung. Das geht doch

jedem so. Das muß man doch mal verstehen.

Gemacht werden muß es. Das sieht man doch ein.

Da sitzt man doch drin, weil man nicht abseits stehen will.

Als Leitverlag wird man angeleitet. Das ist doch alles im Sinne

unserer Vordrucke. Wir richten uns ganz nach denen. Denn

wozu wären die schließlich da, wenn sie nicht auch Richt

linien hätten? Dann wären die Probleme da. Und wir hätten sie

· am Hals. Und alles würde uns über den Kopf wachsen.Glaube doch keiner, wir hätten keine Probleme. Für uns ist

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Bürser weisen Sie sich aus

nichts so einfach. rr können da überhaupt nichts. Was sind

wir denn? Ein ganz einfacher Vordruck-Leitverlag.

Die Devise heißt: Vordrucke müssen sein. Oder will das jemand

ernsthaft bestreiten?

llorwirr e t

»Was suchen Sie hier Bürgerin?« fragte der Polizist den extrem

langhaarigen Jugendlichen.

Der Jugendliche antwortete: »Vorigen Handschuh verlor ich

meinen Herbst lange mußte ich finden ehe ich ihn suchte. Ich

kam an dieses Guck und lochte hinein. Da sah ich vier grüne

Stühle auf vier Herren sitzen. Ich nahm höflich meinen Tag ab

und flüsterte:>Guten

Hut meine Herren haben Sie meinenFung nicht gehanscht?<«

»Klingt aber sehr chinesisch« sagte der Polizist zu seinen drei

nickenden Kollegen hin.

»Mundart« sagte der Jugendliche. »Haben Sie meinen Fung

nicht gehanscht? heißt soviel wie: Haben Sie meinen Handsch

nicht gefung? «

»N e« sagte der Polizist.

anfred Wolter

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)

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• •• • •••

Bürger weisen Sie sich aus

lrmgard be

Am Tag, als der Regen kam über unsere durstige Gegend - ein

leiser, langer Mairegen, von dem die Bauern sagen: Heutewächst mehr, als wir versaufen können - an dem Tag kam

Nachbar Hoppel eben mal auf einen Husch rüber. Ich wollte den

stillen Tag zum Schreiben nutzen und saß an der Maschine.

Hoppel hatte seine Gummistiefel in der Veranda ausgezogen,

nun trat er mit seinen Roßhaarsocken in die Stube und wink

te schon an der Tür beschwichtigend ab: »Laß dich nicht stö-

ren, Kind, schreib ruhig erst deinen Roman

zu Ende. Ich kucke solange zu.«

Er setzte sich umständlich hin und kucktezu, bis meine nervösen Finger schließlich

den phantastischen Satz »Schajfrj8-inghlllq

rill « tippten - und da gab ich das ungleiche

Spiel auf, und Hoppel rieb sich zufrieden die

Hände.

»Schon fertig, Kind? Kucke an, wie fix du

dein Geld verdienst. Aber das hier geht auch

schnell.«

Damit schob er zwei kleine Pappkärtchenüber den Tisch, Vordrucke, »Antragsformu

lare für Besuchsreisen in die BRD«.

»Füll mal aus, Kind. Ich muß ein paar Tage

verreisen. Nach Düsseldorf. Mein Bruder

hat Geburtstag. Franz, kennste ja. Zeit hab ich für so was nich

- aber was will man machen. Doppelte Ausführung.

Wat, die Wische gülden nich mehr? Kucke an Dabei hab ich

die extra noch vom vorigen Mal im Vertiko aufgehoben. Aber

das is wieder der Beweis: Bürokraten AbscheulichNa, füll trotzdem aus, vielleicht drückt Vater Staat ein Auge zu.

Meins haste ja alles: geboren, wann, wo, warum. Warum weiß

te auch, wat? Siehste, da weißte mehr als ich.

Grenzübergang? Also, wo ich rübermache? Ich mache über

haupt nich rüber. Bin froh, wenn ich wieder zu Hause bin.

Laß die Grenze erst mal frei, fällt mir noch ein.

Jetzt Franzens Personalien? Dann ran wie Bobby an die Blut

wurscht. Düsseldorf, Kind, Düsseldorf im Westen. Kennste ja,

weißte ja. Kennste nich? Sei froh.Straße, Straße - Momentchen. Seh ich direkt vor mir, geht biß

chen abschüssig, unten ist dann die Eisbude. Ganz bekannter

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Bürser w i s ~ n Sie sich aus

Name, weltberühmter Mann. Kennste auch. Vom Fernsehn.Doktor von Beruf. Richtig Füll aus. Albert SchweitzerHausnummer? Piekfein. Schmiedeeisen, vergoldet. Lauter ekkige Zahlen. Ich kann ja eckige Zahlen nich ausstehn. Sindwie eckige Weiber. Na, ich komm noch drauf. Nimm erst mal

die nächste Spalte.Geboren? Franz? Glaube schon. Oder was denkst du?

Ach, Datum Das schüttele ich dir aus dem Ärmel, das vergeßich mein Lebtag nich, hab ja neue Holzpantinen gekriegt, wie

der Bengel kam. Kindertag Schreib hin: Kindertag.Jahr wird schon schwerer. Was du alles wissen willst. Jahr?Tatata - herrlicher Regen, wat? So fein und leise. Heute wächstmehr, als wir beide versaufen können. Aber ich kann ja nichmehr. Nüscht mehr los mit Hoppeln.

Das Jahr? Haben wir denn das verflixte Jahr immer noch nicht?Das will uns wohl ärgern. Aber das schnappen wir uns noch,laß mich überlegen. Wir waren fünf Kinder. Theo ist der Älteste. Der geht mit'm Jahrgang. Was schreiben wir heute? 1986?- Stimmt auffallend, weil er Ostern 86 geworden is. Kannst hin-

tippen, Kind: Geburtsjahr Neunzehnnullnull.Hast ja recht, is ja Theo. Und wir brauchen Franzen. 0 Jott,mein Kopp. Also von vorne. Theo war der erste. Kam dannschon Franz? Oder Martchen? Oder war zwischendurch noch

Richard? Wrr sind ja gepurzelt, Kind, eine wahre Freude. Undalle in Muttern ihr Bette, sogar der Düsseldorfer mit sein dikkes Auto. Schiet druff, knall hin: Franz, geboren Kindertag1906. Is doch inzwischen so egal, Mensch.Zeig mal, sieht doch fein aus: 906 - alles schön rund. Was Run-

des is immer schön, stimmt's? Laß ruhig stehn. Paßt sogar,weil er einen runden Geburtstag hat. Siebzig Jahr.Wat sagste? Demnach geboren 1916? Kann das hinkommen?Auch jut. Is doch sowieso alles bloß noch - es war einmal ...

Haste das wirklich nicht gewußt mit dem Siebzigsten? Denkstwohl, ich fahre zum Spaß. Noch dazu, wo meine Kuh zum Kal-

ben kommt nächsten Elften. Elf Die Hausnummer von AlbertSchweitzer: 11. Tipp schnell rein, eh sie wieder in Vergessenheit geraten tut. Na bitte, jetzt haben wir alles, wer sagt's denn,haha, hoho, holladrio Ach, du bist doch meine Beste. Und wie

schnell das ging. Richtig schade. Hätten uns bei dem feinemRegen noch schön was erzählen können.Nich fertig? Meinswegen löchere mich weiter, Kind. Was will

denn die Obrigkeit noch von uns wissen?Letztes Mal drüben? Als wie ich? Das fragste noch? Ausgerechnet du? Jetzt enttäuschste mich aber. Wirklich War doch der

3

Selbstverständlichhat jeder in unsererDDR das garantierteRecht und die Frei-·

.

heit, stets frei undoffen zu sagen, waser denkt. Aber eben-

so selbstverständlichist es doch, daß nie-

mals jemand etwasdenkt, was er nichtfrei und offen sagendarf

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Zeit der Glasnost · · ·

in Moskau. In derPrawda stehen

jeden Tag u f r ~ nde Berichte. EinesMorgens ruft Iwanbei Kolja an. »Hast

du gelesen, w s ' ,

heut in der Prawdasteht?«- »Pst«, sagtKolja, nicht am .

Telefon « , ·

Bürger weisen Sie sich aus

Riesenkracher damals, wie ich den dritten Tag schon zurück

kam. Ihr seid doch alle Mann zusammengelaufen wie Milch bei

Gewitter. Ich war ja selber so froh, Kind, wie ein dummer Junge.

Und du hast deinen Rock angsengt am Feuer, war's nich so?

Schade drum. Hattest dich so schmuck gemacht. Bist auch

älter geworden. Sehe ich. Doch, doch.Aber welches Datumwir da geschrieben haben? Zum Auswachsen Mensch, zerreiß den ganzen Krempel Man merkt bloß,wie die Zeit vergeht. Is doch abscheulich

Hast recht. Wenn's verlangt wird, müssen wir uns ranschlei

chen, das dämliche Datum einzingeln. Aber zingele mal.Tjaßaßa, tirallala ... wann hatte Martchen goldene Hochzeit?

Und jetzt rechne ein Jahr zurück. Genau Da sollten wir dasneue Auto kriegen, auf das wir noch heute warten. Von da pre

schenwir ein halbes Jahr nach vorne - nun ist wieder die Frage:War ich da das letzte Mal bei Franzen in Düsseldorf? Oder erst

das Jahr dadrauf? Hat da Richard noch gelebt?Dein Verstandskasten is auch zappenduster, wat? Läßt eben

alles nach. Meine Beine wollen gar nich mehr, trinken darf ich

bloß noch Fliedertee - abscheulich. Wenn ich bedenke, wie wir

noch rumgesprungen sind die Nacht, wo ich von Franzen kam.Wie die Lämmer Und geschluckt wie die Spechte Ich kann's

einfach nicht glauben, daß das erst sieben Jahre her sein soll.

Was haste da eben raufgedruckt?Aha Verstehe Horchst mich hier aus, denkst: Soll der olleDussel doch quatschen - und jupp tippste wieder eine Zahl inAber das is der Beweis: Mit ein bißchen Nachdenken stoppelt

man alles zusammen, was die Polizei wissen will.Nu zeig mal her, meinen Steckbrief aus deinem Computer. Wo

hab ich denn meine Brille? Das Ding versteckt sich immer.«

Hoppel erhob sich ächzend, durchwühlte seine Taschen und

förderte außer Rübensamen, Borke und Krampen einen gefal

teten Zettel zutage.»Hältste das für möglich, hier steht ja alles drauf: Franz, Sau-

erbruchstraße 66, geb. 15.6.1916. Stimmt was nich?Fast nüscht stimmt? Kucke an Ich hatte gleich so eine Ahnung.

Aber wenn die Formulare sowieso nich gülden, besorge ichneue, und wir machen uns den Spaß noch mal. Bin gespannt,

was wir dann rauskriegen.«Hoppel schmunzelte zufrieden und stülpte sein regenfeuchtes

Cordhüchen auf. »Komm rüber, Kind, ich backe Waffeln. Den

herrlichen Regen müssen wir feiern.«

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; 15ll IP ' I l III li illl i 1 7 r I ? iii 7 :1 i F ml

Manfred Strahl

2»Den Passierschein bitte «

Verdammt, das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich griff in dielinke Seitentasche, ich griff in die rechte Seitentasche. Nichts.

Systematisch suchte ich die übrigen Taschen meines Anzugsnach dem Dokument ab . Ohne Erfolg. »Pardon, liegengelas-

sen«, bedauerte ich aufrichtig und versuchte, mich unauffällig

am Pförtner vorbeizumogeln.»Halt « rief er gebieterisch. »Ohne Pas-

sierschein kommen Sie hier nicht raus.«

»Ich muß aber, Kollege«, argumentierte

ich verzweifelt, denn in einer Stunde be-gann meine Schicht.»Nur über meine Leiche«, sagte der Pfört-

ner und stellte sich mir in den Weg.

Widerstand war zwecklos. In höchster

Eile sprintete ich die Treppe hinauf zu-

rück in Petruschkes Büro. Ohne anzu-

klopfen stürzte ich ins Zimmer. Von Pe-

truschke keine Spur. Ich sah mich auf

seinem Schreibtisch um. Fehlanzeige.Wahrscheinlich hatte er meinen Passier-

schein aus Sicherheitsgründen einge-

schlossen. Enttäuscht machte ich auf

dem Absatz kehrt. Plötzlich schrillte das

Telefon. Ich zögerte, nahm aber schließ-

lich den Hörer ab . Es konnte ja ein äu-

ßerst wichtiger Anruf sein.»Hier Meisenbrink«, meldete sich eine Stimme. »Was macht der In diesem Fall ohne

Fall B 112? « Punkt mein Sohn <<

»Keine Ahnung«, antwortete ich wahrheitsgemäß.

»Dann sehen Sie gefälligst mal nach, Bruder«, brüllte Meisen-

brink, bei dem es sich offenbar um Petruschkes Vorgesetzten

handelte. »In fünf Minuten möchte ich über alle Einzelheiten

unterrichtet sein«, fuhr er fort und legte auf.

Da Petruschke das Zimmer noch immer nicht betreten hatte,

macht ich mich unverzüglich an die Artbeit. Petruschkes Ak-

tenschrank war glücklicherweise nicht verschlossen. Fieber-

haft suchte ich die .Akte B 112. Endlich, mir fiel ein Stein vomHerzen, hatte ich den Vorgang gefunden. Ein Blick in die Akte

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Ein o w j e t b ü r g e r ~ einAmerikaner und einDDR-Bürger fliegenum die Welt. Der  · .

Russe sagt: »Die Sowjetunion ist ~ .· ·

schönes Land. l er

Arbeiter verdient. ·

1000 Rubel. 200

braucht er zum Lebenund 800 für Wodka. {

Über der USA eriähltder Amerikaner: '>DieUSA ist ein schönes

Land. Der Arbeiter'

verdient 1000 :Dollar.700 braucht er z.i1m

. " c

. .

Leben. Die w i ß  ._ .• .

Punkte da unten sind

die Wochenendhäuser, die er sich vondem baut, was imMonat übrig bleibt.«Über der DDR erzähltder Deutsche: >Die

DDR ist ein schönesLand. Der Arbeiter

verdient 1000 Mark.. 9 t .

1000 r a u c h t e ~ zum '.  -·- - -

Leben. Die w e i ß ~ r i ·Punkte da unten sind

die Wochenendhäuser.« Fragen die beiden anderen: »Wovonerbaut ihr denn die?«Darauf der DDR-Bürger: »Ja, das möchtich auch mal wissen.«

B ü r g ~ r weisen Sie si h aus

genügte, und ich wußte Bescheid. Da rasselte auch schon wieder das Telefon.»Nun, Kollege, wie ist die Lage?« knurrte Meisenbrink ver

stimmt.

»Kompliziert«, antwortete ich, »Achtzig-Liter-Boiler sind mo

mentan nicht am Lager.«»Unsinn«, korrigierte mich Meisenbrink, »für Härtefälle immer.Der Mann macht uns die Hölle heiß. Schreiben Sie sofort einen

Entnahmeschein aus. Sonst haben wir bald die nächste Einga

be auf dem Tisch.«»Okay«, sagte ich befriedigt, »aber da ist noch 'ne Kleinigkeit,

Chef.«»Was denn noch, Sie Unglücksrabe?«

»Der Termin für die Installation müßte festgelegt werden«, gab

ich zu bedenken.»Dann tun Sie das gefälligst«, befahl Meisenbrink aufgebracht,

»sprechen Sie mit den Klempnern und mit dem Elektriker allles Erforderliche ab, und füllen Sie mir ja den Auftragsschein

aus, aber ein bißchen dalli «Nachdem Meisenbrink aufgelegt hatte, ließ ich meine Blicke

munter schweifen. Dank Petruschkes mustergültiger Ordnung

hatte ich bald gefunden, was ich suchte. Gewissenhaft füllte ich

die Formulare aus und fügte für den Fall, daß Petruschke in

den nächsten Minuten auftauchte, einen Zettel bei: Sofort unterschreiben Befehl von Meisenbrink

Mit fliegenden Rockschößen verließ ich das Büro, fragte mich

zu den Handwerkern durch, deren Werkstatt auf dem Hof lag,

und handelte einen Termin mit ihnen aus. Als ich in Petrusch

kes Zimmer zurückkehrte, war er gerade dabei, die Formulare

zu unterschreiben. »So, diesen Fall hätten wir auch erledigt«,

seufzte er erleichtert und legte die Akte B 112 beiseite.

Ich bat um meinen Passierschein. »Bitte«, sagte Petruschke,

nachdem er ihn unterschrieben und abgestempelt hatte. »Ichdachte, Sie wären schön längst aus dem Hause.«Der Pförtner strahlte, als ich ihm meinen Passierschein in dieHand drückte. »Warum denn nicht gleich so?«Ich werde ihn Zeit meines Lebens in guter Erinnerung behal

ten. Ohne sein konsequentes Auftreten hätte sich womöglich

noch Sachbearbeiter Petruschke für meinen 80- Liter-Boiler ins

Zeug legen müssen.

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Bürger weisen Sie sich aus

Thomas euter

Ich sitze im Nachtzug und fahre heimwärts. Ganz allein befin-de ich mich im Wagen. Auf der Ablage harrte meiner eine an-

getrunkene Bierflasche. Ich nehme einen Schluck und vertiefe

mich in die Abendzeitung.

Wrr halten auf einem winzigen Bahnhof. Fünf Lampen kämpfen gegen die Dunkelheit an ein Vorsteher kämpft gegen den

Schlaf. Der Zug ruckt an. Rigoros wird die Waggontür aufge

rissen. Einen Augenblick am Rand der Zeitung vorbeiblinzelnd

nehme ich einen kräftig gebauten Mann in geöffnetem Trench

coat und tadellosem Anzug wahr der mitschweren sicheren Schritten näher kommt

kurz überlegend verharrt und sich im ge-

genüberliegenden Abteil niederläßt.

Schläfrig zuckelt die Lok - doch irgend

etwas hindert meine Aufmerksamkeit. Ich

fühle daß ich beobachtet werde. Ich gebe

mich zeitungslesend und versuche aus den

Augenwinkeln heraus nähere Kenntnisse

über meinen Mitreisenden zu erhalten. Tat-sächlich - er blickt gebannt mit verkniffe

nen Augen zu mir herüber. Ich schaue so-

fort weg fühle mich ertappt kratze mich

am Kinn suche irritiert den Satz bei dem

ich mein Lesen unterbrach wandere aber

mit den Augen bereits wieder zu ihm. Er sitzt regungslos mir

zugewandt einen Ellenbogen aufs Knie gestützt und blickt

starr herüber. Ich denke an Hypnose und höre meine Haare kni-

stern. Er läßt mir keine Möglichkeit ihn intensiv zu betrachten wie man es normalerweise mit zusteigenden Reisenden

tut. Was mag er von mir wollen? Weshalb sitzt er gerade mir

gegenüber wo doch der gesamte übrige Wagen leer ist? Warum

sagt er nichts und starrt nur?

Ich verkrieche mich hinter meiner Zeitung. Seine Blicke tref

fen auf das Papier durchstoßen es und dringen in meineAugen.

Ich kann mich nicht mehr konzentrieren und nippe nervös an

meinem lauen Bier. Diese wunderbare Abendzeitung sie bie-

tet mir Schutz. Schutz vor seinen Blicken die dennoch denWeg hindurch finden. Zum Kuckuck sind wir nun Menschen

neuen Typus oder nicht? Seit wann darf man so starren? Und

--_„ ll

.

Er hatAngst vor

Taschendieben

7

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  811 P t l llFPll 1 llll 3 J 1 . f 1 . 1 1 1

weshalb eigentlich lasse ich mich daurch beunruhign? Er ist be

trunken. Er macht sich einen Spaß. Er will mir einen Schreck• •

emJagen.Manchmal blinzele ich hinüber. Es hat sich nichts geändert.Sein stechender Blick ist unerbittlich. Warum spricht er mich

nicht an? Der will doch was von mir?Ein Zugkontrolleur in Zivil Unauffällig ziehe ich meinen Fahr

schein aus der Tasche und prüfe ihn hinter der Zeitung. Er ist

in Ordnung. Also, was kann er noch von mir wollen? Ich habe

j nichts auf dem Kerbholz - weshalb also beunruhigen? Ganz

(

ruhig, Junge, der macht sich einen Spaß. Ein Witzbold, haha

Leider wollen meine Hände nicht ganz so wie mein Gehirn. Die

Zeitung vibriert in meinen Händen; umblättern kann ich nicht,dann müßte ich sie senken und wäre seinen Blicken ausgelie

fert. So ein Witzbold aber auch Will mir hier Angst einjagen

Am Ende glaubt er noch, ich hätte mein Abteil hier verunrei

nigt. Salzstangenkrümel und Zigarettenasche - war doch allesschon Ich kann ihm mein gesamtes Gepäck zeigen: keine leere

Tüte und nicht die Spur einer Zigarettenschachtel.

Gleich wird er aufstehen, laut lachen und sich vorstellen. Einalter Klassenkamerad vielleicht. »Mensch, Harry « wird er

sagen. »Warst ganz schön durcheinander, was?« Ich und durch

einander.

Jetzt atmet er geräuschvoll ein, bewegt sich aber nicht. Nur seinBlick verfolgt meine Augen durch das Papier der Zeitung. Na

türlich weiß er, daß ich nicht mehr lese und mit meinen Gedan-

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Bürger weisen Sie sich aus

ken bei ihm bin, der Spaßvogel. Er amüsiert sich köstlich über

mich. Also, ich lege jetzt die Zeitung weg, gucke ihn an und

lächle freundlich. Nur noch ein bißchen verschnaufen. Die

Hände beruhigen.

Er könnte mich auch verwechseln. Vielleicht ist er von der

Kripo. Will einen anderen im Auge behalten und denkt, ichsei's. Na, dann wird sich ja sowieso alles aufklären, und bis

dahin kann ich getrost noch ein wenig Zeitung lesen.

Dieses blöde Starren Er hat einen seltsamen Humor.

Na, vorwerfen kann er mjr ja nichts. In eine Straßenkontrolle

bin ich schon lange nicht mehr geraten, Strafbescheiden bin ich

immer pünktlich nachgekommen. Auf Arbeit wurde ich erst jetzt

vor versammelter Belegschaft als Vorbild hingestellt. Müßte ichihm direkt sagen. Bin wirklich gespannt, was er will Witz zu

später Stunde. Auf Kosten eines unbescholtenen Bürgers.Ich ertappe mich, daß ich die verbleibenden Stationen bis zum

Heimatbahnhof zähle. Sechs sind's. Oder sieben. Ich stehe danneinfach auf, bemerke ihn gar nicht, eiskalt bin ich. Oder ich

lächle ihm bewußt zu: »Bist mir schon ein Schelm Aber nicht

mit mjr « Dann verlasse ich selbstbewußt den Waggon. Kein

Problem. Ich werde mich loben. Bei mir ist nichts mit Durch-

einanderbringen.

Er starrt immer noch. Ausdauer hat er. Aber ich bin gelassen.

Die Ausdauer wirdihm

gar nichts nützen, soPlötzlich sehe ich im Fensterglas, wie sich der Witzbold erhebt.

Er ordnet die Anzugjacke, will den Unsinn wohl auf die Spitze

treiben. Mit zwei raumgreifenden Schritten kommt er zu mir

rüber. Mein unbeeinflußbares Herz pocht mit einem Mal in der

Kehle. Er streckt seine Hand nach mjr aus, gleich muß er mich

berühren. Ich weiß nichts, ich war nichts - und dieser Spaß geht

nun wirklich zu weit. Es ist doch Spaß, ja? Eine Ewigkeit ver-

geht, ehe seine schwere Hand sich auf meine Schulter legt. Ich

blicke krampfhaft in die Nacht. Alles Gefühl fließt in meineSchulter.»Sie«, sagt er mit rauher Stimme, die mich sicherlich schocken

soll. Abhauen Aber wieso? Ich bin völlig unbescholten, ich habe

nichts zu befürchten .. .

»Sie « Jetzt lastet seine Hand auf mir. Schluß damit. Was will

er? Es hämmert in meinen Schläfen, als ich mich ihm in über-

menschlicher Anstrengung zuwende.»Sie « Seine Stimme dringt in mein Hjm. Er blickt mjr fest ins

Auge. »Ich habe schon immer versucht, von hinten mitzulesen.Könnte ich mir Ihre Zeitung mal borgen?«

Eine Straßenbahn

fährt bei Gelb überdie Kreuzung, ein

Polizist stoppt sie.;t)er Fahrer rauftit

9

den Polizisten an:»Ich muß mich anden Fahrplan halten,habe es eilig. Sie

:können mich hier·flicht einfach l i f i l ~ten «Sagt der Polizist:

.»Sein Se ruhig undfahm Se rechts ran «

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2

>ch glaube Ihnen ja,

daß Sie den Tacho nur

für einen Moment aus

den Augen gelassen

haben. Aber Gesetz istGesetz «

Bürger weisen ie sich aus

rnst Röhl

Die Kurve war fast rechtwinklig und gut beleuchtet. Mein Ta-

chometer zeigte wie vorgeschrieben genau zwanzig an.Und das war gut so.

Gleich hinter der Kurve lauerten sie.

Sie winkten mich rechts ran. Ich stieg aus. Ein Hauptwacht

meister legte die Hand an die Mütze stellte sich vor kurz

knapp korrekt und verlangte meine Papiere. Im Schein der

Taschenlampe suchte er darin nach einem Stempel fand aber

keinen. Gerade als sich bei mir ein wohliges Gefühl gedämpf-

ten Triumphs meldete wedelte er mit einerArt Luftballon und

reichte mir das dazugehörige zellophanumhüllte Mundstück. Soein Alkoholteströhrchen auszuwickeln ist eine überdurch-

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schnittlich knifflige Aufgabe, sogar, wenn einem die Hände

nicht zittern, was aber in der Praxis kaum vorkommt, weil

jeder meint, er müsse es in neuer Rekordzeit schaffen, um

ihnen, noch bevor es richtig losgegangen ist, zu zeigen, daß siean den Falschen geraten sind.

Bei mir dauerte es seine Zeit; denn er dachte nicht im Traumdaran, mit zuzufassen. »So«, sagte er, als es schließlich voll-

bracht war, »und jetzt kräftig pusten « Ich tat ihm den Gefal-

len. Für Tricks ist es in diesem fortgeschrittenen Stadium

ohnehin zu spät. Er leuchtete, und mit größtem Interesse sahen

wir uns das Ergebnis gemeinsam an. Es war eindeutig negativ.

»Na denn«, sagte er, »angenehme Weiterfahrt.«

Ich wendete und fuhr zurück zu Fredis Bar. Fredi höchstper

sönlich stand hinter der Theke. »Wie immer?« fragte er.

»Bloß 'n Tonic.« - »Ohne Schuß?« - »Ohne alles«, sagte ich undsah mich gründlich um in der dämmrigen Bar.

Er goß mir ein Tonicwasser ein und gab dem Glas einen Schubs

in meine Richtung. Unaufhörlich perlten kleine Bläschen an die

Oberfläche. Noch einmal sah ich mich um, sah aber nicht, was

ich sehen wollte. »Wo is'n eigentlich deine neue Barfrau, Fredi?«

- »Rosi?« - »Hm.« - »Etwa dein Typ?« - »Kann man wohl sagen;

die hat so ein gewinnendes Lächeln.« - »Gewinnendes Lächeln «

sagte er. »Den Ausdruck muß ich mir merken.«

Ich trank einen Schluck. »Wo hast'n die her, Fredi?« - »Troca-dero.« - »Tatsache? So 'ne Stelle läßt die sausen? « - »Da muß

irgend was gewesen sein, was, weiß ich nicht, will ich auchnicht wissen, int'ressiert mich nicht, aber 'ne besonders große

Nummer war's bestimmt nicht, sonst wär sie ja nicht hierSonst wär' sie ganz woanders ... «- »Na schön«, sagte ich, »aber

wo ist sie?« - Er stutzte. »Irgend was passiert?« - Ich winkte

ab. »Ganz im Gegenteil.« - »Sie ist nicht ganz auf'm Posten«,

sagte er, »ich hab sie früher nach Hause gehn lassen.«

Ich zahlte mein Tonicwasser und zog ein nagelneues Pfund ausder Brieftasche. Der grünliche Goethe machte ein sauersüßes

Gesicht, als hätte Rosi ihm einen Milden Braunen als Hennes

sy angedreht. Ich schob Fredi den Schein über die Theke. »Gib

ihr das von mir«, sagte ich.

Er sah mich verständnislos an. »Hattest du denn nicht bezahlt

vorhin?« - »Das schon, aber mein Trinkgeld hätte üppiger sein

können.« - Er steckte den Schein weg und sagte voller Aner-

kennung: »Ihr Angostura-Flip ist wirklich ausgezeichnet.«

»Unbezahlbar « bekräftigte ich. »Unbezahlbar.«

21Ei FFT F ? S

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22 Bürger weisen Sie sich aus

othar usche

Zaubrisch sind  wenigstens in der Vorstellung zahlreicher

Landsleute die Wirkungen einer Dienstmütze. Ist dies dochkeine Mütze schlechthin sondern zur Mütze geronnene Würde.

Seit ihrer Erfindung ist jedermann in der glücklichen Lage  

sich die Autorität  welche er nicht hat aufsetzen zu können.

Unsere Fahrkarten weisen wir nicht eigentlich dem Mann mit

der Knipserzange vor sondern der Dienstmütze die jener trägt.

Es wäre wohl möglich daß der Kollege Knipser

einmal aus Zerstreutheit seinen Dienst ohne

Kopf ausüben würde aber niemals ohne Mütze.

Im Sommer erfuhr man daß ein Straßenbahn-fahrer seine Mütze während des Dienstes nicht

abnehmen darf mag er auch noch so sehr

schwitzen. Die Dienstmütze soll vielleicht wie

die große Verantwortung auf seinem Hauptelasten; täte sie dies nicht dann könnte der Stra-

ßenbahnfahrer plötzlich vergessen daß er ein

solcher ist könnte seine Kurbel sausen lassenund sogleich auf und davon fliegen; oder derglei-

chen. Allein die dienstliche Mütze bindet denMann fest an seine dienstliche Kurbel.

Der einzige Mensch der im Theaterfoyer auf

und ab schreitet und nicht daran denkt seine

Kopfbedeckung abzunehmen ist der Feuer-

wehrmann vom Dienst. Er scheint Angst zu

haben daß er falls sich die Mütze von seinem Kopf lösen

würde plötzlich wie durch Magie kein Feuerwehrmann mehr

wäre sondern irgend etwas Unscheinbares Winziges Nichts-

würdiges. Ja ich glaube erwehrt die Gefahr einer Feuersbunstgeradezu dadurch ab daß er seine Dienstmütze trägt. So

scheint der Schluß erlaubt daß eine rechte Dienstmütze nicht

nur den braven Bürger sondern auch die aufsässigen Elemen-

te zu bannen vermag.

Wer eine deutsche Dienstmütze trägt genießt folgende Vor-

rechte: 1. er darf alle anderen anschnauzen 2. er leuchtet im

Dunkeln.

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231 1111111 111 III 1 1 1 1 1 1 1 111111 11111 1111111 1

John Stave

'S OI O

ISHt HHOS

Es war Weihnachstag. Das Ehepaar ging spazieren. Sie groß undstattlich, er eher klein und mickrig. Beide schätzungsweise in

den fünfziger Jahren.

Die Sonne schien, der Schnee glitzerte. Er knirschte unter den

Schuhsohlen. Die große Frau hatte sich bei dem kleinen Mann

eingehängt. Man ging fast schon eine Stunde.

»Ich hätte jetzt, Emmi

lein, Appetit auf ein

schönes, frisches Bier«,

sagte der kleine Mannbescheiden.

»Das kommt überhaupt

nicht in Frage « sagte

die große Frau.

»Aber wenn ich doch

einen solchen Appetit

habe ... «

»Du hast erst zu deinem

Geburtstag ein Bier getrunken, Rudolf «

»Das war ja am 11. No

vember, Emmilein «

»Papperlapapp«, mach

1

'

0

•-  

te die große Frau, und der kleine Mann trabte verdrossen neben

ihr her. Der Schnee und die Zähne des kleinen Mannes knirsch-

ten.

»Dreimal hab ich gestern den Weihnachtsmann gemacht«, warf

der kleine Mann in den Wintertag. »Bei Manuela, bei Markound bei Jacqueline «

»Es sind deine Enkel, indirekt dein Fleisch und Blut.«

Knirsch, knirsch, knirsch, knirsch, knirsch ...

»Ihr habt jedenfalls Wein getrunken«, sagte der kleine Weih

nachtsmann trotzig.

»Du hast Magengeschwüre«, sagte die große Frau.

»Kein Wunder«, sagte der kleine Weihnachtsmann.

»Wie meinst du? « zischte die große Frau und blieb stehen.

»Nur so«, räumte der kleine Weihnachtsmann ein. »Ich bin immerhin zweiundfünfzig.«

»Ich dachte schon«, sagte die große Frau, »du wolltest eine un-

))Sie hören j tzt >Sugar

baby love , an der Licht-

orgel Hauptwachtmei-

ster Schulze.

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  4

Da können Sie mal

sehen wie energie-

  ewußtich fahre <<

Bürger weisen Sie sich aus

berechtigte Kritik anbringen. Komm, wir gehen rüber in denPark. Marsch «Es war aber kein Ubergang zu sehen. Im Gegenteil. Ein Schildbesagte daß das Überschreiten des Gleiskörpers der Straßen-bahn verboten sei.

»Ich gehe da nicht rüber«, sagte der kleine Mann.»Waschlappen « sagte die große Frau. Sie machte sich an denverbotenen Uberweg, während der kleine Weihnachtsmann denUmweg zum erlaubten Überweg in Kauf nahm.In der Eile hatte die große Frau jedoch den Funkwagen über-sehen der leise und langsam die Hauptstraße herunterkam. Erstoppte. Ein Polizist stieg aus und legte artig die Hand an die

Mütze. Er belehrte die große Frau überihr leichtsinniges Verhalten im Straßen-

verkehr. Die große Frau schien unein-sichtig zu sein. Der Polizist forderteihren Ausweis.Nach einigem Suchen bekannte diegroße Frau daß sie ihren PA nicht beisich habe.»Kennen Sie jemand in der Nähe, der Sieidentifizieren könnte?« fragte der Poli-zist.

»Da drüben läuft mein Mann «Der Funkwagen mitsamt der großenFrau überholte den kleinen Weihnachtsmann.»Diese Bürgerin«, sagte der Polizist »behauptet Sie seien ihrEhemann?«Der kleine Weihnachtsmann blickte seine Frau gründlich an.Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Ich kenne die Damenicht. Ich hab sie in meinem ganzen Leben noch nicht gese-hen «

»Du feiger Schuft « rief da die große Frau wütend aus und ver-gaß völlig, daß Weihnachten war. Sie wollte sogar nach demkleinen Mann schlagen.Da lud der Polizist sie freundlichst ein mit zur Wache zu kom-men, um die Personalien feststellen zu können.»Komm du mir nach Hause « rief die große Frau während sieerneut in den Wagen stieg.»Ich weiß gar nicht wo Sie wohnen«, sagte der kleine Weih-nachtsmann listig. Der Funkwagen rauschte davon. Der kleine

Weihnachtsmann steckte sich eine Zigarre an und sah hinterher.»Von wegen: Stecke deine Rute ein ...« sagte er und ging Biertrinken.

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l les zum Wohle des Volkes

Angela Gentzmer

po

Sketch aus dem Kessel Buntes<<

Helga Hahnemann als Hurvinek, in Korn als Spejbl, dessen Vater

Der kleine Hurvinek schiebt sich vorsichtig wie eine Marionet

te auf die Bühne und schreit: Vatiiiii

Der Vater kommt hinterher und fragt tadelnd: No - was schreist

du so? Mußt du alle Leute aufwecken?

Sohn - leise: Vati, wie sind die Menschen hier alle reingekommen?

Vater: Nun , sie haben sich ganz normal eine Karte für den »Kes-

sel«gekauftSohn: Vati, du warst wohl lange nicht mehr in der DDR?

Vater: Es gibt ja auch noch andere gute Unterhaltung, nicht

wahr? Zum Beispiel die Mai-Parade - oder ein anständiges

Foul-Spiel beim Fußball - oder den Schwarzen Kanal oderdie lustige Sage vom Wetter -

Sohn: - oder Pornos

Vater: Das ist sehr ungehörigvon dir, so etwas in den Mund zu

nehmen Pornos - das sind Ausschweifungen der monopol-

kapitalistischen Gesellschaftsordnung und haben nichts mitunserer Auffassung von gesundem Sex zu tun

Sohn: Und warum schickt ihr mich dann ins Bett, wenn es so

gesund ist?

Vater: Weil es im Bett schöner ist Brave Kinder gehen um 7

Uhr schlafen Zur Belohnung erzählt der Vater ihnen dann ein

uraltes Märchen

Sohn: Das Märchen, was du der Mamma immer erzählst? Von••

den Uberstunden?

Vater: Dein Vater hat es nicht nötig zu lügen Die einzige Aus-nahme sind die Elternabende an deiner Schule Da gehe ich

grundsätzlich unter falschem Namen

Sohn: Ich möchte auch nicht in deiner Haut steckenVater: Was soll das heißen?

Sohn: Du hast ja jetzt schon Schwierigkeiten mit meinen Ma-

theaufgaben, wie soll das erst werden, wenn ich in die2. Klasse komme?

Vater: No - hast du nicht neulich erst eine Eins dafür bekom-

men?

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  lles zum Wohle des Volkes

Sohn: Das war gelogen Du hast mir so leid getan

Vater: Wenn du so weitermachst, wird es mit ir mal ein schlim-

mes Ende nehmen

Sohn: Ja - ich werde Ententrajner, wie diese dicke Frau hierVater: Wen meinst du?Sohn: Na die so aussieht wie unsre Frau Hrdlitschka, die den

Gerichtsvollzieher Hrdlitschka geheiratet hat, damit keiner

merkt, daß er dienstlich kommt

Vater: Wie kannst du so respektlos von unserer lieben Gastge

berin sprechen? Sie ist eine bemerkenswerte Frau, die ihre

Augen und Ohren weltweit offen hält - und manchmal auch

ordentlich zupackt

Sohn: Sag ich ja - wie die alte HrdlitschkaVater: Du setz dich lieber auf deinen Hosenboden, dann kannst

du später mal einen technischen Beruf ergreifen - zum Bei

spiel einen Computer füttern

Sohn: Das kann ich jetzt auch schon, Vati Du brauchst mir nur

zu sagen, was er frißt

27

Es gibt auch noch an-

dere gute Unterhaltung,

zum Beispiel die Mai-

Parade ...«

Helga Hahnemann und

der tschechische Sänger

und Schauspieler in

Korn bei einem uftrittim Kessel Buntes<<

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28

Kann man im SED-

Parteiorgan »Neues

Deutschland« einen

Elefanten einwik-

keln? Ja, wenn eineRede Honeckers ab-

gedruckt ist.

l les zum Wohle des Vol k es

Matthias Biskupek••

llorö 1tt i tos OtHIS

Ich betrat die Anzeigenannahme und legte einen Zettel mit fol-

gendem handschriftlichen Text vor:

Suche dringend Farbband für Schreibmaschine, 13 mm, mögl.

neuw. Nur ernstgem. Zuschr.

Die strengfrisierte Dame blickte mich streng an: Das wollen Sie

veröffentliehen lassen?

Gewiß, sprach ich. Entschuldigen Sie die Handschrift. Meine

Schreibmaschine bedarf dringend eines neuen Farbbandes.

Das st nicht mein Problem, sagte die Dame: Aber die Anzeige

ist schließlich für die Presse gedacht.

Das habe ich vermutet, sagte ich.

Für unsere Presse, sprach die strengfrisierte Dame. Bei »unse-

re« hob sie die Stimme. Dann sprach sie: Also bitte Farbbän

der gibt's im Schreibwarenladen. Wenden Sie sich dorthin

Schüchtern erläuterte ich: Das habe ich bereits getan. Mehr-

mals. Es gibt im Moment und auf absehbare Zeit hinaus aber

nur 16-mm-Bänder. Diese wiederum verträgt meine Maschine

nicht. Sie st da etwas eigen.

Wollen Sie mich verklappsen, sprach nun sehr streng die Dame.

Ihre Frisur war wirklich überaus streng. Und die Dame sprach

tatsächlich in einem Ton, als könne sie auch nur einen Moment

lang glauben, daß ich sie verklappsen wolle.

Nichts, erläuterte ich mit dem mir eigenen Charme, nichts liegt

mjr ferner, als gerade dieses.

Die Dame erhob sich zu einer Drohung. Hören Sie, sprach sie.

Ich hörte.

Hören Sie, so was kommt mir nicht auf unsere Anzeigenseite.

Basta Was sollen denndie

Leute denken? Farbband Lächer

lich Was meinen Sie, was ich dann morgen von unseren Men-

schen für Zuschriften bekomme

Nun, sprach ich zuversichtlich, auf meine Annonce hoffentlich

nur ernstgemeinte.

*Diese Glosse tippte ich mit viel Kraft in meine Maschine und

betrat hernach mit sehr viel Zuversicht die Redaktion. Mein lie-

ber, rechtschaffener Redakteur las die Glosse und blickte mich

recht lieb an: Das sollen wir veröffentlichen?Gewiß, sprach ich: Entschuldige bitte die blassen Typen im Text.

Das Farbband ist ausgelaugt. Wirklich.

Wirklich, sprach er, das ist ein Problem.

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Alles zum Wohle des olkes

Und er wiegte seinen lieben rechtschaffenen Kopf vorsichtignach beiden Seiten: Bedenke -wenn wir deine Glosse veröffentlichen wird sie gelesen.Das vermute ich sagte ich bescheiden.So, paß auf redete er mir zu: Lesen dies die Leute die ein Farbband brauchen und keines haben - und daran auch nichtsändern können - ärgern sie sich. Ärgern sich mehr und mehrund immer mehr. Bekommen Falten Schulterzucken Magen-

geschwüre. Willst du das?Magengeschwüre nein.Gut. Lesen das aber die Leute die Farbbänder gar nicht brauchen fangen sie an zu hamstern.Hah warf ich ein: Können sie ja nicht. Weil es keine gibt. So

Hier irrst du dich belehrte mich mein lieber rechtschaffenerRedakteur. Es gibt das Ökonomische Gesetz des DoppeltenNichtvorhandenseins. Gewisse Leute werden sich Farbbandvorräte anlegen und Farbbandspeicher errichten. Folge: Es gibtnoch viel weniger als gar keine Farbbänder. Es gibt überhaupt

9

»Besonders verweifl ich

ist seine Rückfalltäter-schaft: r hat nämlich

schon einmal eine Ein-gabe geschrieben.«

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3 Alles zum Wohle des Volkes

keine Farbbänder. Und außerdem gibts keine Baukapazität, nix

Beton, Latex, Eisenträger, Verbund.klemmen Zwischenschlup

fe Linienkrümmer na und so weiter. Willst du das?

Ich will daß sich was ändert, knurrte ich, sehr sehr eigensin

nig. Basta Es muß doch Leute geben, die daran was ändern

können.Gut. Du willst das Schlimmste. Du willst, daß jene Leute das

lesen, die sich gar nicht vorstellen können, daß es so was Lä

cherliches wie Farbbänder bei uns nicht gibt. Na - die müssen

doch denken, was du schreibst, sei llnsre Wirklichkeit.

Ist sie doch.

Da seufzte tief auf mein lieber und rechtschaffener gebeugter

Redakteur. Er seufzte und sagte: Ich wollte es uns eigentlich

ersparen. Bei »uns« hob er seine Stimme. Er seufzte ein drittes

Mal: Du bist j anders nicht zu überzeugen.

Du hast eine lächerliche UnwahrMein lieber Redakteur trat, bewegt, an seinen riesigen

heit geschrieben. Du kokettierst

nur mit einem Mangel.

Schrank, an jenen, in dem ich meine abgelehnten Ma-

nuskripte vermute. Die mit den blassen fypen und die

mit der falschen fypisierung. Er kramte darin herum

und legte ein neues, ein frisches, ein wunderbar schwarzes Farb

band vor mich hin.

So sagte er: Erledigt

Ich drehte mich auf meinem Stuhl hin und her. Es war ein Dreh

stuhl.Nun sprach mein lieber rechtschaffener Redakteur: Lies dir

jetzt deine Glosse noch einmal durch. Unter den neuen, verän

derten Bedingungen, unter denen du seit eben lebst.

Das ist doch lächerlich, rief ich unbeherrscht aus.

Aber j doch erklärte mir mein Redakteur ganz lieb: Du hast

nämlich, wenn man sich dieses Farbband, dein Farbband hier,

genau betrachtet, eine lächerliche Unwahrheit geschrieben. Dir

fehlt gar kein Farbband. Du kokettierst nur mit einem Mangel.

Du schreibst wissentlich Falsches. Wir wollen das mal nicht andie große Glocke hängen, gell?

Ich knirschte. Ich drehte mich. Dann fragte ich: Und was, bitte,

soll ich dann, bitteschön überhaupt schreiben?

Die Wahrheit, sagte mir mein lieber rechtschaffener Redakteur,

und blickte mir zuversichtlich ins Auge. Du mußt nur immer

schön bei der Wahrheit bleiben, sagte er.

Das habe ich nunmehr getan.

Ich habe die Wahrheit leicht und sanft in meine Maschine hin

eingetippt. Die Wahrheit steht jetzt schwarz auf weißem Papier.Tief schwarz; das liegt am frischen, am geschenkten Farbband.

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Alles zum Wohle des Volkes

John Stave,

OI O aSSO

Als wir die neue Wohnung im fünften Stock bekamen sah man

sie noch nicht. Es war Juni und meine nassen Flecken kamenerst im nächsten Frühjahr durch. Wir maßen der Sache zu-

nächst keinerlei Bedeutung bei denn so ein Neubau ist in derersten Zeit immer ein bißchen feucht hinter den Ohren.

Dann kam der nächste Winter und das nächste Frühjahr. Estropfte von den Wänden. Die Küche sah aus als wäre Sie zwan-

zig Jahre nicht renoviert worden. Das konnte aber nicht seinweil das Haus j erst anderthalb Jahre alt war.Als w r nur noch mit dem Regenschirm ins

Bett gehen konnten fing ich an mir Gedan-ken zu machen. Ich begab mich zur kommu-

nalen Wohnungsverwaltung die sich denSchaden anhörte. »Neubau wie?« fragte derVerwalter.

Einige Tage später suchte ein Bauleitermeine Frau auf. Der Herr war mit Recht em-

pört darüber daß man so hohe Häuser ohneFahrstuhl baut. Da das Haus unter seiner

Leitung entstanden war faßten wir seineentsprechenden Äußerungen später alsSelbstkritik auf.Nun besah sich der Bauleiter vom Korridoraus recht gründlich alle nassen Flecken.Sein fachmännisches Urteil lautete daß esvon innen käme. Er verbot uns das Kochen

in der Küche und das Baden im Bad. Für einVerbot des Schlafens im Schlafzimmer reich-

ten seine Argumente nicht aus.Da ich als Querulant bekannt bin reichteich eine Beschwerde über den Bauleiter beim Stadtbezirksbau-amt ein.

Das Stadtbezirksbauamt entsandte eine Kommission die er-

schüttert vor meinen nassen Flecken stand. »Hier muß etwasgeschehen« sagte der Kommissionsleiter. Daraufhin versetztensie den Bauleiter womit mir sehr geholfen war.Nun brach eine Kommissionsinvasion an. Die Kommissionen

kamen und gingen die nassen Flecken aber blieben. MeineFrau kränkelte leicht und bekam vom Arzt eine Kaltwasserkurverschrieben die sie entschieden ablehnte. Wir kauften uns

31

. ,

.•

Da drüben wohnt der

Chefarchitekt <<

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3

Honecker siehtin

einem Ort eine langevfenschenschlange

vor einer Metzgerei.Da man dort Staats-gäste aus dem westli-chen Ausland erwar-tet, befiehlt er soforti-

ge Abhilfe. Nach

einer halben Stundekommt tatsächlichein LKW angebraust,hält vor der Men-

schenschlange undzwei Männer ladenvor der erwartungs-vollen Menge ab:

Bänke.

lles zu Wohle des Volkes

Gummischlafanzüge. Ich ersteigerte im Fundbüro eine AnzahlRegenschirme und wurde wegen Verdacht des wilden Handelnsdamit zu vier Monaten Bewährungsfrist verurteilt.Als die zweihundertvierzigste Besichtigungskommission an-

rollte, war meine Frau gerade gestorben. Die Kommission fand

das sehr unpassend. Schließlich hätte sie sich doch drei Tagevorher angemeldet.Die Sache mit den Flecken würde jetzt in gute Hände gelegt,tröstete man mich trotzdem. In der Deutschen Bauakademie,die inzwischen den Namen Bauakademie der Deutschen Demo-

kratischen Republik trug, würde mein Fall verhandelt.Als ich nicht gleich Bescheid erhielt, ging ich fünfeinhalb Jahrespäter hin zur Akademie. »Nun Väterchen«, sagten sie zu mir

»W brennts denn?« Ich durfte mich setzen und schilderte meine

nassen Flecken.Zu meiner großen Überraschung teilte man mir mit daß gera-de ein Beschluß gefaßt werde, wonach feuchte Neubauwoh-nungen unverzüglich gegen trockene umzutauschen seien unddie Umzugskosten übernommen würden. »In welchem Jahrwurde ihr Haus gebaut?« fragte der überraschende Mitteiler derOrdnung halber. Ich holte mit zitternden Fingern meine Woh-

nungszuweisungsurkunde heraus und schob meine Brille aufdie Stirn. »Neunzehnhundertsechzig«, las ich laut.

»Dann tut es mir allerdings leid« sagte der Akademiker. »DerBeschluß bezieht sich auf Neubauten. Ihr Haus ist aber schonvierzig Jahre alt. Dann fallen Sie leider nicht darunter.«Als ich mir keine neue Schwimmweste mehr leisten konnte,verkaufte ich meine Möbel als Schwammholz und meldete michbeim Feierabendheim »Gustav Müller« an.»Nun Opachen« sagte die freundliche Schwester zu mir »ich

hoffe Sie werden sich hier bei uns sehr wohl fühlen. Essen undTrinken sind gut, und jeden Mittwoch tritt unser Betriebska-

barett auf. Das Rauchen in den Zimmern ist nicht gestattet «»Ich hätte nur eine Bitte« sagte ich. »Wenn es geht, dann möch-

te ich nicht so weit oben im Heim untergebracht werden, son-

dern mehr unten. Am liebsten wäre mir Parterre. Sie müssennämlich wissen«, setzte ich vorsichtshalber hinzu, »daß ichmein ganzes Leben lang unter nassen Flecken zu leiden hatte.Und keiner konnte mir helfen ...«Die freundliche Schwester verzog für einen Augenblick ihr hüb-

sches Gesicht, trug mich dann kaltlächelnd in die Bettnässer-kartei ein und schob mich in den Seitenflügel ab wo die unbe-

quemen Fälle lagen.

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  lles zum Wohle des Volkes

-Heli usse

Wio ieA io SDllOoAorrseA 1t 1Jor1tto

Damals als die elektronische Datenverarbeitung eingeführt

wurde gab es nicht wenige Skeptiker die meinten daß dieseEDV-Maschinen das Leben bloß noch komplizierter machen und

••

mit mehr Arger anreichern würden. Inzwischen h t sich ge-

zeigt daß diese Leute die so daherredeten recht hatten.

Aber warum? Weil wir viel zu sehr an die Technik geglaubt und

nicht auf die Philosophen gehört haben die gleich sagten daß

auch die denkenden Maschinen des denkenden Menschen be

dürften und ohne ihn nicht bis drei zählen könnten.

Ich erinnere mich noch gut daran wie meine

Sparkasse auf EDV umstellte denn ich bekamdamals acht Wochen lang kein Geld. Mein Ver

hältnis zur EDV war zu jener Zeit völlig passiv.

Ich borgte bei Bekannten und dachte irgend

wann wird diese Maschine dein Konto schon fin

den. An die Energieversorgung und das Möbel

haus schrieb ich beruhigende Briefe in denen

ich darlegte warum sie von mir vorläufig kein

Geld zu erwarten hätten. Ich dachte sie müß

ten das verstehen weil sie j über kurz oderlang in dieselbe Situation geraten würden.

Aber sie reagierten herzlos und behandelten

mich, als wäre ich es gewesen der die EDV er

funden und das ganze Dilemma eingerührt hätte.

Ich beka.m einen Haufen Rennerei zu allen mög

lichen Kassen zahlte Verzugszuschläge und

Mahngebühren und begriff die Welt nicht mehr.

Dann kam was ich vorausgesehen hatte: Das

Möbelhaus stellte auf EDV um. Jetzt dachte ich werden sie malsehen wie das ist wenn das Schicksal in Form der EDV zu

schlägt und kein Geld rankommt. Da kann man halt nichts ma

chen Aber sie ließen sich was einfallen: Sie mahnten einfach

wieder mich. Ich ging gar nicht darauf ein weil ich ein reines

Gewissen hatte. Da liefen sie zum Stadtgericht und es gab eine

noch größere Rennerei als beim letztenmal zu allen möglichen

Kassen, weil die Gerichtskasse noch dazukam und ich mußte

alles ausbaden und bezahlen.

Aber damals fing ich an umzudenken wenn auch noch rein instinktiv. Als sie bei der Energieversorgung umstellten wartete

ich nicht ab bis sie ohne Geld dasaßen und ärgerlich auf mich

33

Ingenieur Müller. Dasvon ihm entwickelte

Mini-Radio ist ihm uf

den Fuß gefallen.  

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  4 l les zum Wohle des Volkes

wurden. Ich ging hin und zahlte im voraus Verzugszuschlägeund Mahngebühren gleich mit.Richtig war das auch nicht denn es brachte den Computer fastum. Er konnte es nicht fassen daß von mir schon alles da war.Ich bekam ein Dutzend stornierte Mahngutschriften oder wie sie

das nannten und sie brauchten bei der Energieversorgung einviertel Jahr bis sie die Sache wieder halbwegs im Griff hattenaber irgend etwas anhängen konnten sie mjr diesmal nicht.Mein Schritt war vielleicht übereilt im Prinzip aber richtig ge-

wesen: Man durfte sich als Mensch nicht die Initiative von derMaschine nehmen lassen sondern mußte ihr was zu grübelngeben. Ich wurde mjr langsam meiner Überlegenheit bewußtund ein solcher Mensch ist dem Walten blinder Kräfte nicht hilf-los ausgesetzt.

Als mir die Post kürzlich eine Karte zuschickte undMan darf sich als Mensch nicht mjch darauf aufmerksam machte daß sie zur Bewälti-gung des ständig größer werdenden Arbeitsumfangesie Initiative von der Maschine

nehmen lassen die EDV bei der Abonnementskassierung einzusetzengedächte rannte ich nicht mehr gleich jammernd los wie ir-

gendein Anfänger. Ich wartete gelassen den Augenblick ab wo

feststand welche Zeitungen und Zeitschriften die ich bestellthatte nicht mehr geliefert werden und welche anderen die ichnicht bekam beimir abkassiert würden. Erst dann ging ich zum

zuständigen Postzeitungsvertrieb und wir überlegten dort ge-meinsam was man tun könnte damit ich wieder meine Zeitun-gen und sie wieder ihr Geld bekämen. Es dauerte insgesamtetwa ein viertel Jahr aber weil ich mich inzwischen mit Bü-

chern befaßte verlernte ich das Lesen nicht. Wrr wurden da beider Post ein festes Kollektiv und ich möchte diese sinnvolleFreizeitgestaltung heute nicht mehr missen.Ähnlich gute Beziehungen stellte ich zur Versicherung anläß-lich der Umstellung auf EDV her. Eines Tages so wußte ich

würde die Kassiererin wegen der Beiträge kommen die Sachenicht mehr durchschauen und sich bei mir ausheulen. Tatsäch-lich kam sie heulte und mein Optimismus daß sich alles nochz m Guten wenden würde  machte sie wieder zuversichtlich. Wrr

gingen zusammen zur Versicherungszweigstelle richteten die

Kollegen dort ein wenig auf und erschienen bald als nun schongefestigtes Team bei der Kreisdirektion. Ich habe dort sehr netteKollegen gefunden und arbeite gern und oft mit ihnen zusam-men.

So denke ich muß man unsere Philosophen verstehen wennsie sagen daß der Mensch immer der beherrschende Faktor in

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  lles zum Wohle des Volkes

einer technisierten Welt, immer der aktive Teil bleiben müßte

und sich nicht der Maschine willenlos hingeben und ihr unterordnen dürfte. Das wäre dann eine ganz verkehrte Welt, denn

schließlich soll uns die Maschine das Leben erleichtern und

nicht wir ihr. In diesem tiefen Verständnis der Sache gehe ich

heute aus und ein bei der Energieversorgung, dem Möbelhaus,der Sparkasse, der Post, der Versicherung und - seit sie unse

ren Gemüseladen wegrationalisiert haben und ich einen Garten

pachten mußte - auch bei den Wasserwerken und der Gemein

deabgabenerhebungsstelle, und ich lasse mich von dieser gan

zen EDV auch nicht für einen Augenblick an die Wand drücken

Ein Mensch, sage ich mir immer, wie stolz das klingt.

Ich könnte, weiß Gott, zufrieden mit mir sein, wie ich diese ja

nicht ganz einfache Materie beherrschen lernte, hätte ich jetzt

nicht ein anderes Problem. Ich müßte noch Zeit für irgendeineArbeit finden, die bezahlt wird. Sonst geht das mit den Mahnun

gen wieder los, und dann ja mit einer gewissen Berechtigung.

Endlich hatte es Frau Huber geschafft. Ihr Mann wollte mit ihr

in die Gemäldegalerie gehen »Seit wir das Haus bauen«, warf

sie ihm vor, »kommen wir überhaupt nicht mehr raus. UnserHaus ist das Mausoleum der Kultur, da haben wir sie begra

ben In Zement und Dachsparren « Sie hatte ihm die gute Hose

gebügelt, die Schuhe geputzt, Hemd und Schlips hingelegt, ihm

den Kalk aus den Haaren gewaschen. Dann standen sie zwi

schen den alten und neuen Meistem.

»Hat ihm ja irgendwie imponiert«, erzählte sie, »was da an den

Wänden hing. Ich glaube, bei Leda mit dem Schwan und der

nackten Maja vergaß er seinen Betonmischer. Er schlug sogar

vor, daß wir anschließend eine kulturvolle Flasche Wein trinken gehen. Und dann kamen wir in den Saal, wo das Flötenkonzert hängt. Sie wissen schon, mit diesem König, der seit

einiger Zeit Unter den Linden seine Aufenthaltsgenehmigungbekommen hat. Richtig andächtig stand er davor, mein Mann,

und plötzlich sagte er >Donnerwetter< und >Das halt ich im Kopf

nicht aus Sieh dir dieses Parkett an Das sind ja glatt tausend

Quadratmeter, was da im Saal liegt. Und ich renne mir seit

Wochen nach fünfzig Quadratmetern die Hacken ab <«

ansjoachim Riegenring

35

. . .

·  ndie Tür des Wei-

ßen Hauses in Wa

shington klopft einkleines Teufelchen.Die Tür wird geöff

net. »Ich bin das klei-  •

ne Teufelchen mitdem kleinen goldenen

Eimerchen, ichwill

hier klauen « - »Hau

bloß ab, sonst ,

kommst du nach Sing.

·Sing Tür zu. Das

Teufelchen geht nachBonn. »Ich bin daskleine Teufelchen mit

dem kleinen goldenen

Eimerchen, ich will

hier klauen « - »Ver

schwinde, sonst wirddich der Verfassungsschutz in die Mangel,nehmen « Tür zu,.

:schließlich kommtdas Teufelchen nachBerlin und klopft andie Tür des Staatsratsgebäudes. »Ich

tiin das kleine Teufel-  _

:- __

chen - nanu, wo istdenn mein kleinesgoldenes Eimerchen? «

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Alles zum Wohle des Volkes

Renate Holland Moritz

r

Im allgemeinen bin ich ein verträglicher Mensch. Aber die

menschliche Natur ist ein unerforschtes Land. Plötzlich tun sichAbgründe auf, und man steht am Kraterrand der eigenen Seele.Mich ereilte die Katastrophe an einem gewöhnlichen Nachmit

tag in meiner Kaufhalle. Ich hatte einen sogenannten mittlerenEinkauf getätigt, also weder nach Südfrüchten noch importier-ten Konfektkästen gegriffen, sondern lediglich Brot, Butter,Milch, Eier, Käse , Brause und andere Billigwaren ins Wägelchen

praktiziert. Die junge goldblondeKassiererin vom Stamme der punk-

feindlichen Popper unterzog sicherst gar nicht der Mühe des Umla

gerns in den bereitstehenden Zweit

wagen. Wieder und wieder huschteihr behendes Linkshändchen übermeine Waren des täglichen Bedarfs.Die Preise entnahm sie einem ent-rückten Blick ins Leere. Schließ-lich resümierte ihre Kasse eine

Endsumme, die mir nun doch starkaus der Luft gegriffen vorkam. Und

da muß in meinem sonst so kun-dendienstfertigen Gesicht irgendeinZug entgleist sein.

» s wat? « erkundigte sich die Poppermaid.»47 Mark 50 « sagte ich ungläubig.»Donnerwetter«, entgegnete die Schöne, »lesen könnse also «

Ich spürte, wie meine Adrenalinpumpe ansprang. »Rechnen

auch, Verehrteste Deshalb hätte ich gern den Kassenzettel.«Mit dem Gesichtsausdruck einer stomatologischen Schwester,die gerade eine Spritze aufzieht, meinte sie: »Hat wohl dochnichjanz hinjehaun inne Schule, wa? Was steht denn hier groß

• •

und breitjeschriem? KASSE LAUFT OHNE BON «Widerwillig wich ich der Übermacht hinter mir parkender Wa

genschieber. Zu Hause nahm ich Zettel und Bleistift, legte denFinger auf jeden Posten und prüfte die Rechnung. Mehrmals.Doch stets ergab sich eine Summe von 37 Mark und 50 Pfen

nigen. Wie gesagt, ich bin sonst nicht so. Aber an diesem Tagritt mich der Teufel. Und an solchen Tagen geht eben allesschief. In Minutenschnelle hatte ich nicht nur die Telefonnum-

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  lles zum Wohle des Volkes

mer der Kaufhalle ermittelt, sondern auch deren Leiter an derStrippe. Meine Beschwerde über die bonlose Halsabschneide

rin versetzte ihm einen Schock. Mit stockender Stimme ließ er

mich vom Ausmaß seiner Verzweiflung wissen. Immerhin seien

sie ein mehrfach ausgezeichnetes Handelskollektiv, wiederholt

siegreich aus dem Titelkampf hervorgegangen Und nun dieseSchande.

Vergeblich versuchte ich, ihn zu beruhigen. Ich wies darauf

hin daß mir das Recht auf Reklamation nur innerhalb der Halle

zustünde, ein Regreß also juristisch überhaupt nicht haltbar

sei. Aber r bestand flehentlich auf Wiedergutmachung.

Eine halbe Stunde später klingelte die Kassiererin an meiner

Wohnungstür. Ihre sonst so gepflegte Poppermähne stand

punkartig zu Berge. Tränen des Zorns hatten schwarze Tusche

spuren in ihre Wangen gekerbt, und unter grünen Lidschattenschossen mordlüsterne Blicke auf mich hernieder. Stumm über-

reichte sie mir ein Kuvert, welches eine schriftliche Entschul

digung des Kaufhallenleiters, einen nagelneuen Zehnmark

schein sowie die Mitteilung enthielt, bewußte Kollegin habe bis

eben am Pranger ihres Kollektivs gestanden und befinde sich

nun auf dem Wege der Besserung. Tief zerknirscht wollte ich

ihre Ankunft in Canossa zu einer menschlich-herzlichen Be-

gegnung am Kaffeetisch umfunktionieren, aber sie lehnte die

Einladung strikt ab und verschwand grußlos. Ich zwang meineaufgewühlte Seele zur Ruhe und überdachte die Ereignisse.Einer jungen Mitarbeiterin, vermutlich noch in der Ausbildung

stehend, gestreßt von den täglichen Widrigkeiten des soziali

stischen Einzelhandels, war also ein kleiner Fehler unterlau

fen. Und ich hatte die Lappalie an die große Glocke gehängt,

gewissermaßen ein Schnellgerichtsverfahren ausgelöst, der

jungen Kollegin empfindlich ins Lehrlingsportemonnaie gegrif

fen und für einen wunden Punkt im Brigadetagebuch gesorgt.

Wie sollte mir solcher Frevel verziehen werden? Gewiß hattemich die Gemaßregelte längst ihren Kolleginnen beschrieben.

Die Folgen lagen auf der Hand.

Am Fleischstand würden sich künftig Rouladen und Rump-

steaks vor meinen Augen in Luft auflösen, am Gemüsestand

würde bei meinem Eintreffen der Zustrom von Saisonfrüchten

wie Erdbeeren, Kirschen und Pfirsichen versiegen. Und an wel-

cher Kasse ich auch Aufstellung nehmen mochte, vor mir würde

immer so ein unseliger Brömmel stehen und in den Ruf aus

brechen: »Hier nicht mehr anstellen. Hier ist Schluß.«•

Eins war klar, ich konnte die Kaufhalle nicht mehr betreten.

Ein diesbezügliches Kadergespräch mit meinen Angehörigen

37

Schneewittchen liegt

in Glassarg. Weder

den Zwergen noch.einem singenden· ·

·Vogel gelingt es, sie

zu wecken. Als aber

ein Prinz ihr einigeWorte ins Ohr flü-

s.tert, springt die, .·Schlafende sofori auf.Was waren das für

Worte? »Im nächsten

Kaufhaus gibt es Ap

felsinen .. .«•

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))Was ist in dieserTüte? (

Eine kaputte Tüte. Sieträgt die Aufschrift)Zucker< < 

lles zum Wohle des olkes

endete beschämend. Man zeigte mir einen Vogel verwies aufdie Broschüre »Das Recht des Kunden« und schließlich sogarauf die ausgezeichnete psychiatrische Betreuung in den Ehe-

und Familienberatungsstellen. Zu einer Umverteilung der häuslichen Pflichten kam es jedenfalls nicht.

Die nächste Kaufualle war genau einen Kilometer entfernt. Füreinen kleinen Spaziergang durchaus empfehlenswert, nichtaber für einen Gepäckmarsch mit dreißig Pfund Konserven,Kartoffeln und anderem Sperrgut. Öfter als einmal die Woche

konnte ich mir diese Strapaze nicht zumuten. Wenn mir zwi-

schendurch ein paar Kleinigkeiten ausgingen, mietete ichdienstbare Geister von unserem Spielplatz, undzwar zu einer Pauschale von zwei großen Soft-

eis pro Gang. Eines Tages sprach mich eine

ältere Frau im Fahrstuhl an.»Sie sind das also« sagte sie streng, »die mei-

nen Enkel dauernd mit Eis vollstopft WissenSie eigentlich, daß der arme Junge seit dreiTagen mit Bauchkrämpfen im Bett liegt?« Eswar mir entsetzlich peinlich, und ich stammelte etwas von meinen ärztlich beglaubigtenKnick-Senk-Spreizfüßen, die mir das lange An-

stehen nicht erlaubten. Sie war sofort vollerMitgefühl und erzählte mir bei mehreren Tas-

sen Kaffee die Geschichte ihrer Krampfadern.Ebenso ausführlich referierte sie über die un-

glückliche Ehe ihrer Tochter mit dem nichtsnutzigen Trunkenbold und Weiberhelden Ek-

kehard. Beim Abschied versprach sie, bewußten Schwiegersohn in meine Einkaufsdienstezu stellen, damit er wenigstens in dieser Zeit

kein Unheil anrichtete. Schon am nächsten Tag erschien dergutaussehende junge Mann und erklärte sein prinzipielles Ein-

verständnis, vorausgesetzt, ich würde ihm die Mühe mit hoch-prozentigen Naturalien vergelten. Von nun an schleppte er sichmit zunehmender Bereitwilligkeit für mich ab blieb aber nachdem Auspacken jedesmal so lange, bis nichts mehr in den Fla-schen war. Schließlich wußte er ja am besten, was wir imHause hatten. Der Zustand wurde langsam unhaltbar. Doch danach den Gesetzen der Dialektik nichts bleibt, wie es ist, soll-

te auch meine Qual ein Ende finden. Das Wunder geschah aneinem späten Nachmittag, als ich mit einer Freundin ein Cafe

besuchte. Der Kellner plazierte uns in eine Nische in der schon

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  lles zum Wohle des Volkes

ein heftig knutschendes Pärchen saß. Als sich die beiden aus

ihrer minutenlangen Verstrickung lösten, erkannte ich zu mei-

nem heillosen Entzücken nicht nur den ungetreuen Eckehard,

sondern auch meinen blondmähnigen Alptraum aus der Kauf-

halle, den er sich bei einem seiner Einkäufe unter den Nagel

gerissen haben mußte. Ein sekundenlanges Feuergefecht drei-er weitaufgerissener Augenpaare endete zu meinen Gunsten.

Der Kellner wunderte sich, daß es das Pärchen plötzlich so eilig

mit dem Zahlen hatte, denn die Weinflasche war noch halb voll.

Tags darauf traf ich Eckehard in Begleitung seiner rechtmäßig

Angetrauten in unserem Hausflur. Ich begrüßte die beiden herz-lich und überreichte dem auffallend bleichen jungen Mann

einen Einkaufszettel. Er warf einen Blick darauf und erbleich

te noch tiefer. »Rinderfilet, Schweinefilet, Rosenthaler Kadar-

ka« formulierte er mit unhörbarer Stimme.Doch Mitleid konnte ich mir in meiner Situation nicht leisten.

Ich genoß im Gegenteil das unbeschreibliche Hochgefühl des••

Uberraschungssiegers und sagte mit freundlicher Bestimmt-

heit: »Sie werden's schon machen. Da bin ich ganz sicher «

Mein Dackel raucht nicht,hält nicht viel vom Saufen,hat keine Weiber

und geht früh zu Bett.

Er liebt den Sport,

das Raufen und Laufen,

kein Wunder daß er schlank ist.

Ich bin fett,

weil ich, Kollegen,

täglich einen hebe.Ich hab Zirrhose,

Asthma, Muskelschwund.

Ich weiß genau,

wie ungesund ich lebe,

und doch ... wer mag schon leben

wie ein Hund.

rnst öhl

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Wissen Sie überhaupt, warum es in unseren Neu-baugebieten so wenig Gaststätten gibt?

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Alles zum Wohle des Volkes

Jochen Petersdorf

»Nach Hause, bitte«, sagte der berühmte Pianist Anton de Moll,

als er das Taxi bestieg.»Geht in Ordnung, Meistro«, erwiderte der Taxifahrer. Und er

fügte hinzu: »Pinguin-Bar oder Rassel-Keller?«»Nehmse das Nächstliegende«, sagte der Meistro, »es wird Ihr

Schade nicht sein.«Der Fahrer fuhr zur »Butterbemme«. Ein Schmalzstullenlokal.

»Die Gäste dort«, sagte er, »erkennen als Pianisten nur Richard

Kleidermann und Hans Hick an. Da sind Sie vor Belästigungen

sicher.«

»Danke für den Hinweis«, sagte de Moll. Der Taxifahrer fuhrfort: »Übrigens, ich hab gestern im Radio Ihr Konzert gehört.

Ihr Anschlag - wie immer phantastisch. Besonders bei derEtüde über ein Thema von Kamill Zang-Zangs war's unüberhör

bar. «

»Sie sind ein Spinner«, sagte der Meistro.

»Nein, ich bin Taxifahrer. Und früher war ich Oboist beim Orchester des Theaters Durolstedt. Kennen Sie das Orchester?«

»Natürlich nicht « erwiderte der berühmte Pianist.

»Dann können Sie sich j vorstellen, was ich dort verdiente«,sagte der Fahrer. »Deshalb bin ich auf Taxi umgestiegen. Oboespiele ich nebenbei im Zentralorchester des Anglerverbandes.

Habe dort übrigens einen dollen Kumpel kennengelernt. Der

war früher mal Zuschneider beim VEB >Herrensocke<. Hat sich

selbständig gemacht und betreibt jetzt mit seiner Frau eine

Eisbude mit Laufmaschenreparatur, 'ne Gold- und Silbergrube

in einem, sage ich Ihnen «»Und was macht er im Zentralorchester des Anglerverbandes?«

»Eigentlich nichts Besonderes. Er männätscht uns ein wenig.Denn bevor er Zuschneider beim VEB >Herrensocke< war, hat

er mal Kulturwissenschaft studiert. Er stand damals sogar

schon im dritten Semester, als er erfuhr, daß sie im VEB >Herrensocke< injedem Quartal außer dem Lohn auch noch Fersen

geld zahlen. Da sagte er sich: Kassieren geht über Studieren

und machte sich auf die Socken.«»Ja ja, wie das Leben so spielt«, meinte der Pianist.

Vor dem Hotel Grand Prix hielt das Taxi. »Warum?« fragte de

Moll.»Diese Frage werde ich gleich dem Barmixer stellen«, sagte der

41

Übrigens ist der Trabbi ein echter Fortschritt im Automobil-

„ ..

bau: Bei ·eineni l iffrul··

haben Fußgängerjetzt erstmals dieMöglichkeit, zurückzuschlagen ...

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Und Sie meinen ich

muß auch bei Kurz-

streckenfahrten das

Auto ganz auspacken?  

Alles zum Wohle des Volkes

Taxifahrer, »denn der Mixer ist gelernter Autoelektriker. Er hat

mir schon mehrmals aus der Klemme geholfen.«

Der Mixer arbeitete nicht mehr im Hotel. Er h t jetzt eine

Pachttoilette im Vergnügungspark. Neben dem Bierzelt. Das

ständige Einrollen der Groschen geht ihm zwar mächtig auf die

Nerven, aber die Buchführung ist weniger gefährlich als in derBar.

»Ich habe die Zentrale angerufen«, sagte der Taxifahrer zu de

Moll. »Man wird mich gleich abschleppen kommen. Für Sie

macht s bis hierher sechs Mark neunzig. Schade, hätte gern

weiter mit Ihnen geplaudert. Sehnse zu daß Sie ne Schwarz

taxe kriegen.«

De Moll kriegte. Citroen. Eine charmante junge Dame s ß hin-

term Lenkrad. Der nicht gerade als Charmeur bekannte Pianist

fragte knallhart: »Haben Sie das nötig?«

»Nicht so, wie Sie denken«, antwortete die Dame. »Aber man

lernt Leute kennen. Und das ist wichtig, denn wir bauen gera

de. Und ich habe heute nacht schon einen Butzenscheibenma

cher aufgerissen. Verstehen Sie zufällig was von Mosaikarbei-- ten?«

»Leider nicht«, sagte de Moll »ich bin Pianist.«

»Bei welcher Gruppe?«

»Bei keiner. Ich bin Konzertpianist.«

»Lohnt sich das?« fragte die Dame.

»Es geht«, sagte de Moll »aber ich mach s auch aus Leiden

schaft.«

Da schaute ihn die Dame nachdenklich an und sagte: »Ich glau

be, Sie haben großes Talent zum Komiker. Sie sollten wech

seln.«

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44 Lernen lernen nochmals lernen

ohn tave

Sonntagnachmittag legt sich Benno Falke immer aufs Kanapee

und macht ein kleines Nickerchen. Dazu läßt er das Radio leisedudeln. Dieser Nachmittagsschlaf gehört seit einigen Jahren zu

Bennos Sonntagspens11m. Er macht es so: Er schaltet das Radio

ein, legt sich aufs Kanapee und nimmt die Wochenbeilage von

der BZ oder vom ND. Und die liest er dann ohne Brille ganz

dicht weil nämlich stets nach einer kleinen Weile Benno ganz

sachte von Morpheus in die Arme genommen wird, und dann

drückt die Brille beim Schlafen. Es ist eine Erfahrungssache.

Da Etzel der kleine Sohn Bennos von der Existenz eines ge

wissen Herm Morpheus nichts weiß deutet die Situation desvon Unterhaltungsbeilagen bedeckten Vaters so: Bei Papa war

• „ • schon das Sandmännchen. Im Grunde genommen ist daswar einmal ~ 1 n Konig, der j auch das gleiche. Es ist lediglich eine Auslegungsfra-

g1ng gern s p a z 1 e r ~ n und der ge. Am Sonntagnachmittag nun, von dem hier die Rede ist

trank auch gern Bier. weicht etwas vom üblichen Usus ab; denn Klein Etzel be-

gnügt sich diesmal nicht mit seiner Sandmännchenfeststellung.Es ist ein regnerischer Sonntag. Die umliegenden Kinos spie

len nur Filme, die Etzel schon gesehen hat: »Privatleben«, »Das

Appartement« oder »Ein Hauch Glückseligkeit«.

Benno Falke war über dem Satz »Joachim Zapke aus Berlin

meinte zunächst in der Jugenddiskussion des ND seien die Ver

hältnisse >etwas zu rosig< gemalt« eingeschlafen.

Da öffnet der kleine Etzel die Tür. Er schleicht sich leise zum

Kanapee und kitzelt an den Fußsohlen des Vaters.»Bist du schon mit dem Abwaschen fertig?« fragt Benno im Halb

schlaf weil er annimmt daß es seine Frau ist. Aber die ist noch

nicht fertig.

»Mutti sagt du sollst mir ein Märchen erzählen« sagt Etzel.

Benno Falke nimmt die Beilage vom Gesicht. Er reibt sich dieAugen und setzt die Brille auf.

»Ich denke du bist im Kino?« - »Nee.« - »Es heißt nein Wie oft

soll ich dir noch sagen daß es nein heißt?« - »Erzählst du mir

jetzt ein Märchen?« - »So ein Blödsinn Na, meinetwegen. Es

war einmal ... Ich kenne keine Märchen mehr «

»Andere Kinder ihre Väter erzählen andauernd Märchen«, sagt

Etzel trotzig.

»Das ist ein Deutsch « ruft Benno Falke entsetzt aus. »Der an

deren Kinder Väter heißt es. So spricht ein normaler Mensch.Der anderen Kinder Väter erzählen andauernd Märchen «

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Lernen lernen nochmals lernen

»Also los«, sagt Etzel hartnäckig. Der Vater schielt traurig zumFenster. Es ist tatsächlich ein Wetter, bei dem man keinen Sohn

hinausjagt.

»Also meinetwegen. Aber ich muß liegenbleiben können. Hm,hm. Ä. Also. Es war einmal ein König, der war so ein bißchen

- der hatte so - der ging gern spazieren. Ohne seine Frau mach-te er das. Und er trank auch gern Bier. Und eines Tages kommt

er nun nach Hause, und da sagt seine Frau ...«»Soll ich dirwas zu trinken bringen?« fragt Bennos Frau, die mit

dem Abwasch fertig ist und sich freut, daß i rMann sich so nett mit dem Kleinen beschäftigt.

»Ja«, sagt Benno unwirsch, weil er fürchtet, aus••

dem Konzept gebracht zu werden. »A. Also der

König kommt nach Haus. Es war sehr spät.

Schon früh, gewissermaßen. Und die Frau istnoch ganz verpennt - verschlafen also. Und da

sagt sie: Du hast ja keine Krone auf < Da sagt der

König: >Verflucht und zugenäht Die muß ich wie-der irgendwo hängengelassen haben. Da werde

ich gleich noch mal losgehen < Da ging er noch

mal in die Kneipe, und die eine Prinzessin, die da

das Bier ausschenkt, die rief schon von weitem:

>Du hast deine Krone da hängengelassen < Da

freute sich der König sehr. Aber als er sich dieKrone zu Hause genau ansah, da hatte er einen

ganz schönen Zacken drin.«»Es war ein feines Märchen, Papa«, sagt Etzel,

und Anita bringt den Kaffee rein.

»Papa soll noch ein Märchen erzählen«, fordert Etzel.

»Ja«, sagt die Mutter. »Erzähl ihm noch eins. Es ist auch für dich

mal eine Abwechslung «

»Ich danke für solche Abwechslungen«, entgegnet Benno. Aber

der Erfolg des ersten Märchens hat ihm etwas geschmeichelt.»Ja. Also«, fährt Benno fort. »Ä Hm, hm. Eine Königin und ein

König, die gingen - ä . . . Es war einmal ein Schloß. Dieses

Schloß hatte der König in einen tiefen Wald bauen lassen. Ein

sogenanntes Waldschloß. Hm. Und der König war nun ein biß

chen zerstreut vom vielen Regieren und den ganzen Sitzungen,

und da ging er immer gern ein bißchen spazieren. Aber die Frau

mußte er zu Hause lassen, weil ja jemand kommen konnte. EinKaiser oder ein Ritter. Die kamen ja früher öfter mal vorbei. un

war der König auch noch kurzsichtig Und so kam es vor,daß

er nicht nach Hause fand. Als es der Königin zu bunt wurde,

sagte sie zum König: >Streu Körner auf den Weg, dann kannst

5

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Ein Junge steht aneiner Jauchegrube

und heult: »MeineMutter ist weg,meine Mutter ist hierreingefallen.«

Ein Polizist zieht sichschnell aus, springtin die Grube unddurchwühlt sie mehr-

mals. » ich kannnichts finden Sagmal, ist deine Mutterwirklich hier reinge-fallen?«

Darauf der Junge: »Na

gut, komm Se raus,da schmeiß ich ebendie Schraube auchnoch weg.«

Lernen lernen nochmals lernen

du sicher nach Hause finden < Der König tat so, aber er kam

auch in der folgenden Nacht nicht nach Hause. Erst gegen Mor-

gen traf er ein, und die Königin war empört. >Ich habe dir ge-

sagt, wie du es mit den Körnern machen sollst<, schrie sie. Aber

der König sprach: >Ich habe es genauso gemacht, wie du gesagt

hast. Aber als ich dann an den Körnern entlang nach Hausegehen wollte, da waren sie alle schon ausgetrunken <«

»So ein Märchen«, sagte Anita Falke, »kann ein Kind überhaupt

nicht begreifen. Es ist einfach Unsinn und kein Märchen «

»Vielleicht, weil ein Körnchen Wahrheit drin ist«, gibt Benno zu

bedenken. »Aber wenn euch meine Märchen nicht gefallen, dann

erzählt euch selber welche. Gute Nacht «

»Mir hat das Märchen sehr gefallen, Papa«, sagt Etzel. »Beson-

ders das mit der Prinzessin und mit den Hühnern, alle beide.

Besonders das erste und das zweite auch Erzähl noch ein Mär-chen, bitte, ja?<<

»Nun«, sagt Benno und gähnt heftig. »Jeden Sonntag zwei Mär-

chen, das ist zuviel des Guten. Das Jahr hat zweiundfünfzig

Sonntage, und wenn ich zehn Jahre Märchen erzähle, muß ichmir fün±hundertzwanzig Märchen ausdenken. Ich hab noch 'ne

kleine Nebenbeschäftigung «

»Es waren die einzigen zwei Märchen deines Lebens Jedenfalls

für den Jungen. Vielleicht dramatisierst du einfach ein altes

Märchen?«»Au, fein « jubiliert Klein Etzel.

»Wie denn, dramatisieren?«fragt Benno gähnend.

»Na irgendwie mit verteilten Rollen«, meint Anita.

»Also gut«, sagt Benno Falke, der ein großer Pädagoge sowie

Psychologe ist. »Wrr spielen das Märchen >Dornröschen<. Dra-

matisiert Es geht so: Dornröschen liegt in einem Glassarg, und

sieben kleine Ritter wollen sie wachküssen. Ich spiele das Dorn-

röschen und muß hundert Jahre schlafen. Dann kommst du,

Etzel, als Ritter und erlöst mich. Du, Anita, spielst die Mutterder Königin und sitzt am Fenster und spinnst. Fangen wir an.«

Benno Falke nimmt die Brille ab und legt sich die Unterhal-

tungsbeilage übers Gesicht.

»Wann soll ich dich wachküssen kommen, Papa?«fragt Ritter

Etzel.

»In etwa zwei Stunden«, spricht Dornröschen unter der Zeitung

und schläft prompt ein.

»Dramatisieren ist Scheiße «sagt Etzel. Daraufuin schallert ihm

die Mutter eine, und er darf zur Strafe am nächsten Sonntagnicht ins Kino gehen. Das hat Benno Falke nun davon

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Lern e n 1e r n e n n o chm a1s 1e-r n e n

Ottokar omma

e „ 8 tp fl OoiHt HottH Dito tot

Es ist doch schön, daß sich unser Herr Direktor immer wieder

etwas Neues einfallen läßt, um uns zu belohnen. Ich meinejetzt nicht die Lobe oder die Tadel, daran kann sich ein Schü-

ler gewöhnen. Ich meine etwas ganz Besonderes, worauf sich

alle freuen und wofür jeder die Daumen drückt, daß er dabei-

sein darf. Ich merke schon, da kommt keiner drauf, deshalb will

ich es verraten: Unser Herr Direktor gibt einmal im Jahr einen

Empfang der Besten.

Ich weiß nicht, woher der Herr Direktor Keiler diese Idee hat,

aber er wird sich schon etwas dabei gedacht haben, zum Bei-

spiel, daß zu den Besten die Schüler mit sehr gutem und nochbesserem Durchschnitt zählen, und die Eltern bekommen gleich

eine Einladung dazu. Es ist auch ein großer Fortschritt, daß

neben dem Herrn Bürgermeister auch der Herr Direktor Kei-

ler einen Empfang geben darf, und wenn die Entwicklung so

weitergeht, dann gibt vielleicht unser Herr Burschelmann im

nächsten Jahr auch einen Empfang.Manche Schüler sagen: »Das juckt mich nicht « Und einige mei-

nen sogar, sie sehen den Herrn Direktor und die anderen Leh-

rer alle Tage, wozu dann extra noch einen Empfang? Die irrensich aber gewaltig Denn auf einem Empfang gibt es was zu

essen und zu trinken. Ich habe das bisher auch noch nicht ge-

wußt.

Auch meine Eltern bekamen eine persönlich geschriebene Ein-

ladung, darin stand: »Wir geben uns die Ehre, Sie und Ihren

Sohn Ottokar zu dem Empfang der Besten herzlich einzula

den.« Die Frau Stichlein, unsere Sekretärin, mußte bestimmt

eine Nachtschicht einlegen, um jedem extra zu schreiben.

Da haben wir schon den Unterschied. Oder kann sich vielleichtein gewöhnlicher Schüler erinnern, daß er zum Beginn des

neuen Schuljahres, eine Extra-Einladung erhalten hat? Mir hatbisher noch keiner geschrieben: »Sehr geehrter Schüler Ich

gebe mir die Ehre, Dich herzlich zum intensiven Lernprozeß

einzuladen. Hochachtungsvoll, Dein Klassenleiter « Das Ge-

genteil ist der Fall. Es braucht bloß einer mal ein bißchen zuspät zu kommen oder im Unterricht eine Aufforderung zu über

hören, gleich heißt es: »Du brauchst wohl eine Extra-Einla

dung « Daran .erkennt man, daß eine schriftliche Einladungetwas Besonderes ist.

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jl _

Lernen lernen nochmals lernen

Meine Eltern staunten ja auch nicht schlecht, als der Brief

ankam. Der Vater fragte gleich selbstkritisch: »Wie komm ich

dazu?« Und meine Mutter wollte als erstes wissen, was sie

dazu anziehen muß. Ich habe noch nie so schön angezogene

Lehrer und Elternteile gesehen wie auf diesem Empfang. Sogar

unser Herr Burschelmann hatte einen Schlips um, und er griffsich dauernd an den Kragen und schnitt dabei ekelhafte Gri-

massen, als wenn er erstickt. Der Herr Direktor Keiler sah aus

wie der Herr Pastor Schulz, aber mit Parteiabzeichen, und erst

die Frauen, Mannomann, das war vielleicht eine Wucht Viele

sind extra zum Frisör gegangen, und es roch wie ganz Paris in

einer Klasse.

rr als geehrte Schüler brauchten diesen Schönheitswettbe-

werb nicht mitzumachen, sondern durften in Pionierkleidung

oder im Blauhemd erscheinen. Also wenn jeder Schultag wieso ein Empfang wäre, das könnte keiner aushalten. Der Herr

Burschelmann wäre dann vielleicht schon vorzeitig Rentner

geworden, und die Lehrerinnen würden auch ganz schön al t ·

aussehen; denn extra Kleidergeld bekommen sie nicht.

Aber das ist noch nicht alles, jetzt kommt die dritte Besonder-

heit. Sie bestand darin, daß sich die Elternteile mit ihren Kin-

dern zusammensetzen mußten. Nicht alle, denn vorne im Saal

war ein Quertisch, dort saß der Herr Direktor. r war nicht

lange allein. Denn als wir in den Saal hineinschritten, stürztegleich der Herr Direktor auf meine Mutter und sprach: »Sie

müssen da vorne sitzen « Meine Mutter wollte eigentlich bei

meinem Vater und mir sitzen, weil sie uns schon kennt, aber

als man i r erklärte, daß sie als Elternaktivmutter zu den e-

sten der Besten gehört und darum da vorne sitzen muß, da gab

sie klein bei. Mein Vater freute sich und sagte zu mir: »Guck

mal, Mutti weiß jetzt nicht, wo sie hingucken soll.« Als sie

doch einmal zu uns schaute, winkte ich ihr da freute sie sich

ein bißchen.

Weil jetzt bei uns ein Platz noch frei war, setzte sich der Herr

Burschelmann daneben. Der hat mir grade noch gefehlt, dach-

te ich, gleich gibt es Erziehungsgespräche. Meinem Vater hätte

das ja nichts geschadet. Aber der Herr Burschelmann hatte

wohl auch keine Lust dazu, sondern schimpfte über die Hitze.

Danach unterhielt er sich mit meinem Vater über richtiges Ta-

pezieren und Zementmischungen.

Also kann man sagen, ist auch diese Unterhaltung eine Beson-

derheit. Denn welcher Lehrer hat sich mit uns schon einmal

über Zementmischungen unterhalten? Im Gegenteil, wenn wir

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lernen lernen nochmals lernen „

sagen, es ist aber heute kalt in der Klasse, wird geantwortet:

»Ihr werdet gleich schwitzen « Und wenn uns·zu heiß ist, heißt

es: »Ihr braucht wohl eine Abkühlung? Könnt ihr haben «

Damit sind die Besonderheiten aber noch nicht zu Ende. Denn

jetzt kam das Wichtigste, nämlich die Begrüßung und die Rede

vom Herrn Direktor. Diese hat er vorher aufgeschrieben, unddie Lehrer haben ihm sicherlich Schummelzettel zugeschoben,

denn woher sollte er denn die besten Schüler und Eltern und

ihre guten Taten kennen? Und weil die Aufzählung sonst zu

lang geworden wäre, nannte er auch nur die Besten der Besten

als die Stellvertreter für die Besten, die als Beste nicht ge-

nannt worden sind.

Na ja, einige guckten ja ein bißchen sauer, weil sie ihren Namen

nicht hörten. Mein Vater und ich guckten nicht sauer, weil wir

nicht auf die Namen hörten, sondern auf den Inhalt. Denn derHerr Direktor sprach über die Erfolge und die Erziehung, und

die Eltern haben auch einen Anteil daran. Bei diesem Satz tratich meinem Vater gegen den Fuß, aber er kapierte nicht und

trat gleich wieder zurück. So diskutiert er immer mit mir.

9

Nach dem Herrn Direktor sprach der Eltern-

beiratsvorsitzende Herr Dankuleit. Er bedank-te sich für die Erziehung und überhaupt, daß

wir dasein dürfen, und danach wurde nur noch

Wenn ich ein Direktor wäre dann würde

ich einmal zu einem Empfang der ver-

wöhnten Schüler und Eltern einladen.

an den Tischen gesprochen, nicht über die Erziehung, sondernmehr über das Leben, zum Beispiel Autoersatzteile, Urlaub,

Backrezepte, Fernsehstücke, Frauenkrankheiten und andere

schöne Vorkommnisse. Dabei tranken die Erwachsenen Wein

und wir Schüler Cola. Der Herr Burschelmann meinte, daß i m

jetzt ein Bier lieber wäre, und mein Vater stimmte diesem Dis-

kussionsbeitrag zu.

Auch in diesem Falle kann man sagen, war die Rede vom Herrn

Direktor Keiler sehr fruchtbar, indem er alle auf andere Gedan-

ken brachte, und das erleben wir leider in der Schule nicht. Dortdürfen wir nur an das denken, was die Lehrer für uns ausge-

dacht haben.

So kann man also zusammenfassen: Ein Empfang beim Herrn

Direktor ist eine hohe Auszeichnung, weil man hier den Besten

endlich einmal sagen kann, wie sie erziehen müssen. Die an-deren, welche nicht die Ehre hatten, brauchen das nicht zu

wissen. Für sie gibt es Elternversammlungen, und wenn siediese schwänzen, haben sie selber schuld, darum zählen sie

auch nicht zu den Besten. Unsere Walli zum Beispiel muß nochfünf kleine Brüderchen versorgen und sich sehr anstrengen,

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5 Lernen lernen nochmals lernen

daß sie auf die Zensur Befriedigend kommt, aber damit zählt

sie eben nicht zu den Besten. Oder nehmen wir den Schweine-

Sigi. Er liebt die Tier- und Pflanzenwelt und ist gar nicht so

doof, wie seine Rechtschreibung aussieht. Manchmal weiß er

mehr als die Lehrer, zum Beispiel in der Schweinezucht. Aber

wenn der Sigi so einseitig weitermacht, wird er nur ein guterFerkelvater, aber nie zu den Besten zählen.

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Vielleicht sollten wir überlegen,

wie man die Empfänge noch stei-

gern kann. Die Losung könnte

heißen: Jeder einmal zum Emp

fang Wenn nicht als Bester, dann

vielleicht zu einem Empfang der

Mittelmäßigen oder der Vergeßli-

chen oder der Petzer und Kratzer.Wenn ich ein Direktor wäre, dann

würde ich einmal zu einem Emp

fang der verwöhnten Schüler und

Eltern einladen. Das kann interes-sant werden, wenn die Schüler ge

genseitig aufzählen, was sie alles

geschenkt bekommen haben, und

die Eltern können erklären, wie

teuer das war. Je höher der Preis,um so größer die Liebe. Wein und

Cola gibt es bei diesem Empfang

nicht, sondern nur Sekt, und der

Herr Hausmeister Schröder muß

schon beim Eingang darauf ach-

ten, ob die empfangenen Damen

und Töchter in langen Schleppen

und Diamanten daherziehen.

Wenn nicht, dann schmeißt er sie

gleich raus und brüllt hinterher: hrhabt euch wohl verirrt Hierist kein Gammlerklub, sondern ein Empfang der vornehmsten

Eltern und ihrer teuren Kinder

Aber wie ich den Herrn Direktor und unsere Lehrer kenne, ma

chen die so was nicht mit. Erstens, weil sie bei diesem Emp

fang nicht mitreden können und nur unangenehm auffielen,

zweitens, weil es dazu erst eine Anordnung vom Ministerium

geben muß, und darauf können sie bis an ihr Lebensende und

noch länger warten.

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„  erertaubt sich,

meine Lektion durch lautes Gähnenzu stören?"

. . . . . ~ f t e n d ist er ••• llick inw n•t .,...,,,„.

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fir die .Abc·Schittl•

>; V -~ ~ f i f :_ _ ~ ~ ~ ~ - l ~ ~ < A • . ~ f : ~ · ~ ~ ~ ~ ~ , . , , . . ..... ·   ~,Die ·Lehrerin fragt.·. in der. S C . h ~ t l e ··mit welchem Bild man  d.ie DDR :1

beschreiben ö n n t e ~ »lcn stelle mirv-0r« meldet sich ein Schüler• 1>die 1...DDR istwie.ein a u m ~ .Eest verwurzeltnn· ozialistischen Staatenver-

1. ·band gedeiht er :wächs.t em.por und d immer t i i r k e r ~ « - > ~ I c h s t e l ~ ·i ·e mir vor{<, tnE}ldet si:cli ein zweiter SchfileI;. } ~ d i e D D ~ ist ein riesiger ·

· Traktor mit einem r i e ~ i g e n Pflug daran1Unermüdlich fährt der r a k : ~ . ·

.  tor vorwä:rtS u1ld ü b e r ~ ·wo et den Ackerboden a..Ufgebrochen h a t ~ ·•.blüht und gedeilites. ~ Ich steJj e111ir VOt«; .meldet. ich Fritzchen, >ldie • .DDR istein stolzes SQhiff„ Das Schiff trotzt jedel1lSturm und jederSee, · :

~ ~ ~ ~ ~ . . . ~ ~ - _ . ~ ~ ~ und die Leute stehen ap . e c k « _ }Ein sehr schones Bild, r i t z c h e n « ~ ··· ·., unterbricht·die Lehrerin. Fritzchen fährt fort; l>Und die Leute stehen · : an Deck und kotzen und kotzen ..• (; · · .. · ·. . - . . . - . . :  . - ~ ; ; : ~ » ~ . . ; ~ · ~ ~ ~ ~ . ,-. - -„,·.. . . : _ -„ .- . . .„ - .· .. . -:; _. : '   - -:. , - -   - - -   ~ - - . „ ~ ~ ~ .   -   • __~ ~ ~ ' f e . ~ ~ ~ ~ ~ - ~ ~ ~ 4 f f l ~ ' < > * i i f f _

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52 ernen lernen nochmals lernen

rnst Röhl

Otto

Ahnungslos gehe ich über den Fritz-Stippekohl-Platz - wer

kommt mir entgegen? Der leibhaftige Quasnick. Mit Frau undTochter. Er selber sah aus wie immer. Genau wie damals, als

wir gemeinsam in der Wirtschaft tätig waren, speziell in der

Gastwirtschaft. Junge, Junge, waren das Zeiten Die ganze Mit

tagspause von zwölf bis fünf in Willis Glas-Bier-Geschäft.

Quasnick, wie gesagt, hatte sich äußerlich so gut wie gar nicht

verändert. Die Frau aber hatte mächtig ausgelegt. Und die

Tochter kam ganz nach der Mutter. Das Gewicht hatte sie

schon, obwohl sie kaum mehr als dreizehn, vierzehn Jahre alt

sein konnte. Sie steckte in einem rotweißen Pummelfummel,der gewiß nicht zufällig, sondern auf Anraten oder Anweisung

der Mutter längsgestreift war.

Du könntest also jeden Tag 25 Pfund

Gurken essen und sogar noch ein paar

Fässer Selters dazu trinken

Ich wäre mit Quasnick gern in einem anständigen Lokal

eingekehrt, wo ein anständiger halber Liter vom Hahn

läuft, die Frau allerdings drängte uns zielstrebig ab ins

erste, beste Cafe.

Da saßen wir nun auf diesen zierlichen Schnörkelstühlchen

um ein zierliches rundes Schnörkeltischchen herum und lä

chelten uns gegenseitig verlegen zu, und ich dachte mir, eskönne gewiß nicht verkehrt sein, wenn ich irgendwas Schmei

chelhaftes sagte. »Eure kleine Annette«, sagte ich, »ist aber

auch ganz schön groß geworden.«

»Groß klingt sehr hübsch«, sagte die Frau, und es klang nahe

zu feindselig. Quasnick distanzierte sich mit einer bjlflosen

Handbewegung.

»Groß wäre nicht weiter schlimm«, sagte die Frau, »aber sie istleider stark übergewichtig, viel zu korpulent für ihr Alter.«

»Das verliert sich«, sagte ich, »beim ersten Liebeskummer.«Die Tochter schlug die Augen nieder. Quasnick schielte kri

tisch auf das ansehnliche Mittelstück seiner Gemahlin.»Mit Zureden haben wir's versucht«, barmte Frau Quasnick,»und auch mit Appetitzüglern - ohne Erfolg.«

»Aber Trudchen « Quasnick versuchte abzuwiegeln. »Ist denn

das wirklich alles so schrecklich?«

Die Frau sah mich groß an: »Intelligente Fragen stellt der

Mann, finden Sie nicht auch? Und das, obwohl ihr die Kinder

auf der Straße schon dumme Sprüche hinterherbrüllen: Annette, die Fette « Obwohl Annettes Gesicht feuerrot anlief, fuhr

Frau Quasnick in ihren Ausführungen zügig fort: »Kinder kön-

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Lern e n, 1e r n e n, n o c h m a 1 1e r n.e n

nen ja so grausam sein Zur Disco traut sich unsere Annette

nicht mehr hin. Ihr Selbstbewußtsein ist natürlich angekratzt.

Und das Unangenehmste: In ihren schulischen Leistungen, be-

sonders in Mathe, ist sie stark abgerutscht. Sehr peinlich «

Quasnick hob, wenn auch kraftlos, die Hände zum Zeichen des

Protests.»Ich weiß, was du sagen willst « So einfach ließ Frau Quasnick

sich das Wort nicht abschneiden, schon gar nicht vom eigenen

Mann. »Wir haben die großen Ferien gründlich genutzt, um

einen, nun, man kann schon sagen wissenschaftlich begründe

ten Ernährungsplan zu realisieren . «»Wir « schnaufte Quasnick und reckte den Hals, um vielleicht

doch noch irgendwo eine Serviererin zu erspähen.

»Jawohl - wir « bekräftigte Frau

Quasnick. »Annette mit meinerHilfe. Ein regelrechtes Kalorienmi

nimierungsprogramm nach der Er

nährungstabelle von Professor

Gräfe. Annette hatte pro Tag eine

Vorgabe von 1000 Kilokalorien ...«

»Allerhand«, sagte ich.

Ü nein«, erklärte Frau Quasnick,

»1000 sind herzlich wenig.«

»Eine Kilokalorie«, sagte Annette, »ist die Wärmemenge, dienötig ist, um einen Liter Wasser von 14,5 auf 15,5 Grad Celsi

us zu erwärmen.« Annettes Pausbacken erglühten abermals,

diesmal vor Stolz. Quasnick war es endlich gelungen, die Ser

viererin herbeizuspähen. Frau Quasnick bestellte sich ein Känn

chen Mokka sowie ein Stück Kirsch-Sahne-Torte, Quasnick und

mir gewährte sie je einen doppelten Weinbrand, und für Annet

te ließ sie ein Glas Selters kommen. »Selterswasser«, sagte

sie, »ist geradezu ideal, weil es überhaupt keine Kalorien ent

hält. Gurken sind auch verhältnismäßig günstig, aber doch beiweitem nicht so günstig wie Selterswasser. 100 Gramm Gur

ken enthalten nur 8 Kilokalorien.«

»Bei einer Vorgabe von 1000«, knobelte ich, »könnte Annette

demnach täglich, Moment mal, 1000 geteilt durch 8 ...«

».. gleich 125«, sagte Annette, »multipliziert mit 100 Gramm

ist gleich 12,5 Kilo.«

»Du könntest also jeden Tag 25 Pfund Gurken essen«, sagte ich,

»und sogar noch ein paar Fässer Selters dazu trinken.«

Annette lächelte schmerzlich, denn in diesem Augenblick servierte die Serviererin außer der Selters einen gewaltigenKirsch-Sahne-Tortensektor.

5

0

Es soll sehr gesundsein hin und wieder mit

den Hühnern zu Bett zugehen.«

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5 Lernen lernen nochmals lernen

»Aber«, sagte Quasnick zu mir, »wenn du von der Torte da nur

einen Teelöffel voll probierst bist du gleich auf achtzig und

wenn du zwei Stücke wegschrotest bist du dicke auf 1000.«

»Du verstehst also auch etwas davon«, stellte Frau Quasnick

indigniert fest.

»Bei uns zu Hause wird doch von nichts anderem mehr gespro-chen.« Quasnick erhob sein Glas in meine Richtung.

»Prost Erwin « sagte ich.»Mann, waren das Zeiten ...« begann er zu schwärmen.

»Wir wägen äußerst präzise« warf Frau Quasnick eilig in die

Debatte. »Wenn die Haushaltswaage zu grob anzeigt benutzenwir die Briefwaage am liebsten hätte ich eine Diätwaage aber

die meisten Werte prägt man sich ja schnell ein, nehmen wirspaßeshalber das Frühstück: ein Ei gleich 87 20 Gramm Le-

berwurst gleich 42, eine Scheibe Mischbrot zu S Gramm gleich125 bestrichen mit 5 Gramm Margarine Marke Soma, übri-

gens eine sehr fortschrittliche Margarine mit dem Verpak-

kungsaufdruck >100 Gramm= 1550 Kilojoule<, Sie verstehen

die Kalorie ist ja genaugenommen passe aber die Rechnung mit

Joule ist doch noch recht ungewohnt.«»Ein Kilojoule gleich etwa 4 19 Kilokalorien«, sagte Annette

»1550 Kilojoule aufgerundet 390 Kilokalorien 5 Gramm Soma,errechnet mit Dreisatz gleich 19 Frühstück insgesamt 273. «

Quasnick verdrehte gequält die Augen, ich als höflicher Menschnickte zustimmend obwohl ich nicht mal Bahnhof verstanden

hatte.»Auf dieselbe Weise«, erläuterte Frau Quasnick »errechnen wir

auch das Mittagessen so daß wir beim Abendbrot ganz exakt

dosieren und auf 1000 orientieren können.«»Und was ist mit Naschen?« fragte ich.»Verboten << knurrte Quasnick.

»Wenn ich eine halbe Tafel Vollmilchschokolade zusätzlich

esse« sagte Annette »aus Heißhunger oder Disziplinlosigkeit

oder was weiß ich müßte ich entweder 12 Kilometer radfah-

ren oder 1000 Meter in 20 Minuten schwimmen oder 45 Minu-

ten tanzen möglichst Reggae.«

Frau Quasnick hatte ihr Stück Torte beendet und blickte michmit unverhohlenem Stolz an.

»Mal eine ganz dumme Frage« sagte ich. »Hat sie denn nun ei-

gentlich abgenommen?«

»Abgenommen?« fragte Frau Quasnick zurück und schob den

leeren Tortenteller ein paar Millimeter der Tischmitte zu.

»Nicht direkt« sagte Annette.»Aber«, sagte Quasnick »sie kann jetzt hervorragend rechnen.«

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Lernen lernen nochmals lernen

Peter Ensikat Wolfgang Schaller Manfred Schubert

Reporler spricht aufdem Dresdner ltmarktPassanten an

Reporter: Guten Abend, meine lieben Fernsehzuschauer, heutewieder eine verblüffend aktuelle Umfrage: Was halten Sie von

unserer Jugend? Und da strömt auch schon ein einzelner DDR-

Bürger über den Altmarkt. Gestatten Sie eine Frage: Sie

haben sicher den Entwurf des neuen Jugendgesetzes gelesen.

Ihre Meinung, bitte?

1. Mann: Hier rein? In das Sieb?

Reporter: Sie können sagen, was Sie wollen, es wird sowieso

gesiebt. Also: Was halten Sie von unserer Jugend?

1. Mann: Ach Gottchen, direkt halten tu ich nischt von ihr. Aberandererseits wird unsereins auch kaum noch von ihr belä

stigt.

Reporter: Was sind Sie denn von Beruf?

1. Mann: Frisör. Ab

Reporter: Da kann man nur sagen: Figaros Tiefzeit. Aber schon

geht's weiter. Auch an Sie die Frage. Was halten Sie von un-

serer Jugend und ihrer Arbeit?

2. Mann: Ich bin Betriebsleiter, und für mich ist das ein dialek

tischer Prozeß.Wrr

haben jüngere Menschen, die machen dieArbeit. So leistet der ganze Betrieb Jugendarbeit.Reporter: Und was sagen Sie zu der Forderung, der Jugend mehr

Verantwortung zu geben?2. Mann: Wrr haben entsprechend gehandelt und unseren Lehr

lingen bereits die Raumpflege eines ganzen Stockwerkes in

eigener Verantwortung übergeben.

Reporter: Meinen Sie, Lehrlinge sind die geeigneten Kräfte?

2. Mann: Natürlich. Die können nicht kündigen. Ab

Reporter: Auch an Sie, meine Dame die Frage. Was halten Sievon unserer Jugend?1. Frau: Ja, also, wie bereits Lenin dazu ausführte, hat schon

Engels gesagt, daß auch Karl Marx in dieser Frage entschie

den - äh wie war bitte Ihre Frage?

Reporter: Was halten Sie von unserer Jugend?

1. Frau: Ja, wie ich hierzu bereits richtig bemerkte, können uns

darüber nur die Klassiker Auskunft geben.

Reporter: Ich wollte aber die Frage Ihnen persönlich stellen.

1. Frau: Vielleicht wollen Sie auch noch meine eigene Meinung

wissen? Wo gab's denn so was mal bei uns im Fernsehen Ab

Reporter: Na Opa beim Abendspaziergang?

Als ein Mann am Zei-

tungskiosk »Neues

Deutschland« kaufenwill muß er hören:»Ist noch nicht da «

Als er dara11fhin »Die

Freiheit« aus Hallekaufen will, muß er

hören: »Geht nicht,Die Freiheit kommterst mit dem neuenDeutschland.«

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  6

DerJugendunser

Vertrauen

Lernen lernen nochmals lernen

3. Mann: Ja, ja

Reporter: Was halten Sie von unserer Jugend?3. Mann: Nu ja, ich hielte schon mal gerne. Wenn ich mir so die

BH-losen Mädchen angucke, möchte ich immer ausrufen:

Hoch sollen sie leben Ab.

Reporter: Und da begegnet uns auch schon ein junges Mäd-chen. Sag mal, was treibst du eigentlich in deiner Freizeit?

2. Frau: rr arbeiten in den Lernkollektiven, sorgen für die Pio-

niere und Veteranen, studieren für das Abzeichen »Für gutes

Wissen« , trainieren für das Sportleistungsabzeichen, kämpfenin der GST und singen frohe Jugendlieder.

Reporter: Na bitte, das war eine Antwort, wie man sie gern hört.

So ein Jugendkollektiv hab ich noch nicht gesehen2. Frau: Ich auch nicht. Aber die Kreisleitung freut sich, wenn's

in den Berichten steht.Ab 

Reporter: Mein Herr, darf ich Ihnen die Frage stellen: Was hal

ten Sie von unserer Jugend?4. Mann: Sehr viel. Auf der Messe der Meister von morgen hat

unser Betrieb ein Exponat ausgestellt - Weltniveau Das ist

mein NeuerervorschlagReporter: Wieso Ihrer? Sie sehen doch nicht mehr wie 20 aus?4. Mann: Deshalb stehen ja auch unsere Jugendlichen auf der

Messe und erklären die Kiste.Reporter: So erziehen Sie also junge Facharbeiter?

4. Mann: Nee, junge Propagandisten Ab.

Reporter: Was halten Sie ...5. Mann übertrieben schlampig gekleidet}: Hallo FansReporter: Sie gehen sicher zu einem Kostümball?

5. Mann: Nein, zum Jugendball

Reporter: Wäre da ein Blauhemd vielleicht passender?5. Mann: Wohl 'ne Meise, Mann Wenn wir dort schon Musik

machen, dann ziehen wir uns wenigstens anständig an Ab.

Reporter: Und an Sie ein letztes Mal die Frage: Was halten Sie

von unserer Jugend?6. Mann: Ich sage immer: Jugend voran, erhebe dich jetztReporter: Sind Sie ein Jugendfunktionär?6. Mann: Nee, Rausschmeißer im Jugendklubhaus.Reporter: Aber wieso? Unsere Jugendklubhäuser sind doch für

die Jugend da?6. Mann: Natürlich Solange sie friedlich und organisiert hä-

keln, sticken oder Mandoline spielen, von mir aus. Aber wenn

die erst tun was ihnen Spaß macht, hört bei mir der Spaß auf

Reporter: Aber Erich Honecker hat doch gesagt ...6. Mann: Ist Honecker Hausmeister oder ich?

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  8 • Was des Volkes ände schaffen

C. U. Wiesner

•r sor rt ~

s

Nehmse Platz, Herr Jeheimrat Was gibsn Neues aufm Bau?Wieder Nachtschichtjehabt? Wat kiekense sich denn so um in

mein Salong? Hier hat sich nischt verändert, und hier verän

dert sich ooch nischt, und die Tapete is immer noch dieselbe.

Im Gejensatz zu mein Nachbarn bin ick da mehr konserventief.

Veränderungen machen nischt wie lästige Umstände, und so

lange ick selber mit mein Laden noch sehr zufrieden bin, laß

ick mir in diese Hinrichtung von niemand Vorschriften machen.

Und mit Neutappsieren wärs bei mir schonjar nich mehr jetan.

Da müßte man schon von oben anfangen und die janze Deckeabkloppen. Stellnse sich da mal die Wirtschaft bei uns vor

ee, die paar Jahre, die ick noch lebe, bleibt alles beim alten.

Wir deutschen Herrenfrisöre inne DDR ham schließlich Jrund

jenug, auf uns selber stolz zu sein. Bei uns anne Spree wurdenschon die feinsten Alfonso- und Melangeperücken jeknüppert,

wie der jroße Zar Peter seine verbohrten Altrussen nochjewalt

sam die Rauschebärte absäbeln ließ. Und beis Haarefärben

waren wir immer schon die Größten.Nee, ick sage Ihnen doch: Hier hat sich nischt verändert. Ach

so, dis Schild meinse? Hab ick eijenhändig jemalen: Vorwärts

zu neuen gewaltigen Haarschneide-Erfolgen

Dis is nämlich meine einzige Devise; wie soll ick denn sonst

zu Devisen kommen? Ach ja, der neue Tüllstohr vors Schau

fenster, den hat mir Muttern nähen müssen, damit sich meine

wartende Kundschaft auf den bevorstehenden Haarschnitt kon

zentriert und nich andauernd durch den Blick aufe andere Stra

ßenseite kopp scheu jemacht wird.

Ich bin ja in mein hohes Alter noch ein Fuchs und sage mir: Wer

nu schon rostet, dürf wenigstens nich rasten. Wer hat denn frü

her son Jewese um olle Männer jemacht? Von jewisse Ausnah

men mal abjesehn. Wie der alte Kaiser Willem vor neunundneu

zig Jahre seinjoldnen Löffel abjegeben hat, war er schlappe ein

undneunzig Lenze jung, aber immer noch propper und pikobel

lo. Jedenfalls ham wir dis so inne Schule mußten lernen. Und

den sein Sohnematz, der Kronprinz Willem - der hat ja ein

trauriges Los jehabt: Da lauert dis arme Schwein von Jahr zu

Jahr, deß der Olle nu endlich abnibbeln tut. Er selber ging ja

schon auf die sechzig zu, und wie er sich denn endlich den Hermelinmantel hat konnten überziehn, saß ihm der Jevatter Dod

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  asdes Volkes ände schaffen _

schon am Kehlkopp und hat ihm man jrade neunundneunzig

Tage regieren lassen. Und denn kam der Fatzke von Enkel aufden Thron und wird doch gleich den jroßen Bismarck inne

Wüste schicken. Dabei wurde der jrade erst fümmensiebzig,

also dis beste Reisealter für einen Politiker. Aber damals hat

tense ebent noch keine Alterswissenschaftler wie bleistiftsweise Professor Pellwunn, wo ich die Ehre habe, zu meine Kund

schaft zu zählen. Nehmse mal den Kopp 'n bißken runter

Der Herr Professor is nämlich Garantologe, also Altertumsfor

scher ins Rejierungskrankenhaus, und sein Fachjebiet heißt

Geranienchemie, und die kommen baldjeden Tag zu neue spek

trale Ergebnisse. Neulich sag ick zu ihm: Son oller Knacker

kann doch nich mehr ewig rumkrepeln, noch dazu mit die Ver

antwortung - für einen kompletten Herrensalong. Sagense mir

doch mal ehrlich: Wann soll-te man denn nu abtreten?

Meister Kleinekorte, meint

er dis is keine Frage der

Jahre. Manch einen erledigt

der Kalk oder Suff schon mitfümmenvierzig, worauf ichein kräftiges Räuspern hinter

de Küchentüre höre. Mut

tern, werd ickjanz laut rufen,so persönlich hat der Herr

Professor dis nich j emeint.

Bring uns mal ruhig 'n kleinen Spaßmacher. Herr Professor

sind heut ohne Wagen da und ick mach sowieso jetz Feier

abend.

Na denn ham wir in alle Ehren 'n Schluck zur Brust jenom

men und Muttern hat hinten kleine Häppchen gemacht.

Herr Kafforke saß die janze Zeit mit sone Stielaugen dabei und

dachte, ick vererbe ihm noch am selben Abend meinen Salong.Aber hinterher waren bloß noch zwei Personen einigermaßennüchtern: icke und der Professor. Machense sich keine Sorgen,

Meister Kleinekorte, hat er zum Abschiedjesagt. Für Sie gib's

momentan kein Altersproblem. Wenn man meine Patienten

noch alle so inovulationsfähig wie Sie wären ...

Dis hat mir inwendig so beflügelt, deß ick am liebsten noch mit

Muttern n Abendbummel durch n Friedrichshain jemacht

hätte. Aber Sie hat mir nich jelassen und obendrein als ollen

Lustmolch beschimpt. Daran sehnse dis Elend der Jeschlechter. Haltense mal den Kopp 'n bißken stilleSehnse, da drüben, aufe andere Straßenseite, unser berühm-

59

Ohne Anmeldung kann

ich Sie nicht dranneh-men. Sie sehen doch

wir zwei sind heute

ganz allein.  

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60 Was des Volkes ände schaffen

tes Vorbild die PeJeHa Wellenreiter Ewig wurdense uns als

leuchtendes Beispiel unter der Nase jerieben: Von der Jenossen-

schaft lernen heißt frisieren lernen Dabei wußte jeder, was bei

die Brüder los war. Der Scheff von die der jreise Obermeister

Konzfried der hat bloß noch mit 'n Kopp jewackelt, und zu

Kundenjespräche war der jar nich mehr fähig. Was soll dennein Kunde von ein Frisör halten, der zu alles, was Se sagen,

bloß immerzu den Kopp schütteln tut? Also eines Tages hat die

PeJeHa selber jemerkt, deß bei Konzfried keine Spur mehr von

Ovulationsfähigkeit drinne war. Denn hamse ihm endlich ins

Feierabendheim hinjeschafft. Da hält er noch im Väterahnen-

klub Vorträge über seine Lehr- und Wanderjahre, und ab und

zu zückt er seinen Staublappen für die Glatzenträger, weil se

ihm so an den großen Lenin erinnern.

So weit so jut, aber nu sind se da drüben von ein Ekzem insandere jetrampelt, indem se Meister Mischke zum Scheff je-

macht ham. Dabei soll der man jrade erst Mitte fuffzig sind.Also keine Spur von Erfahrung, ick meine, als Leiter. Und wat

passiert? Also Meister Mischke hat vor nischt, aber vor j r

nischt hat der Respekt. Alles uff eenmal will er umkrempeln,

dieser junge Dachs. Dabei hat er ja, also teilweise hat er sojar

recht, dis is j dis schlimme. Jahrelang hat die Jenossenschaft

alles vereinnahmt, wasses an Orden Wanderfahnen und Ehren

banner zu holen jab, aber warum? Weil se am dollsten aufenPutz jehauen und ihre Pläne erfüllt ham, deß unsereinen angst

und bange wurde. Zum Beispiel die Kehrhaare: Die müssen

sorgfältig jesammelt und für die Hutindustrie abjeliefert wer-

den. Die Bevölkerung will j nich andauernd mit alte Hüte rum

loofen. Aber wenn Se die Zahlen von Wellenreiters j esehn ham,

da müssen die nachts noch olle Frauen wechjefangen und die

d.en mausjrauen Dutt abjeschnitten ham. am uns j allen spa-

nisch vor aber wer hat denn die Kuraasche jehabt, gejen den

großen Obermeister Konzfried was zu sagen?

Und nu lauft es genau ins Gejenteil. Meister Mischke sagt, dis

war alles Vorspiegelung von falsche Tatsachen, Potentatenkin-

sche Dörfer. In diese PeJeHa is rumjeschludert worden, des

ses auf keine Kuhhaut mehr jing, aber jetz kommt alles anders.

Als erstes hat er sich den Glaser bestellt und die große neue

Schaufensterscheibe einsetzen lassen. In Zukunft, soll er jesagtham, kann hier.jeder durchkieken und sehn, ob unsere Frisö-

re wirklich arbeiten tun. Is j an sich nich verkehrt, wa? Auch

für ein transpirentes Klima sorgt er neue Ventilatoren und so.

Jetz weht hier 'n anderer Wind sagt er. Ooch im Prinzip nichschlecht. Und aufe Versammlung, sagt er soll jetz jeder sagen,

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  asdes Volkes ände schaffen

was er beschissen findet und wie mans besser machen könn

te. Is j im Prinzip nischt gejen zu sagen. Aber man dürf ebent

dis Kind nich mit 'n Bade in den Brunnen fallen lassen Vor

allem, wenn sone übertriebenen Maßnahmen Schule machen

Nehmse bleistiftsweise mein Jehülfen. Den Mann muß ick j

beinah auf Knien anflehn: Lieber Herr Kollege Kafforke, nu sagense doch endlich mal Ihre Meinung zu unsere innerbetrübli

che Demokratie Wo sind wir denn noch nich janz Weltspitze

mit unsern Salong?

Aber denn jrient er bloß wie son Schmalztopp:

Och, Meester, bei uns is doch alles paletti. Und

denn schnippelt er hier mit Ach und Krach seine

Stunden runter und schont sich dabei mächtig.

Ick weiß dochjenau, deß der krumme Hund mün

destens dreimal die Woche malern oder sonstwat jeht. Die Arbeit im Salong - jut, aber nich

mehr wie nötig und vor allem wegen die Sozial

versicherung. Is nu mal so: Privat jeht vor Kata

strophe. Seh ickj alles ein, und zur Not läuft j

mein kleiner Laden man grade noch so. Aber was

mir schweinsmäßig ärgert: Deß er mir nu dau

ernd die PeJeHa Wellenreiter vor die Nase halten

will, und ick soll mir mal ne Scheibe abschneiden von die ihre

neuen Methoden, so mit Peristaltik und 'n Glas Most.Ne Weile hab ich mir dis Gemotze noch anjehört, aber denn habick zu ihm jesagt: Bei uns is alles in Butter, und da muß ick mir

nich Hals über Kopp auf Marjarine umstellen, bloß um als mo

dern zu jelten. Hier jeht jefälligst alles weiter seinen Jang.Wie er nu immer noch n1mzackeriert und mir sojar vorje-schmis

sen hat - wenn der Ochse schon mal 'n Fremdwort uffschnappt

- ick wäre nich mehr ovationsfähig, da hab ich ihm eiskalt jeant

wortet: Jut, Herr Kafforke, wir übernehmen die Methoden von

Meister Mischke: Ab morgen strenges Alkoholverbot währenddie Arbeitszeit. Muttern hat nochjenuch einjekochten Appelsaft.

Da könnse sich in Keller setzen und ein Glas Most nachm an

dern trinken, dis befördert Ihre Perestroika im Dünndarm Da

feift die ab wie son Sputnik Da hättense mal dis Jesicht von

mein Jehülfen sollen sehn: Weiß wie die Wand hier vor JahrenUnd seitdem erzählt er dis alle Kunden dreist, wenn ihm keiner

nach frägt: Hier wird nischt verändert wird hier

Nehmen wir zum Abschluß 'n Schnäpperken, Herr Jeheimrat?

Hab ick bei Herm Kafforke inne Kitteltasche beschlagnahmt:Wodka Gorbatschoff. Schluckensen vorsichtig, jeder verträgt

ihn nich. Macht zweifuffzig.

n unserem Kollektiv

gibt es keinen Wider-spruch <<

61

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6 Was des Volkes ände schaffen

Ernst Röhl

tlo iow tit

Mit ungeheurem Getöse donnerte der Felsblock zu Tal. Ich trat

rechtzeitig beiseite und wartete auf Sisyphos. Er kam auchbald, außer Atem, Schweißperlen auf der Stirn. Flüchtig erwi-

derte er meinen Gruß. »Moment«, sagte er, »bloß noch eine ein-

zige Tour, dann ist Frühstück.«

Ohne Zeit zu verlieren, stemmte er sich hinter die Klamotte,

und schon ging s wieder los, immer fleißig bergauf.

Er trug eine kurze, ausgefranste Exomis aus derbem Leinen,

wie Handwerker und Landarbeiter sie zu tragen pflegten. Kein

Gedanke mehr an den hochmodischen plissierten Chiton, mit

dem er damals in Korinth, in seinen besseren Tagen, herumstolziert war. Wenn es stimmte, was der Buschfunk meldete,

hatten sie ihn dort mit einer sagenhaften Beurteilung wegge-

lobt und ihn hier zu gleichen Gehaltsbedingungen eingesetzt -

ich glaube, 90 Drachmen monatlich. Mehr muß ich wohl nicht

sagen; es ist j allgemein bekannt, wie so was gedeichselt wird,

wenn man die Bekanntschaft des Arbeitsrichters vermeidenwill.

Mit ungeheurem Getöse donnerte der Felsblock zu Tal.

»Fuffzehn « ächzte Sisyphos und setzte sich zu mir ins Gras.Er nahm die Arbeitsschutzkappe vom Haupt und wischte sichmit seinem schon recht feuchten Taschentuch den Schweiß

von der Stirn. Aus dem Rucksack zog er eine kleine, abgeflach

te Amphore mit Landwein und griff mit seinen Riesenpratzen

gierig in die Stullenbüchse. » Mann«, stöhnte er, »hab ich n

Kohldampf « Ich beneidete ihn. Seit Wochen berichteten wir

massiert aus allen Bereichen der materiellen Produktion. Seit

Wochen war meine abendliche Joggingrunde dieser Kampagne

zum Opfer gefallen. Ich litt unter Gürteldruck und Völlegefühl.»'ne ruhige Kugel«, sagte ich, »schieben Sie hier nicht gerade.«

Bescheiden winkte er ab. »Man tut, was man kann.«

Er hielt mir den Flachmann hin. »Danke«, sagte ich, »muß noch

fahrn.« Sein Körper war muskulöser als der jedes Giganten

oder Titanen, von den Olympioniken ganz zu schweigen. »Also

wirklich«, sagte ich, »Hut ab Ob es regnet, ob die Sonne

scheint, immer vor Ort, rund um die Uhr ... «

»Ist doch eine Selbstverständlichkeit«, sagte er, »jeder andere

würde genauso handeln.«

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  asdes Volkes ände schaffen

»Wie schwer ist der Stein eigentlich?«

»Dieser hochwertige Wälzstein aus arkadischem Granit wiegt

1,8 Tonnen netto, was umgerechnet 2923 Waggonladungen

hellgrüner Luftballons entspricht.« Es war offenbar nicht das

erste Interview, das er gewährte.

»Und welche Entfernung ist zurückzulegen? In der Schubphase? Hangaufwärts? «

»Bei einem Steigungswinkel von etwa

45 Grad beträgt die effektive Schub-

distanz 2 attische Stadien, pro Schicht

also insgesamt 32, das bedeutet 8 Pro-

zent mehr als im Vergleichszeitraum

des Vorjahres.«

»Donnerwetter «

»Der Bestwert aus meiner Initiativschicht steht sogar bei 38 Stadien.«

»Das«, mutmaßte ich, »ist nun sicher

lich die neue anspruchsvolle Zielset-

zung.«

»Ehrensache.«

»Wie stabilisiert man solche Spitzenleistungen?«

»Nun, es gilt, kreativ an die Probleme

heranzutreten, originelle Ideen einzubringen, Neuerungen durchzusetzen.

rr wollen ja weg von der manuellen

Arbeit, mein Wälzwerk bildet da keineAusnahme.«

»Andererseits gibt es vielleicht noch

Reserven, sehe ich das richtig?«

»Richtig. Beispielsweise suche ich zur

Zeit einen Wettbewerbspartner mit

„Sinnlos isses ja ..

vergleichbarer Tätigkeit und abrechenbarer Aufgabenstellung.«»Den werd ich schon finden, dazu bin ich ja da.« Einzuversicht

liches Lächeln erhellte seine Züge.

»Letzte Frage: Wie ist es um den Nachwuchs bestellt?«

Sein Gesicht verfinsterte sich. »Ein düsteres Kapitel, ehrlich ge-

sagt. Weit und breit nichts in Sicht.«

»Woran liegt es -Arbeitskräftelenkung?«

»Vielleicht«, sagte er versonnen, »vielleicht ist aber auch meine

Vorbildwirkung einfach zu gering.«

»Quatsch « sagte ich.

„ .aber es ist von oben

so festgelegt."

63

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6

>>Kuck mal wie die

Kunden uf unsere Er-

zeugnisse fliegen <<

Was des Volkes ände schaffen

»Jedenfalls will keiner ran. Oder ... « Er musterte mich einge

hend. » .. willst du's übernehmen?«

»Ich? Nicht doch, danke bestens.« Mit aller gebotenen Behut

samkeit erklärte ich ihm, ich sei mehr ein Mann der Feder, mir

liege seine Arbeit nicht, ich hielte sie sogar, pardon, für ein biß

chen sinnlos.»Siehste Das sagen sie alle. Jeder hat was viel, viel Wichtige

res zu tun.« Seufzend erhob er sich. »Na schön, mach ich eben

weiter, solange meine Gesundheit es erlaubt.« Schicksalserge

ben baute er sich auf neben seinem Felsen. »Irgendwer muß es

ja machen.«

Damit schob er ab. Von Herzen wünschte ich ihm Gesundheit,

Schaffenskraft und einen würdigen Nachfolger, den vor allem.

Eine extrem kritische Situation, Freunde Man paßt einen Mo-

ment nicht so genau auf, und - schwupp - haben sie irdie

Planstelle schon wegrationalisiert.

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••

'

Viel besser ~ ls m W e i h ~n chtst g 1984, wollen d ie ~ u r eim Salon Karl-Marx-Straße der

· PGH „Chic ihren Kunjen 1985 be gegnen · und . ihnen darum -nichtmehr nach einer Stunde, sondernschon nach 45 Minuten ·offenbaren,daß sie, obwohl vorher versichert,

auch ohne bestellt sein, bedientwerden, unfrisiert nach Hause ge-

ben können.

'•Kennen Sie den U n t e r s c h i ~ zwischen der soziali- 1

1 stischen Kaderpolitik und der Champignon-Zucht?Es gibt keinen, sobald sich ein helles Köpfchen

zeigt, wird es abgeschnitten. l" " " ' ~ ~ - ~ ~ " · ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ - ~ - ~ ~ ~ ~ ~ · ~ ; ~ = ~ ~ ~ ~ - ~ ~ - ~ = ~ ~ ~ ~ ~ = ~ · ~ - ~ t i

= 1 e-

  ° ' * ~ wett • tta ' ' ' er8S ft11ltllieb· , ._ lollt&tn .· · s •   • •

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~ - " ' " - ' = . . , , _ ~' ~ ' ~ h ~ ~ ~ ~ · · ~ · r ~ & - ~ • · ~ - · - - „ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

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''f l < i i ~ s ''6 'IEf - ' - f f e M lJ SW e ) { _- „ ltix4:S11M1 I I : . , l K ~ ~ - - - - - ·

N ' 'oii..,..„„,„„ • ,,. ..._ ,.., ' c ' 4 U : i ~ ~ ~ ~ 1 1 · ~ u u O. f..m m ~ ~ . . , . - . f i l i l : S J : - - i i ~ · ~ i v , _ ~ ~ i l t t ~ ' * ~ · · nJ 8 ~ r : • ' O i f r 1 . . . , , t i r ; . . - . ~ w a . . . , . . w w w „ .

atascha s ~ h r e i b t einen bitterbösen Brief an Gorba-

tschow. »Seit zwanzig Jahren arb 't . h . /;d VII 1 ei e 1c nun schon m //

en ogograder Samowarwerken und habe nie einen . ~kaufen bekommen.« i

antwortet freundlich· Nhm .uffälli · · » e en sie doch

gaus Jeder Abteilung ein Stückmit und bauenSamowar zu Hanse zusammen «

s p ä ~ e r Nataschas Antwort: »Vielen Dank für

Rat. Emen Samowar habe ich 'lW .

L r

-

= - ~ ~ ~ ~ ~ ~AM . TAG DES BERGMANNS

schwenkten in -Aue viele iwisd.'enFestwi•s• am FUiteich und Stod1on.

1 •• $ 7 .   7 • 7 •

Schneewittchen: ,,Wir brauchen unbedingt 'ne neue Planstelle.,,

'

'1

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Ich hatte ein Radio

angebracht hinterm

Spülkasten. Sie wissen

doch: Mit Musik gehtalles besser << Wolfgang

Stumph 1985 in seiner

Paraderolle als Kl.omann

Richard im Dresdner

Kabarett >>Herkules- .keule<<.

as des Volkes ände schaffen

olfgang challer

O ta R ie '

Wolfgang Stumph in der Herkuleskeule

Ich muß mal stören. Ich bin der Richard. Vom Männerklo. Ich

wollt bloß mal fragen: Muß jetzt keiner? Ich sitz nämlich schon

eine halbe Stunde auf meinem Abort, und keine Kundschaft

kommt Das macht mich alle. Früher, als ich noch die volksei

gene Toilette auf dem Altmarkt hatte, da florierte das Geschäft.Da konnt ich nachher sagen: Der Tag war nicht umsonst, Ri-

chard - heut hast du wieder vielen Leuten aus der

Not geholfen. Für viele war das die Befreiung. Manch-

mal stand eine Schlange bei mir Manche haben sichangestellt, weil sie dachten, es gibt Bananen Ich

hätt einen Stellvertreter brauchen können für den

ganzen Papierkram. Wenn sie alle so anstanden in

dringender Angelegenheit, das tat mir in der Seele

weh. Da hab ich Nummern ausgegeben in der Spit

zenbelastungszeit, mit der Uhrzeit drauf, wann sie

dran sind. Damit die Wartezeiten verkürzt werden.

Das hat sich aber in der Praxis nicht bewährt. Die

kamen alle auf den letzten Drücker. Das war die Hek-

tik, die innere Unruhe. Jeder wußte: So kann's nicht

weitergehn. Da konnte keiner mehr was in Ruhe er-

ledigen. Die kamen reingehechelt, völlig unter Druck,

und dann gleich wieder raus Da reichte die Zeit

nicht, sich bißchen näherzukommen. So ging im So-

zialismus das Menschliche verloren. Deshalb wollt

ich's den Leuten ein bißchen gemütlich machen, sie

sollten sich wie zu Hause fühlen. Weihnachten zum

Beispiel, da hab ich Räucherkerzen angebrannt, daroch's bei mir wie bei Christus in der Krippe. Ich hatte

auch ein Radio angebracht hinterm Spülkasten. Sie wissen ja:

Mit Musik geht alles besser. Und wenn ich die glücklichen

Augen der Kundschaft gesehen hab, so was hat mich ange

spornt. Da hab ich gleich noch mal den Schrubber genommen.

Wenn auch das Land verdreckte - bei mir war immer alles sau

ber. Da konnten Sie vom Fußboden essen Die Brille geputzt

und die Kacheln poliert, ich hab mir immer gesagt: Das Auge

pullert mit Das war die Berufsehre, die ich schon damals im

Leib drinhatte. Und deshalb wollt ich ja auch nur mal fragen:Muß jetzt jemand freiwillig?

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Was des Volkes ände schaffen-

lrmgard be

or O t P r i a t t i l J O r a ~ e f c 11 11

Nur selten arbeiten die Leute in dem Beruf, der ihnen Berufung

ist. Zu diesem Schluß war ich beim Nachdenken über unsere

Freunde gekommen.

Nehmen wir Kurti: Von ihm hätten wir nicht einmal vermutet,

daß er Schomsteinfeger ist, wäre er nicht eines Tages in einem

Steiger steckengeblieben. Nach seinen Gesprächen und künst

lerischen Einlagen hatten wir ihn immer für

einen begabten Meistertänzer gehalten.

Oder Kalabreser. Als Zeitungsmann hat erdoch wirklich einen hochinteressanten Beruf

- neueste Wettbewerbsinitiativen, Altstoff

sammelaktionen - doch in seine Redaktion

muß man ihn prügeln. Alle Welt kennt ihn

nur in Gummistiefeln in seinem Angelkahn.

So war Pongo, der Bäckerbursche, für mich

eigentlich stets die rechte Hand von Busch

ner zuständig für das Aufspüren junger Talente in den Liga-

mannschaften. Zwischen Hefe Backpulver und Sauerteig konnte ich mir diesen bulligen Sportstyp einfach nicht vorstellen.

Bis ich eines sackdusteren Morgens im Nieselregen gegen eine

mehlverstaubte Gestalt anrannte und daran klebenblieb: Pongo.

Er war also richtiger Bäcker, konnte richtiges Brot backen

»Brot macht der Meester. Ick mache die Weißware. Det is, ver

steh ma richtig - also, ick muß weiter «

Vom Fleischer gegenüber hatte er sich zwei kesselheiße Wür-

ste geholt, die er pustend und unruhig von einer Hand in die

andere rollte, nun tauchte er eilig in die Finsternis und riß dieTür zur Backstube auf.

Helles Licht knallte in den Hof alles in der Backstube war

weiß, übereinandergestapelt lehnten Mehlsäcke, ein Lehrling

ließ einen Karton Margarine fallen, Pongos dröhnendes La-

chen explodierte, dann krachte die Tür zu. Bruch und dunkel.

Benommen trat ich ein paar Schritte seitwärts zum Schaufen

ster und sah den Laden zum ersten Mal mit wissenden Augen.

Das Brot also war der tägliche Handstreich des Meisters, die

Weißware Pongos Werk.Sicher zählten dazu auch die stadtberühmten Bunten Plätz

chen, für die die Schulkinder heimlich ihr Essengeld oder ihr

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68

• •••• •

· TÄ LilH~ R i C H f~ R E ~

»Moment mal mein

Mann bringt gleich zwei

Stückchen frisch aus

dem Ofen.«

o

Was des Volkes ände schaffen

heimliches Zigarettengeld in den Bäckerladen trugen. So erwei-

tert man sein Wissen mitunter ganz unbeabsichtigt. Dieses

neue Wissen auch zu nutzen, auf die verheerende Idee kam icherst eine Woche später.

Walter erwartete Pongo zum Spiel Royal Madrid gegen Humph-

rey Wanderers. Voller Ungeduld war er ihm schon entgegengegangen und suchte mit dem Fernglas die Chaussee ab. Auf

einem Moped, das ihm viel zu klein, mit einer Schapka, die

ihm viel zu groß ist, kam der Meister der Weißware ange

schrubbt wie ein bejubelter Artist im Zirkus.

Genau in dem Augenblick überfiel mich der verrückte Gedan-

ke: Wenn er schon hier war, könnte er mir dann nicht viel-

leicht, eventuell, ganz unter uns das Geheimnis seiner berühm-

ten Bunten Plätzchen verraten?

»Wenn's weiter nüscht ist Stell ma schon alles hin,geht gleich los « Er wollte sich nur schnell den Ein-

lauf der Mannschaften ansehen.

Diese unerwartete Bereitwilligkeit des Geheimnisträ

gers machte mich sofort unverschämt. Wennschon,dennschon

In ungewohnt großen Mengen stellte ich alles hin,

was überhaupt auf den Tisch paßte. Pongo hatte dafürjedoch nur einen geringschätzigen Blick: »Det biß

chen? Lohnt doch's Anfangen nich «»Mann Ich will keine Stadt satt machen, mir reichenpaar Bleche «

»Haste ooch wieder recht«, murrte er unwillig. »Aber da muß

ick erst umrechnen. Also: Ick nehme - uffn Zentner Mehl -

warte ma.«

Irgendwie vertrugen sich Fußball, Bier und Prozentrechnung

nicht, denn es kamen nach sorgfältiger schriftlicher Rechnerei

auf ein Pfund Mehl dreißig Eier und zwanzig Pfund Zucker.

Selbst Walter, in Sachen Bunte Plätzchen völlig unbewandert,stutzte.

»Stimmt ja ooch nich«, bestätigte Pongo. »Hier, det blöde

Komma « Also noch mal.

Ich suchte eben im Keller die letzten Bierflaschen, als die Män-

ner über mir plötzlich wütend auf die Dielen trampelten: Lord-

Hastings durch Foul verletzt Eine Katastrophe, die nicht ohne

Folgen für das Rezept bleiben konnte, das jetzt forderte: vier

Pfund Mehl, hundert Eier, ein Pfund Zucker.

Der kleinlichen Haushaltsrechnerei schon schwer überdrüssig,entschloß sich Pongo, alle Theorie fahrenzulassen und die

Sache praktisch anzugehen. Nach Gefühl. Skeptisch befinger-

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  asdes Volkes ände schaffen „

teer meine größte Schüssel: »Na, hau erstma allet rin, wat dais. Dann sagste Bescheid.«Das nennt man Entschlußkraft Ohne langes Fackeln hauteich alles rin, und als die ersten Eier bereits haltlos über denRand der großen Schüssel glitschten, waren die letzten noch

gar nicht aufgeschlagen.»Wat willste denn ooch mit son Finkennapp? Haste nich nerichtige Schüssel?«Irgendwo hatte ich noch die große Schlachteschüssel, da paßteendlich alles rein. 'lrotzdem stand Pongo ganz unglücklich davor

und betrachtete seine Hände: »Versteh ma, ick kann dadrinnenich arbeeten. Ick verstauch mir alle Finger. Mach du det ma. «Aber gern Unter so fachmännischer Anleitung konnte ich nurlernen. So arbeitete ich konzentriert, lauschte dabei jedoch auf-

merksam dem Gebrüll und Gestöhn der Männer, undbeim nächsten Torschrei wetzte ich augenblicklich indie Stube. Die Schüssel samt Teig wetzte mit, wirwaren aufs innigste miteinander verwachsen. Wie

zehnmal geknatschter Kaugummi klebte der berühmte Bunte-Plätzchen-Teig an Schüssel und Händen. Die

Männer ruckten und zerrten daran, und Pongo stellte nachdenklich fest: »lrgendwat stimmt nich mit die

Anteile. Wieviel Margarine haste denn?«

Genaugenommen - gar keine.Da hatten wir schon den Fehler Fett ist bei Bunten Plätzchendie Seele. Nun, daran sollte es nicht scheitern. Ich habe immerviel Fett im Haus. Und so gelang mir auf Anhieb eine wunderbar gelbe, aber doch ungesund fettige Mehlsuppe, die obendreindie große Schlachteschüssel bis zum Überschwappen füllte.Hochzufrieden betrachtete Pongo das neue Fiasko. »Det siehtdoch langsam nach wat aus. Wenn du nu noch paar Tüten Mehl

hast und endlich son Gefäß, wo ick richtig drin arbeeten kann,

versteh ma: arbeeten «Auf dem Boden fand ich in der notwendigen Arbeitsgröße le-

diglich einen geflochtenen Überseekoffer, eine Munitionskistevom letzten Weltkrieg und ein Schlauchboot. Im Stall aberstand verstaubt und verrostet die Kinderbadewanne. Wenn ichdie bis zur Halbzeitpause sauber kriegte, hatte ich noch eineChance.

»Endlich wirste vernünftig. Nu mal los, ehs wieder losgeht «Der heiße Fußballfan verwandelte sich augenblicklich in densachlich kühlen Fachmann, der zunächst kurzerhand dasGewürzregal leer ramschte. Uns war unklar, wozu er etwasRosenpaprika, weißen Pfeffer oder gestoßene Pimentkörner

ne Nußtorte, was

sonst?

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7

Wir modernisieren nur

die Fassade gute Frau.

Es bleibt ein Saftladen.  

• as des Volkes ände schaffen

benötigte, aber das alles hauchte, streute, puderte Pongo in die

Wanne, er bemächtigte sich auch der Flasche Bier, die Walter

rein zufällig mit in die Küche gebracht hatte, und dann krem-••

pelte er die Armelauf Seine Hände, die wir sonst nur bedäch-

tig nach dem Glas hatten greifen sehen, begannen ein rasen

des, verwirrendes Spiel, rührten, kneteten, schlugen undklatschten in wirbelndem Wechsel, die Ellenbogen tauchtenimmer tiefer ein, mal rechts, mal links wurde ein Teigstrang

hochgerissen, wieder niedergedroschen, das schmatzte und

knallte, schließlich wurden die Geräusche

leiser, die Bewegungen leichter, fast zärt

lich tätschelte er den fertigen Teigklumpen,

stemmte ihn hoch und warf ihn unvermittelt

Walter zu: »Genau uff Mann «

Aus Walter war sofort die Luft raus. DerTeigkürbis nagelte ihn mit dem Stuhl an die

Wand.

Also doch für die ganze Stadt

Pongo mangelte gleich noch ein Stück aus,

so groß wie die Tischplatte. Dem Kürbis sah

man es nicht an. Er war um kein Jota kleiner geworden.

Und nun in den Ofen damit, dalli, dalli, und

große HitzeVom ersten Blech schwärmt selbst Pongo

noch heute.

Dem zweiten wurde der inzwischen glühen

de Ofen zum Verhängnis oder der Nordhäuser. Was mit dem drit-

ten passierte, kann man getrost Verkokung nennen.

»Aber Laune hat's gemacht, ehrlich, Leute Ick hätte echt Lust,

ma wieder son kleenet Ding abzuziehen «

Pongo denkt da speziell an ein Faß Backöl, das bei seinem

Meister rumsteht.»Klar, son Faß is nicht die Welt Aber fürn paar Silvester-Pfannkuchen reicht det allema «

Ich werde im Waschhaus den eingemauerten Kessel ausscheu

em, Walter wird die trockene Fichte abnehmen, in der gut und

gerne anderthalb Meter Holz stecken, und schon muß Pongo

in der Silvesternacht nicht gelangweilt rumsitzen, sondern hat

eine Kleinigkeit zu tun.

Seither bin ich wieder fest überzeugt: Die Berufe unserer Freun

de sind ihnen tatsächlich Berufung. Doch, doch Diese Bäckerburschen haben nur alle ein zweites Gesicht.

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7 eißer Sommer

Angela Gentzmer

Sketch mit Helga Hahnemann und lfred Müller

Zwei DDR-Rentner kommen den Strand langgestiefelt. Sie sind mit

Koffern Tauchsiedern einem Netz voller Konserven beladen und

werden von den Hula-Hula-Mädchen mit Blumen bekränzt.

Die Urlauberin läßt sich verlegen die Blumen umhängen und sagtfassungslos zu ihrem Mann: Hier sind wir falsch, Erwin Dit is

doch nie und nimmer Heringsdorf

Er - mit Blick auf die hübschen Mädchen: Nu bleib doch mal

ruhig, Hertha, v'leicht sind wir hier grade in so'n Begrü

ßungsabend mit 'ne Harzer Jodelgruppe rinjeratenSie: Mitten inner Woche?

Er: Haste recht Würde kein DDR-Bürgerwagen, sein Tanzbeen

zu schwingen

Sie: Unsre Urlauber singen doch nur, wenn se blau sind, sonst

lassen se den Strandfunk uff sich eindudeln

Er schnuppert mißtrauisch: Dit Wetter kommt mir hier ooch ver

dächtig vor

Sie: Eben Da kommen j unsre Anoraks und Jummistiefel jar

nich' zur GeltungEr: Ohne Reisegruppe stehst de da wie'n Idiot

Sie: Der Reiseleiter läßt sich ooch nich' blicken, jetzt weeßte

nich' mal, ob de zum 1., 2. oder 3. Durchjang jehörstEr: Nich' mal 'ne Bude, wo es keen Bier jibt, ham se

Sie: Oder'n Andenkenladen Is man schon eene Stunde da und

hat noch keine Ansichtskarte jeschrieben Sie deutet mit ihrem

Kopfin eine Richtung: Soll dit da drüben etwa die Ostsee sein?

Er: Ohne Strandkörbe?

Sie: Normal wär doch, daß man vor lauter Strandkörbe keenWasser sieht, Erwin

Er: Ja - langsam wird mir dit ooch unheimlich Jetzt mach ick

mir sachkundig Ick werd mal bei die hübschen Hostessen

da'n Versuch wagen

Sie: Du bleibst hier Reicht doch wohl, daß de für drei so'ne

Versuche Alimente zahlen mußt, nich'?

Er stöhnt: Wären wir bloß nach Bulgarien jefahren

Sie spitz: Tja, denn hätteste dir nich' mit meine Schwester in

Hamburg verkrachen dürfen Ohne Devisen kommste dirdoch am Joldstrand vor wie der letzte Neckermann

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  eißer Sommer

Er: Denn eben nach Rumänien - bei

Ceauc;escu

Sie: Dit könnte klappen Wo außer

uns keener mehr hin will

Ergrübelnd: Uff eenmal sind wir hier

janz janz janz woanders jelandetSie: Wir beede normal Sterbliche?

Dit gloobste doch alleene nichEr: So - paß mal uff, dit werden wir

jetzt gleich sehn, ob sich dit bei

diese Seezunge hier um'n soziali

stischet Ferienlager handelt oder

nich' r sieht auf seine Uhr: Jetztisset jenau 14.30 Uhr ...

Sie: Mach keen' Quatsch, Erwin, um die Zeit kannste dochkeen Mittagessen mehr verlangen

Er: Wer redet denn von Mittagessen, Hertha? rr jehn jetzt und

suchen die Schlange, wo se nach Abendbrot anstehn

1Arßa1t6s1Jri t1Jovon Helga Hahnemann

Nachdem unser 17. Urlaubstag auch verregnetwar, sindwir füreine Nacht ins Warnemünder Hotel »Neptun« jezogen. Leider

war da aber nichts weiter frei als dit Hochzeitszimmer. Und da

is oben an der Decke n riesiger Spiegel, ja? Ick kann Ihnen

sagen: Da konnte ick zukucken, wie mein Mann sich im Bette

rasiert hat.

Schön - über Thüringen kann man eigentlich nich' meckern -

bloß in unserm Hotel, da hatten se nich' mal Vorhänge anne

Fenster. Hab ick natürlich sofort reklamiert, aber die Wirtinmeinte janz locker: »Aber, meine Gudste, außer dem Thüringer

Wald guckt Ihnen doch niemand in die Fenster nein.«

Ick sage: »Dit is nich' die Frage, liebe Frau, bloß- mit wat sol-

len wir denn nun unsere Schuhe putzen?«

Hier, am Strand, neben mir liegt'n junges Ehepaar, die waren

voriges Jahr auch schon hier- auf der Hochzeitsreise. Diesmal

wollen sie aber mal baden gehn .•

\. \. 

7

Sketchpartner HelgaHahnemann und Alfred

Müller

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7 • eißer Sommer

Lothar Kusche

O

Nach einer halben Ewigkeit saßen wir endlich wieder einmal

in froher Runde beisammen. »Leute«, sagte ich fröhlich, »dasist schön, euch alle zu sehen. Nun laßt uns erst mal anstoßen «

Und das taten wir.

»Wie kommt es denn, dass du so braungebrannt bist?«

»Nun, mein Lieber, wenn man gerade um ganz Afrika herum

geschippert ist«, antwortete ich mit falscher Bescheidenheit,»dann ist es schon möglich, daß man einem das auch ansieht.

Ich habe als frischgebackener Diplom-Meteorologe eben

Schwein gehabt, als sie mich mit einem Forschungsschiff auf

Ich wurde König Ibn Saud vorge-

stellt Dann gingen Ibn Saud und

ich zur nächsten Imbißstube

so eine kleine Weltreise schickten.« Ich räuspertemich bedeutungsvoll und griff zu meinem Glas.

»Donnerwetter « rief Johannes. »Das ist ja Pilsner Ur

quell Wo hast du denn das aufgetrieben? Kannst mir

gleich mal was nachgießen - ehe Carl kommt. Hahaha «

»Ich habe einen Kasten Bier aus Rostock mitgebracht. Ich dach

te gleich, nachdem wir unsere Forschungsergebnisse angelan

det hatten - so nennen wir Seeleute das -, an eure trockenen

Kehlen, Meeresluft macht übrigens auch Durst, von der tropi

schen Hitze gar nicht zu reden. Apropos - ich habe da ein Dingerlebt Es war im Golf von Guinea, und unser Steuermann ...«

»Also was das Pilsner betrifft«, sagte Johannes, »so muß ich dirwirklich mein Kompliment machen.«

»Zu Pauls Geburtstag haben wir Radeberger Bier getrunken«,

bemerkte Artur, »das ist auch sehr gut. Es war nur zu warm.

Pauls Frau hat kein Gefühl dafür, wie man Bier auf den Tisch

bringt. Na ja, Bier ist eben etwas elementar Männliches.«

»Hört doch mal mit diesen Biergeschichten auf«, sagte Günter,

der nur Selterswasser trank, weil er mit dem Auto gekommenwar, »wir haben uns doch so lange nicht gesehen Was gibt's

denn Neues? Na?«

»Wenn es euch recht ist, erzähle ich ganz kurz mal das Ding

mit dem Steuermann. Also, wir lagen im Golf von Guinea, undda ... «

»Stimmt das wirklich«, fragte Günter, »daß sich der dicke Kie

sel von seiner Frau hat scheiden lassen, um eine Kugelstoßerin zu heiraten?«

»Ja und nein«, sagte Artur, »er hat sich scheiden lassen, abernicht, weil er eine Kugelstoßerin heiraten wollte. Vielmehr hat

seine teure Gemahlin einem Kugelstoßer schöne Augen ge-

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  eißer ommer

macht. Sie hat ihn inzwischen auch geheiratet. Anita hat mir

erzählt, es soll eine tolle Hochzeitsfeier gegeben haben; sie

war nämlich eingeladen, weil sie doch mit Kiesel zusammen zur

Schule gegangen ist. Die Fete ging bis früh um fünfe «

Johannes klatschte in die Hände und fragte: »Was gab s denn

Schönes zu verkasematuckeln und zu picheln?«»Na, das ist doch egal«, sagte Günter, »aber wißt ihr schon, daß

sich Willibald das Rauchen abgewöhnt hat und dabei derma

ßen eklig geworden ist wie eine giftige Qualle? Er sagt kein

freundliches Wort mehr, und neulich soll er seine Sekretärin so

angeschnauzt haben, daß sie kündi-

gen will. Was macht eigentlich der

liebe Zander-Junge?«»Keine Ahnung«, sagte ich, »wir

waren j länger als ein halbes Jahrvon Ozean zu Ozean unterwegs.

Unser Steuermann hatte übrigens••

eine mächtige Ahnlichkeit mit Zan-

der-Junge - falls der die Haare immer

noch so kurz trägt. Eines Tages, daswar im Golf von Guinea, verspürte

der Steuermann schrecklichen Durst.

Er war gerade in meiner Kabine, und

ich gab ihm eine Flasche Bier. In diesem Augenblick ahnte ich natürlich

nicht ... «

Johannes schlug vor, daß ich ihmauch noch eine Flasche Bier geben

sollte.

In diesem Augenblick klingelte es an

der Wohnungstür: Carl kam. Er ent-

schuldigte sich zunächst dafür, daß er überhaupt kam, und

dann dafür, daß er zu spät kam, und dann dafür, daß er etwasmißgelaunt sei, und dann dafür, daß er uns unbedingt sofort

einen kurzen Bericht über die Gründe seiner Mißlaunigkeit

geben müsse.

Der Bericht geriet nicht gar so sehr kurz. Es handelte sich um

Rachenmandeln, die Carl als angehender Internist tonsillae

nannte und nicht in jedem Fall irgendwelcher inneren Krank

heiten herauszuschneiden wünschte (Carl sprach von ektomie

ren) - im Gegensatz zu seinem Professor. Es kam in dem Be

richt auch irgendeine amerikanische Schule vor, undwirwaren

alle außerordentlich gefesselt, weil niemand von uns an inneren Krankheiten litt und weilwir absolut nichts davon verstan-

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7 eißer Sommer

den. Zum Schluß sagte Carl: »Entschuldigt bitte, daß ich euch

das so ausführlich erzählt habe; aber ihr werdet sicher zuge-

ben, daß mein Professor ein alter 'lrottel ist «

Er wollte sich, da wir nicht sofort antworteten, offenbar schon

dafür entschuldigen, daß er uns aufgefordert hatte, seinen Pro-

fessor für einen alten Trottel zu halten, aber da sagten wir„

schnell: »Klar, Recht haste. Was will

der Olle denn auch mit den ganzen

Tonsillen? Der sollte erst mal auf die

amerikanische Schule gehen, ehe erhier wie ein Wtlder um sich herum ek-

tomiert. «

Dann hatten wir eine kleine Ver-

schnaufpause nötig, die ich

listig dazu benutzte, folgende kleineErzählung zu beginnen: »In Madagas

kar hättet ihr dabei sein müssen.

Diese Nelkeninsel ist ein herrliches

Stück Erde. Wrr lagen zwei Tage imHafen von Andevorante vor Anker.

Das Wetter war herrlich, eine leichte

Brise erfrischte uns, und ...«

»Jetzt wird das Bier langsam warm«,

sagte Johannes, »hast du keinen Kühl-schrank?«

»Wenn du deine Gattin länger frisch

halten willst«, scherzte Günter unver

mittelt, »dann leg sie des Nachts auf

den Frigidaire. Was macht übrigens

>>Heute sind se alle wie- dein Annemäuschen, Carl? Studiert die immer noch angewand-der auf n Beinen << te Reklame?«

»Ach die « seufzte Carl und fügte hinzu: »Entschuldigt bitte,

wenn ich das so grob sage Aber es ist wirklich wahr. Die hatmich so ... na, mehr möchte ich wirklich nicht sagen. Entschul

digt bitte, daß ich nicht mehr sagen möchte. Hast du Kognakim Hause?«

»Jawohl, mein Lieber Ich habe sogar einen echten Cognac Na-

poleon aus Marseille mitgebracht.«

»Wie ist es denn so in Marseille? Erzähl doch mal « bat Artur.

»Mach lieber erst mal die Pulle auf«, sagte Johannes. »Mar-

seille läuft uns ja nicht weg.«

Carl trank einen ziemlich großen Cognac Napoleon und mein-te: »Der Schnaps ist gut « Daraufhin wurde er von Johannes zur

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Heißer Somm r

Rechenschaft gezogen, welcher die Ansicht vertrat, nur ein Ba

nause oder ein Internist könne ein so edles Getränk alsSchnaps bezeichnen. Während Carl sich dafür entschuldigte,

daß er so viel trank, klopfte Artur mir auf die Schulter undsagte: »Mensch, Alter - was ist denn heute bloß mit dir los?

Wenn du über Marseille schweigen willst, wirst du ja deineGründe haben. Aber auf so einer langen Reise wirst du doch

irgendwas erlebt haben Tu doch mal den Mund auf «

»Ja, das will ich«, rief ich, »als wir vor Djidda im Roten Meer

auf der Reede lagen, tuckerte ich mit einer Barkasse an Land,

und wißt ihr wen ich da kennengelernt habe?«

»Entschuldigt bitte, aber ich muß mal«, sagte Johannes.

Carl ging mit.

Ich wartete, bis sie zurückkamen, und dann fuhr ich fort: »Ich

wurde König Ibn Saud vorgestellt, der den Hafen besuchte,nachdem er zuvor in Mekka gewesen war. Und das kam ganz

plötzlich; ich spazierte über die Mole und ... «»Ganz plötzlich « schluchzte Carl. »Genau wie bei meinem An

nemäuschen. Entschuldigt, wenn ich euch mit solchen trauri

gen Geschichten belästige, aber ... «»Aber nein doch«, rief Günter, »erzählen Immer erzählen «

Und Carl erzählte von seinem Annemäuschen und einem bösen

Konsum-Dekorateur, der sie in sich vernarrt gemacht hatte und

so weiter.Zwischendurch benutzte ich die kleinen Pausen, welche Carlbeim Trinken machen mußte, um attraktive Bruchstücke mei

ner Geschichte wie Köder in den Raum zu schleudern: »Da

klopfte mir der Herrscher Saudi-Arabiens auf die Schulter und

sagte ... « Oder: »Da antwortete ich ihm: Mann, Ibn, das kön

nen Sie doch nicht machen ... « Oder: »Dann gingen Ibn Saud

und ich zur nächsten Imbißstube, um uns rasch ein Paar Würst

chen ... «Und so weiter. Aber das alles nützte nichts.

Als sie endlich die Treppe hinuntergingen, hörte ich Artursagen: »Da heißt es immer: Wenn einer eine Reise tut, dann

kann er was erzählen. Hat er denn von seiner Afrikafahrt nichts

mit nach Hause gebracht? Früher konnte er doch ganz lustige

Geschichten erzählen. Und heute? Entweder er fing ganz kon

fuse Sachen an wie dieses Ding mit dem Steuermann, oder er

saß stumm wie ein Fisch herum ... «

»Jedem bekommt eben das Tropenklima nicht«, brummte Jo

hannes.

Und Carl entschuldigte sich noch in der Haustür dafür, daß ergar nicht wußte, wovon sie überhaupt sprachen.

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• •

Zwei Ostseeflundern unterhalten sich. Sagt die einezur anderen: »Ein Glück, daß wir so platt sind. Die

Bäuche der Urlauber hängen von Jahr zu ahr tie-fer {<

= •

Helfen ie mit den ständig steigenden Bedarfan Getränken zu sichern1

n n-

 ....ommer

3 .Jun i 13.S t J)tcn1b,•r 1985

,

.•

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  eißerSommer

Heli usse

ISSOH W ~Gegen neun Uhr morgens setzte ich Nanilein und Rolfi auf den

Hochstand an der Gartenecke von wo aus man den Feldwegvom Dorf her überblicken konnte und ich schärfte ihnen ein

wie am Spieß loszuschreien falls sie wen herankommen sähen.

Nun sollte ich vielleicht erst einmal kurz erwähnen daß da-

mals als die ganze Sippe von meinem Mann beisammensaß -

und das waren mit Angeheirateten und Kindern um die 20 Per

sonen - daß also damals mein Mann zu seinem Bruder Alfredsagte er als Vogelfreund sei doch genau der richtige Mann das

Grundstück und die Laube von der Oma zu übernehmen. Alfred

wollte damit jedoch nichts zu tun haben mit diesem morschenBrennholz in einer Löwenzahnplantage wo man erst eine halbe

Stunde von der Bushaltestelle durch die Wüste laufen und dann

noch mal eine halbe Stunde pumpen müsse um eine Tasse brau

nes Gift trinken zu können. Alle anderen nickten beifälligzu die-

ser Rede. Hierauf sagte mein Mann nun gut dann übernehme

er eben das Grundstück und auch die Notwendigkeit sich für

sie alle zu schämen die das Andenken der Oma in den Dreck

genau des Gartens treten aus dem sie die eingeweckten Kir

schen gegessen hätten.Nachdem wir auf dem Grundstück drei Jahre lang anjedem Wo-

chenende und in jedem Urlaub wie die Wühlmäuse geackert

und zwischendurch sogar noch zwei Kinder bekommen hatten

sagte mein Mann eines Tages: »Eigentlich müßte man die Ban-diten ja doch einmal einladen ... «

Aber wir brauchten sie gar nicht einzuladen. Als alles fertig

war kamen sie von selber. Sie setzten sich an den Tisch vor der

Laube und ließen sich bedienen und sagten ja das sei die wahre

Erholung wenn man so ein Grundstück habe wie wir. Und wäh-rend sie unseren Kaffee und selbstgemachten Wein tranken undmeinen Obstkuchen und überhaupt alles wegaßen gaben sie

uns gute Ratschläge wie man sich noch besser erholen könne.

Wenn sie gegangen waren saßen wir im Chaos und pumpten

und pumpten um das ganze Geschirr abwaschen zu können.

So ging das an jedem Wochenende. Eines Abends als sie alle

weg waren sagte ich zu meinem Mann: »Dein Bruder Alfred und

seine Sippe sind die Allerschlimmsten. Sie sind sechs aber sie

fressen und saufen wie eine siebenköpfige Raupe. Und dannhaben sie auch noch den Korb Erdbeeren mitgenommen den wir

eigentlich für den Winter einfrieren wollten.« Mein Mann

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8 eißer Sommer

knirschte mit den Zähnen. Nach einer Weile sagte er, er habe

mal einen Film gesehen, wo sich ein Mensch in seinem Block

haus verschanzt und mit einer alten Flinte einen Haufen Räu

ber vom Leibe gehalten habe. Ich sagte, vielleicht genüge es,

wenn wir so etwas hätten wie ein Frühwarnsystem, um uns

rechtzeitig verstecken zu können, wenn die Räuber kämen.m anderen Tag baute mein Mann den Hochstand an der Gar-

tenecke. Ich hatte Nanilein und Rolfi gerade hinaufgeDa stürzte der Küchenschrank um, setzt, da schrien sie schon los. »Wie viele sind es?« frag-

und mein Mann fiel in die Küche te ich, denn ich hatte Nanilein beigebracht, bis sechs zu

wie ein Engel vom Himmel. zählen. Mehr war nicht nötig, weil sechs das Höchste

war, was in der Sippe vorkam. Nanilein zählte: »Eins, swei, dei,

fünf, sieben, neun.« Also sechs Die Alfred-Familie. Mit den Kin

dern stürzte ich nach hinten und schrie: »Alarm Sie kommen

Alles in die Laube, alles abschließen, die Fensterläden zu «Mein Mann stand auf der Laube, um das Dach zu reparieren,

wo es durchgeregnet hatte. Er fing an zu schreien und sprang

in seinen Gummistiefeln wie ein wildgewordener Gnom auf dem

Dach herum. Da knirschte es plötzlich unter ihm, und er wurde

immer kleiner und kleiner, bis ich bloß noch seinen Kopf sehen

konnte, der wie eine riesige Tomate auf dem Dach herumzulie

gen schien. »Komm sofort runter « flehte ich ihn an.

»Sag mir, wie?« schrie er. »Ich bin voll durch den ganzen mor

schen Dreck durch und steh im Küchenschrank, glaub ich.«Er steckte so fest, daß er noch nicht einmal den Kopf einziehen

konnte. Ich also rasch aufs Dach und ihm einen Eimer über den

Kopf gestülpt. Als ich alles abgeschlossen und die Fensterläden

zugemacht hatte, standen sie schon vor der Gartentür. Es waren

sogar sieben. »Wer ist es?« dröhnte mein Mann von oben in dem

Eimer. Ich unterrichtete ihn, daß es die Bande von seinem Bru

der Alfred sei sowie ein fremder Bengel. Ich sah, wie Alfred am

Gartentor rüttelte, und als es nicht aufging, warf er sich dage

gen, daß gleich noch zehn Meter Zaun mit umfielen. »Alles ein

Schrott hier « hörte ich ihn sagen, und dann kamen sie herein.

Der fremde Bengel blieb vor dem Kirschbaum stehen und wetz

te die Krallen, um hinaufzusteigen, aber Alfred hielt ihn zurück.

»Erst mal auskundschaften, ob wirklich keiner von den Geizhäl

sen da ist « sagte er. »Die bemachen sich wegen jedem Kirsch

kern, als wär's pures Gold «

Ich vernahm Alfreds Frau: »Merkwürdig Die sind doch sonst

immer da Werners Frau hätte uns wenigstens Kaffee und Ku

chen rausstellen können « Und Alfred: »Werners Frau Mit der

hat sich mein Bruder was eingehandelt Wenn's nach dieser gei

zigen Ziege ginge, müßten wir noch unser Essen mitbringen «

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  eißer Sommer •

Da schlich ich in die Küche, um das lange Fleischmesser zu

holen, aber es knirschte im Schloß der Tür. Jemand drückte die

Klinke herunter. Ich schoß zurück ins Zimmer. Durchs Schlüs-

selloch konnte ich nur den alten Küchenschrank sehen. Nun

kam Fanni in mein Blickfeld. Ich sah sie auf den Küchenschrank

zugehen und die Türen aufmachen und ... der Schrei ja wie sollich sagen? Jedenfalls ging er mir viel mehr durch und durch als

das Allerdurchunddurchgehendste was ich je

in meinem Leben gehört hatte. Nach dem

Schrei fiel Fanni llm, und aus dem Schrank

klapperten ein Haufen Scherben auf sie her-

unter. Jetzt konnte ich in dem Schrank zwei

nackte Beine in G11mmistiefeln sehen eins mrechten eins m linken Schrankteil und in

der Mitte hingen Fetzen von einer Hose. Dieanderen kamen hereingestürzt und von oben

dröhnte aus dem Eimer die Stimme meinesMannes: »Was ist los da unten verdammt?«

Nun sah ich Alfred mit seinen Pranken nachden Beinen m Schrank greifen und da stürz-

te ich hinaus und auf ihn.

»Ah, sieh an « schrie Alfred. »Wen haben wir

denn da?«

»Na, wen denn wohl?<< agte ich höhnisch. »Dahaben wir die geizige Ziege Und dort haben

w r Nanilein Und unter dem Sofa haben wir Rolfilein Und mSchrank hier haben wir die Beinilein von meinem Männilein du

siebenköpfige Raupe «

Da zog sich Alfred hinter seine Frau und mit i r zusammen

langsam rückwärts zur Tür zurück und die Frau fragte mich,

ob wir uns nicht in Grund und Boden schämten und ich antwor-

tete weder in Grund noch in Boden, sondern überhaupt nicht

oder ich wollte das jedenfalls antworten aber da stürzte der Kü-chenschrank um, und mein Mann fiel in die Küche wie ein Engel

vom Himmel. Draußen redeten sie wie wild durcheinander daß

man nichts verstehen konnte aber plötzlich schrie Nanilein:»Sie gehn sie gehn «

Da kam Rolf unter dem Sofa hervor, und dann tanzten die Kin-

der in der Stube herum und lachten und sangen: »Sie gehn sie

gehn, sie gehen ...«

Mein Mann und ich standen dabei und lächelten und mein Mann

sagte: »Ach ja es ist schon schön zu sehen wie Kinder sich nochso richtig unbeschwert freuen können. Da weiß man doch, wofür

man gelitten und sich abgerackert hat «

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8•

eißer Sommer

John Stave

Die meisten Menschen machen den Fehler daß sie den Urlaub

nicht richtig ausnutzen. Ehe sie sich dreimal umgesehen habenist die schöne Ferienzeit vorbei und dann dampfen sie schon

wieder nach Hause und begeben sich mürrisch an ihre eigent

liche Arbeit.

Das dauert mindestens vierzehn Tage, drei Wochen, bis sie sich

da eingelebt haben - so lange leidet sogar die Familie darun

ter. Und alles nur, weil diese unglücklichen Menschen sich dem

Urlaub einfach hingeben sich ihm in die Arme werfen. Da kom-

men sie an im Ferienort fragen gleich nach dem Bett und hauen

sich erst mal ein Stündchen hin. Meist werden darin sowiesodrei Stunden draus und so bricht schon die Zeit des Abendbro-

tes an.

Ja jetzt geht es natürlich los: Der schöne Tag ist schon zuEnde und man hat noch gar nichts richtig davon gehabt.Dann gehn sie gleich verzweifelt ins Bett und morgens

Schon feiert die Langeweile

Triumphe und ein endloses

Gähnen hebt an.schlafen sie bis in die Puppen. Dabei sagt der Dichter ganz

deutlich: Spare in der Zeit - nein so war es: Nütze die Zeit

denn sie ist bald dahinEs ist alles eine Frage der Einteilung. Am Urlaubsort ange

kommen muß zunächst einmal die Sache geklärt werden ob

eine Morgengymnastik organisiert ist. Jawohl sagt der Emp-

fangschef oder wie der Kollege sich da nennt zwei Stück: eine

um sieben eine sogar um fünf. Gut, sagt man belege ich die

um fünf. Das hat seinen bestimmten Grund - weil nämlich die

Sonne vielleicht um halb vier aufgeht - das ist immer ein sehr

sehr schöner Anblick - und man einen erhöhten Vorsprung

suchen muß damit man die ganze Pracht richtig genießen

kann. Wenn dieser Naturvorgang überstanden ist schlendert

man langsam zum Gymnastikort hinunter. Das dauert ewig,

bis die anderen Erholungsuchenden sich eingefunden haben

und dann geht es auch schon los: Eins zwei, eins zwei und soweiter und so fort.

Meist findet j diese Gymnastik am Strande statt besonders

wenn sich der Urlaub an der See abspielt. Wann gibt es eigent

lich Frühstück Herr Heimleiter? Um halb acht erst? Und dabei

knurrt der Magen schon wie eine geheime Treppenstufe. Jetztkann man Sandburgen bauen zwei oder drei Stück. Und die Zeit

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  eißerSommer

vergeht und vergeht nicht. Um sieben nimmt man noch die

zweite Schicht Gymnastik mit und setzt sich um viertel acht

an den Frühstückstisch. Also, bis dann der Kaffee kommt, dasdauert eine Ewigkeit

Ich will nun nicht meine Tricks vollständig verraten, aber man

kann den eigenen Urlaub ganz schön in die Länge ziehen. ZumBeispiel, die Angelegenheit mit dem langweiligen Buch. Jetzt

sollen keine Namen genannt werden, weil es sich um keinen

kulturellen Beitrag handelt. Aber so ein langweiliges Buch,

das zögert die Zeit mächtig hinaus. Dauernd muß man gähnen

und auf die Uhr schielen, ob noch nicht bald Mittag ist. Oder

ein langweiliger Film im Zeltkino, bei dem man zu Hause schon

beinahe eingeschlafen wäre, wenn nicht auf dem Nebenplatz

einer so laut geschnarcht hätte.

Junge, so ein Film nimmt gar keinEnde, und wenn man dann endlich

herauskommt, sind immer noch erst

anderthalb Stunden vorbei. Nach dem

Abendbrot - vorher kann man auchnoch Dame oder Zwackmühle, diese

langweiligen Geduldsspiele, spielen -

geht man in einen Lichtbildvortrag

»Die See hat selbst im Wmter schö

ne Seiten« oder »Trachten an der Waterkante« oder »Das Gegenschwung

pendel und seine Anwendung«), der,

obwohl mitunter in Farbe, ganz schön

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Geduld von den Leidtragenden erfordert. Und dann hinterher

wird Canasta gespielt oder Romme, was sich noch besser eig

net. Schon feiert die Langeweile Triumphe, und ein endloses

Gähnen hebt an. Morgen früh ist um drei die Nacht vorbei, sagt

man dann gegen halb eins, und man grault sich richtig vor dem

nächsten langen Tag, weil man schon gar nicht mehr weiß, wieman den wieder totschlagen soll.

Zu Hause kann man dann am ersten Arbeitstag richtig aus

schlafen, bis halb sieben, kommt frohgestimmt zur Arbeit, und

wenn die Kollegen fragen, wie es war, sagt man: Ach, es war

stinklangweilig. Die Zeit wollte und wollte nicht vergehen. Mir

ist schon so zumute, als wär ich ein ganzes halbes Jahr weg-

gewesen.

Das nenne ich »Was vom Urlaub haben«.

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. .. - . .„ . :-_. . .. . . . •· . .

Honeckers Scliutzen- ·• ·gel bi.ttet i ~ Hil11mel.um Urlaub, er ,sei . · ·

: total e r s c h ö p f t . 

· . .· »\1{ieso, dnhastnur· „

einen 'Menschen zu .. . . . . . . .

. chützen, so wie .. • .j e d e r p d ~ r e Schutz:_ .engeI a u c h ~ < , .sagt· ·

. Petm.s.. » G e ' 1 i ß < ~ , • · .·röchelt der Engel .... ~ : ·

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· »aber nicht vor . ···•• . ·

· i i l l i o i l e n M e 1 l ~ · · .··

sehen «·

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: i . . . .· . • •· . > : . . ·•·. ~ · .

Heißer Sommer

Matthias Biskupek

Der Schriftstellerverband der DDR empfing den SchriftstellerEmest

Hemingway USA) zu beiderseitigen Gesprächen. Es gab intensiverbeitskontakte in verschiedenen Städten.

Glauben Sie nicht, daß es kein nettes Land ist. Ich kam da so

rein und in dem Flughafenrestaurant gab's eine Bar und an derBar gab's was, das hatte einen Namen. »Heh«, sagte ich, und dann

trank ich noch zehn dieser Dinger, die hier wirklich nett sind, und

irgendeiner mit weißer Jacke schrieb das auf. Hier wird immer

alles aufgeschrieben. Ich traf dann meinen alten Freund Brecht,

der machte eine Theorie in seine Schreibmaschine rein. Aber eswar gar nicht Brecht, der sah nur so aus. Hier sehen alle immer

nur so aus, und die Theorien sehen aus wie Schreibmaschinen.Bin dann gefahren, in sonem Spielzeug-Pullman-Wagen von die

ser Demokratischen Reichsbahn. Draußen lag sie da, die Elbe,

richtiger Fluß. Wasser. Vielleicht hieß sie auch Gisela, sie war

tief und ich hatte sie einfach gern. Irgendwann war ich noch in

Schwerin. Da heißen diese ganzen deutschen Dichter Poeten.

Hat ich was getrunken und laut gesagt »Mann oder so«. Das

haben sich die Poeten aufgeschrieben, weil ich das Vortrag nann

te. Sie haben es sich untereinander aufgeschrieben. Das heißt

hier Gedicht. Hier ist immer alles untereinander und von oben

nach unten oder umgekehrt. Und das heißt demokratischer Zen

tralismus. Das hab ich mjr aufgeschrieben. Nett. Später war ich

in einem netten deutschen Dorf. Berlin oder Feldberg oder so.

Sie haben da eine Semper-Oper mit Sekt und einen Goethe-Na

tionalpark. Dort haben wir angefangen mit Bier und haben über

die Staaten geredet. Alle haben über die Staaten geredet. Aber

sie waren noch nie dort. Keine Lust oder so. Ich hab denen ge

sagt, daß die Staaten gräßlich langweilig sind. Und alle habenbegeistert genickt. »Mann«, hab ich gesagt, und da haben sie mir

eine Rede gehalten. Waren lauter schreibende Frauen. Und ichhab noch mal »Mann« gesagt. Gut, da hab ich eine Auswertung

vorgesetzt gekriegt. Oder hieß das »Auslese«? Und ich hab ge

sagt, nachdem ich zehn solche Dinger getrunken hatte, daß ich

in sonem netten Land auch mal Präsident oder Lyriker seinmöchte. In keinem andern Land ist es so nett. Irgendwie hat das

nicht geklappt, mit dem Präsidenten oder dem Lyriker. Aber es

soll niemand sagen, daß es kein nettes Land ist. Hier sagenimmer alle, daß es kein nettes Land ist.

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8 • Höher, schneller weiter

Ernst Röhl

Ach, du Heimatland Auch die allerletzte Ampel der vielge

rühmten Grünen Welle schaltete, als sich Pinneberg mit seinemaltersschwachen Trabant näherte, hastig auf Rot. »GrüneWelle«, murmelte er, »daß ich nicht lache.« Er dachte aber nichtim Traum daran, sich die kostbare Vorfreude trüben zu lassen.Er beschloß, die Rotschaltung nicht als Störung und Ärgernisaufzufassen, sondern als Fingerzeig des Schicksals. Rennfarbe Rot - der heiße Tip des Tages. Schlau nahm er sich vor, aufJockeis mit roten Jerseys besonders zu achten.Die Ampel schaltete von Rot über Gelb auf Grün. Pinneberg er

starrte, von einer Erleuchtung blitzlichtartig getroffen: RotGelb-Grün Rot - Sieger, Gelb - Zweiter, Grün - Dritter - derGroße Einlauf Doch ... in welchem der zehn Rennen?Der vollbärtige Fahrer des LADA hinter ihm riß ihn mit einermißtönenden Hupe aus dem süßen Traum vom großen Geld.

Pinneberg legte den Gang ein, sein Auto hoppelte über die••

Kreuzung; während des Uberholvorgangs stierte derLADA-Affe geringschätzig zu ihm herüber undklatschte sich nach Schimpansenart mit der flachen

Feierlich tätigte Pinneberg die

letzte die unwiderruflich letzte

Wette seines Lebens. Hand ausdrucksvoll vor die Stirn. Du mich auch, dach

te Pinneberg und prägte sich eiskalt die drei Ziffern des LADA

Kennzeichens ein: 2, 9, 1. Ein entgegenkommender Wartburghatte die Ziffern 7, 4, 6, sein eigenes Fahrzeug die 5, die 3 unddie 8, so daß er glücklich alle Zahlen von 1 bis 9 beisammenhatte. Ihm dämmerte, daß es für Pferderennen bessere Vorzei

chen geben könnte als ausgerechnet Autonummern.Auf dem Weg zur Rennbahn bemerkte er insgesamt nur 4 Rad

fahrer, für die Jahreszeit bemerkenswert wenige. Auf dem be

nachbarten Parkplatz händigte ihm der Wächter eine Parkquit

tung mit der Nummer 044244 aus, viermal die 4 Das Portalder Rennbahn hat 9 numerierte Eingänge. Pinneberg wählteEingang 4.

Endlich wieder auf der Bahn. Wie lang doch eine kurze Woche

sein kann Dankbar und gerührt ließ er den Blick wandernüber die hochaufragenden Tribünengebäude, die Kassenhäuschen des Totalisators, die schattigen Linden. Hier war Natur,hier war das Leben. Und Gastfreundschaft Oft genug hatte erKinos, ja selbst Theater ausverkauft vorgefunden, für ihn und

sein Trudchen war angeblich kein Platz mehr gewesen. DieRennbahn dagegen hatte Platz für jedermann, für manchen

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Höher, schneller weiter

sogar Sieg, und an der Eintrittskasse verlangten sie nicht mal

den Kultursechser.

Pinneberg kaufte sich am Kiosk für S Pfennig den »Rennku

rier«, eine Zeitung die, wesentlich teurer als beispielsweise

das »Neue Deutschland« weder Leitartikel noch Wetterbericht

brachte dafür aber auf engstem Raum komprimiert FaktenDaten Namen, Quoten Plazierungen. Pinneberg baute sich an

der Hecke des Fuhrrings auf und musterte fachmännisch das

Feld des ersten Rennens. Seine Knubbelnase juckte erfolgver

sprechend. Ob das einen guten Riecher für Künftiges bedeute

te? Ein paar hundert Eier waren ihm, ehrlich gesagt hochwillkommen. Hoho, Trudchen würde nicht schlecht staunen wenn

er den Farbfemseher schon ein halbes

Jahr früher anschleppte und mit ihrer

Hetze gegen den edlen Vollblutrennsportwäre endgültig Sense.

Nummer 4, ein Schimmelwallach na

mens Othello sagte ihm zu. Wegen der

Startnummer und wegen seiner breiten

Hufe. Die Rennleitung hatte in einer

Lautsprecherdurchsage das Geläuf als

weich bezeichnet nach der Faustregel»Harter Boden - kleine Hufe, weicher

Boden - große Hufe « mußte Othelloaussichtsreich sein.

»Total offenes Rennen « - »Absolut « \

Bekannte Stimmen hinter ihm. MitHandschlag begrüßte er das Wetterkol

lektiv Lüth-Pistorius. Jeder der beidentrug schwer an einer dicken Aktenmap-

pe mit Rennunterlagen. Lüths Tasche enthielt lückenlos alle

Rennergebnisse aller Starter. Pistorius war Abstammungs

experte; in seiner Mappe befanden sich die Ahnentafeln vollständig bis ins achte neunte Glied, wobei ausdrücklich die

Spezialitäten der Ahnen hervorgehoben waren - Vorliebe

für/Abneigung gegen harten oder weichen Boden lange oder

kurze Distanzen Gegen- oder Rückenwind. Lüth und Pisto

rius plazierten ihre Gemeinschaftswetten strikt auf wissen

schaftlicher Grundlage und erlitten infolgedessen regelmäßig

katastrophale finanzielle Verluste.»Viel Glück, Pinne « sagte Lüth.

»Heute bin ich wieder im Fahrstuhl steckengeblieben« triumphierte Pinneberg. »Immer wenn mir das passiert hab ichunheimlich Schwein.«

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  Höher schneller weiter

»Ach, gib uns doch mal 'n Tip « bettelte Pistorius, und es klang

ziemlich ironisch.»Othello«, flüsterte Pinneberg.

Die beiden lächelten müde, womit sie Pinnebergs Vertrauen indie Nummer 4 schwer erschütterten. Schließlich hatte er sein

gutes Geld nicht auf der Straße gefunden. Othellos Jockei hatteweder ein rotes Hemd noch überhaupt einen roten Faden am

Leibe. Pinneberg steckte keinen Pfennig ins erste Rennen. Er

wartete erst einmal ab. Dabei hätte er einen großen Schlag

landen können; Nummer 4, Othello, gewann, und wer am Aus

zahlschalter ein 10-Mark-Siegticket vorlegte, bekam anstands

los 120 Mark retour. Zu d11mm, dachte Pinneberg. Das war fast

die Summe, die er zu Hause eingesteckt hatte, er hätte sie auf

Anhieb verdoppeln können. Allerdings - Geldgier war es zual

lerletzt, die ihn auf die Rennbahn lockte; Tierliebe war ebensoim Spiel, Begeisterung für einen rassigen Sport ... Lüth und Pi

storius tauchten in der Menge auf, und Pinneberg präsentier

te ihnen das Lächeln des Siegers.

Das Leben ist Kampf dachte

Pinneberg aber ich hab mein

Heu rein.

»Pinne, gib uns noch 'n Tip « Diesmal klang Pistorius

überhaupt nicht ironisch.»Wer den Sieger kennt«, orakelte Pinneberg, »der weiß

genau, wer gewinnt «

Im zweiten Rennen über 1400-Meter-Fliegerdistanz trug die

hochbeinige Stute Marilyn die Nummer 4. »Lange Strecke -kurze Beine, kurze Strecke - lange Beine «Nach dieser guten,

alten Regel war für Pinneberg alles klar. Die Regel bestätigte

sich prompt mit dem Sieg des langbeinigen Hengstes Gams

bock, Nummer 2. Die 9 und die 1 kamen dahinter ein, wodurch

sich nicht nur die Verheißung des LADA-Kennzeicheris erfüll

te, nein, die drei erstplazierten Reiter trugen in der richtigen

Reihenfolge auch die Farben, die ihm die ominöse letzte Ampel

signalisiert hatte: Rot, Gelb, Grün. Dreißig Mark Einsatz über

den Jordan Hier ist noch keiner reich geworden, dachte Pinneberg, höchstens der Toto Wer zwingt mich eigentlich, immer

und immer wieder hierherzulatschen? Tierliebe wäre entschie

den billiger zu haben.

Er betrat die Bedürfnisanstalt und entwickelte in der Abge

schiedenheit des Ortes unter anderem seinen Plan für das drit

te Rennen, den er jedoch sofort fallenließ, als er auf dem Weg

zum Totoschalter eine wertvolle Information aufschnappte: Jok

kei Pritzel, N11mmer 6, hatte Geburtstag Pinneberg baute auf

die Kollegialität seiner Reiterkollegen und hatte auf Sand gebaut. Nummer 6 endete unter ferner liefen Das hab ich ver-

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Höher schneller w it r

dient, dachte Pinneberg, wer sich in Gefahr begibt, kommt

darin um. Tierliebe; daß ich nicht lache, ein waschechtes La-

ster ist das, Trudchen hat ganz recht, ein als Tierliebe getarn-

tes Laster Kopfschmerzen stellten sich ein, die Herzstiche

waren wieder da. Wieder Valocordin? Wieder Rudotel? Ob die

Glücksgöttin ihn vielleicht nur links liegenließ, weil er verges-sen hatte, der Klofrau seinen Groschen zu geben? Obwohl er

gar nicht mußte, rannte er in die Toilette, t t anstandshalber

so als ob, warf der Klofrau, die möglicherweise, wer konnte das

schon genau wissen, mit Fortuna identisch war, ein Fünfzig-

pfennigstück scheppernd auf die Untertasse und setzte im

4. e n ~ e n fünfzig Mark auf die Nummer 4, die dann, wie von

der Fachpresse vorhergesagt, tatsächlich Vierter wurde.Wenn ich doch bloß vorher getankt hätte, dachte Pjnneberg, der

nur noch einen kläglichen Zehnmarkschein hatte. Aber bis nachHause würde der Kraftstoff allemal reichen. Pinneberg mußte

j sowieso langsam und vernünftig fahren: Kopf und Herzschmerzten unerträglich, die Hände wurden vom Tremor ge-

schüttelt. Und doch erfaßte ihn wütender Trotz. Ich will, sagte

sich Pjnneberg, dem Schicksal in den Rachen greifen. Auf die

zehn Piepen kommt es nun wirklich nicht mehr an. Wie ein

Spion schlich er über den Rennplatz und spitzte die Ohren. Als

heißester Favorit wurde Nummer 11 gehandelt. Also in Gottes

Namen Nummer 11, Hauptsache gewinnen, und wenn die Quotenoch so schäbig ist. Feierlich tätigte Pinneberg die letzte, die

unwiderruflich letzte Wette seines Lebens.

Als das Rennen angeläutet wurde, stellte er bei einem Blick

auf sein Ticket erschrocken fest, daß er statt der 11 aus alter

Gewohnheit die verfluchte Nummer 4 angesagt hatte, einen

hoffnungslosen Außenseiter, eine Bulette auf drei Beinen, einen

Maulesel incognito, ein Salamipferd ... , welches Pinneberg

allerdings den Gefallen t t zu siegen. In diesem Augenblick

begann es zu regnen, doch für Pinneberg ging die Sonne auf.»Nummer 4«, brüllte er, »hab ich « Lüth und Pistorius sahen i mneiderfüllt entgegen. Stolz hielt er ihnen sein Superticket unter

die Nasen:»Prima«, sagte Lüth, »du hast mal wieder dein Heu rein «

Das Leben ist Kampf, dachte Pinneberg, aber ich hab mein Heurein. Vom Erfolg berauscht, verließ er die Rennbahn, und es

fehlten ihm tatsächlich nur lumpige vierzig Mark an derSumme, die er mitgebracht hatte. Soviel, dachte er, ist mir das

Vergnügen wert. Soviel allemal. Und nächste Woche läuft's viel-leicht noch besser.

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• •

- -

Frau Schulze nimmt am ·Rennsteiglauf teil und z u,, Trend :Lt : : Jdance 8 o d d ~ z b i g , mit reoL

dem Mannt der neöen ihr läuft: '>>Na Sie chwitzen ja .auch ganz schön.« , · . . ' · · · „ .

. })Ich schwitze nicht, ich tFanspiriere • .ie ull i «·

ng u w• .

1>Na schön. Wir haben all'e·unsere kleinen Laster. b e r· sc}lwitzen tun Sie dal>ei ~ 9 J i d e ~ ganz schön.« . · · · _ ..

- . . .

-_ -

  -   . . c

meinte der 24jahrige. gestand aberim gleichen Atemzug, daß er alsein pupulärer ·(ties: weltbekannterLäufer auch die Chance hat dersozialen Not zu entr innen. • Dieses

- . , =

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Hansjoachim Riegenring

Es wäre ungerecht, von meinem Freund Karl-Heinz zu behaup-

ten, daß er sich dicketut.Er ist es.

Sein Körper, sagt er, speichert die Kalorien wie ein Kondensa

tor die Elektronen. Er ist ganz groß in der Mikroelektronik.

Computer.

Für den Privatgebrauch hat er einen Taschenrechner gebastelt,

der auf Knopfdruck die genaue Uhrzeit aller Hauptstädte derWelt anzeigt und dazu die jeweilige Nationalhymne spielt. Au

ßerdem kann man jederzeit den Spielstand der Fußballoberliga

abrufen und die Weltbestleistungen in 78 Sportarten.»Du solltest selbst mal ein bißchen Sport treiben«, empfahl ich.

»Gern«, sagte er. »Hürdenlauf zum Beispiel. Wenn mich ein Ga-

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belstapler über die Hürden hebt.« 5h · ht · t k ·

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· ht wie s asse. e r nur ew1c .u sc e snc er.

»Seit ein paar Tagen macht er jeden Morgen zehn Liegestütze

und zehn Kniebeugen«, verriet mir seine Frau vorige Woche

strahlend.»Hätte ich ihm nie zugetraut«, rief ich begeistert, »wie bringt er

denn das fertig?«

»Er hat sich hydraulische Hebeanlagen gebaut«, sagte sie, »eine

für die Liegestütze und eine für die Kniebeugen.«

»Jetzt überlegen wir mal ernsthaft«, sagte ich zu Karl-Heinz,

»welche Sportarten für dich in Frage kommen.«»Wie wär s mit Schwergewicht?«schlug er vor.

»Schwergewicht ist keine Sportart«, erklärte ich ihm »sondern

eine Gewichtsklasse. Bei dirnur Gewicht. Aber wie wäre es zumBeispiel mit Billard?«

»Kann man dabei sitzen?«

»Nein « So einen unsportlichen Menschen konnte es j gar

nicht geben. »Man muß um den Tisch herumgehen, muß sich

bücken, den Ball anvisieren, den Wmkel berechnen, stoßen ... «

»Wmkel berechnen ist gut«, sagte er. »Mach ich. Was schlägst

du noch vor?«

»Skilaufen wäre das Richtige für dich. Dein Erscheinen würde

sicher Lawinenalarm auslösen, aber das macht j nichts. Slalomsolltest du laufen. Das kräftigt die Beinmuskeln und macht die

Hüften beweglich.«

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92 Höher schneller weiter

»Slalom« notierte er. Ich tat, als würde ich das ernstnehmen, und

empfahl ihm noch Rudern, Basketball und Schießen.

»Schießen ist gut« sagt er. »Pistole freihändig und so, nicht? Ich

hab das mal in einem Cowboyfilm gesehen. Da warfen die

Cowboys die Revolver in die Luft, fingen ihn auf und schossen

unfehlbar ins Schwarze. Wenn einer mal den Revolver verkehrtherum auffing, wurde ein neuer Cowboy eingestellt.«

»Wenn du dich für eine Sportart entschieden hast«, sagte ich zu

ihm »sagst du mir Bescheid. rr stellen dann ein Trainingspro

gramm auf.«

/

Ich gebe zu eine Weile vergaß ich Karl-Heinz völlig. Ich fuhr an

die Ostsee und sah den Urlaubern zu wie sie am Strand unge

heuer sportlich taten.Am FKK-Strand sah es noch komischer aus.

Gestern traf ich Karl-Heinzens Frau.

»Na was macht der Schwergewichtbillardspieler?«

»Ich bin Ihnen j so dankbar « Fast wäre sie mir um den Hals

gefallen. »Endlich hat er sich mal von seinen Transistoren und

integrierten Schaltkreisen getrennt. Er spielt regelmäßig Bil

lard, trainiert Basketball, macht bei der Ruderregatta mit und

läuft schon ganz hervorragend Slalom.«

»Ich habe mich ganz bestimmt verhört«, sagte ich lächelnd, »oderhat man während meiner Abwesenheit hier einen See zum Ru

dern und Berge einschießlich Pulverschnee zum Skilaufen hin

gebaut?«

Ich könnte es mir j selbst ansehen, meinte sie.

Karl-Heinz führte mich stolz in sein Arbeitszimmer. »Alles eige

ne Konstruktion«, strahlte er.

Auf vier Fernsehapparaten flimmerten vier Bildschirme. Billard,

Basketball, Wettrudern, Slalom.

Er übt jetzt bereits sechs Sportarten, elektronisch natürlich,

und nimmt ständig zu.

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Höher schneller weiter

lrmgard Abe

riiso t 8

Heute gilt es. Heute ist unser großer Tag, dem wir lange ent

gegengefiebert haben. Heute gehen unsere Jungs in die entscheidende Schlacht um den Aufstieg. Leider ausgerechnet

gegen Traktor Meisengrün, unseren alten Angstgegner. Aber

die Zeichen stehen günstig. Gleich früh lag ein Minoltankwa

gen mit gebrochener Lenksäule bei Spargel-Müller zwischen

den Beeten; und gegen Mittag ist der dicke Marlberro, der auch

nur Inter Mailand, Ajax oder Real kennt, durchs Glasdach in

sein Orchideenhaus geflogen.

»Das will was heißen«, sagt Walter. »Gehn wir. Vergiß die Kis-

sen nicht.«Unterwegs treffen wir Toni, unseren Tormann. Er sieht schlecht

aus, er konnte nicht schlafen. Die Verantwortung.

93

»Ihr gefährlichster Mann ist der Funkturm«, mur-

melt er beschwörend, als ob wir das nicht selber

wüßten. Gegen diesen Lulatsch hat Toni nur eine

Waffe: Raus aus dem Kasten und Winkel verkürzen.

Er tut mir leid. Ich nehme ihm die Tasche ab mit den

Hammer unser drangvoller Mittel-

stürmer verfügt noch über eine

Portion Restalkohol die ihn immer

zum Stier werden läßt.

Trikots, die seine Mutter gewaschen hat.

Bis zum Platz gesellen sich rund zwanzig Fans zu uns, die an-deren dreißig werden sich schon auf den Rängen drängen.

Da kommt auch schon der Bus aus Meisengrün. Natürlich ge-

borgt. Ein protziges Ding. Soll wohl heißen: So reisen Sieger

Sonst hätten sie j die fünf Kilometer mit ihrer Kolchosenhitsche fahren können.

Unser Trainer verbreitet Ruhe: »Ihr wißt, wir wachsen am Geg-

ner «

Außerdem hat Hammer, unser drangvoller Mittelstürmer, ge-

stern eine kleinere Party beehrt und verfügt noch über die notwendige Portion Restalkohol, die ihn immer zum Stier werden

läßt. Er hat seine Stiefel schon falsch geschnürt und behaup

tet, wir müßten doch alle besoffen sein. Okay, Hammer Wo

bleibt Ricardo, unser Libero?

Ach so, er setzt im Duschraum noch ein Fenster ein. Ist aber

schon umgezogen.

Walter holt Bier, ich hole mein nervenberuhigendes Strickzeug

raus: Stutzen Auf dem Platz nur Stutzen Man kann dabei

nichts falsch machen und behält das Feld immer im Auge.»Stoppst du mal, wann's losgeht?« bitte ich Walter, doch derschreit schon: »Ricardo Hintermann «

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9 Höher schneller w it r

Demnach wird bereits gespielt. Tatsächlich. Hammer bekommt

das Leder vor die Füße, er betrachtet es und schwankt dabei

leicht. »Abgeben, Junge « ruft sein Vater. Hammer blickt auf.

»Wohin?« - »Nach links « Folgt eine herrliche Flanke in die

Bänke auf der anderen Seite, wo die Meisengrüner Anhänger

mit ihrem Maskottchen sitzen. Dem schwarz-weißen Ziegen-bock. Hammer reißt dabei einen Rasenbatzen hoch, tritt ihn

aber sofort wieder fest. Ein ordentlicher Junge, ich weiß das

von seiner Mutter.Das ist es übrigens, was ich bei der Weltspitze so vermisse -

einen sinnigen Spielverlauf, Teamwork zwischen Fans und

Mannschaft. Diese Maradonas fegenja mit einer Geschwindig-

keit über den Rasen, der ein normales Auge nicht folgen kann.

Das Ergebnis solcher publikumsentfrem

deten Spielweise kennen wir als Rückblenden. Sie sollen den Zuschauer wenig-

stens auf die Tore aufmerksam machen.

Wie ich so sitze und stricke, merke ich

plötzlich, daß Hubert, sonst Ersatzmann,

heute als Schiedsrichter rumrennt. In

Lackschuhen. Merkwürdig. »Erlauben dasdie Regeln?« frage ich Walter. »Der eigene

Mann pfeift?« Aber in diesem Hexenkessel

hat Walter keine Zeit für dumme Fragen.Da der Gegner nicht protestiert, soll es mir

recht sein. Immerhin kämpfen drei Brüder von Hubert in unse

rer Mannschaft.Alle Augen bewachen scharf den Funkturm, den Spieler mit der

Neun, der kreuzgefährlich für unseren Torhüter werden kann.

»Toni Alles klar?« ruft Walter besorgt. »Alles klar«, schreit

Toni zurück. »Schluck Bier, und ich halte wie schin. «

Walter greift seine Flasche und schlendert zum Tor. Ich bineben dabei, den blauen Streifen anzufangen, da kommt drüben,

auf dem Bahndamm hinter den Meisengrünem, der Nachmit-

tagszug mit seinen zwei Wagen, die sogenannte Ferkeltaxe,

angedampft. Demnach gleich Halbzeit, und Toni hat erst drei-

mal hinter sich greifen müssen. Nach Walters Bierflasche.

Die Ferkeltaxe kriecht jetzt wie eine Schnecke. Lokführer und

Fahrgäste winken, auch Toni winkt, er erwartet seine Braut -

und wir zittern. Das Gehäuse unbewacht Der Hüter abgelenkt

Nutzen die Meisengrüner die Chance?Da merken wir, der Ball ist sowieso weg, schwimmt in der

Nuthe. Immer dasselbe. Hubert hat sofort abgepfiffen. Halbzeit0 : 0. Den halben Sieg haben wir schon in der Tasche.

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Höher, schneller, weiter

Toni jumpt über die Wiese zum Bahnhof; die Schüler werden

ins Wasser geschickt, Ball holen; wir setzen uns in den Schat

ten der großen Akazie. Huberts Frau verteilt Erdbeertörtchen

und Kaffee. Ricardos Frau windelt das Baby. Enrico. Ein stram

mer Bengel, unser ganzer Stolz. Ihm verdanken wir unsere

Vereinsbezeichnung.Der Kenner wird schon gestutzt haben. Tatsächlich hießen wir

früher ganz normal Traktor Bräsen. Bis dieser Knabe auf die

Welt kam. An einem Freitagabend - und Sonnabend Punkt

spiel: 0 : 8 Der bewanderte Sportfreund versteht. Sicher, wir

sind auch schon 0 : 13 vom Platz gegangen. Aber das war ganz

normales Pech. Ohne bewegenden menschlichen Hintergrund.

Und deshalb längst vergessen.

Langsam müßte Hubert wieder anpfeifen, doch überraschend

ist nur ein Linienrichter da. »Wo steckt der andere Mann?«muß unser Trainer sich fragen lassen.

»Der spielt jetzt als Libero.«

»Wieso? Wo ist Ricardo?«

»Garage bauen, war versprochen «

»Na bitte«, beendet Walter den Disput, »die Frage wäre geklärt.«

Er nimmt die Fahne und läuft los.

Das Geschehen tobt jetzt in der Hälfte des Gegners. Toni lehnt

arbeitslos am Pfosten und küßt seine Braut, das nette Mädel

von der Sparkasse - in dem Moment passiert es. Hammer wirdim Strafraum kna1lhart gelegt. Unnachahmlich, wie er sich wie

der hingepackt hat Seine Glanznummer. Oft kopiert, nie er

reicht. Elfer

Die Meisengrüner schäumen; sie jagen ihren Ziegenbock aufs

Feld, um Chaos zu stiften, doch das nützt ihnen gar nichts, sie

kriegen eine solche Kirsche reingedrückt, daß sie durchs Netz

gleich wieder rausfliegt. »Gooohl Golgolgolgolgol «

Toni schwenkt seine Braut, Walter umarmt unseren Trainer,

Hammers Vater lädt alle zur Wildschwein-Party ein, und ichschrei: »Hammer, das macht dir keiner nach, mein Junge «

Da wird Hammer rausgetragen. Wir sehen es mit Entsetzen.

Unser Stier - gefällt. Und das zu einem psychologisch so un

günstigen Zeitpunkt. Wer kommt für Hammer?

Für Hammer kommt Walze. Tritt an und liegt der Kürze nach

auf dem Bauch. Ein mittleres Beben auf der nach oben offenen

Richter-Skala erschüttert den Platz. Spontaner Beifall Der

Gegner kann einpacken. Wo Walze steht, kommt keiner durch

Ab jetzt wird gemauert. Richtig so Zu den Laden Es ist abkassiert.

Die Meisengrüner wollen es nicht wahrhaben. Wer hatte denn

9

Die DDR-Fußballnationalmannscba:ftfliegt in die UdSSR.

Sie nutzen auch:

noch die letzten Minuten zum Tta.i@lg ,

und spielen irtt. Ffug:zeug mit ~ t ~Der Pilot kann m % "

.. - ; ,   „ tji

Maschine kaum -• ·noch halten und ·

schickt den FunRernach hinten. Naehkurzer Zeit ist abso

lute Ruhe. »Wie

hast du denn das

gemacht?« fragt tler

Pilot den F u n l t e n _»Na ja«1 meirit : -. i.

»ich habe g e s a ~ c ' • · ••

Jungs, es ist -scliö- ·nes Wetter draußeh,spielt doch vor der

Tür «

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9 Höher schneller w it r

noch mit Opa Walze gerechnet? Sie hetzen ihren Funkturm auf,

der prallt jedes Mal von Walze hoffnungslos zurück bis zur Mit-

tellinie, und ihr Maskottchen meckert schon um sein Leben.

Das Ding ist gelaufen. Zeit für uns Frauen, in der Kabine den

ersten Siegerschluck vorzubereiten.

Wir haben noch nicht alle Gläser ausgepackt, da braust draußen über dem Schauplatz des dramatischen Geschehens schon

stolz und mächtig unser Vereinslied auf:

rr kühnen Kicker von Bräsen Nullacht,

wir haben den Gegner fertiggemacht

in einer furchtbaren Nervenschlacht.

Hoch lebe Enrico und Bräsen Nullacht

Sport frei

Ach, hätte es diesen Tag nie gegeben Unser Aufstieg wird

unser Untergang. Kein Wochenende mehr, keine Partys, keinFamilienleben. Nur noch Abstinenz und Training. Die Hinspie

le weit außerhalb und immer harte Kämpfe um den Klassen

erhalt. Unsere Jungs sind nicht

mehr unsere Jungs, sie stehenin der Zeitung.

Seitdem steht auch Spargel

Müllers Kleinbus immer für sie

bereit, und der dicke Marlberro,

der ebenfalls Morgenluft wittert, schwenkt die Brieftasche.

Dann geht's ab in die Feme.

Und Huberts Frau samt ihren

drei Schwägerinnen wachsam

im Trabant hinterher. Unser

Trainer ist schon geschieden.

Walter hat heimlich einen Schiedsrichterkursus belegt, die Ge-

bühren werden per Konto überwiesen. Ich weiß es von Tonis

verheulter Sparkassen-Braut, bei der man bloß noch Hartgeld

einzahlen kann, weil es nicht aufweicht.

Aber das Schlimmste: Ricardos Frau radelt jetzt über die Dör

fer zu jedem Spiel von Meisengrün, himmelt den F11nkturm an,

tanzt auf ihren Partys und singt das neue Lied:

Die feinen Pinkel von Bräsen Nullacht

trainieren, bis die Schwarte kracht,

und haben zu Hause Kahlschlag gemacht.

rr Meisengrüner ham nie so gelacht.

Gut Holz

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98

1< o : T V '

7r z r

Unter vier ugen

Lothar Kusche

O

»Ich weiß, daß du Fasching nicht leiden kannst«, sagte Lucie,

»aber am Rosenmontag ist bei mir eine Feier, und es werdenein paar sehr interessante Frauen da sein, und wir brauchen

noch eine rt Mann.« Ich konnte nicht umhin, in diesen Apfel

zu beißen, weil Lucie noch Geld von mir kriegt, das ich seit

einem halben ahr im Moment nicht zur Verfügung habe.»Ich könnte in Räuberzivil erscheinen«, sagte ich, »aber du

müßtest mir einen lustigen Hut oder eine Nase oder derglei-

chen besorgen.«

»Deine Nase genügt. Zieh dir einen anständigen Anzug an, falls

dir jemand einen pumpt. Um neunUhr

abends gehts los.«Ich kam gegen elf, weil ich ein unsicherer Mensch bin und die

Hoffnung hatte, die interessanten Frauen hätten zu dieser Stun-

de schon etwas getrunken und würden nicht alles, was ich

sage, gar so genau nehmen. An der Tür begrüßte mich eine sehr

dicke Frau mit einer Brille und einer Tasse in der Hand mit denWorten: »Na, da is ja der olle Schlawiner «

Sie drückte mir die Tasse in die eine Hand und die Brille in die

andere Hand und befahl: »Halten «

»Willst du dich nicht gefälligst vorstellen?« zischte mir Lucie

zu, »mach einen Diener und benimm dich anständig « Ich woll-

te die Tasse auf die Erde stellen, um eine Hand zum Schütteln

freizukriegen, aber die dicke Frau rief: »Halten hab ickjesagt «

Also konnte ich bloß einen Diener machen.

In Lucies guter Stube ging es lustig zu. Außer der Dame des

Hauses und der dicken Frau waren noch fünf Damen anwesend,

von denen zwei bereits abwesend waren. »Die da auf dem Sofa

schläft, war meine erste Putzfrau«, flüsterte mir Lucie zu, »und

die da unter dem Sofa schläft, ist ihre Mutter. Ich habe den bei-

den sehr viel zu verdanken.«»Und wer ist die Dicke, der diese Brille gehört?«

»Die sollte mal meine Putzfrau werden«, sagte Lucie, »aber die

Wohnung war ihr zu kalt. Vielleicht wird im Sommer was

draus.«

In diesem Augenblick kam eine sehr große Dame mit einem Da-

menbart auf mich zu und verlangte etwas zu trinken von mir.

»Selbstverständlich, gnädige Frau«, sagte ich und füllte zwei

Gläser, doch Lucie nahm mir mein Glas wieder weg, weil sie

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Unter vier usen

fand, ich sei nicht zum Trinken eingeladen. »Schmeiß dich nicht

so an«, tadelte sie, »das ist keine gnädige Frau, sondern Frau

Wilhelmine Zuhrfraß, genannt Gwendolin. Eine Seele von

Mensch. Sie war im vorigen Jahr meine Putzfrau, und ich weißnicht, ob ich sie noch mal brauchen kann.« Da brüllte die sehr

dicke Frau: »Der Misthund hat mir meine Brille gestemmt «Lucie bedeutete mir, daß ich unverzüglich die gestemmte Bril-

le zurückzugeben und mich zu entschuldigen hätte. Nachdem

ich das getan hatte, umarmte mich

eine üppige junge Frau, die mit

einem quergestreiften Pullover,

Strumpfhosen und einem Baströck

chen bekleidet war und mir anver

traute, daß sie den Namen Ninong

führe und ich ein ganz süßesSchnurpselchen sei. Lucie wagte

nicht, ihre Mißbilligung auszuspre

chen. Sie murmelte: Ninong heißt

an und für sich Käthchen. Sie ist für

mich sehr wichtig. Sie ist meine der-

zeitige Putzfrau. Sei ein bißchennett, aber nimm dich zusammen,

verstanden

Ich t t mein Bestes, doch Ninongwar nicht damit einverstanden, daßich mich zusammennahm. Sie ver

suchte, mich auseinanderzuneh

men. Leider bin ich ein wenig unge

lenkig, und so verkündete Ninong

kritisch: »Ich dachte, Lucie, du hät-

test einen Mann eingeladen. Und was, du alte Hutschachtel,

muß ich hier erleben? Einen Piepenschnurz «

»Wie recht Sie haben, Süße « bestätigte die Gastgeberin undsah mich so an, wie man einen Kaktus ansieht, wenn man Kak-

teen nicht mag. Da fiel die Tochter der Frau, die unter dem Sofa

schlief, vom Sofa herunter und maulte: »Wrr wollen ins Bett.«

Ich machte mich sofort erbötig, die Tochter ins Bett zu brin

gen, doch Lucie teilte mich der Mutter zu, und wir brachten die

beiden Damen gemeinsam ins Bett. Die Mutter war schwer.

Später stellte ich fest, daß noch eine Frau da war, mit der ich

bislang kein Wort geredet hatte. Sie ließ mich auch nicht mehr

zum Reden kommen. >>Ich heiße nemlich Berbel« teilte sie mit,

99

>Na dann geh doch zu

deinen Kumpels wenn

du glaubst daß die dich

besser verstehn.

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1

Ein Polizist besucht

mit seiner Frau einGewandhauskonzert.

»Hier ist aber einegute Akustik«, sagtdie Frau. · · .

Darauf der Polizist:.•»Ich weiß nicht, ichrieche nichts.«

1 1

Unter vier ugen

»Berbel mit e wie in Medchen und Etherrausch. Sind Sie nicht

bei dem Kohlenfritzen am Bahnhof beschäftigt? Na, is ja auch

ägal. Bloß dann müßten Sie nemlich meinen Mann kennen,••

den Amil. Na, is ja auch ägal. Mein Sohn ist so krank, daß er

ganz krumm geht. Sähnenzerrung Na, is ja auch ägal. Ich war

ja bei Lucie und hab ihr sauber gemacht, bis Ämil seine Rentekriegte. Viel isses ja nich. Na, is ja auch ägal. Heute könnte ich

das auch nich mehr, wegen dem Bücken. Jetzt macht Kethchen

der Lucie alles. Na, is ja auch ägal. Die Ninong sieht wieder malunmöglich aus. Na, is ja auch ... «

••

»Agal «sagte ich und zog mich ein wenig zurück. Allerdings ge-riet ich vom Regen in eine Gruppenübung, welche die Damen

Gwendolin und Ninong als Reigentanz bezeichneten. Nun, wir

hüpften ein wenig umher; das war alles.

»Nun tropfe mir ma was in mein Becher, olle Saftschnalle «wurde ich alsdann von der sehr dicken Frau aufgefordert. Ich

tropfte ihr einen Viertelliter Kognak in den Becher. Sie leerte

diesen mit einem Zug und sagte: »Die Sache mit die Brille is

verziehen Ich heiße ... ehm ... Dingspieprich ... ich heiße Irmchen.«

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und die Mutter von der

Tochter, die von dem Sofa heruntergefallen war, verlangte

etwas zu trinken, aber es war nichts mehr da, weil Irmchen

alles ausgetrunken hatte, und so zog die Mutter die Tochter anoder umgekehrt, und beide gingen beleidigt nach Hause. Natürlich gab Lucie mir die Schuld. Berbel tröstete mich: »Na, is

ja auch ägal «

Dann riß sich Ninong ihr Baströckchen von den Hüften und

ging ins Bett. Dies löste eine Diskussion zwischen Gwendolinund Berbel aus; Berbeln war es seltsamerweise nicht ägal, daß

Ninong zu Bett gegangen war. Im Verlauf der Debatte verhau-

te Berbel Gwendolin. Daraufhin waren beide gekränkt und gingen weg. Die sehr dicke Frau behauptete, sie wolle nun Ordnung machen, warf einige Gläser aus dem Fenster und sprang

diesen schließlich hinterher; Lucie wohnt hochparterre.

»Ich bin müde«, klagte Lucie. Ich empfahl ihr ins Bett zu gehen.»Bist du irrsinnig?« erkundigte sie sich bei mir, »Ninong liegt

in meinem Bett. Denkst du etwa, ich will sie wieder verlieren?Idiot «Dann machten wir beide die Wohnung sauber.

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1•tt: 4 1 J '

Der Zuku ft zugewandInternationaler Fraucr iag

••

Eine fruchtbare

Ehe mit immer

mehr Partnern

Er: •Du Schatz ich les hier grade: ie DDR gehört zu den zehn führenden Industrie-Nationen der Welt. ich glaub das schreibe ich mal

unserem Onkel Herbert in Düsseldori • Sie: •Klar mach das und

wenn Du grade dabei ist er soll zu Ostern ein paar Rollen Klopa- . ; : : _ c ; : ~ - : : ~ • > : ~ ~  ier mitschicken „ . « .,> t .. . ··

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1 2

\..- \

-

Unter vier ugen

udi Strahl

Normalerweise beachte ich keine Schneemänner. Als erwach

sener Mensch und Vorgesetzter hat man keine Zeit für solcheKindereien. Der Schneemann aber, der vor unserem Hause

stand, ließ mich erschrocken zusammenzucken. Ich sah auf

den ersten Blick: das war kein Schneemann üblicher Art kein

harmlos-anonymes Wesen mit Mohrrübennase und Kohlestück

chenaugen. Das war ich selbst Das sollte ich sein?

Gewiß, der Hut auf seinem dicken Kopf war dem meinen ähn

lich. Auch war er dem Schneemann genauso ins Genick ge-

schoben, wie ich das machmal mit meinem Hut zu tun pflege.

Aber sonst du lieber Himmel Ein fetter, gespreizter Kerl, derselbstgefällig seinen Bauch herausstreckte, die Anne über der

Brust verschränkt hielt und die Nase hochmütig in die Höhe

hob, so daß auch seine Augen über alles Naheliegende hinweg-

sahen. Seinen großen Mund hatte er so weit aufgerissen, alswollte er jeden Moment rufen: »Seht nur, was ich für ein toller

Bursche bin « Solches Gebaren ist mir gänzlich fremd. Um so

verdrießlicher stimmte es mich, als ein paar Nachbarn vorüber

gingen, die Köpfe zusammensteckten und albern zu kichern

begannen. Einer von ihnen zischelte: »Jawohl, das ist er Wieer leibt und lebt «

Ich bin eigentlich ein stiller, feiner Mensch. Aber so was lasse

ich mir nicht gefallen. Ich hob also die Faust und brüllte dro-

hend: »Haut bloß ab, ihr Nullen, sonst knallt's « Worauf sie ver-

schwanden und ich dem verdammten Schneemann den Hut

vom Kopfe hieb. Na also, dachte ich, jetzt ähnelt er mir gleich

viel weniger. Befriedigt warf ich den Kopf in den Nacken und

verschränkte die Anne über der Brust. Der Schneemann schien

mir dabei unverschämt zuzuzwinkern und frech zu grinsen:auch stieß er mich herausfordernd mit dem Bauch an.

Beschämt zog ich den Bauch ein - meinen. Eine dumme Ange-

wohnheit, ihn herauszustrecken, nichts weiter. Aber schon flö-

tete das hübsche Fräulein Küssner aus dem ersten Stock: »Blei-

ben Sie doch mal so stehen - einen Augenblick nur.« Und sie

zückte ihren Fotoapparat.

»Nicht doch, Fräulein Küssner«, sagte ich sanft, wobei ich mich

ein bißchen kleiner machte, »verschwenden Sie kein wertvol-. les Fotomaterial an diesen Bubenstreich. Ich werde den Ben-

gels, die das getan haben, den Hintern versohlen, das genügt.«»Aber warum denn?« lispelte sie. »Wegen dieses süßen Schnee-

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Unter vier ugen

manns? Ich dachte, Sie hätten ihn selbst gebaut Wie ähnlich

er ist Und wie treffend in Ausdruck und Gebärde: die breiten

Schultern, die kühne Stirn, der stolze, nachdenkliche Blick. Ja,

das sind Sie Sie erlauben?«

Und mit einem betörenden Lächeln drückte sie auf den Auslö

ser. Nicht, daß ich eitel wäre. Aber nun guckte ich mir denSchneemann doch noch mal genauer an. Tatsächlich - so übel

sah er eigentlich gar nicht aus, ein 'fyp, der weiß, was er will.

Ein Mann der Tat, in dem man einen eisernen Kern vermutet.

Ein bißchen Beethoven, etwas Napoleon, aber dennoch ich -

ja, das war ganz deutlich zu erkennen. Auch ohne Hut. Ich hob

ihn wieder auf und stülpte ihn dem Schneemann ins Genick.

So, jetzt war ich es wirklich. Und ich dachte mit wachsendem

Wohlwollen: fixe Kerlchen, die lieben Kleinen aus dem Seiten

flügel Junge Talente. Ich werde ihnen eine Tafel Schokoladeschenken oder sie mal ein Stück im Auto mit-

nehmen.

Beschwingten Schrittes ging ich nach Hause.

Meine Frau empfing mich ein bißchen verstört

und fragte gleich, ob ich die Bescherung schon

gesehen hätte.

»Natürlich«, sagte ich mit leisem Stolz. »Nicht

schlecht geraten, was? Und so ähnlich - oder

findest du nicht?«Ü doch«, sagte meine Frau. »Das heißt«, fügte

sie rasch hinzu, »so ähnlich auch wieder nicht.

Aber eine Unverschämtheit. Und die ganze

Straße hat schon darüber gelacht «

103

»Purer Neid«, sagte ich. »Jederhat eben keine so ausdrucksvol- » ber ich brauche deine

le Gestalt, daß sie naive Knabenhände schöpferisch nachbilden Kritik <<

könnten. Nun ja, die Stirn ist Beethoven, der Blick Napoleon -

der Rest aber bin ich «

Meine Frau maß mich mit einem etwas seltsamen Blick. Als

ob ich mir was draus mache, was die Leute sagen

»Und weißt du, was das Fräulein Küssner aus dem ersten Stock

zu ihrem Verlobten gesagt hat?« fragte sie beiläufig.

»Ich kanns mir denken«, sagte ich fröhlich.

»Sie sagte: >Das ist der alte Esel von nebenan, der mir immer

schöne Augen macht. Und auf so was<, sagte sie, >auf so was

bist du eifersüchtig <«

Mir blieb die Spucke weg. So eine war das also Die breiten

Schultern, der kühne Blick und dann: der alte Esel. Na, dach

te ich wütend, die gucke ich nie wieder an. Und die Lümmel

aus dem Seitenflügel kriegen doch ein paar hinter die Ohren.

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104I P 1 1

a a 1111 1H1:;,a;; : 111121:

Und den verdammten Schneemann fahre ich gleich morgen früh

mit dem Auto über den Haufen. Ein fyp, der weiß, was er will?Alles Quatsch Eine Frechheit Und der eiserne Kern ...Der war jedenfalls vorhanden. Allerdings merkte ich es erst,

als ich aus den Trümmern meines Autos kroch. Wie hätte ich

auch ahnen sollen, daß die verdammten Bengels den Schneemann über einem Hydranten errichtet hatten?

illdlif fJ i RatO

In der Staatsbibliothek traf ich einen Mann der wie er mir er-zählte, hier sein lückenhaftes Allgemeinwissen ergänzen woll-te. Der größte Wunsch des Mannes - IJ.ennen wir ihn Rudi -

war immer ein Lexikon gewesen. Als vor etlichen Jahren MEY-

ERS NEUES LEXIKON angekündigt wurde, bestellte es seineFrau für ihn und legte ihm den ersten Band auf den Geburts

tagstisch. Rudi treten noch jetzt Tränen der Freude in dieAugen, wenn er davon erzählt. Bis zum dritten Band ging alles

gut. Rudi fraß die Begriffe und Erklärungen in sich hinein. Der

vierte Band ließ lange auf sich warten. War das Papier knapp,

hatten sie nicht genug Wörter - das weiß nur Meyer. In dieserlexikalischen Pause ließ sich das Ehepaar scheiden. Die Grün-de spielen hier keine Rolle. Für Rudi war die Trennung

schmerzlich. Die nächsten Lexikonbände wurden nämlich sei-ner Frau zugesprochen, weil sie bestellt und bisher auchbezahlt hatte. So gingen Rudi die Bände 4 6 und damit kost

bares Wissen verloren. Band 7 brachte ihm sein Sohn mit. Die-ser mußte eine Hausarbeit über die Kabardinisch-BalkarischeASSR schreiben, und seine Mutter lieh ihm deshalb Band 7 mitdem Buchstaben K. Die folgenden Bände trat Rudis Ehefrau an

ihre Eltern ab, die ihr dafür Geld zum Kauf einer Doppelbett

couch liehen. Rudi fand als er einmal seine ehemaligen Schwie-gereltern besuchte, Band 10 als Ersatz für einen Fuß des

Küchenschranks, die Bände 11 bis 14 lagen unter dem Kopf-kissen des Schwiegervaters, der wegen Asthma hoch liegen

mußte. Es gelang Rudi, ab Band 15 das Abonnement derSchwiegereltern zu übernehmen. Seine Frau hatte sich bereit

erklärt, die in ihrem Besitz befindlichen Bände herauszugeben,

wenn sie dafür den Farbfernseher bekommt. Bis zur rechtlichen

Klärung geht Rudi in die Staatsbibliothek.Einschließlich Buchstabe »Ü« kann man sich schon ganz gut

mit ihm unterhalten.

ansjoachim Riegenring

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Unter vier Augen

Renate Holland Moritz

Die Telefanstimme meiner Freundin Gisela überschlug sich fast.

»Mädchen, bin ich glücklich. Was, du nich? Tut mir leid, meinKind; aber es kommen bestimmt wieder bessere Zeiten ... Natür-

lich Heinrich Bei mir geht's immer um Heinrich, das weißte

doch. Es is wirklich 'n lieber guter Mann. Nu hör zu. Mein Hein-

rich hat mir doch - der Süße jetzt holt er gerade Kohlen ausm

Keller-, hat mir doch ganz gemein die Hand zerquetscht ... Was

schreiste denn? Du bist doch sonst nich so zimperlich Also paß

auf. rr steigen in ein Taxi, er knallt die Türe zu, und was hab

ich dazwischen? Meine Hand ... Weh getan? Na, du machst mir

Spaß Es war wie die Guillotine, das Jüngste Gericht und etwasSelbstkritik auf einmal. Den Taxischofför hätteste hören

sollen Mein Heinrich macht ja, weiß der Himmel, sowie-

so nur beim Schlafen gelegentlich den Mund zu - aber da

war er stille. Mein schweigender Stern Und weiß war der

Mann im Gesicht, sag ich dir, weiß wie ein Alberich oderwie diese Leute heißen, bei denen es mit dem Piment in

der Haut nich funktioniert. Es war wirklich erhebend ...

Nein, nischt gebrochen, nur eben gequetscht. Der Zeige-

finger ist blau, der Mittelfinger grün und der Ringfinger sozwischen gelb und lila - sehr dekorativ. Erinnert an so

einen Batikrock ausm Kunstgewerbeladen und is auch so

geschwollen wie die dortigen Preise. Und neben mir mein

stiller Heinrich mit seinem Weißkäse-Gesicht. Natürlich

gleich zum Arzt Aber das ging schnell. Diese Barbaren

sehen j jeden Tag noch Schlimmeres. Den ersten Mucks

t t der gute Heinrich wieder vor Knolles Blumengeschäft. So

viel dunkelrote Rosen hast du noch nie auf einem Haufen gese-

hen, Herzchen; es war wirklich eine Pracht. Und immer meinebunte Hand dazwischen. Zu Hanse packte er mich sofort auf die

Kautsch, gab mir ein Glas Sekt zur Beruhigung und machte

Abendbrot für die Kinder und steckte sie ins Bett. Und alles ging

mucksmäuschenstill vor sich Ein wahrer Genuß. Danach schob

mir mein Guter Kaviarhäppchen in den Mund. Wie bitte? ... Na

hör mal, mit der Hand konnte ich das doch gar nicht allein ... Und

dann: kein Fernsehen Stell dir das mal vor: ein Abend ohne k-

tuelle Kamera< ... Schon gut, Goldstück, kannst mir ruhig auch

mal was gönnen. Anschließend ging er noch rasch ins Restaurant; denn der Sekt war alle. Ein Kranker braucht schließlich

Stärkung. Und das Dollste: ich kriege den M otorroller Ja ... nein

1 5

Mit dem Hut gehst du

mir nicht aufdie Straße «

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106:• • 1 b T i J J 1 i l 1 J J •   Wiel 1 1 S 1 lil1 1 ; o d j

Unter vier ~ g e nil ..:::. 1 i 1 ' ;,; 1 [ :: 1 J ; ;

1 11 i J $ • „•

... er wollte doch nie. Aber nu will er. Als ich mir erschöpft mitmeiner armen kranken Hand über die Augen fuhr, da wollte erplötzlich. Komisch, nich? Gestern waren wir übrigens in derStaatsoper ... Nee, noch nie: Er kann Oper sonst nicht ausstehen. Und daß ich Kinder habe, merk ich gar nicht mehr. Die sind

vielleicht selig So doll wie in den letzten paar Tagen hat sichihr Vater jahrelang nich um sie gekümmert. Der englische Stoff,

den wir neulich Untern Linden gesehen haben, is schon bei derMaßschneidern in Arbeit. Gibt 'n schickes Kostüm. Brauche ichschließlich für Prag ... Na ja, wir kamen am Reisebüro vorbei,und da tat mir meine Hand gerade wieder so mächtig weh ... Du

weißt ja, daß Heinrich ein Weiberfeind ist - wenn man mal von

mir absieht. Und nu - deshalb ruf ich dich nämlich an: NächsteWoche darf ich alle meine Freundinnen auf einmal zum Kaffee

einladen. Ich freu mich halbtot: wieder mal so richtig klatschen... Natürlich gibt's Käsesalat. Auch Krebs - und was du sonstnoch willst, mein Engel. Macht alles Heinrich.Nur weißt du, ich habe eine schreckliche Ahnung ... ich glaube,meine Hand wird langsam besser.«

Ich bin bestimmtziemlich tolerant.Doch mir scheint, seit kurzem nimmtetwas überhand,was man grobe Scherze nennt.Drum glaub mir, liebste Maus:Wenn's sein muß, bin ich konsequent.Dann ist der Ofen aus.

Voller Sehnsucht rief ich dich

gestern abend an,fragte leise: »Liebst du mich?«

»Ja, du wilder Mann« ,hast du voller Glut gesagt,ich hab s, wie stets, geglaubt.Doch hinterher hast du gefragt:»Wer spricht da überhaupt?«

ochen etersdorf

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108 -   owir sind ist vorn

Matthias Biskupek

st„

~Er hatte in der lokalen Presse von dieser neuen Einrichtung ge

lesen und wollte sie jetzt endlich nutzen. Die Öffnungszeitenwaren günstig gelegt so daß er nach der Arbeit genügend Zeithatte dort vorzusprechen. Links neben dem Eingang glänztedas schlichte Metallschild mit der Bezeichnung: »Meldestellefür Bedenken im VEB Dienstleistungskombinat«.Er wurde in ein Zimmer längs eines Ganges verwiesen. EineDame, die hinter einem Schalter saß schob i m drei Formularezu: weiß gelb und grün. Er nahm sie veIWUndert und sagte: Entschuldigen Sie, aber ich bin hier, weil ich Bedenken habe wegen... Ganz recht meinte die Dame, Sie wollen Bedenken anmelden.Deshalb sind Sie hier. Füllen Sie nur die Formulare aus; hinten

Sollten sich für die Bedenken nach links finden Sie Schreibpulte. Wenn Sie keinen Stift beiAblauf der Wartefrist noch objekti- sich haben: rechts drüben ~ e g e n welche.ve Gründe finden verweisen wir Und wenn ich alles ausgefullt habe was dann fragtean die Bezirksmeldestelle. er. Dann.registrieren wir h r ~ e d e n ~ e n mit Hilfe der

elektronischen Datenverarbeitung. Sie haben Ihre Be-

denken somit angemeldet. Die Wartezeit beträgt im Normalfallfünf Jahre. Damit liegen wir unter dem Republikdurchschnitt.Und dann fragte er und drückte die Formulare an sich. Nach

dieser Zeit erhalten wir Nachricht ob Ihre Bedenken berechtigt sind oder ob sie nicht mehr zutreffen. In den meisten Fällen können wir dann die Bedenken zerstreuen. Unsere Zer

streuungsquote liegt bei etwa 85 . Eine Anmeldefrist vonfünf Jahren h t sich bei Versuchen bisher als optimal erwiesen.Er blieb eine Weile stehen wendete sich dann doch noch ein

mal an die freundliche Dame hinter dem Schalter: Und was ge

schieht mit den restlichen 15 ? Nun, meinte diese sollten sichfür die angemeldeten Bedenken nach Ablauf der Wartefrist

noch objektive Gründe finden verweisen wir die Bedenken andie Bezirksmeldestelle.Aha sagte er und fürchtete lästig zu werden wenn er weiterfragte. Er nickte und wollte zum Ausfüllen der Formulare aneines der Stehpulte gehen. Doch die zuvorkommende Dame lächelte verbindlich: Wir erteilen gern Auskunft. Ausführlich fin

den Sie alles in unserer Informationsschrift. Damit drückte sieihm ein Faltblatt in die Hand.Er ging an eines der Stehpulte und bevor er begann die For

mulare auszufüllen las er aufmerksam das Informationsblattdurch. Da meldeten sich bei ihm Bedenken.

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Wo wir sind ist vorn

ans rause

Kuddeldaddeldu ist zwar kein Sachse,

doch die Achse

Leipzig - Berlin

ist ihm heilig.

Er will den Sachsen nischt »drieberziehn «

und findet's erfreulich

und liebenswert,

wenn er se sieht und wenn er se hört.

Und er hat auch nichts gegen die neue Singebewegungsächsischer Prägung,

mit »Sing, mei Sachse, sing «

Denn wo man singt, da laß dich nieder.

Aber auch wir Preußen haben Lieder

und keineswegs schlechte:

z. B. »Kreuzberger Nächte«.

- Doch mit einer Frage

kommt Kuddel dieser Tage

partout nicht ins reine:Sind wa nu welche? Oder sind wir noch keine?

Die Sachsen sind Sachsen, das steht auf'm Papier.

Aber wat sind nu wir

- wenn keine Preußen?

Irgendwie muß man ja schließlich heißen?

- Das Femsehn hatte uns Hoffnung jemacht

und hatte sich sicher auch was bei gedacht.

Doch wie das so ist mit dem Preußisch-Blau,

det weeß man noch immer nich so jenau.Kann man nun wieder,

ohne historische Grenzen zu sprengen,

das Flötenkonzert in den Rahmen hängen?

Den Turnvater ahn neben Ewald plazieren?

Oder den Blücher neben den Stoph?

Kann man beim Betriebsmaskenschwof

sich wieder als oller Fritz kostümieren?

Darf eine Brigade

für Kim-Eier-Puttchen und Legehennensich einfach Brigade »von Puttkamer« nennen?

Oder 'ne Maurerbrigade Brigade »von Stein«?

I

1 9

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110

Ja oder nein?- Damit wir uns richtig verstehn:Wir wollen natürlich nicht unbesehn

das ganze Preußentum restaurieren:Die Prügelstrafe einführen,

die Junker ausgraben

Wo wir sind ist vorn

oder den ollen Kurfürsten wiederhaben. -

Wir wolln keinen preußischen Aar uffm Dach,

keinen Sedanstach,

keinen Ziethengalopp

und keene Volksarmee mit 'm Zopp

am Kopp

Aber alles hat, wer will das bestreiten,

seine zwei Seiten.

Auch Iwan der Schreckliche war nicht bloß strenge,sondern hatte Verdienste. Und zwar eine Menge .

Und steht uns Napoleon auch noch so ferne- seinen Kognak, den saufen wir gerne

- Also, eines ist klar:

Wir hatten das Schinkel-Jahr,und bis zum nächsten muß es geschafft sein

und Preußens Gloria wieder in Kraft sein.

Natürlich nicht das komplette,

nur dette,wat sich mit Fleiß und Routine

in unsrer proletarischen Waschmaschine

reinigen läßt.

- Also, das wird ein Fest

In den Betrieben könnt' man dann Thesen

lesen

wie: In den Staub mit Schund und Murks

und allen Feinden Brandenburgs

- Mit Marschall Vorwärts zu neuen Attacken

oder: Druschba, Kosaken

Und vor jedem Haus

hing ein Transparent: Husaren heraus

Und ran an den Müll

wie Blücher und Schill- Im Fernsehn gäbs einen Preußenboom.

Und in allen Häusern, Familien und Stuhm

könnt man die flehenden Worte vernehmen:Ich wollt, es wär' acht und die Preußen kämen

Alle säßen ergriffen und stumm;

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 o wir sind ist vorn

•l

denn dann kärn der Jakobus mit dem Tabakkollegium

oder Rainer Süß

mit: Der Gott der Eisen wachsen ließ

»Preußisch pour vous«

ein Interview

oder ne Oertel-Talk-Schau

mit Horst Naumann alias Gneisenau

oder Generalissimus Drinda.

- Unsre Kinder

könnten zwar ihren alten

Sandmann behalten

doch käme der künftig im Rokokofrack

und hätt nur noch »Märkischen Sand« im Sack.

»Rund« würde Preußische Märsche blasen

statt Beat

oder Sweet.

Die heitere Dramatik ein Schwänklein bieten

mit Quem1ann als Ziethen.

Und Schwabe fände im Rumpelrevier

statt immer bloß Diel

Piel

Forst oder Schmitz

nun och mal die Krücke vom ollen Fritz.

VE Mode kreierte erneut

die Krinoline das Schleppenkleid

Dreispitz Gamasche Schärpe Jabot

- und sogar das Politbüro

1 1 1

\ \

J

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  2 o wir sind ist vo rn

hielte sich strenge an Knigge

und tagte bei Plenen nur noch mit Perücke.

- Und man könnte den Tilsiter Käseund die andern preußischen Delikatessen

wieder völlig ohne Bedenken essen.

Die Kartoffel wärnicht mehr reaktionär.Jeder Handwerker kriegte endlich 'n Thron,

der Geist von Potsdam 'ne Spukkonzession

und unser Generalsekretär

seinen Voltaire- Und die Kaffeeriecher und Schnüffelkuriere

schlichen wieder von Tür zu Türe,

um festzustelln, ob die Bewohner

»Jakobs Krönung« brühn oder »Mona«Zwar dürften wir bei Friedrich dem Großen

auf einige kleine Hemmnisse stoßen.

Doch bei Marschall Vorwärts - sprich Blücher -sind wir ganz sicher.Und kommt doch noch einer und macht Geschrei,dann nenn' wir ihn einfach Marschall »Dawai«

So weit so schön. So könnte es gehn.Doch bis dahin isses noch weit

und viel Zeit

wird noch verschleißen,

bis wir völlig verpreußen.Drum begnügen wir uns mit dem, was wir haben:

Mit Rumpelkammerherm Willi von Schwaben,mit dem Postkutschentempo unserer Post,

mit den preußischen Straßen, der preußischen Kost

- mit den Pommes »Fritz« und der Bismarck-Makrele,••

dem Amtergenöle, der Bürokratie- mit dem 7jähr'gen Krieg um den Shiguli

Mit den Völkerschlachten im Warenhaus,mit den Schinkels des Städte- und Wohnungsbaus

und mit den langen Kerls um Mielke und Axen

und nennen uns einfach: - Obersachsen

Was Friedrich-Wilhelm der Vierte

schon mal so ähnlich formulierte.

Wir nehmen's auch heute noch fröhlich in Kauf:

- Preußen jeht jeschlossen in Sachsen auf

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-  

»Es ist schon schwer, bei der SED-Führungnicht anzuecken«, meint ein Österreichernach der Rückkehr aus Leipzig. »Beachtetman das, was sie geschaffen hat, nicht genügend, hält sie einen für einen Feind derDDR.

1

Sieht man sich ihre Errungenschaften abernäher an, hält sie einen für einen Spion.«

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EinKamrichen 1 i ~ l t über die r e ~ den Westen. tfit~ e r Begtiinnfutg, ih der DUR Wfirden a l l e Elefailtenverifolgt, ·beantragt e politisches y l · beri du bi.Sf. tocli

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114

In einer Drogerie. ·Kunde: »Genosse

Drogist,. cli hätte ·gern Rasierklingen.Aber gute. HabenSie Gillette?« Dro-

.gist: »Haben wirnicht. Kommen Sie

· nächste Woche noch·mal vorbei « Eine

Woche später.Kunde: »GenosseDrogist, wie ist die ·Sache mit den Gillette « Drogist: >Leiw .der immer noch ·

n i h t s ~ «Der Kundegeht. Die Verkäufe

rin meint: »Aber

Herr Bauer, warumschicken Sie den

Kunden immer wie- ·der weg? UntermLadentisch sinddoch genug Gillette. Drogist: »Liebe Su-

. sanne, solange derKunde Genosse zu. mir sagt, soll er sichmeinetwegen mitHammer undSichel rasieren «

. >

• o wir sind ist vorn

Edgar Külow

Die Jury hatte Platz genommen: Dr. Wagnerwitz vom Ministe

rium für heitere Muse, Frau Weißbecker, freischaffend, undProfessor Marmorstein, Intendant der komischen Operette,Magdeburg. Heute ging der Ausscheid für die zentrale Lei

stungsschau weiter mit Musikgruppen. Zuerst gab's Kaffee unddann die Gruppe >>Schmalz und Brot«. Die Bühne betraten 4Männer, deren jüngster etwa wie 85 aussah. Er trug einen langen, dünnen, blonden, häßlichen Vollbart, der sich in Schulterhöhe mit dem strähnigen Haupthaar mischte. Der zweite trugebenfalls einen Vollbart, aber hohe Stirn, im Volksmund auch

Glatze genannt. Der Drummer sah etwa wie Rasputin aus, trugein Kreuz an einer langen Kette um den Hals. Es schaukelteihm recht unfromm in Höhe einer wenig verborgenen Männlich

keit hin und her. Der Vierte war vielleicht ein Mädchen, denner trug das Haar etwas kürzer und sang auch später nicht so

hoch und so häßlich wie Lakomy. Jedenfalls machte die Juryfinstere Gesichter und erste negative Notizen. Die Musik übertraf aber alles bisher Gehörte. Das Dantesche Inferno in Musikumgesetzt. Es raste, raste, raste Frau Weißbecker hielt sich

die Ohren zu. Es schien das Schlimmste, wo je über eineDDR-Bühne geschrien, gejault, geheult und gewinselt wurde.Marmorstein brüllte Wagnerwitz ins Ohr, welcher Agent diesenProvokateuren einen Berufsausweis ausgestellt habe. Sie spiel

ten ihre Instrumente nicht mehr, sie schlugen sie, sägten sie,traten sie, würgten sie. Frau Weißbecker trug in ihre Kladdeein: Verbieten Wenn nötig, mit der Polizei. Das erzeugt Rowdy

tum Und dann geschah etwas Überraschendes. Marmorsteinhörte es als erster. Einen wie soll ich sagen - menschenähnlichen Laut, einen gedämpften, gepreßten Schrei. Und dannein zweites Mal. »Habt ihr das gehört?« fragte er seine Kolle

gen. Sie hatten es nicht gehört; aber sie wurden ganz wachsam.Und als sie schon die Hoffnug aufgaben, diesen menschenähnlichen Schrei aus dem totalen Kapellenlärm noch ein drittes Mal herauszuhören, da kam er gegen Ende der Darbietungnoch einmal. Und es war genau zu hören, der Schrei in diesemteuflischen Instrumentengekreisch hieß: SolidaritätJa. Es wurde nun Gewißheit. Einer aus dieser entsetzlichenGruppe hatte »Solidarität« geschrien.Und die Jury trug in ihren Bewertungsbogen ein: Gruppe»Schmalz und Brot« - ausgezeichnet. Delegiert

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  owir sind ist vorn

ge Ristock

1

pto

Personen: Erzähler, Mann, KWV-Angestellter. Schild KWv l isch,dahinter KWV-Angestellter. Mann kommt herein.

Szene I:

M: Ja, also, wie ich heute nacht aufwache, merke ich, ich bin

feucht. Erst dachte ich, verdammte Buttermilch, verfluchte

Blase, aber dann merkte ich, der Segen kommt von oben.

Mit konstanter Regelmäßigkeit plätscherten mir Regentrop

fen ins Bett. Ich hab nachgesehen.

Ein Dachziegel ist kaputt.

K: Na und?M: Vielleicht könnten Sie ihn aus

wechseln lassen.

K: Einen Ziegel? Sagten Sie einen

Ziegel? Mit solchem Kleinkram

wagen Sie sich hierher? rr haben

große Zeiten, und große Zeiten er-

fordern große Probleme, und die

haben wir zur Genüge. Nur ein gro-

ßes Problem ist wert, daß es mitElan und Schöpferkraft in Angriff

genommen wird.

M: Und wenn ich mich erkälte?

K: Betrachten Sie sich als Einzelfall. Einzelfälle kommen vorund sind dazu da, von uns ignoriert und als Meckerei abge

stempelt zu werden. - Bedenken Sie doch, was das kostet.

So ein Aufwand wegen eines Ziegels.

M: Was soll ich denn tun?K: Rücken Sie Ihr Bett an die andre Wand, stellen Sie ein Töpf-

chen unter das Loch und warten Sie ab. Vielleicht verstopft

sich das Loch durch natürliche Umweltverschmutzung.

K geht zu E: Also, läßt man das Problem offen ...

E: Sagen wir: Man gibt ihm eine Entwicklungschance. Schließ

lich ist ein fehlender Dachziegel noch ein ganz kleines, jun

ges Problemchen. Und junges Leben ist empfindlich. Wie

leicht könnte es im Keim erstickt werden.

M: Das wäre die Lösung.

E: Warten Sie doch ab. Ihr Miniproblem hat Perspektive und

wird sich schon irgendwie hochpäppeln. Versuchen Sies doch

später noch mal ...

5

Bei uns herrscht Ord

nung: Alles geht durch

die Bücher.  

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  6 o wir sind ist vorn

Szene II:M zur KWV: Ja also, inzwischen fehlen zehn Ziegel und seit

einem Jahr regnet's mir in die Bude.K: Trösten Sie sich, Sie sind nicht der einzige.

M: Ich habe chronischen Schnupfen. Mein Fußboden hat den

Schwamm.K: Ich habe vollstes Verständnis für Ihre Lage.

M: Sie decken also das Dach?

K: Leider sind zehn Ziegel kein Schwerpunktproblem, wenn

auch schon von einer gewissen Problematik. Und in diesen

Fällen können wir mit einer schlagkräftigen Argumentation

aufwarten. Wo habe ich denn die Materialien. Hier ... wie

sieht es denn in Sizilien aus? In Sizilien wohnen manche

Leute noch in Fässern. Na?

M: Ich wohne in keinem Faß, sondern spätestens in einem Jahrin einem Aquarium. Soll ich mich zu einer Amphibie zurück

entwickeln? Was soll ich denn tun?E: Abwarten. Ihr Problemchen mausert sich doch schon ganz

schön. Es wird erwachsen. Man übersieht es nicht mehr, son

dern schiebt es bereits vor sich her, sucht nach Ausreden. Mit

Problemen ist es wie mit gutem Wein. Es braucht Zeit und

Pflege zur Reife . Versuchen Sies in einem Jahr noch mal ...

Szene III:M zu K: Gestern bei dem großen Sturm ist eine Lawine von

fünfzig Ziegeln das Dach runtergerauscht. Der Wasserspie

gel in meinem Schlafzimmer beträgt dreiundvierzig Zentime

ter. Ich schlafe im Taucheranzug mit Sauerstoffflasche auf

einer Luftmatratze und mußte der Arbeit drei Tage fernblei

ben wegen akuter Seekrankheit. Im Bad blühen die See

rosen. - Was gedenken Sie zu unternehmen?

K: Nichts. Ihr Problem wurde zur objektiven Schwierigkeit er

klärt, was eine gute Erfindung ist, denn es enthebt uns jederVerpflichtung.

M: Wieso sind Dachziegel eine objektive Schwierigkeit?

K: Sie sehen das falsch. Nicht die Ziegel, sondern das Wetter istdie objektive Schwierigkeit, wie immer. Außerdem müssen Sie

auch unsere Erfolge sehen, der Fernsehturm und das Stadt

zentrum, der Womacka-Brunnen, die Mufflons im Tierpark

M: Ja, jaK: Aber gegen das Wetter ist leider noch kein sozialistisches

. Kraut gewachsen.M zu E: Ich will kein Kraut, ich will ein sozialistisches Dach.E: Tja, bei objektiven Schwierigkeiten können Sie gar nichts

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  owir sind ist vorn

machen. Nur abwarten. Bald erreicht Ihr Problem einen Rei-

fegrad daß es bohrt wie ein schlechtgelaunter Dentist. Sie

sind schon lange kein Einzelfall mehr sondern bereits eine

kleine Massenorganisation. Zwischen der KWV und den über-

geordneten Dienststellen gehen Briefe hin und her. Ihr Problem

steht in der Blüte seiner Jahre und wird diskutiert. In spätestens einem halben Jahr leidet die halbe Nation an Verschnup-

fung. Die Presse schaltet sich ein und dann erfolgt die Gene-

ralmobilmachung ... Nur Geduld Entwicklung braucht Zeit ...

•<

Szene IV:

M zu K: Die Wasserfluten brausen wie die Niagarafälle das

Treppenhaus hinunter und überschwemmen bereits die Stra

ße. Trabantbesitzer haben sich auf Segeljachten umgestellt

uns wachsen Schwimmhäute zwischen den Fingern und im

ersten Stock kämpft eine Familie erbittert gegen einen Rie-

senhai.K: Endlich hätte man mal ein Problem das sogar eine akute

Gefahr ist. Man könnte es zum nationalen Schwerpunkt

hauptaufgabenkomplex Nr. erklären Feuerwehr Abriß

kommandos und sämtliche Massenorganisationen einsetzen

mit Geld Arbeitskräften und Material so richtig in die vol-

len gehen und da kommt doch gestern die dumme Dienst-•

anwe1sung raus.

M: Welche Dienstanweisung?

K:Wrr

sollen uns jetzt mehr um die kleinen Probleme küm-mern. Hier haben Sie den vor drei Jahren beantragten Dach-

ziegel.

7

Det is ne Schikane:

nem Bauarbeiter nen

Neubau anzudrehn.

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  8

>>Sollen Sie nur kommen

mit ihrer Verantwor-tung eh bin aufallesvorbereitet

o wir sind ist vorn

Ernst Röhl

Versehrte Kollegen

Es geht um die Lesung außerordentlich nichtiger Probleme unseres volkseigenen Getriebes, an der jeder Kollege zielgerich

tet mitwürgen sollte. Es ist bekannt, daß nur noch hin und

wieder keine Störungen auftreten und wir es geschafft haben,

die Arbeitsproduktivitätkraft eindrucksvoll zu simulieren. Die

Erlangung der Baugenehmigung für die neue KO-Kaufhalle war

mit Schmierigkeiten verbunden, zeigt aber auch: Für jedes Problem gibt es eine Losung Diese Richtschnur unseres Handels,

für die sich der Direktor persönlich verbirgt, eröffnet ungeahn

te Möglichkeiten. Dem Kollegen Absatzleiter ist es in überlegender Manie gelungen, qualitätsgemilderte Schuhe reisend

loszuwerden. Allerdings ist er, der ja nun doch weniger verdient

als ein Professor mit Lehnstuhl, nur mit einem lumpigen Bü

cherscheck geehrt worden und fühlt sich geradezu deprämiert.

.. . .. . . . •

. .

Fuchtw  g

Hier müssen wir den materiel

len Hobel noch besser ansetzen.

Da hilft kein Zithern vor dem

Forst. Ein paar Worte zur Kultur

mit ihren vielfältigen Hobbys:Der eine Kollege hat ein Vollgas

aquarium, der andere sieht sich

im Zoo gern die geflickten Hyä

nen am, der dritte führt künst

lerische Selbstbestätigung durch .

Auf unserem Betriebsfest aber

drücken wir unter dem Motto »Ein Mönch - wie stolz das

klingt « alle gemeinsam die Damen, die uns gewiß nicht zur

Lust fallen werden. Kulturell umrahmt wird das Fest von Kammersänger Peter Schleier, der Volksleder bringt, und zwar unterdem Titel »Alte Lider - traute Waisen«. Unsere Sportler, das

wißt ihr Kollegen, erfreuen sich zunehmender Beleibtheit. Des

halb meine Forderung: rr brauchen mehr Sportgerede

Zum Schluß unserer furchtbaren Diskussion ein ernster Hin

weis: Kollegen Protokollanten, vermeidet Schreib- und Druck

fehler rr wollen, offen gesagt, mit unserem Referat an höhe

rer Stelle Wirkung erzählen. Druckfehler aber können dasGesagte ins direkte Gegenteil verkehren, bis hin zu charm

losen Lügen. Falls dennoch derartige Fehler auftreten, ist klar,was mit diesem Referat geschieht: Es wird sofort berüchtigt.

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  owir sind   ist vorn

olfgang Schaller

Eine Diskussionsrunde. Versammlungsleiter)

Vers.: Nachdem vom Arbeiter bis zum Wissenschaftler hier allereden durften, konnte ich es nicht verhindern, daß nun auch

noch die Künstler über ihre Arbeit sprechen werden. Wenn

auch keine richtigen Künstler, sondern nur Kabarettisten.

Aber Sie wissen ja: Kleinkunst i1nd große Klappe

A: Keine Angst rr sagen nur, was schon gedruckt wurde.

Vers.: So muß es sein.B: rr wollen über unsere Massenmedien sprechen und Gor

batschow zitieren.

Vers.: Heiliger Michail Muß das sein Ich wußte doch, eskommt was Unerwünschtes

C Wer sagt, daß es unerwünscht ist, Gorbatschow zu zitieren?

Vers.: Sagen tut's keiner.

A: Deshalb zitieren wir ihn jetzt mit Vergnügen, und das Ver

gnügen ist so groß, daß wir die Zitate singen.

Alle: Die Musik klin t wie modernster Sound) » rr werden kei

nen einzigen Schritt vorankommen, wenn wir nicht lernen,

den Mut aufzubringen, das Kind beim Namen zu nennen. Ver

logene Phrasen und hohle Prahlerei sind das sicherste Unterpfand des politischen Todes. Wenn sich das Wort vom

Boden der Tatsachen löst, werden all unsere ideologischen

Bemühungen stark beeinträchtigt.«

B: Die Einschaltquote der Aktuellen Kamera beträgt m-zig Pro-

zent.

C Warum vernuschelst du die genaue Zahl?

A: Ich bin Geheimnisträger.

B: rr müssen uns eben etwas ausdenken, damit unsere Werk

tätigen zu Hause nicht einfach ihre Sessel verlassen, wennunser Fernsehen informiert.

C: Interessantere Informationen?

A: Oder Anschnallpflicht

B: Ein Massenmedium, das das Bedürfnis der Massen nach In

formation ingnoriert, wird von den Massen ignoriert.

C: Und ein Medium, das kein Medium für die Massen ist, ist

auch kein Massenmedi11m.

Vers.: Immer auf die gleiche Stelle, injedem Programm das glei

che Thema, und ich wette, im nächsten wieder.Alle: Ja, das geloben wir

9

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12

Peternsikat

ernhard Heisig

985

1. Januar

10. Januar

15. Januar

1985

Die DDR erweitert nach UN-Seerechtskonvention ihr Terri

torialgewässer von drei auf zwölf Seemeilen.

In Leipzig und 5 weiteren Städten treten die Kabarettisten

Dieter Hildebrandt und Werner Schneyder auf.

Die letzten sechs von zeitweilig 168 DDR-Bürgern verlas

sen nach Zusicherung von Straffreiheit die BRD-Botschaft

in Prag wo sie sich seit dem 2. Oktober 1984 aufgehalten

haben. Auch eine Nichte Willi Stophs war darunter•   • . (f . : . j tf.

. . ·

.»Ist·es walir, tlaß man jetzt über r ~ g legal· u s r e i s e n d ~ « · .M i t n i c l a t e n ~ mitnichten.«

· .. ,···

· .21. Januar

27. Januar

30. Januar

6. Februar

7. Februar

• -   .

Lessingpreis an Peter Ensikat verliehen.

Bei den Rennrodel-WM in Obersdorf gewinnt die DDR

Mannschaft acht von neun Medaillen.

DEFA-Filmpremiere >>Die Frau und der Fremde<< nach Leon

hard Frank.

Das Ministerium für Staatssicherheit wird für >>vorbildliche

Pflichterfüllung im Interesse des ganzen werktätigen Vol

kes<< mit dem Karl-Marx-Orden ausgezeichnet.

Das Festkomitee zum 750jährigen Bestehen Berlins konstituiert sich unter Vorsitz von Erich Honecker.

. - _, -

Was ist die tiefste Stelle dei DDR.? · • · · · ·;; . - · - .

Berlin, da sacltt alles hlrl. · ·. - •

.   .„.

8. Februar

9. Februar

9. Februar

13. Februar

15. Februar

22. Februar

28. Februar

DEFA-Kinderfilmpremiere >>Unternehmen Geigenkasten<<.

Katarina Witt holt Gold bei der WM in Göteborg.

In Radebeul eröffnet die Gedenkstätte für Karl May.

DEFA-Filmpremiere >>Meine Frau lnge und meine Frau

Schmidt<< eine Komödie in der Regie von Roland Oehme.

Politbüromitglied Hermann Axen reist nach Bonn um den

Dialog über eine gemeinsame Friedensinitiative fortzuset

zen.

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Zeittafel 985

7. März

10. März

10. März

11. März

14. März

24. März

8.-10. April

16. April

18. April

23./24. April

25. April

26. April

26. April

4. Mai

9. Mai

16. Mai

24. Mai

3.-22. Juni

6. Juni

10. Juni

10.-11 Juni

11. Juni

DEFA-Kinderfilmpremiere >>Gritta von Rattenzuhausbeiuns  

mit Hermann Beyer.

Der sowjetische Staats- und Parteichef Konstantin Tscher

nenko stirbt Bundeskanzler Helmut Kohl und Erich Honek

ker treffen in Moskau am Rande der Trauerfeierlichkeiten zu

einem zweistündigen Meinungsaustausch zusammen.

Katarina Witt holt ihren zweiten Weltmeistertitel in Tokio.

Michail Gorbatschow wird vom Zentralkomitee der KPdSU

zum neuen Generalsekretär der Partei gewählt.

DEFA-Filmpremiere >>Ab heute erwachsen<< 

Erstaufführung von Ernst Barlachs >> Der blaue Ball am

Deutschen Theater Regie Rolf Winkelgrund.

Als erster britischer Außenminister stattet Geoffrey Howe

der DDR einen Besuch ab.

>>Der

Spiegel 

eröffnet in Berlin sein neues Büro. 1978 wardie Ostberliner Dependance von der DDR-Regierung wegen

der Veröffentlichung über eine angebliche Widerstandsgrup

pe innerhalb der SED geschlossen worden  

Premiere des Hölderlinfilms >>Hälfte des Lebens<<mit Ulrich

Mühe und Jenny Gröllmann.

Erich Honecker besucht erstmals ein NATO-Land: Italien. Er

hat eine Audienz beim Papst.

In Torgau verfassen sowjetische und amerikanische Vetera

nen anläßlich des 40. Jahrestages des Zusammentreffens al

liierter Soldaten einen gemeinsamen Friedensaufruf.

Der Warschauer Vertrag wird um 20 Jahre verlängert.

John Heartfield der Begründer der politischen Photomon

tage stirbt in Berlin.

Erich Honecker ist als erster Regierungschef der sozialisti

schen Länder bei Michail Gorbatschow zu Gast.

Uraufführung von Heiner Müllers >>Wolokolamsker Chaus

see 1<< 

Michail Gorbatschows Maßnahmenkatalog zum Kampf

gegen Alkoholismus in der UdSSR wird festgelegt.

In Leipzig eröffnet die rekonstruierte >Pfeffermühle<<.

Tage der chilenischen Kultur in Berlin.

Treffen von Erich Honecker und SPD-Politiker Herbert Weh

ner am Werbellinsee.

Marita Koch wird europäische Läuferin des Jahres 1984.

Der französische Premierminister Fabius besucht Erich Ho

necker.

Parteichef Michail Gorbatschow kritisiert heftig die Wirt-schaftspolitik der KPdSU.

121

;Was war das ~ ~ & ' W i f f i '• o s i t i v e an der .. ·

RegierungszeitTschemenkos?Sie war kurz.

atarina Witt

··Parade auf dem

Roten Platz. Stalinfriert und gibt sei-nem Adjutanten ein

Zeichen   ihm eine

kleine Flasche· Wodka zu reichen.Dieser gibt dasFläschchen an einenneben Stalin stehen

den Jungen Pionierdamit der es weiter

reicht. Der JungePionier schaut aufdas Fläschchen undwirft es auf denBoden. Stalin vollerEmpörung »Was er-

laubst du dir undüberhaupt wie

heißt du? «- »Mi-

chail Gorbatschow. «

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  22

Ein Polizist stehtauf dem Bürgersteigund schaut sich im-

•merzu seme neueUhr an. Eine Fraubeobachtet ihn efueWeile, fragt n n l

freundlicherweis.e·  ;;·.

nach der Zeit. · ·..»Es ist genau«, sagtder Polizist »elf

durch achtundzwan-zig. Aber ausrech-nen müssen Se dasallein «

arry Kupfer

Drei Jungs unterhal-ten sich wer die

schnellsten Autoshat. Der erste be

hauptet: auf jedenFall die Amerikaner.

Der zweite: dieFranzosen. Der drit-te: die DDR.

Warum?»Mein Vater arbeitetbis halb vier und . st ·mit seinem Wart-burg jeden Tagschon um drei inunserem Garten.«

11. Juni

5. Juli

12. Juli

18. Juli

6. August

20. August

23. August

Zeittafel 985

Auf der Glienicker Brücke in Berlin findet der größte Agen

tenaustausch seit 1945 statt. 25 Westagenten werden

gegen vier Ostagenten ausgetauscht.

Neue Vereinbarungen über den innerdeutschen Handel. Der

Swing wird wieder erhöht - von 600 auf 800 Mio. Verrech

nungseinheiten.

DEFA-Kinderfilmpremiere >>Weiße Wolke Carolin<<.

Erich Honecker empfängt den SPD-Bundestags-Abgeordne-

ten Gerhard Schröder.

Die UdSSR ruft einseitig ein Moratorium für alle Atomwaf

fentests aus.

Im Gothaer Schloß eröffnet ein kartographisches Museum.

Der beim BRD-Verfassungsschutz für die Abwehr der DDR

Spionage zuständige Hansjoachim Tiedge setzt sich in die

DDR ab.

29. August DEFA-lndianerfilmpremiere >>Atkins<<.

1 September Zum neuen Schuljahr wird der Schultaschenrechner SR 1

eingeführt er kostet 123 Mark.

1. September Am Rande der Leipziger Herbstmesse treffen sich Erich Ho

necker und der bayerische Ministerpräsident Franz Josef

Strauß.

13. September In Briefen an Bundeskanzler Kohl fordert Erich Honecker

die Abschaffung chemischer Waffen in beiden deutschen

Staaten. Am 2. Oktober antwortet Helmut Kohl auch die

Bundesrepublik sei für die Abschaffung.

17. September Der West-Industrielle Otto Wolff von Amerongen erhält die

Ehrendoktorwürde der Jenaer Universität.

18.-20. September Erstmals nach der Enttarnung des Spions Guillaume reist

SPD-Vorsitzender Willy Brandt wieder in die DDR.

22. September Beim Leichtathletiksportfest in Berlin werden drei Welt

rekorde aufgestellt: Heike Drechsler im Weitsprung UlfTim

mermann im Kugelstoßen Sabine Busch im Hürdenlauf.

24. September Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen beschließt

ihre Umbenennung in >>Evangelische Kirche in der DDR<<.

28. September Uraufführung der Oper >>Judith<< von Siegfried Matthus an

der Komischen Oper Berlin Regie Harry Kupfer.

29. September

1. Oktober

6. Oktober

7. Oktober

Der 100. >>Polizeiruf<< Film wird gesendet: >>Verlockung<<.

In den Automobilwerken Eisenach läuft der einmillionste

Wartburg 353 vom Band.

In Canberra/Australien erzielen Marita Koch über 400 m

und die Damen-Staffel über 4 x 100 mWeltrekorde.

Oberhof wird Stadt - und bleibt bis 1990 die jüngste Stadt

der DDR.

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Zeittafel 985

10. Oktober Erich Honecker zeichnet den griechischen Ministerpräsidenten Papandreou in Berlin mit dem Großen Stern der Völker-freundschaft aus.

15. Oktober In Weißenfels wird das Heinrich-Schütz-Haus der Öffent-lichkeit übergeben. ·

22./23. Oktober Tagung des Warschauer Vertrags in Sofia, Protest gegendas amerikanische SOi-Programm. Vorschlag zum Verbotvon Weltraumwaffen und zur Halbierung des sowjetischenund amerikanischen Waffenpotentials.

30. Oktober Fürst-Pückler-Ehrung zum 200. Geburtstag in Cottbus.

1. November Die DDR-Regierung verkündet, daß alle Selbstschußanlagenund Bodenminen an der deutsch-deutschen Grenze abgebaut sind.

1.-6. November Gold für Torsten Koch (Leichtgewicht) und Henry MaskeMittelgewicht) beim Weltpokal in Seoul.

13.-15. November Besuch des saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine. Die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft(Saarlouis und Eisenhüttenstadt) wird vereinbart.

22. November Konrad Naumann wird als 1. Sekretär der BezirksleitungBerlin seiner Ämter enthoben.

3. Dezember Heinz Keßler löst als Verteidigungsminister den am Vortagverstorbenen Armeegeneral Heinz Hoffmann ab.

6.-8. Dezember Erstmals finden in Weimar Jazz-Tage statt.

16. Dezember Auf einer Polenreise vereinbart Erich Honecker ein >>lang

fristiges Programm der Zusammenarbeit<<.

20. Dezember Die erste Folge des Mehrteilers >>Sachsens Glanz und Preußen Gloria<<mit hochkarätiger Schauspielerbesetzung wirdausgestrahlt. Dietrich Körner als August der Starke.

31. Dezember Sensation im DDR-Fernsehen. In der Silvestershow tretenerstmalig Tänzerinnen >>oben ohne   auf ...

1985 verlassen 24 912 DDR-Bürger das Land.

Sportler des Jahres:

Marita Koch(Leichtathletik)

Jens Weißflog(Skispringen)

Leichtathletik-National

mannschaft der Frauen

Torschützenkönig der

Oberliga:

Rainer Ernst vom BFCDynamo mit 24 Treffern

Fernsehlieblinge:

Herbert KäferHeinz RennhackPetra Kusch-LückAlfred Müller

Angelika UnterlaufMuckHelga GöringHeinz Florian OertelWalter PlatheJürgen Karney

neue Bücher:

Volker Braun>> Hinze-Kunze-Roman

Christoph Hein>>Horns Ende<<

Erik Neutsch>>Der Friede im Osten <<

Stephan Hermlin>>Äußerungen<<

Helga Schubert>>Und morgen wieder  

23

Oberliga Plazierung

1985

1. BFC Dynamo2. SG Dynamo Dres-

den3. 1 FC Lok Leipzig4. Wismut Aue5. 1. FC Magdeburg6. FC Rot-Weiß Erfurt7. FC Carl Zeiss Jena

8. FC Vorwärts Frank-furt/O.9. FC Karl-Marx-Stadt10. FC Hansa Rostock11. Stahl Brandenburg12. Stahl Riesa13. Chemie Leipzig14. Motor Suhl

große Hits:

>> Mein Weg<<Stern Meißen

>>Zeit die nie vergeht<<Perl

>>Steigen Nebel<<Lift

>>Rock n Roll ist meinBegleiter<<Puhdys

>>Gute Nacht<<Pankow

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-

  24

Honecker hat seinenChirurgen verhaftenlassen.

Er wollte sich inseine inneren An-gelegenheiten ein-mischen.

\

Fritz remer

Zeit t afel 986

986

10. Januar Erich Honecker empfängt Vertreter des US-Repräsentanten

hauses und führt mit ihnen Gespräche über die weltpoliti-

sche Lage und die Beziehungen zwischen beiden Staaten.

11.-12. Januar Andrea Schöne-Ehrig gewinnt in Norwegen die EM im Eis

schnellauf Mehrkampf) über 5000 m mit Weltrekordzeit.

24. Januar DEFA-Kinderfilmpremiere >>Der Bärenhäuter<<.

31. Januar In einem Interview mit der ZEIT erklärt Erich Honecker: >>Es

ist geradezu ein Glück für die Menschheit, daß es zwei

deutsche Staaten gibt.<<

7. Februar

10. Februar

11. Februar

Der zweiteilige Fernsehfilm >>Ernst Thälmann<< mit Helmut

Schellhardt in der Titelrolle und Günter Grabbert als Wilhelm

Pieck wird ausgestrahlt.

Die DDR erweitert die Reisemöglichkeiten in dringenden

Familienangelegenheiten.

Auf der Glienicker Brücke zwischen West-Berlin und Pots

dam werden ein sowjetischer Regimekritiker Anatoli

Schtscharanski sowie drei westliche Agenten gegen fünf

östliche Agenten ausgetauscht.

. e n n e ~ Sie schon das i ~ u e Nationalgericht der DD.R? ·· · . · ·· e d ä ~ p f t e Zunge · · .. . · . . : • . . · „ . . . , ·

• .   . „ , . • . .

16.-23. Februar 16. Festival des politischen Liedes, Pete Seeger ist zu Gast.

18. Februar In Karl-Marx-Stadt eröffnete eine Ausstellung mit Werkenvon Fritz Cremer anläßlich seines 80. Geburtstages.

19. Februar

1.-2. März

4. März

7. März

17. März

Der Präsident der DDR-Volkskammer, Horst Sindermann,

trifft zu einem viertägigen Besuch in Bonn ein. Er ist der

ranghöchste DDR-Politiker, der bisher die Bundesrepublik

besucht hat.

Monique Garbrecht erringt in St. Foy Kanada) den Junio

ren-WM-Titel im Eisschnellauf Mehrkampf).

Erstmals gastiert mit der Staatskapelle Berlin ein sinfoni

sches Orchester aus der DDR in Australien.

Das Jugenradio DT 64 wird eigenständiger Sender und ist

von 13 bis 24 Uhr zu empfangen.

Alexander Lang inszeniert Strindbergs >>Totentanz<< am

Deutschen Theater und liefert damit gleichzeitig seine letz

te Regiearbeit in der DDR ab.

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Zeittafel 986

4. April Einweihung des Marx-Engels-Forums in Berlin.

16. April Anläßlich des 100. Geburtstages von Ernst Thälmann wird

das in Thälmann-Denkmal von Lew Kerbel in der neuerer

bauten Wohnsiedlung Thälmann-Park in Berlin eingeweiht.

17.-21. April XI. Parteitag. Als Gastredner erklärt Gorbatschow, Selbst

kritik sei eine unablässige Bedingung für den Erfolg. Be

schluß des Fünfjahrplans.

25. April

26. April

Saarlouis und Eisenhüttenstadt gehen die erste deutsch

deutsche Städtepartnerschaft ein.

Atomunglück in Tschernobyl.

Im nächsten Frühjahr wird aus den Wolken das radioaktive Stronti m 90 aus den sowjetischen Atomexperimenten abregnen. Als

Genosse Schrader das erfährt, sagt er stolz: »So sind unseresowjetischen Freunde. Nun schicken sie uns unser Uran wieder

nach Sachsen zurück «6. Mai

9. Mai

27. Mai

6. Juni

8. Juni

13. Juni

18. Juni

19. Juni

21. Juni

25.-27. Juni

Das Kulturabkommen zwischen DDR und BRD wird nach

zwölfjährigerVerhandlung unterzeichnet.

Schreiben von Angehörigen der autonomen Friedensbewe

gung an Erich Honecker mit der Forderung nach einem kon

struktiven Dialog.

Sportjournalisten und die Olympische Gesellschaft organi

sieren die massensportliche Aktion >>Dein Herz dem Sport

stark wie ein Baum<<

In der Regie von Roland Oehme nach einer Vorlage vonRudi Strahl hat der Film >Je t aime, cherie<< Premiere.

Wahlen zur 8. Volkskammer.

Dean Reed stirbt. Die Ermittlungen ergeben, es war Selbst

mord. Trotzdem gibt sein Tod Anlaß zu Spekulationen.

Weltrekord von Heike Friedrich über 200 m Freistil.

Uraufführung der Kinderoper Sechse kommen durch die

Welt<<von Wolfgang Hocke und Jo Fabian in Meiningen.

Heike Drechsler springt mit 7,45 mWeltrekord in Tallin.

Erich Honecker trifft zu einem dreitägigen Staatsbesuch in

Schweden ein. Vertreter beider Länder unterzeichnen Ver

träge zum Ausbau des Handels und zu Rechtsfragen.

Honecker geht auf dem Alex spazieren und trifft eine Frau, die

über und über mit vollen Einkaufstaschen beladen ist. Er sprichtsie an und meint: »Na gute Frau, da haben Sie aber fleißig eingekauft.«»Ja, ja<< sagt sie. »Ich mußte aber drei Stunden dafür anstehen «»Denken Sie mal an die anderen Länder«, entgegnet Honni, »die

müssen einen ganzen Tag für einen Schluck Wasser anstehen.«Sagt die Frau: »Die haben bestimmt schon viel länger Sozialismusals wir.«

25

/

Michail orbatschow

Margot Honeckersieht fem. Plötzlichruft sie Erich in derKüche zu: »Erich,

Erich, komm schnell,die Mathieu singt « -»Wieso? Ist das einSchiff von uns?«

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  26

UdoBeyer

Die OstasienreiseErich Honeckerswar eine der lehr-

. reichsten. Er brach

t folgende Erkenntnisse mit nachHause: Erstens ausKorea daß einStaatschef sich nochviel mehr feiern las

sen kann. Zweitensaus Cina daß maneine Mauer noch viellänger dicker undhöher bauen kannUnd aus der Mongo-lei daß man außerhalb der Hauptstadtauch in Zelten lebenkann. ,

5. August

Zeittafel 986

Zum 25. Jahrestag des Mauerbaus erscheint eine Sonderbriefmarke: Kampfgruppen vorm Brandenburger Tor. DieBundespost will Briefe, auf denen diese Marke klebt, nichtbefördern.

Zwei Grenzer auf Streife an der Mauer mit Blick auf den Westen ...

»Was denkst denn du gerade so?«»Das Gleiche wie du .. .«. .

»Dann muß ich dich leider festnehmen.« ·

20. August

25. August

29. August

Weltrekord im Kugelstoßen durch Udo Beyer.

In der DDR wird die Verwendung von Eurochecks zugelas -sen.

Drei Ostberliner fliehen mit einem Kieslaster am CheckpointCharlie nach Westberlin.

4.-7. September Uwe Ampler erringt den Weltmeister-Titel im Straßenfahren

in Colorado Springs USA).15. September Protestaktion von Greenpeace-Aktivisten vor dem DDR-Um

weltministerium. Die Volkspolizei beendet die Aktion binnen Minuten, die Protestler werden nach West-Berlin abgeschoben.

2. Oktober Die Fährverbindung zwischen Mukran auf Rügen und demsowjetischen Klaipeda wird eröffnet.

3. Oktober Treffen von Honecker und Gorbatschow in Moskau. Gorbatschow plädiert für eine Umgestaltung des RGW. Es gebe>>viele Nichtstuer<<. Ein Interview des Schriftstellers Jewtu

schenko im West-Fernsehen, in dem für die Einheit Deutsch lands eintrat, veranlaßt Honecker zu der Äußerung, mansolle >>diese Leute in Sibirien auftreten lassen<<. Gorbatschow und Honecker weihen gemeinsam in Moskau einThälmann-Denkmal ein.

Honecker hat sich den Arm gebrochen.Er wollte sich auf sein Volk stützen.

3. Oktober Mit dem >>Rosenkavalier<< wird das Jugendstiltheater inCottbus nach fünfjähriger Rekonstruktion wiedereröffnet.

12. Oktober Im Potsdamer >>Neuen Palais wird die seit August gezeigte Ausstellung >>Friedrich II. und seine Kunst  aufgrund desstarken Besucherandranges verlängert.

18.-28. Oktober Offizieller Freundschaftsbesuch Erich Honeckers in der Mongolei, in Nordkorea und in der Volksrepublik China, wo einAbkommen über langfristige Zusammenarbeit unterzeich net wird.

30. Oktober In Ost-Berlin wird die Ausstellung >>Positionen. Malerei ausder Bundesrepublik Deutschland<< gezeigt.

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Zeittafel 986

12 November Die DDR und die BRD einigen sich darauf, kriegsbedingt

verlagertes Archivgut zurückzuführen.

15. November Nach eingehender Renovierung Wiedereröffnung der Deut

schen Staatsoper in Berlin.

21 November Bei einem Fluchtversuch mit einem LKW werden zwei Män

ner an der Mauer erschossen.

27. November Die Volkskammer beschließt den Fünfjahrplan 1986-1990.

Anstelle der geplanten Exportüberschüsse muß zunehmend

importiert werden, die Zahlungsbilanz wird weiter belastet.

Warum gibt es auf unseren Straßen so viele Schlaglöcher?

Wrr haben noch keinen Grund gefunden sie zu exportieren.

29.-30.11. Einweihung der zweiten Kunsteis-Bob-und-Rennschlitten

bahn der DDR die achte der Welt) in Altenberg.

1 Dezember Die DDR-Grenztruppen begehen ihren 40. Jahrestag.

6 Dezember In Saarbrücken wird eine Ausstellung über >>Bücher in der

DDR mit mehr als 20000 Titeln eröffnet.

12. Dezember Eine Tupolew 134 der AEROFLOT aus Minsk stürzt beim

Landeanflug auf Schönefeld ab. Bohnsdorfer Bürger können

12 Passagiere aus dem brennenden Wrack retten. 72 Tote,

darunter 20 Kinder.

15.-19. Dezember UNESCO-Symposium über Künstler im Dienste des Frie

dens in Potsdam.

16. Dezmeber Der in einem Lager bei Gorki inhaftierte Dissident Andrej

Sacharow wird entlassen.

17. Dezember In Moskau wird eine Ausstellung mit über 300 Werken von

Werner Tübke eröffnet.

1986 verlassen 26178 Menschen die DDR.

Sportler des Jahres:

Heike Drechsler

Leichtathletik)

Olaf LudwigRadsport)

Fußball-Junioren-Aus

wahl

Torschützenkönig der

Oberliga:

Ralf Sträßer vom

1. FC Union Berlin mit

14 Treffern

Fernsehlieblinge:

Walter Plathe

Helga Hahnemann

Petra Kusch-LückHelga Piur

Heinz Rennhack

Muck

Frank Schöbel

Herbert Käfer

Helga Göring

Marijam Agischewa

neue Bücher:

Hermann Kant

>>Bronzezeit

Erwin Strittmatter>>Grüner Juni

Eva Strittmatter

>>Mai in Piestany<<

Joachim Nowotny

>>Der Popanz

Helga Königsdorf

>>Respektloser Umgang<<

Stefan Heym

>>Reden an den Feind

27

Oberl iga-Plazierung

1986

1. Berliner FC Dynamo

2 1 FC Lokomotive

Leipzig

3 FC Carl Zeiss Jena

4 1 FC Magdeburg

5. BSG Stahl Branden-

burg

6. Dynamo Dresden

7 1 FC Union Berlin

8. FC Karl-Marx-Stadt

9 FC Vorwärts Frank-

furt

10. FC Rot-Weiß Erfurt

11 BSG Wismut Aue

12. BSG Stahl Riesa

13. Hansa Rostock

14. BSG Sachsenring

Zwickau

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>>Rosalili

Rosalili

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Karussell

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Nachweise

Die Karikaturen stammen von

Peter Bauer: 45

Heinz Behling: 15, 29 31, 38 70 111

Manfred Bofinger: 8 11, 22 SO 51 1 o. 98, 99 109, 113 u.

Henry Büttner: 17

Peter Dittrich: 76 81Hans Joachim Eggstein: 63

Barbara Henniger: 12, 18, 20 39, 40 r. 48 51 r. o. 75 89 u., 96

Heinz Jankofsky: 42, 67, 69 118

Harald Kretzschmar: 120, 121, 122, 124, 125, 126

Cleo-Petra Kurze: 101 o.

Willy Moese: 102

Lothar Otto: 51 u. 92, 101 u.Harri Parschau: 40 1. 78 o./ u., 87 101 m. 103, 106

Louis Rauwolf: 33, 36, 53, 64, 65 o. 68, 115, 117

Horst Schrade: 23 61 65 u., 89 r. 94, 113 m.

Karl Schrader: 47 58 83, 105

Wolfgang Schubert: 24

Reiner Schwalme: 59

Fotos:

Hans-Ludwig Böhme: 66Günter Gueffroy: 73

Klaus Wmkler: 27

Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Texte danken wir

den Autoren, Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns ge-

lungen, Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Honoraransprüche bleiben gewahrt.

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