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1 R. Obliers, M. Diedrich, H. Kaerger-Sommerfeld & K. Köhle SUBJEKTIVE LEBENSQUALITÄT UND DROHENDER TOD AUS DER SICHT VON PALLIATIVPATIENTEN (Vorläufiges und unfertiges Arbeitspapier) Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. K. Köhle in Kooperation mit Klinik und Poliklinik für Visceral- und Gefäßchirurgie Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. A. H. Hölscher Universität zu Köln Januar 2005

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R. Obliers, M. Diedrich, H. Kaerger-Sommerfeld & K. Köhle

SUBJEKTIVE LEBENSQUALITÄT UND DROHENDER TOD AUS DER SICHT VON PALLIATIVPATIENTEN

(Vorläufiges und unfertiges Arbeitspapier)

Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und PsychotherapieDirektor: Univ.-Prof. Dr. med. K. Köhle

in Kooperation mit Klinik und Poliklinik für Visceral- und Gefäßchirurgie

Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. A. H. Hölscher

Universität zu Köln

Januar 2005

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Zusammenfassung:

Fortschritte in der Behandlung von Krebs f�hrten in den letzten zwei Jahrzehnten zu gr��eren Heilungschancen und zu einer Verl�ngerung der �berlebenszeit vieler Patienten. Gleichzeitig wuchs aber auch das Bewusstsein f�r die Grenzen medizinischer Behandlungsm�glichkeiten. Beide Entwicklungen f�rdern eine Neubewertung der therapeutischen Zielvorstellungen. Ne-ben der �berlebenszeit wird in der Therapieplanung zunehmend auch die Lebensqualit�t be-r�cksichtigt.

Wie nehmen schwerstkranke Patienten am Ende ihres Lebens ihre ,Lebensqualit�t’ und deren Ver�nderung wahr? Dieser Frage wurde im Rahmen einer psychoonkologischen Patientenbe-gleitung (N = 76) in der Palliativklinik ,Dr. Mildred-Scheel-Haus' mit Hilfe einer qualitativen Methode nachgegangen (Heidelberger Struktur-Lege-Technik, SLT).

Auf der Basis tonkonservierter sprachlicher Selbst-Ausk�nfte der Patienten (N = 34) wurden ihre zentralen Konzepte und Sinnzusammenh�nge in Form von SLT-Netzwerkmodellen rekon-struiert. Die Rekonstruktion dieser individuellen Sinnwelten wird anhand von SLT-Fallbeispielen mit Tonaufnahmen demonstriert. Werden diese individuellen zu gruppenorien-tierten SLT-Netzmodellen (Modalstrukturen) aggregiert, so lassen sich 6 Patientengruppen unterscheiden: Patienten, die auf ein weitgehend erf�lltes Leben zur�ckblicken (1), zeigen an-dere Sinnstrukturen (SLT-Modelle) als Patienten, die in der Verfolgung ihrer Lebensprojekte durch die Todesbedrohung viel zu fr�h beschnitten werden (2) oder von Schmerzen dominiert werden (3), f�r das Besiegen der Krankheit k�mpfen (4), auf ein schwieriges Leben entt�uscht zur�ckblicken (5) oder nur noch vom Kranksein �berw�ltigt sind (6). Die Erhaltung von ,Lebensqualit�t’ stellt f�r diese Subgruppen psychoonkologische Anforderungen mit unter-schiedlichen Schwerpunkten.

Die gewonnenen Ergebnisse sollen Anregungen f�r die psychoonkologische Begleitung dieser Patienten, f�r Aus-, Fort- und Weiterbildung und f�r die gruppenorientierte Aggregierung qua-litativer Daten geben.

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1. PROJEKTBESCHREIBUNG UND STAND DER FORSCHUNG

1.1 Einleitung

‚Wenn man ‘nichts mehr tun kann‘ zur Behandlung des Krebses, k�nnen wir doch noch viel tun f�r den Menschen, der unheilbar an Krebs erkrankt ist ... Ziel ist, die Schwerstkranken so zu behandeln und zu umsorgen, da� sie ihre letzte Lebenszeit noch als lebenswert empfinden k�nnen.‘ Jonen-Thielemann & Pichlmaier (1988)

Im Zentrum palliativmedizinischen Handelns steht das Bem�hen, die verbleibende Lebenszeit m�glichst lebenswert zu gestalten (Radbruch & Zech 1997). Das Ergebnis palliativmedizini-scher Ma�nahmen wird dementsprechend vor allem unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung bzw. der Verbesserung der Lebensqualit�t evaluiert (Faller 1999, Holland & Rowland 1990; K�chler 1997; Thomas, K�hle, Fritsch-Horn, Schrader & Reckels 1994). Die bisherigen Unter-suchungen zur Lebensqualit�t haben dazu beigetragen, Kliniker, die Patienten mit onkologi-schen Krankheiten behandeln, f�r diese Problematik zu sensibilisieren. Allerdings waren die Ergebnisse von Untersuchungen zur Lebensqualit�t onkologischer Patienten im fortgeschritte-nem Krankheitsstadium, die mit Hilfe von Fragebogen durchgef�hrt wurden, f�r diese Kliniker oft entt�uschend: Die Patienten stuften bei diesem Vorgehen die Qualit�t ihres Lebens oft �hn-lich gut ein wie Gesunde oder sogar besser als Gesunde - ein Ergebnis, das in krassem Gegen-satz zur Wahrnehmung vieler Kliniker stand. Dar�ber hinaus sind mit wachsendem Schwere-grad der Krankheit Patienten mit Frageb�gen nicht mehr zu erreichen. Dieser Untersuchungs-ansatz wird damit dem urspr�nglichen Ziel der Lebensqualit�tsforschung, den an der Versor-gung Beteiligten den Zugang zum subjektiven Erleben der Kranken zu erleichtern, zumindest im Bereich der palliativen Versorgung nicht ausreichend gerecht.

Ziel des von April 2000 bis M�rz 2003 laufenden Forschungsprojektes war es, empirische Aussagen zu einem erweiterten Verst�ndnis von Lebensqualit�t zu gewinnen, das die subjekti-ve Sicht der Patienten st�rker als bisher ber�cksichtigt. Welche subjektive Bedeutung hat ‚Le-bensqualit�t‘ f�r unheilbar Kranke, die auf einer Palliativstation betreut werden, wie ver�ndern sich ihr Selbstbild, zentrale Lebensmotive und ihre Einstellungen zu zentralen Werten des bis-her gelebten und noch verbleibenden Lebens? Die Bearbeitung dieser und damit zusammen-h�ngender Fragen erforderte eine systematische Erweiterung des wissenschaftlich-medizinischen Verst�ndnisansatzes: Die Subjektivit�t, der Patient in seiner jeweils individuellen Wirklichkeit sollte verst�rkt zum Gegenstand der wissenschaftlich-medizinischen Betrachtung werden. Diese Perspektiverweiterung erforderte eine entsprechende Erg�nzung des methodi-schen Zuganges. Von einem detaillierteren Wissen um die ‚subjektive Welt‘ des Patienten, sei-ner Vorstellungen von Lebensqualit�t und seiner Verarbeitung der Todesbedrohung erhofften wir uns einen Verst�ndnisgewinn auch f�r die klinische Arbeit mit zum Tode Kranken.

Das Projekt wurde im Rahmen der Palliativklinik – Dr-Mildred-Scheel-Haus – durchge-f�hrt, die der Klinik und Poliklinik f�r Visceral- und Gef��chirurgie der Universit�t zu K�ln zugeordnet ist. Seit 1983 wurde in K�ln der Aufbau einer Palliativstation, seit 1993 die mo-

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dellhafte Realisierung einer Palliativklinik durch Mittel der Deutschen Krebshilfe erm�glicht. Die Klinik bot sowohl hinsichtlich der �u�eren Rahmenbedingungen als auch hinsichtlich der Verwirklichung des Versorgungskonzeptes gute Voraussetzungen f�r das vorliegende For-schungsprojekt: wie in kaum einer anderen Einrichtung war es hier m�glich, die psychischen und sozialen Entwicklungsprozesse zum Tode kranker und sterbender Patienten in Wechsel-wirkung mit einer zumindest weitgehend optimalen Versorgung zu begleiten und zu beschrei-ben.

Dieses Projekt versucht einen Beitrag zu einem besseren Verst�ndnis derjenigen Prozesse zuleisten, die Patienten unter solch g�nstigen, modellhaften Bedingungen die Erhaltung oder Wiederherstellung einer positiven Einsch�tzung ihrer Lebensqualit�t erm�glichen. Die Unter-suchung soll das enge Zusammenspiel zwischen medizinischer und psychoonkologischer Betreuung mit der von den Patienten wahrgenommenen Lebensqualit�t transparenter und da-mit verst�ndlicher machen. Die gewonnenen Ergebnisse sollen zur Qualifizierung von Aus-, Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich beitragen.

1.2 Das Konzept ‚Lebensqualit�t‘

Insbesondere bei Patienten mit nicht mehr heilbaren Krebserkrankungen richtet sich das Inte-resse auf die Qualit�t der noch verbleibenden Lebenszeit. So wurden f�r Onkologen neben den Erfolgsparametern ‚Ansprechrate‘, ‚Ansprechdauer‘ und ‚�berlebenszeit‘ zus�tzlich subjektive Aspekte zum Therapieziel, die unter dem Begriff ‚Lebensqualit�t‘ zusammengefa�t werden k�nnen (Faller 1998).

W�hrend Einigkeit dar�ber besteht, da� das Konzept ‚Lebensqualit�t’ eine wesentliche Rol-le in der klinischen Praxis der Palliativmedizin spielt (Clinch & Schipper 1993), liegt jedoch nur geringe �bereinstimmung dar�ber vor, was unter diesem Begriff zu verstehen ist und wie das Gemeinte empirisch erfa�t werden kann (Pukrop et. al. 1999; Cella & Tulsky 1993; Kilian 1995; Bullinger 1996; The WHO QOL Group 1998). Generell lassen sich in der empirischen Forschung zwei methodische Zug�nge trennen, die auf unterschiedliche Aspekte des Gegens-tandsbereiches zielen: Quantifizierende Verfahren reduzieren den Gegenstandsbereich bereits vor der Datengewinnung auf mit den jeweiligen Instrumenten me�bare und vorrangig �berindi-viduelle Komponenten. Qualitative Verfahren versuchen zun�chst die Komplexit�t des Gegen-standsbereiches zu erhalten und untersuchen die individuell-subjektiven Prozesse zun�chst mit nicht-numerischen Ans�tzen, um in einem zweiten Schritt zur Reduktion auf �berindividuelle Komponenten zu gelangen. Im Rahmen der Lebensqualit�tsforschung �berwiegen bisher fast ausschlie�lich quantifizierende Ans�tze.

Nach Bullinger (1990, 1991, 1996) ist ‚Lebensqualit�t‘ von befragten Personen quantitativ anhand verschiedener Frageb�gen beurteilbar. Es werden 4 Komponenten herausgestellt, die f�r den Begriff ‚Lebensqualit�t‘ relevant sind: k�rperliche Verfassung, psychisches Befinden, soziale Beziehungen und Funktionsf�higkeit im Alltag. Eine Vielzahl von Frageb�gen wurden konstruiert, die sich jedoch hinsichtlich ihrer inhaltlichen Konzeption von ‚Lebensqualit�t‘ so-wie ihrer testtheoretischen G�tekriterien deutlich voneinander unterscheiden. So wird bei eini-gen Verfahren Lebensqualit�t als Abwesenheit aversiver Zust�nde und Symptome verstanden,

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wie beispielsweise das Fehlen k�rperlicher Beeintr�chtigung und negativer Affekte wie Angst und Depression. Andere Verfahren definieren ‚Lebensqualit�t‘ positiv als Vorhandensein von Verhaltensweisen bzw. Ressourcen.

Hinsichtlich des Anwendungsgrades sind einige Frageb�gen spezifisch auf bestimmte Ziel-gruppen zugeschnitten, was dar�ber hinausgehende Anwendungsm�glichkeiten stark ein-schr�nkt. Die Vielzahl der Verfahren ist jedoch unspezifisch. Aufgrund der unterschiedlichen Konzeptualisierungen l�sst sich res�mierend festhalten, dass derzeit keine einheitliche operati-onale Konzeption von Lebensqualit�t vorliegt (vgl. Bullinger & P�ppel 1988; Bullinger 1989; Leimk�hler & M�ller 1996) bzw. ‚dass eine nominale Definition nicht sinnvoll, eine operatio-nale existent, und eine im wissenschafts-theoretischen Sinne theoretische Fundierung …. nicht m�glich ist‘ (Bullinger 1996).

1.3 Lebensqualit�t in der Palliativmedizin: Zur subjektiven Bedeutung von k�r-perlichen Symptomen und Funktionsst�rungen bei unheilbar kranken Men-schen.

Palliativpatienten werden mit einer Reihe von Symptomen und Funktionsst�rungen konfron-tiert (z.B. Leistungseinbu�en von Organsystemen), deren gemeinsames Charakteristikum Pro-gression und Unumkehrbarkeit darstellen. Sie symbolisieren den schrittweisen Verfall des K�r-pers und das Versagen von K�rperteilen und konfrontieren Betroffene vorauseilend mit dem bevorstehenden Sterben. Sie sind die von au�en wahrnehmbaren Anzeichen des pathologischen Prozesses, der ansonsten im Verborgenen abl�uft und deshalb als ,unheimlich’ erlebt wird.

Werden Symptome und Funktionsst�rungen direkt mit der Art und Weise des Sterbens as-soziiert (z. B. zunehmende Atemnot mit einem Erstickungstod), erh�ht sich die reale Belastung aufgrund des Bedrohungswertes. Bei den meisten Patienten treten unabh�ngig von der Grund-erkrankung mehrere Symptome gleichzeitig auf. Je zahlreicher und gravierender Funktionsst�-rungen zu finden sind, desto eher wird ein qualvolles und unw�rdiges Sterben erwartet.

Die �rztliche Entscheidung, ein kuratives Therapiekonzept in ein palliatives Vorgehen zu �berf�hren, besitzt in den meisten F�llen kein psychisches Korrelat beim Patienten (Schwarz & Kraus, 2000). Erst das System des sich gegenseitig verst�rkenden Funktionsausfalls verwandelt die von au�en heran getragene Information, die Krankheit ist unheilbar, in das emotionale Er-leben der Bedeutung des Geschehens. Nach au�en sichtbare krankheitsbedingte K�rperver�n-derungen werden von Patienten als Entstellungen im Sinne eines unterscheidenden und aus-grenzenden Merkmals (Stigma) erlebt. Entstellungen k�nnen die nat�rliche Gleichwertigkeit der Menschen aufheben, indem Betroffene ihre Andersartigkeit als minderwertig empfinden. Sie k�nnen f�r Patienten und Umwelt sowohl einen optischen als auch einen wesensm��igen Ausschluss aus der sozialen Gemeinschaft darstellen.

In �sthetischer Hinsicht f�hrt eine entstellende Funktionsst�rung zum Zerfall der Einheit-lichkeit und Geschlossenheit des K�rpers. Dieser progrediente Prozess muss im Selbstbild und im Fremdselbstbild der Person sowie im Fremdbild anderer �ber die Person verarbeitet werden, da das innere K�rperbild einen wichtigen Bestandteil der subjektiven und objektiven Person-wahrnehmung ausmacht. Mit dem Fortschreiten des Symptomgeschehens wird ein negatives

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K�rpergef�hl dominant. Es setzt sich aus direkten K�rpermissempfindungen und Beschwerden wie Schmerz, �belkeit, Schwindel und M�digkeit („Fatigue“, vgl. Zahner 2000). Ein solches K�rperbild besch�digt in hohem Ma�e das Selbstwertgef�hl und schw�cht die F�higkeit zur psychischen Regulation. Insgesamt gesehen besteht das Belastungserleben unheilbar Kranker mit begrenzter Lebenszeit i. w. aus den Qualit�ten Bedrohung, Verlust und Isolation, die sich gegenseitig bedingen und verst�rken. Es handelt sich erstens um Bedrohungserleben, welches die Bef�rchtung weiterer traumatischer Ereignisse und eine generelle Hilf- und Hoffnungslo-sigkeit ausmacht; zweitens um Verlusterleben, in dessen Mittelpunkt die Einbu�e positiver Inhalte wie Selbstwert, K�rperintegrit�t, Autonomie und Zukunft stehen und drittens um Isola-tionserleben, welches insbesondere die soziale Seite des Lebens betrifft und zu vorauseilender Selbstisolation f�hren kann. Daraus entsteht ein B�ndel negativer Emotionen aus Angst, Wut, Ekel, Verzweiflung, Scham und Schuld.

Dieses Belastungserleben kann im Vergleich zu lebensbegleitenden chronischen Erkrankun-gen weder mit Hilfe von innerpsychischem Regulationsaufwand noch mit gelingender Kontrolle des Krankheitsverlaufs relativiert werden. Beide w�rden Gewissheit von Lebenszeit und eine gr��ere Stabilit�t eingetretener k�rperlicher Ver�nderungen voraussetzen. Menschen mit einer zum Tode fortschreitenden Erkrankung stehen hingegen vor der Anforderung, den Verlust des Lebens zu akzeptieren, der sich durch Multisymptomatik und den unaufhaltsamen Abbau der k�rperlichen Integrit�t ank�ndigt und vollzieht.

Die skizzierte Belastungsspezifik macht deutlich, welchem ambivalenten und zumeist diffu-sen Gef�hlschaos die Patienten ausgesetzt sind: Bedrohungs-, Verlust- und Isolationsgef�hle k�nnen fast gleichzeitig mit Gef�hlen der oft verzweifelten Hoffnung und des Vertrauens ein-hergehen, denn die M�glichkeit nicht mehr zu existieren, ist f�r die meisten Patienten unvor-stellbar und nicht auszuhalten.

In dieser Situation ist f�r die Patienten das Wiedererlangen oder Aufrechterhalten eines rela-tiven inneren Gleichgewichts - eines Gef�hls der Koh�renz – extrem schwierig, denn es geht h�ufig nicht um ein neues Zufriedenheitsniveau auf der Grundlage verminderter Lebensqualit�t, sondern um die Akzeptanz unaufhaltsamer Ver�nderung und des Abschieds. Schwerkranke und sterbende Menschen beschreiben dieses Erleben h�ufig als ein „Ver-r�ckt-sein“ aus ihrer normalen Wirklichkeit. Alles Vertraute, die Wahrnehmung von sich selbst und der Umwelt ver�ndert sich radikal; das Gef�hl, in der ,Welt zu sein’, wird br�chig (Gerdes 1984; vgl. auch Jonen-Thielemann 1997 und Pichlmaier 1998).

�rzte, Psychoonkologen und Pflegepersonal werden in diesem Sinne zu wichtigen Mittlern, Interpreten und Begleitern des Krankheitsgeschehens und Behandlungsverlaufs. F�r eine integ-rierte medizinische Diagnostik und Therapie ist es daher wichtig, die verschiedenen Bedeutun-gen der Erkrankung f�r den Patienten, ebenso aber auch seine Ressourcen, Schutzfaktoren und St�tzen zu erfassen. Dabei ist die inhaltliche Ausrichtung des Belastungserlebens aber auch seine subjektive Wahrnehmung, Intensit�t und Verarbeitung wesentlich vom bisherigen Krank-heitsverlauf, der aktuellen Lebenssituation sowie der gelebten Geschichte der Patienten ge-pr�gt. . . .

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1.4 Das Problem quantitativer Lebensqualitätserfassung und die Bedeutung qualita-tiver Ansätze in der Palliativ-Medizin

Die bislang skizzierten quantifizierenden Forschungsans�tze sind, methodisch betrachtet, ‚au-�ensichtorientiert‘, als sie beobachter- bzw. forscherabh�ngige Beschreibungs- und Antwort-m�glichkeiten (‚Items‘ plus Antwortskalen) via Fragebogen. vorgeben, dadurch eine hohe Durchf�hrungs- und Auswertungs�konomie schaffen und h�ufig der Ableitung nomothetischer Aussagen dienen. Hingegen kommen im Rahmen qualitativer Ans�tze die Betroffenen selbst mit ihren jeweils individuellen Betrachtungsweisen st�rker in den Blickpunkt der Forschung. Dies betrifft sowohl die Auswahl der individuell als zentral bewerteten inhaltlichen Konzepte als auch deren Zusammenh�nge untereinander: Es bleibt dem Befragten �berlassen, welche Themen und Inhalte sie als konstituierend f�r ihr Lebensqualit�tsverst�ndnis erachten. Die em-pirische Forschung konzentriert sich auf die individuellen ‚subjektiven Welten‘ der Individuen; erst anschlie�end werden auf dieser Basis Gruppen- bzw. nomothetische Aussagen methodisch komprimiert (vgl. Groeben 1986; ............ St�ssel & Scheele 1992; Schreier 1997). Dieses Vorgehen erh�ht allerdings den erforderlichen Forschungsaufwand erheblich.

Die Erg�nzung der vorherrschenden quantifizierenden durch qualitative Ans�tze der Le-bensqualit�tsforschung sollte f�r den Kliniker von gro�er praktischer Bedeutung sein. Er kann die Entwicklung seiner Patienten nur dann unterst�tzen, wenn er ihre subjektiven Bewer-tungsma�st�be und die Dynamik ihrer Ver�nderung kennt. Diese sind insbesondere auf indivi-dueller Ebene, mit den bisherigen methodischen M�glichkeiten kaum untersucht worden.

1.5 Fazit für die Ausrichtung der Forschung

Zusammenfassend ist festzuhalten, da� komplement�r zu der durch Lebensqualit�tsfrageb�gen erhobenen und mit dem eingangs dargestellten Paradox-Problem befrachteten globalen Befind-lichkeitsparameter ein vertieftes Verst�ndnis der wertbezogenen subjektiven Prozesse palliati-ver Patienten notwendig erscheint. Diese Zielsetzung impliziert, da� Lebensqualit�t und das Gef�hl erlebter Kontrolle angesichts der realen Todesbedrohung weniger �ber objektivierbare Zust�nde der ‚Au�enwelt‘, sondern st�rker �ber die subjektive Perspektive des Patienten zu erfassen sind – seine ‚Innenwelt‘. In diesem Zusammenhang kommt Aulbert (1997) zu dem Schlu�: ‚Lebensqualit�t kann nicht von anderen, sondern nur vom Kranken selbst als eine f�r sein individuelles Leben wichtige Qualit�t erlebt werden‘.

Die Prozesse zur Wiederherstellung bzw. Sicherung eines inneren Koh�renz- und Kontroll-gef�hls angesichts des antizipierten Todes vollziehen sich vor dem Hintergrund der individuel-len Biographie der betreffenden Person. Das bisher gelebte Leben hat eine personspezifische Geschichte geschaffen, die sich aus der subjektiven Perspektive der jeweiligen Person rekon-struieren (Keller 1996; Obliers & Vogel 1992) und als koh�rente und sinnschaffende Selbster-z�hlung auffassen l��t (K�hle 1997). Es stellt sich also die Frage, ob und wie die individuelle Biographie – im Kontext lebensbedrohlicher Selbstver�nderungen - als ‚koh�rente und sinn-schaffende Selbsterz�hlung‘ f�r den Patienten mental aufrechterhalten werden kann oder wel-che Fragmentierungen sie aushalten mu�.

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F�r die Bearbeitung dieser Fragen kommen methodisch solche qualitativen Verfahren in Betracht, die bei dieser subjektiven Betrachtungsweise des einzelnen beginnen. Eines dieser Verfahren, die Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT), ist Teil des Forschungsprogramms ‚Subjektive Theorien‘, wobei das Konstrukt ‚Subjektive Theorien‘ auf das Alltagswissen, auf die subjektiven Welt- und Selbstsichten des Alltagsmenschen zielt (Scheele & Groeben 1979; Groeben 1986, 1990, 1991, 1997; Scheele & Groeben 1984, 1988; Scheele 1990, 1992). For-schungsgegenstand sind komplexe Bedeutungs- und Sinnsysteme des Alltagssubjekts, die in dem vorliegendem klinisch-onkologischen Gegenstandsbereich auch die subjektive Krankheits-theorie, das Selbstbild und die Koh�renzgef�ge des Patienten, einschlie�lich seines damit ver-bundenen Wertesystems sowie seiner Bem�hungen um Dissonanzreduktion, umfassen. .....

Bei der Durchf�hrung dieser Untersuchung wurde gr��ten Wert auf die Ber�cksichtigung der Belastbarkeit der Patienten gelegt. So waren die Untersuchungen eingebettet in eine sup-portive Begleitung der Patienten im Verlauf ihres Krankheitsprozesses. Die Instrumente wur-den so gew�hlt, da� die Patienten nach M�glichkeit nicht selbst die Frageb�gen ausf�llen m�s-sen, sondern da� diese nach einem Gespr�ch mit dem Kranken von den Projektmitarbeitern ausgef�llt werden k�nnen.

....

Fragestellungen

Was verstehen Palliativpatienten angesichts ihrer lebensbedrohlichen Situation unter ‚Le-bensqualit�t‘ und wie nehmen sie deren Ver�nderungen wahr?

Gibt es Hinweise f�r einen Zusammenhang zwischen dem eigenen Biografieverst�ndnis der Patienten, ihrer subjektiven Sicht von Lebensqualit�t sowie ihrer Auseinandersetzung mit der Todesn�he?

Mit Hilfe welcher Prozesse versuchen Palliativpatienten, trotz k�rperlicher Schmerzen und zunehmender vielf�l-tiger Behinderungen, ihre Lebensqualit�t aufrecht zu erhalten?

2. LEBENSQUALITÄT UND SUBJEKTIVE THEORIEN - METHO-DISCHER ANSATZ

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2.1 Durchführung ....

Explorative psychoonkologische Verlaufsstudie mit Palliativpatienten im Dr. Mildred Scheel Haus

Kontinuierliche psychoonkologische Begleitung der Patienten April 2000 bis September 2002: 76 begleitete Patienten mit insgesamt 580 Kontakten - davon 426 Gespr�che

und 132 Tonaufnahmen von 34 Patienten (mit Einverst�ndnis) Methoden: Einzelfall- und Gruppenanalysen; SLT

2.2 Die Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT) - Anpassung an die Situation von Palliativpatienten

Ein f�r diesen Zweck geeignetes Verfahren stellt die bereits erw�hnte Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT) im Kontext des Forschungsprogramms Subjektive Theorien dar (Scheele & Groeben 1984, 1988; Groeben 1986, 1997; Groeben, Wahl, Schlee & Scheele 1988; Scheele, 1990, 1992). In einer explorativen Vorstudie hatten wir dieses Verfahren mit Onkologie-Patienten erprobt. Die Struktur-Lege-Technik stellt ein mehrschrittiges Verfahren dar, das aus transkribierten Interview-Informationen die subjektiven Bedeutungswelten (‚Sub-jektiven Theorien‘) der befragten Person in Form semantischer Netzwerke zu rekonstruieren versucht. In diesen Netzwerken werden die zentralen Konzepte und ihre strukturellen Ver-kn�pfungen in der Subjektiven Theorie, so wie sie der Interviewte im Interview zu entfalten versucht hat, in ihrem Zusammenhangsgef�ge pr�zisiert und visuell zur Darstellung gebracht. Dieses soll die jeweilige Subjektive Theorie (z. B. zur eigenen Lebensqualit�t) in ihren wesent-lichen Komponenten und Zusammenh�ngen widerspiegeln. Die hierzu n�tigen Arbeitsschritte werden im folgenden verdeutlicht:

2.2.1 SLT-Einzelfallanalysen

In einem ersten methodischen Schritt wird ein Interview zur Erhebung der ,inneren Bedeu-tungswelt’ bzw. des Gegenstandsbereiches der ,Subjektiven Theorie’ (z. B. zur eigenen Le-bensqualit�t), der Erschlie�ung ihrer zentralen inhaltlichen Konzepte und deren Zusammenh�n-ge durchgef�hrt (vgl. Abb. 1, Arbeitsschritt (AS) 1 bzw. 1a). Ziel der genannten Vorstudie war, die individuell-subjektiven Bedeutungswelten, die Malignom-Kranke mit dem Begriff ,Lebensqualit�t’ verbinden, zu erfassen. Dabei sollten jene ‚subjektiven Welten‘ weitgehend unvoreingenommen rekonstruiert werden, so da� keine inhaltliche Vorabformatierung des in Frage stehenden psychischen Ph�nomenbereichs durch vorgegebene Unterthemen unterstellt wird. Vielmehr wurde �ber den Einstieg ,Lebensqualit�t’ ein offenes Interview gef�hrt, das sich m�glichst nur an der individuellen Bedeutungswelt des Patienten orientiert. Welche Kon-zepte der Patient auf den Stimulus ,Lebensqualit�t’ als relevant herausstellt, in welche Bedeu-

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tungszusammenh�nge er sie setzt und welche Sinnkonstruktionen er damit in seiner individuel-len Wirklichkeit er�ffnet, sollte von Anfang an nicht bzw. wenig von einem thematischen Vor-verst�ndnis her vorbestimmt sein, sondern weitgehend dem Patienten �berlassen bleiben. Diese Interviews werden audiografiert und transkribiert (AS 1b).

In einem zweiten Arbeitschritt werden die zentralen Konzepte aus den transkribierten In-terviews extrahiert (Konzept-Extraktion, AS 2), und zwar in der ‚idealen‘ Verfahrensversion vom Interviewer und von der interviewten Person zun�chst getrennt und eigenst�ndig (AS 2a und AS 2b), um dann in einer ‚Konzept-Konsensvalidierung‘ (AS 2d) zu einem Konzeptpool ‚abgeglichen‘ zu werden. Bei dieser und auch der folgenden Konsensvalidierung geht es nicht um einen Kompromiss zweier Diskurspartner, sondern letztentscheidend ist immer der Inter-viewte, dessen ‚innere Welt‘ ja rekonstruiert werden soll. Der Interviewte entscheidet, ob, ne-ben den eigenen Konzept-Extraktionen (bzw. Struktur-Rekonstruktionen), die erg�nzenden Vorschl�ge des Interviewers das treffen, was er selber im Interview zuvor ‚gemeint‘ hat oder nicht (vgl. H�rmann 1978). Der Interviewer hingegen ist dabei ein ‚methodischer Begleiter‘, der sich auf der Basis des Interviews ‚in‘ die befragte Person ‚hineinzuversetzen‘ versucht und in der Rolle eines ‚mentalen Geburtshelfers‘ dazu beitr�gt, das, was die befragte Person �ber sich selbst vielleicht zun�chst nur vage geahnt und mehrfach umschrieben hat, zu explizieren, die z. T. vage und implizite ‚inneren Welt‘ verbal kommunizierbar zu machen.

In einem dritten Arbeitsschritt werden die als zentral selegierten Konzepte mit Hilfe eines Pools von Relationszeichen strukturell vernetzt (AS 3), um die Zusammenh�nge der Konzepte zu visualisieren (Scheele & Groeben 1994, 1988; Dann 1992; Scheele, Groeben & Christmann 1992). Auch dies geschieht zun�chst getrennt und eigenst�ndig (AS 3a und AS 3b), so da� zwei Strukturmodelle entstehen, die anschlie�end, in einer konsensvalidierenden Sitzung, ge-meinsam in ein strukturelles Endmodell �berf�hrt werden (AS 3d).

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Abb. 1: Vorgehen der Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT) (gepunktete Linien: Optimalvariante bei weitgehender Symmetrie zwischen Erkentnisobjekt und -subjekt; durchgezogene Linien: an die hiesige Prob-lemstellung adaptierte Variante; AS = Arbeitsschritt)

Erkenntnis'objekt'(Patient/in)

Erkenntnis'subjekt'(Interviewer/in)

Explikation der Inhalte (AS 1)

I n t e r v i e w (AS 1a)

T r a n s k r i p t i o n (AS 1b)

K o n z e p t - K o n s e n s v a l i d i e r u n g (AS 2e) 2d)

K o n z e p t - E x t r a k t i o n (AS 2)

S t r u k t u r - R e k o n s t r u k t i o n (AS 3)(Vernetzung der z. Konzepte)

S t r u k t u r - K o n s e n s v a l i d i e r u n g (AS 3e)

Erkenntnis'subjekt'(Interviewer/in)

F r e m d - Extraktionder zentralen Konzepte

(AS 2b)

Erkenntnis'subjekt'(Forscher/in)

F r e m d - Extraktionder zentralen Konzepte

(AS 2c)

S e l b s t - Extraktionder zentralen Konzepte

(AS 2a)

Erkenntnis'objekt'(Patient/in)

F r e m d - Rekonstruktionder Theorie-Struktur

(Vernetzung derzentralen Konzepte)

(AS 3c)

Explikation der Theorie-Struktur

S t r u k t u r - K o n s e n s v a l i d i e r u n g (AS 3f)

F r e m d - Rekonstruktionder Theorie-Struktur

(Vernetzung derzentralen Konzepte)

(AS 3b)

S e l b s t - Rekonstruktionder Theorie-Struktur

(Vernetzung derzentralen Konzepte)

(AS 3a)

Erkenntnis'subjekt'(Forscher/in)

Erkenntnis'subjekt'(Interviewer/in)

Erkenntnis'objekt'(Patient/in)

(AS 3d)

(AS 2d)

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D. h., das Gesamt-Verfahren wird von konsensvalidierenden Schritten begleitet, die eine Ver-stehenssicherung durch die interviewte Person selber einschlie�en: Im Dialog-Konsens zwi-schen Interviewer/in und Interviewtem/n wird die Angemessenheit der Rekonstruktion gesi-chert. Das entstehende strukturelle Endmodell hat den Anspruch einer h�chst-m�glichen Re-konstruktionsgüte dessen, was die befragte Person in ihrer subjektiven Sicht gemeint hat. Die G�te dieser Rekonstruktionad�quanz l��t sich skalierend messen und ein signifikanter �berle-genheitseffekt des letztg�ltigen konsensvalidierten Modells gegen�ber den zuvor selbst- wie fremd erstellten Modellen nachweisen (vgl. Groeben 1992, 80).

Die gesamte Rekonstruktion der Subjektiven Theorie des Interviewten wird somit sowohl vom Interviewer als auch vom Interviewten selber vollzogen. Dies stellt den Optimalfall einer symmetrischen Forschungsrelation zwischen beiden dar, der aber nicht immer zu realisieren ist. In unserem Fall kann der Arbeitsanteil des Interviewten schwerstkranken Patienten nicht zugemutet werden: Sie haben andere Probleme als das Erlernen einer Methodik. Deswegen muß das Originalverfahren an unsere Problemstellung adaptiert werden: Alle Arbeitsschrit-te des Patienten (AS 2a, 2d, AS 3a, 3d) werden in unserem Fall ‚stellvertretend‘ (im begrenz-ten Sinne) von einem zweiten Forscher (Interviewer als ‚erster Forscher‘) �bernommen (vgl. AS 2c statt 2a, 2e statt 2d; As 3c statt 3a und 3e statt 3d; in etwa ,qualitative Interrater-Reliabilit�t’). Somit werden auch die Konzept-Konsensvalidierung (AS 2d) und die erste Struktur-Konsensvalidierung (AS 3d) nicht zwischen dem interviewten Patient und dem Inter-viewer, sondern zwischen dem Interviewer (als ‚erster Forscher‘) und dem ‚zweiten Forscher‘ durchgef�hrt (AS 2e und AS 3e). Mit dem daraus resultierenden Struktur-Modell tritt nun –wenn es die Belastbarkeit und das Einverst�ndnis des Patienten erlaubt - als letzter Schritt der Interviewer wieder an den Patienten heran, erl�utert es, modifiziert es ggfs. bei Korrekturen durch den Patienten und f�hrt so eine endg�ltige Struktur-Konsensvalidierung zur Verstehens-sicherung des Patienten durch (AS 3f). Ist dies nicht m�glich, wird auch dieser Schritt ,stellvertretend’' von einem zweiten Forscher �bernommen.

Methodisch gesehen ist durch die ,stellvertretende’ Prozedur ein Kernst�ck der SLT, die Konsensvalidierung mit der befragten Person, nicht m�glich. Bei diesen schwerstkranken Pati-enten ist dies aber leider kaum anders machbar.

Grunds�tzlich sind alle Interviews bzw. Gespr�che, die mit den Patienten gef�hrt wurden, eingebettet in eine psychologische Begleitung.

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Patienten-(Einzelfall-)Beispiel:

Pat. A.: ,Alles hat einmal ein Ende, auch das wilde Leben eines alten Mannes.’ Alter: 70 J., Diagnosen: Pankreaskopfcarcinom (02/2000), COPD (chronic obstructive pulmonary disease), arterielle Hypertonie, chronische Hepatitis C, diabetogene Stoff-wechsellage

Das folgende Patienten-Beispiel zeigt ein Einzelfall-SLT-Modell (vgl. Abb. 2) und die zugeh�-rige R�ck�bersetzung (Nummerierungen der SLT-Konzepte sind in der R�ck�bersetzung in Klammern mitgenannt).

In seinem Lebensr�ckblick beschreibt der Patient seinen beruflichen Werdegang als ,,zum gro�en Teil lustvoll“ (Konzept 31), den er immer wieder gravierend und aufgrund pers�nlicher Entwicklungen und relevanter gesellschaftspolitischer Ver�nderungen konsequent ver�nderte.

Nach einer jahrelanger T�tigkeit als Werbefachmann (1, 2) setzte er sich ,,in den Kopf, ei-nen handwerklichen Beruf zu erlernen“ (Druckerlehre), den er aus finanziellen Gr�nden auf Dauer nicht aus�bte (3 - 6). Nach einem weiterf�hrenden Diplom in einer Werbefachschule (8, 9) machte er Karriere vom Verkaufsleiter bei den Fordwerken �ber eine stellvertretende Wer-beleiterposition bei der Deutschen Krankenversicherung bis hin zum Chef f�r Public Relation in einem Z�richer Konzern in Frankfurt (10 - 15). Diese T�tigkeit beendet er jedoch, als er sie auf dem gesellschaftspolitischen ,68’er-Hintergrund zunehmend problematisierte (16 - 18, 65ff.).

Mit dieser Z�sur startete er im Alter von 46 Jahren einen v�llig neuen Abschnitt in seiner beruflichen Entwicklung, studierte Sozialarbeit (19 - 20) und war anschlie�end als Sozialarbei-ter im psychiatrischen Bereich t�tig. Diese Arbeit machte ihm Spa�, er beendete sie jedoch 1985 aus politischen Gr�nden (K�rzungen im Sozialhaushalt nach einem Regierungswechsel zur CDU) (21 - 26). In konsequenter Weiterentwicklung seiner politischen Interessen wurde er als Umweltsch�tzer bei Greenpeace/WWF t�tig und spezialisierte sich �ber Artenschutz-Rechrchen zum Artenschutzbeauftragten f�r thail�ndische Elefanten, was er als eine ,,lustvolle“ T�tigkeit beschreibt (27 - 30).

Im Rahmen seiner T�tigkeit als Artenschutzbeauftragter bereist er u. a. den Dschungel von Thailand auf dem R�cken von Elefanten - ohne seine Frau, da sich diese dann zu gro�e Sorgen mache (34 – 36). Mit ihr und dem gemeinsamen schneewei�en Hund f�hrt er aber j�hrlich im VW-Bulli durch Europa (38 – 39). Beide Reiseformen machen f�r ihn Lebensqualit�t aus (40).

All sein Handeln, sowohl beruflich als auch privat, versteht er als Ausdruck einer bestimm-ten Lebenssicht: ,,Ich hab halt mein Leben sehr stark gelebt, und von daher habe ich mich halt nicht sehr geschont, auch beruflich nicht“ (32 - 33).

Seine Krankheitsphasen machen ihm dann aber immer wieder ,,einen Strich durch die Rechnung“ (77, 78). Er war in seinem Leben „immer wieder krank“ (74), wobei er die Pausen ,,dann sehr intensiv nutzte“ (75, 76).

Er vergegenw�rtigt die Erinnerungen an seine Reisen in Form eines Tagebuches, das er seit Hitlers Tod als Lebensbegleitung und Zeugnis seines gesamten Lebens in der Zeitgeschichte anlegte (41 - 46). Dieses Tagebuch enth�lt alles, was f�r ihn wichtig war: Notizen �ber seine Gedanken und sein Erleben, Zeitungsausschnitte und Theaterkarten (47 - 50).

Die Beziehung zu seiner 20 Jahre j�ngeren Frau (in 2. Ehe) (68, 69), die er in einer seiner

14

schwierigen Krankheitsphasen 1982 kennenlernte und ,,aus Liebe heiratete“ (70, 71), be-schreibt er als st�tzend (72) und sich wechselseitig erg�nzend (73).

Mit seiner 1. Frau, einer Muslimin, hat er eine gemeinsame Tochter, die er als Erwachsene mit Mediendruck aus Jugoslawien herausgeholt hat (51ff.), da seine Ex-Frau mit der Tochter nach Jugoslawien umsiedelte, um sie dort in eine hier nicht vorhandene Koranschule zu schi-cken (59 - 61). Er trennte sich dann von seiner Frau, die Ehe wurde nach 10 Jahren aufgel�st (63, 64). W�hrend dieser Ehe war der Patient zun�chst zum Islam konvertiert und – im Gleich-klang mit seiner Frau - ebenfalls Moslem geworden, was ihn zu Reisen nach Mekka und Medi-na brachte (55, 56). Seine zunehmende politische Linksorientierung w�hrend der 68-er-Bewegung (65) und sein Kennenlernen ganz anderer Menschen (er kannte fl�chtig RAF-Sympathisanten und Ulrike Meinhof in ihren fr�heren Lebensphasen, 66 - 67) stand zunehmend im Konflikt mit seinem Moslem-Status, den er dann ablegte (62).

Sein intensives Leben wurde von Anfang an von einer langen und schwierigen Krank-heitsgeschichte durchzogen (folgende Informationen sind nicht unmittelbarer Bestandteil seiner subjektiven Theorie, sondern stellen erg�nzende medizinische Akteninformationen dar, deswe-gen im SLT-Modell gestrichelt gerahmt). Schon im Alter von 2 Jahren wurde er asthmakrank (79, 80). Es folgte eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (81). Nach der Entwick-lung eines Hypertonus (Bluthochdruck) und einer chronischen Hepatitis C (82, 83) wird ihm 1982 aufgrund einer Nierenkörperchenerkrankung eine Niere entfernt (84, 85). 1986 folgt eine Nasen-Scheidewand-Op mit Nachblutung (86, 87) und 1995 die Prostata-Entfernung aufgrund eines Carcinoms in situ (Geschwulst; 88, 89). 1996 entwickelt sich eine koronare Herzerkrankung bei Zustand nach Herzinfarkt (90, 91), und der Patient gerät in eine diabeto-gene Stoffwechsellage (Blutzucker, 92). Seine Krankengeschichte gipfelt im Februar 2000 in der Diagnose Pankreaskopfcarcinom (Bauchspeicheldrüsengeschwulst) mit Komplikationen (93 - 98), woraufhin er nach zweiwöchiger Bettlägerigkeit mit schweren Symptomen (Fieber, Schmerzanfällen, Bluthusten, Oberbauchgürtelschmerzen, Blähungen und Obstipation, 99 -105) auf die Mildred-Scheel-Palliativ-Station eingewiesen (106) wird.

Er ist zwar gl�cklich, dieses Haus (Dr. Mildred Scheel Haus) gefunden zu haben (107), hat aber auf der anderen Seite auch das Krankenhaussein satt (108): Es war zu lange, zu viel und zu oft (109).

Das Mildred-Scheel-Haus tr�gt nun u. a. zu einer Milderung seiner Schmerzen bei, die auch zu einer Einschr�nkung seiner Lebensqualit�t beigetragen haben (110 – 112). Wenn dies gelingt und andererseits seine Reisen nicht mehr m�glich sind (112, 113), verfolgt der Patient nun die Absicht, den n�chsten Fr�hling zu erreichen (114) und mithilfe seiner Frau sein Tage-buch zu einem buch�hnlichem Gesamtpapier zu bringen (115), als stellvertretende Reaktivie-rung seiner Reisen – gewisserma�en als ,Ersatz-Lebensqualit�t’.

Als schlimm – wenn auch abgefedert durch das Gl�ck mit seiner Frau - bezeichnet der Pa-tient die Tatsache, dass jemand wie er, der sein Leben sehr gelebt hat, irgendwann doch einse-hen muss, dass die Kr�fte nicht zuwachsen, sondern abnehmen (116 - 122): „Alles hat einmal ein Ende, auch das Leben eines alten Mannes“ (123 - 125).

15

Werbefachmann

Beendigung

Lehre (Druck)

zu problematisch

Studium derSozialarbeit

1976(im Alter von 46)

,68'er-Hintergrund

als Sozialarbeiter inPsychiatrie

Artenschutz-Beauftragter fürthailändische Elefanten

Kürzungen imSozialhaushalt infolge

Regierungswechsel zurCDU

Beenden

Vor.

Vor.

Beendigung finanziell nichtbesonders ertragreich

Vor.Vor.

+

+

+

+

+

+

+

Qual.

jahrelangQual.

in den Kopf gesetzt,handwerklichen Beruf zu

erlernenVor.

Werbefachmann Werbefach-schule Diplom

Fordwerke Verkaufsleiter

DeutscheKrankenver-

sicherung (DKV)stellvertretender

Werbeleiter

Züricher Konzernin Frankfurt

Chef für PublicRelation und

Werbung

+

+

+

+

+

hat zunächst SpaßgemachtQual.

politische Gründe

1985

Qual.

Umweltschützerbei Greenpeace/

WWF

Artenschutz-recherchen lustvollQual.+

+

Qual.

1

10

987

65

43

2

11

1514

1312

16 17 18

19 20

21 22

23 24 25

26

27 28 29

30

Manif.

Abb. 2: SLT-Modell Pat. A.

16

mind. 1x pro Jahr:alleine (ohne zweite

Ehefrau) nachT hailand/Indien usw.

auf Elefanten durchD schungel

1x pro Jahr: mitzweiter Ehefrau und

schneeweiß e mH und

lustvolleLebens-qualität

Qual.

weniger R ücksichtauf Sorge meiner

F rau um mich

mit V W -Bulli durchEuropa

Qual.+

+

+

+

R eisen

habe mein Lebensehr stark gelebt

mich nicht sehrgeschont

Vor.M anif.

zum groß en T eillustvoll

Manif. Manif.

32

33

34

35

31

36

37

38

39

40

Qual.

Abb. 2 (Fortsetzung)

17

meine 1. Frau Muslemin

gemeinsame Tochter

ich

wollte Tochter inKoranschule schicken

mit Tochter nachJugoslawien

habe meineerwachsene Tochter

später aus Jugos-lawien 'rausgeholt

Ehe nach 10 Jahrenaufgelöstmit Mediendruck

politischeLinksorientierung kannte Ulrike Meinhof

Ablegen meinesMoslem-Status Trennung von Frau

Erinnerungen

fast so lebendigwie Gegenwart

Vergegen-wärtigungder Reisen

als Lebens-begleitung

als Zeugnismeines Lebens in

derZeitgeschichte

Notizen übermeine Gedankenund mein Erleben

Zeitungs-ausschnitte

Theaterkarten

Kennenlern der RAF-Sympathisanten über

Kindergarten

Qual.

auch Moslem gewordenQual.

+keine Koranschule in

Deutschland+

+

Qual.

Abs.

Qual.

Qual.

++

+

+

+

alles, was fürmich wichtig war

+

Tagebuchmeines

Gesamt-lebens

seitHitlers Tod

Qual.

Qual.

Reise nachMekka und

Medina

+

41

42

43

44 45

46

47

48

49

50

51 52

53

54 5556

57

58

59

60

61

62 63

64

65 66 67

+

Abb. 2 (Fortsetzung)

18

ca. 20 Jahre jünger alsich

Stütze

Liebe

kennengelernt nachNephrektomie

nutze ich dannsehr intensiv

machen einenStrich durch die

Rechnung

Krankheits-phasen

Qual.

ich war immer wieder krank

Pausen

Qual. Qual.

meine 2. Frau

wir ergänzen uns gut

+ +

68

69

70

71

72

73

74

75

76

77

78

Abb. 2 (Fortsetzung)

19

KHK bei Zustand nachHerzinfarkt

Nasen-Scheidewandmit Nachblutung 1986

Prostataektomieaufgrund

Prostatacarcinomin situ

1995

1996

diabetogeneStoffwechsellage

Pankreaskopfcarcinom Feb. 2000

LymphangiosisCarcinomatosa GII

histologischer Befund:AdenocarcinomWhipple-Op mit

V-Roux-Anastomosemit intestestinaler

Schienung

postoperativePankreasfistel,Anastomosen-

Insuffizienz

Asthma

COPD (insb. stress-und umweltbedingt)

arterielle Hypertonie

chronische Hepatitis-C

Nephrektomie aufgrundeines Hypernephron 1982

seit 2. Lebensjahr

Qual.

Qual.

Qual.

Qual.

Qual.

Qual.

aus derAkte

79 80

81

82

83

84 85

86 87

8889

90 91

92

93 94

95

96

97

98

Abb. 2 (Fortsetzung)

20

Reisen nicht mehr

2 Wochen bettlägerig

Fieber

Schmerzanfällen

Bluthusten

Oberbauchschmerzengürtelförmig

Blähungen

Obstipation

Vor.

Einweisung aufMildred-Scheel-Palliativ

Schmerzenmildern

Tagebuch zu Papierbringen (mithilfe meiner

Frau)

+ +

+

+

bin dasKrankenhaus-

sein satt

glücklich, dasHaus gefunden

zu habenQual.

zu lange, zu vielund zu oft

Vor.

Abs.

nächsten Frühlingerreichen

Konzentration aufSchmerzen

Einschränkung derLebensqualität

+

99

100

101

102

103

104

105

106 107

108

109

110

111

112

113

114

115

Abb. 2 (Fortsetzung)

21

sein Leben sehr gelebt

jemand (z. B. ich)

schlimm

wachsen nicht zu,sondern nehmen ab

irgendwann docheinsehen

alles

wilde Leben eines altenMannes

hat einmal ein Ende

Kräfte +

Qual.

Beisp.

+

Qual.

Glück mit meiner Frau

+

+

+

116

117

118

119 120

121 122

123 124

125

22

Die dargestellte und die weiteren Kasuistiken (N = 34) verdeutlichen weitgehend die Einbet-tung des subjektiven Lebensqualitätsverständnisses des einzelnen Patienten in den Kontext seiner individuellen, autobiographisch gewachsenen Lebensthemen. Letztere bilden gewis-serma�en die Hintergrundsfolie, die ,subjektive Me�latte’, vor der die Wertigkeit des eigenen Lebens als ,gelungen’ oder ,nicht gelungen’ bemi�t bzw. es als koh�rent oder inkoh�rent erlebt wird. Die thematische Kenntnis dieser ,subjektiven Me�latte’ scheint ein entscheidender Bau-stein daf�r zu sein, ein patientenorientiertes Verst�ndnis seiner Sichtweise von Lebensqualit�t und der krankheitsbedingten �nderungen zu gewinnen. Dies schlie�t nicht aus, da� bei schwerstkranken Patienten in schwierigen, schmerzhaften Momenten m�glicherweise nur noch das Ertragen der aktuellen Lage von Bedeutung ist (s. unten) und kleinste Erleichterungen schon unendlich viel bedeuten k�nnen. Die Verankerung von subjektiv empfundener Lebens-qualit�t auf dem Hintergrund der eigenen, autobiographisch gewachsenen Lebensthemen und –wertigkeiten ist relativ zu verstehen.

2.1 Rekonstruktion auf überindividueller Ebene: Modalstrukturen (Gruppen-und Subgruppen-SLT-Modelle) der Palliativpatienten

Nach dem Aufweis der individuellen Rekonstruierbarkeit subjektiver Lebensqualit�ts- und Selbsttheorien von 34 Palliativpatienten stellt sich anschlie�end die Frage der �berindividuellen Verallgemeinerbarkeit. Die methodischen M�glichkeiten, Einzelfall-Modelle im Kontext der Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT) zu �berindividuellen Modalstrukturen auf Grup-penniveau zu aggregieren, sind andernorts schon gezeigt worden (vgl. Scheele, Groeben & St�ssel 1991; St�ssel & Scheele 1992; Schreier 1997; Oldenb�rger 1998, 2000, 2002; Obliers, Bitter, Kaerger, Bischofs & K�hle 1998; Obliers 2001). Die �berindividuelle Aggregierung erfordert drei Zwischenarbeitsschritte, ehe im letzten Schritt das Modal-SLT-Modell auf Gruppenniveau entsteht (vgl. Abb. 3).

23

Abb. 3: �berindividuelle Aggregierung der Individual-SLT-Modelle zu einem Gruppen-SLT-Modell �ber 3 Zwischenarbeitsschritte (Erl. s. folgender Text)

2.2.1 Entwicklung des inhaltsanalytischen Kategoriensystems LQ-PP zur Kodierung der individuellen Inhaltskonzepte

Zun�chst m�ssen in den 34 individuellen SLT-Modellen (vgl. Abb. und ) alle Inhaltskonzep-te (unter vorl�ufiger Vernachl�ssigung ihrer Relationen untereinander) in �berindividuelle In-haltskategorien �berf�hrt werden. Dies erfordert die Entwicklung eines inhaltsanalytischen Kategoriensystems (1. Zwischenarbeitsschritt, vgl. Abb.1 ), das alle Inhaltskonzepte der Ein-zelfall-SLT-Modelle zu kategorisieren in der Lage ist (zu den einzelnen inhaltsanalytischen Arbeitsschritten vgl. Rustemeyer, 1992).

Das hier, am Datenmaterial der Patienten entwickelte Inhaltskategoriensystem LQ-PP (Le-bensqualit�t bei PalliativpatientInnen) enth�lt drei thematische Hauptachsen (vgl. Abb. 4):

1. Lebensr�ckschau – nicht-krankheitsbezogen (R), 2. Lebensr�ckschau – krankheitsbezogen (KR), 3. Lebensgegenwart/Zukunft (GZ).

Individual-SLT-Modelle

Modal-SLT-Modell auf Gruppenniveau

1 2 3 4 5 76 ... 34

1. Codierung aller Inhaltskonzepte der

Individual-SLT-Modelle:Inhaltsanalytisches Kategoriensysten

2. Codierung allerRelationen der

Individual-SLT-Modelle:Relationskürzel

3. Tabellierung aller codierten

Inhalte und Relationen der

Individual-SLT-Modelle als

trinäre Kategorien-Relations-Kombinationen (KRK)

Zwischenarbeitsschritte:

24

Abb. 4: Drei thematische Hauptachsen des inhaltsanalytischen Kategoriensystems

Diese drei Hauptachsen enthalten diverse Unterkategorien. Das folgende Beispiel zeigt –ausschnitthaft - die Definitionen der ersten Hauptkategorie mit zwei ihrer Unterkategorien:

1. LEBENSRÜCKSCHAU: NICHT KRANKHEITS-BEZOGENE LEBENSANTEILEKodiert werden hierunter alle Inhaltskonzepte, die biographische Aspekte des eigenen Le-bens (au�er der eigenen Krankheitsentwicklung) thematisieren. In Abgrenzung zur Haupt-kategorie ,3. Lebensgegenwart/Zukunft’ werden hier deutlich vergangenheitsorientierte Konzepte kodiert: Der Patient blickt auf sein Leben zur�ck und berichtet von diesem. Al-lerdings kann dieser Lebensr�ckblick bis in die Gegenwart hineinreichen.

1.1 Lebensumstände (Lebensumst. - R)Konzepte, die die Lebensumwelt des Patienten thematisieren, wie er sie weitgehend vorge-funden hat (situative Kontexte, Wohnverh�ltnisse, berufliche und finanzielle Kontexte, ge-samtgesellschaftliche Hintergr�nde, �ffentliche Einflussfaktoren etc.). (Sofern es sich um personale Aspekte (auch nicht explizit genannte Personen) handelt, werden sie in Kat. 1.2 kodiert.).Beispiel: Patient A.: Ko 18 (,68er Hintergrund’), K 24 (,politische Gr�nde’),

K 25 (,K�rzungen im Sozialhaushalt infolge Regierungswechsel zurCDU’), K 60 (,keine Koranschule in Deutschland’),

1.2 Bezugspersonen/soziales Netz (Bezugspers.- R)Konzepte, die andere Personen, relevante Bezugspersonen, Gruppen, soziale Netze und Lebewesen des sozialen Kontextes aus der Vergangenheit des Patienten thematisieren (z. B. Eltern, Geschwister, Ehepartner/-in, Freunde, n�heres Umfeld, Haustiere usw.).

Beispiel: Patient A.: K 51 (,meine 1. Frau’), K 53 (,gemeinsame Tochter’)

usw.

Das gesamte inhaltsanalytische Kategoriensystem LQ-PP mit allen Unterkategorien (ohne Ka-tegorien-Definitionen) zeigt Abb. 5.

1. LEBENSRÜCKSCHAU:NICHT-KRANKHEITSBEZOGEN (R)

2. LEBENSRÜCKSCHAU:KRANKHEITSERFAHRUNGEN (KR)

3. LEBENSGEGENWART/ZUKUNFT (GZ)

25

3.10 Alltagsbew.-G

3.7 Med. Sett.-G

3.5 Diag.-G

3.8 Selbstwahrnehmung Krankheit-G

3.9 Verhalten-G

1. LEBENSRÜCKSCHAU: NICHT-KRANKHEITSBEZOGEN (R)1.1 Lebensumstände-R

1.2 Bezugspersonen-R

1.3 Interpersonelles-R

1.4 Lebensgestaltung-R

1.5 Selbstwahrnehmung-R

1.6. Lebensfazit-R

2. LEBENSRÜCKSCHAU:KRANKHEITSBEZOGEN (KR)

2.1 Bezugspersonen-KR

2.2 Interpersonelles-KR

2.3 andere Personen-KR

2.4 Symptome-KR

2.5 Diagnosen.-KR

2.6 Med. Maßnahmen-KR

2.7 Med. Setting-KR

2.8 Selbstwahrnehmung Krankheit-KR

2.9 Verhalten-KR

2.10 Alltagsbewältigung-KR

2.8.1 Selbstwerterleben-KR

2.8.2 Körpererleben-KR

2.8.3Krankheitsvorstellung-KR

2.8.4 Kontrollverlust-KR2.8.4 Kontrollverlust-KR2.8.4b Autonomie-KR

2.8.5 Immobilität/Mobilität.-KR

2.8.5a Immobilität-G2.8.5.b Mobilität-KR

2.8.6 Funktionsprozesse-KR2.8.6a Funktionsprozesse: Verlust - KR2.8.6b Funktionsprozesse: Gewinn - KR

2.8.7 Erschöpfung/Kraft-KR2.8.7a Erschöpfung-KR2.8.7b Kraft-KR

2.8.8 Bedrohung/Sicherheit-KR

2.8.8a Bedrohung-KR2.8.8b Sicherheit-KR

2.8.9 Vereinsamung/Verbundenheit-KR

2.8.9a Vereinsamung-KR2.8.9b Verbundenheit-KR

2.8.10 Überflutung-KR

2.8.11 Tod und Sterben-KR

2.8.12 Spiritualität, Religiosität, Transzendenz-KR

2.8.13 Zukunftsperspektiven-KR

2.8.13a Perspektivlosigkeit-KR

2.8.13b Zukunftsperspektiven-KR

3.8.1 Selbsterleben-G

3.8.2 Körpererleben-G

3.8.3 Krankheitsvorstellung-G

3.8.4a Kontrollverlust-G

3.8.4b Autonomie-G

3.8.5 Immobilität/Mobilität-G

3.8.5a Immobilität-G3.8.5b Mobilität-G

3.8.6 Funktionprozesse-G

3.8.6a Funktionsprozesse: Verlust-G3.8.6b Funktionprozesse:. Gewinn-G

3.8.7 Erschöpfung/Kraft-G3.8.7a Erschöpfung-G3.8.7b Kraft-G

3.8.8 Bedrohung/Sicherheit-G

3.8.8a Bedrohung-G

3.8.8b Sicherheit-G

3.8.9 Vereinsamung/Verbundenheit-G

3.8.9a Vereinsamung-G3.8.9b Verbundenheit-G

3.8.10 Überflutung-G

3.8.11 Tod und Sterben-G

3.8.12 Spiritualität, Religiösität, Transzendenz-G

3.8.13 Zukunftsperspektiven-G

3.8.13a Perspektivlosigkeit-G

3.8.13b Zukunftsperspektiv.-G

3.1 unabh. Lebensumst.-G

3.2 Bezugspersonen-G

4. Zeit

5. FBS

+

-

3. LEBENSGEGENWART/ZUKUNFT (GZ)

3.3 Interpers.-G

3.4 Sympt.-G

3.6 Med. Maßn.-G3.8.4 Kontrollverlust/Autonomie-G

Abb. 5: Thematische Architektur des inhaltsanalytischen Kategoriensystem LQ-PP (Haupt- und Unterkategorien)

26

Die Trennung von nicht-krankheitsbezogenen (1. Hauptachse) und krankheitsbezogenen (2. Hauptachse) Lebensanteilen in der Lebensr�ckschau l�sst sich in der Lebensgegenwart und evtl. Zukunft nicht durchhalten: die gegenw�rtige Lage aller begleiteten Palliativpatienten im Dr. Mildred Scheel Haus ist durchweg von der Krankheit gepr�gt. Von daher enth�lt das Ka-tegoriensystem nur eine dritte – und nicht eine vierte – Hauptachse.

Einige Unterkategorien (Bezugspersonen, Interpersonelles ...) finden sich auf allen 3 Hauptachsen. Die beiden krankheitsbezogenen Hauptachsen in der Lebensr�ckschau (Achse 2) und der Lebensgegenwart und Zukunft (Achse 3) sind – bis auf die Unterkategorie 3.1. – v�llig symmetrisch aufgebaut, insbesondere auch die jeweilige, hoch differenzierte Unterkategorie ,Selbstwahrnehmung im Zusammenhang mit der Krankheit’ (2.8 und 3.8). Dies l�sst sp�tere Vergleiche zwischen der vergangenheitsorientierten und gegenw�rtigen/zuk�nftigen Krank-heitswahrnehmung im subjektiven Erleben der Patienten zu.

Mit Hilfe dieses Kategoriensystem wurden alle rund 4000 Inhaltskonzepte der 34 Einzel-fall-SLT-Modelle kategorisiert. Abb. 6 gibt ein Beispiel.

27

Abb. 6: Inhaltskodierung: Kodierung individueller Konzepte (lila Hintergrund) zu überindiv-duellen Kategorien (rot und blau)

Die bisherige Konzentrierung auf die zu kategorisierenden Inhaltskonzepte der Einzelfall-SLT-Modelle hat die Relationen zwischen ihnen zunächst vernachlässigt. Dies ist im nächsten Ar-beitsschritt nachzuholen (vgl. Abb. ....s.o.).

+

Qual.

Beisp.

+

Qual.

+

+

116

117

118

119 120

121 122

123 124

125

sein Leben sehr gelebt

jemand (z.B. ich)

schlimm

wachsen nicht zu,sondern nehmen ab

irgendwann docheinsehen

alles

wilde Leben einesalten Mannes

hat einmal einEnde

Kräfte

Glück mitmeiner Frau

1.6. Lebensfaz.-R

+

3.8.7a Erschöpfung-G-

+ 3.8.7a Erschöpfung-G

-

1.6. Lebensfaz.-R+

3.8.11 Tod und Sterben-G3.8.11 Tod und Sterben-G-

+

1.6. Lebensfaz.-R

KG 10

KG 11

1.6. Lebensfaz.-R

3.8.7a Erschöpfung-G

5. FBS

(individuelle)Konzepte

(überindividuelle)Kategorien

1.6. Lebensfaz.-R

28

2.2.2 Relationen zwischen den individuellen SLT-Konzepten

In einem zweiten Teilschritt (vgl. Abb. 3, S. 3) sind die (zuvor vernachl�ssigten) Relationen zwischen den (nun kategorisierten) Inhaltskonzepten der Einzelfall-SLT-Modelle f�r die �ber-individuelle Aggregierung vorzubereiten. Da die Relationen, im Gegensatz zu den Inhaltskon-zepten, in der Heidelberger Struktur-Lege-Technik definiert und somit bereits �berindividuell vergleichbar sind, bed�rfen sie keiner weiteren Kategorisierung und erhalten – f�r die weiteren Arbeitsschritte – lediglich jeweils ein K�rzel: R1, R2, ... (von R1: ,ist gleich, identisch’ �ber R11: ,(logische) Voraussetzung’ bis zu R 33: ,differentielle Wirkung’) (vgl. Abb. 7).

Abb. 7: Definition und K�rzel-Codierung der SLT-Relationen (Ausschnitt)

Die K�rzelkodierung der SLT-Relationen in den Einzelfall-SLT-Modellen zeigt beispielhaft Abb. 8.

identisch

nicht identisch

Unterkategorie

R 1:

R 2:

R 3:

R 4:

. . .

neben- unduntereinander-

stehende Konzepteund

+R 33:

K3K1

29

Abb. 8: Relationskodierung: Kodierung der verschiedenen Relationen (zwischen den inhaltli-chen Konzepten samt ihrer Kategorisierungen) durch Relationskürzel ( ).

+

Qual.

Beisp.

+

Qual.

+

+

116

117

118

119 120

121 122

123 124

125

sein Leben sehrgelebt

jemand (z.B. ich)

schlimm

wachsen nicht zu,sondern nehmen ab

irgendwann docheinsehen

alles

wilde Leben einesalten Mannes

hat einmal ein Ende

Kräfte

Glück mit meiner Frau

1.6. Lebensfaz.-R

+

3.8.7a Erschöpfung--

+ 3.8.7a Erschöpfung-

-

1.6. Lebensfaz.-+

3.8.11 Tod und Sterben-G3.8.11 Tod und Sterben-G-

+

1.6. Lebensfaz.-

KG 10

KG 11

1.6. Lebensfaz.-

3.8.7a Erschöpfung-

5. FBS

R 21

R 22

R15

R 3

R 8R 7

R 16

Relationen

R 8

1.6. Lebensfaz.-R

R 21, R 22 ...

30

2.2.3 Trinäre Kategorien-Relations-Kombinationen (KRK)

In einem dritten Arbeitsschritt (vgl. Abb. 3, S. 3) werden alle, in den Einzelfall-SLT-Modellen vorfind-baren trin�ren Konzept-Relations-Kombinationen aufgelistet, d. h. alle Kombinationen aus jeweils zwei Konzepten (allerdings nun in kategorial kodierter Form und als K�rzel aus dem ersten Arbeitsschritt, vgl. Kap. 2.2.1) mit der sie verbindenden Relation (als K�rzel aus dem zweiten Arbeitsschritt, vgl. Kap. 2.2.2). Die Notationsweise dieser trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen erfolgt entsprechend als K�rzel kodiert: Beispielsweise erh�lt die Kombination aus einem Konzept (‚habe mein Leben sehr stark gelebt‘; vgl. Abb. 9, Konzept 32), das der Kategorie K1.6 (‚Lebensfazit-R’) zugeordnet wird und �ber das Relationszeichen R 11 (‚Voraussetzung‘) verbunden ist mit einem zweiten Konzept (‚mich nicht sehr geschont‘; vgl. Abb. 7, Konzept 33), zugeordnet der Kategorie K1.6 (‚Lebensfazit-R’), die Kodie-rung ‚K1.6 R11 K1.6‘.

31

Abb. 9: Trinäre Kategorien-Relations-Kategorien-Kombinationen (2 kategorisierte Konzepte, die durch eine Relation verbunden sind) werden zu Kurzformalismen komprimiert (ge-strichelte Pfeile)

habe mein Leben sehr

mich nicht sehr

.

.

32

33

1.6. Lebensfazit-

trinäre Kategorien-Relations- Kategorien-

Kombinationen

R 11stark gelebt

geschont

Vor.Manif

Manif

Manif.

1.6. Lebensfazit-

KG 2RelationKategorie

Kategorie

1.6. Lebensfazit-R

1.6. Lebensfazit-R

1.6 1.6

„Ich habe halt mein Leben sehr stark gelebt und von daher habe ich mich halt nicht sehr geschont, auch beruflich nicht.“

R 11

R 11

32

Alle so kodierten trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen werden aufgelistet und hin-sichtlich ihrer Auftretensh�ufigkeit pro Person (bzw. ihres Einzelfall-SLT-Modells) gez�hlt (vgl. Tab.1, S. 12). (((Dieser Aufstellung unterliegt ein ‚strenges �quivalenzkriterium‘ (vgl. Schreier, 1997, S. 54f.): Nur die Konzept-Relations-Kombinationen aus den verschiedenen SLT-Modellen gelten als ‚gleich‘, deren Konzepte im Vor- und Nachbereich derselben inhalts-analytischen Kategorie zugeh�rig und durch dieselbe Relation verbunden sind. Position und Gewichtung der Konzepte in den Einzelfall-SLT-Modellen (bis ... Konzepte) werden hier aus Komplexit�tsgr�nden vernachl�ssigt (vgl. die Diskussion bei Scheele & Groeben, 1988, S. 62; St�ssel & Scheele, 1992, S. 384; Schreier, 1997, S. 55 u. 62f.).)))

Tab. 1: Absolute, relative und durchschnittliche H�ufigkeiten sowie Rangfolge der trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen (KRK) bei 34 Palliativpatienten (Auszug)

Die letzte Zeile in Tab. 1 gibt die Gesamtzahl der pro Person vorkommenden trin�ren Katego-rien-Relations-Kombinationen wieder und spiegelt somit in etwa die Gr��e des jeweiligen Ein-zelfall-SLT-Modells wider. Damit einzelne Patienten mit einer h�heren Gesamtzahl nicht ein-zelne Kategorien-Relations-Kombinationen (KRK) bei den weiteren interindividuellen Aggre-gierungsschritten �berproportional belegen, werden die individuellen H�ufigkeiten (Zellenein-tr�ge in Standardschrift) pro KRK einer jeden Person an ihrer jeweiligen KRK-Gesamtzahl relativiert (Zelleintr�ge in Kursivschrift).

Diese personspezifisch-relativen H�ufigkeiten der einzelnen Kategorien-Relations-Kombi-nationen werden anschlie�end �ber alle Patienten summiert, gemittelt und in eine Rangfolge gebracht (vgl. die letzten drei rechten Spalten in Tab. ), um die durchschnittliche relative Vor-kommensh�ufigkeit einer jeden Kategorien-Relations-Kombination (KRK) zu erhalten. Die

lfd.Nr.

Trin�re Kategorien-Relations-

Kombinationen

Palliativpatienten (N = 34; absolute/relative Werte)

1 2 ... 3 ... 30 . . . 34 M Ränge1 K1.1 R1 K1.4 -/- -/- ... -/- ... -/-. … 0,12 0,004 2451,52 K1.1 R3 K1.4 -/- -/- ... -/ ... -/- … 1,03 0,03 666,5

... ... ... ... ... ... ... ... ... … … …73 K1.2 R8 K1.2 4/1,86 -/- ... -/- ... 3/4.41 … 28,19 0,83 874 K1.2 R8 K1.3 3/1,40 -/- ... -/- ... 2/2,94 … 18,26 0,54 18... ... ... ... ... ... ... ... ... … … …97 K1.2 R15 K1.3 1/0,47 -/- ... -/- ... 7/10,29 … 15,78 0,46 24... ... ... ... ... ... ... ... ... … … …

1325 K3.6 R3 K3.7 -/- 3/5,66 -/- -/- … 38,61 1,14 31439 K3.7 R4 K3.7 -/- -/- 5/2,79 1/1,47 … 49,37 1,45 11445 K3.7 R8 K3.7 -/- 1/1,89 -/- -/- … 49,30 1,44 2

. . . ... ... ... ... ... ... ... ... … …2588 ... ... ... ... ... ... ... ... ... …

Gesamt 215/100 53/100 ... 179/100 ... 68/100 ...

33

obersten 20% dieser durchschnittlichen KRK-H�ufigkeiten werden in die Rekonstruktion des Gruppen-SLT-Modells aufgenommen (zur Diskussion der Aufnahmekriterien vgl. Schreier, 1997, S. 55f.; St�ssel & Scheele, 1992, S. 372).

4.2.4 Rekonstruktion des aggregierten Gruppen-SLT-Modells

In diesem letzten Arbeitsschritt l�sst sich nun durch eine (R�ck-)�bersetzung der selegierten (20%) Kategorien-Relations-Kombinationen (KRK) aus der Listen-/Tabellenform (Tab. 1) in eine Strukturform letztendlich das gesuchte, interindividuell-aggregierte Gruppen-SLT-Modell erstellen. In einem 1. Teilschritt wird z. B. die trin�re KRK ,K1.2 R8 K1.2’ (als K�rzelforma-lismus aus der Tab. 1, lfd. Nr. 74, Rang 18) in die zugeh�rige Strukturform ‚r�ck’-visualisiert bzw. –strukturiert (vgl. Abb. 10):

Abb. 10: Re-Strukturierung der K�rzelkodierungen der trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen (KRK)

Durch derartige Re-Strukturalsierung/-Vernetzung der trin�ren KRK aus der Tabellenform (vgl. Tab. 1) entsteht sukzessive das gesuchte Gruppen-SLT-Modell. Die bis hierhin erarbeite-te Teilstruktur findet sich in dem gesamten Gruppen-SLT-Modell (vgl. Abb. 11) links oben wieder (K1, K3). Das Gruppen-Modell repr�sentiert letztendlich die ,durchschnittliche’ ,subjektive Welt’ der untersuchten 34 Palliativpatienten in ihren zentralen Sinnzusammenh�n-gen, soweit sie verbalisierbar, intersubjektiv erreichbar und durch dieses Verfahren rekon-struierbar ist.

K 1.2Bezugs-

personen(R)

1

Qual.R 8

K 1.3Interpersonelle

Erfahrungen(R)

3

K1.2 R8 K1.3

(18)

34

1.2Bezugs-

personen(R)

Qual.(8)

R 81 2

1.2Bezugs-

personen(R)

1.4Lebens-

gestaltung(R)

Qual.(7)R 8

71.4

Lebens-gestaltung

(R)

1.6Lebensfazit

(R)

Manif.(12)R 9

5

6

(6)R 15

10

11

+

2.6Med.

Maßnahmen(KR)

2.6Med.

Maßnahmen(KR)

(11)

12

Qual.R 8

2.5Diagnosen

(KR)

(13)

13R15 +

(10)R 4

3.7Med. Setting

(G)

(1)

3.7Med. Setting

(G)

R 4

3.7Med. Setting

(G)

Qual.

(2)

R 8

3.6Med.

Maßnahmen(G)

(3)R 3

3.4Symptome

(G)

(4)R 4

3.2Bezugs-

personen(G)

(5)

3.6Med.

Maßnahmen(G)

(9)

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

(14)

3.4Symptome

(G)

Qual.(18)R 8

1.3InterpersonelleErfahrungen

(R)

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

(19)

Qual.R 82.4

Symptome(KR)

(20)

8

2.6Med.

Maßnahmen(KR)

R 15 +

2.5Diagnosen

(KR)

(21)

14

Qual.R 8

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

(22)

R15+

(23)R 3

(24)R 15

2.4Symptome

(KR)

9

R 4(25)

(26)R15+

1.3InterpersonelleErfahrungen

(R)

3 4

3.2Bezugs-

personen(G)

3.3InterpersonelleErfahrungen

(G)

(15)

3.2Bezugs-

personen(G)

Qual.

(17)

R 8 3.1 krankheits-unabhängige

Lebens-umstände(G)

31

3.8.1Selbsterleben

G)

33(27)Qual.R 8

3.8.10Gefühls-

überflutungG)

(28)Qual.R 8

34

3.1 krankheits-unabhängige

Lebens-umstände (G)

32

(29)

Qual.R 8

R 3 R 3

16

17

18

19

R 3

3021 22

23

2624

29

25

28

(16)

R 3

R 3

27

Lebensgegenwart/ZukunftLebensrückblick

Abb. 11: Modal-SLT-Modell von Palliativpatienten (N = 34) (SLT-Gruppenmodell mit den häufigsten 20% der trinären Kategorien-Relations-Kombinationen)

krankheitsbezogener Lebensrückblick

35

Das Gruppen-SLT-Modell rekonstruiert die subjektiven Welt der Palliativpatienten in ihren zentralen Aspekten. Unter inhaltlichen Gesichtspunkten weisen die drei thematischen Schwer-punkte Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf: einen Lebensr�ckblick (,als die Welt noch in Ordnung war’), einen krankheitsbezogenen Lebensr�ckblick (,als die Krankheit mein Leben trat’) und die Lebensgegenwart/Zukunft.

Im Lebensrückblick (oben links, blauer Bereich), der die nicht-krankheitsbezogenen Le-bensanteile thematisiert, dominieren retrospektive Konzepte zu Bezugspersonen, sozialen Net-zen usw. und den mit/in ihnen gemachten interpersonellen Erfahrungen (Konzepte 1 – 4 mit verschiedenen Relationen). Die Welt der zwischenmenschlichen Ereignisse, Erfahrungen, Nu-ancen wird retrospektiv rekonstruiert, gewichtet, bewertet usw.. (Andere Kategorien, insbe-sondere Lebensumst�nde, soziale Verh�ltnisse ..., werden in den verschiedenen Individual-SLT-Modellen rekonstruiert, erreichen aber nicht die hier f�r die Gesamtgruppe relevante Schwelle der h�ufigsten 20%.)

Dieser dominierende zwischenmenschliche Bereich findet sich auch in der Konzeption der Lebensgegenwart (rechts, roter Bereich: Konzepte 16 – 19). Hier treten allerdings weitere Be-zugspersonen – jetzt aus dem medizinischen Setting (�rzte, Pflegepersonal, Behandlungsum-feld, Beziehungen zum Behandlungsteam usw., Konzepte 21 – 23) – dazu. Diese stellen die ersten 3 Rangpl�tze dar und genie�en konzeptuelle Priorit�t. Sie sind nat�rlich verkn�pft mit medizinischen Ma�nahmen zur Symptombehandlung (Konzepte 24 – 27).

Im krankheitsbezogenen Lebensrückblick (unten links, pinkfarbener Bereich) spielen die personellen Erfahrungen im medizinischen Kontext ,durchschnittlich’ eine geringere Rolle (er-reichen nicht die 20%-Schwelle), daf�r das Wechselspiel zwischen Symptomen, Diagnosen, medizinischen Ma�nahmen, Neu-Diagnosen usw. (Konzepte 8 – 14). In der aktuellen Lebens-sicht hingegen spielen die Diagnosen und ihre Erstellung konzeptuell keine vorrangige Rolle. Der Kampf um das ,Was habe ich denn?’ ist vorbei – jetzt steht ein anderer an ...

Das rückblickende Lebensfazit, das noch lebensgestaltende Elemente thematisiert (Kon-zepte 5 – 7), ist in der Gegenwart einer Konzeption gewichen, bei der sich der Patient – eher passiv – krankheitsunabh�ngigen Lebensumst�nden ausgesetzt sind, die er nicht mehr gestalten kann, die aber ihren Niederschlag im Selbsterleben und in Form von Gef�hls�berflutungen ha-ben (Konzepte 31 – 34). Das eigene Verhalten kann nicht mehr als ein auf eine krankheitsu-nabh�ngige Welt bezogenes Handeln rekonstruiert werden, sondern ist vorrangig krankheitsbe-zogenes Verhalten unter massivem Symptomeinflu� (Konzepte 27 – 30).

Unter psychoonkologischen Gesichtspunkten kommt jetzt auf die nicht-medizinischen (K 16 – 19) und medizinischen (K 21 – 23) Bezugspersonen die schwierige Aufgabe zu, genau dieses Spagat (rote Pfeile) und die damit verbundene Trauer zu st�tzen, konstruktiv zu mildern und verkraftbar zu k�nnen (vgl. blaue Pfeile).

Hinsichtlich der Relationstypen weist die todesbedrohte Lebensgegenwart i. w. statische konzeptuelle Vernetzungen auf: 93% qualifizierende, subordinierende und additivee, nur eine einzige ,bewirkende’ Relation. Hingegen weist der Lebensr�ckblick durchaus zu rund 36% ,bewirkende-dynamische’ Relationen aus, zu 64% eher statische: qualifizierende, manifestie-rende und subordinierende. Variierende Quotienten dieser beiden Relationsklassen werden wir weiter unten bei den verschiedenen Patienten-Subgruppen kennenlernen. Weitere dynamische

36

Relationen (Wechselwirkungen, Bewirkungen, Absichten, Erwartungen) tauchen in der durch-schnittlichen subjektiven Welt der Palliativpatienten �berhaupt nicht mehr auf (zumindest nicht bei den h�ufigsten 20%, die in das Gesamt-SLT-Modell eingegangen sind, wohl allerdings bei einigen Subgruppen und einzelnen Patienten (s. u.)..

In der subjektiven Welt der Palliativpatienten ver�ndern sich somit sowohl die Inhalte wie deren Zusammenh�nge hinsichtlich Lebensr�ckblick und -gegenwart, wenngleich die bezugs-personenorientierten Konzepte gleicherma�en wichtig bleiben bzw. noch wichtiger werden.

4.2.5 Subgruppen-Differenzierungen

Differenziert man diese Gesamtgruppe in verschiedene Subgruppen von Patienten mit unter-schiedlichen Schwerpunktthemen und -problematiken, werden unterschiedliche SLT-Modell-strukturen deutlich. Auch wenn die individuellen SLT-Welten der einzelnen Patienten hoch-unterschiedlich komplex und thematisch nuanciert sind und jeder Patient verschiedene Themen in unterschiedlich-strukturellen Zusammenh�ngen anspricht, lassen sich gleichwohl Schwer-punkte heraussondieren, die verschiedene Patienten zu Subgruppen b�ndeln lassen. Diese Schwerpunkte sind keine Alles-oder-Nichts-Kategorien, sondern strukturierte ,fuzzy’-Themenkomplexe, also �berindividuelle Sinnwelten mit ,unscharfen R�ndern’, die das Gemein-same der subjektiven Welten der hierhin geh�renden Patienten in besonderer Weise nuancie-ren.

4.2.5.1 Patienten-Subgruppe 1: ,Lebensr�ckblick als Ressource’

37

Die erste Subgruppe umfasst Patienten, die auf ihr gelebtes Leben als ein weitgehend bzw. relativ zufrieden stellendes zur�ckblicken k�nnen. Nat�rlich ist auch dieser R�ckblick nicht ungebrochen, es gibt gelungene und misslungene Anteile. Gleichwohl ziehen Patienten dieser Subgruppe ein Lebensfazit, das deutlich besser ausf�llt als bei den anderen Subgruppen, sofern diese �berhaupt ein solches wagen. Dieser positive Lebensfazit-Schwerpunkt hat Folgen auch f�r die anderen Anteile ihrer ,subjektiven Welt’ (vgl. Abb. 12).

Abb. 12: Gruppe 1: ,Lebensr�ckblick als Ressource’ – Patienten, die, in Konfrontation mit dem Tod, auf ihr Leben als ein weitgehend erf�lltes zur�ckblicken und es als innere Ressource gegen die innere und �u�ere Bedrohung in ihrer Vorstellung Revue passie-ren lassen k�nnen (SLT-Gruppenmodell mit den h�ufigsten 20 % der trin�ren Kate-gorien-Relations-Kombinationen; N = 4)

Diese Subguppe, die auf ein weitgehend erf�lltes Leben zur�ckblicken kann, thematisiert dies auch deutlich in ihrem Lebensfazit, das sich in lebensgestaltenden Beschreibungen manifestiert (Konzepte 1 – 2, Rangplatz 1).

1. Lebens-r�ckblick

3. Lebensgegenwart/Zukunft

1.4Lebens-

gestaltung(R)

1.6Lebensfazit

(R)

Manif.(1)R 9

3.7Med. Setting

(G)

3.7Med. Setting

(G)

Qualif.

(4)

R 8 3.6Med.

Maßnahmen(G)

(3)R 3

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

3.2Bezugs-

personen(G)

3.2Bezugs-

personen(G)

Qualif.

(5)

R 85 6

7 8 9

(2)

Qualif.R 8

10

1

2

3.1 krankheits-unabhängige

Lebens-umstände(G)

3.1 krankheits-unabhängige

Lebens-umstände (G)

(7)

Qualif.R 8

3 4

Vor.

( 7)R 3

12R 11

(7)

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

11

2. Lebens-r�ckblick:

krankheits-bezogen –

keiner

38

Ein krankheitsbezogener Lebensrückblick, wenngleich er bei diesen Patienten in ihren indi-viduellen SLT-Modellen zwar thematisiert wird, erh�lt in der �berindividuellen Aggregierung ein deutlich niedrigeres Gewicht und erscheint nicht unter den hier relevanten 20 % h�ufigsten KRK f�r die Subgruppe.

In der Konzeption der Lebensgegenwart (rechts, roter Bereich: Konzepte 3 – 12) werden krankheitsunabh�ngige Lebensumst�nde thematisiert (Konzepte 3 – 4), die aber nicht mit Ge-f�hls�berflutungen usw. beantwortet werden (vgl. im Gegensatz zu Gruppe 3 (,Schmerzen’), Konzepte 10 u. 12, S. ....). Der zwischenmenschliche Bereich, sowohl der nicht-medizinische (Konzepte 5 – 6) als auch der medizinische im Rahmen des medizinischen Setting (�rzte, Pfle-gepersonal, Behandlungsumfeld, Beziehungen zum Behandlungsteam, Ma�nahmen usw., Kon-zepte 7 - 8) r�ckt in den Vordergrund. Medizinische Ma�nahmen (9) subsumieren z. T. Aspek-te des medizinischen Setting (8) wie des eigenen krankheitsbezogenen Verhaltens (12). Der eigene Verhaltensaspekt ist vorrangig krankheitsbezogen (Konzepte 10 – 12).

Symptome und Diagnosen sind (f�r die hier relevanten 20 % h�ufigsten KRK) f�r diese Subgruppe ebenso wenig Thema wie spirituelle Aspekte f�r ein ,Leben nach dem Tod’ (im Gegensatz zur Gruppe 2 (,Tod zu schnell’), Konzepte 19 – 21, S. ).

Insgesamt distribuiert diese Patientengruppe ihre h�ufigsten 20% der trin�ren KRK auf 12 Inhaltskonzepte. Damit �hnelt sie 2 weiteren Subgruppen (3. ,Schmerzen’, 6. ,Nur krank’) und unterscheidet sich deutlich von 3 weiteren Subgruppen (2. ,Tod zu schnell, 4. ,K�mpfer’, 5. ,Entt�uschte’).

Bei den SLT-Relationen, die die verschiedenen inhaltlichen Konzepte in einen Sinnzusam-menhang stellen, f�llt auf, dass alle verwendeten Relationen aus dem eher ,statischen’ Bereich der definitorischen Kl�rung, Qualifizierung, Zueinanderordnung der Bedeutung der Inhaltskon-zepte stammen. 50% der Relationen stellen Qualifizierungen dar, bei denen ein Konzept durch ein weiteres qualifiziert, attributiv erg�nzt usw. wird – hier 4 der 8 Konzepte, 25% Subordinie-rungen, 12,5% Manifestationen und 12,5% Voraussetzungen. Es erscheinen keine ,dynamische’ Relationen zu empirischen Abh�ngigkeiten, Bewirkungen, Folgeerscheinungen. Mit diesem prozentualem H�ufigkeitsprofil liegt diese 1. Patientengruppe, die auf ihr gelebtes Leben als ein weitgehend bzw. relativ zufrieden stellendes zur�ckblicken kann, strukturell �hn-lich wie 2 weitere Subgruppen (3. ,Schmerzen’, 6. ,Nur krank’). – und unterscheiden sich deut-lich von 3 weiteren Subgruppen (2. ,Tod zu schnell’, 4. ,K�mpfer’, 5. ,Entt�uschte’).

Folgerungen für die psychoonkologische Begleitung: Ein psychoonkologische Beglei-tung k�nnte – neben der somatischen Behandlung der Beschwerden, Schmerzen, Symptome usw. - schwerpunktm��ig auf eine W�rdigung des bisher gelebten Lebens abheben und das Lebensfazit des Patienten positiv konnotieren. Offenheit f�r und Interesse an den biographi-schen Erz�hlungen der Patienten spielt hier insofern auch eine herausragende Bedeutung, als im Erz�hlen des positiv Erlebten Ressourcen aktiviert werden k�nnen. Die Erinnerungen sowie der positive Lebensfazit-Schwerpunkt k�nnen als ein Gegengewicht zu dem momentanen Lei-den der Patienten st�tzend wirken und so den Umgang mit der Krankheit erleichtern. Kon-fliktorientierte Interventionen, etwa zur Harmonisierung ungel�ster Konflikte usw. (wie etwa bei Gruppe 2 (,Tod zu schnell’), S. ) sind hier nicht indiziert.

39

Die ,Subjektive Lebensqualit�t’ dieser Patientengruppe d�rfte sich - neben gelungenen medizinischen Ma�nahmen zur Symptomkontrolle – �ber die Revitalisierung des weitgehend gelungenen Lebens in Verbund mit Bezugspersonen definieren.

4.2.5.2 Patienten-Subgruppe 2: ,Tod kommt zu fr�h’

,Jedes vergesellschaftete Leben lebt mit der Ahnung, dass es mit seinen Energien, seiner Zeit, seinem Wollen und seinem W�nschen nicht zu Ende sein wird, wenn die Stunde schl�gt. Das Leben bildet Reste – ein ungeheures, brennendes Noch-Nicht, das mehr Zeit und Zukunft braucht, als dem einzelnen gegeben ist. Das tr�umt �ber sich hinaus und stirbt voller Weigerung.’ Sloterdijk (1983, S. 509)

Ganz anders die Gruppe von Patienten, die vom Tod schneller als erwartet eingeholt und in ihren Lebenszielen und –w�nschen abrupt beschnitten werden (N = 5; vgl. Abb. 13). Ihr Le-bensr�ckblick (blauer Bereich) thematisiert zwar eine Reihe von heterogenen Konzepten zur vergangenen Lebensgestaltung (Rangplatz 1) mit den zugeh�rigen Selbstwahrnehmungen – ein Lebensfazit kann aber nicht gelingen (Konzepte 1 – 4).

Der krankheitsbezogene Lebensr�ckblick (pinkfarbener Bereich) thematisiert vorzugsweise die miterlebten Krankheiten anderer Personen (zumeist nahe stehende relevante Bezugsperso-nen). Die eigene Krankheitsgeschichte bleibt eher im Hintergrund.

In der Konzeption der Lebensgegenwart/Zukunft (rechts, roter Bereich: Konzepte 7 - 22) tritt der zwischenmenschliche Bereich, sowohl der nicht-medizinische als auch der medizini-sche (im Rahmen des medizinischen Setting: �rzte, Pflegepersonal, Behandlungsumfeld, Be-ziehungen zum Behandlungsteam, Ma�nahmen usw.) in den Vordergrund (Konzepte 7 - 11). Im Gegensatz zu anderen Subgruppen (Gr. 1. ,Leben als Ressource’, 4. ,K�mpfer’, 6. ,Nur krank’) werden hier aktuelle Diagnosen, Symptome, Immobilit�ten und der Ausfall psychische Funktionsprozesse deutlich thematisiert (Konzepte 12 – 17). Ebenfalls im Gegensatz zu allen anderen Subgruppen wird das eigene krankheitsbezogene Verhalten deutlich in Verbindung mit Konzeptionen zu Spiritualit�t, Religiosit�t und Transzendenz thematisiert (Konzepte 18 – 21).

Insgesamt distribuiert diese Patientengruppe ihre h�ufigsten 20% der trin�ren KRK auf 22 Inhaltskonzepte. Damit unterscheidet sich deutlich von der bereits genannten und 2 weiteren Subgruppen (1. ,Leben als Ressource’, 3. ,Schmerzen’, 6. ,Nur krank’; s. u.) und �hnelt auf der anderen Seite 2 weiteren Subgruppen (4. ,K�mpfer’, 5. ,Entt�uschte’; s. u.).

Bei den SLT-Relationen, die die verschiedenen inhaltlichen Konzepte in einen Sinnzusam-menhang stellen, f�llt auf, dass – ebenfalls im Gegensatz zu 2 der bereits genannten weiteren Subgruppen (1. ,Lebens als Ressource’, 3. ,Schmerzen’) – immerhin 29% dynamische Relatio-nen (empirische Abh�ngigkeiten, Bewirkungen, Folgeerscheinungen usw.) darstellen. 71% der verwendeten Relationen stammen aus dem eher ,statischen’ Bereich der definitorischen Kl�-rung, Qualifizierung, Zueinanderordnung der Bedeutung der Inhaltskonzepte usw. (29% Sub-ordinierungen, 12% Qualifikationen, 12% Voraussetzungen, 12% Summierungen, 6% Beispie-le). Relativ hohe dynamische Relationen und relativ niedrige Qualifikationen - mit diesem pro-zentualem H�ufigkeitsprofil liegt diese 2. Patientengruppe, bei der der Tod viel zu schnell

40

kommt und Lebensw�nsche/-ziele abrupt beschnitten werden und noch nach Realisierung dr�ngen, strukturell �hnlich wie 2 weitere Subgruppen (4. ,K�mpfer’, 5. ,Entt�uschte’) – und unterscheidet sich deutlich von 3 weiteren Subgruppen (1. ,Leben als Ressource’, 3. ,Schmerzen’, 6. ,Nur krank’).

1.5Selbstwahrneh

mung (R)

Beisp. (13)

R 7

1.4Lebens-

gestaltung(R)

Qualif.

(1)

R 8

7

1.4Lebens-

gestaltung(R)

1

3.7Med. Setting

(G)(16)

3.7Med. Setting

(G)

R 4

3.5Diagnosen (G)(3)

3.2Bezugs-personen

(G)(14)

3.6Med.

Maßnahmen(G)

2.3Krankheiten

andererPersonen KR

2.3Krankheiten

andererPersonen KR

3.8.12Spiritualität,Religiösität,

Transzendenz(G)

3.2Bezugs-

personen(G)

R 3

17

22

(10)

R 3

7(11)R 3

(8)

R15+

3.4Symptome

(G) (17)R 4

3.4Symptome

(G)

R15 +

3.8.5aImmobilität

(G)

(12) R15

+

(7)R 3

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

(2)R 3

3.6Psych.

Funktions-prozesse (G)

3.6Psych.

Funktions-prozesse (G)

(15)

R15+

Qualif.

(4)

R 83.8.12

Spiritualität,Religiösität,

Transzendenz(G)

(5)

R15+

29(6)R 11 27Vor. (9)R 11

Vor.

3.8.12Spiritualität,Religiösität,

Transzendenz(G)

1.4Lebens-

gestaltung(R)

2

3 4

5

6

3.2Bezugs-

personen(G)

7

1615

141312

10 11

98

2019

21

17

22

18

Abb. 13: Gruppe 2: ,Tod zu schnell’ – Patienten, die vom Tod schneller als erwartet eingeholt und in ihren Lebensw�nschen/-zielen abrupt beschnitten werden (SLT-Gruppenmodell mit den h�ufigsten 20% der trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen; N = 5)

Folgerungen für die psychoonkologische Begleitung: Diese Gruppe befindet sich psychisch in einem besonders belastendem Zustand. Eine psychoonkologische Begleitung m�sste – neben der somatischen Behandlung der Beschwerden, Schmerzen, Symptome usw. - schwerpunkt-m��ig den Affekt des Unfassbaren der pl�tzlichen beschnittenen Lebensperspektive, der Trauer

3. Lebensgegenwart/Zukunft1. Lebensrückblick

2. Lebensrückblick: krankheitsbezogen

41

�ber die beraubte eigene Zukunft und die unbefriedigende Lebensbilanzierung des Gewesenen, das zunehmende Ausfallen psychischer Funktionsprozesse und die innere Br�chigkeit aufgrei-fen. Die auf der anderen Seite in den Vordergrund tretende Frage der Spiritualit�t als Frage nach einem Leben „danach“ und die Suche nach St�tze durch gegenw�rtigen Beziehungen (insbesondere auch zu der psychoonkologisch begleitenden Person) haben hohe Relevanz: Sie schaffen eine gewisse Stabilit�t inmitten des Herausgerissenseins aus dem Leben.

Die ,Subjektive Lebensqualit�t’ dieser Patientengruppe d�rfte sich - neben gelungenen medizinischen Ma�nahmen zur Symptomkontrolle – �ber das Gelingen oder Misslingen defi-nieren, den ,Einbruch des Todes’ in die eigene noch projektierende ,subjektive Welt’ – wenn auch nicht versteh- und akzeptierbar, so doch - in begrenztem Ausma� integrierbar zu machen. Der R�ckblick auf ein eher entt�uschendes Leben, die aktuelle �berw�ltigung von Sympto-men, Immobilit�ten und psychischen Ausfallserscheinungen sowie die Hoffnung auf Spirituali-t�t und Transzendenz bed�rfen der massiven psychoonkologisch-personalen Unterst�tzung, die – bei entsprechender Integrationsarbeit – die subjektive Lebensqualit�t f�r diese Patienten am Ende ihres Lebens etwas erh�hen k�nnte.

4.2.5.3 Patienten-Subgruppe 3: ,Schmerz als zentrales Thema’

42

W�hrend die bisherigen zwei Subgruppen sehr wohl ihren nicht-krankheitsbezogenen Lebens-r�ckblick – wenn auch mit unterschiedlichen Affekten und Ergebnissen – als Ganzen oder fragmentiert thematisieren bzw. reflektieren, w�re dies f�r die hier anstehende Gruppe zun�chst ,purer Luxus’ (vgl. Abb. 14).

3.2Bezugs-

personen(G)

(2)

2.6MedizinischeMaßnahmen

KR

2.6MedizinischeMaßnahmen

KR

R 3

3.4Symptome

(G) (1)R 4

3.4Symptome

(G)

1

2

3.2Bezugs-

personen(G)

3 4

93.6

Med.Maßnahmen

(G)(3)R 3

6

Qualif.

(4)

R 8 3.4Symptome

(G)

(8)R 3

5

3.7Medizinisches

Setting (G)

(9)

R 3(7) R15

+

3.1 krankheits-unabhängige

Lebens-umstände(G)

3.8.1Selbsterleben

(G)(5)

Qualif.R 8

10 11

3.8.10 Gefühls-überflutung

(G)

8

7

12(6) Qualif.

R 8

Abb. 14: Gruppe 3 ,Schmerzen/Symptome’ – Patienten, bei denen vorrangig die Schmerzen und Symptome im Vordergrund stehen (SLT-Gruppenmodell mit den h�ufigsten 20% der trin�ren Kategorien Relations-Kombinationen; N = 7)

Er ,f�llt aus’. Ein– krankheitsbezogener - Lebensr�ckblick f�llt klein aus: vorrangig sind dieser Patientengruppe die medizinischen Ma�nahmen aus der eigenen Krankengeschichte pr�sent (Konzepte 1 – 2).

Ansonsten stehen aktuelle k�rperliche Beeintr�chtigungen und Schmerzen massiv im Vor-dergrund und �berlagern andere relevante Themen. Symptome addieren sich (3 – 4, Rangplatz 1) und qualifizieren sich durch weitere Symptome (5). Sie stehen z. T. im Fokus aktueller me-dizinischer Ma�nahmen (6), die dar�ber hinaus Aspekte des medizinischen Setting (�rzte, Pflegepersonal, Behandlungsumfeld, Beziehungen zum Behandlungsteam, Ma�nahmen usw.) (7) als auch nicht-medizinische Bezugspersonen (8) subsumieren. Nicht-medizinische Bezugs-

2. Lebens-rückblick:krankheits-bezogen

3. Lebensgegenwart/Zukunft

43

personen werden allerdings auch au�erhalb der Funktionalisierung durch medizinische Ma�-nahmen wahrgenommen (8 – 9). Aktuelle krankheitsunabh�ngige Lebensumst�nde qualifizieren sich im Selbsterleben und durch Gef�hls�berflutungen (10 – 12) – etwa im Untzerschied zur Gr. 1 (,Leben als Ressosurce’, Konzepte 3 u. 4).

Patienten dieser Subgruppe distribuieren ihre h�ufigsten 20% der KRK auf 12 Inhaltskon-zepte. Sie �hneln damit 2 weiteren Subgruppen (1. ,Lebens als Ressource’, 6. ,Nur krank’) und unterscheiden sich deutlich von 3 weiteren Subgruppen (2. ,Tod zu schnell’, 4. ,K�mpfer’, 5. ,Entt�uschte’).

Bei den SLT-Relationen, die die verschiedenen inhaltlichen Konzepte in einen Sinnzusam-menhang stellen, f�llt auf, dass nahezu alle verwendeten Relationen aus dem ,statischen’ Be-reich der definitorischen Kl�rung, Qualifizierung, Zueinanderordnung der Bedeutung der In-haltskonzepte stammen. 44% der Relationen stellen Subordinierungen in dem Sinne dar, das ein Konzept als Oberbegriff zu einem oder mehreren weiteren verstanden wird, 33% Qualifizie-rungen, 11% Summierungen. Es erscheint nur eine einzige Relationen zu empirischen Abh�n-gigkeiten, Bewirkungen, Folgeerscheinungen (11%). Mit diesem relationalen Profil �hnelt diese Gruppe 2 weiteren Subgruppen (1. ,Lebens als Ressource’, 6. ,Nur krank’) und unterscheidet sich deutlich von 3 weiteren Subgruppen (2. ,Tod zu schnell’, 4. ,K�mpfer’, 5. ,Entt�uschte’).

Folgerungen f�r die psychoonkologische Begleitung: Bei dieser Gruppe ist eine Schmerztherapie prim�r indiziert. Erst dann haben andere Themen eine Chance. Beinhalten die Schmerzen allerdings psychogene Anteile, m�sste dar�ber hinaus ein psychoonkologischer Zugang ,brennende’ Themen, ungel�ste Konflikte usw. thematisier- und ertragbar machen. Ein anschlie�endes geringeres Einfordern von schmerzlindernden Pharmaka durch den Patienten w�re ein Indikator.

Die ,Subjektive Lebensqualit�t’ dieser Patientengruppe d�rfte sich sehr stark �ber die Dominanz bzw. Milderung der Schmerzthematik definieren. Gelingt es, die Schmerzen schmerztherapeutisch bzw. bei psychogenen Anteilen psychotherapeutisch zu mildern, k�nnten andere Themen wieder Raum gewinnen. Die Wiedereroberung der ,ganzen’ ,subjektiven Welt’ durch Milderung der dominanten Schmerzen w�re f�r diese Gruppe eine deutliche lebensquali-t�tssteigernde Chance.

4.2.5.4 Patienten-Subgruppe 4: ,K�mpferInnen’

Die Subguppe der Patienten, die sich vorrangig auf das Kämpfen (i. S. des Besiegens der

44

Krankheit) fokussieren, entwickelt – neben Gr. 5 ,Entt�uschte’ (K 26, s. u.) - als einzige der hier gefundenen Subgruppen Zukunftsperspektiven im Diesseits (Abb. 15, Konzepte 22 u. 23 in hierarchischer Relationsstruktur) (unter den hier relevanten h�ufigsten 20% der trin�ren Ka-tegorien Relations-Kombinationen). Diese Zukunftsperspektiven implizieren medizinische Ma�nahmen (K 23, 24), die wiederum Folgen f�r das medizinische Setting haben (K24, 25ff.). Die vielfachen Konzepte zum medizinischen Setting sind in mehrfacher Weise untereinander vernetzt (K 15 – 18 Lebensr�ckblick, 25 – 27 Gegenwart) und betreffen Wahrnehmungen und Erleben von �rzten, Pflegepersonal, Behandlungsumfeld, Beziehungen zum Behandlungsteam, Ma�nahmen usw..

Das Auftauchen der eigenen Symptome im – krankheitsbezogenen - Lebensrückblick wird recht schnell unter dem Einflu� medizinischen Ma�nahmen gesehen (K 11, 12), wobei die Summierung medizinischen Ma�nahmen im Lebensr�ckblick den Rangplatz 1 annimmt (K 12 u. 13), gefolgt von Bezugspersonen mit den implizierten interpersonellen Erfahrungen im nicht-krankheits-bezogenen Lebensrückblick (K 5, 8) und Qualifikationen des med. Settings in der Lebensgegenwart (K 25, 26).

Interessanterweise verweisen bei dieser Subgruppe weder Symptom- noch med. Ma�nah-men- noch med. Setting-Konzepte auf Diagnosen. Diagnosekonzepte erscheinen weder im Krankheitsr�ckblick noch im Gegenwartserleben (unter den hier relevanten h�ufigsten 20% der trin�ren KRK), obwohl Konzepte der med. Ma�nahmen und des med. Settings eine gro�e Rol-le spielen (K 11 – 18, 24 – 27) und vielf�ltige Anschlu�m�glichkeiten b�ten.

Sowohl Lebensr�ckblick als auch Lebensgegenwart sind stark durch Konzeptionen von Bezugspersonen und damit im Zusammenhang stehenden interpersonellen Erfahrungen thema-tisch strukturiert (K 4 – 6, 7 – 9, 19 – 21). Darunter fallen auch solche, bei denen die Patienten im Lebensr�ckblick Krankheiten stellvertretend wahrgenommen und erlebt haben (K 10). Be-zugspersonen sind auch in den Konzeptionen des Med. Settings impliziert (�rzte, Pflegeperso-nal, Behandlungsumfeld, Beziehungen zum Behandlungsteam usw.), sowohl im R�ckblick (15 – 18) als auch in der Gegenwart (25 – 27).

Insgesamt verteilen sich in dieser Subgruppe die hier relevanten h�ufigsten 20% der trin�ren Kategorien Relations-Kombinationen auf 27 Inhalts-Konzepte mit ihren entsprechenden Rela-tionen, eine deutlich h�here Ausdifferenzierung als bei den meisten anderen Gruppen (Aus-nahme: Gr. 5 ,Entt�uschte’, s. u.) . Ebenfalls im Unterschied zu allen anderen Subgruppen f�llt hier die relativ ausgeglichene Ausdifferenzierung aller 3 Hauptkategorien (1. Lebensr�ckblick, 2. krankheitsbezogener Lebensr�ckblick, 3. Lebensgegenwart und Zukunft) auf. Die ,subjektive Welt’ der K�mpferInnen zeigt somit eine durchaus eigenst�ndige mentale Grundar-chitektur.

45

Abb. 15: Gruppe 4 ,K�mpferInnen’ – Patienten, bei denen vorrangig das K�mpfen zum Besiegen der Krankheit im Vordergrund steht ( SLT-Gruppenmodell mit den h�ufigsten 20% der trin�ren Kategorien Relations-Kombinationen; N = 4)

(7)R 3

12 132.6

MedizinischeMaßnahmen

KR

14

(1)R 4

2.6MedizinischeMaßnahmen

KR(9)

R15+2.4

SymptomeKR

2.6MedizinischeMaßnahmen

KR

2.7Medizinische

SettingKR

(17)

R15+

2.7Medizinische

SettingKR

2.7Medizinische

SettingKR

(17)R 4

Qualif. (20)R 8

2.7Medizinische

SettingKR

1.2Bezugs-

personen(R)

Qualif.

(4)

R 8

7

4

(6)R 3

1.3InterpersonelleErfahrungen

(R)

5

7 8

1.2Bezugs-

personen(R)

(2)R 3

1.2Bezugs-

personen(R)

2.3Krankheiten

andererPersonen KR

(11,5)R 3

(17)

R15+

1.2Bezugs-

personen(R)

3.2Bezugs-

personen(G)

(22)R 3

6

(15)

R 11 1.3InterpersonelleErfahrungen

(R)

Vor.

3.7Med. Setting

(G)

3.7Med. Setting

(G)

25

Qualif. (3)R 8

3.8.13bZukunfts-

perspektiven(G)

3.8.13bZukunfts-

perspektiven(G)

3.2Bezugs-

personen (G)(20)

R15+

1.1Lebens-

umstände(R)

(8)R 3

5.FBS

3.6MedizinischeMaßnahmen

(G)

(20)R15+

(10)

3.7Med. Setting

(G)

R 4

(13)R 3

(5)R 3

3.2Bezugs-

personen (G)

(14)R 3

1.5Selbst-

wahrnehmung(R)

(11,5)R 3

103

2

1

11

2019

9 2321

22

16

24

2617

15

2718

1. Lebensrückblick 3. Lebensgegenwart u. Zukunft

2. Lebensrückblick:krankheitsbezogen

46

Bei den SLT-Relationen, die die verschiedenen Inhalts-Konzepte in einen Sinnzusammen-hang stellen, entfallen 77% der verwendeten Relationen auf den eher ,statischen’ Bereich der definitorischen Kl�rung, Qualifizierung, Zueinanderordnung der Bedeutung der Inhaltskonzep-te. 45% der Relationen stellen Subordinierungen in dem Sinne dar, das ein Konzept als Ober-begriff von einem oder mehreren weiteren verstanden wird. Immerhin stellen 23 % der Relatio-nen ,dynamische’ empirische Abh�ngigkeiten, Bewirkungen, Folgeerscheinungen dar. Mit die-sem prozentualem H�ufigkeitsprofil liegen Patienten dieser 2. Subgruppe (,K�mpfer’) struktu-rell �hnlich wie 2 weitere Subgruppen (2. ,Tod zu schnell’, 5. ,Entt�uschte’) – und unterschei-den sich deutlich von 3 weiteren Subgruppen (1. ,Lebens als Ressource’, 3. ,Schmerzen’, 6. ,Nur krank’),

Folgerungen f�r die psychoonkologische Begleitung:

Die ,Subjektive Lebensqualit�t’ dieser Patientengruppe d�rfte sich. . .

47

4.2.5.5 Patienten-Subgruppe 5: ,Entt�uschte’

Die Patienten-Subgruppe, die ihr Leben r�ckblickend als vorrangig schwierig sieht, entt�uscht und erm�det ist und um ihre Stabilit�t ringt (N = 10), thematisiert ebenfalls alle drei Hauptdi-mensionen wie die vorige Gr. 4 (,K�mpfer’), allerdings nicht gleicherma�en ausgeglichen, und die Gr. 2 (,Tod zu schnell’), aber im deutlichen Unterschied zu den Gruppen 1 (,Leben als Res-source’), 3 (,Schmerzen als zentrales Thema’) und 6 (,Nur krank’).

Im Lebensr�ckblick (Abb. 16: oben links, blauer Bereich), der die nicht-krankheits-bezogenen Lebensanteile thematisiert, dominieren retrospektive Konzepte zu Bezugspersonen, sozialen Netzen usw. und den mit/in ihnen gemachten, h�ufig wenig positiven interpersonellen Erfahrungen (Konzepte 1 – 7 mit verschiedenen Relationen). Die Welt der i. w. problemati-schen zwischenmenschlichen Ereignisse, Erfahrungen, Nuancen wird retrospektiv rekon-struiert, gewichtet, bewertet usw..

Dieser dominierende, weitgehend problematische zwischenmenschliche Bereich findet sich auch in der Konzeption der Lebensgegenwart (rechts, roter Bereich: Konzepte 20 – 21), dazu noch ohne Kompensierung durch Thematisierung (zumindest nicht unter den hier relevanten h�ufigsten 20% der trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen) weiterer Bezugspersonen aus dem Med. Setting (�rzte, Pflegepersonal, Behandlungsumfeld, Beziehungen zum Behand-lungsteam usw.,), wie es etwa die Patienten-Subgruppen 2 (,Tod zu schnell’), 4 (,K�mpfer’) und 6 (,Nur krank’).tun, nicht aber die Gruppen 1 (,Leben als Ressource’) und 3 (,Schmerzen als zentrales Thema’).

Die ersten 7 Rangpl�tze stellen eindeutig trin�re Kategorien-Relations-Kombinationen mit privaten, nicht-medizinischen Bezugspersonen und die mit ihnen gemachten, h�ufig negativen interpersonellen Erfahrungen heraus (K1, 2, 3, 5, 6, 7, 20, 22), mit einer Ausnahme (K21, 24 krankheitsbezogenes Verhalten)

In der Lebensretrospektive erscheinen auch Konzepte zur Lebensgestaltung (zumeist beruf-liche und andere Aspekte, die jetzt nicht mehr m�glich sind) mit zugeh�rigen Selbstwahrneh-mungen (9 - 11), �hnlich den Gruppen 2 (,Tod zu schnell’) und 1 (,Leben als Ressource’), aber im Gegensatz zu den Gruppen 3 (,Schmerzen als zentrales Thema’), 4 (,K�mpfer’) und 6 (,Nur krank’). Die gr��te �hnlichkeit besteht zur Gruppe 2 (,Tod zu schnell). Beide unterscheiden sich zur Gruppe 1 (,Leben als Ressource’) dadurch, dass beiden kein Lebensfazit gelingt, letz-terer aber doch.

Der krankheitsbezogene Lebensr�ckblick thematisiert – zumindest bei den hier relevanten h�ufigsten 20% der trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen – die miterlebten Krankhei-ten anderer Bezugspersonen (K 13), aber auch die erlebten eigenen Symptome, Diagnosen undmed. Ma�nahmen (K 16 – 19) - �brigens hinsichtlich der retrospektiven Thematisierung der eigenen Diagnosen die einzige Subgruppe.

Med. Ma�nahmen (K 27, 28) in der Lebensgegenwart erscheinen von Symptomen und Di-agnosen entkoppelt und involieren deutliche Gef�hls�berflutungen (K 29, 30) (wie z. B. De-pressionen, Gr�beln, Angst, Scham, Zittern, innere Zerrissenheit ... ). Krankheitsbezogenes eigenes Verhalten ((K 23 – 25; Sich-Ablenken, Sprechen als Befreiung, Priorit�ten verschieben ...) basiert teilweise auf Zukunftsperspektiven als Voraussetzung (K 26; Hoffnung, noch 1 Jahr

48

zu leben, bis der Enkel 18 Lj. ist; ,kleine Dinge’ tun, wie selber Bonbons kaufen; die verblei-bende Zeit nutzen ...)

Patienten dieser Subgruppe streuen ihre h�ufigsten 20% der KRK auf 30 Inhaltskonzepte. Mit dieser relativ hohen inhaltlichen Ausdifferenzierung �hneln sie 2 weiteren Subgruppen (2. ,Tod zu schnell’, 4. ,K�mpfer’) und unterscheiden sich deutlich von 3 weiteren Subgruppen . (1. ,Lebens als Ressource’, 6. ,Nur krank’)

Bei den SLT-Relationen, die die verschiedenen Inhalts-Konzepte in einen Sinnzusammen-hang stellen, fallen 73% der verwendeten Relationen auf den ,statischen’ Bereich der definito-rischen Kl�rung, Qualifizierung, Zueinanderordnung der Bedeutung der Inhaltskonzepte usw. (Subordinierungen 31%, Qualifikationen 19%, Summierungen 15%, Voraussetzungen 8%). Immerhin stellen 27 % der Relationen empirische Abh�ngigkeiten, Bewirkungen, Folgeerschei-nungen dar. Mit diesem prozentualem H�ufigkeitsprofil liegen Patienten dieser 5. Subgruppe (,Entt�uschte’) – analog zu der o. g. Inhaltsdistribution - strukturell �hnlich wie 2 weitere Sub-gruppen (2. ,Tod zu schnell’, 4. ,K�mpfer’) – und unterscheiden sich deutlich von 3 weiteren Subgruppen (1. ,Lebens als Ressource’, 3. ,Schmerzen’, 6. ,Nur krank’).

Folgerungen f�r die psychoonkologische Begleitung:- dieser Gruppe geht’s schlecht- Lebensr�ckblick meist negativ- Med. Personal muss kompensieren

Die ,Subjektive Lebensqualit�t’ dieser Patientengruppe d�rfte sich sehr �ber die ,Gesamtentt�uschung’ und dem aktuellen Gelingen kleiner, positiver M�glichkeiten (selber Bonbon kaufen) definieren. . .

49

Abb. 16: Gruppe 5: ,Entt�uschte‘ – Patienten, die ihr Leben r�ckblickend als vorrangig schwierig sehen, entt�uscht und erm�det sind und um ihre Stabilit�t ringen (SLT-Gruppenmodell mit den h�ufigsten 20% der trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen; N = 10)

1. Lebensrückblick

3. Lebensgegen-wart u. Zukunft

Qualif.(5)

R 8

1.2Bezugs-

personen(R)

Qualif.

(1)

R 8

7

1.2Bezugs-

personen(R)

1

(7)

R 3

2

5

1.5Selbstwahr-

nehmung (R)

1.3InterpersonelleErfahrungen

(R)

(3) R15

+

1.2Bezugs-

personen(R)

(6)R 4

1.3InterpersonelleErfahrungen

(R)

2.3Krankheiten

andererPersonen KR

(10) R15+

1.3InterpersonelleErfahrungen

(R)

(19)

R15+

(22)

R 4

1.4Lebens-

gestaltung(R)

Qualif.

(20)

R 810

1.4Lebens-

gestaltung(R)

(24)R 4

1.4Lebens-

gestaltung(R)

1.5Selbstwahr-

nehmung (R)(25)R 3

2.5Diagnosen

(KR)

2.4Symptome

(KR)

(9)R 3

2.4Symptome

(KR)

2.6MedizinischeMaßnahmen

KR

(11)R15

+

(12)R15

+

(21)R 4

3.2Bezugs-

personen(G)

(13)R 3

3.2Bezugs-

personen(G)

2120

3.3InterpersonelleErfahrungen

(G)

(4)

R 3

3.8.10 Gefühls-überflutung

(G)

3.8.10 Gefühls-überflutung

(G)

Qualif.

(8)

R 829

3.6Med.

Maßnahmen(G)

3.6Med.

Maßnahmen(G)

Qualif.

(15,5)

R 827

(23)

R 3

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

233.9

krankheits-bezogenes Ver-

halten (G)

(2)R15+

3.9krankheits-

bezogenes Ver-halten (G)

(15,50)

R 3

3.8.13bZukunfts-

perspektiven(G)

(15,5)R 11

4.Zeit(G)

4.Zeit(G)

(26)R15

+

(15,5)R 3

3

6 7 8

9 11 12

1316 17

18 1914

15

22

28

30 26

25

24

Vor.

(18)

R 11

1.3InterpersonelleErfahrungen

(R)

4

Vor.

2. Lebensrückblick:krankheitsbezogen

50

4.2.5.6 Patienten-Subgruppe 6: ,Nur krank’

Die letzte Subgruppe umfasst Patienten, deren aktuelle Wahrnehmung (in ihrem Subgruppen-SLT-Modell, h�ufigsten 20% der trin�ren KRK) ausschlie�lich von krankheitsbezogenen As-pekten dominiert wird: Sie sind ,nur noch krank’. Wie bei den Schmerzpatienten (‚Gr. 3) ent-f�llt ein nicht-krankheitsbezogener Lebensrückblick komplett (vgl. Abb. 17). Im krankheitsbe-zogenen Lebensr�ckblick werden keine Symptome, Diagnosen usw. thematisiert, sondern nur medizinischen Ma�nahmen, die zu weiteren medizinischen Ma�nahmen gef�hrt haben (K 1, 2). Ebenso werden in der aktuellen Lebensgegenwart medizinischen Ma�nahmen thematisiert (K6), die Aspekte des medizinischen Settings (�rzte, Pflegepersonal, Behandlungsumfeld, Be-ziehungen zum Behandlungsteam, Ma�nahmen usw.) involvieren (K 3), das – mit h�chster Rangpriorit�t (1 uns 2) sich zu weiteren Aspekten des Med. Settings erg�nzt bzw. durch weite-re qualifiziert wird (K 4, 5).

Abb. 17: Gruppe 6: ,Nur krank‘ – Patienten, die ihre Situation und ihr Leben r�ckblickend und gegenw�rtig nur unter Krankheitsperspektiven sehen k�nnen (SLT-Gruppenmodell mit den h�ufigsten 20% der trin�ren Kategorien-Relations-Kombinationen; N = 4)

Aspekte, die andere Subgruppen thematisieren, erscheinen hier �berhaupt nicht mehr: z. B. krankheitsunabh�ngige Lebensumst�nde (Gr. 1 ,Leben als Ressource’, K 3, 4; vgl. S. ; Gr. 3 Schmerzen, K. 10, vgl. S. ), krankheitsunabh�ngige Bezugspersonen und die mit ihnen ge-machten Erfahrungen (Gr 1 Leben als Ressource, K 5, 6; Gr. 2 ,Tod zu schnell’, K 7, 8, vgl. S. ; Gr. 3 ,Schmerzen’, K 8, 9, vgl. S. ; Gr. 4 K�mpfer, K 4 – 9, 19 – 21, vgl. S. ; Gr. 5 Ent-

t�uschte, K. 1 – 7, 20 - 22, vgl. S. ). Verst�ndlicherweise erfolgt auch keine Thematisierung von Lebensgestaltungsaspekten (wie etwa bei Gr. 5 ,Entt�uschte’, K 9 – 11) o. a.

3. Gegenwart

1. Lebensrückblick:nicht krankheitsbezogen:

keiner

2. Lebensrückblick:krankheitsbezogen

3.6Med.

Ma�nahmen(G)

2.6MedizinischeMa�nahmen

KR

2.6MedizinischeMa�nahmen

KR

3.7Med. Setting

(G) (1)R 4

3.7Med. Setting

(G)

1 2

3 4

6

Qualif.

(2)

R 8 3.7Med. Setting

(G)

(4)R 3

5

(3)

R15+

51

Patienten dieser Subgruppe distribuieren ihre h�ufigsten 20% der KRK auf nur 6 Inhalts-konzepte. Mit dieser relativ h�chsten inhaltlichen B�ndelung �hneln sie 2 weiteren Subgruppen (1. ,Lebens als Ressource’, 6. ,Nur krank’) und unterscheiden sich deutlich von 3 weiteren Subgruppen (2. ,Tod zu schnell’, 4. ,K�mpfer’, 5. ,Entt�uschte’).

Bei den wenigen SLT-Relationen, die die verschiedenen inhaltlichen Konzepte in einen Sinnzusammenhang stellen, fallen 3 der 4 (entspr�che 75%) der Relationen auf den ,statischen’ Bereich (hier: Qualifizierungen, Zueinanderordnung der Bedeutung der Inhaltskonzepte und Subordinierungen). Nur eine Relationen (entspr�che 25%) betrifft ,dynamische’ Abh�ngigkei-ten, Bewirkungen, Folgeerscheinungen. Mit diesem relationalen Profil �hnelt diese Gruppe 2 weiteren Subgruppen (1. ,Lebens als Ressource’, 6. ,Nur krank’) und unterscheidet sich deut-lich von 3 weiteren Subgruppen (2. ,Tod zu schnell’, 4. ,K�mpfer’, 5. ,Entt�uschte’).

Folgerungen f�r die psychoonkologische Begleitung:

Die ,Subjektive Lebensqualit�t’ dieser Patientengruppe d�rfte sich stark �ber die Domi-nanz bzw. Milderung der gesamten Krankheitsthematik definieren. Gel�nge es, die Krankheits-symptomatik medizinisch soweit wie m�glich zu mildern und psychoonkologisch die ,subjektive Welt’ durch ,weitere’ Themen zu bereichern, k�nnte dies eine lebensqualit�tsstei-gernde Chance f�r diese Patientengruppe darstellen.

52

4.2.6 Subgruppenspezifischer Vergleich der Konzept- und Relationstyp-H�ufigkeiten – 2 Meta-Gruppen

Die 6 Subgruppen distribuieren ihre h�ufigsten 20% der trin�ren KRK (Eingangskriterien f�r die Gruppen-SLT-Modelle, s. S. ) auf unterschiedlich viele Konzepten (vgl. Tab. 3, Spalte ,Konzepth�ufigkeit’): W�hrend – um die Extreme zu nennen – die ,Entt�uschten’ (Gr. 4) ihre h�ufigsten 20% der trin�ren KRK auf die Vernetzung von 30 Konzepten ausdifferenzieren, gen�gen den ,Nur krank’-Patienten 6. Auch hinsichtlich der H�ufigkeiten der Relationstypen unterscheiden die 6 Subgruppen (vgl. Tab. 3) besonders hinsichtlich der Qualif.- und der Fol-gepfeil-Relationen.

Hinsichtlich des Komplexit�ts- und Ausdifferenzierungsgrades der h�ufigsten 20% der trin�ren KRK und der zugeh�rigen Relationenprofile lassen sich die 6-Subgruppenmodelle zu zwei Modellklassen zusammenfassen: Zu den niedrig-komplexen Modal-SLT-Modellen geh�-ren die Gruppen 1 (,Das Leben als Ressource’), 3 (,Schmerzen’) und 6 (,Nur krank’). Sie sind thematisch ,einfacher’, distribuieren die h�ufigsten 20% der trin�rer KRK auf deutlich weniger Konzepte (M = 10), verwenden relativ mehr Qualifikationen (M = 36) und weniger dynami-sche Relationen (M = 8,7). Zu den hoch-komplexen z�hlen die Gruppen 2 (,Tod zu schnell’), 4 (,K�mpfer’) und 5 (,Entt�uschte’). Sie m�ssen mehr komplexe, widerspr�chliche, ambivalente usw. Problemthemen l�sen; distribuieren die h�ufigsten 20% der trin�rer KRK auf deutlich mehr Konzepte (M = 26, 3) , verwenden weniger Qualifikationen (M = 15) und mehr dynami-sche Relationen (M = 26,3).

53

Tab.: Inhaltskonzepte und Konzeptkombinationen (KRK) von Individual- und Modal-SLT-Modellen bei sechs Patientenguppen (sortiert nach 2 Metagruppen)

26,3

30

27

22

10

6

12

12

Konzepte (N)

Modalstrukturen(Subgruppen)

21,7

26

22

17

7,7

4

9

10

KRK(N)

138,3 (154,6)173,6M

122 (150,2)161,5Gr. 5: ,Entt�uschte‘

155,8 (165,8)199Gr. 4: ,K�mpferInnen‘

137 (147,8)160,4Gr. 2: ,Tod zu schnell‘

2. Metagruppe:hoch komplexeGruppen-SLT-Modelle

45,6 (56)70,2M

36,3 (41)52,8Gr. 6: ,Nur krank‘

40,1 (49,1)69,4Gr. 3: ,Schmerzen‘

60,3 (78)88,3Gr. 1: ,Leben als Res-source‘

1. Metagruppe:niedrig komplexeGruppen-SLT-Modelle

KRK(M)

Konzepte(M)

Individual-SLT-Modelle

54

Tab. : Inhaltskonzepte, Konzeptkombinationen (KRK) und Relationsarten von Modalstrukturen bei 6 Patientengruppen (sortiert nach 2 Metagrup-pen)

26,33513,78152021,326,3M

2731158192630Gr. 5: ,Entt�uschte‘

2345144142227Gr. 4: ,K�mpferInnen‘

292912121261722Gr. 2: ,Tod zu schnell‘

2. Metagruppe:hoch komplexeGruppen-SLT-Modelle

1231,6124,23604,27,710M

2525252576Gr. 6: ,Nur krank‘

11451133912Gr. 3: ,Schmerzen‘

2512,55012,51012Gr. 1: ,Leben als Ressource‘

1. Metagruppe:niedrig komplexeGruppen-SLT-Modelle

Folge/Bewirken..

Unter-kategorien

UndVor.Qualif.Beisp.Manif.(N)(N)

dynamischeRel. (%)

statische Relationen (%)KRKKon-zepte

555. FAZIT UND AUSBLICK

5.1 Lebensqualit�t, Biographie und ...

5.2 Lebensqualit�t im Dr. Mildred-Scheel-Haus (MSH)

5.3 M�glichkeiten und Grenzen des methodischen Zugangs5.3.1 Elastisches Zugehen auf Schwerstkranken – Indikationsgrenze standar-

disierter Frageb�gen5.3.2 Subgruppenbildung

5.4 Konsequenzen f�r die praktische T�tigkeit des Pflegepersonals

5.5 Konsequenzen f�r die Fort- und Ausbildung des Pflegepersonals

566. LITERATUR

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