sternstunden des ddr- humors / 1987 - 1988
Embed Size (px)
TRANSCRIPT

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 1/136
Vo ärts immer rückwärts nimmer

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 2/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 3/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 4/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 5/136
Die Jahre 1987-1988: Vorwärts immer, rückwärts nimm r
•

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 6/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 7/136
•
987 988
v rwä r ts immer
rüc wär ts n immer
eltbild

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 8/136
4
„ / „ „• •
Hans-Günther Pölitz, Der Fortschritt ist hinter uns her 7
1 Kapitel: Vorwärts immer rückwärts nimmer 9
John Stave
Wie wir uns selbst verwalten 10
Hans-Günther Pölitz
Was nun? 2
Jochen Petersdorf
Motiv 18
Matthias Biskupek
Nachba.rin Hümpe erläutert die Grußerweisung 19
2 Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes
Humorvolles aus dem Alltag 23
rnst Röhl
Eine lehrreiche Geschichte 24
Manfred Strahl
Der totale Wettbewerb 28
Jochen Petersdorf
Schreiben Sie doch mal 32Hansgeorg Stengel
Aller guten Affen sind drei 34
rnst Röhl
Pardon wird nicht gegeben 35
Johannes Conrad
Die kleinen, wilden Kaffeemaschinen
Jochen Petersdorf
Datschen-Kino
3 Kapitel: Lernen lernen nochmals lernen
Als wir Schüler und Pioniere waren
Heli Busse
Mein Wunderkind
Ottokar Domma
Unser Freundschaftstreffen
38
42
43
44
49

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 9/136
Inhalt
Jochen PetersdorfFrühes Leid
Thomas Reuter
Meine pädagogischen Fähigkeiten
Ottokar Domma
Wasist
Glück?
4 Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen
52
54
56
Wir Werktätigen in Stadt und Land 57
Ernst Röhl
Zur eier des Tages 58
Manfred StrahlIdeen muß man haben 62
Klaus LettkeAlles aufeinander eingespielt 66
Alfred Schiffers
Laien Spiel 70
5. Kapitel: Heißer Sommer
Von Ostseestrand Datsche un Jugendclubs . . 71
Lothar Kusche
Keine Reise ohne Zange 72
Jochen PetersdorfSammerteim 74
Matthias Biskupek
Unser Freizeitfreiluftmobiliar 76
Jochen PetersdorfUnter fremden Menschen 78
Heli Busse
Am Waldsee 80
6 Kapitel: Höher schneller weiter
Sportlich sportlich 85
Jochen PetersdorfSport Klauberei 86
Hans Dieter Kern
Fußball auf unserer Klitsche 88
5

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 10/136
6
Klaus LettkeAnglerglück
7 Kapitel: Unter vier AugenÜber Verliebte und Verheiratete
Angela GentzmerKurschatten
Ottokar DommaWie man die Frauen hrt
Irn1gard Abe
Ewig diese verfluchte Schlamperei
Jochen PetersdorfGewichtgedicht
Lothar KuscheHugos Hochzeit
8 Kapitel: Wo wir sind ist vorn
Es geht seinen sozialistischen Gang
Matthias Biskupek
Mein Selbst Vertrauen
Wolfgang Schaller
Die StimmungsliederrnacherManfred Strahl
Der Staatsbesuch
Hans Günther PölitzGewöhnungssache
Zeittafel
Rechtliches
•
nhalt
91
93
94
96
1
1 4
1 5
1 7
1 8
112
114
118
12
128

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 11/136
ineLachnummer
Das Jahr 1988 ist traurig. Weil es nicht so berühmt ist wie das Jahr 1989. Deshalb haben ihm die Buchmacher auch das Jahr 1987 an die Seite gestellt. Gemein
sam sind sie stark. Und zwar betroffen vom Zerfall dessen, was sich einmal DDRnannte. In der Sowjetunion tobten schon seit geraumer Zeit Glasnost und Perestroika. In der DDR tobte dagegen das Politbüro: »Würden Sie wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?« Mit diesem Spruch ging Chefideologe Kurt Hager 1987erst als »Tapeten-Kutte« in die Geschichte ein und zwei Jahre später völlig unter.Unsere Tapetenindustrie war schon mit den alten Bahnen völlig überfordert, geschweige denn mit neuen. Statt das Brett zum Tapezieren aufzustellen, trug manes lieber vor dem Kopf. Es wurde weiter gelebt im Sozialismus in den Farben der
DDR: Schwarz-Rot-Gold. Die Bürger ärgerten sich schwarz, die Funktionäre sahenrot und versprachen eine goldene Zukunft. So zirkelte man sich im Kranz derÄhren über die Zeit bis der Hammer fiel.Aber vorher wurden noch einmal kräftig Geschenke verteilt. 1987 schenkte ErichHonecker seinen Landeskindern mehr Kindergeld und Udo Lindenberg eine Schalmei. Dieser hatte ihm vorher bereits eine Lederjacke geschenkt. Die aber Erichnicht anzog, als ihm Helmut Kohl einen Empfang in Bonn schenkte. Die DDRschenkte der Welt dann noch den ersten Megabit-Chip Made in GDR. Da war derWurm drin. Denn unsere Mikroelektronik war nicht kleinzukriegen. Kleinkriegenwollte man dagegen alle kritischen Stimmen. Im Sommer 1988 fanden noch die22. Arbeiterfestspiele im Bezirk Frankfurt/Oder statt. Sie waren die letzten. Danach stand den Werktätigen der Sinn weniger nach Musizieren, Fotografieren undRezitieren. Sie wollten lieber diskutieren, protestieren und demonstrieren. ImNovember 1988 stürzte der sowjetische »Sputnik« wegen zu kritischer Äußerungen aus dem Himmel des DDR-Postzeitungsvertriebs. Hilflose Parteisekretäre begründeten in ihren Parteigruppen das Nichterscheinen damit, daß die Züge wel-
ehe die Hefte in die DDR transportieren sollten, auf sowjetischem Territorium imSchnee steckengeblieben wären. Im Schnee schon, aber in dem den die Parteiredete. Damit löste sie wieder eine Eiszeit aus. In dieser wurden zum Beispiel
die meisten Kabarettprogramme, die Ende 1988 auf die Bühne kommen sollten,»wegen künstlerischer Mängel« aus dem Verkehr gezogen. Eine Lachnummer.Aber der Volkswitz ließ sich nicht unterkriegen, und so spiegelt sich die Zeit sehrschön in folgendem wieder: Die USA die Sowjetunion und die DDR wollen gemeinsam die Titanic heben. Die USA interessieren sich für den Goldschatz undden Iresor mit den Brillanten. Die Sowjetunion interessiert sich für das technische Know-how. Und die DDR interessiert sich für die Band, die bis zum Untergang noch fröhliche Lieder gespielt hat.
Hans-Günther Pölitz

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 12/136
8

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 13/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 14/136
1 orwärts imm r rückwärts nimmer
John Stave
Wio w t i 11s solJOst 11 1wa1Jto11
Vor zwei Jahren haben wir unser Mietshaus in die eigenen
Hände genommen. Mieterselbstverwaltung nennt sich das, undich wunderte mich schon, daß keiner stutzig wurde, als der bis
dahin zuständige Verwalter der KWV nach geleisteter Vertrags-unterschrift sich verstohlen die Hände rieb. Aber wir sind ja
auch ein recht intellektuelles Haus, alles Leute, die Beacht-liches auf theoretischem Gebiet leisten, also nicht direkt pro-
duktiv, und sogar ein Professor ist dabei sowie ein Zahnarzt.
Einer aus dem Haus liest den ganzen Tag nur Bücher, lebt aber
auch. Zwei haben Autos, einer einen Trabant. Und noch einerwird jeden Morgen mit einem Volvo abgeholt und abends wie-
der nach Hause gebracht. Das nur mal zur Illustration. Noch
was: Im zweiten Stock wohnt eine Schauspielerin. Sie möchte
Übrigens unser Hausrasen siehtaus wie ein englischer Fußballplatz.
aber in diesem Zusammenhang ausnahmsweise
einmal nicht genannt sein.Und nun können Sie sich vorstellen, wie das ist,
wenn wir als HGL zusammentreten und uns selbst
verwalten. Ach halt Beinah hätt ich noch einen vergessen, der
etwas aus dem Rahmen fällt. Ein praktischer Mensch: AlbertKunze . Der ist von Beruf Weichenausspüler bei der Straßen-
bahn. Er macht das mit noch einem Kollegen, und da fahrensie dann mit so einer kleinen Nuckelpinne von Auto alle Wei-
chen ab und spülen sie aus. Und an dem Auto steht dran: Vor-
sicht, Schienenfahrzeug Das haben Sie sicher schon mal ge-
lesen. Also dieser gute Albert, der schmeißt unsern Laden im
Grunde. Er eröffnet die Sitzung, begrüßt alle, und dann sagter, daß unser Limit eintausendzweihundert beträgt. Das hört
sich natürlich nach etwas an; und so spendet unser Professorauch gleich begeistert Beifall. »Das ist eine gute Sache « ruft
er entzückt.»Das ist großer Mist « sagt hingegen Albert, und ein bißchen
Leid umwölkt seine Stirne. Sie müssen wissen, daß unser Haus
mittlerweile fünf Jahre alt geworden ist, und nun zeigen sich
natürlich langsam die ersten Zerfallserscheinungen. Nehmenwir nur mal die Fensterkreuze. Da ist die Farbe runter. Aber
das wäre weiter nicht schlimm, hat Albert gesagt. An zwei Wo-
chenenden könnte er das schon in Ordnung bringen. Und wenn
vielleicht noch jemand hülfe, ginge es sogar schneller. Aber

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 15/136
Vorwärts immer rückwärts nimmer
wie gesagt, wir sind alles mehr Theoretiker, mehr Arbeiter desGeistes eben und weniger der Faust. Und dann die Sache mitden Badeöfen - puh Sechs Stück auf einen Schlag im Eimer.
Das macht eintausendzweihundert »Großer Mist«, sagt Albert.Und er denkt scharf nach. Was an sich unsre Sache wäre. Aberer hat das Denken wahrscheinlich als Hobby, und so macht esihm Spaß. Übrigens: Unser Hausrasen - große Klasse. Siehtaus wie ein englischer Fußballplatz. Das macht alles Albert.Seine Frau hilft ihm tüchtig. Und Blumen haben sie auch ausihrer Laube herangeschleppt. »Natürlich müssen erst die Ba-
deöfen in Ordnung gebracht werden. Vielleicht lassen sich einpaar doch noch reparieren. DasGeld, das wir einsparen, nehmenwir für Farbe. Und dann streichenwir zuerst einmal die schlimmstenKreuze«, sagt Albert.»Also mein Kreuz nach vom raussieht verheerend aus«, sagt die
Schauspielerin, »aber ich bin am
Wochenende nicht zu Hause. Kön-
nen Sie nicht mal am Tage pinselnkommen?« Der Zahnarzt lachtschallend und schlägt sich dabei
auf die Schenkel.Der Professor kichert mit, weißaber nicht, worum es geht. Albertnotiert sich schweigend den Mitt-
wochnachmittag, da h t er einpaar Überstunden abzubummeln. Er erhält von der Schauspielerin eine Westzigarette. »Herr Doktor«, sagt Albert, »Sie
wollten doch mal einen Farblichtbildervortrag über IhreJugoslawienreise halten?«
»Mein lieber Albert«, sagt der Zahnarzt bedauernd, »ich binleider noch nicht dazu gekommen, die Dias zu rahmen.«»Schicken Sie uns den ganzen Ramsch rauf, meine Frau undder Junge können das erledigen«, sagt Albert. So gesehen isteine Mieterselbstverwaltung gar nicht von der Hand zu weisen.Ich selbst bin im Grunde kein ausgesprochener Intellektueller.Ich bin Verwalter bei der KWV aber in einem ganz anderenStadtbezirk. Und ich kann Ihnen sagen: In meinen Häusernläuft alles ·
S CHBE RBEITfR·.FÜR
KRITIS HE HINW IS

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 16/136
2
Das Neue Deutschland erscheint mitdrei neuen Seiten:Auf Seite einssteht, was gemachtwerden muß, aufSeite zwei, wie esgemacht werdenmuß, und auf derdritten Seite sindschwarz umrandeteKästchen. Das sinddie, die es versucht
haben.
Vorwärts immer rückwärts nimmer
Hans Günther Pölitz
Brennende Fragen unserer Zeit
Aus dem Programm des Amateurkabaretts »Die Zange«
(Aus dem Off ist ein Gespräch mit folgendem Wortlaut zuhören)A: Ist denn nun draußen schon Licht, oder was?B: Nein, ist noch alles dunkel.C: Meine Güte, wie lange sollen wir denn noch warten?A: In der Dunkelheit werden uns doch die Leute unruhig. Ich
gehe jetzt einfach mal raus.
D: Bist du verrückt? Die Anweisung lautet: Erst wenn obenLicht gemacht wird, sollen wir anfangen zu reden.A: Ich habe keine Lust mehr zu warten. Ich gehe jetzt raus, mal
nachsehen.B: Komm zurück(Auf der Bühne, die immer noch dunkel ist)A: Mensch, was ist denn los? Pennen die da oben an der Lei-
tung?D: Mäßige dich, du schockierst die Zuschauer.
A: Wieso?D: Unsere Menschen sind es nicht gewohnt, daß über Fehler-quellen in der Öffentlichkeit diskutiert wird.
A: Das merkt doch eh jeder, daß hier was nicht klappt.D: Also brauchst du auch nicht extra drüber zu reden.A: Du redest wie unsere Zeitungen.B: rr wollten doch in diesem Programm ohne Massenmedien
auskommen.A: Bei solcher Berichterstattung kommt man sehr gut ohne
Massenmedien aus.B: Eigott, wenn die an der Leitung nicht bald Licht machen, re
dest du dich hier noch um Kopf und Kragen.C: Was ihr bloß habt? Unsere Massenmedien sagen doch alles.
Wenn auch mit anderen Worten.
A: Wenn ich etwas mit anderen Worten formuliere, dann ist daskeine Infonnation, sondern eine Fabel.
C: Na, dann stimmt doch der Satz, daß der DDR-Bürgerfabelhaft informiert wird.
B: Mensch, nun macht doch mal mehr Licht

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 17/136
Vorwärts immer rückwärts nimme r
C Das waren schon Goethes letzte Worte.B: »Den Gedanken Licht « Das forderte auch Erich.Alle: ?????????????????????B: Weinert.D: Wollten wir nicht heute über brenzlige Fragen der Gegen
wart sprechen?••
A: Uber brennende, du Knallo.C Wenn die Fragen brennen, dann müßte doch hier mehr Licht
•sem.A: Dann laß doch deinen Geist leuchten.C Nee danke, ich stehe lieber im Dunkeln. Als leuchtendes
Beispiel abzufackeln,ist mir zu gefährlich.
A: Aber nach mehr Licht
schreien.C Ich habe keinen Tongesagt. So wie s ist,wird es schon seineRichtigkeit haben.
E: (durch die Saaltür inden dunklen Saal kom
mend) Heh ... Hallo ...Hört i r mich?
B: Was machst denn duda drüben?
E: Ich bin in der Dunkelheit den falschen Weggegangen.
A: rr begrüßen unseren Sowjetbürger.E: Wieso Sowjetbürger?
•
A: Ich dachte nur, weil du in aller Öffentlichkeit zugibst, daßdu was falsch gemacht hast.
B: Der tappt im Dunkeln und hat trotzdem noch den Weg ge-
funden.D: Du bist für eine Leitungsfunktion geborenA: Apropos Leitung Wann machen die denn nun das Licht an?B: Vielleicht verstehen die unsere Sprache nicht?E: Dann versucht's doch mal mit sowjetisch (peinliche Pause,
zu A) Na komm, du hast doch am lautesten nach Licht ge
schrieen. Nun mach mal••
A: Ah ... äh .. Lampa kaputt ...E: Nix Lampa kaputt. Du kaputt. Kann denn hier keiner die
Sprache der Bolschewiki?
- 3

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 18/136
4 Vorwärts immer rückwärts nimmer
D: Wir können mehr so die Sprache von Bernhard Wicki.
C Oder Leandros Vicki ...
E: Da haben wir nun 38 Jahre lang agitiert: Von der Sowjet-union lernen, heißt siegen lernen. Und dann haben wir nicht
mal die Sprache gelernt.
B: Gelernt schon, bloß können kann's keiner.A: Hat doch keiner geahnt, daß man die mal so plötzlich brau-
chen könnte.
E: Es ist doch nicht das erste Mal, daß uns die Entwicklung
klar macht, was wir versäumt haben.
D: Mensch, sei bloß froh, daß es hier so finster ist. Wenn das
einer sehen würde, was du redest.E: Oder hören würde, wie ich aussehe. (geht an die Rampe) To-
warischtschi, wkljutschitje swet (Licht geht an)
A: Ich werde verrückt, die russische Variante geht.
E: Wissen ist eben Macht.Unsere Menschen ja das weiß ich
arbeiten tagtäglich fleißig.B: Jetzt gucken die alle auf uns.E: Mit Recht. Wer im Licht steht, muß auch ein
Programm haben.
•
B: Jetzt muß aber was losgehen.C Der Pianist fehlt.
A: Nun stehen wir im Licht und nichts geht los.
D: Wären wir im Dunkeln geblieben, hätten wir uns jetzt schön
zurückziehen können.
C (zu E) Das hast du uns eingebrockt mit deinem Russisch.
E: Ich? Ihr habt doch nach Licht gebrüllt. Hättet ihr lieber or-
ganisiert, daß alle Voraussetzungen da sind.
C Wie kann ich denn im Dunkeln sehn, was uns fehlt?
D: Was machen wir denn nun ohne Musik?
B: Da singen wir eben nicht, sondern reden bloß drüber.
C Da merkt doch auch der Letzte, daß uns was fehlt.
A: Da kommt vielleicht 'ne Stimmung auf.B: Und wie fangen wir die ab?
C Das beste ist, wir machen das Licht wieder aus. (Licht gehtwieder aus)
A: Komisch, die Verdunklung funktioniert in Deutsch.
C Ich habe doch gleich gesagt: »Brennende Fragen unserer
Zeit«, das ist nichts fürs Kabarett. Die Satire bringt doch
mehr durcheinander, als die Politiker ...
B: Na, na, na
C ... je wieder geradebiegen können. Ihr müßt einen mal aus-
reden lassen

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 19/136
orwärts immer rückwärts nimmer
D: Ich könnte zum Beispiel ein zündendes Referat halten über
brennende Fragen. Hier ist meine Wortmeldung. gibt A einen
Zettel)A: Denkste, ich kann das im Finstern lesen? Macht doch mal
Licht an. Jetzt geht das wieder nicht. Wie hieß das?
E: Towarischtschi, wkljutschietje swetA: (stockend) Towarischtschi, wklu-jschtsch-iete swet (Licht
geht an)
E: Klingt noch bißchen unbeholfen, aber du siehst, der gute
Wille wird belohnt.
A: Sie hören jetzt ein Referat zum Thema: »Was rührt das Ka-
barett in den Problemen unserer Zeit. «
C (schaut auf den Zettel) Was rührt das Kabarett an den Pro-
blemen unserer Zeit.
A:Oder
so.Es spricht ein hoher Funktionär, einer mittlerenEbene.
D: Mir sträuben sich sehr oft die Haare,wenn ich vom Cabaret erfahre.Die treiben alles auf die Spitze,
Und fragen nicht, ob's uns auch nütze.
Die machen auf der Bühne Witze,daß ich m Saale unten schwitze.
Drum fragend ich zum Chef hinseh -
Gehört denn das ins Cabaret?
Zum Beispiel Zeitung, Rundf11nk, Fernsehn,
In denen w r uns selber gern sehn,
Werden hier mit Spott bedacht.Und ich weiß nicht, worüber lacht
der Bürger abends nach halb achtim Saale schallend oder sacht.
Und der Gedanke u mir weh -
Das muß nicht sein m Cabaret.
Oder nehmen w r die HauptstadtDie doch jeder Bürger gern hat.
Nur die Witzler stelln sich quer,
behaupten, keiner freut sich mehr,
wenn von allen Orten her
abgezogen mehr und mehr
protzig in der Hauptstadt steh -
das muß.nicht ins Cabaret.
- 15
Honecker, Reagan
und Gorbatschow
sind zu Besuch beiGott. Jeder vonihnen hat eine
Frage frei. Fragt
Reagan, was mit
den USA im Jahr2000 sei. Nun sagt
Gott, die USA sind
im Jahr 2000 sozialistisch Da geht
Reagan in die Eckeund weint bitter
Fragt Gorba-
tschow, was mit
der UdSSR im Jahr
2000 sei. Nun die
gibt es nicht mehr,
die wurde Groß-
China einverleibt.
Da geht Gorba-
tschow in die,Eckeund weint bitter
lich. Zuletztwill
Erich wissen, was
denn mit derDDR
im Jahr 2000 sei.Da geht Gott in die
Ecke und weint bit
terlich.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 20/136
6
' '· • • • • • .
, »Sienst du ,eine · . .: ,·· Chance, ·daß das . .· ··
J?olitbüro mal ,a:ö- · . ·d ~ t ; . . . • ' <. ,. ,\.
, ~ D o c h ätirchaus.« , ·
· .»Un d wie soll das .··.· \.. r . . . . .
· gebe'u?. · • . · ·. . '
· »Es gibt eine n t f u .· liche und ·eine über;. ..·
' ' .
„· t ~ l l e l i e :Variante.
' bie natiirliclie ist, · ·' .
• daß Engel vom . .. ,Hlmm.el kommen · .
' , . ' .: '
.. : lind jeder ein Polit„
.· blir9mitglied ·an die .''· ' .
;.Hand. nimftit,und .· ·' .
· in den Himmel · : · ·· b„nn·rrt « . . · · · · · ·' ,'
> btnd die übematür-· „.1 i c n e « „ , · ·.
,. . .
.»Daß ·sie·in den „ .. .., . ·
. Runestand gehen.« . . . ' .. '' . .
__ ... ...
Vorwärts immer, rückwärts nimmer
Daß die DDR ein saubres Land,
Ist wohl der ganzen Welt bekannt.
Die Lästerer jedoch sehn Wälder sterben
Und unsre Luft im Qualm verderben,Sehn Krankheitsbilder sich vererben.
Das Fell sollte man ihnen gerben.Denn wie ich die Sache seh -
Gehört das nicht ins Cabaret.
Ich, der nur vorwärts diskutiert
Fühl mich dabei stets angeschmiert.
Drum mach ich euch ein Expose -
Was reingehört ins Cabaret.
Unser Leben ist brisant
So in der Stadt, wie auf dem Land.Und fällt im Winter mal viel Schnee -
Bringt das doch mal im Cabaret.
Unsre Menschen, ja das weiß ich,
arbeiten tagtäglich fleißig.Fehlt dann im Konsum mal das Spee -
Kann das mal rein ins Cabaret.
Dreimal schon hat man es vernommen,daß eine Robbe in der Elbe angekommen
Warum schwimmt so'n Biest nie in die Spree -
Das ist Stoff fürs Cabaret
Die Feste feiern, wie sie fallen.
Gefällt doch jedem von uns allen.
Fällt das Gebiß dir raus im Tee -
Das bringt Feez ins Cabaret.
C Wer soll das gewesen sein? Ein hoher Funktionär einer mitt
leren Ebene?
B: Das war höchstens ein mittelmäßiger Funktionär mit einer
ganz unteren Ebene.A: zu D) Solche wie dich hätte der Gorbatschow längst abge
setzt.D: Du willst mich absetzen? Du kannst ja nicht mal richtig
Russisch.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 21/136
Vorwärts immer rückwärts nimmer
A: Dafür reichen mir zwei Worte: Glasnost und Perestroika.
E: Und was heißt das?
A: Absetzen, absägen, heidewitzka weg der Sessel.
E: So einfach?
A: Einfach so. Ritsch, ratsch - weg isser
E: Sokann nur einer reden, der sich
imRussischen nicht auskennt. Glasnost heißt nämlich so viel wie Durchsichtigkeit.
Und Perestroika Veränderung.
B: Erst mußte durchsehen, dann kannste verändern.
E: Genau.
A: Und wer nichts verändert, wird abgesägt.
E: Da fang doch gleich mit dem Kabarett an. Säg's ab Was ver
ändert denn das Kabarett?D: Die Programmtitel.
._ , . .- - - - ~____
C Nö, das kannste aber nun nicht sagen. Gucke mal, wie haben
wir vor zwanzig Jahren kritisiert, daß uns Klopapier fehlt.
Und heute gibt's Klopapier in Hülle und Fülle.
E: Willst du damit sagen, daß wir die Probleme von heute in
20 Jahren gelöst haben?D: Wenn ich das noch erleben könnte.
C So genau möchte ich mich da nicht festlegen. Es können
auch 21 Jahre werden.
B: Manches ging aber auch schneller. Vor 15 Jahren haben wir
darüber geredet, daß man auf den Trabbi 8 Jahre warten
muß. Und schon nach 8 Jahren ...
E: ... konnten wir darüber reden, daß man auf den Trabbi bald
15 Jahre warten muß.
7
•
„ : : :.
.. ' .„ „„.. . -.„ .•. • i : ~-- . . - -
--

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 22/136
•
8
Anfrage an denSender J rewan:Ist es üblich
1rn
land mit Devisen >
zu bezahlen?Antwort: Im Prinzip nein. Nur wennSie besondereWünsche haben.
Vorwärts immer rückwärts nim mer
B: Oh, das war wohl jetzt ein blödes Beispiel, was?
E: Blöde ist daran nur, daß die Leute vor 15 Jahren genauso
darüber gelacht haben wie heute. Sie lachen, gehen nach
Hause, und was wird verändert ...?
C Solange unsere Bürger noch lachen, wenn sie auf den Trab-
bi warten, ist doch alles in Ordnung.D: Eine gute Stimmung in der Schlange verkürzt die Wartezeit.
C Wenn sie dran sind, wird ihnen der Spaß schon vergehen.
D: Bis sie den Kaufpreis verdaut haben, ist die erste Repara-
tur fällig.
A: Alle absetzen
E: Nee, alle müssen was tun
B: Aber was tun?
D: Wir sollten eine Losung ausdenken.
E: Ich sagte: Was tunD: Das haben wir aber 38 Jahre lang getan.
C Jetzt tun wir das aber nicht mehr ... So oft.
D: Schade, mit 'ner Losung konnte man aber immer so schön
tun, als würde man was tun.
E: Und was hat sich getan?B: Meistens nichts.A: Meine Rede: Hier hilft nur noch Russisch sprechen.B: Und wer das nicht versteht?
A: AbsetzenB: Da würde ich aber an deiner Stelle ganz schnell anfangen,
Russisch zu lernen. Von wegen: Lampa kaputt Birne weich.
E: Bevor wir bei uns Russisch sprechen, sollten wir mit man
chem erst mal richtig Deutsch reden.
oti
Kunz ging nachts auf den Balkon
llnd schmiß sein altes Chaiselongue
kurzerhand aufs Rosenbeet,
was andern auf die Nerven geht.
Ein Polizist hat ihn verhört,
Kunz hat zu seinem Tun erklärt,
daß es im Sinn der Losung sei:
»Alles heraus zum 1. Mai «
. ochen etersdoif•

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 23/136
Vorwärts immer rückwärts nimmer
Matthias Biskupek
'e ar H
' 't ~ O t W O I S ~ HGunntach. Gunntach. Sie mal wieder zu sehen? Wie geht s denn
so in unsern Tagen? Danke der Nachfrage. Bitte ...? Nein. Ichhab nur ganz schnell was zu erledigen. Auf dem schnellen
Sprung. Man steckt ja ständig in den Sielen. Ich kann michschließlich nicht den ganzen Tag von Einkauf zu Einkauf han-
gelnwie gewisse Kolleginnen. Man will
ja nichts andeuten. Was sich manche
so rausnehmen. Das ist bei mir nicht
drin. Wenn man nicht so verschwiegenwäre, könnte man Sachen erzählen.
Manche spielt die dicke Frieda und den
großen Friedrich noch dazu. Aber so
leicht laß ich mir nicht die Wurst von
der Speckseite ... gucken Sie mal nicht
so darüber.
Nein, dorthin. Hm. Das ist der Klimpke,
ja, der mit der Wattejacke. Nicht, daß
der noch Gunntach sagt. Solche Leute
seh ich ja überhaupt nicht. So was igno
riert man. Gucken Sie jetzt bloß nicht
hin. Klimpke bringt s fertig und grüßt
mich. Obwohl ich den nicht zu sehen ge-
denke. Eigentlich auch überhaupt nicht
~ r-·
1
-..... 1
•\
kennen muß. Bloß Nachbarabteilung. __
„ 9
''
W i s s e n S i e ~ s d e r h ~ ? D e r h ~ m i c h ~ ~ ~ganz frech gefragt, wieso ich denn immer krank wäre, wenn bei
uns im Büro Klüngels angeliefert werden. Sie kennen doch die
Dinger? Aus dem Fotolabor? Kommt man ja nie auf seine ge-
setzliche Kaffeepause, wenn man das alles einsortieren muß.
Also erstens, sag ich, geht das Sie überhaupt nichts an, weil
Sie Nachbarabteilung sind. Oder sind Sie sitzengeblieben? Sag
ich so, mit Ironie, nicht wahr? Zweitens werde ich gegen Ver-
leumdungen einschreiten. Einzuschreiten wissen, sag ich. Drit-
tens kann ich krank sein, wie ich und mein Krankenschein
wollen. So ganz geistesgegenwärtig sag ich das noch und dann:
Gunntach, Herr Klimpke Das war das letzte Gunntach, was der

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 24/136
2 Vorwärts immer rückwärts nimmer
von mir gehört hat. Na hören Sie mal, wenn einem einer sol-
che Dinge direkt ins Gesicht sagt, ohne schamrot und so. Ich
bin ja für Offenheit. Gibt ja hin und wieder Unregelmäßigkei
ten bei gewissen Kolleginnen, die ich in vertraulichen Momen-
ten mal dem Kollegen Abteilungsleiter mitteile. Mitteilen muß.
Schließlich müssen wir alle mitziehen,
~ u f g a n g urfur Herrschaften
und es ist nicht Sache gewisser ein-
zelner, Ordnung ins große Ganze zu
bringen. Aber da ist man doch in
menschlicher Hinsicht von einer inter
nen Höflichkeit. Solche direkten und
öffentlichen Unverschämtheiten sind
- ja - einfach ungezogen.
Diese .finstere Zeit liegtnun hinter uns
Jedenfalls können Leute wie diese
Klimpkes lange auf ein Gunntach vonmir warten. Das gibt ja noch weit
Schlimmeres. Neulich zum Beispiel,
also das muß ich Ihnen erzählen, da
waren zwei Gebäudefritzen bei mir.
Wissen Sie was? Nein das ahnen Sie
nicht Die hatten irgendwas am Dach
zu reparieren, hämmern schon den
ganzen Tag rum. Man hat ja keine
Ruhe. Wissen Sie, was das an Nerven
material kostet? Und ich bin doch
krank geschrieben. Jedenfalls wollten
die plötzlich bei mir durch die gu-
te Wohnstube aus dem Fenster. Mit
irgendwelchen Geräten. Wegen Fest
machen. Sagen die. So sperrige Gerä-
te. Die zerschlagen doch womöglich
noch was
Würden Sie wildfremde Handwerker
einfach durch Ihre Stube lassen, bloß weil die irgendwelcheDachschäden bekämpfen? Na sagen Sie mal, so was. Ich
hatte grade geglänzt. So geht's ja nun nicht, sag ich. Ist staat
lich, sag ich, und da kümmern sich gesetzmäßig staatliche
Stellen drum.
Für mein Wohnzimmer nämlich, da bezahl ich noch immer
pünktlich die Miete. Und mein Mann Sie wissen ja, der hat eine
dienstliche Vertrauensstellung, was ich ja gar nicht so öffent
lich ... Wenn da nun Unterlagen bei uns wären? Man kann doch

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 25/136
Vorwärts immer rückwärts nimmer
nicht jeden über seine Schwelle lassen? So geht's j nun nicht,
jedenfalls hab ich mich strikt geweigert, gesagt, ich stehe da
auf dem Boden des stabilen Mieterschutzgesetzes. Da konntendie bloß dumm gucken. Dumm gucken und Achselzucken. Weil
im Auftrag nichts schriftlich ausdrücklich vorgegeben war von
unserem Wohnzimmer. Und weil wir bei uns eine erkämpfteGerechtigkeit haben.
Und nun hören Sie zu: Da sagt doch vorgestern einer von den
unverschämten Gebäudefritzen, ich hatte die längst vergessen,wie ich ihn grad auf der Straße - also gar nicht sehen will, also
da sagt der: Gunntach, Frau Hümpe. Ich sag dazu aber klipp
und klar gar nichts. Denk j nicht dran, solche unverschämtenLeute zu kennen.
Jedenfalls ruft der mjr noch nach. Ich meine ich laß mir doch
nichts nachrufen. Der ruft also: Ihre Nachbarin, Frau Hümpe
die hatte neulich aber nicht solche Probleme wie Sie. Die haben
keine schriftlichen Unterlagen für einen Wohnungsdurchgang
verlangt ... Na da weiß ich doch wieder alles.
Leute vom Schlage dieser Nachbarn, die lassen sich mit Kum-
pelhaftigkeit durchs Leben treiben. Diese sogenannten Mitmie-
ter. Na die grüße ich j schon lange nicht mehr. Bitte ...? Nein.
Das sind jetzt neue. Die von früher waren j Gold ... Bitte? Na-
türlich, die haben j nie gelüftet und die Treppe sah auch immer
aus ... Nun ja. Man setzt unsereinem j immer schlimmere
Leute vor die Nase.Jedenfalls, diese neuen, diese Fälle von angeblichen Mitbür-
gern kriegen von mir kein Gunntach zu hören. Der Mann legt'sj noch immer drauf an und grüßt, so frech und direkt, wenn
er mich sieht. Ich überhör das aber ganz deutlich. Ich schaue
über so was einfach weg.
Einfach weg. Die sind für mich nicht da. Stück - j - Schmutz,
sozusagen. Würden Sie zu Schmutz Gunntach sagen? Wissen
Sie nämlich, was deren Tochter zu unserm Sohn sagte? Nein
das ahnen Sie nicht Du bist ein dämliches Kamel. Wörtlich.Sagte deren Tochter. Zu unserm Sohn. Dämliches Kamel. Di-
rekt ins Gesicht. Unser Junge ist j etwas sensibel. Der nimmt
so was immer ziemlich schwer. Das quält ihn, das weiß ich.
Dämliches Kamel. Ich werd da gar nicht fertig damit.
Das mindeste wäre j nun, daß die Eltern sich bei uns dafür
entschuldigen, wenn sie schon ein asoziales Tochterstück auf-
gezogen haben. Ich sag noch ganz freundlich zu der Mutter, daß
man das j wohl.verlangen könnte, eine Entschuldigung.
Der kürzeste Witz:
Dr. Honecker.
Noch ein kurzerWitz: Ein Ministerfährt Straßenbahn.
21

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 26/136
22 Vorwärts immer rückwärts nimmer
Damals haben wir j noch gegrüßt, mein Mann die Frau sogar
immer zuerst. rr haben gewußt, daß das kein Umgang für unsist. Aber wir haben gegrüßt. Schließlich weiß man, was sichgehört. Jedenfalls sagt diese Mutter, als ich meine Anschuldi-
gung deutlich mache und ganz freundlich eine Entschuldigung
fordere, sagt doch diese sogenannte Mutter, das seien Kinde-reien. Wissen Sie, wie alt unser Sohn ist? Dreizehn. Mit drei-
zehn Jahren steht man in unserer Republik direkt vor derJugendweihe und ist ein anerkannter Teil der Gesellschaft.Trägt Verantwortung. Das läßt sich nicht einfach als Kinderei
abtun. Das ist noch verletzender als dämliches Kamel.
Mein Sohn, sag ich, mein Sohn ist keine Kinderei, aber IhreTochter ist offensichtlich kein sehr wertvolles Mitglied unse-
rer Gesellschaft. Man hat j wohl gehört, sag ich, daß sie einenEintrag unter anderem wegen gewisser Dinge erhalten hat. Ichmeine, ich weiß Bescheid, aber so was juckt solche Leute j
nicht, daß man Bescheid weiß. Ich sag also noch: Nun, wenndieses Dämchen schon nicht weiß, was sich gehört, dann müß-
ten Sie das wenigstens wissen. Aber der Apfel und der Stamm,man hat diese Leninsche Erkenntnis j wohl schon gehört. Ichwar ganz ruhig, hab wörtlich: Nicht sehr wertvolles Mitglied un-
serer Gesellschaft gesagt. Denn man hat j Niveau. Ich laß
mich doch nicht auf diese unterste Ebene hinab. Solche Men-
schen werden von mir mit Verachtung gestraft. Ich bin froh,
wenn ich die nicht sehe. Die sind es nicht wert, sagt immermein Mann. Roselore, sagt mein Mann : die sind's nicht wert.Einfach unwert. Reg dich nicht auf, sagt mein Mann. Mit die-
sen Leuten, die Ausdrücke durch ihre Sprößlinge gebrauchen
lassen, wahrscheinlich von langer Hand vorbereitet, man wirddas herauszufinden wissen, mit diesen sogenannten Menschen,
deren gesellschaftliches Ansehen völlig fehl am Platz ist, reden
wir einfach nicht.So sagt das mein Mann. Und ich sag Gunntach doch nur zu den
Leuten, denen ich einen guten Tag wünsche. Man ist j keinHeuchler. Wissen Sie, was ich denen wünsche? Na, ich bin viel
zu gut erzogen, das zu sagen, aber die sollte man ... also wirk·lieh, ich finde, Anstand und Höflichkeit gehören zum Menschen,
aber nicht zu diesen. Die mit ihrer sogenannten Direktheit undvorgegebenen Offenheit ... Bitte? Sie müssen weg? Hallo ...
also so was. Unsereins hat wirklich keine Zeit Aber wenigstensAuf Wiedersehen kann man j wohl sagen Impertinenz

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 27/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 28/136
4 Alles zum Wohle des Volkes
rnst Röhl
»Es ist unakzeptabel « hob Herr Lawatschek hervor. Er pack
te die Kuchengabel und versetzte der Zitronenkremschnitte aufseinem Teller den Todesstoß. »Un-ak-zep-ta-bel « wiederholte
er mit vollem Mund.
Die rundliche Frau Lawatschek sah das ebenso: »Die eigene
Frau als dick zu bezeichnen, nur weil sie nicht dünn ist - wer
u denn so was? «
Dies war nur eine rhetorische Frage.
Frau Lawatschek kannte einen solchen Menschen. Sie kannte
ihn sehr gut und schon lange. Einst hatte sie ihn gar, im Sinn
des Wortes, an ihrem Busen genährt.
»So ist er nun mal«, seufzte die Schwiegertochter, »für ihn ist we
niger ebend mehr.« Mit bebender Hand führte sie die Tasse zum
Gerichtliche Schritte kündigte er an und
vergaß nicht zu erwähnen daß er im Dienst
Wand an Wand sitze mit dem Justitiar.
Munde; als sie sie zurückstellte, kljrrte leise
die Untertasse.
Frau Lawatschek hatte ihre Schwiegertoch
ter, genauer gesagt, ihre ehemalige Schwie-
gertochter gleich für das erste Wochenende
nach der Scheidung zum Kaffee eingeladen. Das glaubte sie ihr
schuldig zu sein. Den Tisch hatte sie mit ihrem Paradegeschirr
gedeckt: Zwiebelmuster, ein Weihnachtsgeschenk, von HerrnLawatschek bezahlt, eine Augenweide, die Tassen so wertvoll,
daß die wirtschaftliche Frau Lawatschek aus Gründen der
Schonung, wie sie scherzhaft einflocht, am liebsten nichts
anderes als Schonkaffee eingeschenkt hätte. Beim Abräumen
unterlief der Schwiegertochter dann dieses Mißgeschick. Das
Kännchen mit der Kaffeesahne entglitt ihren Händen und zer
schellte auf dem Küchenfußboden. Entsetzt starrte sie auf das
Häufchen Scherben in Sahne und ließ den Tränen freien Lauf.
»Aber, aber, aber«, murmelte Frau Lawatschek und schloß siemütterlich in die Arme. »Es ist doch gar nichts passiert, nichtdas geringste.« ·
Diese trostreichen Worte erwiesen sich schon bald als Fehl
urteil, und zwar im KERAMIK-SALON, wo Frau Lawatschek
nach einem einzelnen Sahnekännchen fragte.
»Gießer leider nicht vorrätig«, sagte die Verkäuferin, »Ersatz
teile Zwiebelmuster überhaupt nicht.« Dazu lächelte sie me
lancholisch. Von Auskünften dieserArt ließ sich die lebensklu
ge Frau Lawatschek nicht entmutigen, grundsätzlich nicht. Der

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 29/136
lles zum Wohle des Volkes
Gießer sagte sie, um das Herz der Verkäuferin zu erweichen,
wäre ihr j nie und nimmer zu Bruch gegangen, wenn nicht ihre
Schwiegertochter Ilona ...
»Das gehört absolut nicht hierher.« Herr Lawatschek schnitt ihrdas Wort ab. Er hielt es für unwürdig, sich bei Verkaufskräf
ten anzubiedern, für unnötig übrigens auch, schließlich warendie Fragen des Handels ebenso wie die der Versorgung gesetzlich geregelt, umfassend und zielzentriert, also optimal.
Herr Lawatschek, um das kurz zu erwähnen, zeichnet sich aus
durch einen unerschütterlichen
Glauben an Vorschrift, Verfü
gung und Verordnung. Dies be
trifft sogar sein grenzenloses
Vertrauen zu Recht und Gesetz
im Straßenverkehr. Im Unterschied zu anderen Verkehrsteil
nehmern verkehrt er mit sei
nem edelgrauen Trabant-Kombi
stets haargenau so, wie es die
StVO befiehlt und wird folglich
immer wieder in Karambolagen
verwickelt.Der Handel jedenfalls, legte
Herr Lawatschek dar, habe
dem Kunden jederzeit Einzelteile zum Nachkauf bereitzu
stellen, da sei er juristisch in
die Pflicht genommen. Der Ver
käuferin sagte er damit nichts
-
Neues. Dennoch mußte sie bedauerlicherweise bedauern; das Bitte schneidern Sie
5
einzige was sie in seinem Fall bereitstellen könne, sei die An- mir eine solche Bluse <
schrift des Herstellerbetriebs, mehr leider nicht.
Das hob Herr Lawatschek hervor, sei immerhin etwas.
Selbst diesen bescheidenen Optimismus wollte sie nicht tei
len; bei der ganzen Schreiberei käme am Ende j doch nichts
weiter heraus als der bekannte vorgedruckte Brief mit dem
vorgedruckten todsicheren Tip: Bitte, wenden Sie sich mit
Ihrem Problem an den Einzelhandel
Eine seltsame Fachverkäuferin Offenbar sah sie ihre vornehm
ste Aufgabe darin, die Kundschaft zu verunsichern. Was war
nur mit unserem Handel los? Das fragte er sich schon, seit vor
Jahresfrist am Fischladen in der Petra-Kuschlig-Allee die blaue
Neonzeile ALLES VOM FISCH ausgetauscht worden war gegen

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 30/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 31/136
Alles zum Wohle des olkes
Frau Lawatschek hatte j gar nichts gegen das große Ganze,
im vorliegenden Fall aber lag ihr vor allem an der Lieferungeines Sahnegießers für ihr Zwiebelmusterkaffeeservice. Und
in keinem seiner vier Briefe hatte ihrer Meinung nach Autor La-
watschek den rechten Ton getroffen, den Ton, der zum Erfolg
führte. Diese Meinung allerdings hütete sie wie ein Geheimnis.0 ja, sie wußte genau, was richtig und falsch war in Ehe und
Partnerschaft. Erst kürzlich hatte der Ratgeberteil einer Frau-enzeitung sie wieder bestärkt in ihren Auffassungen: »Spre-
chen Sie niemals abfällig oder kritisch überdas Wirken Ihres Partners. Finden Sie her-
aus, wozu er fähig ist und was er nicht be-
wältigen kann.«
Frau Lawatschek zerriß, bevor sie selbst
entschlossen zur Feder griff, den Brief intausend Schnipsel, die sie den Strom-schnellen des Wasserklosetts anvertraute.Bereits am Sonnabendmorgen war der Ant-
wortbrief da. Herr Lawatschek las ihn noch
vor dem Frühstück, und Frau Lawatscheklas mit, über seine Schulter hinweg. Es warein rätselhafter, merkwürdigerweise anseine Frau adressierter Brief:
»Liebe Frau Lawatschek Vielen Dank für
Ihr Schreiben vom 25.1. Sie ahnen j nicht,wie gut ich Sie verstehe. Meine TochterClarissa ist nämlich genauso fertig wie Ihre
arme Schwiegertochter, nur daß auch nochKinder da sind, so daß sie wohl ebenfallsbald ihre Zuckerdose mit Zwiebelmuster-dessin fallen lassen wird. Wie die Bilder
sich doch gleichen: Meine Clarissa hat nämlich auch Linienpro-
bleme, und mein sauberer Herr Schwiegersohn belegt sie zu
den Mahlzeiten auch andauernd mit Injurien, sie solle die Vor-
speise weglassen und statt des Hauptgerichts kein Dessertnehmen ...« und so weiter bis zur Unterschrift Müllner, Abt.
Kundendienst.
»Was bedeutet das?« Lawatscheks Gesicht verfinsterte sich.»Ich will j gar nicht behaupten, daß wir schon durch sind«,
sagte, vom Erfolg verklärt, Frau Lawatschek. »Aber wir sindeinen Schritt weiter « Und sie piekte mit dem Zeigefinger aufdas P.S.: »Bitte wenden Sie sich mit Ihrem Problem Salzstreu-
er/Zwiebelmuster an den Einzelhandel.«
27
Natürlich kann ich die-
Bommeln abschneiden
Aber dann entsprechendie Leuchten nicht mehr
der gebrauchswerterhöh-
ten Preisgestaltung des
Herstellers

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 32/136
28 l les zum Wohle des Volkes
Manfred Strahl
r total a
Unser letzter Umzug ging erstaunlich reibungslos vonstatten.
Wir hatten weder Verletzte noch größere Möbelschäden zu be-klagen. Alles lief wie am Schnürchen. Die Möbelträger zogen
das Frühstück, das ihnen meine Frau von zarter Hand bereitethatte, nicht unnötig in die Länge. Bereits nach zweieinhalb
Stunden rüsteten die ersten zum Aufbruch. Als ich ihnen das
'llinkgeld aushändigen wollte, hinderte mich meine Frau daran.
»Erst müssen noch die Blumenkästen auf den Balkon geschafft
werden« forderte sie energisch.
Zwanzig Minuten später, die Möbelträger waren längst abge-
rückt, klingelte es bei uns. Ich öffnete. Vor mir stand freudestrahlend eine Bürgerin in höherem Lebensalter. Sie drückte
mir einen frischen Blumenstrauß sowieUnwissenheit schützt vor Auszeichnung nicht. eine Urkunde in die Hand und beglück-
wünschte mich im Namen des WBA zum
dritten Platz im Balkon-Wettbewerb des Wohngebiets.
Da ich soeben erst eingezogen sei, könne es sich nur um eine
Verwechslung handeln, beteuerte ich. Aber die alte Dame ließ
nicht locker. »Ihre herrlichen Geranien sieht man sogar von
der Straße aus«
behauptete sie. Widerstand schien zwecklos.Meiner Frau zuliebe, die in der Tat prächtige Hängegeranien
aufgezogen hatte, nahm ich die Auszeichnung entgegen. Unwis-
senheit schützt halt vor Auszeichnung nicht
Wer wie wir dem Wettbewerbsgedanken aufgeschlossen ge-
genübersteht, kann sich vorstellen, was nach dieser unerwar
teten Würdigung in uns vorging. Wir brannten förmlich vor
Ehrgeiz. Wenn wir in aller Unschuld den dritten Platz belegt
hatten, sagten wir uns, müßte es doch bei bewußter Teilnah-
me am Balkonwettbewerb auch möglich sein, auf den zweiten
oder sogar auf den ersten Rang vorzustoßen. Womöglich wink-
te dem Sieger eine Kuba-Reise. Unsere ganze Liebe galt fort-
an dem Balkon, der bald einem Blumenmeer glich. Selbst in der
kalten Jahreszeit, als die Balkone der Nachbarn zusehends
verödeten, stand unser Balkon in voller Blüte. Rosen, Tulpen,
Gerbera, Astern und Studentenblumen, um nur die wichtigsten
Gewächse zu nennen, gediehen trotz teilweise klirrenden Fro-stes prächtig auf unserem Balkon.
Als die verdiente Anerkennung dafür ausblieb, glaubten wir der

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 33/136
Alles zum Wohle des Volkes
WBA habe uns die kleine Schummelei mit den Sebnitzer Kunst
blumen vielleicht übelgenommen. Trotzdem gaben wir nicht
auf. Unverdrossen kämpften wir weiter um den schönsten Bal-
kon. rr pflanzten echte Schneeglöckchen und Krokusse in
Massen an doch nichts geschah. Nicht einmal auf der Lokal
seite berichtete die Presse über unsere lobenswerten Aktivitäten. Entweder - so mutmaßten wir - hatte sich der WBA die
großartige Idee mit dem Balkonwettbewerb von einigen Ewig-
gestrigen ausreden lassen oder der Balkonwettbewerb war
wie zuvor manch anderer Wettbewerb einfach eingeschlafen.
Eines schönen Tages ich ging gerade mit meinem Hund
Gassi entdeckte ich jedoch ein echtes Lebenszeichen unseres
geliebten Balkonwettbewerbs. Das heißt eigentlich entdeckte
es Roy mein vierbeiniger
Freund. Ein echter Spür
hund. Er hob sein Bein
an einem glasverkleideten
Schaukasten der mir bis
dahin nie aufgefallen war
aber offenbar schon eine
ganze Weile in unserer
Straße stand. Das Papier
darin war ziemlich vergilbt
die Schrift jedoch noch gut
zu lesen. Der Schaukastenenthielt die öff entliehe
Auswertung unseres Balkonwettbewerbs. Etwa 60 Leute
waren aus dem Wettbewerb als Sieger hervorgegangen. Wir
befanden uns wie ich verbittert feststellte leider nicht darun
ter. Hauptsache der Balkonwettbewerb lebt tröstete ich mich.
Und nicht nur der Balkonwettbewerb lebte. Beim näheren Hin-
sehen entdeckte ich daß der WBA noch eine Reihe weiterer
Wettbewerbe öffentlich ausgewertet hatte. Die Schautafeln ent
hielten die Namen der Sieger in den Wettbewerben »SchönsterHof« »Schönste Haustür« und »Schönster Vorgarten«.
In diesen Disziplinen waren allerdings nicht mehr als jeweils
zwanzig Sieger aufgeführt. Sicherheitshalber las ich mir auch
diese Listen aufmerksam durch. Es hätte j sein können daß
ich zufällig mal beim Hoffegen beim Haustürstreichen oder
beim Gartenumgraben beobachtet worden war.
Mein Verdacht d ß der Schaukasten nicht den aktuellsten
Stand des Wettbewerbs im Wohngebiet widerspiegelte bestand
- 9
))Mein Vater hatte es
schwer Der mußte noch
ins Uhrwerk gucken

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 34/136
3
Warum zahlen dieFDGB-Mitgliederihre Beiträgepünktlich?Damit sie immereiner vollen Tischhaben.
Alles zum Wohle des Volkes
zu Recht. Ohne Bürocomputer, gestand mir der WBA-Vorsitzen
de unter vier Augen sei eine schnelle Auswertung der vielge
staltigen Wettbewerbsaktivitäten heutzutage gar nicht mehr
möglich. Aber selbst dann, wenn der WBA über einen eigenen
Computer verfügte, gab er seufzend zu sei an eine Aktualisie
rung der Schautafeln vorläufig nicht zu denken. Das Durchschnittsalter der für die Auswertung des Wettbewerbs zustän
digen Mitglieder des WBA erfuhr ich lag bei 76 Jahren. Doch
obwohl sich die ehrwürdigen Damen und Herren bester Ge
sundheit erfreuten, weigerten sie sich eigenartigerweise strikt,
einen Computerlehrgang zu absolvieren.
Ich horchte auf. Das traf sich ausgezeichnet. Denn bei uns im
Betrieb war die Lage genau umgekehrt. rr besaßen Bürocom·
puter und verfügten auch über qualifiziertes Bedienungsperso
nal. In Ermangelung entsprechender Software ließ aber die Auslastung der Computer zu wünschen übrig. Hätten die Kollegen
nicht von selbst herausgefunden, daß man mit den Computern
wunderbar Schach, Mieze und Anakonda sowie Schiffeversen
ken spielen kann, ständen sie noch völlig ungenutzt herum.
Was lag näher, als die brachliegende Rechnerkapazität für die
Auswertung der laufenden WBA-Wettbewerbe zu nutzen.
Unsere betagten Partner staunten nicht schlecht, als sie sich
am Bildschirm persönlich von der Schnelligkeit überzeugen
konnten, mit der unser Computer die eingegebenen Daten ver
arbeitete. Die Andeutung, daß der Computer mühelos in der
Lage sei, alle halbe Stunde den neuesten Stand in den einzel
nen Wettbewerben zu errechnen, riß sie hin. Unter diesenUmständen, schlug der WBA-Vorsitzende vor könne der Wett
bewerb noch umfassender geführt werden. Sobald entsprechen
de Kontrollergebnisse vorlägen, sollte der Computer auch die
Sieger und Plazierten in den Wettbewerben »Schönste Türklin
ke«, »Schönstes Treppengeländer«und »Schönster Briefkasten«
ermitteln. Aber nur die ersten achtzig Plätze in jeder Disziplin .
Damit keiner die Ubersicht verlor.
Obwohl der Computer tatsächlich so zügig wie angekündigt
arbeitete, gab es ein neues Problem. Leider besaßen wir nicht
ausreichend Papier für den Drucker, so daß den Leuten vom
WBA nichts anderes übrigblieb, als die Ergebnisse per Hand
vom Bildschirm abzuschreiben.
Der WBA-Vorsitzende tröstete uns. »Spätestens im dritten
Quartal haben die Kollegen die Ergebnisse des ersten Quartals
zu Papier gebracht«, sagte er stolz. »So schnell haben sie das
noch nie geschafft «

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 35/136
Ein Westdeutscher zu Besuch in der DDR wundert
sich über eine lange Menschenschlange vorm
Fleischerladen. »Nun ja« erklärt ihm eine alte Dame
»kein Paradies ohne Schlange.«
)
0
.Herrenkunstlederjacb atmungsakliw - wie es so heißt •
Hast du schon gehört Erich Honecker
fährt mit dem Traktor durch Berlin.
warum denn das?Er sucht seine Anhänger.
.Bauteilefür Bäckerin Pankow
Katja Ebste\n in Berlin. Drei Abende ga-
stierte sie im Weltstadtvariete in derFriedrichstraße. Drei Abende ausverkauf-tes Haus. Drei Abende Riesenbeifall. Eine
Gratulation an eine 100jährige.
-
•er n
„„--;
.Kleine Möngef reparieren wir hie ,g ~ o e n Anzahl ist es ollerdin . r ' unserer Hauswerkstatt. Bei debißchen durcheinande.r ist.• gs kein Wunder, wenn der Mechaniker m a l ~

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 36/136
32
Wzr haben uns hoheaßstäbe g s tzt ...
- Alles zum Wohle des Volkes
ochen Petersdorf
Aus dem Leben eines vorbildlichen Radiohörers
Karl Wollbauer war am Abend spät zu Bett gegangen. Er hatte
sich im Radio das Mitternachtskonzert der Vereinigten Men
gersgereuth-Hämmerner Teufelsgeigenorchester angehört
und anschließend sofort zur Postkarte gegriffen um der Auf
forderung des Programmsprechers nachzukommen folgende
Quizfrage zu beantworten: »Ist die Teufelsgeige ein Streich-
Zupf- oder Rupfinstrument?«
Für die richtige Antwort winkten wertvol
le Preise unter anderem eine Rolle Draht
zum selbständigen Anfertigen einer original
Teufelsgeige.
Wollbauer hatte sich für Rupfinstrument
entschieden seine Lösung in launige Verse
gekleidet und die Karte noch in derselben
Nacht zum Briefkasten getragen. Erschöpftwar er dann zu Bett gegangen hatte vor
sichtshalber das Radio laufen lassen aberschlief so fest daß er den Beitrag von Prof.
Schlummer-Rolle verpaßte der um 1.30Uhr die Hörer aufforderte doch mal zu
schreiben ob der Schlaf vor Mitternacht
wirklich der gesündeste sei.
Zum Glück wurde er munter als der kregle
Moderator der beliebten Frühsendung »Auf
gewacht und mitgedacht« um 6.10 krähte:
»In wenigen Sekunden liebe Hörer, ist es
genau 6.09 Uhr. Wenn Ihnen diese Uhrzeit
gefällt dann schreiben Sie uns doch mal «Logisch daß Wollbauer sofort zu Kugelschreiber und Postkar
te griff, die Zeitdurchsage im Prinzip begrüßte aufs Frühstück
verzichtend in seinen Trabant kroch und zum Hauptbahnhof
fuhr, um seine Karte dem Richtungsbriefkasten und somit dem
Weg des geringsten Postwiderstands anzuvertrauen.
Vor dem Hauptbahnhof begegnete Wollbauer dem braven Schü
ler Ottokar der sich auf dem Weg zum UTP mittels Kofferheu
le den Pionierweckruf anhörte der mit der Frage an die Hörer

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 37/136
lleszum Wohle des Volkes
• • • aufdie wir uns bei
unserer rbeit stützen

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 38/136
34
. . -
... · •· '·%' 1'.:
1 • - •
. .
Ein Mann ·stellt • ··· ··.
. · ~ e n ~ s r e i s e a n , ·- . . . . - . . ·
·. t r a g . . A u f dem. Ktnt; · ·
· a rri an ilin: · · ·. a m m w : o l l e Sie •· ·
· ~ u i s e n ? i< ·• · ·„ - . · .- . .
. i Wegea .meines · .· .N a c l i b a i n .···. .. · · ·. ·
:• W e ~ e n f e s N a c h ·; 1 b. ? . ·· .·. a : t l l : ~ • . . . . ·· . ··.·
s »a, jeden Morgen ·.••· · ·.· . Iqopft er an:meine · •.Tur. <{ . · · ..• ·.
. n d w e g e n ... „ ;• wollen sie a .... . . .
; -- . . . . .
· Qen ·«· •· · · · : · · · „ ·· .;- . . . . . - ':
: ~ eäe.s Mhl er- · · .· schrecke ich zu. · "Xo <le - weiß ich . ·;
.· ~ 'es .Wirklich nur.. . - __ .
. . .
·. der Nachöar ist?<{ · ~ · •·. . . - ·-„> •. . ... - „_ - -::· : . . ·
• · -;., -• . ..
· .
Alles zum Wohle des Volkes
Hansgeorg Stengel
t O SI
Der Orang-Utan ist ein Menschenaffe.
Drei Exemplare leben in Berlin.Erkennungszeichen: mustergültig straffe
uneingeschränkte Tierpark-Disziplin.
Im Menschenaffen-Standesamtregister
steht eingetragen: Ulla, Jussup, Franz.
O
Die drei sind nicht verschwägert noch Geschwister
und dennoch ein Terzett der Konkordanz
Sie gehen wie wir Menschen: kerzengradeund gelten da und dort als Produzent
erfrischend köstlicher Orangeade,
doch haben sie zu so was kein Talent
Wir wissen nicht gar viel von diesen Tieren.
Wir spüren nur: Sie sind zutiefst human.
Sie stammen aus f emöstlichen Revieren,
mitnichten aber aus Afghanistan
Aus ihren Augen blitzt nicht wilde Tücke
Sie sehen weise aus und fotogen,
als schlügen sie zoologisch eine Brücke
zu den Geschöpfen, die vorm Käfig stehn.
Ein Affe ist nicht ganz wie unsereiner.
Er meldet sich nicht unentwegt zu Wort,
trinkt weder Pilsner Urquell noch Kathreiner
und treibt tagtäglich vierzehn Stunden Sport.
Man sollte sich als Mensch nicht überheben.
Auch Orang-Utans haben Lebensart.
Zwar: Feinschliff ist den Affen nicht gegeben,
doch ihr Gemüt ist mild und butterzart.
Es ist nicht nett, die Affen zu verdießen.
Sie gehn auf grobe Späße ungern ein.
Drum laßt mich mit dem Afforismus schließen:
Wer Affen will, muß fröhlich sein.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 39/136
lles zum Wohle des Volkes
rnst Röhl
Wlt
Vor Jahren sprach mein Arbeitskollege Rohlinger auf Versamm
lungen und Beratungen aller rt gern zu Fragen der sozialistischen Lebensweise. Mit einem Seitenblick auf meine Person,
doch ohne meinen Namen zu erwähnen, brandmarkte er den Be
sitz von Wochenendhäuschen leidenschaftlich als Datschismus,
geißelte er den Erwerb von Grundstücken als kleinbürgerliche
Zersiedel ungsgier.
Tatsächlich hatte ich von meinem Großvater eine hölzerne
Laube mit Garten geerbt. _Anfangs hatte ich versucht, ein paar
Beete mit Radieschen, Teerosen und Sup-
penkraut anzulegen, aber die Wühlmausdurchkreuzte meine Pläne. »Wenn die
Wühlmaus« las ich in Brehms Tierleben,»sich einmal eingenistet hat, geht sie frei
willig nicht eher weg bis sie alles Genießbare aufgefressen hat.«Ich fügte mich ins
Unvermeidliche stellte den Gartenbau be
reitwillig ein und legte mich in die Sonne.
Denn Nichtstun ist immer noch besser, als
mit großer Mühe nichts schaffen.Rohlinger stieg vom Sachbearbeiter zum
Abteilungsleiter auf und sprach auf Ver
sammlungen nunmehr wesentlich selte
ner zu Fragen der sozialistischen Lebens
weise, stattdessen begann er auffällig oft
von den Schönheiten unserer Heimat zu
schwärmen, von Mutter Grün vom Busen
.„ -• •
•
der Natur von einem stillen Plätzchen, wo es sich in Ruhe
nachdenken ließe über sozialistisches Arbeiten, Lernen, Leben.
Als er Hauptabteilungsleiter wurde, kaufte er mir mein Häus
chen samt Garten ab. Die Laube gefiel ihm ganz gut, den Gar
ten dagegen fand er reichlich verwildert, unkultiviert. »Ein
schönes Fleckchen Erde« sagte er ironisch, »allerdings ein
Schandfleckchen «
Er griff sofort zu xt und Spaten, streckte ein paar alte, mor
sche Pflaumenbäume nieder, buddelte im Schweiße seines An
gesichts den ganzen Garten um und säte Rasen an, Zierrasen
Sorte 1. Nach einem ergiebigen Landregen drängten unaufhalt
sam zarte Grashälmchen ans Licht. Ein irrer Hauch von fri-
5
•
.1 '
Wzr orientieren ersteinmal darauf daß alles
in bester Ordnung ist.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 40/136
6 l les zum Wohle des Volkes
schem Grün Wem der Rasen aufläuft, dem geht das Herzeüber. Angefeuert von den Ratschlägen seiner Frau, steckteer Tulpenzwiebeln, Krokusse, Osterglocken, Märzenbecher,Schneeglöckchen und fieberte einen langen Winter lang demFrühjahr entgegen.
Der Schnee schmolz, doch Rohlingers Frühblüher ließen aufsich warten. Mit dem Spaten, ja mit bloßen Händen grub ernach seinen kostbaren Zwiebeln - sie waren allesamt wie ausdem Erdboden verschwunden. Nun erst nahm er eine Erscheinung ernst, die er bislang nur wahrgenommen hatte: ein ge
heimnisvolles Muster im Rasen. Rissige Gänge zogen sich in
abenteuerlichen Kurven dicht unter der Erdoberfläche hin. Hö
hepunkt dieses ominösen Schnittmusterbogens waren zweiDutzend kleinformatiger Maulwurfskrater.
»Herzlichen Glückwunsch zur Wühlmaus « sagte ich schadenfroh. Rohlinger begann, sich mit Theorie und Praxis der Wühl-
mausbekämpfung zu befassen, undSolange Büchsenlicht herrschte, tauchte der ihm war gar nicht wohl dabei. Erbe-Feind keine einziges Mal auf aus dem Untergrund. zeichnete sich selbst als Tierfreund
erster Klasse. Wenn er sich fragte,wen er mehr liebe - seine Frau, seine Freundin, seinen DackelConny, dann belegte der Dackel ganz gewiß nicht den letztenRang. Und nun sollte ausgerechnet er, der Goliath Rohlinger,
einschreiten gegen einen unterirdischen David, gegen einenWinzling aus dem Tierreich? Mit Sicherheit war sich die Wühl
maus gar keiner Schuld bewußt. Das Wühlen liegt ihr natürlich im Blut, alles Vererbung, sie kann halt wühlen nur undsonst gar nichts ... Andererseits, wenn schon einer in Rohlin
gers Scholle mmwühlte, dann doch wohl der Inhaber selbst undsonst keiner
Rohlinger stellte Fallen auf. Die Wühlmaus legte Umleitungenan. Rohlinger schickte seinen Dackel vor. Als der Schaden,
den dieser anrichtete, die Wühlmausschäden überstieg, nahmsein Herrchen ihn aus dem Rennen. Rohlinger planierte die
Landschaft und legte an allen Ecken und Enden des weitverzweigten Wühlmausverkehrsnetzes das tödlich wirkendeWühlmauspräparat DELICIA aus, ein von der biologischenZentralanstalt geprüftes und anerkanntes Mittel, ein Freßgiftder Abteilung 3 nach dem Giftgesetz vom 6.9.1950.Am Abend starb sein Dackel eines qualvollen Todes.
Rohlinger, von Trauer und Zorn übermannt, beschloß, die Wühl
maus als das zu bekämpfen, was sie war: der Hauptfeind desmitteleuropäischen IDeingärtners

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 41/136
lles zum Wohle des Volkes
Fortan betrat er seinen Garten nur noch bewaffnet mit seiner
Luftbüchse. Doch solange Büchsenlicht herrschte, tauchte der
Feind kein einziges Mal auf aus dem Untergrund.
Rohlinger kaufte einen größeren Posten Wühlmausgaspatro
nen auf. Tapfer kämpfte er bis zur letzten Patrone. Die Wühl-
maus aber baute ihr Gangsystem unverdrossen immer weiteraus. Minutenlang leitete er Autoqualm in die Gänge. Die Wir-
kung war nicht gering. Und zwar an seinem Auto.
Rohlinger, von seinen Mißerfolgen berauscht, besorgte sich
einen Kanister Diesel. Flächendeckend verdieselte er alle
Wühlmausgänge. In die Löcher stopfte er dieselgetränktes Zei-
tungspapier und zündete es an. Dazu drohte er dem Feinde sie
gesbewußt mit der Faust. Leider stand derWind nicht günstig.
So wurde seine Laube ein Raub der Flammen.
Mit diesem Brandopfer begann sein sozialer Abstieg.Seine Freundin, die er zugunsten der Wühlmaus stark vernach
lässigt hatte, wandte sich von ihm ab. Seine Frau reichte die
Scheidung ein. Der Betriebsdirektor, der in das Geheimnis vonRohlingers »Dienstfahrten« eingeweiht war, ernannte ihn wut
schnaubend zum wissenschaftlichen Mitarbeiter. Rohlinger ver-
suchte es ein paar Tage lang mit Arbeitsdisziplin, aber immer
und immer wieder schweiften seine Gedanken aus dem Büro
ins Freie. Schließlich glückte es ihm in einer ländlichen Schlos
serei zehn Kilo Karbid aufzutreiben. Damit verminte er einesSonntags das sich immer weiter ausbreitende Gangsystem -
und sprengte den halben Garten in die Luft. Nun ist er krank
geschrieben, und sein rechter Arm ist wegen Verbrennungen
dritten Grades bis zum Ellbogen hinauf bandagiert.Gestern traf ich ihn Er wolle das Grundstück abstoßen, sagte
er. Ruhe und Erholung habe er dort zu finden gehofft, sich statt
dessen aber intensiv der Kleinwildjagd widmen müssen. Dies
allerdings mit durchschlagendem Erfolg. Die Wühlmaus sei
ausgeräuchert, besiegtIch hatte meine Zweifel hütete mich aber, sie Rohlinger, einem
geschlagenen Mann, kalt und herzlos mitzuteilen. Ich mußte
an Brehm denken und an den Umstand, daß die Wühlmaus auf
Rohlingers Grund und Boden alles Genießbare ratzekahl ver
tilgt hatte. Sie hatte sich in einen nahrhafteren Grund zurück
gezogen davon war ich fest überzeugt.
Der Mensch kann es erfolgreich mit Bären, Wölfen und Löwen
aufnehmen, die Wühlmaus aber, die Wühlmaus ist für ihn eine
Nummer zu groß. ·
- 7
Anfrage ·an den··SenderJ rewan:Stimmt es, daß es ·
. m }\oJl1munismuskein·Geld mehr ·
geben wird?
· Antwort: Im Prin-
zip ja. Denn es
wird schon im So-
zialismus>lles aus„.gegeben sein

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 42/136
8 l les zum Wohle des Volkes
Johannes Conrad
IHOH W O
OHtttse IHOH
Beinahe gut gelaunt brauste der Schnellzug Dresden-Berlin
durch den Sonntagnachmittag, durch Sonne und Regenschauer, an nassen Wäldern und eingeweichten Feldern vorbei, durch
Patsch und Quietsch und Krähenknarren, die Schranken ver-
beugten sich, die Wagen wiegten sich wie dicke Frauen in den
Hüften, die hellgrünen Bäume salutierten, die Kiebitze saßen
kopfschüttelnd auf den Eiern, der Zug steppte und tanzte und
wackelte, die Bierflaschen in den Abteilen zitterten, und die Lo-
komotive - huhuhu - gab gerade Laut, als Frau Seidel ihremMann ins Ohr sagte, daß der Magere, neben dem Janine sitze,
ein feiner Mensch sei, sie habe es gleich gesagt
Uwe Seidel, der sich seit Antritt der Fahrt in seinem Notizbuch
auszurechnen versuchte, was er zu bezahSogar Schweinen ziehen sie manchmal len hätte, wenn er das Auto nun doch in die
farbige Fräcke an und lassen sie kopfstehen . Werkstatt brächte und nicht wieder von
Karl Prutzke, diesem Pfuscher, reparieren
ließe, sah seine Frau zerstreut an und seufzte. Dann ließ er den
Blick zu Janine wandern, die klein und dick neben dem Mage-ren saß und gerade die dritte Leberwurststulle verdrückte.»Warum gewinnen immer die anderen im Lotto?« dachte er, und
das ganze Abteil roch nach Leberwurst. »Leberwurst ist wie
Heimweh « dachte Uwe Seidel. »Feine Milchkühe « sagte er zu
dem Mageren, der einer einsamen Kuhherde zunickte.
Der Magere lächelte traurig. »Wenn sie nicht geschlachtet wür-
den«, entgegnete er, »möchte man manchmal so ein Tier sein,
Kollege Das bißchen Geziepe an den Zitzen beim Melken kann
schließlich so weh nicht tun. Ansonsten grast das doch dau-ernd in der frischen Natur, ohne Kummer, ohne Sorgen, unser
einer aber muß zur Beerdigung seiner Kusine Kühe haben
keine Kusinen «Der Magere nahm die Brille ab und putzte sie
schniefend. »Außerdem leide ich unter Schlafstörungen«, ge-
stand er Uwe Seidel. »Wegen der Kaffeemaschine, die ich mir
gekauft habe. Weil sie so laut quackert Sie röchelt wie leben
dig, verstehen Sie? Manchmal denke ich, sie kriegt keine Luft.
Man atmet dann unwillkürlich in diesem angstvollen Rhythmus
mit. Und immer bei den Nachrichten Das kommt mir schonlangsam seltsam vor. Zudem haut's mit der Tülle am Glaskrug

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 43/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 44/136
4 A es zum Wo h e des o es
und wandte sich mit der zärtlichen Frage »Willste auch ein Le-berwurstbemmel? « an ihren Mann. Uwe Seidel, der sich gera
de dazu entschlossen hatte, das Auto nun doch nicht in dieteure Werkstatt zu bringen, sondern die Sache anders anzupak
ken - keinesfalls aber mit Karl Prutzke - blickte seine Frau
verständnislos an. Verwirrt öffnete er den Mund, da schrie Sei-dels Sohn, ein Fünfjähriger mit großen Ohren und einem schlau
aussehenden Campingbeutel auf dem Rücken: »Rehe Lauter
wilde Rehe, die Gras fressen «
Freundschaftlich stieß der Magere den Jungen an und sagte:
»Rehe fressen das Gras nicht, Kleiner, sie äsen «»Aber ich habe das doch gesehen, wie die Rehe das Gras fres
sen, Onkel « rief der junge Seidel.»In gewissem Sinne stimmt das schon, mein Kerlchen«, erwi-
derte der Magere und blickte amüsiert reihum, »rein optisch ge-sehen, fressen die Rehe das Gras, doch bei den Rehen sagt man
nun mal eben, daß sie äsen - Wild äst, mein Junge «Erstaunt setzte sich der junge Seidel hin.
»Äsen Menschen auch, wenn sie Gras fressen?« fragte er.Der Magere lächelte gerührt: »Menschen essen Kopfsalat, Klei-ner, sie haben kein Organ für Gras, aber Rehe haben es «»Wissen Sie auch, ob Rehe manchmal Schürzen umhaben?«
fragte der junge Seidel.
»Ich müßte eine umhaben wegen meiner Kaffeemaschine,
Junge « rief der Magere und wandte sich an Frau Seidel: »Ichfinde es albern, wenn man Rehe in Schürzen auftreten läßt
Oder Affen mit Zuckertüten Sogar Schweinen ziehen sie
manchmal farbige Fräcke an und lassen sie kopfstehen « Lie-bevoll blickte der Magere dem jungen Seidel in die Augen und
sagte: »Rehe tragen keine Schürzen, Junge.«»Aber wenn wer kommt«, gab der junge Seidel zu bedenken,
»und macht den Rehen Schürzen um?«»Wozu denn?« fragte der Magere.
»Na, damit sich die Rehe nicht bekleckern, du Blöder « antwortete der junge Seidel, worauf seine Mutter mit hoher Stimme
»Aber, Mirko « rief und der Magere gar nichts mehr sagte. Er
sah den jungen Seidel nur an. Feindselig erwiderte der junge
Seidel den Blick des Mageren. Etwas später begann er sogar
zu singen. »Die kleinen, wilden Rehe fressen Gras und haben
Schürzen um«, sang er. Danach sang er etwas lauter: »Auch diekleinen Zuckertüten fressen Gras und haben Schürzen um « -
»Die wilden Schweine auch « fügte er böse hinzu, um hierauf
aus voller Kehle zu singen: »Auch die Eisenbahnen haben

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 45/136
Alles zum Wohle des Volkes
Schürzen um und fressen Gras « Der Magere nickte bitter. So,
als wüßte er das alles schon von seiner Kaffeemaschine.
»Ein übermütiges Fohlen « erklärte ihm Frau Seidel. »Er läßt
sich j nicht mal den ollen Campingbeutel abnehmen Sag doch
auch mal was, Uwe « rief sie ihrem Mann zu, doch der stellte
sich gerade vor, wie ein engelartiger Mensch im Monteuranzugdas Seidelsche Auto reparierte - und schwieg.
»Auch Regenwürmer haben Schürzen um «, sang der junge Sei
del und machte alle ihm bekannten Tiere, aber auch Schnür
senkel und Zahnbürsten zu grasfressenden Schürzenträgern.
Kurz vor Ende der Reise er-
hob sich der Magere, ergriff Oeine schwarze Aktentasche
und einen schlauchförmigen
schwarzen Mantel und fragteden noch immer singenden
Jungen: »Wann gehst du zur
Schule, du übermütiges Foh
len?« - »In einem Jahr, dann
esse ich Gras und habe eine
kleine Mirkoschürze um«,
sang der junge Seidel, der
nicht mehr aus dem Singen
herauskam.
»Na, da bist du j schon rechtschlau für dein Alter « stellte
der Magere fest. Und dann sagte er noch mit respektvollem Nik
ken zu Frau Seidel: »Schöne große Ohren hat er « Hierauf ver
ließ der Magere traurig das Abteil.
»Ach du meine Güte, das war aber ein aufgeblasener Hund « rief
Frau Seidel und setzte erschüttert hinzu: »Wo mein Vater
Orchestermusiker ist Wenn dem Herrn unsere Ohren nicht
passen, muß er sich eben seine geliebten Kuheuter angucken «
»Muhkuh macht Aa « gähnte die erwachende Janine Seidel.
»Nein, in der Eisenbahn nicht « rief Frau Seidel und zog ihren
Anorak über. »Große Ohren « schimpfte sie. »Wo Mirko schon
mit dem Taschenrechner rechnen kann Und nur, weil der Kerl
unzufrieden mit seiner Kaffeemaschine ist Da soll er sich doch
keine Neuentwicklung kaufen, er ist doch kein Testpilot Hät
ten wir uns lieber in das Abteil mit der feinen, alten Dame
gesetzt und nicht zu diesem Jammerlappen «
»Er fuhr zur Beerdigung, Uschi « warf Uwe Seidel ein.
»Na, und?« entgegnete Frau Seidel wütend. »Laß bloß mal end-
-
[
L
41

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 46/136
4
Was ±rinkt n ~ / i ·-_ o-. ' .Jj ;
19 ~ Amerika?WodKa Gorba
tschow.Was tinkt n1981.
in
der Sowjetunion?- -
Re (a}genwasser.as liät der Miile- ,
ralsekretär so an
geortlnet.
l les zum Wohle des Volkes
lieh unser Auto richtig reparieren, daß es nicht immer kaputt
ist, wenn man gedemütigt wird «»Prost, Mahlzeit « dachte Uwe Seidel, der sich gerade dazu
durchgerungen hatte, das Auto nun doch wieder von Karl Prutz
ke reparieren zu lassen. »Warum gewinnen bloß immer die an
deren im Lotto?« dachte er und ergriff die schweren Taschenmit der Hausmacherwurst in Gläsern, denn soeben röhrte ein
Lautsprecherbaß: »Berlin-Lichtenberg, alles aussteigen, derZug endet hier « Der junge Seidel sang gerade stockheiser:
»Die kleinen, wilden Kaffeemaschinen fressen Gras und habenkleine Kaffeemaschinenschürzen um « - »Komm du mir nur
nach Hause « sagte Frau Seidel und warf ihrem großohrigenSohn einen furchtbaren Blick zu.
Der Maxe baut ein feines Haus,
denn Maxe ist nicht faule,
und eine Wiese ist am Hausmit einem Schwimming-Paule.
Der Robert baut ein feines Haus,
damit schockiert er Maxen -weil auf dem Dach von Roberts Haus
Bananenbäume wachsen.
Der Emil baut ein feines Hausaus Klinkern und aus Klunkern,
die Maxens und die Roberts Haus
beblinkern und beblunkern.
Da baut der Franz ein schönes Haus
aus Marmor, Stein und Eisenund sagt, er kann mit diesem Hausauf alle andern spucken.
Und wenn sie nicht gestorben sind,
dann bauen sie noch heuteund wundern sich: Wie dußlig sind
doch ganz normale Leute.
ochen Petersdorf

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 47/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 48/136
44
•• • ••• • • •• • •
• •• • .
Lernen lernen nochmals lernen
Heli usse
I
Ich hatte mir diesen Haushaltstag wahrhaftig nicht genommen
um über meine 14jährige Tochter nachzudenken aber ihr
Deutschlehrer wollte es so. In der Kaufhalle trat er mir auseinem Hinterhalt plötzlich in den Weg und sagte er möchtemich vorwarnen daß meine Tochter mit einer satten 5 nach
Hause komme weil sie und zwei andere Früchtchen in derDeutscharbeit Wort für Wort mit sämtlichen Fehlern von
einander abgeschrieben hätten. Er wisse nicht wer von
wem aber das sei ihm auch egal da alle drei gleich verlogen seien.Ich mag das nicht wenn mich Leute so unvermittelt mit
ihren beruflichen Problemen überfallen und darum antwortete ich kurz angebunden ich könne nicht beurteilenob meine Tochter genauso verlogen wäre wie die beidenanderen weil ich die nicht kennen würde aber ich ver
ließe mich da ganz auf ihn als den Fachmann in solchenFragen. Naja man kennt das doch aus der eigenen Schul
zeit: Es ist sinnlos mit einem Lehrer zu diskutieren manzieht immer den kürzeren.
Kaum hatte ich mich von dem Lehrer befreit stieß ich auf
Herrn Hohnberg und Frau Tittelbach deren Kinder in derselben Klasse sind wie meine Tochter. Herr Hohnberg er-
zählte Frau Tittelbach gerade von seinem neuen Hi-fi-Ste
reo-Kompakt-Set und wie er und sein Sohn Thor-Alf und
seine Frau abends immer Bach oder Mozart hörten ohne
die sie schon gar nicht mehr einschlafen könnten. HerrnHohnbergs Sohn habe über 200 Kassetten mit klassischer
Musik und darunter solche Kostbarkeiten wie die ganzselten gespielte 11. Sinfonie in A-Dur für Streicher und
Posaune von Tintoretto. Herr Hohnberg wandte sich anmich und lud mich ein mit Mann und Tochter zu ihm zu
kommen um die Sinfonie zu hören.Hierauf erzählte Frau Tittelbach ihre Familie könne erstnach hundert Seiten guter Literatur einschlafen und ihreTochter Made-Lene habe schon über 300 Bücher der Welt
literatur gelesen und verschlinge selbst solche schwerverständlichen Werke wie fünfhundert Jahre Einsamkeit
in einer Nacht. Frau Tittelbach wandte sich an mich und
sagte sie leihe mir das Buch gerne für meine Tochter.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 49/136
Lernen, lernen nochmals lernen .
Nun berichtete Herr Hohnberg von seinem Sohn, bei dem man
wegen seiner vielseitigen, überdurchschnittlichen Begabung
noch nicht recht sagen könne, ob er mal ein bekannter Lei
stungssportler, Mathematiker, Geigenvirtuose oder ganz etwas
anderes werden würde.
»Genau wie bei meiner Tochter « rief Frau Tittelbach aufgebracht dazwischen.»Ja«, sagte Herr Hohnberg und fuhr fort, daß ein Bekannter sei
nen Sohn letztens Wunderkind genannt habe, was er jedoch für
unwissenschaftlich halte, da es sich um eine natürliche,
wenn auch hohe, sehr hohe vererbte Intelligenz handele,
die allerdings ans Wunderbare grenze.Frau Tittelbach nickte und meinte, auch ihre Tochter gelte
allgemein als Wunderkind, weil sie schon im Kindergar
ten lesen, schreiben und rechnen konnte, während siesich jetzt mehr mit Philosophie und Computer-Basics be
fasse, so daß sie nicht sehr gerne zur Schule gehe, weil
das da so langweilig für sie sei.
Hier lachte Herr Hohnberg schmerzlich auf und sagte, in
der Tat, wenn es etwas gäbe, was den Fähigkeiten sol
cher Kinder am wenigsten gerecht würde, dann wäre das
die Schule. Und voller Bitterkeit fügte er hinzu, daß über
durchschnittlich intelligente Kinder bei den Lehrern
höchst unbeliebt seien, aber nicht erst seit heute, dennunter dieser Abneigung der Lehrer gegen Wunderkinder
habe auch er schon in der Schulzeit gelitten, und Frau Tit
telbach war es nicht anders ergangen.
So kam es, daß ich auf dem Heimweg nicht über die noch
zu erledigenden Hausarbeiten nachdachte, sondern über
meine Tochter und darüber, ob ich nicht ein ernstes Wort
mit ihr reden müßte, und das wurde mir zur Gewißheit,
als ich schon an der Wohnungstür das bekannte Wumm
wumm-wumm und irres Gedudel hörte.
Ich ließ die Taschen mit dem Einkauf fallen, stürzte in dasZimmer meiner Tochter, drehte das Radio aus und schrie:
»Geht nichts anderes mehr rein in dein Gehirn als diese
Dampframmenschläge und das Eunuchenheulen? Grad
hat mir Herr Hohnberg von seinem Sohn erzählt, an dem
du dir mal ein Beispiel nehmen solltest «»An dem Beknackten, eh?« sagte meine Tochter.
»Oder lies mal wie Made-Lene Tittelbach ein gutes Buch «
»Die is ja noch beknackter, eh « sagte meine Tochter.
Ich wollte mich gerade auf sie stürzen, als mein Mann
_ -·.; .
. L - -
•
,z n t
.
- 5
,
•

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 50/136
6
•
•
• lernen lernen nochmals lernen
nach Hause kam und ich nahm ihn beiseite und fragte ihn wie
er es sich erkläre daß die Tochter einer intelligenten Mutter
und eines auch nicht gerade auf den Kopf gefallenen Vaters
nicht überdurchschnittlich intelligent sei wie Kinder anderer
Leute sondern in Deutsch eine Fünf kriege obwohl zu Hause
nichts wie Deutsch geredet werde.»Es liegt an unserer Desoxyrlbonukleinsäure« sagte mein
Mann. »Ich hab das grad in der Zeitung gelesen. Es ist ganz
einfach. Irgendwas in der Säure geht kaputt und die ganze
Erbinformation ist zum Teufel. Das passiert in den besten
Familien und man braucht sich deswegen keine Vorwür
fe zu machen.«
Ich sagte ich mache ihm ja keine Vorwürfe, aberwir soll-
ten unserer Tochter wenigstens das Radio wegnehmen
weil ich mir gut vorstellen könne daß diese Musik diewie ein spitzer Pfahl ins Gehirn gerammt werde dort
eines Tages noch Wichtigeres als bloß die Erbinforma-
tion kaputtmache. Ich erzählte ihm, daß andere Kinder
»Fünfhundert Jahre Einsamkeit« lesen und Sinfonien
hören weswegen sie mal irgendwas Berühmtes werden
würden und ich forderte meinen Mann auf mitzukommen
zu Herm Hohnberg um die 11. Sinfonie in A-Dur von Tin
toretto vom Band zu hören.
Mein Mann sagte er habe die Erfahrung gemacht daß
sich Sinfonien in A-Dur sauer auf seine Ribonukleinsäu-
re legten und ich solle allein mit meiner Tochter gehen.
Das machten wir, aber erst wollte ich mir bei Frau Tittel-
bach das Buch ausleihen.
Wir waren jedoch kaum aus dem Haus da tauchte schon
wieder dieser Deutschlehrer auf und er machte sich an
meine Tochter heran und fragte: »Na, was haben deine
Eltern zu der Fünf gesagt?«
»Nischt eh «sagte meine Tochter.
»Hören Sie«, mischte ich mich da in das Gespräch ein. »Sie
sollten die beiden Wunderkinder in Ihrer Klasse nicht
zum Maßstab für alle machen. Für ein Kind mit kaputter
Desoxyribonukleinsäure kommen dann logischerweise
nur noch Fünfen heraus.«
»Für wer bei was?« stotterte dieser Deutschlehrer daß
meine Tochter mitfühlend die Augen verdrehte.
»Ich rede von Ihren Wunderkindern Hohnberg und Tittel-
bach« klärte ich ihn auf. »Und von meiner bedauernswer-
ten Tochter.«

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 51/136
Lernen lernen nochmals lernen
»Wunderkinder?« schnaufte der Lehrer und ging mit dem Rük
ken an die Hauswand.»Hohnberg und Tittelbach « half ich ihm beim Denken, aber erbrachte bloß noch krächzend heraus, daß Hohnberg und Tittelbach die anderen beiden verlogenen Früchtchen seien, die er
mit einer satten 5 bedacht habe.»Das ist sehr aufschlußreich für mich«, sagte ich. »Ich habschon davon gehört, daß überdurchschnittlich begabte Kinder
nicht sehr beliebt bei den Lehrern sind. Bei Ihnen werden siegleich kollektiv mit einer Fünf abgestraft. Fein « Ich nahmmeine Tochter und ging. Er blieb an der Hauswand stehen wie festgeklebt und blickte uns hinterher. Ich fing
langsam an, meine Tochter mit anderen Augen zu sehen.Das Haus, in dem Frau Tittelbach wohnte, war ganz er-
füllt von dem bekannten Gewumme und Eunuchengeheul.Wir stiegen die drei Treppen hoch, und der Lärm wurdeimmer lauter, und ich wollte gerade den Finger auf die
Türklingel legen, da hörte ich Frau Tittelbach in der Woh
nung kreischen: »Mach das Radio leiser, hab ich gesagt,Ich hab gesagt, mach das Radio leiser, Ma-de-Le-ne «
Aber das hörte die bei dem Krach natürlich nicht, und wir
waren schon wieder auf der Straße, als man Frau Tittel-bach trotzdem noch schreien hörte: »Mach das Radio lei-
ser, hab ich gesagt, ich hab gesagt ... «»Na siehste « sagte meine Tochter.Bei Herrn Hohnberg im Hause herrschte eine ruhige, ge
pflegte Atmosphäre, daß ich richtig aufatmete. Was
immer das auch für eine Sinfonie sein mochte, die Herr
Hohnberg uns zu Gehör bringen wollte - schlimmer alsdas, was man sonst so hörte, konnte es auf keinen Fall
•
sem.Herr Hohnberg gab uns die besten Plätze zum Stereohö
ren, und seine Frau und sein Sohn Thor-Alf ließen sich
hinter uns nieder, während Herr Hohnberg die Kassetteeinlegte und uns noch einmal die Seltenheit dieser 11.Sinfonie in A-Dur von Tintoretto erläuterte, die nur zwei
mal gespielt worden war, nämlich einmal 1887 in New
York und vor kurzem in Warschau, wovon Herr Hohnbergdie Aufnahme hatte, um die ihn Millionen Musikfreunde
in aller Welt beneideten, weil die Sinfonie nach seinerHochrechnung erst wieder im Jahre 2087 irgendwo ge
spielt werde, aber vielleicht auch überhaupt nie wieder.
Hierauf ließ Herr Hohnberg das Band anlaufen und setz-
47
-
•
•
•
•

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 52/136
48
y - ·f - ·if;: • ... . ·„
.. b . •. .• • •
•
Lernen lernen nochmals - lernen
te sich mit einem erwartungsvollen Lächeln zu uns. Eine ganze
Weile hörte man nichts, und Herr Hohnberg wurde schon un
ruhig, als plötzlich ein irrer Schrei die Stille zerriß, und danach
setzte mit ungeheurer Wucht Dampframmengewummere und
Eunuchengeheul ein.
»Det is die Gruppe Fortschenmix, eh « sagte meine Tochter erfreut. Herr Hohnberg aber stieg von seinem Stuhl senkrecht
hoch wie ein Geist, und mit einem Arm , der mir gut zwei Meter
lang zu sein schien, griff er zwischen uns hindurch nach sei-
nem Sohn, und während er ihn in den Korridor hinaus
schleifte, brach er in den prophetischen Ruf aus: »Das
war die letzte Kassette, die du mit deinem Kleinkinder-gebrüll versaut hast «
Und nun hätte man nicht mehr sagen können, ob das
gräßliche Geschrei von der Gruppe Fortschenmix odervon Thor-Alf kam.
»Na siehste « sagte meine Tochter, als w r endlich im Trep
penhaus standen, wo sich ein Mann schwer atmend und
vor sich hinbrabbelnd am Geländer zu uns emporzog. Alser unser ansichtig wurde, schrie er auf, stürzte, wie von
Furien gejagt, die Treppen hinunter und aus dem Haus.
»Mein Deutschlehrer, eh « sagte meine Tochter erstaunt.
Ich legte den Arm um sie und sagte mitleidig: »Gewöhn
dich dran, daß dich die Lehrer nicht leiden mögen unddaß es Fünfen hagelt, mein armes Wunderkind Auch
deine Mutter mußte dies durchmachen.«
- . .
0 .

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 53/136
Lernen lernen nochmals lernen
Ottokar Domma
Eines Tages sagte unsere Russischlehrerin Frau Katharina
Pitthuhn daß sie sich zum Tag der Befreiung was Schönesausgedacht hat nämlich ein Freundschaftstreffen mit einer
sowjetischen Schulklasse. Sie kommt aus unserer Kreisstadtund es sind die Kinder von sowjetischen Soldaten und Offizie-
ren die uns zusammen mit der Volksarmee beschützen.
Frau Pitthuhn hat alles mit den Freunden ausgemachtund wir sollen jetzt überlegen wie wir sie empfangen und
unterhalten.Wir waren gleich freudig aufgeregt und sagten der Frau
Pitthuhn wie wir uns das Treffen denken. Das Bestedachte sich mein Freund Harald aus indem er vorschlug:
Man kann ja mit den sowjetischen Freunden einen Wett-
bewerb ausrufen zum Beispiel im Gedichtaufsagen und
Theaterspielen - und die Mädchen im Singen und Tanzen
damit sie auch was zu tun haben.
Frau Pitthuhn rief das ist eine feine Sache und sie möch-
te noch mehr solche Gedanken hören. Die Wally schlug
jetzt eine Handarbeitsausstellung vor der Schweine-Sigi
einen Schachkampf und Wettrechnen die Bärbel Patzig
eine Gemäldegalerie die dicke Mia eine Sitzung mitSchlagsahne und Torte der lange Schücht ein Fußball-
spiel und die Mädchen müssen uns anfeuern und jubeln.
Der Pillenheini sagte man kann auch einmal zeigen wie
man gebrochene Beine und Köpfe schnell verbindet; denn
junge Sanitäter gibt es überall. Wer siegt ist Sieger.
Jetzt meldete ich mich und sprach daß ich das auch allesvorschlagen wollte und man muß unterstreichen was
meine Vorredner unterstrichen haben. Auch könnte man
vielleicht einmal probieren wie wir uns miteinander in der
anderen Sprache unterhalten. Wer von uns am längsten
Russisch spricht bekommt einen Orden. Frau Pitthuhn
antwortete sie ist von mir enttäuscht und die anderen
Vorschläge waren besser. Auch wird sie alles so bespre
chen und vorbereiten.
Als es soweit war und wir uns vor der Turnhalle aufge
stellt hatten kam endlich der Omnibus mit unseren so-
wjetischen Freunde.n. Sie mußten erst antreten danach
9

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 54/136
5
,
• •
Lernen lernen nochmals lernen
marschierten sie vor uns hin indem ein sowjetischer Pionier
auf Deutsch rief: »Wir grüßen unsere Freunde mit Freund
schaft.« »Freundschaft« schrien jetzt alle sowjetischen Pionie
re. Unsere Frau Pitthuhn war auf einmal mächtig aufgeregt
und fragte leise, ob das von uns auch einer kann, und sie hat
gar nicht an einen russischen Begrüßungssatz gedacht. Weilwir auch nicht daran gedacht haben, rief jetzt Frau Pitthuhn
diesen Satz selbst auf Russisch, und wir schrien danach»Druschba«. Wir haben uns erst noch ein bißchen gegenseitig
beklatscht und darauf gewartet, wer zuerst aufhört. rrhörten zuerst auf, und unsere Freunde waren Sieger.
Dann setzten wir uns an die Kuchentafel. Neben mir saß
ein Mädchen mit einem schönen gelben Zopf. Ich fragte
sie auf Russisch, wie sie heißt. Sie hat meine Frage ziem-
lich schnell erraten und antwortete: »Walja.« Jetzt fragtesie auf Deutsch: »In wieviel Klasse Sie gähen, bittä? « Ich
sprach stolz: »Pjät klass.« Sie hat es auch ziemlich rich
tig verstanden und sagte einen langen Satz auf Russisch.
Ich antwortete sehr sicher: »Nepanjemaju.« Danach fragte ich auf Deutsch, warum Walja »Sie« zu mir sagt. Walja
antwortete darauf: »Nix värstäh, bittä.« Sie war immer
sehr höflich und ich sagte, daß wir jetzt mit dem Kakao
Brüderschaft trinken müssen. Als ich ausrief: »Na
strowje «, mußte Walja mächtig lachen, und sie hatteschöne große Zähne. Nachher zählte ich zusammen, und
es stellte sich heraus, daß ich schon halber Sieger war.
Denn Walja sagte nur siebenmal »Nix värstäh«, wogegen
ich fünfzehnmal »Nepanjemaju « ausrief.
Wie wir mit dem Kuchenessen fertig waren, ging es los.
Die Lehrer wählten eine Schüri, und die sollte sagen, wer
der Beste im Wettbewerb ist. Zuerst sprach unsere Tanja
Schulze ein russisches Gedicht. Sie ist unsere beste Rus-
sischschülerin. Die sowjetischen Pioniere und Lehrerwollten gar nicht mehr aufhören mit Klatschen. Danach
sprach der sowjetische Pionier Kolja ein deutsches Ge
dicht, es hieß »Gefunden von Johann Wolfgang Goethe«.
Jetzt klatschten wir wie verrückt, aber die Schüri meinte, die Tanja ist Sieger. Das ist keine Kunst, weil Tanjas
Mutter Russischlehrerin ist.
Nachher sangen wir Lieder. Zuerst klatschten unsere Leh
rer bei unseren Liedern mit später nicht mehr sondern
nur noch bei den russischen. Auch bekam der Herr Burschelmann Ohrensausen, wenn wir sangen, und er stopf-

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 55/136
Lernen lernen nochmals lernen
te sich die Finger hinein. Danach zeigten die Tänzer ihre Kunst.Bei den sowjetischen Pionieren tanzten die Knaben und Mädchen bei uns nur noch die Mädchen weil w r Knaben den Anblick noch mehr versaut hätten. Aber es hat trotzdem nichts
genutzt. Die Lenjnpioniere siegten weil sie schneller waren
und sich schöner wiegten besonders in den Hüften. UnsereMädchen waren zuerst ein bißchen traurig und der Herr Burschelmann sprach zu ihnen sie sollen nicht weinen und es
war ein schöner deutscher Stampfer den ein anderer nicht soleicht nachmachen kann.Zum Schluß rechnete unser Schweine-Sigi die Sieger zusammen. Wir siegten: im Gedichtaufsagen im Fußballspiel in weiblichen Handarbeiten welche eine DFD-Frauanleitet; auch im Hochsprung und im Sackhüpfen waren
w rdie Besten und unser Klassenlehrer meinte im Lärm machen waren w r auch gut. Aber das wurde nicht mit
gerechnet. Die Leninpioniere siegten: im Schachspiel
im Singen und Tanzen im Laufen Tauziehen und Weitsprung und in der Disziplin was ebenfalls nicht mitgerechnet wurde.
Nach dem Sport hieß es jetzt kommt das Sprachspiel
aber es läuft außer Kongruenz. Das Spiel ging so: ZweiSchüler sind die Spieler und sie müssen sich ein Gespräch ausdenken und spielen sagen wir am Postschal
ter im Geschäft auf dem Bahnhof beim Arzt usw. Siemüssen dabei miteinander in der fremden Sprache spre
chen bis ihnen nichts mehr einfällt. Und die Schürischaut auf die Uhr wie lange es jeder aushält. MeineFreundin Walja spielte mit ihrem Klassenfreund Aljoscha Vater und Tochter. Der Vater fragte was die Toch-ter den ganzen Tag gemacht hat und Walja antwortete
oder umgekehrt. Und zwar alles in Deutsch. Als sie nicht
mehr weiterkonnten sagte die Schüri daß sie acht Minuten gesprochen haben und die Besten der sowjetischenMannschaft sind.
Danach spielte ich mit meinem Freund Harald das Stück
»Lehrer und Schüler«. Ich war der Lehrer und fragte den
Harald: »Tschto äto?« Harald antwortete: »Äto stol.« Ich
fragte wieder: »Tschto äto?« Harald antwortete: »Äto lampa. « Ich zeigte meinen Federhalter und fragte: »Tschtoäto?«Harald sprach: »Äto penal. « Danach biß ich in eine
Stulle und fragte: Tschto äto?« Harald rief: »Äto Buter
broat« usw. Es war sehr lustig und die sowjetischen Leh-
Ko;i.,. A Cl
-
9 ,)ro •
5

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 56/136
5 Lernen lernen nochmals lernen
rerinnen mußten vor Freude weinen, wogegen die Schüri nach
zehn Minuten rief, wir sollen aufhören.
Es war ein sehr schönes Fest, und unser Herr Direktor Keiler
hielt eine Rede und rief, wir haben alle gewonnen. rr beglei
teten danach unsere Freunde zum Omnibus. Ich sagte » osw -
danja, Walja«, wogegen sie sprach: »Aufwiddersähn, Oodookarr. « Auch hätte ich sie gern ein bißchen gedrückt, aber das
ging nicht, weil die anderen dabei waren. Und man soll nicht
nur eine Walja lieben, sondern alle Freunde. Druschba
r ~ l t o s lei
Ich bin Schackliehn, und ich bin Meik.
Ich bin Eiriehn, und ich Clohndeik.Ich bin der Hansi, wer bist du?
Ich bin Swetlana-Märriluh.
Mein Haar ist kurz, und meins ist lang.
Ich bin sehr pummlig, ich bin schlank.
Ich bin schön braun, und du bist bleich.
Und trotzdem sind wir alle gleich.
Ich wohn in Wurzen, ich in GreizIch wohn in Rostock, ich in Zeitz
Ich wohn rechts hinten bei Schwerin,
und du wohnst - logisch - in Berlin.
aß wir uns alle gut verstehn,
ist gar nicht so leicht einzusehn.
Die Sprachbarrieren sind sehr groß,
du singst, du grunzt, du knödelst bloß.
Und doch vertragen wir uns gut,
denn uns vereint die gleiche Wut.
Wir klettern, wo's auch immer ist,
am gleichen, blöden Stahlgerüst.
Der Kinderspielplatzeinheitsquark
macht solidarisch uns und stark
ochen Petersdorf

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 57/136
-
Der Lehrer fragt Fritzchen: »Wie ist
die Oberflächenform der DDR?«
Fritzchen: »Die DDR ist ein flaches
Land mit vielen Engpässen <<
•
Siehste - ist vchdoch noch ens alter Kinderwagen
. . . z was nützt ''t :\' II
1HR
HAßTS GUTIHR SEID
f.IN 6fß0/ f,NESKoLtt.KTiV
.10J.\HREßtll l.f
31. M I 1987RUND UM 0 14 BIS 19 UHR
EN ALEXANDERPLATZ

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 58/136
54
-- -/ /
•
••
Lernen, lernen, nochmals lernen
homas Reuter
-·
"
-·OIHO p 1se O
Erziehung ist nicht allein Frauensache Das ist meineÜberzeugung. Deshalb bin ich auch sofort einverstan-den als meine Frau mir eines Abends ein klärendesGespräch zwischen mir und meinem fünfzehnjähri-gen Sohn nahelegt. Sein Zimmer mache den Eindruckeiner wilden Müllkippe.Erziehung ist kein Problem. Man muß nur wissen,was man will. Nehmen wir ein harmloses Beispiel:
Vater und Sohn haben einen Apfel eine Banane sowieHunger. Erzieht der Vater autoritär, futtert er die Banane allein, während der Sohn sich durch den Apfelkämpfen muß. Erzieht der Vater antiautoritär, istbeim Sohn alles Banane, und er selbst muß in densauren Apfel beißen. Bemüht sich der Vater um denkameradschaftlichen Erziehungsstil, wird er eineSchüssel holen und Obstsalat machen. Dann löffelnbeide den Salat gemeinsam aus.
»Mit unseren jungen Leuten kann man doch reden.Die sind verständig«, suggeriere ich mir letztmalig.Dann betrete ich nach kamerdschaftlichem Klopfendas Zimmer meiner Sohnes. Ich erkenne sogleich dieAtmosphäre meiner ehemaligen Studentenbude wieder. Ich könnte mich fast wohl fühlen, wäre da nichtder vertrackte Auftrag meiner Frau. Das Bett ist zerwühlt, auf Tisch und Fußboden sind Schallplattenverstreut, aufgeschlagene Bücher, diverse Klamottenund einige Aktbilder, die ich in meinem Schreibtischals sicher verwahrt vermutete. Inmitten dieser Bodenkultur ein halbvolles Glas Tee eine Vase mit Butterblumen und Unkraut. Über diesem Chaos breitetsich majestätisch mein Sohn, mit geschlossenenAugen rücklings auf dem Sofa liegend, aus und wipptgelangweilt mit den Füßen. Räuspernd stelle ich michans Fußende der Couch.»Hör mal«, eröffne ich meine pädagogisch wohldurch-dachte Ansprache. »Deine Mutter schickt mich.
Wegen dieses Saustalls von Zimmer.« Er reagiert

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 59/136
Lernen lernen nochmals lernen
nicht. »Was denkst 'n dir dabei? Gefällt dir's etwa in diesem
Tohuwabohu?« Keiner seiner Muskeln zuckt. Nur die Füße wip
pen. Ich lasse mich durch seine gespielte Teilnahmslosigkeitnicht provozieren. Ich bin mir sicher: Er hört genau zu. »Wir
haben dich doch zu einem ordentlichen Menschen erzogen,
Mensch Wenn du so liederlich bleibst, wird aus dirhöchstens mal n Student. Oder stell dir vor, mein
Chef kommt unangemeldet und sieht das hier. Und ichführe im Betrieb noch das große Wort wegen vorbild-
licher Ordnung ... Wrr wollen uns jedenfalls deinetwe-gen nicht schämen « Gut geredet habe ich.
Mein Sohn schnippt dreimal mit der linken Hand.
»Also, wir lösen die Sache unbürokratisch. Ich mache
einen Vorschlag, und du brauchst nur noch zuzustim
men: Ich kümmere mich ums Geldverdienen, Mutterhält die Wohnung sauber und du dein Zimmer. Okay «
»Baba«, erwidert er und lächelt selig.
Ruhig bleiben. Zufrieden verschränkt er die Hände
überm Bauch und atmet tief ein. »Was ist nun?« frage
-
•
-
•„ • •
""' G. ..„ •
•
ich. »Räumst du deine Bude auf?« - »Yeah « Er feixt
herausfordernd. »Ich kann darüber nicht lachen « ant
worte ich scharf. Einern jungen Pferd darf man die
Zügel nicht zu sehr lockern. Man hat schließlich eine
·<::::;- o
Menge Lebenserfahrung und kann einschätzen, wasgut ist für diese Greenhorns. Wer nicht hören will,muß fühlen »So - Schluß mit dem Debattieren. Du
bringst deine Bude auf Hochglanz, oder es passiertwas « Mein pädagogischer Zeigefinger nagelt ihn auf
dem Sofa fest. »Aha«, erwidert er. »Aha - du willst
nicht«, schnaufe ich. »Wrr können auch anders « Vier-
zehn Jahre solide Erziehung ... Nun wollen wir malsehen, wer das Sagen hat Die Jugend ist unverbes-
serlich. »Noch vorm Abendbrot sieht's hier auswiege-leckt « Mein überheblicher Sohn lächelt verbindlich
mit geschlossenen Augen. Jetzt reicht's Ich hab es
nicht nötig, mich von so einem Hüpfer nasführen zulassen »Wenn bis heute abend aus diesem Stall kein
Appartement geworden ist«, schreie ich außer mir,
»kannst du dein Bett woanders aufschlagen «Er öffnet die Augen, sieht mich überrascht an, greift
in sein Lockenhaar, nimmt die Walkman-Kopfhörer
von den Ohren und sagt freudig: »Klasse, Papa, daßdu mich mal auf meiner Bude besuchst «
~ ~ r~
•
55

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 60/136
6 Lernen lernen nochmals ~ r n n
Ottokar omma
••~»Harald wenn du sowieso alles weißt dann kannst
du mir vielleicht auch erklären was Glück ist.«»Das ist ganz einfach zu beantworten. Glück ist das
Gegenteil von Pech.«
»Aha. Also nehmen wir an ich bekomme auch beim
Herrn Kurz mal eine Eins.«»Dann hast du mehr Glück als Verstand gehabt.«
»Aha. Dann steht nach deiner Meinung der Verstand
im Gegensatz zum Glück?«
»So kann mans auch nicht sehen. Ich denke man
kann auch mit Verstand glücklich sein. Guck dir nurmal das Fräulein Heidenröslein an. Die ist glücklich
und hat Verstand.«»Woher willst du denn das so genau wissen?«
»Sie ist immer fröhlich und hat nie schlechte Laune.«
»Oder sie ist verliebt.«
»Kann auch sein. Liebe soll ja glücklich machen.«
»Na ich weiß nicht. Mein Vater sagt: Bei zuviel Liebe
ist der Verstand im Eimer.«
»Kommt drauf an welche Liebe er meint.«»Na die zwischen Mann und Frau was sonst.«
»Aber man kann doch nicht andauernd lieben zwi-
schendurch muß der Mensch ja auch arbeiten.«
»Und zum Arbeiten braucht man Verstand.«»So ist es.«
»Meine Oma trällert öfter ein Lied welches heißt:
Glücklich ist wer vergißt was nicht zu ändern ist.«
»Das ist Quatsch. Deine Oma ist alt und hat keine
zehnklassige Oberschule besucht. Genau müßte siesingen: Glücklich ist wer nicht vergißt was alles
noch zu ändern ist.«»Najanaja. Aber wenn mein Vater daran denkt was er
alles noch zu tun hat dann sieht er eigentlich gar
nicht so glücklich aus mehr finster.«
Und während wir noch ein bißchen darüber nachdach-
ten kam der Pilei Alfons angewetzt und sagte: »Ein
Glück daß ich euch hier noch treffe. Ich hab einen
Auftrag für euch.«
Naja sagten wir haben wir eben Pech gehabt.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 61/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 62/136
8
Fritze zu Paul: »Ich
stand gestern aufder Titelseite vomNeuen Deutschland.«
Paul: »Wirklich?«Fritze·: »Ja, mit bei-
den Füßen.«
• Was des Volkes ände schaffen
Ernst Röhl
Triumphierend riß Bä11mel beide Arme hoch und zeigte mir die
Instrumente: zwei nullsiebziger Glasmantelgeschosse. EdelObwohl mir die harten Sachen nicht halb so viel bedeuten wie
ihm, winkte ich ihm zu. Vorfreude - schönste Freude. Feste
muß man feiern, wie sie fallen.
»Kollege Retisch « tönte es blechern aus dem Hallenlautspre
cher. »Kollege Retisch Bitte sofort - sofort - zum Kollegen
Betriebsdirektor «
Meine Kollegen sahen prüfend zu mir herüber, doch ich war mir
absolut keiner Schuld bewußt. Lässig schaltete ich meine Ma-
schine ab. Am Waschbecken rubbelte ich mir gründlich diePfoten blank; denn bei uns in der Verwaltung greifen sie zum
Zeichen ihrer Volksverbundenheit verzweifelt nach jeder Ar-
beiterhand, die sie zu fassen kriegen. Und Schmieröl an den
Fingern, oh Das wird einem schnell mal falsch ausgelegt, näm-
lich so, als wollte man auf gewisse, sagen wir spaßeshalber
Niveauunterschiede in der Arbeitsproduktivität aufmerksam
machen.
Die Tür zum Vorzimmer stand halb offen. Die Sekretärin wink
te mich zu sich herein. Nett von ihr denn sie war gerade in ein
Ferngespräch verwickelt. »Aber nein « rief sie entrüstet in die
Muschel. »Hier ist keiner. Keine Menschenseele. Nicht einmal
ich selber. Ich bin um diese Zeit immer zu Tisch. Ich wieder
hole: Hier ist niemand. Keiner Ehrlich gesagt, hier ist nicht mal
ein Anschluß. Auf Wiederhören.«
Sie lächelte mir zu, betrat das Allerheiligste, kam auf leisen
Sohlen wieder heraus, schloß ganz, ganz sachte die gepolster
te Tür und sagte: »Momentchen noch.«
Mein Senkfuß begann sich zu senken, mein Spreizfuß spreiz
te sich beängstigend, und mein Plattfuß drückte längst, da
endlich öffnete sich die Tür. »Immer herein in die gute Stube.«
Mit großer, belegschaftsnaher Geste bat mein Direktor mich in
sein Kabinett. Er lockerte, um nicht allzu unsalopp dazustehen,
den Schlips und öffnete den Kragenknopf seines Oberhemds.
>>So sieht man sich wieder«, sagte er. »Ich kenn dich gut - hat
test du nicht früher 'ne Vollglatze?«
Wortlos schüttelte ich meine zwar graue, aber immer noch
üppige Mähne.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 63/136
asdes olkes ände schaffen
»Richtig, jetzt fällt es mir ein: Du hattest diesen gewaltigen
schwarzen Rauschebart.«»Eine Zeitlang«, erklärte ich, um ihm entgegenzukommen, »hab
ich mich bloß jeden zweiten Tag rasiert.«
»Sag ich doch - Deine Frau kenn ich übrigens auch.«
Das nun war schlecht möglich.Er gehörte erst drei Jahre zum Betrieb, ich aber war schon seit
mehr als zehn Jahren geschieden. Ich schwieg, um ihn nicht zu
enttäuschen.»Alles klar.« Von seinen Kenntnissen begeistert, legte ermir die
Hand auf die Schulter. »Du bist der Schachspieler.«»Tut mir leid, ich bin der Skatspieler«, berichtigte ich.
»Schade, ich hätte dich gern herausgefor-
dert. Gegen unseren Koofmich anzutreten,
hat wirklich keinen Zweck ...« Seine Mienehellte sich noch weiter auf, ein Scherz kün
digte sich an. »Der nimmt mir bloß immerdie Figuren weg.«
Kalau läßt grüßen, dachte ich und stimmtekollegial in sein Gelächter ein.
»Aber< sagte er, »Spaß beiseite, jetzt wird's
feierlich: Ich gratuliere dir von Herzen.«
Verdutzt starrte ich ihn an, und in diesem
Augenblick der Wehrlosigkeit packte ermeine Rechte.»Ich möchte dir heute die Hand schütteln,
ich persönlich, bißchen Handarbeit kann auch im Büro nicht
schaden. Ach ja ...« Er seufzte. »Den lieben langen Tag Ana-
lysen, Statistik, Kennziffem , Planzahlen, aber für mich gibt's
da nur eines: hinter jeder Null den lebendigen Menschensehen.«
Noch immer tappte ich im d11nkeln, noch immer ahnte ich nicht
einmal, wovon überhaupt die Rede war. Ich wußte nur soviel:Gegen überraschende Ehrungen und Auszeichnungen ist beiuns kein Mensch gefeit, ganz besonders dann nicht, wenn ersie gar nicht verdient.
»Allerdings«, fuhr mein Direktor fort, »auch wenn oder gerade
weil heute dein Ehrentag ist, Kollege, kann ich deine Schwä-
chen nicht unerwähnt lassen. Warum nicht? Nun, weil ich an
dich glaube Weil ich weiß, du kannst sie abstellen, wenn du
nur willst, Stichwort: Alkohol am Arbeitsplatz.«
»Wie , was, warum?«entfuhr es mir.
-
Die Brigade schlägt
Emil vor, der hat am
wenigsten Bummel-
schichten <
59

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 64/136
6
»Mit dem Neuen können
wir zufrieden sein der
hat anständig was aufdem Kasten.<<
as des Volkes Hände schaffen
»Du weißt schon, die Sache damals vor der Konfliktkommis-sion.« - »Das«, sagte ich mit Nachdruck, »war nicht ich. Daswar Bäumel «»Richtig « Schelmisch drohte er mir mit der geballten Faust.»Du bist j der berühmte Schläfer, der immer in der Nacht
schicht ein pennt.«»Das«, sagte ich, »ist Bäumel «»Hör mal zu«, sagte er, »irgendeinen Fehler wirst du doch auchhaben «
»Kann sein.« Ich lächelte hintergründig. »Aber den verrat ichnicht.« - »Geheimnisträger « sagte er.
Seine geballte Faust entkrampfte sich zum erhobenen Zeige-
)
finger. Aus der Vase, die auf seinemSchreibtisch stand, griff er sich den Tul-
penstrauß und überreichte ihn mir.»Also«, sagte er, »alles Gute, auch im per-
sönlichen Leben Und die Blumen, die
schenkst du deiner Frau.«
Ich kratzte mir verlegen den Hinterkopf.»Wie alt«, fragte er, »wirst du heute ei-
gentlich?«»Ich bin vierundvierzig geworden, voreinem Vierteljahr.«
Seine Stirn umwölkte sich.»Aber in eurer Brigade hat doch heuteeiner Geburtstag.«»Im Prinzip ja.«
»Und wer, wenn nicht du?«
»Bäumel«, sagte ich. »Der feiert allerdings nicht Geburtstag,sondern vierzigstes Betriebsjubiläum.«Ärgerlich schlug er mit der flachen Hand auf die polierteSchreibtischplatte. »Seit die Geburtstagsliste über den Compu-
ter läuft, klappt aber auch gar nichts mehr «Behutsam wollte ich ihm die Blumen in die Hand drücken. Erwies sie zurück: »Kommt gar nicht in Frage Die schenkst du
deiner kleinen Frau.«»Ich bin«, bekannte ich, »seit zehn Jahren glücklich geschieden.«
Sichtlich erleichtert nahm er den Strauß zurück. Ich kehrte anmeinen Arbeitsplatz zurück und hörte von weitem die blechernklingende Durchsage. Bäumel kam mir entgegen. »Was Schlim-
mes?« fragte er.
»Jein«, sagte ich, »wie man's nimmt.«

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 65/136
11
In der Nacht wurde der Arbeiter Fritze Meyer von einem
Wachmann m t ein paar Ziegelsteinen in der Aktentasche er-
wischt. Auf die Frage warum er nachts stehle antwortete er:
»Am Tage wird man von den Kollegen wegen der paar Steine
doch nur ausgelacht.«
•
-
qo SACHBEARBEITERINOo _ _J
<:>. .o<><:> :> 0
<>. Ja o >
0 QQ O b O Q
o :>o<:>ocg c o c
ontag
Unsere Sekretärin hat uns we0
a~ ~ · • f s t i e g s m ö g l i c h k e i t e n v e r l s s ~ ~ ~ mangelnder nstag
•
„In eurem Projekt ist ein Fehler •
„Nu wenn schon die Produktion wird ihn schon aus-
bessern "
)
)
D0
6Mlttw „
8Freitag
9arnstag
-
I

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 66/136
62 Was des olkes Hände s chaffen
Manfred Strahl
Es war keine gewöhnliche Leitungssitzung. Diesmal sollten
wir uns was einfallen lassen. Deshalb war eine Ideenkonfe-renz angesetzt worden. Thema: Unser Beitrag zur Konsumgüterproduktion.Anfangs sprühten die Kollegen förmlich vor Einfällen. KollegeZuschke schlug zum Beispiel vor schmiedeeiserne Grills herzustellen. In allen Größen und Ausführungen. Bis hin zumfahrbaren Gemeinschaftsgrill Marke »Grillparzer« für Kinder-
ferienlager und Campingplätze.Zwar wandte Kollege Wittkegel Zuschkes ewiger Widersacher
sofort ein daß es im Handel schon Grills in allen Größen undAusführungen bis hin zum fahrbaren Gemeinschaftsgrill derMarke »Grillparzer« gebe doch der Betriebsdirektor erstickte
Inzwischen schienen die Kollegen ihr gei-
stiges Pulver schon verschossen zu haben
den aufkommenden Meinungsstreit be-
reits im Ansatz. Das sei j gerade das Be-
sondere an einer Ideenkonferenz wies erWittkegel zurecht daß jeder Kollege sei
ner blühenden Phantasie freien Lauf lassen könne und unverblümt sagen dürfe was ihm einfiele. Kein Vorschlag so abwe-
gig er auch sein möge dürfe zerredet oder verworfen werden.Jedenfalls nicht von vornherein. Dann bat der Direktor um wei-
tere Vorschläge.Kollege Kokoschinski ansonsten ein außergewöhnlich zurückhaltender Mensch fühlte sich durch den Hinweis des Direktorsermuntert erstmalig voll aus sich herauszugehen. Er plädierteleidenschaftlich für schmiedeeiserne Flurgarderoben. Wie ihmüber den betrieblichen Buschfunk zu Ohren gekommen sei verfügten zahlreiche Kollegen aus der Produktion ohnehin bereits
über Erfahrungen bei der Herstellung von Flurgarderoben fürden trauten Bekannten- und Verwandtenkreis. Warum so fragte Kokoschinski nach einem euphorischen Blick in die Rundewarum sollten die Kollegen aus betrieblichem Material nichtplötzlich auch Flurgarderoben bauen können deren Verkaufserlös dem Betrieb zugute käme.Kokoschinskis Vorschlag schlug wie eine Bombe ein. Spontanbrandete Beifall auf. Obwohl sich jedes Leitungsmitglied natürlich darüber im klaren war welch heroischer Überzeugungsar
beit es noch bedurfte um den Kollegen beizubringen daß sie
•

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 67/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 68/136
6
•
Sie haben da drin mal
Staub gewischt Fein,
da können wir Sie jadazuzählen.
Was des o 1 es Hä n de s c h a e n
Schweigen wurde nur hin und wieder durch prinzipielle Hinwei-
se einzelner Kollegen unterbrochen.
»Fest steht, Kollegen«, sagte kämpferisch der Begeeller, »daß
wir aus dem bißchen Material, das uns zur Verfügung steht, so-
viel wie möglich machen müssen «
»Genau«, ergänzte der Hauptbuchhalter, »was wir machen, dürf-te dem Kombinat piepe sein. Hauptsache, wir liefern hoheStückzahlen.«
»Demnach«, fügte der Werkdirektor nachdenklich hinzu,
»müßte es ein möglichst kleines Erzeugnis sein.«Damit trat unsere Ideenken-
ferenz zweifellos in die entschei
dende Phase. Prinzipiell war
nun alles gesagt, jetzt ging es
um ganz konkrete Vorschläge.Folglich breitete sich Schwei
gen aus.
Ich persönlich, muß ich zu mei-
ner Schande gestehen, hatte
trotz intensiven Nachdenkens
keine Idee. Unser Leitungskol
lektiv ist zwar so groß, daß es
gar nicht weiter auffällt, wenn
dieser oder jener Kollege maleinen schlechten Tag erwischt
hat, aber meine Einfallslosigkeit
wurmte mich dennoch.
Meinen Mangel an Ideen führteich in erster Linie auf eine
langanhaltende Konzentrationsschwäche zurück. Und die wiederum hing wahrscheinlich mit
meiner Abneigung gegen das autogene Training zusammen. Ja-
wohl, trotz geradezu hingebungsvoller Bemühungen meinerPsychotherapeutin schlug das autogene Training bei mir nicht
an. Obwohl ich die Beschwörungsformeln brav auswendig ge-
lernt hatte.
Da sich unsere Ideenkonferenz ohnehin in einem Stadium be-
fand, in dem jeder seinen eigenen schöpferischen Gedanken
nachhing, kam ich auf die Idee, es mit dem autogenen Training
noch einmal zu probieren. Und zwar sofort. Ich schloß, wie essich gehört, die Augen, was meinen Kollegen entging, da ich
eine dunkle Brille trug. Dann begann ich langsam, ganz lang-

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 69/136
Was des Volkes ände schaffen
sam, die Formel lautlos vor mich hin zu flüstern. »Ich bin ganzruhig; ganz ruhig und entspannt« sagte ich obwohl mein In-
nerstes vor Aufregung so aufgewühlt war wie ein Vulkan beimLavaausbruch. Aber ich gab nicht auf. Mehrmals wiederholteich den Satz. Endlich beim sechsten Mal, stellte ich mit Ver-
wunderung fest daß ich tatsächlich völlig ruhig und entspanntwar. Nun sprach ich wie man so sagt meine Arme an. »Mein
linker Arm ist schwer« sagte ich. Und schon beim dritten Mal
spürte ich deutlich was die Therapeutin damals vergeblich vonmir verlangt hatte: Mein Arm wurde tatsächlich schwer. Und
warm. Erwartungsvoll dehnte ich das Kommando auf beideArme aus. »Beide Arme sind ganz schwer« behauptete ich undtatsächlich stellte sich ein ungeheures Schweregefühl in denArmen ein. Da ringsherum noch Stille herrschte die Kollegen
also weiterhin angestrengt nachdachten fuhr ich mit dem au-togenen Training fort. Ich sprach alle möglichen Körperteile an.Und wie durch ein Wunder verfehlten meine Kommandos diesmal die beabsichtigte Wirkung nie. Ich war begeistert. Selbstmein stattlicher Bauch wurde noch schwerer als r ohnehinschon war und brannte wie Feuer nachdem ich »Mein Bauchist strömend warm« in mich hineingeflüstert hatte.Obwohl ich erst höchstens zwei Drittel der Übungen absolvierthatte stellte sich bereits jenes Gefühl bei mir ein von dem
meine Therapeutin seinerzeit so geschwärmt hatte. ja zunächstwar es nur ein angenehmes Gefühl. Aus dem angenehmenGefühl entwickelte sich jedoch bald eine noch angenehmereVision. Eine Vision die mir meine Therapeutin offenbar verschwiegen hatte. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich ineinem hellerleuchteten Raum sitzen. Tausend Lichter strahltenmich an. Tausend Lichter in tausend Kerzenhaltern. »SchöneKerzenhalter« rief ich angesichts der Pracht begeistert aus.Plötzlich vernahm ich Stimmengewirr verstört schlug ich die
Augen auf. »Kerzenhalter - das ist ein ganz ausgezeichneterVorschlag Kollege«, beglückwünschte mich der Werkdirektorund ließ abstimmen. Nur Kokoschinski machte gegen meinenVorschlag Stimmung. »Kerzenhalter« sagte r abfällig »gibt
es im Handel doch nun wirklich genug.«»Aber noch keine aus unserem Betrieb« konterte der Werk-
direktor scharf.Gestern nun habe ich unsere schmiedeeisernen Kerzenhalterzum ersten Mal in den Läden gesehen. Ein schönes Gefühl
wenn du sagen kannst: »Meine Idee «
._ 6 5
Günter Mittag aUfder E ~ i h j a h r s s i t „z lMsZentt•
l i o n i »Genos

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 70/136
Ein Löwe ist aus ·
dem Tierpark ausgerissen. Erst nachzehn Tagen wird er- wol11genährt - .·
zurückgebracht.»Wo hast du dichso fettgefressen?«fragt der Tiger.»Ach«, sagt derLöwe, »da war soein Gebüsch vormHaus der Plankommission. Da habeich jeden Tag einen
Mitarbeiter weggefangen, ist gar ·
nicht aufgefallen.«»Und warum bistdu nicht dageblieben?« - »Ich Idiothabe die Reinema
h e f ~ u gefressen,die immer den Kaf
fee gekocht hat.<(
Was des olkes Hände s< haffen
Klaus Lettke
Ich bin ein ausgesprochener Schreibtischmensch, ein soge
nannter Sesselfurzer, der nicht einmal einen Nagel in die Wandkriegt. Glücklicherweise habe ich genügend Handwerker an
der Hand. Und einer ist immer besser als der andere. Ich habe
das beim Bau meines Wochenendhauses erfahren.
Der Boß jener Gang, der mir in einer Tag-und-Nebel-Aktion das
Ringfundament geschüttet hatte, versicherte mir, es sei eingroßes Glück, daß ich ihn und sein Team erwischt habe. »Wrr
sind 'ne dufte Truppe«, meinte er ebenso bescheiden wie offen
herzig. »Zwar bloß vier Mann, aber allet aufeinander einje
spielt. Von wejen an der Arbeit festhalten - is nicht Festpreis- und all et paletti Ordentliche Arbeit, ordentlichet Jeld. «
Daß sie ordentliches Geld nahmen, davon konnte ich mich nocham selben Tag überzeugen: Tausend Mark, »bar auf die Kral
le «, wie sich ihr Brigadier ausdrückte.
Die Jungs hielten sich nicht lange bei der Vorrede auf. Es wareine Lust, ihnen bei der Arbeit zuzuschauen. Wie die Heinzel
männchen dachte ich gerührt. Bloß nicht ganz so billig.
Der Boß bediente eigenhändig den Betonmischer.
»Eins zu drei, was?«fragte ich in das Mischergedröhn, um auchmal was Fachmännisches dazwischenzuwerfen.
Der Brigadier, ein Fachmann durch und durch, wußte sofort,
daß ich nicht irgendeinen Wechselkurs, sondern das Mi
schungsverhältnis des Betons gemeint hatte.»Ach was«, sagte er, »eins zu acht, und nach oben hin bißchen
fetter. Machen Sie sich mal keen' Kopp « fügte er hinzu, als ob
er meine Bedenken erraten hätte. »Wir haben da so unsere
Erfahrungswerte. Das Fundament, das wir Ihnen hinsetzen,
kriegen Sie nicht kaputt «Da ich ohnedies nicht vorhatte, mein eigenes Fundament zu zer
trümmern, war ich beruhigt.
Nach knapp drei Stunden war das Werk vollbracht.
»Det Ding steht wie 'ne Bombe « sagte der Brigadier und tipp
te zum Beweis mit der Schuhspitze sacht gegen ein Schalbrett
der Betoneinfassung. »Stampfbeton Wrr haben's erdfeucht ge
macht; sobald wir weg sind, könn' Se ausschalen.«
Obwohl ich sehr neugierig war, entschied ich mich, mit dem
Ausschalen noch eine Woche zu warten, bis der Beton seinevolle Festigkeit erlangt hatte. Danach löste ich vorsichtig ein

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 71/136
Was des Volkes Hände s c h a f f e n
Brett der Einschalung. Sofort rieselte ein Häufchen Kies auf
meinen Schuh, wobei sich an der Oberfläche des Fundamentsein kleiner Trichter bildete. Damit nicht noch weitere Verhee
rungen um sich griffen, beschloß ich, die Ausschalarbeiten
einem Fachmann zu überlassen. Keiner konnte dafür geeigne
ter sein als der Maurer, welcher versprochen hatte, mir demnächst die Wände »hochzuhauen«
Dieser machte jedoch nicht viel Federlesens und deshalb beim
Ausschalen das halbe Fundament kaputt.
»Können Sie mir mal verraten, worauf ich hier mauem soll?«
fragte er interessiert und schubste mit dem Fuß einen Klum-
67
pen fuuchten ~ s beiselie - den ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ letzten Rest der Fundament-ober- \ i '
kante. »Nee, Meister, das bringen J ,.
Sie erst mal in Ordnung. ehe Sie·
mich wieder holen « sagte er. »Aber
sehen Sie zu, daß es waagerecht
wird.· Ich achte nämlich sehr auf
Genauigkeit «
•
1
Durch meine Arbeit am Ringfunda
ment hatte ich mich an den Um
gang mit der Wasserwaage ge
wöhnt. Als der Maurer wiederkam,
legte ich sie bald an diese, bald anjene Ecke des entstehenden Bau
-- •'
.._.; .:
. J J . . Y ~ „ . . ~ K; _ ,~ . . . . . . . . „
(,>· ~ \
. - , - -·- ~ : · _erkes an.'
»Was machen Sie denn da?« fragte _.. :-- „ - - .-. -__. ___
der Maurer, der mein Tun schon ·...„ „ „ „ „ -'- _ . . . _ . ~ . . . .. ._ „ ..... ...-.. -
längere Zeit mit wachsendem Unmut verfolgt hatte. »Meinen
Sie vielleicht, das ist nicht gerade?«
»Hier könnte es allerdings ein wenig ... «, begann ich tapfer.
»Geben Sie mal her, die Blubber « sagte der Meister und pack
te mit fachmännischem Griff die Wasserwaage, um sie gegendie frische Mauer zu drücken. »Hier - stimmt doch ganz genau «
meinte er gekränkt. Tatsächlich Die Luftblase befand sich ak
kurat in der Mitte des gekriimmten Röhrchens. Trotzdem konn
te ich mir den Hinweis nicht verkneifen, daß die Wasserwaa
ge unten ungefähr eine Handbreit von der Wand abstand.»Ach, den halben Millimeter gleiche ich mit dem Putz aus «
sagte der Maurer optimistisch.Als der Rohbau fertig war, gestand mir der Maurer, daß er sich
eigentlich nichts aus Putzen mache. Seine Spezialstrecke seimehr das Mauem.
Na gut, aber erst nach
Feierabend «

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 72/136
68 as des Volkes ände schaffen
»Wer hat denn hier gemauert?« fragte sein Nachfolger, den ich
als Putzer angeheuert hatte.
»Ein Maurer«, sagte ich ein wenig unsicher.»Na, wenn das ein Maurer war, dann bin ich Professor Dathe
Hier, sehn Se sich das mal an. Alles schief Und da, da fehlt j
fast 'n halber Meter «»Vielleicht kann man mit dem Putz ...?« fragte ich zögernd.
»Mit dem Putz kann man gar nichts ausgleichen«, entgegnete
der Putzer, »aber vielleicht kriege ich das noch irgendwie hin.
Hier muß ich was wegstemmen und da was ansetzen. Dauerteben bißchen länger. Aber dafür wird's ordentlich.«
Und wirklich, als der Putzer sein Werk vollendet hatte, sah
das Häuschen nicht mehr ganz so schief aus wie vorher. Mit
etwas Gutmütigkeit und Toleranz konnte man es sogar für ge
rade halten.«Diese verdammten Pfuscher « schimpfte der Rohrleger, der
anschließend kam. »Wie soll ich denn hier ein Stück Wasser-
rohr verlegen, wenn alles krumm und schief ist? Meine Win
kelstücke sind winklig, aber in diesem Haus habe ich bis jetzt
noch keinen rechten Winkel entdeckt.«
Für solchen Hungerlohn kann man ja
wirklich keine Qualitätsarbeit leisten
Ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt,der Prügelknabe meiner Handwerker zu sein,
und steckte schuldbewußt die gerechten Vor
würfe des Rohrlegers ein, die fast immer mit dem Satz ende-ten: »Und das alles für zehn Mark die Stunde «
Ich sah ein, daß es allein mit passiver Unterwürfigkeit nicht
getan war, und schlug dem geplagten Fachmann vor, seinen
Stundenlohn auf zwölf Mark fünfzig zu erhöhen.
Daraufhin ging es zügig voran. Bald hatte der Rohrleger den
freigeschachteten Raum in Bad und Toilette mit einem unüber-
schaubaren und scheinbar wahllos verzweigten System von
PVC-Rohren unterschiedlicher Kaliber ausgefüllt.
»Passen Sie auf « sagte er. »Hier gieße ich jetzt Wasser hinein.«Tatsächlich goß er aus einer Brauseflasche Wasser in ein
emporragendes Rohrende. Ich mußte grenzenloses Erstaunenheucheln, als mir der Rohrleger, der mich blitzschnell ins Freie
gezerrt hatte, ein Rohrende zeigte, aus dem dasselbe Wasser
wieder herauskam. Ein Vorgang, den ich bis dahin für normal
gehalten hatte.»Es funktioniert « brüllte der Rohrleger triumphierend. »Na, nu
können Sie zuschippen, das hält hundert Jahre «
Ebensolange hätte ich wahrscheinlich Lobeshymnen auf mei-

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 73/136
1
as des olkes Hände schaffen
nen letzten besten Handwerker gesungen, wäre die gesamte
Abflußanlage nicht nach drei Jahren hoffnungslos verstopft ge-
wesen.
Da ich in bezug auf Handwerker inzwischen sehr wählerisch
geworden war, heuerte ich wieder meinen altbewährten Quali-
tätsfanatiker an, der sich aber längst nicht mehr an mich erinnern konnte.
»Mit Reparaturen gebe ich mich eigentlich nicht ab«, sagte er
kühl. »Na, machen wir einen Preis unter Brüdern: zwanzig
Mark die Stunde und Essen und Trinken auf der Baustelle.«
Ich war überglücklich, so billig davonzukommen, denn wahr
scheinlich hätte ich es mir gar nicht leisten können, nicht sein
Bruder zu sein.Das Abflußrohr hatte ich bereits durchgesägt und auseinander
gedrückt - eine wichtige Vorbereitung, denn der Rohrleger be-absichtigte, den Fehler einzukreisen.
»Na, das werden wir gleich haben « meinte der Rohrleger zu-
versichtlich. Aber nachdem er eine Weile mit verschiedenen
Geräten in dem Rohr herumgestochert hatte, wobei er sich be-
sonders von der sogenannten Spirale einen durchschlagenden
Erfolg versprach, sagte er plötzlich: »Jetzt reicht's « und zog mit
einem gewaltigen Ruck an dem Rohr. Der Rohrleger schwang
triumphierend ein bizarres, geweihartig verzweigtes Rohrgebil-
de wie eine Siegestrophäe über seinem Haupte.»Da haben wir's « rief er begeistert und wies auf das Kunststoff
rohrgewirr, das in seiner eigenwilligen Form an ein abstraktes
Kunstwerk erinnerte und mir irgendwie bekannt vorkam.
»Hier drin kann ja nichts ablaufen«, sagte der Rohrleger ...
»Sehen Sie sich doch bloß mal diese eckigen Bogen an Das
muß sich ja zusetzen. Ich möchte bloß wissen, welcher Trot-
tel das gemacht hat «
»Das waren Sie « sagte ich rasch, ehe er sich noch mehr auf-
regte. Eine Weile sagte er gar nichts. Ich sah fön11lich, wie esjetzt in seinem Gehirn arbeitete. »Was denn, ich selber soll ... «
»Na klar Wissen Sie denn nicht mehr: zwölf Mark fünfzig die
Stunde?«
»Ach so « - ein verzeihendes Lächeln huschte über das Antlitz
des Rohrlegers, der sich nun wieder voll in der Gewalt hatte.
»Na, für solch einen Hungerlohn kann man ja wirklich keine
Qualitätsarbeit leisten.«Das soll mir eine Lehre sein für die Zukunft: Unter fünfund-
zwanzig Mark die Stunde läuft bei mir nichts mehr
Vor dem Haus derMinisterien stehtein Bockwurstverkäufer. Auf einmalweht ein Wmdstoßalle Pappteller in
9
ein Fenster des Mi-nisteriums. Der Ver-
käufer geht ZU ll ·
Pförtner und llittet· "darum, die Papp-teller zurückzuerhalten. Der Pförtnermacht sich auf denWeg, kommt nacheiner Weile zurück
und sagt: »Das gehtleider nicht.«
»Wieso denn?« fragt
der Verkäufer.»Der Minister hat
· .
sie alle schon unter„
schrieben.«

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 74/136
7
/
>>Oh, Verzeihung, ich
habe Sie aber wirklich
ni ht mehr gesehen
as des Volkes ände schaffen
Alfred Schiffers
Ich betrat den Kurzwarenladen um einen Hosenknopf zu kau
fen. Kaum hatte ich die Ladentür hinter mir geschlossen alsmich auch schon zwei Verkäuferinnen umzingelten. Lächelnd
und wie aus einem Munde fragten sie nach meinen Wünschen.
Mein Wunsch einen Hosenknopf zu kaufen versetzte sie in
helle Begeisterung. Sie geleiteten mich auf liebenswürdigste
Weise zum Ladentisch und legten mir eine riesengroße Kollek
tion wunderschöner Hosenknöpfe vor. Sie gaben unaufgefordert
Auskunft über Qua
lität besondere Vor
züge und voraussichtliche Lebensdauer je
des einzelnen Knopfes
bei der entsprechen
den Pflege.
Ich gestehe daß mich
dieses nicht alltägli
che Geschäftsgebaren
irritierte.
Ich wählte einen geeigneten Hosenknopf
aus und erschrak beider höchst merkwür
digen Frage der Ver-. · · -. · - kaufskräfte ob ich den
Knopf gleich mitzunehmen gedächte oder ob man mir die Ware
ins Haus senden sollte.
Nun erfaßte mich Panik. Ich schleuderte ein Markstück auf den
Ladentisch und verließ unter Zurücklassung des Restbetragessowie des Knopfes fluchtartig das Geschäft. Draußen vor der
Ladentür als ich schon glaubte davongekommen zu sein tipp
te mir ein Herr auf die Schulter.»Das war nicht nett von Ihnen« sagte er. »Wrr drehen hier einen
Film zur Woche der Verkaufskultur und kurz vor dem Happy
End schmeißen Sie die Sache.«
»Tut mir leid« sagte ich.
»Halb so schlimm« sagte er »besetzen wir eben den Kunden
auch mit einem Schauspieler.«

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 75/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 76/136
7 eißer S ommer
othar usche
oi to Roiso o o
Die wichtigste Vorbereitung auf eine Reise besteht bekanntlich
in der Zusammenstellung des nötigen Gepäcks. Aber selbst erfahrene und weitgereiste Leute versagen dabei nicht selten:
Sie packen fast immer zuviel ein, und selbst wenn sie sich bei
der nächsten Gelegenheit fest vornehmen nur noch die Hälfte
davon mitzunehmen so ist auch das mindestens das Doppelte
von dem, was sie im äußersten Falle gebrauchen könnten. Zum
Beispiel Krawatten Socken Taschentü-
cher nehme ich immer in großen Mengen
mit. Wenn ich für zwei Tage wegfahre
packe ich ungefähr sieben Taschentü-cher ein. Genauer gesagt: Es wird eine
geheimnisvolle Kraft in mir wirksam die
sie mich einpacken läßt.
Natürlich bin ich als aufgeklärter
Mensch über den Verdacht erhaben ir
gendwelcher düsteren Metaphysik anzu-
. hängen aber was das Einpacken von Ta
schentüchern betrifft so gibt es Dinge
zwischen Himmel und Erde von denensich meine Schulweisheit nichts träumen
läßt. Meine Schulweisheit ist allerdings
auch ziemlich gering.
Doch wie jeder Reisende weiß nimmt
man nicht nur von irgendeiner Sache
immer etwas zuviel mit sondern auch
von einer anderen etwas zuwenig. Um
auch dafür ein Beispiel zu geben: Ich vergesse mit einer gera-
dezu unheimlichen Regelmäßigkeit eine Zange einzupacken.Schon oft fand ich mich des Abends im Hotelzimmer in der
peinlichen Situation den Koffer auszuräumen und keine Zange
darin zu finden. Donnerwetter dachte ich dann verärgert du
wirst langsam vergeßlich alter Knabe Mein Versagen wäre
noch zu entschuldigen wenn es sich um ein ausgefallenes Ding
handelte an das man eben nicht immer denkt beziehungswei-
se das man auf einer Reise so gut wie gar nicht benötigt bei
spielsweise eine Stehlampe einen Feuerhaken oder ein Gerät
zum Durchleuchten von Hühnereiern. Aber wie kann man als

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 77/136
He ißer ommer
Reisender die Zange vergessen Schließlich reist man nicht
nur zum Vergnügen. Man hat Verabredungen einzuhalten, also
muß man pünktlich aufstehen. Das aber setzt voraus, daß manzur rechten Zeit aufwacht.
Mit dem Wecken ist es aber immer so eine ungewisse Sache.
Ichwill
nichts gegen das Niveau unserer Hotels sagen, dassich j seit Ausgang des Mittelalters nicht wesentlich gesenkt
hat, aber die Methoden, mit denen Gäste geweckt werden
sollen, entbehren doch nicht eines gewissen Risikos. In der
Regel haut jemand fünf Minuten vor acht einmal gegen die Tür
und brummt »halb acht«, und dann kümmert er sich um nichtsweiter.
' „ - - --.' .
.. 0 ' ~ \ ~ _ ] ~ ~
'
\ .
' \
i
' 0
0
I. .....___.
c. ' ' - '• l ' ' '-'
0
Daher benutze ich einen Reisewecker. Nun weiß jeder Mensch
der unsere Reisewecker kennt, daß jenes Rädchen, mit dem
man den Reisewecker stellen kann, spätestens nach dreimali
ger Benutzung abfällt, weil es einfach nicht so konstruiert ist,
daß es an dem Reisewecker dranbleiben könnte.
Einern ordentlichen Menschen, der nicht so huschelig ist wie
ich macht das nichts weiter aus, denn er wird niemals seine
Zange vergessen und kann mit ihrer Hilfe jederzeit seinen Rei-sewecker stellen.
Immerhin bleibt mir eine letzte, kleine Rechtfertigung: Die han-
delsüblichen Zangen sind so unhandlich. Daher schlage ich der
Uhren-Industrie vor wenn sie schon keine Reisewecker mit
haltbaren Rädchen produzieren kann, doch wenigstens ge-
schmackvolle Reisezangen in Etuis anzufertigen und somit
einen Beitrag zu den tausend kleinen Zangen zu leisten.
73
-- · -
Q~„ ..•· ~ · .
)
\ .

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 78/136
7
••
l 1
1
l \ '
eißer Sommer
Jochen Petersdorf
Ein Feldrain. Man hört Mähdreschergeräusch. Ein Bauer
kommt auf einem Fahrrad angefahren. Er hält an. Guckt verstohlen um sich. Er pfeift auf zwei Fingern und ruft leise:»Lisa «
Das Mähdreschergeräusch hört auf. Lisa (die Mähdrescherfah-
rerin) kommt. Macht sich das Kopftuch ab.
Schüttelt den Staub davon ab.
Wischt sich den Schweiß von der Stirn.Lisa (glücklich): Da bist du ja
Bauer: Ja, da bin ich.
Lisa: Hat dich auch niemand gesehen?
dort hinter den Strohhaufen gehen.
Bauer: Ich glaube nicht.
Ich bin unten am Bachlanggefahren. Da war
bloß Heinrich mit den
Schafen. Und der sieht ja
schlecht
Lisa: Aber hier ist es ei
gentlich ungünstig. Kein
Baum, kein Strauch. Mankann uns meilenweit
sehen.
Bauer: Wir können doch
(Sie verschwinden hinter den Kulissen, und man hört nur nochdie Stimmen.)
Lisa: Eigentlich ist es nicht richtig, was wir machen. Es ist ge-•
mem.
Bauer: Aber ist es nun mal nicht zu ändern. Und wenns keinersieht, kann es auch kein Gerede geben.
Lisa: Also gut. Schnell, schnell
(Schmatzende Geräusche, zufriedenes Stöhnen. Dann kommen
beide wieder vor.)
Lisa: Ah Das tat gut
Bauer: Ja. Und im Wmter, Lisa, können wir es sogar wieder
öffentlieh machen. Dann liefert das Getränkekombinat ganze
Kästen voll, und keiner kann neidisch sein, wenn jemand
Brause trinkt

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 79/136
--
- · ~ · - - . . . . . ,- __
--
_LIE ERtoumee
-
1 _ _ • • • ·• • „ • • • ••
•„ v ~ • .
•f • · ••- - - - r - · - - - - ~ - -
.
Die Empfangsdame im Interhotel zu dem bundesdeutschenGast: »Sagen Sie mir bitte wenn Sie etwas brauchen.« -
»Und Sie können es dann beschaffen?« - »Nein aber ich
kann ihnen erklären warum es das gerade nicht gibt.«
. ....... _ ' - „. - - - - - .._ - - ----- - .„
J
?
- .
i
•
•••

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 80/136
7
Zuletzt wurde derTrabbi ohne Motorausgeliefert - inder LlR ging . ·sowieso alles berg-ab ...
H ei er Sommer
Matthias iskupek
IAltso11 1oizoit o i l J ~ l11to6i1Jia1
Die linden Lüfte waren erwacht; also die Wettertendenz gestal
tete sich zunehmend positiv.Ich bedachte, daß die Gartenbank jetzt aus dem Keller an die
frische Luft gehöre und daß die Bank ein paar blanker Nägel
und etwas netter Farbe bedürfe.Gedacht- gesagt. Doch man muß wissen, daß meine Frau mit-
ten im Leben tätig ist. Nachrichten sind ihr konkret und abre
chenbar zu übermitteln. Ich fertigte also ein Anschreiben: »Frei-
zeitfreiluftmobiliar unverzügl. jahreszeitgemäßer Verwendung
zuführen. Umfassende Instandsetzg. ist in Eigeninitiative zu
realisieren. Termin: sofort. Beschlußkontrolle: täglich.«Ich erhielt folgende Hausmitteilung meiner Frau: »Begründung
für Umsetzung konkretisieren und nachreichen. Bilanzanteile
für malermäßige Instandsetzung derzeit noch unbilanziert.
Breites Nagelkontingent dringend erforderlich. Ist eine umfas-
sende Einbeziehung weiterer gesellschaftlicher Bereiche in An-
griff genommen worden? Mitspracherecht verwirklichen In-
formation über Aktivitäten umgehend erbeten.«
Ich setzte einenAufruf an meinen Sohn auf: »Jugend voran Was
ist Dein Beitrag zur sich immer umfassender entwickelndenJahreszeit? Heraus mit dem Freizeitfreiluftmobiliar Treffen wir
den Nagel auf den Kopf Bitte teile mjr Deine Aktivitäten un-
verzügl. mit. (Formlose Stellungnahme genügt.)«
Meine Frau hingegen erhielt von mir folgendes Antwortschrei
ben: »Betrifft: I. Begründung über Umsetzung des Freizeitfrei
luftmobiliars. Betrifft: II. Information über breite Mitsprache
der Jugend.Zu I.) Weitere Verbesserung des gartentypischen Sitzangebots.
Zu II.) Aufruf gestartet. Begeisterte Zustimmung aus vielenBereichen. Die weitere Entwicklung wird aufmerksam ver
folgt.«
Unser Sohn, seit vielen Schuljahren umfassend auf unser Leben
vorbereitet, schrieb mir einen in herrlichen Worten gehaltenen
Brief. »Lieber Vater, ich danke Dir für Deine richtungweisen
den Vorschläge. Sei gewiß, auf mich kannst Du Dich immer
verlassen. Als vordringliche Aufgabe erachte ich es, unsere
erfahrenen Bürger schöpferisch einzubeziehen. Die konkrete
Nutzung des Freizeitfreiluftmobiliars ist eine Herausforderung

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 81/136
eißer Sommer
für die Jugend « Einen Durchschlag des Schreibens erhielt
meine Frau.
Meine Frau sah sich voll gefordert und lud mich zu einer Ko-
ordinierungsberatung ein, um alle bisherigen Vorschläge tat
kräftig umsetzen zu können. Ein schöner Erfolg zeichnete sich
schon bald ab: Unser Sohn hatte inzwischen ganz unbürokratiscl1 und mit jugendgemäßer Frische unsere Oma mal in aller
Deutlichkeit angesprochen. Und Oma hatte die Gartenbank inden Garten geschleppt.
Ich setzte mich auf die Bank und ein
neues Schreiben auf: »Auf dem Er-
reichten gilt es sich nicht auszuru
hen. Verwirklichen wir noch besser
die komplexe Sanierung der Freizeit
freiluftaltmöbelsubstanz Wo heuteein Latte wackelt, müssen wir mor-
gen den Nagel ansetzen. Es kommt
stets darauf an, eine jede Schadstel
le umfassend zur Renovierung vor-
zubereiten.«
Wahrscheinlich habe ich die Anfor-
derungen im Verlauf unserer Kam-
pagne etwas zu hoch geschraubt.
Meine Frau, mein Sohn und ich hiel-ten mehrere Beratungen auf derGartenbank ab. Von unseren erreg
ten Debatten, die wir stets bis zur
völligen Einsicht hin ausdiskutier
ten, bekam die Bank einen Knacks.
Genauer: einen doppelten Dreifach
kreuzquerknacks, wie wir im Scha-
densprotokoll feststellten.
Es war nun an der Zeit, rückhaltlosKritik zu üben und mit manchen hier
und da noch auftretenden Schlampereien abzurechnen. Ich
stellte unumwunden fest, daß wir im Verlauf dieses Sommers
viel erreicht hätten, daß es aber keinen Grund zu Selbstzufrie
denheit gäbe. Leider wurden nicht alle gesteckten Ziele er-
reicht. Es gab Versäumnisse, jawohl, rief ich aus. Können wir
es uns leisten, das zu verschweigen? donnnerte ich.
Unsere Oma schleppte schuldbewußt die Gartenbanktrümmer
in den Keller.
»Kein Wagen, kein
Schwimmingpuhl, nicht
mal ein Hund - woriiber
soll man sich mit dieLeute unterhalten

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 82/136
8
>Und ihr liebstes Hobby
Mr. Robinson?<
>>Autofahren Autofah-
ren Autofahren
ochen Petersdorf
Eine Reisegeschichte
Friedrich Deutschmann, mittelgroß,
geht spazieren und sieht Los-
bude, wo man ab und an
einen Reibach machen kann.
Friedrich, der zwar nie im Leben
paß gehabt am Geldausgeben,
ist nicht knickrig unbedingt,
wenn er meint, daß Vorteil winkt.
•
In ein Land, das, wie man weiß,
sozialistisch ist und heiß,
zieht es ihn nicht sonderlich,
doch er sagt sich: Friedrich,
denke dran, wer rastet, rostet,
zittre los, zumals nischt kostet.
Auf gehts gen Bulgaria,
hipp hipp hurra Safaria
•••••••
----
Sieben Startbonbons gelutscht,
teak und Kognak, damits rutscht,
Stewardeß entwickelt Charme,
Friederichen zwickts im Darm,
endlich Landung, Zöllner grienen:
Heißer Sommer
Fünfzig Pfennig,er grapscht rin,
Heidiwitzka -
Hauptgewinn
Friedrich, anfangs
hoch beglückt,
glubscht auf einmal
recht geknickt,
weil zum Fernsehnein Gerät,
er sehr gern besitzen
tät.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 83/136
eißer ommer
»Sonnenbrillen? Nix verdienen
Wünschen gute Weiterreise «
Friedrich blubbert: »Große Scheiße
Balkan mies wie ehedem «
Machts sichs im Hotel bequem.
Schläft, bis abends gegen acht
ihn der Kohldampf munter macht,
schluckt dann mangels Pils und Eisbein
angeekelt Huhn mit Weißwein,
intoniert schon etwas blau
»Zickenschulze aus Bernau«
und verlangt zum Zeitvertreib
rassiges Zigeunerweib.
Kneift die Barfrau, die sich ziert,wankt vors Haus und uriniert.
Tags darauf, schon wieder munter,
faßt r sich ein Herz und unter
nimmt nun mittels Omnibus
eine Fahrt zwecks Kunstgenuß.
Wo die frommen Mönche hausen,
heucheln Scharen von Banausen.
Pietät und Feingefühl,Friederich jedoch bleibt kühl
und gibt Kunst der Knoblauchfresser
letzten Schliff mit deutschem Messer.
Nickerchen m Badestrand.
Fazit: schwerer Sonnenbrand.
Friedrich zetert: »Jetzt ist Schluß
Zuviel Nepp für schweres Geld «
Turboprop - schwupp - Schönefeld.Heimatland, Wtllkommensschluck.
»Kellner Mastika Ruckzuck
Nicht vorhanden? Ein Skandal
Chaos international «
Nachsatz: F. erfährt man, plane
Wmtersport in Zakopane.
Freundschaft •
9
Das in schwedischen Ostsee
gewässern gesichtete U-Boot istidentifiziert wor
den. Es gehört zurNVA-Marine und istauf der Suche nach
Grundnahrungsmit
teln.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 84/136
8 •He iß .. Sommer·
eli Busse
s
Fast täglich kommen wildfremde Leute zu uns ins Gemeinde
büro und fragen nach Pachtland am Waldsee, und unter diesenPachtlandsuchern sind nicht wenige, die eine dicke Briefta
sche voller Geld haben und denken, wenn sie die herausholen
und ihnen dabei aus Versehen ein Scheinehen auf den Gemein-
deschreibtisch fällt, dann wäre ihr Antrag so gut wie gelaufen.
Aber bei uns läuft nichts mehr auf diese Weise und das ist dann
stets eine herbe Enttäuschung für die Damen und Herren.
»Seien Sie froh« sage ich immer zu ihnen, »daß es nicht klappt.
Glauben Sie mir - es wäre Ihr Untergang, Sie würden das nicht
durchstehen « Natürlich hat mir das noch keiner geglaubt. Jederdenkt: Mann ich habe einen Raufen Geld - wieso soll ich das
nicht durchstehen?Nun ich kann nicht jedem dieser Leute die Geschichte von Rüb-
sam und Dungebach erzählen. Sie ist zu lang, aber man sollte
Schließlich konnte er seine Familie nicht gut auf einer
Decke am Boden herumliegen und Gras kauen lassen
ihren Fall, weiß Gott, ans
Schwarze Brett der Gemeinde
anschlagen, damit sich einjeder
infarmieren kann und begreift,
was für ein Glücker
hat, kein Grundstück zu kriegen.Die Sache mit Rübsam und Dungebach fiel in die Zeit, als im
Gemeinderat noch die Idee umging, die Waldseeumgebung par
zellenmäßig zu erschließen. Zufällig tauchte damals der mick
rige Rübsam im Ort auf. Rübsam hatte fast so etwas wie eine
amerikanische Millionärskarriere hinter sich, denn er war als
Tellerwäscher in einer Großküche ein wohlhabender Mann ge-
worden, indem er plötzlich im Lotto einen Hanfen Geld ge-
wann. Und er hatte schon alles eingekauft, was er zum Glück-
lichsein brauchte, bloß ein Grundstück fehlte ihm noch, weshalb er bei uns im Gemeindebüro erschien und mit seiner dik-
ken Brieftasche herumspielte.
Ich will hier nicht sämtliche Einzelheiten schildern, nur soviel:
Rübsam bekam sein Grundstück, und die Gemeinde hatte pri
vat Geld um für den Kindergarten eine große Holzeisenbahn
zu kaufen. Wrr hielten das damals für eine gute Lösung der Pro
bleme, und da die Landverpachtungam Waldsee lediglich gegen
das Landeskulturgesetz verstieß, brauchten wir nicht zu be-
fürchten, daß sich irgendeiner aufregte deswegen.
Rübsam friedete sein Pachtland am Waldsee mit einem Zaun

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 85/136
Hei ßer ommer -
ein und fing an zu bauen und da kann sich jeder vorstellen daß
er fortan keine Schwierigkeiten hatte seinen Lottogewinn
unter die Leute zu bringen und sich dafür jede Menge Sorgen
einzuhandeln. Vielleicht hätte er die auch alle bewältigt wäre
nicht drei Wochen später ein gewisser Dungebach im Ort er
schienen gleichfalls auf der Suche nach einem Waldgrundstück am See. Dungebach war das ganze Gegenteil von Rüb
sam nämlich ein großer mächtiger Mensch mit einem Stiemak
ken und gewaltigen Pranken an langen Armen so daß man ihn
von weitem für einen Orang-Utan halten konnte.Aber weil die Gemeinde inzwischen Geschmack an der Land-
verpachtung gewonnen hatte störte sie sich nicht wei
ter an Dungebachs Aussehen obwohl auch über seine
finanziellen Verhältnisse völlige Unklarheit herrschte.
Dungebach war Handwerker und in Geldangelegenheiten sehr verschwiegen doch er hatte sich bereit er
klärt für eine Wasserleitung zum Campingplatz zu
sorgen und das war j echt noch mehr wert als eine
Holzeisenbahn für den Kindergarten.
Dungebach sollte jedoch nicht dazu kommen sein Ver
sprechen zu erfüllen denn kaum hatte er sich am
Waldsee niedergelassen und gesehen wie Rübsam
einen Bungalow hochzog fühlte er die Verpflichtung
in sich ihm das nachzumachen. Schließlich konnte erseine Familie nicht gut auf einer Decke am Boden her
umliegen und Gras kauen lassen wenn die nebenan
in Betten schliefen und sich in ihrer Küche frugale
Menüs kochten.
Der mickrige Rübsam hatte mit seinem Bungalowbau
mäßig drei Wochen Vorsprung aber den büßte er nunganz schnell ein denn was sah er seinerseits bei Dungebach
und mußte es auch haben? Er sah wie Dungebach mit einem
Lada vorfuhr während er es selber mit seinem Lottogewinn inder Eile bloß zu einem Trabant Kombi gebracht hatte. Rübsamfing also an darüber nachzudenken wie er an einen vorneh
meren Wagen kommen könnte aus dem seine Frau ebenso
richtig und elegant aussteigen konnte wie Frau Dungebach aus
dem Lada. Dadurch verlor Rübsam die Beschaffung von Stei
nen und Mörtel und Dachplatten und all den hunderttausend
Dingen für seine Datsche erst einmal aus dem Auge. Er geriet
ins Hintertreffen zumal Dungebach als Handwerke sowieso
im Vorteil war weil er bloß seinen Handwerkerausweis hervorzuholen brauchte um in jedem Laden Schokosteckdosen und
v 81
>>Verstehst du warum er
nicht losfährt?

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 86/136
82 eißer -Sommer
alles Material zu bekommen was Rübsam viele Wochen und
immer ein paar Scheine extra kostete.
Nun kann man sagen was man will aber es gibt eine ausglei
chende Gerechtigkeit denn jetzt hatte Dungebach seinen
schwarzen Tag. Er blieb mit seinem Lada an der Abzweigung
zum Waldsee stehen weil der Kühler kochte und während erzum Telefonieren in den Ort lief um das Abschleppen und Re-
parieren seines Wagens zu besorgen saßen seine Frau und die
Tochter m Chausseegraben und warteten und weinten. In die-
sem für die Familie Dungebach schrecklichen Augenblick fuhr
der mickrige Rübsam mit einem hochglanzpolierten Dacia an
ihnen vorüber und aus dem Rückfenster grinsten Frau Rübsam
und deren beide Bengel.
Als Dungebach mit seiner unglücklichen Familie endlich völ-
lig fertig am Waldsee eintraf schlug das Schicksal noch ein-mal zu denn er mußte sehen wie Rübsams in einer funkelna
Man kann sogar Ärger bekommen wenn manlediglich gegen das Landeskulturgesetz verstößt.
gelneuen Hollywoodschaukel schau
kelten und von da aus ihren funkelna
gelneuen Dacia beäugten. Dungebach
ohnehin deprimiert wegen seines Wa-
gens warf sich aufheulend ins Gras und jeder kann sich vor-
stellen wie schrecklich der Anblick dieses mächtigen am
Boden zuckenden Körpers für Frau und Tochter gewesen sein
muß. In ihrer Verzweiflung verbreitete Dungebachs Frau das
Gerücht man würde für drei Wochen nach Ungarn fahren um
dort Urlaub zu machen weil das am Waldsee zwar ganz nettaber eben doch kein richtiger Urlaub mit internationaler Um-
gebung wäre. Rübsams glaubten es und es war prestigemäßig
ein Schlag für sie da ihnen so etwas wie internationale Umge-
bung nicht eingefallen war aber sie beschlossen sofort die
drei Wochen zu nutzen um etwas auf die Beine zu stellen was
den Orang-Utan nach seiner Rückkehr zerfetzen würde.
Nach drei Wochen als Dungebach seinen Lada wieder beisam
men und auch eine Hollywoodschaukel besorgt hatte und mit
Gattin und Tochter am See erschien erhob sich Rübsam gemes-
sen aus seinem Liegestuhl um seine neueste Attraktion in Be-
trieb zu setzen: einen Springbrunnen mit Fontäne die dank
einer Motorpumpe drei Meter in die Höhe schoß und alsdann
in ein betoniertes Becken niederpladderte.
Dungebach stand zunächst wie erstarrt aber dann kam plötz
lich Bewegung in seinen mächtigen Körper und er rannte mit
angewinkelten Armen zu dem kleinen Häuschen hinter dem
Bungalow. Rübsam sah es und dachte zunächst der blanke

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 87/136
eißer Sommer
Neid wäre Dungebach in die Gedärme gefahren aber als Dun
gebach auch später immer wieder die Flucht ergriff sobald er
die Fontäne niederpladdem hörte begriff Rübsam die Zusam
menhänge und erkannte welch furchtbare Waffe er mit der
Fontäne gegen den Riesen Dungebach in der Hand hatte. Von
da an machte er es sich zur Aufgabe alle halbe Stunde dieFontäne ab- und wieder anzustellen um Dungebach unter mek
kemdem Gelächter zum Häuschen abmarschieren zu lassen.Dungebach beriet sich mit einem Rechtsanwalt. Der erschien
am Waldsee fand alles sehr nett und legte sich probehalber in
Dungebachs Hollywoodschaukel um die Wirkung der Fontäne
zu prüfen aber ihm machte das Wassergepladder nichts aus.
Deshalb sagte er Dungebach unter diesen Umständen könne
er nichts anderes tun als das Pacht-
land aufzugeben und sich etwas anderes zu suchen da sich juristisch keine
Handhabe böte. Und noch am selben
Tag erschien dieser Rechtsanwalt auf
der Gemeinde ums ich als Anwärterauf Dungebachs Grundstück vormerken
zu lassen. Aber er sollte nicht in den
Genuß seiner juristischen Beratungs
kunst kommen denn Dungebach gab
das Land nicht zurück sondern hatteeinen anderen Einfall.
Dungebach baute einen Steg in den
Waldsee und an dessen Enden eine
Plattform auf Pfählen und er kaufte ein
Boot mit Außenbordmotor und er nebst
Frau und Tochter fuhren auf dem Wald-
see spazieren und machten einen Höllenlärm daß Rübsam mit
seinen dünnen Beinchen die unten aus einer Lederhose her
aushingen wie Rumpelstilzchen um den Waldsee herumtanzte und gräßliche Flüche über das Wasser schickte. Und der
mächtige Dungebach lächelte breit dazu und ließ den Motor
aufheulen daß Rübsam seine eigene Stimme nicht mehr hörte.
Und dadurch wurde dem Dungebach so wohl wie dem bekann
ten Esel der aufs Eis geht und einbricht. Er holte sich ein paar
Bekannte zusammen und veranstaltete auf der Plattform amEnde des Steges wo er Rübsams schreckliche Fontäne nicht
hörte eine große Siegesfeier mit Kaffee und Kuchen Sonnen
untergang und Lampions Kartoffelsalat und Würstchen Bierund Schnaps und viel Gesang. Rübsam stand wie ein Kessel
8
.
l
>Ich begreife nicht,
warum Müllers immer
so von ihren Wasser-wanderungen schwär-
men «

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 88/136
8
Eine junge Frau .··
liat i n e n ~ u s r e i antrag gestellt.»Mein Onkel aus ~ ; <
.. . ..
DÜsseldoff hat m g'Cschrieben, ichSlJll zu ihm kom- . ·
' < ; ' ' • - t \
rilen und ihn pfle- .gen. Er is;t alt ·
l«:ank ung°_ebrecll-lieh.«
»Dann soR er docbm ie DDR. kom -nfen, und Sie
~ n ihn hier «. . -
}>ith sagte mein ~ e ;- . .
O nkel ist alt, krankund gebrechlich,aber ich Habe nicht.gesagt, daß er ver-kalkt ist. „ .
' ; ° -
eißer ommer
unter Überdruck am Seeufer, und da sah er plötzlich, wie sichdie Plattform nach einer Seite neigte und alles, was sich darauf befand, ins Wasser fiel. Bloß die Lampions fielen nicht insWasser, sondern ins Dungebachsche Boot. In dem Boot befandsich ein Kanister mit Benzin für den Außenbordmotor. Es gab
eine Explosion, die man bis in den Ort hinein hörte, und dannbrannten das Boot und der Steg ab.So schnell, wie das alles ging, war unsere freiwillige Feuerwehrnicht zur Stelle. Der Sachschaden war nicht groß, aber derBrand brachte uns trotzdem eine Menge Ärger ein, insofern mitder Feuerwehr auch die Polizei erschien und die Meldung vondem Vorkommnis höheren Orts die Frage aufwarf, wieso amWaldsee entgegen den Bestimmungen des Landeskulturgesetzes Grundstücke verpachtet und bebaut worden waren. Es kam
die Sache mit der Holzeisenbahn zur Sprache und noch einpaar weitere Dinge, wie das immer so ist, wenn mal irgendwoangefangen wird zu graben und tiefer zu bohren. Kurz: plötzlich gingen über unsere stille Gemeinde Verfahren, Mahnungen,Verweise, Strafbescheide und Auflagen nieder, und am Endewurden wir beauflagt, am Waldsee wieder alles in den ursprünglichen Zustand zu versetzen und der allgemeinen Nutzung zugänglich zu machen. Doch dies nur am Rande zur Warnung, daß man sogar dann Ärger bekommen kann, wenn man
lediglich gegen das Landeskulturgesetz verstößt.Was ich eigentlich sagen wollte, ist dies: In gewisser Weisekonnten Rübsam und Dungebach von Glück reden, daß ihnender Brand dazwischengekommen war. Der hat sie veranlaßtaufzugeben, was sie sonst höchstwahrscheinlich nicht getanhätten. Ich bin ziemlich sicher - irgendwann hätte einer vonihnen damit angefangen, eine Betonstraße nur für sein Autodurch den Wald zu legen, und der andere, nur für sich einenFernsehturm mit Drehcafeobendrauf zu bauen, und selbst dann
wäre noch immer kein Ende in Sicht gewesen. Wieso ist dasso? Und womit fängt das alles an?Alles fängt immer damit an, daß man bei anderen etwas sieht,und dann muß man es auch haben, um nicht in den Augen deranderen schäbig dazustehen. Ich bin sicher, auch der allererste Mensch war so ein Beispiel für die anderen Affen, nun ebenfalls von den Bäumen zu steigen, weil es ihnen plötzlich nichtmehr vornehm genug auf dem Ast erschien, auf dem sie saßen.Aber was hilft alles Philosophieren? Glauben Sie, es wäre am
Waldsee erträglicher gewesen, hätten die Affen dort auf denBäumen herumgelärmt?

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 89/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 90/136
8
In der DDR gibtes eine neue Mas
senorganisation,BMWBürger mit West
geld.
,
..,
Höher, schneller weiter
Jochen Petersdorf
p rt tO
»Genossen und Kollegen«, sagte der Alte, »wenn ich so dran
denke, dann darf ich gar nicht dran denken.« Die angesprochenen Genossen und Kollegen der Betriebsleitung nickten ernstund teilnahmsvoll. Sie wußten zwar nicht, was gemeint war,
aber sie merkten, daß der Alte Sorgen hatte - und da ist An
teilnahme prinzipiell nie verkehrt. »Ihr alle wißt«, fuhr der Altefort, »welch enormen Stellenwert der Sport in unserem Landehat. Jawoll, der Betriebssport Ich kann mich auf keiner höhe
ren Ebene mehr blicken lassen, wenn es uns nicht endlich ge
lingt, ein Betriebssportfest durchzuziehen.« - »Anläufe habenwir ja zur Genüge gemacht«, meinte Kollege Bänkelsang, »aberdie Belegschaft hat nun mal am Wochenende ihre Privatinteressen.« - »Der Sport ist aber nicht nur gesellschaftlich relevant,sondern originäres Privatinteresse « rief der BGLer. Er war ge
rade von einem Weiterbildungslehrgang heimgekehrt, der seinWissen um die Wörter >relvant< und >originär< bereichert hatte.»Am besten, wir machen das Sportfest in der Arbeitszeit«, sagteder Ökonomische. »Das ist zwar produktionsmäßig kaum zu
vertreten - aber wir würden Massen auf die Beine kriegen.«»Kommt nicht in Frage « schrie der Alte. »Ein Sportfest hat amWochenende stattzufinden Die Fußballer spielen ja auch am
Sonnabend « - »Jaja - aber wie? « rief prustend der KleineMuck, den man deshalb den Kleinen Muck nannte, weil er 1,92Meter lang ist. Kollegen-Ulk. Der Alte guckte unheimlich nachdenklich, i1nd plötzlich hatte er eine Idee. »Hör mal zu Kleiner«,
sagte er zum Kleinen Muck, »du bist doch sicherlich über Sonn
abend und Sonntag wieder auf deinem Grundstück?« - »Na
logo « - »Eben. Und da liegst du sicherlich nicht nur faul rum «
- »Du hast's erraten. Ich muß Kirschen pflücken «Die Miene des Alten hellte sich zusehends auf. »Kirschen pflük
ken«, rief er, »dazu brauchst du doch bei deiner Länge bestimmtkeine Leiter « - »Nee«, meinte der Kleine Muck. »Das macheich aus'm Stand, und nach den Knuppern, die etwas hoch hängen, springe ich.« Der Alte grübelte: »Er springt Er springtHabt ihr das gehört Kollgen? - Paß auf Kleiner. Notier dir die
Sprünge und die Höhe, und am Montag rechnest du im Betriebab. Hochsprung ist doch eine klassische Sportfestdisziplin. -Weiter. Kollege Schnorkel, was machst du am Sonnabend?« -»Ich gehe zum Frühschoppen.« - »Und danach?« - »Da geht er

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 91/136
Höher schneller weiter
am Stock«, quakte der dicke Prauschkewitz und schüttelte sich
vor Lachen. »Laßt den Unfug, Kollegen«, rief der Alte. »Ihr habt
doch gehört: Kollege Schnorkel geht zum Frühschoppen. Er
fährt weder mit dem Bus noch mit dem Fahrrad. Was auch kri
minell wäre. Nein - der Kollege geht. Er geht Haben wir noch
mehr Geher unter uns? Nicht? Hm. Schade, daß der alte Hümpel nicht mehr im Betrieb ist. Der wurde seinerzeit in der Pres
se als Schrittmacher bezeichnet. Wie schön hätten wir den jetzt
als Geher abrechnen können.« - »Ich gehe am Piep-See wieder
auf Barsche und Hechte « sagte Chefkonstrukteur Zirkler. »Ich
habe 'ne Wurfangel.« - »In Ordnung«, meinte der Alte, »das
können wir als Zielweitwurf verbuchen. Ein Hammerwerfer
würde uns auch gut stehen « - »Ich repariere mit meinem
Schwager gerade das Garagendach. Is 'ne Fummelei«, sagte
Krawuttke. »Da könnt ihr euch j vorstellen, wie weit wir zumFeierabend den Hammerwerfen.« - »Je
weiter, desto besser«, meinte der Alte.
»Natürlich die Würfe und die Meter. Wo
arbeitet dein Schwager?« - »Marmela
denfabrik >Adriano Geleetanoo<.« - »Na
schön. Hat zwar mit unsrer Goldbron
zeproduktion wenig zu tun, aber wir
werden deinen Schwager als Gastun
seres Betriebssportfestes führen. Daszeigt Weltoffenheit. So, Kollegen. Ich
nehme an, ihr habt jetzt das Prinzip
verstanden. Wir betrachten das Sport
fest nicht als kleinkarierte Hops-Ver
anstaltung in einem engen, muffigen Stadion, sondern tragen
die Fackel unter unsere Menschen und beleuchten ihr sportli
ches Treiben in Haus und Garten, Wald und Feld, Stube und
Küche. Wir als Leitungskollektiv werden uns jetzt aufschlüs
seln und am kommenden Montag in den einzelnen Abteilungenunsere Betriebsangehörigen nach ihren Erfolgen in den einzelnen Disziplinen befragen. Das Gesamtergebnis wird in einer
kleinen Broschüre veröffentlicht. Die Besten erhalten Ehren-••
wimpel und goldbronzene Aschenbecher. Ubrigens, unsere Ro-
switha hat sich j gar nicht an der Diskussion beteiligt. Solchein junges Blut muß doch eigentlich ein ganz besonderes Ver
hältnis zum Betriebssport haben. Was können wir von dir er
warten, liebe Kollegin?« - »Ich weiß nicht so recht, ich gehe
am Sonnabend zur Disko.« - »Also Wehrsport. AusgezeichnetMontag Bericht. Die Sitzung ist geschlossen. Sport frei «

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 92/136
88
A \ \
l '1f l
<1
l
\ \
\
11 \
Höher schneller weiter
Hans-Dieter Kern
Schrumme, unser eisenharter linker Außendecker, wischte sich
den Bierschaum von den Lippen. Pieke, unser Spielertrainer,der, solange die Puste reicht, meist aus hängender Position
über die rechte Seite kommt, winkte nur müde ab. Wir hatten
zwar gewonnen, doch so rechte Stimmung wollte nicht auf
kommen.
Kalle vom Genossenschaftsvorstand suchte nach passenden
Worten. Es habe nun wenig Sinn und helfe niemandem, sich bei
den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit aufzuhalten.
• •
~ : l
Jetzt müßten wir unsere Blicke
wieder nach vom richten und aufder Grundlage der vorliegenden
LPG-Vorstandsbeschlüsse zurwei
teren Entwicklung unseres Fuß
balls langfristig und systematisch
neu aufbauen und dabei verstärkt
auf den Nachwuchs setzen. An Ta
lenten mangele es gewiß nicht in
unserer LPG , wie die letzten Er
folge im Nachwuchsbereich zeigten. Wir brauchten eben Zeit und
Geduld mit unserem Fußball.
Wunder seien über Nacht aller
dings nicht zu erwarten.
Noch 'n kleines Stück-
chen, dann haben wir
Prenzlau erreicht.
„ „ ~ „ . ____
Eigentlich hatten wir uns schon im
Auftaktspiel letztes Jahr zu Hause gegen LPG Fallerstedtwie
der mal selbst ein Bein gestellt. Trotz drückender Feldüberle
genheit - 27:1 Ecken - waren die Jungs über ein mageres 1: 1
nicht hinausgekommen. An der Einstellung und Moral der 'D:uppe gab es keine Abstriche. Aber die Nerven Möglicherweise
waren wir das Spiel auch zu offensiv angegangen.
Dann folgte das verunglückte 1:4 beim Agrochemischen Zen
trum. Rein optisch sahen wir auch diesmal nicht schlecht aus.
Nun galt es, das Fünferfeld von hinten aufzurollen. Sozusagen
aus einer leichten Konterstellung heraus. Die liegt uns ohne
hin am besten.
Der Vorstand genehmigte uns eine Woche bezahltes Trainings
lager in unserer LPG-Bungalowsiedlung. Die Mannschaft war

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 93/136
Höher, schneller weiter .
gewillt, ihr Herz noch einmal fest in beide Hände zu nehmen.Gegen Zwischenfrucht Ballenshagen hat es dann fast geklappt.Obwohl auch diesmal nicht viel nach vom lief, hatte Kutte,unser wieselflinker, unberechenbarer Linksaußen fünf Minutenvor Schluß urplötzlich doch noch eine Riesenchance auf dem
Fuß. Unbedrängt am kurzen Pfosten stehend - der gegnerische Kasten war völlig verwaist - konnte er jedoch dasgefühlvolle Fünfmeterzuspiel von Schrumme nicht unter Kon
trolle bringen. MillimetersacheIm Gegenzug machten die Ballenshagener dann das Tor. Ob
wohl wir bei entsprechenden Schrittmacherdiensten immernoch eine Chance besaßen, meldeten sich in der Genossenschaft wieder die notorischen Nörgler und neunmalklugen Bes
serwisser. Böse Worte fielen. Von
Aufhören war die Rede, von Unfähigkeit und purer Geldverschwendung. Der Vorstand reagierteprompt. In einem prinzipiell gehaltenen Artikel unserer Betriebszeitung LANDECHO wurden die ewi-
gen Miesmacher in die Schrankengewiesen. Mit Sarkasmus und zy
nischer Häme, so war zu lesen,
käme unser Fußball gewiß nichtaus der Talsohle heraus Deutliche aber notwendige Worte.
Sie gaben unserer Mannschaft dasnötige Selbstvertrauen für dasRestprogramm, in dem wir voll zu
... =
überzeugen wußten. Im Endspurt bezwangen wir Pappelstädtmit 1:0 und schickten nun in unserem letzten Qualifikationsspiel auch noch Ködelsdorf mit einer 1:3-Niederlage nach
Hause.Doch letztlich reichte das nur zum undankbaren zweiten Platz.Der Endrundenzug zum LPG-Kreisfinale um den »GoldenenTraktor« war wieder mal ohne uns abgefahren. Aber was sollman tun?Überall in unserem Kreis, in allen Bereichen hört man von
Schrittmachern, die die anderen mitreißen. Nur im Fußballmuß man alles alleine machen
89
Mit seiner Kurzsichtig-
k it versaut er jede„
Ubung <<

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 94/136
\ . .. r
R iand·MissionIndien,
-
D
• . ___
. .
2 3
Es ist schwarz, fliegt durch die Luft und
darf nicht nach dem Westen was ist das?
Ein Pechvogel
• „
„zzz zzz
Mattl•eS war in o n e r ~ r <
ohne Bodel10$8 '
.Es ist jo wohl meine Sache, wie ich ihm in den Pausenmaximal zur Entspannung und Erholung verhelfe.•
•
•

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 95/136
Höher schneller weiter
Klaus Lettke
Wie schön das Angeln eigentlich sein kann, wäre mir wohl für
immer verborgen geblieben, hätte nicht mein Freund MelchiorReusenschlupf mich auf den Geschmack gebracht.»Diese Ruhe « schwärmte er. »Wenn alles ringsumher nochschläft, und nur die Vögei sind schon auf Und du gleitest mitdeinem Kahn lautlos durch die unbewegte Wasserfläche, überder ein aufsteigender Nebel vom Nahen des Tages kündet «Nie zuvor hatte ich meinen Freund Melchior so poetisch gehört.Es muß am Angeln liegen, daß er auf einmal solch feiner Re-
gungen fähig ist, dachte ich gerührt und sah nunmehr dieses
feuchte Weidwerk mit ganzanderen Augen.»Du kannst dir das einfachnicht vorstellen « behaupteteMelchior. »Komm doch einfach mal mit raus zum An-
geln, dann erlebst du es selber: diese schwermütige Stille, den Nebel über dem Was-
ser, die ersten Vogelstimmenund den schweren Duft, der „ ~ ~ -
von den Feldern und Gärtenüber den See getragen wird. Früh um vier ist die Welt ein un-
berührtes Paradies. Aber um diese Zeit pennst du ja noch «
Mit diesem Vorwurf glaubte Melchior seine Naturschwärmereibeenden zu müssen.»Ich und noch schlafen? rr können es ja darauf ankommenlassen « Gekränkter Stolz und nicht etwa die Liebe zum Angel
sport hatte mich zu dieser leichtsinnigen Äußerung veranlaßt.»Also gut, abgemacht Morgen früh um halb vier am Bootssteg«, sagte Melchior, noch bevor ich es mir anders überlegenkonnte. »Aber zieh dich warm an Schnaps gibt's keinen anBord. rr fahren zum Angeln raus und nicht zum Saufen.«Fröstelnd stand ich am nächsten Morgen um drei Uhr dreiundzwanzig am Bootssteg.»Steig mal schon ein, ich hole nur noch die Ruder«, sagte Mel-
chior, der einen Gutenmorgengruß um diese Stunde wohl fürverfrüht hielt. Er verschwand hinterm Schuppen.»Na, ganz so toll wird's wohl nicht sein «dachte ich ketzerisch.
91

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 96/136
9 Höher schneller w it r
»Von wegen Nebel über dem Wasser, Vogelgezwitscher und Duft
von Feldern und Gärten ... davon müßte man ja jetzt schon was
sehen, hören oder riechen.«
Beinah fühlte ich mich ertappt, denn genau in dem Moment, alsich heimlich »Scheiß-Angelsport « gedacht hatte, kam mein An
gelfreund zurück.»Stehst ja immer noch draußen « rügte Melchior. Er warf die
Ruder ins Boot, stieg ein, löste die Leine und stieß den Kahn
vom Steg ab. Nur meiner Geistesgegenwart, im letzten Mo
ment an Bord zu springen, verdankte ich es, doch noch an der
Angelpartie teilzunehmen. Eine Zeitlang ruderte Melchior
schweigend und verbissen. Dann aber, ungefähr auf der Mitte
\;
des Sees, hängte er die Ruder aus
und legte sie ins Boot, wobei es ihn
nicht weiter störte, daß der größteTeil des heruntertriefenden Was
sers auf meine Hose ging.
»Na, hab ich zuviel versprochen?«
w - _ . . l . - : : : i brach Melchior das paradiesische--- : : : : ~ Schweigen.
~· · Nein, das hatte er, nicht. Lautlos
ch bin nun mal kein
Jäger wie dein erster
Mann <<
-glitt der Kahn über die unbewegte
Wasserfläche. Aufsteigender Nebel
kündete vom Nahen des Tages. Dieersten Vögel waren auch schon aufgestanden und schickten
ihren Morgengruß über den See, während ein kaum spürbarer
Hauch den schweren Duft der Gärten und Felder herübertrug.
»Ist es nicht herrlich? « fragte Melchior.
»Herrlich ist kein Ausdruck « sagte ich ergriffen. »Und wo hast
du denn die Angel?« Ein bißchen schämte ich mich dieser al
bernen Frage.»Die Angel?« Melchior schien zu überlegen und legte den
Finger an den Mund. »Hörst du?« flüsterte er. »Das ist ein Pirol.Nein, ich glaube, eine Nachtigall. In Vogelstimmen macht mir
keiner was vor. Alles auf dem Wasser gelernt, beim Angeln.«
»Und die Angel?« Ich konnte es mir nicht verkneifen, noch
einmal auf dieses wichtige Utensil des Angelsports zurück
zukommen.»Die Angel«, sagte Melchior, der sich offesichtlich nur ungern
von seinem ornithologischen Höhenflug zum nüchternen Themader Fischjagd herabließ, »um ehrlich zu sein - in letzter Zeit
nehme ich gar keine mehr mit. Solch einen herrlichen Morgenversaut man sich doch nicht mit Angeln «

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 97/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 98/136
9 Unter vier Augen
ngela Gentzmer
Sketch mit Helga Hahnemann
Sie sitzt auf einer Bank im Kurpark und trinkt ihren Brunnen
Er kommt - ebenfalls mit einem Trinkgefäß in der Hand angeschlendert - lüftet seinen Hut.
Er: Pardon, ist auf Ihrer Bank noch ein Plätzchen frei?
, < Sie: Ja - dort hinten - am äußersten Ende
Er: Verbindlichsten Dank (Nach einigen Se-
kunden lehnt er sich weit zu ihr hinüber und••
fragt) Ah - Entschuldigung, meine Dame, darf
ich fragen, an welcher Quelle Sie sitzen?Sie: Drei Vegetative Dystonie
Er (rückt näher): Drei? Aber liebe, gnädige
Frau, wie konnten Sie sich denn diesen Spru
del aufschwatzen lassen? Wissen
Sie denn nicht, daß man dieses Rinnsal in
Fachkreisen die »Mackenquelle« nennt?
Sie: Tatsächlich? Bis jetzt hab ich noch nichtsgemerkt
Er: Das kommt noch, meine Liebe Nach der3. Ladung kriegt man regelrecht einen ver-
blödeten Gesichtsausdruck Ich habe das Zeugs drei Jahre
hintereinander schlucken müssen
Sie: Was soll ich denn machen? Ich bin im Kurieren doch noch
so unerfahren
Er (rückt noch näher): Auf mich hören, Gnädigste
Sie: Mir hat man eine gräßliche Diät aufgebrummt
Er: Sie - und Diät? Typisch Da werden die letzten herrlichen
Busen und einladenden Hüften zum Aussterben verurteiltSie (leise): Ich kriege doch hier schon ein kleines Doppelkinn
Er: Wer sagt das? Bitte, zeigen Sie mir mal Ihr Profil
(Er zeichnet ihr Kinn mit der Hand nach )
Sie (ängstlich): Sehr schlimm?
Er: Schlimm? Das ist phantastisch- einmalig Sie kennen doch
die Venus von Milo, ja?
Sie: Nein Ich bin j gestern erst angereist
Er: Liebste, Beste, ich meine doch diese Frau aus Marmor -
die ohne ArmeSie: 0 Gott Soo schlimme Fälle haben wir hier auch?

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 99/136
Unter vier ugen -
Er (versonnen): Ihre beiden Profile gleichen sich wie ein Rad
dem anderen Noch sehr sehr brauchbar Und ich bin Fach
mann: Autoschlosser Verstehe was von Karossen und Fahr
gestellen
Sie: Ich bin Künstlerin
Er: Sehen Sie, ich habe sofort gewußt, daß Sie etwas Besonderes sind
Sie: Ich habe nachts grauenvolle Träume. Da sehe ich mich auf
der Bühne stehen - kann nicht spielen - nicht singen - nicht
tanzen - dann möchte ich am liebsten das ganze Show-Busi
ness an den Nagel hängen
Er: Aber meine Liebe, wenn Sie selbst schon insgeheim fühlen,
daß Sie kein Talent haben, warum tun Sie es dann nicht?
Sie (heult): Geht leider nicht Ich bin schon ein Star
Er: Ja - dann hilft nur eins: Sie müssen einfach mal abschal-ten
Sie: Das tun die Zuschauer ja schon
(Sie legt heulend ihren Kopf an seine Schulter Er tröstet sie.)
Sie: Aber - da ist noch etwas, was mich stark bedrücktEr: Man hat Ihnen doch hoffentlich nicht diese Wahnsjnns-The
rapie verordnet, bei der man Kartoffeln sortieren muß? Die
guten nach links - die faulen nach rechts Nach einer halben
Stunde ist man zu Tode erschöpft
Sie: Von der körperlichen Arbeit?Er: Ach was Von den vielen Entscheidungen, die manjede Se
kunde treffen muß
Sie: Mein Problem liegt etwas tiefer, mein Herr
Er: Gnädigste, wie tief es auch sein mag - ich schweige wie
ein Grab
Sie: Ja - also - das ist so bei mir: Immer, wenn ich ein Glas
Wein trinke, dann - dann werfe ich mich dem nächstbesten
Mann an den Hals
Er: Aber liebe kleine Frau, das ist doch nicht so schlimm Passen Sie auf, jetzt gehen wir beide erstmal in ein gemütliches
Restaurant- trinken zusammen ein Gläschen - und dann un
terhalten wir uns in aller Ruhe über Ihr Problem.
95
Eine junge Frau willeinen West-Hunderter in Forum
Schecks für denIntershop tauschen.»Oh, leider«, sagt die
Frau am Schalter,»ist dieser Scheinnicht echt.« Daraufdie junge Frau: »Un
erhört, dann bin ichletzte Nacht vergewaltigt worden.«

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 100/136
9 Unter vie r ugen
Ottokar Domma
Zu den wichtigsten Gedenktagen gehört der 8. März oder auch
Internationaler Frauentag genannt. An diesem Tag ist aller-hand los und ich muß einmal schildern wie wir die Frauen
ehren. Keiner soll denken jetzt kommen ein paar blöde Witze
mit Bart und so im Gegenteil es ist eine positive Beschreibung.
Fangen wir bei unserer Familie an. Schon ein halbes Jahr vor
her denkt mein Vater an nichts anderes als an den Frauentag
indem er uns Kindern Ratschläge gibt wie wir unsere Mutter
und die Oma beehren können. Er verteilt drei Hauptaufgaben:
Erstens muß man an die Blumen denken zweitens an Glück
wunschkarten und drittens an ein paar schöne exkwiesite Geschenke das kann sein Selbstgebasteltes und Gekauftes. Der
Befehl lautet dann: Wir Kinder kümmern uns um die Blumen
Karten und um das Selbstgebastelte der Vater besorgt die an-
deren Geschenke.
Mit den Karten und Blumen gibt es keine Schwierigkeiten. Ich
habe vor zwei Jahren zwanzig Karten gekauft und sie reichen
noch ein paar Jahre. Auch mit den Blumen klappt es. Denn der
Herr Gärtner Krause hat einen Dauerauf-
Am deutlichsten wird die Frauenehrungwenn es heißt es gibt Prämien.
trag welcher so zustande kam: Mein Vaterhilft ihm als Feierabendbrigadier bei kleinen
Maurerarbeiten dafür muß er jedes Jahr
zum 8. März zwei große Blumensträuße aufheben. Meistens
rote Nelken. Einen Tag vorher hol ich sie ab und sie zieren
dann eine Nacht lang den Keller. Der Vater kommt in diesem
halben Jahr immer mal wieder mit einem Päckchen nach Hause
und versteckt es an unsichtbaren Stellen für den Frauentag.
Wichtig ist daß mein Vater das ganze Jahr seine Frauen ehrt
und die Gleichberechtigung durchhält indem er jeden Abendhilft das Geschirr abzuspülen und Kohlen aus dem Keller zu
holen und anderes. Zum Beispiel geht er mit meiner Mutter zu
sammen in die Volkshochschule damit die Mutter nicht zu
rückbleibt. Wenn meine Schwester einmal krank ist wechseln
sie sich gegenseitig beim Zuhausebleiben ab. Denn ihre Be
triebsleiter sind sehr gütig und sagen so muß es sein. Deshalb
sieht auch der BGL-Vorsitzende sofort ein wenn mein Vater ein
mal sagt er kann heute abend nicht zur Sitzung kommen weil
er zu Hause Abendbrot machen muß und vorher einkaufen.Denn er ist in dieser Woche dran.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 101/136
Unter vier Augen•
Bei meiner Mutter ist es genauso. Wenn sie spricht der Vater
hat für sie eine Theaterkarte ergattert und deshalb bleibt sie
einmal bei der DFD-Versammlung weg dann rufen die Vor
standsfrauen aus einem Mund wie schön das is t und sie gön
nen i r diesen Abend. Denn Kultur muß sein. Auch unsere Leh
rer sind zufrieden weil meine Eltern immer zusammen zu denElternversammlungen gehen und es gibt keinen Streit wer
unsere Schularbeiten nachsehen soll. Entweder macht es heute
die Mutter und morgen der Vater oder alle beide zusammen
oder überhaupt nicht. Dann sind meistens Ferien.
Deshalb gibt es am 8. März in unserer Familie keine besonde-••
ren Uberraschungen. Wir schenken die Blumen nebst Glück-
wunschkarten auch haben
wir Kinder etwas gebastelt.
Mein Vater schenkt derMutter noch Pralinen und
Parfüm und die Oma kriegt
auch was ab. An diesem
Tag dürfen wir Männer ein
mal nicht in der Küche hel
fen; das lassen die Frauen
nicht zu und wir sollen es
einmal im Jahr gut haben.
Und so gibt es viel Freudeund Küsse. In den nächsten
Tagen und Wochen findet
der Vater nach und nach die
versteckten Geschenke wie
der und er überreicht sie
mit roten Ohren.
I
/ I
Auch in unserer Schule werden die Frauen sehr geehrt und
nicht nur am 8. März sondern das ganze Jahr über. Wenn zum
Beispiel bei unserer Frau Pitthuhn eins von ihren Kindernkrank ist und sie müßte deswegen ein paar Tage zu Hause blei
ben dann lassen das unsere Lehrer nicht so hingehen. Denn
es darf kein Stundenausfall sein. Entweder übernehmen sie
ein paar Stunden von Frau Pitthuhn freiwillig oder der Herr
Luschmil spricht zu seiner nichtarbeitenden Gattin sie soll das
Pitthuhnskind pflegen oder der Herr Direktor Keiler sucht für
ein paar Stunden eine Frau oder Oma welche auf das Kind so
lange aufpaßt. Er h t sich extra vom DFD eine solche Frauen
und Omaliste geben lassen und das klappt immer. Auch darfdann die Frau Pitthuhn nach ihren Stunden keine Minute län-
„ 9
/ f t

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 102/136
9
Anfrage an denSenderJ rewan: ·Meine Frau steht
.
unmittelbar vor derNiederkunft. Unse-
•
re volkseigene In-
dustrie kann abererst in neiin Monaten Wmdeln liefern.as sollen wir ma-
chen?
Antwort: Schnellein neues Kind.
ger in der Schule bleiben sondern sie wird vom Herrn Direk
tor gleich nach Hause gejagt. Unsere Lehrer passen immer gutauf daß es den Lehrerinnen nicht zu schwer wird. Zum Bei
spiel nehmen sie den Frauen nicht nur die Mäntel ab sondernauch alle schweren Arbeiten und keiner darf mit einer Funk-
tion überlastet sein. In manchen Schulen ist es noch so daßdie Lehrer zu einer Frau mit kleinen Kindern sagen sie mußalles mitmachen. Bei uns ist es das Gegenteil; die Lehrerschreien daß man diese Lehrerinnen schonen muß und wirübernehmen einige Aufgaben. Wenn zum Beispiel eine Lehre-rin sagt daß sie am Freitagnachmittag für ihre Familie einkau-fen muß und deshalb nicht zur Sitzung kommen kann dann be
dankt sich der Herr Direktor Keiler für diesen wertvollen Hin
weis und er legt alles um.
Am deutlichsten wird die Frauenehrung wenn es heißt es gibtPrämien oder es kann jemand befördert werden. Einmal hießes es ist wieder eine ausgezeichnete Medaille fällig. Die Män
ner schrien gleich es muß eine Lehrerin sein und sie verzich-ten. Und sie haben dann eine Lehrerin gesucht welche sehr be
scheiden ist und ruhig und nicht so viel Wind macht aber sehrfleißig und beliebt ist nämlich die Frau Borstel. Auch hat sieein kleines Kind.
Die Ehrung geht weiter indem der Herr Direktor Keiler mit un
serem Herrn Bürgermeister Sparsock ein paarmal die Lehre-rinnen zu Hause besucht oder mit ihnen einen Kaffeenachmit-tag macht. Dort sprechen sie über Frauenfragen und was manso tun kann. Und auch der Vater von meinem Freund Haraldder Herr Schulrat kommt öfter und fragt welche Frauen be
fördert werden sollen und eine höhere Funktion bekommenmüßten. Der Herr Direktor Keiler jammert dann immer ermöchte zu gern daß er von einer Frau abgelöst wird und erwill gern in eine andere Schule gehen wo es noch nicht so
läuft. Aber daraus ist bis jetzt noch nichts geworden weil esdie Lehrerinnen bei unserem Direktor so gut haben und siewissen nicht was nachher kommt. Auch ist unser FräuleinHeidenröslein als eine stellvertretende Direktorin vorgemerkt.Aber sie muß warten bis Frau Seidenschnur in Pangsion geht.Deshalb ist der Frauentag für unsere Lehrerinnen auch keineÜberraschung mehr. Und sie richten an diesem Tag alles schönher und feiern mit den Lehrern; denn sie haben es verdient. Und
wenn hier ein paar Sachen nicht ganz so stimmen dann liegtes vielleicht daran daß mein kleiner Kopf auch nicht alles sogenau behalten kann.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 103/136
,,Stehn si h Meiers denn so schlecht,
d ß sie nach dem Preis gucken muß? ''
. Wohl deSVolkes und den r i e d e ~ L ~ ~ . . . . : . = : ßeS ftir daS I • • r
•
>• III
•
Berlin. aUptstadt der„„„
1 i1 lr--t„-·;i 1 i „1 i .
l;•
1
•
°
-
1
Die DDR-Regierung läßt die Einstellung ihrer Bevölkerung
zu Partei und Staat per Meinungsumfrage ermitteln. Auf die
Frage: »Wie stehen Sie zum real existierenden Sozialismus
in der DDR?« schreibt ein Mann: »Wie zu meiner Frau « Er
wird zur Parteileitung bestellt, die von ihm wissen will, wie
er das gemeint habe. »Ganz einfach, Genossen, ich bin jetzt
fast 40 Jahre verheiratet, und da hat man sich an vieles
g e w ö h n t ~ Aber Spaß macht es schon lange nicht mehr ... «
100 -:

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 104/136
1
lrmgard Abe
ewi
e
Unter v r ugen
9 l Ot
»Wo ist meine Nagelschere?« So lautet die präzise Frage von
Herrn Weise an Frau Weise. Es ist eine Frage mit stolzer Tra-
dition. Eine uralte Frage. Vielleicht die Urfrage überhaupt, denn
manchmal hat Frau Weise den Verdacht, diese Frage schon im
Urelement vernommen zu haben. Im Wasser des Babyteiches,
bevor der Storch sie herausfischte.»Wo ist meine Nagelschere?«
Herr Weise hat diesen Satz während seines gemeinsamen Le-
bensslaloms mit Frau Weise schon bis zur Randzerfransungwiederholt; nachsichtig freundlich oder unnachsichtig scharf;
er hatte ihn auch befreiend gebrüllt, daß die Kinder anfingenzu plärren; am schlimmsten war es, wenn er ihn so unendlich
angewidert fallen ließ, weil es gar nicht
Herr Weise lebt ihr die Ordnung quasi vor. Sie anders sein konnte, weil das Ding ein-braucht sich nur seinen Schreibtisch anzusehen. fach weg sein mußte. So unvermeidlich
wie mit jedem neuen Schuljahr ein
Schüler auftauchte, der »die Interesse«sagte. Und auch schrieb.
Bis Herr Weise die sinnlose Kraftprobe aufgab mit dem Satz:»Schlaumeier, ich verliere ab heute jegliches Interesse an Ihrer
Interesse «
Anders die Nagelschere. Die blieb über alle Jahre gleichbleibend
interessant. Denn die wurde gebraucht. Und nicht nur von
Herrn Weise.
Es schien die Hauptbeschäftigung der Familie zu sein, diese
Werkzeuge zu verstecken, und Herm Weises Lebensaufgabe,
danach zu suchen. Dabei dachte, als Frau Weise das uralte
Stück im Nähkästchen ihrer Großmutter ausgrub, kein Menschan ein Problem. Eine Schere mehr im Haushalt - das war alles.
Der Krieg begann, als sich herausstellte: Diese war wirklich zu
gebrauchen Nicht so ein dickes Monstrum, mit dem man klei
nen Kinderfingern nicht beikam; kein stumpfes Eisen, das die
Nägel nur schmerzhaft umknickte; sie besaß auch nicht den
Mode gewordenen Zuckerzangeneffekt, diesen Hohlraum zwi-
schen den Schnittflächen - kurz: Es war eine Schere, die man
mit diesem Namen anreden konnte. Scharf, schlank, fein und
deshalb immer benutzt und immer verschwunden.»Sie braucht eben einen festen Platz « hatte Herr Weise verfügt.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 105/136
Unter vier ug en
»Und das wird mein Schreibtisch sein. Hier, dieses Schubfach.
Kommt alle her: Hier lege ich sie rein, hier bleibt sie liegen «Sie lag schon nicht mehr drin, als Herr Weise noch würdevoll
das Schubfach schloß, und sie tauchte erst Wochen später
wieder auf. Hinterm Ofen, zwischen Annemonchens weggewor-
fenem Buntpapier. Was schon einiges über Frau Weises Haus-haltführung aussagt. Daraufhin hatte Herr Weise das Ding
wortlos mit einer langen, dünnen Kette an seinem Schreibtisch
befestigt. In dieser Kette verhedderte sich Frau Weise, als sie
den Weihnachtsbaum anputzte, und weil sie im Sturz am BaumHalt suchte, wurde es ein gelungenes Fest, an das alle gern zu-rückdenken.
Nun schloß Herr Weisedas Streitobjekt end
gültig weg, versteckteden Schlüssel und er
klärte sich damit zum
einzigen rechtmäßigen
Besitzer und Benutzer.
Frau Weise begrüßtediese Konsequenz aus
drücklich, und nach
jedem Bad schickte sie
die Kinder zum Scherenschneider: »Vati ist
lieb, Vati beschneidet
/1\
- Tr - -
euch gern alle vierzig Nägel « Zweiunddreißig sogar unblutig.
In diesen schweren Tagen zündete bei Herrn Weise die Idee,
Frau Weise mal was zu schenken: ein Manicure-Necessaire,
das genau so teuer war, wie es sich schreibt und spricht. Das
Leder seidenweich, Form und Verarbeitung anmutig, Reißver
schluß fast mühelos zu bewegen und alle in Taft eingebetteten
Eisenteile durchaus brauchbar.Bis auf die Nagelschere selbstverständlich. Damit war der
Urzustand wieder hergestellt, und Herr Weise entschloß sich,
das Übel bei der Wurzel zu packen. Er fragte also Frau Weiseganz sachlich: »Was ist nach deiner Meinung der Nährboden für
diese ewigen lächerlichen Nagelscheren-Exzesse?«
Auf Anhieb hatte Frau Weise sich selbst in Verdacht. Prompt
sagte Herr Weise: »Deine verfluchte Schlamperei natürlich «
»Meine Schlamperei Natürlich « wiederholte Frau Weise und
nickte so übertrieben lange und demütig, daß es Herm Weiseschon wieder renitent vorkam.
.; 1 \
\l 1
\
1 1
Aber nach dem Früh-
stück die Krümel weg-
fegen willst du auch
nicht

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 106/136
1 2 U nt e r v i r A u g e n
»Natürlich deine Schlamperei. Was denn sonst?« Herr Weise
hört doch den ganzen Tag nur einen Satz: Wo ist ...? Wo ist die
Kleiderbürste? Wo ist der Kellerschlüssel? Wo ist das Band-
maß? Wo ist der Schneeschieber? Neulich sogar der hanebü
chene Gipfel: Wo sind die Zeugnisse von Annemonchen und
Ralfpeter? Diese Schlamperei macht Herrn Weise eben ganzkrank. Wirklich regelrecht krank. Aber wer wagt in diesem
Haushalt noch, krank zu werden? Da lautet doch unweigerlich
die erste Frage: Wo ist das Fieberthermometer? In diesem
Haushalt findet Herr Weise doch nicht mal einen Hammer Als
er die Nagelschere an seinen Schreibtisch ketten wollte, hatteer sich bei der Hammersuche bis zum Boden verstiegen und ist
bis heute bedient von dem unglaublichen Anblick: ausrangier
te Lampen und Bilderrahmen zwischen Fahrradschläuchen und
Puppenstuben, Kabelreste, Kartons mit Perlen und Knete ...
Der kleine Max hat den Taschenrechnerdurch die Waschmaschine gejagt und dieCouchecke mit Babycreme eingerieben
»Fertig?« fragt Frau Weise. Aber sie sollte
diesen dreisten Ton besser.unterlassen,
sonst schildert ihr Herr Weise gerne noch
den chaotischen Zustand des Kellers.
»Warum bist du nur so absolut unfähig,
Ordnung zu halten?« Das begreift Herr Weise nicht. Er lebt ihr
die Ordnungja quasi vor. Frau Weise braucht sich doch nur sei-
nen Schreibtisch anzusehen Rechterhand alle Papiere. Sein
Versicherungsausweis - ein Griff. Sein Reisepaß - bitte. Linksdie schulischen Unterlagen. Exakt gegliedert nach Fächern und
Klassen.
Frau Weise bückt sich und kramt und sucht und guckt.»Wo is t denn bloß«, fragt sie, »wo ist denn bloß der Klammer-
beutel, mit dem sie dich gepudert haben?« Denn wäre in Herrn
Weises Oberstübchen alles so akkurat in Ordnung wie in die-
sem einen Möbel, dann könnte er auf so einen Vergleich nicht
kommen: Schreibtisch gegen Rest der Welt
»Wo steht denn eigentlich geschrieben, daß für alles und alles,aber auch alles nur ich zuständig bin? Warum räumst du nicht
auch mal den Boden auf?«
Heilige Einfalt What a question
Ist es etwa Herrn Weises Krempel, zwischen dem man kaum
noch treten kann? Spielt er mit dem Puppenhaus? Sitzt er vorm
Kaufladen? Womöglich verdächtigt man ihn noch, er knete
heimlich dicke Elefanten.
»Nein«, hatte Frau Weise damals losgeschrien, ich Ich sitze da
· oben mitm Hütchen und spiele Kaufmannsladen. Jeden Tag

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 107/136
Unter vier ugen •
spiele ich da oben acht Stunden Hütchen mitm Kaufmanns
laden. Wußtest du das noch nicht?«
Jaja, Herr Weise kannte die alte Leier. Ja, er wußte, es waren
auch seine Kinder. Aber er wußte auch, daß er seinen Kindern
stets mit gutem Beispiel voranging, während sie bei Frau Weise
jeden Tag dasselbe erlebten: den Kamm in der Butter.»Was immerhin den Schluß zuläßt, daß wir noch Haare aufm
Kopp und Stulle aufs Brot haben « Damit war Frau Weise auf-
gesprungen, über einen Teddy gestolpert und in den leeren
Bierkasten gefallen, der von einer Vortagsfete immer noch im
Wohnzimmer rumlungerte,
statt endlich nach Hause in
die Kaufhalle zu gehen.»Na bitte « hatte Herr Weise
nur gesagt, da jeder Kom-mentar sich erübrigte. Und
nun steht er in der Tür undfragt ehrlich verblüfft: »Wo
ist denn meine Nagelschere? « Als stellte er diese
Frage zum ersten Mal in sei-
nem Leben.
Frau Weise lauscht dem
Satz nach, er kommt ihr be-kannt vor. Wie lange war
das her? Seit die Kinder aus
-
dem Haus sind, herrscht geradezu unerträgliche Ordnung, hat
sich niemand mehr an diesem Heiligtum vergriffen.»Deine Nagelschere ist weg?« - »Ich sagte es bereits.«
Frau Weise überlegt scharf. Dann geht sie ins Kinderzimmer,
wo am Wochenende der kleine Enkel Max gespielt hatte. Mit
sicherer Hand greift sie in das Buntpapier hinterm Ofen und
wird sofort fündig.»Heißt das, die ganze Schlamperei geht von vorne los?« fragt
Herr Weise fassungslos.
Eben das ist ja Frau Weises heimliche HoffnungMit dem kleinen Max wird neues Leben in die Bude kommen.
Er hatte schon den Taschenrechner durch die Waschmaschine
gejagt, er hatte die Couchecke mit Babycreme eingerieben und
mit Kakao gepudert - daß er in diesem zarten Alter bereits zum
Wesentlichen vorgedrungen war, zur Nagelschere, ermutigte
Frau Weise nun zu schönsten Zukunftsträumen.
.. 1 3

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 108/136
1 4
•
>>Phantastisch Und
kein Gramm zugenom-
men s it dem letztenMal.
Jochen Petersdorf
w e
Lilomaus, es ist soweit
Sonne lacht, und wiederwird es dir zur Maienzeit
ziemlich eng im Mieder.
. /
Lilomaus, ich bitte dich:
Laß dich's nicht verdrießen.Laß auch weiterhin für mich
alles an dir sprießen.
Trau den Heuchlern nicht,
mein Kind, die nur Dünne wollen.
Wenn sie losgelassen sind,
gehn sie in die Vollen.
Unter vier Augen
Frühling läßt sein blaues
Band
flattern durch die Lüfte,
und erschreckt befühlt die
Hand
Speck auf Bauch undHüfte .
Illustrierte, Femsehn,
Funk
tönen täglich wieder:»Nieder mit dem dicken
Strunk
Trumpf sind schlanke
Glieder «
Supermoddeltypen sind
überall im Sehwange,
und es knarm im
Frühlingswind
Knochen von der Stange.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 109/136
Unter vier ugen
Lothar usche
Eines Tages teilte uns Hugo mit, daß er wieder mal heiratet.
Da muß man als Verwandter hingehen. Ich bin der Onkel.Meine Frau sagte: Ich erinnere mich an Hugos frühere Hoch
zeiten: So was dauert immer sehr lange, und Hugo ist ein spar
samer Mensch, und Bier allein hält den Menschen auch nicht
aufrecht, also nehmen wir Stullen mit.
Ich gab zu bedenken, daß die Stullen möglicherweise Hugos
Frau kränken könnten, und meine Frau sagte: Kennst du denn
Hugos Frau überhaupt? Nein, sagte ich, ich glaube nicht, daß
ich sie kenne. Worauf meine Frau mit der Frauen eigenen Logik
sagte: Du kennst sie also doch. Das hätte ich mir denken können. Wie der Neffe, so der Onkel. Das hätte ich mir ja denken
können. Am besten gehe ich gar nicht mit. Das hätte ich mir
wirklich denken können
Dann bleibe ich auch hier, sagte ich, heute ist die Sendung: Der
Staatsanwalt hat den Senf.Du gehst zur Hochzeit, sagte sie, du mußt, du bist verwandt.Um es kurz zu machen: Wir gingen beide hin. Ohne Stullen.
Unterwegs tauchte das Problem auf, wo Hugos Hochzeit ei
gentlich ausgetragen werden sollte.Unsere Richtung stimmte, aber wir waren uns über das Ziel im
Ungewissen. Nun hatten wir glücklicherweise Hugos Einla
dungskarte zur Hand, welche uns folgende Informationen
vermittelte: 7.45 Trauung im Standesamt am Kürbis-Weiher.
Anschließend kl. Umtrunk in der Sublimaten-Klause Ecke Gu
stav-Hentz-Allee), danach gesell. Beisammensein in meinerWohnung. Ab 12.10 Mittagessen in der Gemütlichen Ecke. An
schließend Heimspiel.«
Es verstand sich von selbst, daß wir nicht mitten in der Nachtlosgingen, um uns diese Sache im Standesamt und den dazu
gehörigen engen Kragen der Protokollantin anzusehen. So was
kennen wir ja aus Fernsehfilmen und von Hugos früheren Hoch
zeiten. Immer dieselbe Beamtin; Hugo muß ihr schon zum Hals
raushängen, obwohl wenigstens die Bräute wechseln. Na
schön. Wo aber ist diese verdammte Sublimaten-Klause? Meine
Frau ist aus irgendwelchen Gründen, über die sie keine nähe
re Auskunft geben will, der Meinung, daß ich alle Kneipen der
Deutschen Demokratischen Republik auswendig kenne, wasaber nicht stimmt. Ich kenne die Sublimaten-Klause wirklich
1 5

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 110/136
1 6
Meine Tochter hat
noch nicht mal ausge-lernt junger Mann <<
>>Das glooben iel
Unter vier usen
nicht, und ich weiß auch nicht, daß dort anläßlich irgendeines
Jubiläums das berühmte Sublimator-Pils ausgeschenkt wird -an so was würde man sich doch erinnern.
Kurz und krumm: rr fanden immerhin die Gustav-Hentz-Allee,welche verschiedene Ecken hat, und suchten dort Hugos Woh-
nung. rr trafen nur wenige Menschen, von denen niemandHugo kannte; zumindest gab es keiner zu. Es war warm, undich fühlte mich unsicher, weil ich mir die Haare gewaschen
hatte, und sagte zu meiner Frau: Ich hätte mal wieder die Haareschneiden lassen sollen, wie ich dies alle zwei Jahre tue. Aber
sie sagte: Sei froh daß du überhaupt noch Haare hast. Auch gut.
Im fünften Haus wurden wir fündig weiluns ein Mensch aufforderte, die im Flur
befindlichen Steingut- frümmer zu besei
tigen. Es handelte sich um die Rudimen-te von Hugos Polterabend, und ihre Spu-
ren wiesen auf die gegenüberliegende
bzw. -stehende Sublimaten-Klause.
Wir umarmten Hugo und gaben unsere 5Nelken sowie das praktische Gerät zum
Herauspolken von Kaffeesatz aus Sieben
ab und stürzten uns ins Getümmel. DasEssen hatte gerade begonnen. Ein Glück
daß wir ohne Stullen gekommen waren.
Es gab 2 Vorspeisen, 1 Suppe, 3 Hauptgerichte und 1 Dessert, mit dem allein
man 28 Kinder hätte sattmachen können.Zwischendurch sagte ich zu meiner Frau,daß ich mal rausgehen und mir die Haare
kämmen müßte, aber sie meinte, jetztwird erst gegessen, und das ist schließlich die Hauptsache.
Nach der Hauptsache waren wirklich etwas kaputt, aber wirwollten uns nicht lumpen lassen, als Hugo nunmehr Kaffeeund Kuchen ankündigte. Es war ungeheuer viel Kaffee und Ku-
chen vorrätig. Es waren auch ungeheuer viele Leute da.
Nun hätte mich interessiert, welche von diesen zahlreichenPersonen wohl Hugos Frau sein könnte.
Aber ich kam weder dazu über dieses Problem nachzusinnen,noch mir die Haare zu kämmen, denn plötzlich umarmte mich
eine freundliche grauhaarige Dame ich ich seit mindestens 16
Jahren nicht gesehen hatte. Es war Hugos Mutti.Ich hätte mir doch die Haare schneiden lassen oder wenigstens
kämmen sollen. Sie hatte mich für die Braut gehalten.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 111/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 112/136
108 • Wo wir sind ist vorn
Matthias Biskupek
I
Das müssen Sie verstehen.
Die Sache liegt jetzt klar hinter mir der Vorgang ist abgeschlos-sen; ein schmaler Blick zurück doch zwei breite nach vom: Das
ist die Losung des Umdenkens einer neuen Zeit.
Es hat damit angefangen daß ich einen Onkel habe. Ich hatte
ihn tief in meinen Kaderakten versteckt doch irgendwann ist
er mir wieder aufgestoßen.
Kennen Sie das wenn es in der Kantine Buletten mit Zwiebeln
gab? Und plötzlich vor dem Nachmittagskaffee schmeckt man
Zwiebeln? So eine Zwiebel ungefähr ist mein Onkel. Schickt
mir da einfach den subversanten Wisch. Mit Stempel. Unglücklich verquickt damit war der Umstand daß wir eine permanen-
te Arbeitskräftesituation haben. Im Rat der Stadt fehlen die
Unklare Antworten bekämpft man
nämlich durch hinweggefegte Fragen
kompetenten Mitarbeiterwie die Nadeln im Heu
haufen. Ich bin so eine Nadel deshalb wächstmir die Arbeit über den Kopf daß einem das
Wasser bis zum Hals steht. Ich bin doch beimReferat Abwässer und Verschmutzungsstrafgelder. Sie können
sich vielleicht vorstellen was meine Tätigkeit mir und meinen
Vorgesetzten bedeutet. Reiner Schmutz sag ich.An anderen Stellen fehlen die Leute ähnlich. Wrr vom Rat könn
ten Lieder davon singen. Stichwort: Der Sektorenleiter für das
Kreissängertreffen hat nun auch einen Aufhebungsvertrag
gemacht. Beim Kulturkombinat war er noch dringlicher am
Platze. Ungefähr so geht das. Jetzt bearbeitet meine Sekretä-
rin die Chöre; die Kollegen vom Finanzamt sollen nebenbei alle
Abwasserfragen in die Wege leiten und ich bin ständig Z.B.V.
Zur Besonderen Verwendung heißt das zwar aber wir nennen
uns Ziemlich Blöde Vollidioten.Entschuldigung das Amtsdeutsch läuft einem manchmal so
über die Zunge. Arbeit in Hülle und Fülle und keine Leute bei
der Stange. Es ist eines der sieben Republikswunder daß unser
Rat überhaupt noch rundläuft. Abraten und Tee trinken so
heißt unser Kampf um Devisen. Und nun stößt mir also noch
mein Onkel auf. Es lag natürlich an der gegenwärtigen Situa-
tion. Man ist ja wirklich anders angesehen wenn man schon
m l dort war. Und nun wurde ganz plötzlich mein Onkel fünf
undsiebzig. Im Oktober. In München.Ein Ausreiseantrag ist ja nichts Schlimmes sondern was Ein-

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 113/136
Wo wir sind ist vorn
maliges. Für zehn Tage. Mit Wiedereinreise; ich hab mich dasachkundig gemacht. Und mein Onkel hatte also eine ganzechte Einladung geschickt. Von allein wäre er j nie drauf ge
kommen das nur nebenbei aber nun mußte ich natürlich ob
ich wollte oder nicht die Sache in die Wege leiten. Das ist im
merhin ein amtliches Schriftstück mit Stempel der Ratskolle-gen aus München. Man muß j Kollegen sagen.Und nun kommt der Hammer und die Sichel. Sense sozusagen.Ich mache Z.B.V. Und das heißt in der gegenwärtig schwieri-gen Kaderlage daß ich die Genehmigungsverfahren für geneh-migungspflichtige Sonderfälle unter mir habe.Verstehen Sie jetzt? Es ist kein schlechtes Gefühl nein dasdarf ich Ihnen verraten wenn man so schwierige Entscheidun-gen treffen muß. Wrr sind j gehalten verstehen Sie? Hin und
wieder kann ich auch mal die Zustimmung verweigern. Begründete Bedenken. Außerdem machen j nicht wir den letztenStempel auf solchen Antrag doch zuweilen muß schon ich michkonsequent zu einer Ablehnung der Befürwortung durchrin-gen. Man hat seinen Ärger nicht nur mit den Kantinenklopsen.Die unglückliche Verquickung habe ich angedeutet.Mein Antrag mit dem amtlichen Onkelschreiben landete map
penmäßig auf meinem Tisch. Ich hab die Sache nicht auf michgezogen; das war ein klares Kompetenzproblem.Ich versuchte den Hauptreferenten mit meiner kitzligen Ange
legenheit zu konfrontieren. Aber der erklärt mir bloß seine ka
derpolitischen Engpässe. Entlastung ist nicht drin sagt er. Ichsolle mich auf die vorhandenen Präzedenzfälle und meine ver
trauensvolle Zusammenarbeit stützen.Da sitzt man da und weiß nicht wie man über sich informiertsein soll. Obwohl ich mir gewisse peinliche Nachfragen erspa-ren kann. Soll ich etwa meine Nachbarn über mich befragen?Natürlich ahne ich von mir daß ich bloß deshalb im Oktobernach München fahren will weil da dieses traditionelle Fest ab
läuft. Der Onkel ist mir doch schnuppe. Der lebt doch rein gei
stig in einer fremden Welt. Mit dem verbindet mich nichts.Das ist ein Ewiggestriger. Ein für allemal haben wir Fragen derGeschichte beantwortet gelöst und hinweggefegt. Unklare Ant
worten bekämpft man nämlich durch hinweggefegte Fragen.An meinem Schreibtisch kommt man einfach auf richtige Ge
danken. Ich stelle die Kollegenfrage die man immer in Pro
blemfällen stellen muß: Kann ich dem Antragsteller vertrau-en? Ich mein ich kenn mich doch.
Man muß unsereinen auch mal verstehen. Nicht immer bloß
109
Woran merkt man.
daß die Stasi R0bo ... . . ~ · ; . ~ _ .
tron-Wanzen Bei . ·.
einem einsetzt?Man hat einenneuen Schrank im
Zimmer und einTrafohäuschen vormHaus.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 114/136
11 o wir sind .ist vorn
Schreibtischhengste schimpfen wenn wir den Wünschen der
Bürger noch nicht voll und ganz entsprechen konnen. Unser-
eins hat da die Verantwortung. Wenn was passiert fällts auf
uns zurück.
Und nun also mein diffiziler Fall. Ich will also von mir eine Stel
lungnahme darüber ob ich ein vertrauenswürdiger Kader bineiner der in München weder mit der CDU fusioniert noch be-
hördenmäßige Hochtechnologie etwabeim Oktoberfestbier ausplaudert oder eine fehlerhafte Worterklärung ür Glasnost gibt
oder - oder ob ich etwa einer bin dem es dort vielleicht bes
ser gefallen könnte als er hier vorgibt daß
es ihm gefallen werde. Das Schlimmste: Ich
muß meine Stellungnahme über mich schrift
lich abgeben. Und wenn die anfechtbar ist
fällt das auf mich zurück. Mit Schriftstückekann man jeden festnageln.
Noch nicht mal vorgeben kann ich daß ich es
nicht gewußt hatte. Da heißt es immer ent
schuldigend man könne in den Bürger j
nicht hineinsehen. Sonst kann man sich j in
jedem Menschen irren und für eine bedauer
liche Fehleinschätzung eine bitter bereitete
Enttäuschung ist hier noch niemandem der
Kopf abgerissen worden aber in meinem ganzbesonderen Fall . . . Soll ich mir denn blind
vertrauen? Aber wie kann ich besser meine
Ergebenheit für alles Geforderte beweisen als
daß ich ohne Ansehen der Person entscheide?
Es fällt j doch alles auf mich zurück. Da wird doch sofort ge-
fragt werden: Wer hat denn die Genehmigungsverfahren für
genehmigungspflichtige Sonderfälle unter sich?
Ich finde man kann die Demokratie auch zu weit treiben.
Gerade jetzt sollte man doch vorsichtig Stück um Stück aber
nicht alles auf einmal. Da locht man doch die Akte an der fal-
schen Stelle. Weil ich für mich gebürgt habe fällt das doppelt
auf mich zurück. Und das krieg ich dann vierfach zu spüren.
Und das dann achtkantig ...
Jawohl. Jawohl also Nein. Ich habe mich durchgerungen. Ich
habe mich abgelehnt. Da darf man nicht inkonsequent sein. Da
muß man seinem inneren Schweinehund auf die Zehen treten.Da muß man vorwärts- und nicht rückwärtsschreitend geneh
migen. Das müssen Sie ich bitte Sie auch mal verstehen.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 115/136
•
. „ :w. . ·
·· -----·-·---
Ein Zöllner inspiziert das Gepäck eines ausreisenden
DDR-Bürgers. Verwundert weist er auf ein Bild von Erich
Honecker. »Verstehe ich nicht« sagt er »Sie kehren
unserem Staat den Rücken. Warum nehmen Sie da einHonecker-Bild mit?« Darauf der Mann: »Gegen Heimweh.«
· hn l fd Unterschied zwisc eWorin besteht er d Erich Honecker?
Pl eten Melmec un
vom n d null Problemo · · ·Alf h t viele Fans un . .

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 116/136
2
Treffen sich drei
Hunde aus der
glorreichen Sowjet
union1 der tapferenVolksrepublik
Polen und aus derDDR. Sofort fängt
der Sowjethund an
zu schwärmen:»Also bei uns läuft
jetzt alles bestens,Brüderchen. Seitdiesem Gorba- ·
tschow, also ich
sage nur Perestroi
ka, Glasnost und
so alles ist gut .Auch für uns einfa
che Hunde. rrbrauchen nur noch
zu bellen, schonkriegen wir ein
Stück Fleisch.« Der
polnische Hundkriegt große
Augen: »Bitte
schön, was ist
>Fleisch<?« Der
DDR-Hund dreht
sich links l lm
schaut, schautnach rechts, noch
einmal nach links
und flüstert: »Bitte
schön, was ist >Bel
len<?«
Wo wir sind ist vorn
•
Wolfgang challer
ti t tltlt
rr sind bei jeder Show als Stimmungsmacher sehr begehrt.
rrhaben uns bei jedem Tief als Knallbonbon bewährt.Denn scheint uns auf der Lebensbühne etwas schiefzuliegen,
dann können wirs dank ungebrochner Stimmung gradebiegen.
In den düsteren Jahren
haben wir es erfahren:
Arm wär das Leben,
würds uns nicht geben.
Doch keine Angst, uns gibt es ja seit vierzig Jahren schon,
uns, die Stimmungsmacher der Nation.
Blau ist die Nacht,
sieh nur den Mond am Himmel schau, wie er lacht
Wie viele Fotos an der Wand verschwanden über Nacht.
Wir haben an die neuen die Girlanden angebracht.
rr wechselten die Bilder aus im altbewährten Rahmen.
Der Glaube blieb, auch wenn die Götter gingen oder kamen.
Der Papa wirds schon richten,
der Papa machts schon gut.
Denn Papa macht ja alles,
was sonst keiner gerne tut.
rr liebten unser Väterchen. Dann mußten wir erfahren,daß die Taten Väterchens so väterlich nicht waren.
Doch um Euch von der Nachricht von Millionen
Opfern unsres Väterchens zu schonen,
klang es so, wenn wir davon in unsren Liedern sangen,
als hätt er bei der Jagd nur ein paar Hasen weggefangen.
Schallali - schallala, schallali - schallala,
schon tuts nicht mehr weh.
rr haben Losungen schnell verlernt,
wenn wir verlernen mußten.Wir standen stets ganz vorn Spalier,
weil wir die neuen wußten.
Weltrevolution?
Und Konföderation?
Zwischenstadium? Kybernetik?
Manche schöne Kunstästhetik?
Das unvergeßliche Zitat
vom einzig rechtmäßigen Staat?
Unterdessen - längst vergessen

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 117/136
owir sind ist vorn
Standpunktwechsel - kein Problem
wenn wirs vom richtigen Standpunkt sehn.
Auf die Bäume ihr Affen der Wald wird gefegt
der Wald wird gefegt der Wald wird gefegt.
Nur Nachwuchssänger stelln in diesen Tagen
uns Stimmungssängem ihre dummen Fragen:War Tito Freund war Tito Feind?
Was hat uns mit dem Schah vereint?
War Chinajung
bei Mao Tse Tu.ng?
Wir tauschen Namen ein und aus
die ins Geschichtsbuch paßten.
.
Wer zog die Namen spurlos raus
aus dem Gedächtniskasten?rr singen Niederlagen klein
wenn wir wo unterliegen.Denn was nicht sein darf kann nicht sein
weil wir gesetzlich siegen.
Und werden die Antworten manchmal knapp
in schwierigen Situationen:
rr schießen die Fragen einfach ab
mit unseren Stimmungskanonen.
Keine Bange
wir holen eine Zange
und die Feuerleiter.
Und dann .geht es weiter.
Und dann geht es weiter ...
3
Generalprobe: Die
Nummer s tzt noch
nicht der Direktor hatgar nicht gemerkt daß
er gemeint war.«

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 118/136
114 Wo w r sind st vorn
Manfred Strahl
Kaum war die Sondermaschine gelandet, preßten Sumambo
und die ihn begleitenden Persönlichkeiten neugierig ihre Gesichter gegen die Scheiben.
Sie waren schon auf das äußerste gespannt, ob es wirklich zu
traf, was man sich auf diplomatischem Parkett hinter
vorgehaltener Hand erzählte. Nämlich daß auf dem Flughafen
Berlin-Schönefeld zu jeder Tages- und Nachtzeit einige tausend
Menschen mit Wrnkelementen in den Händen herumstehen und
schon sehnsüchtig auf den nächsten Staatsbesuch warten.
Obwohl sich Sumambo fast die Nase plattdrückte, sah er nichts
dergleichen.»Alles nur üble Westpropaganda«, murmelte er in waschechtem
Sumambeli erbost vor sich hin und begab sich zum Ausstieg.
Während er die Gangway herabschritt, schlug er vorsichtshal-
ber den farbenprächtigen Umhang sei
Schließlich hatten sich die gewaltigen Erfolgeder DDR bei der Benzineinsparung selbst bisins ferne Sumambowo rumgesprochen
ner Nationaltracht zur Seite. Damit er
beide Hände für die im Empfangsproto
koll vorgesehene brüderliche Umar
mung des Gastgebers frei hatte.
Als Sumambo schließlich, in freudiger Erwartung einer herzlichen Begrüßung lächelnd und mit ausgebreiteten Armen, den
Flugplatz betrat, suchten seine Augen die des Gastgebers zu
erspähen. Nicht daß er versehentlich den falschen umarmte.
Munter ließ er seine Blicke schweifen. Aber so weit das Auge
reichte, war von den Gastgebern niemand zu sehen. Das lag
nicht etwa daran, daß Sumambo - wie viele bedeutende Per
sönlichkeiten - unter einer gewissen Kurzsichtigkeit litt. Nein
Sumambo und die Seinen waren weit und breit die einzigen auf
dem riesigen Flughafen. Selbst die Ehrenformation, die Sumambo laut Protokoll hätte abschreiten müssen, war nicht zurBegrüßung erschienen.
Als Sumambo auch noch die auffällig unauffälligen jungen Män
ner vermißte, die bei Staatsbesuchen scheinbar tatenlos über
all herumzustehen pflegen, lief es ihm heiß und kalt zugleich
über den Rücken. Um Himmels willen In Berlin gab es immer
hin mehrere Flugplätze. Sollte ausgerechnet seine Sonderma
schine auf dem falschen gelandet sein?
Irritiert schaute er in Richtung Flughafengebäude. Dann atme-

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 119/136
owir sind, ist vorn
te er erleichtert auf. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Dort stand
in großen Lettern: Flughafen Berlin-Schönefeld.Während Sumambo und die ihn begleitenden Persönlichkeiten
ein wenig ratlos herumstanden, näherte sich ihnen ein Auto
bus.
Endlich wird alles gut, dachte Sumambo der annahm, daß dieBegrüßungsdelegation der Gastgeber aus ökonomischen Grün
den geschlossen im Autobus anrückte. Schließlich hatten sich
die gewaltigen Erfolge der DDR bei
der Benzin- und Dieselkraftstoffein
spamng selbst bis ins ferne Su
mambowo herumgesprochen••
Zu seiner Uberraschung war derAutobus leer. Der Fahrer hielt je
dochund gab den hohen Gästen dasZeichen zum Einsteigen. Ob die Be
grüßungsdelegation vielleicht ausgesundheitlichen Gründen nicht er
schienen war? In jüngster Zeit gras
sierten in Europa immerhin einigeGrippewellen.
5
Auch nach der Paß- und Zollkon
trolle, die ohne besondere Vor
kommnisse verlief, wurde den Gä
sten kein gebührender Empfang zu
teil. Verwirrt suchte Sumambo in
der geräumigen Vorhalle des Flug
hafens die Information auf. Als er
unserer schönen deutschen Spra
che leider nicht mächtig, endlich an
der Reihe war, tippte er sich stolzan die Brust und sagte: »Sumambo.«
- - ·- -1'i s h t l u r ~ q ne r oe ti.>11 1
Aus dem Gesichtsausdruck der Dame hinter dem Schalter
schloß Sumambo, daß ihr sein Name offenbar nichts sagte.Deshalb wiederholte er diesmal eine Verbeugung andeutend,
seinen Namen und fügte, zuvor mühevoll einstudiert, bedeu
tungsvoll hinzu: »Berlin Staatsrat «
Die junge Dame bestätigte ihm durch heftiges Kopfnicken, daßsich der Staatsrat in Berlin befand. Dann wandte sie sich ge
langweilt dem nächsten Ausländer zu.
Als Sumambo die Telefonzellen entdeckte, schöpfte er neueHoffnung. An Telefonieren war aber nicht zu denken. Entwe-
Wieder zwei von den
Eingeborenen diefrüher hier ihr ier
getrunken haben <<

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 120/136
6 Wo wir sind ist vorn
der waren die Hörer r t r ü m m ~ oder die Leitungen durchge
schnitten. Ansonsten war an den Telefonzellen alles in Ord-
nung.
Erst mal runter vom Flugplatz, entschied Sumambo und begab
sich zum Taxi-Stand, an dem rein zufällig ein Fahrzeug hielt.
Sumambo öffnete die Tür des Wagens und sagte: »Staatsrat «»Nee, nee, Mister, nix Staatsrat « antwortete der Fahrer schlag
fertig und schüttelte heftig den Kopf. >>Höchstens bis Weißensee. Wrr haben Feierabend, Mister Verstehen? Holiday «
Ein Einheimischer, der den Dialog zufällig mitgehört hatte,tippte Sumambo freundlich auf die Schulter und sagte: »Du
nach Staatsrat mit S-Bahn « Mit dem Arm deutete er die Rich
tung des S-Bahnhofs an und ahmte dabei die Geräusche einesfahrenden Zuges täuschend ähnlich nach. Zehn Minuten spä
Das Wörtchen Etablissement erschrecktedie ausländischen Gäste derartig daß
sie fluchtartig das Lokal verließen.
ter stand Sumambo bereits artig in der Schlange vor dem Fahrkartenschalter. Als er endlich
an der Reihe war, hängte die junge Dame ein
Schild ins Fenster und verschwand.»Vorübergehend geschlossen«, stand auf dem
Schild. Obwohl Sumambo damit wenig anzufangen wußte, tat
er instinktiv genau das Richtige. Er achtete auf die anderen
Leute und stürmte wie sie zu den Fahrkartenautomaten, um
dort sein Glück zu versuchen.
Es handelte sich um supermodeme Automaten. Der Geldeinwurf klappte vorzüglich. Nur der Fahrkartenauswurf wollte
einfach nicht funktionieren. Sumambo probierte, bis er kein
Kleingeld mehr hatte. Dann zog er einen größeren Schein aus
der Brieftasche und wollte ihn am Zeitungskiosk wechseln.
Doch der Kiosk hatte ebenfalls gerade geschlossen. Aus tech
nischen Gründen, wie einem Zettel zu entnehmen war.
Selbst auf die Gefahr hin als Schwarzfahrer überführt zu wer
den, betraten Sumambo und die ihn begleitenden Persönlich
keiten ohne Fahrausweis den S-Bahnsteig.Ein freundlicher Reisender aus Sachsen erklärte ihnen mitHänden und Füßen den Weg. Der freundliche Reisende ent
puppte sich jedoch bald als gewissenloser Lügner. In Schöne
weide wurden sie nämlich bereits aus dem Zug gezerrt und ge
nötigt, die Fahrt im Autobus fortzusetzen.
Im ersten Moment fuhr Sumambo ein gehöriger Schreck in die
Glieder. Er glaubte zunächst, das Opfer einer großangelegten
Entührung seines Widersachers im fernen Sumambowo gewor
den zu sein. Aber die Mitreisenden beruhigten ihn schnell. Zwi-

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 121/136
ow r sind st vorn
sehen Schöneweide und Alexanderplatz, klärten sie ihn auf,
müsse man jederzeit mit Schienenersatzverkehr rechnen.
Am Alexanderplatz hielt der Bus direkt vor dem Hotel »Stadt
Berlin«. Ursprünglich wollte Sumambo den Mitreisenden so
fort zum S-Bahnhof folgen. Doch vor dem Hotel roch es derart
verführerisch nach Pommes frites und flambierten Steaks, daßer der Versuchung nicht wiederstehen konnte und sich spon
tan zur Einkehr entschloß.
Beherzt betrat die ausländische Delegation das Restaurant und
steuerte auf den einzigen freien Tisch zu. Doch der Ober war
schneller.
»Sie können wohl nicht lesen«, schleuderte er dem hohen Gast
ins verdutzte Gesicht. »Auf dem Schild am Eingang steht doch
ganz deutlich, daß Sie in unserem Etablissement plaziert wer
den.«Das Wörtchen »Etablissement« erschreckte die ausländischen
Gäste derart, daß sie fluchtartig das Lokal verließen. Sie woll
ten schließlich nur etwas essen. Mehr nicht
Also verzichteten sie auf Pommes frites und flambierte Steaks
und genehmigten sich am Kiosk neben der Hochgarage des Ho
tels ein Berliner Nationalgericht. Bockwurst mit Salat und Es
pressokaffee aus Pappbechern.
Frisch gestärkt machten sie sich auf den Weg. Die Weiterfahrt
mit der S-Bahn verlief reibungslos. Nicht einmal Pendelver
kehr war angesagt. Vierzehn Uhr dreißig, eine halbe Stunde vor
Beginn der offiziellen Gespräche, stand die Delegation aus Su
mambowo müde, aber glücklich vor dem Staatsratsgebäude.
Sumambo schritt auf den Haupteingang zu und versuchte, die
Tür zu öffnen. Vergeblich. Die Tür war verschlossen. »Ruhetag«
stand auf einem Schild. Sprechzeiten nur dienstags und frei
tags zwischen acht und zwölf und vierzehn bis neunzehn Uhr.
Diplomatenpech
An diesem Tag war ausgerechnet Mittwoch.
Was daraufhin geschah, werter Leser, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Oder besser gesagt, ich habe noch nicht darüber
nachgedacht. Wozu auch? Sie haben ja sicherlich ohnehin
längst bemerkt, daß diese Geschichte von Anfang an erstun
ken und erlogen ist. Ein reines Phantasieprodukt sozusagen,
von dem sich der Autor tunlichst distanzieren sollte. Schließ
lich weiß hierzulande jeder, daß so etwas bei uns nicht passie
ren kann. Jedenfalls bei keinem Staatsbesuch.
117
·- .= <
asbedeuten die
e ~ t e n zwischen n ~ c k e r unij ßorbatschow, wenn sie
sich auf dem :Flughafen verabschie-
~ o r b a t s ~ h o w sineinandergelegteHände: Dich zieheich .auch nocH auf
· ~ i n e Seite. i ·:q;· .
Honeckers dfei er-hobene Finger; Drei
von·dir habe ieh
n ü ö e r l e · • · r ~ t

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 122/136
•
118
,„,.,,,.. . . . , , , · tl. .
i ·Häschen kommt · ,•• "• . . . . . ;
. . .
. zrim Fleischer :urid ·• :
. . . .
, fragt: »Hattn. Mök„ · ·. .
ren?« ... > N e i n , . · . .·· · siehst du a e c h ~ < ,:.· ·· -
• • i • •
·•··Häschen kommt • ·· : <·. . · . ' ·· . ; , :'.'· ·:, •-
· am .nächsten Tag '.·.Wieder. ·»Hattu· . ·· . .
Mönren?« ;_ »Nein,' · · ,> siehst. du :docli. · , •· · :
·• . . ,, .. , ..
. · · · ~ · w n n äti noch ein- .- . . . :. .
., ~ a d kommst, hänge ·
..ch ' ich an den .. - .
··· J:Ia.Ken. << Häsclien ·.. . .
„·.fragt aucli am drit-· · .
·en ·rag nach Möh- · .. ten. Der Fleischer ·w - • • •
' ·greiit es und hängt. es·an.den ©hren an . ·.- . • . .
·einen Haken, ·Cli- , ·· · ·
· relft neben das :Ho- '· nedRer-BildA \>Oh« . · ·.. . • ·· a ~ ä s c h e ~ . , >
' . . „ ..
· ~ > h a t t u auch nacli , ·
> Möljten g e f r a ~ ? · .. ·. . .,. ;. . .
- Wo wir sind ist vorn
Hans-Günther Pölitz
Der Kabarettist kommt im Habitus eines Hausmeisters. Er trägt
das übliche Honecker-Porträt und eine Leiter bei sich, um dasBild aufzuhängen:
Ich kann gar nicht verstehen, daß Sie hier so ruhig sitzen kön
nen. Nun sagen Sie bloß, Sie haben es noch nicht bemerkt? So
was sieht man doch auf den ersten Blick. Na, hier fehlt was.
Schließlich sind wir ein öffentliches Haus. Ein Amtsgebäudesozusagen. Und da gibt es gewisse Normen. (Musik)
Ich bin gewöhnt an dein Gesicht. / Mit dir beginnt für mich der
Tag./ Bin an das Blau ja so gewöhnt,/ das jeden Raum verschönt./ Dein Hemd, dein Blick, dein Schlips, dein Schick./
Das ist mir alles so vertraut, / fast wie der Bart schon, den ich
trag. /Als ich hereintrat, wußt' ich, etwas stimmt nicht,/ etwas
fehlt hier noch. / Hoffentlich zieht sich nicht irgend jemand
daran hoch. / Wrr sind dran, wie du schaust, gewöhnt, / wie du
so bildhaft sprichst, / gewöhnt an dein Gesicht. (hängt Bild auf)
(ruft in die Kulissen) Von wegen, nicht wie im richtigen Leben,
machen wollen. Ha (setzt sich auf die Leiter, schält einenApfel o.ä.) Obwohl, ich frage mich manchmal, ob du eigentlich
auch siehst, was da alles im richtigen Leben vorgeht? Ich
meine, da müßte dir doch manchmal ganz schön die Scheibe
beschlagen. Manchmal, könnte ich mir denken, müßtest du
sogar aus dem Rahmen fallen.
Wenn du in der Halle, die sich Einkaufshalle nennt / überm
Tisch hängst und darunter hartes Brot. /Wenn vergeblich man
stets nach Frischgemüse rennt, /doch in der Hauptstadt kloppen sie dich damit tot. / Was die Regierung will, ist ehrlich, /
stabile Preise hat nicht jeder Staat. / Im Leben funktioniert's
nur schwerlich,/ gibt's manches dann nur noch im »delikat«./
Und auf manchem Amt ist man viel zu früh ergraut. I Drückst
du etwa dabei deine Augen zu? / Wenn ein Bürokrat mir die
Menschenwürde klaut, /Und überm Bürokraten, da hängst du.
/ Oh, wie du da hangest Wie unmöglich / Wie tief deprimie
rend (hat einen Einfall)
Wie höchst erfreulich könnte das sein

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 123/136
Wo wir sind ist vorn
Was hieltest du beispielsweise von dem Vorschlag? Dich auf-
zuhängen dürfte keine Vorschrift mehr sein. Nein, es müßtevielmehr eine Auszeichnung sein, dich hängen lassen könnenzu dürfen. Das klingt jetzt komplizierter, als es ist. Ich stellemir das so vor: Dein Bild darf nur noch dort hängen, wo es be-
sonders sozialistisch zugeht. Da könnte uns keiner mehr vor-machen, daß er wunder was für den Sozialismus tut. Man
würde sofort an der Wand erkennen, ob du gegenwärtig bist,oder nur noch verblaßte Konturen von dir übrig sind. Nur echtmit dem Erich Und injedem ahrkönnten wir dann eine »Erich-
Verleihung« veranstalten. Das klingt ir jetzt zu kapitalistisch?Wenn s uns nutzt, muß dichdas nicht weiter stören. Gor-
batschow sagt auch, daß wir
vom Kapitalismus einigesübernehmen könnten. Leninhat das auch gesagt, wenn ir
das vielleicht lieber ist. Stellir mal vor, wenn du nur über-
all dort hängen würdest, wo
wir Fortschritt erzielt haben. Keine Protokollstreckekönnte dir mehr was vorma
chen. Aber so ...
. bist du ein Mann, der viel verzeiht. / Der geflissentlich, wis-
sentlich / streng seinen Standpunkt vertritt und drauf beharrt./ Kurz: Ein Mann, der zu vieles verzeiht.
Doch zögst dein Bild du dort zurück, / wo wir uns schadenheut und hier / und wenn man noch rührend fleht, / draußenblaugefroren steht, /verschließ die Tür und sag nur, ich zitier:
/»Kommunisten wollt ihr sein? Ha «
Doch sind wir so gewöhnt wenn s tagt, man ja und Amen
sagt, / mal dies, mal das, halt irgendwas, / das ist uns alles so
vertraut, / daß man s mechanisch wiederkaut. / Was einmalIdeale waren, sind heut nur Schablonen noch. / Könnten s aberwieder werden, wenn wir wollten - doch / erst wenn wir unsmal abgewöhnt, / daß Mängel man verschönt. /Verschönt durchdein Gesicht. (in die Überlegung hinein, ob er das Bild wieder
abnimmt, kommt der Black)
9

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 124/136
12
Unterhalten sichzwei Gefängnisinsas-sen. Fragt der eine:
»Weshalb bist du
hier?«
»Ich bin Fahrrad-händler und habe
Erich Honecker denRücktritt angeboten.Und was hast du an-
gestellt?«
»Ich habe Erich
Honecker durch einFernrohr beobach-tet.«
»Da ist doch aber
nichts schlimmesdabei «
Sagt der andere: »Ja,
schon aber bei mir
hing da noch ein
Gewehr unten dran.«
arkus olf
987
4. Januar
9. Januar
13. Januar
18. Januar
24. Januar
9 8 7
Auf dem Deutschlandtreffen der CDU in Dortmund bezeichnet Bundeskanzler Helmut Kohl ie DDR als >>Regime, daspolitische Gefangene in Gefängnissen und Konzentrationslagern hält<<. Der Ständige Vertreter der DDR in Bonn legtoffiziellen Protest ein.
Zu Beginn des Jubiläumsjahres zum 750jährigen Bestehender Stadt Berlin wird das Bode-Museum in Ost-Berlin nachgründlicher Renovierung wiedereröffnet.
Temperaturen um minus 20 Grad. Die Braunkohleförderung
ist eingefroren. Folgen: Einbrüche in der Strom- und Wärmeversorgung. Auch bleiben zahlreiche Haushalte nachRohrbrüchen ohne Trinkwasser.
Die Verantwortlichen der Sendeanstalten ARD und ZDF
schließen mit Vertretern des Fernsehens der DDR Produktions- und Kooperationsvereinbarungen ab.
Erstaufführung von Sartres >>Die Fliegen<< in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, Regie: Friedo Solter.
31. Januar 1. Februar Zum sechsten Mal wird Karin Kania in St. Foy Kanada) Weltmeisterin im Eisschnellauf Sprint-Vierkampf).
3.-8. Februar Zum fünften Mal in Folge wird Katarina Witt in SarajewoEuropameisterin im Eiskunstlauf.
6. Februar Generaloberst Markus Wolf tritt auf eigenen Wunsch ausdem Dienst des Ministeriums für Staatssicherheit aus; fürseine Verdienste wird ihm der Karl-Marx-Orden verliehen.
7. Februar DEFA-Kinderfilmpremiere >>Das Schulgespenst<<.
1. März Der Ständige Vertreter der DDR in Bonn, Ewald Moldt, übermittelt Bundeskanzler Kohl die Botschaft von Erich Honekker, Ost-Berlin und Bonn sollten ein gesondertes Abkommenüber Mittelstreckenraketen abschließen.
2. März
7. März
9.-15. März
21. März
Im Ost-Berliner Friedrichstadtpalast gastiert der Schlagersänger Udo Jürgens an drei Abenden hintereinander.
Erstaufführung von Becketts >>Warten auf Godot<< in Dresden, Regie: Wolfgang Engel.
Katarina Witt wird in Cincinnati zum dritten Mal Weltmeisterin im Eiskunstlauf.
DEFA-Filmpremiere >>Johann Strauß der ungekrönte
König Co-Produktion DDR/Österreich).

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 125/136
Zeittafel 987
23. März
25. März
In Magdeburg wird aus der Technischen Hochschule die
>>Technische Universität Otto von Guericke<<.
Erstmals reisen Offiziere der Bundeswehr als Manöverbe
obachter in die DDR.
In einer Sitzungspause des Zentralkomitees der SED sitzt Günter
Mittag über einem Stapel Papieren, schüttelt den Kopf und mur-., melt vor sich hin: »Icp versteh den Plan nicht.« Erich,Honecker ....
geht auf ihn zu und fragt: »Was ist los, Günter, was plagt dich?« -·Mittag: »Ich versteh den Plan nicht.«Honecker: »Kein Problem,den kann ich dir erklären « Mittag: »Unfug, Erich, erklären kann-ich ihn selber, aber ich versteh den Plan nicht.« i
23. April
1. Mai
8.-23. Mai
14. Mai
14. Mai
29. Mai
12. Juni
DEFA-Filmpremiere Käthe Kollwitz - Bilder eines Lebens<<
Das Kindergeld wird erhöht: Nun gibt es für das erste Kind
50 Mark, fürs zweite 100 Mark bisher je 20) und für alle
weiteren je 150 Mark bisher 50-70 Mark).Die 40. Friedensfahrt gewinnen Uwe Ampler und die DDR
Mannschaft Ampler, Heppner, Kummer, Raab, Ludwig,
Barth).
DEFA-Filmpremiere >>Wengler & Söhne - Eine Legende<<
Das neuerbaute Nikolaiviertel mit der restaurierten Nikolai
kirche wird vom Berliner Oberbürgermeister Erhard Krack
eröffnet.
An der Volksbühne werden unter dem Titel >>Spektakel Ber
liner Geschichten en Suite<< neun Stücke unterschiedlicherGenres auf sieben Bühnen des Hauses an einem Abend auf
geführt.
Der US-Präsident Ronald Reagan reist zur 750-Jahr-Feier
nach West-Berlin. In seiner öffentlichen Rede vor dem Bran
denburger Tor fordert er den sowjetischen Parteichef Gor
batschow auf, die Mauer niederzureißen und schlägt vor,
Olympische Spiele in beiden Teilen der Stadt abzuhalten.
Wie kann man die Himmelsrichtung bestimmen?
Man legt eine Banane auf die Mauer. Wo sie abgebissen wird,. ist Osten . .
18. Juni
26. Juni
Heike Drechsler wird als weltbeste Athletin 1986 mit der
Trophäe des Weltverbandes der Sportjournalisten ausge
zeichnet.
Erich Honecker schenkt Udo Lindenberg eine Schalmei als
Dankeschön für die von Udo überreichte Lederjacke. - Die
Jacke wird im August zugunsten der Dritten-Welt-Hilfe für
7500 Mark von der FDJ-Betriebsorganisation des VEB Ju
gendmode Rostock ersteigert.
2
Zwei Volkspolizistenhaten sich ffu eine
höhere Laufbahn be
worben. Dazu müssen,,sie allerdings
'• .
eine·mündliclie Prü-
fung bestehen. Nun
sitzen sie zitterndvoF,dem Prüf11ngs- ·raum. Der erste wirdhereingerufen. Ein
paar Minuten späterkommt er wieder.
heraus und sagt: »Esgab nur eine einzigeFrage: Wie heißt un-
:, J . . . : „.c. . ~ . „ t
serer Staatsra'.tsvor-sitzender?« Daraufsagt der andereVoli}spolizist: »O je,
; · . ~
und so was schwereswußtest du?« -»Klar, der heißt Ho-
.necker. « - »Wie war' „· , . ' ,
das?« - »HON EC -
KER « buchstabiertder erste. »Moment
chen, das schreibeich mir unter meinenSchuh « sagt der an
dere und kritzelt»Honecker« ·atif die
Schuhsohle. Kurze
Zeit später, in derPtjifung, wir ihm
tatsachlich dieseFrage gestellt. Ver
steckt schaut er aufseine Schuhsohle
u ~ a l l t w o r t e t stolz:»Salamander «

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 126/136
22
Kohl brüstet sicho
während HoneckersBesuch 1987 inBonn damit, daß er ?<
nur kluge L e u t e •' ''
sich habe. H o n e ~ aglaubt ihm nioht tUm seine u s s a g t , :
zu beweisen, fragt·.Kohl bei Tisch Gen„-
scher: »Es ist i c h tmein Bruder undauch nicht meine -Schwester, aber
trotzdem das Kind
2. Juli
10.-12. Juli
17. Juli
Zeittafel 987
DEFA-Filmpremiere >>Die Alleinseglerin<< mit Christina Po
wileit, Manfred Gorr und Fred Delmare.
Erster Katholikentag in der Geschichte der DDR
Aus Anlaß des 38 . Jahrestages ihrer Gründung beschließt
die DDR-Regierung die Abschaffung der Todesstrafe.
Was hat 100 Zähne und 4 Beine? Ein Krokodil.Was hat 100 Beine und 4 Zähne? Das Politbüro.
30. Juli
1.August
Der rekonstruierte Französische Dom in Berlin wird wieder
eröffnet. Er beherbergt das Hugenottenmuseum und Archiv
und Bibliothek der Französisch-Reformierten Gemeinde.
Unter den Linden öffnet das Grand-Hotel mit 350 Zimmern,
Appartements und Suiten. Es soll vor allem zahlungskräfti
ge Westgäste anlocken. Drei der vierzehn gastronomischen
Einrichtungen stehen auch DDR-Bürgern offen.
meiner Eltern. WeLe ' · 3. August >>Fußballer des Jahres<< wird erneut Rene Müller.
ist das « Genscll:e · -· . . ;
sagt sofort:tür ieh. ( . rlo.f ' '" '-, ;; ,
Das imponiert Ho- : •necker. Wieder zu- - ·rückgekehrt ver- · <
sucht er den gleichen Test mit W'Illi ·
Stoph: »Es ist i c h tmein Bruder und .nicht meine Schwe-:·ster, aber trotzdeiw -das Kind meine1 ... j
tern. Wer ist :;<· ..
Stoph denkt eine . .-
Weile angestrengtnach und schlägt · ·dann vor, Mielke ·
diese Frage zu steI:
.len. Mielke wird hinzugerufen. Er b e tlegt lange, dann_ efc.:··
hellt sich seine · · ·. .
Miene: } ~ D a s bis1i6: .. _1. . .
Erich « .»Unsinn«, sagt·fi .•necker, »das ist nä·. 'türlich Kohl « .
•
27. August SED und SPD veröffentlichen ein gemeinsames Papier: >>Der
Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit<<. Das
Papier arbeitet die ideologischen Gegensätze zwischen So
zialdemokraten und Kommunisten heraus und entwirft ein
Konzept für eine langfristige Zusammenarbeit.
2.-4. September Der >> Olof-Palme-Friedensmarsch<< wird zwischen dem KZ
Ravensbrück zum KZ Sachsenhausen begangen.
5./6. September Etwa 1000 Mitglieder unabhängiger Friedensgruppen pro
testieren gegen die atomare Rüstung in Ost und West und
ziehen von der Zionskirche zur Gethsemanekirche.
Zwei Volkspolizisten stehen am Flughafen und beobachten die anund abfliegenden Maschinen. Sagt der eine zum andern: »Nun sagmir doch mal, wie die Terroristen es immer wieder schaffen, sol
che riesengroßen Flugzeuge zu klauen.«»Ü Mann, bist du dumm«, sagt der andere, »die werden doch nichthier auf dem Boden geklaut, wo sie so groß sind, sondern oben in
der Luft, und da sind sie klitzeklein «
7 -11. September Erich Honecker besucht die Bundesrepublik und trifft Bun
deskanzler Kohl. Es werden Abkommen zum Umwelt- und
Strahlenschutz sowie über die Zusammenarbeit in Wissen
schaft und Technik vereinbart.
15. September Eröffnung des Schinkel-Museums in der rekonstruiertenFriedrichwerderschen Kirche in Berlin.
3. Oktober Im Albertinum auf der Brühlschen Terrasse in Dresden öff
net die X Kunstausstellung der DDR (bis 3. April '88). Sie
zieht 1,1 Mio Besucher an .

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 127/136
Zeittafel 987
13./15. Oktober Die Staatschefs der RGW-Länder werden zu einer Sitzung
nach Moskau berufen, um über notwendige Wirtschaftsre
formen zu beraten.
16. Oktober Werner Tübke signiert sein Panoramagemälde >>Frühbürger
liche Revolution in Deutschland<< im Bauernkriegsdenkmal
auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen.
30. Oktober Die Bundesrepublik und die DDR tauschen mehr als 400
Kunstwerke aus, die während des Zweiten Weltkriegs aus
ihren Heimatmuseen ausgelagert worden waren.
1. November DDR läßt ab sofort die Einfuhr und den Versand von Fach
zeitschriften, Kalendern, Briefmarken, Schallplatten und Arz
neimitteln aus der BRD zu.
10./11. November Der US-Vizeaußenminister besucht Berlin und spricht mit
Erich Honecker über eine Intensivierung der Beziehungen.
24.-26. November Der X. Schriftstellerkongreß tagt in Berlin.
25. November Bei einer Durchsuchung der Umweltbibliothek der evange
lischen Zionsgemeinde in Ost-Berlin nehmen DDR-Sicher
heitsorgane mehrere Mitglieder von Friedens- und Umwelt
gruppen fest.
Welches ist die größte Kirche der Welt?
Die Zionskirche in Berlin Du gehst zur Tür rein und kommst inGießen wieder raus
3. Dezember Der Film >>Die Russen kommen<< von Heiner Carow hat Premiere. Er entstand bereits 1968.
5.-6. Dezember Drei Weltrekorde im Eisschnellauf in Calgary (Kanada): Chri
sta Rothenburger über 500 m, Karin Kania über 1 000 m
und Gabi Zange-Schönbrunn über 3 000 m.
1987 verlassen 18 958 DDR-Bürger das Land.
Sportler des Jahres:
Silke Möller-Gladisch
(Leichtathletik)
Torsten Voss
(Zehnkämpfer)
Volleyball-National
mannschaft der Frauen
Torschützenkönig der
Oberliga:
Frank Pastor vom BFC
Dynamo mit 17 Treffern
Fernsehlieblinge:
Helga Hahnemann
Erika KrauseKlaus Feldmann
Helga Piur
Petra Kusch-Lück
Ellentie
Heinz Florian Oertel
Hans-Joachim Wolfram
neue Bücher:
Sigrid Damm
>>Cornelia Goethe<<
Erwin Strittmatter
>>Der Laden 2
Alfred Wellm
>> Morisco<<
Christa Wolf
>>Störfall. Nachrichten
eines Tages
Daniela Dahn
>> Prenzlauer Berg-Tour<<
23
Klaus eldmann
Oberliga-Plazierung
1987
1 Berliner FC Dynamo
2.SG
Dynamo Dresden
3. 1 FC Lokomotive
Leipzig
4. Wismut Aue
5. 1. FC Magdeburg
6. FC Carl Zeiss Jena
7. FC Rot-Weiß Erfurt
8. FC Karl-Marx-Stadt
9. Stahl Brandenburg
10. FC Vorwärts Frank-
furtJO.
11. 1. FC Union Berlin
12. Stahl Riesa
13. Energie Cottbus
14. Fortschritt Bischofs
werda
große Hits:
>>Casablanca City
>>Als ich fortging<<Karussell
>>Doris Pankow
>>Ich bin frei
Stern Meißen
>>Halt mich fest
Prinzip
>>Die Fans sind eine
Macht<<
Frank Schöbe

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 128/136
24
Rosa Luexemburg
arl Liebknecht
Zeittafel t988
988
7.-9. Januar Erstmals wird Erich Honecker von einem Staatspräsidenten
der drei Westalliierten vom Franzosen r a n ~ o i s Mitterrandzum Staatsbesuch empfangen.
12. -17. Januar Katarina Witt wird in Prag erneut Europameisterin im Eis
kunstlauf.
17. Januar Am Rande der traditionellen Demonstration zum Jahrestag
der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
verhaftet der DDR-Staatssicherheitsdienst rund 120 De
monstranten; in der Folge kommt es zu Verurteilungen und
Ausweisungen aus der DDR.
23.-24. Januar In Oberhof finden die ersten Hundeschlittenrennen in der
DDR vor 18 000 Zuschauern statt.
28. Januar
2. Februar
12. Februar
DEFA-Filmpremiere >>Einer trage des anderen Last<< Regie:
Lothar Warnecke. Ein Volkspolizist und ein evangelischerVikar teilen sich Anfang der 50er in einer Lungenheilanstalt
gemeinsam ein Zimmer.
In einem internen Bericht des Staatssicherheitsdienstes
wird die Zahl der rechtsradikalen Skinheads in der DDR
mit rund 800 beziffert.
Der Regierende Bürgermeister von Westberlin Eberhard
Diepgen zu Besuch bei Erich Honecker.
-
Ein Kunde verlangt im Buchladen »Aus meinem Leben«von
Erich Honecker. Bedaure« sagt die Verkäuferin »ist niclit vor-rätig. Aber ich kann I h i l ~ n dieses hier empfehlen >Aus demLeben eines u g e n i c h t s
25. Februar
27. Februar
1. März
3. März
In Bischofswerda und Waren an der Müritz beginnt der
Abzug sowjetischer Mittelstreckenraketen aus der DDR.
Bei den XV. Olympischen Winterspielen in Calgary erringen
DDR-Sportler neun Gold- zehn Silber- und sieben Bronze-
medaillen. Katarina Witt wird zum zweiten Mal Olympia
siegerin im Eiskunstlauf.
Westberliner dürfen ab sofort bei Tageseinreisen in die DDR
dort auch übernachten.
Gespräch Honeckers mit Landesbischof Werner Leich über
das Verhältnis Staat und K i r c h e 14. März Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche mit anschlie
ßendem Schweigemarsch von etwa 300 Menschen zur Tho
maskirche.
20.-27. März Nationales Popfestival in Karl-Marx-Stadt.
26. März Katarina Witt wird zum vierten Mal Weltmeisterin und be
ginnt als erste DDR-Sportlerin eine Profikarriere.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 129/136
Zeittafel 988
27. März
30. März
31. März
1.-6. Mai
12. Mai
23. Mai
Aus dem Haus der Kultur in Gera wird eine Gala zur Kürder Fernsehlieblinge 1987 live übertragen.
Erstaufführung von Volker Brauns >>Die Übergangsgesellschaft<< am Maxim Gorki Theater, Regie: Thomas Langhoff.
West-Berlin und die DDR vereinbaren den bisher umfang
reichsten Gebietsaustausch. Von der Vereinbarung ist unteranderem das sogenannte Lenne-Dreieck betroffen, ein rund4 ha großes Grundstück in Berlin-Mitte das auf der westlichen Seite der Mauer liegt obwohl es bislang zu Ost-Berlin gehörte.
Hermann Axen wird vom amerikanischen Außenministerempfangen, wobei auch ein Besuch Honeckers in den USAerörtert wird.
DEFA-Filmpremiere >>Jadup und Boel mit Kurt Böwe,Regie: Rainer Simon, bereits 1981 entstanden.
Ulf Timmermann stellt in Chania Griechenland) einenneuen Weltrekord im Kugelstoßen auf und stößt als ersterüber 23 m.
1. Juni 85 000 Fans beim Joe ocker-Konzert in Berlin-Weißensee.
29. Mai-2. Juni Reagan und Gorbatschow kommen zu ihrem 4. Gipfel inMoskau zusammen. Der >>offene Dialog<< in Abrüstungsfragen wird ohne konkrete Ergebnisse fortgesetzt.
19. Juni Michael Jackson gibt vor dem Reichstagsgebäude in WestBerlin ein Konzert. Im Ostteil der Stadt versammeln sicheinige Jugendliche in der Nähe der Mauer, um akustisch an
dem Spektakel teilzunehmen. Dabei kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Volkspolizei.
5.-7. Juli Bei einer RGW-Tagung in Prag sprechen sich die DDR undRumänien gegen Reformen des sozialistischen Wirtschaftsbündnisses aus.
11.-13. Juli Treffen von BRD-Umweltminister Klaus Töpfer mit Mini
ster Hans Reichelt über Zusammenarbeit im Umweltschutz.
20. Juli Bruce Springsteen tritt vor 160 000 Fans in Berlin-Weißensee auf.
8. August Andreas Thom wird zum >>Fußballer des Jahres gewählt.
27. August Der frühere Skispringer und jetzige Sportarzt Hans-GeorgAschenbach kehrt von einer Sportveranstaltung imSchwarzwald nicht in die DDR zurück.
1. September In West-Berlin werden die 38. Berliner Festwochen eröff
net ..An den Veranstaltungen nehmen erstmals auch Künst
ler aus der DDR teil.
25
Wirtschaftsminister
Günter Mittag lernt
jetzt Spanisch
Wieso?Er ist mit seinem
Latein am Ende
Hermann xen
Hans Reichelt

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 130/136
26 Zeittafel 988
Frank Gastorf
Tamara anz
9. September Petra Felke stellt in Potsdam einen ewigen Weltrekord im
Speerwerfen auf sie wirft als erste Frau der Welt 80 m.
12. September Das Forschungszentrum Mikroelektronik Dresden über
reicht Erich Honecker den ersten Megabit-Chip made in
GDR.
14. September Die jährliche Transitpauschale der Bundesrepublik an die
DDR wird für die Jahre 1990 bis 1999 festgelegt. Sie soll
von 525 Millionen Mark auf 860 Millionen Mark jährlich
steigen .
16. September Ernennung von Eiskunstläuferin Katarina Witt zur Sonder
botschafterin der UNICEF in New York.
17. September-2. Oktober Bei der XXIV. Olympiade in Seoul erringen 138
DDR-Sportler 37 Gold- 35 Silber- und 30 Bronzemedaillen.
Kristin Otto wird Olympiasiegerin im Schwimmen über50 m und 100 m Freistil 100 m Schmetterling und 100 m
Lagen.
25. September DEFA-Märchenfilmpremiere Der Eisenhans<<.
27.-29. September Arbeitsbesuch Honeckers bei Gorbatschow in Moskau:
12. Oktober
12. Oktober
Honecker sichert >>einmütige Unterstützung für den Kurs
der Erneuerung in der sowjetischen Gesellschaft<< zu und
sieht die Reformen auf die UdSSR beschränkt.
Die Serienfertigung der Limousine Wartburg 1.3 in Eise
nach mit VW Motor beginnt.
In Berlin-Hohenschönhausen übergibt Erich Honecker die
dreimillionste Neubauwohnung die seit dem Parteitagsbe
schluß 1971 errichtet wurde.
16.-18. Oktober Der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses Edgar
Bronfman besucht die DDR. Er gibt bekannt daß sich die
DDR zu einer >>symbolischen Entschädigungszahlung<< fürdie noch lebenden Opfer des NS-Regimes bereiterklärt hat .
19. Oktober
21. Oktober
Kristin Otto erhält für ihre Leistungen im Schwimmen die
goldene Krone des IOC eine erstmalig vergebene Auszeich-
nung.
>>Flüstern und Schreien<< ein Dokumentarfilm über die
Musikszene der DDR mit Tamara Danz . Erstmals werden
auch Independent-Gruppenvorgestellt.
10. November Grundsteinlegung durch Erich Honecker für den Wiederauf
bau der kriegszerstörten Synagoge in der Berliner Oranien
burger Straße.

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 131/136
Zeittafel 988
17 ./18. November Erich Honecker verleiht Nicolae Ceausescu bei dessen Be
such in Berlin den Karl-Marx-Orden.
18. November Die deutsche Ausgabe des sowjetischen Readers Digest,
>>Sputnik<< wird wegen >>Verzerrung der Geschichte<< von
der Liste des Postzeitungsvertriebs gestrichen.
28. November Beschluß einer Rentenreform und Erhöhung der Mindest
renten zwischen 30 bis 100 Mark.
2. Dezember Der XII. Parteitag der SED wird für Mai 1990 statt wiege
plant 1991) einberufen
7. Dezember Michail Gorbatschow kündigt vor der UN-Generalver
sammlung einseitige Abrüstungsschritte an.
Der liebe Gott ruft Reagan Gorbatschow und Honecker zu sichund eröffnet ihnen daß in 7 Tagen die Welt untergeht. Reagankehrt nach Washington zurück ll:lld hält eine Ansprache an die Na-. .
tion: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute:
Ich habe mit Gott gesprochen. Die schlechte: In sieben Tagen gehtdie Welt unter.« Gorbatschow kehrt nach Moskau zurück und be-ruft den Obersten Sowjet ein: »Ich habe zwei schlechte Nachrichten. Erstens diesen gewissen Gott gibt es wirklich. Zweitens in
sieben Tagen geht die Welt unter.« Erich ruft den Ministerrat zu-
. sammen und erklärt: »Genossen ich habe zwei gute Nachrichten· für euch. Gott hat die DDR anerkannt. Und in sieben Tagen hat
der Spuk von Glasnost und Perestroika ein Ende.
14. Dezember Neue Verordnung über das Reisen ins Ausland.
14. Dezember Volkskammerbeschluß über die Errichtung von Verwaltungsgerichten auf kommunaler Ebene.
17. Dezember Frank Castorf bringt am Deutschen Theater die Erstauffüh
rung von Michail Bulgakows >>Paris Paris<< heraus.
1988 verlassen 39 832 DDR-Bürger das Land.
Sportler des Jahres:
Kristin OttoSchwimmen)
Olaf Ludwig
Radsportler)
Straßenradvierer von
Seoul
Torschützenkönig der
Oberliga:
Andreas Thom vom BFCDynamo mit 20 Treffern
Fernsehlieblinge:
Uta SchornKlaus Feldmann
Ellen Tiedtke
Erika Krause
Heinz Florian Oertel
Carmen Nebel
Wolfgang Lippert
Gunther Emmerlich
neue Bücher:
John Erpenbeck>>Gruppentherapie<<
Brigitte Struzyk
>>Carotine unterm
Freiheitsbaum<<
Joachim Walther
>>Heldenleben<<
Helga Schubert
>>Über Gefühle reden?<<
27
olfgang ippert
Oberliga-Plazierung
1980
1. Berliner FC Dynamo
2. 1 FC LokomotiveLeipzig
3. SG Dynamo Dres
den
4. Stahl Brandenburg
5. Hallescher FC Che-•
m1e6. FC Carl Zeiss Jena
7. 1 FC Magdeburg
8. FC Karl-Marx-Stadt
9. FC Hansa Rostock10. Wismut Aue
11. 1. FC Union Berlin
12. FC Rot-Weiß Erfurt
13. FC Vorwärts Frank
furt/O.
14. Stahl Riesa
große Hits:
>>Ich liebe dich<<Rockhaus
>>Die Welt<<Stern Meißen
>>Wand an Wand<< City
>>Kleine Frauen<<Karussell
>>Auf und ab<< Babylon
>>Wir wolln immer artig
sein<< Feeling B

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 132/136
28
'
Nachweise
Die Karikaturen stammen von
Peter Bauer: 110Heinz Behling: 20 77 111 o. 115
Manfred Bofinger: 8 44-56 90 o.
Henry Büttner: 17 75 o. 75 m.
Peter Dittrich: 32 33 61 o. r. 67
Barbara Henniger: 19 53 o. 64 87 99 o. 104
Heinz Jankofsky: 74 92 99 u. 101Harald Kretzschmar: 113 120 123 124 125 126 127
Cleo Petra Kurze: 75 u.
Rechte
Harri Parschau: 11 13 59 61 o./u. 63 70 72 83 90 l.u. 91 103
Louis Rauwolf: 25 27 29 31 o./u. 60 73 78 97
Horst Schrade: 81 88 89
Karl Schrader: 41 53 u. 106
Wolfgang Schubert; 90 r.u.
Reiner Schwalme: 35 111 u.
Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir den
Autoren Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns gelungen Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte
Honoraransprüche bleiben gewahrt.
mpressum
Besuchen Sie uns im Internet:www sammelwerke de
Genehmigte Lizenzausgabe für Sammler-Editionen
in der Verlagsgruppe WeltbildSteinerne Furt D-86167 Augsburg
Copyright © Eulenspiegel · Das Neue Berlin Verlags
gesellschaft mbH Co. KG Berlin
Umschlaggestaltung: Peperoni Werbeagentur GmbH Berlin
Umschlagmotiv: Jens Rötzsch/Ostkreuz
•
Druck und Bindung: Offizin Andersen Nexö Leipzig GmbH ZwenkauPrinted in the EU

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 133/136
•

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 134/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 135/136

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1987 - 1988
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1987-1988 136/136
Vorwärts immer rückwärts nimmer