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inside:healthInnovative Lsungen fr das GesundheitswesenDezember 2011 | Ausgabe 5

Wachstumsmarkt GesundheitChancen und Herausforderungen MANAGEMENT: Act on Radiology

Auf dem Weg zum optimierten WorkowTRENDS: Sportmedizin

Arzt und Patient ein TeamMEDIZIN: Computertomographie

Wenn Sekunden zhlen

Ihre Gesundheit im Blick.Das neue Online-Informationsportal fr Patienten.www.siemens.de/patienteninfo

Das Wichtigste im Leben ist Ihre Gesundheit. Sie mchten wissen, wie Sie vorsorgen knnen oder was bei einer Behandlung auf Sie zukommt? Sie mchten mehr ber bestimmte Erkrankungen erfahren? Das neue Patienteninformationsportal von Siemens Healthcare hat Antworten auf viele Ihrer Fragen. Informieren Sie sich, wie beispielsweise ein Computertomograph oder ein Ultraschallsystem

funktionieren und was Sie bei diesen Untersuchungen erwartet. Darber hinaus haben wir fr Sie Wissenswertes ber ausgewhlte Erkrankungen zusammengestellt. Denn je mehr Sie ber Untersuchungen und Erkrankungen wissen, desto selbstbestimmter knnen Sie Ihren Gesundungsprozess mitgestalten. Jeder Mensch ist einzigartig. Ihre Gesundheit ist es auch.

Answers for life.

Editorial

Wolfgang Bayer Leitung Siemens Deutschland, Healthcare Sector, Erlangen [email protected]

Liebe Leserin, lieber Leser,die Gesundheitswirtschaft ist ein Wachstumsmarkt. Wachstum generiert immer Chancen, Neues in Angriff zu nehmen und Bestehendes zu optimieren. Wir mssen die Weichen stellen, diese Chancen zu nutzen und den Herausforderungen zu begegnen, damit Gesundheit auch in Zukunft noch bezahlbar bleibt. Das nimmt die Politik in die Pflicht, aber auch uns, die Anbieter von Medizintechnik und Dienstleistungen. Welche Geschftsmodelle braucht das Gesundheitssystem der Zukunft? Welche Chancen und Herausforderungen bietet der Wachstumsmarkt Gesundheit in den nchsten Jahren? Helmut Laschet, stellvertretender Chefredakteur der rzte Zeitung, stellt sich in einem Gastbeitrag (Seite 10 ff.) diesen Fragen. Zudem konnten wir fhrende Experten und Entscheider der Gesundheitswirtschaft gewinnen, die sich zu den aktuellen Herausforderungen im deutschen und europischen Gesundheitswesen uern. Fr alle bestehenden Herausforderungen gilt: bei hoher Qualitt Kosten senken und Prozesse optimieren. Wie dies in der Praxis umgesetzt werden kann, lsst sich am Beispiel des Klinikums St. Marien Amberg festmachen. Mittels eines Green+ Checks konnten Verbesserungspotenziale aufgezeigt werden, zum Wohle unserer Kunden und Ihrer Patienten (Seite 32 ff.). Ebenso wichtig sind kontinuierliche medizintechnische Innovationen, wie z. B. unser neuer Stellar-Detektor. Eingesetzt in der Computertomographie, erzeugt er noch schrfere Bilder und hilft Radiologen und Kardiologen, in kritischen Situationen etwa in der Notaufnahme noch schneller urteilen zu knnen (Seite 70 ff.). Freuen Sie sich auf eine neue und spannende Ausgabe unserer inside:health, mit vielen Reportagen, Anregungen und Einblicken in die Welt von Siemens Healthcare. Und lesen Sie, was wir tun, um den Chancen und Herausforderungen des Wachstumsmarktes Gesundheitswirtschaft zu begegnen. Ich wnsche Ihnen eine informative und anregende Lektre.

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Inhalt

Inhalt

24Ein Blick hinter die Kulissen der Business Unit Components and Vacuum Technology (CV) von Siemens

44Zeitgewinn und Qualittsverbesserung durch syngo.via und syngo.plaza

Titel10 Wachstumsmarkt Gesundheit Chancen und Herausforderungen

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Meldungen TitelthemaWachstumsmarkt Gesundheit

16 Siemens-Ideenforum fr Entscheider 18 Statements der Experten

ManagementBlick hinter die Kulissen 24 An den Grenzen des Machbaren Act on Radiology 28 Auf dem Weg zum optimiertenW orkow Green+ Hospitals 32 Nachhaltigkeit als gelebte Unternehmensphilosophie 36 Die Zukunft ist grn

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inside: health Dezember 2011

60SpOrt Medizin Stuttgart ist spezialisiert auf sportmedizinische Konzepte, biomechanische Analysen und radiologische Diagnostik

70Zwei neue Highlights aus der CT-Familie: SOMATOM Denition Edge und SOMATOM Perspective

Virenschutz 40 Der Norm voraus Informationstechnologie 44 In der Kombination ist das System einzigartig 48 Wir befassen uns mehr mit den Patienten und weniger mit der Technik Pegeprozessmanagement 52 Mit IT den Anforderungen des modernen Pegedienstes gerecht werden

MedizinHybridbildgebung 68 Eine neue ra der Diagnostik Computertomographie 70 Wenn Sekunden zhlen 73 Maximaler Mehrwert 76 Hchste Bildqualitt bei geringster Dosis Magnetresonanztomographie 78 Die deutliche Steigerung der Bildqualitt fllt allen auf Computertomographie 80 Dosisreduktion jetzt auch zum Nachrsten

Radiographie 81 Schneller und exibler durch kabellosen Detektor Radiologie 84 Ein Klinikverbund rstet auf Ultraschall 88 Einst Sicherheitsmanahme, heute eine wichtige diagnostische Methode Labordiagnostik 92 Automatisierung schafft hhereQ ualitt 96

TrendsCloud-Computing 56 Cloud-Computing macht die Radiologie efzienter Sportmedizin 60 Arzt und Patient ein Team Nanowelten 64 Nanomedizin: David gegen Goliath

Meeting Point / Impressum

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Meldungen

Siemens ruft zum Mitmachen aufFarbe bekennen gegen BrustkrebsNach einer sehr erfolgreichen Aktion im Oktober 2010 setzte Siemens sein Engagement fr Brustkrebsaufklrung fort. Unter dem Motto Turn your city pink! Farbe bekennen gegen Brustkrebs wurde im Oktober 2011 eine neue Kampagne gestartet, um die Aufmerksamkeit fr das Thema Brustkrebs in der ffentlichkeit weiter zu erhhen. Dabei wurden Menschen weltweit dazu aufgerufen, das Kampagnenmotto mglichst kreativ und ffentlichkeitswirksam in ihrem persnlichen Umfeld umzusetzen, denn die Farbe Pink gilt global als Zeichen der Solidaritt mit Brustkrebskranken. Die Teilnehmer sollten ihren Beitrag, in dem die Farbe Pink eine Rolle spielen muss, auf einem Foto oder Video festhalten und dieses dann auf die Aktions-Website www.siemens.com/pink hochladen. Siemens spendet 5 US-Dollar pro hochgeladenem Bild oder Video an eine gemeinntzige Brustkrebsorganisation. Die kreativsten Teilnehmer erhielten attraktive Preise.

Ihre Gesundheit im BlickDas neue Online-Informationsportal fr PatientenWir haben die Gesundheit des Menschen im Blick und setzen mit unseren medizintechnischen Innovationen nun schon seit 130 Jahren Mastbe zum Wohle des Patienten. Bei der Entwicklung unserer medizinischen Systeme lassen wir uns von dem Anspruch leiten, die Untersuchung fr den Patienten mglichst schonend und effizient zu gestalten. Sei es durch konsequente Reduzierung der Strahlenbelastung auf das notwendige Minimum, durch extrabreite Gantry-ffnungen oder Lichtkonzepte, damit sich Patienten bei medizintechnischen Untersuchungen wohler fhlen. Dazu kommt, dass sich das Informationsverhalten der Brger verndert hat. Grund dafr ist die zunehmende Nutzung des Internets und die wachsende Mndigkeit der Brger in Bezug auf Gesundheitsthemen und Behandlung von Erkrankungen. Dies zeigt auch eine gemeinsam mit Professor Dr. rer. pol. Gerhard F. Riegl von der Fachhochschule Augsburg durchgefhrte Studie zum Informationsverhalten von Patienten. Diese reprsentative Studie fhrt den Wunsch des Patienten nach Informationen speziell von Herstellern auf. Das neue Online-Informationsportal fr Patienten entspricht diesem Wunsch und gibt einen berblick ber alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und zeigt Wissenswertes ber die in Deutschland hufigsten Erkrankungen auf. Unter www.siemens.de/patienteninfo erfahren die Patienten beispielsweise wie ein Computertomograph oder Ultraschallsystem funktionieren und was bei diesen Untersuchungen auf sie zukommt. Wir beantworten Fragen zu Erkrankungen wie z. B. Brustkrebs oder Herzinfarkt und geben Tipps zur Frherkennung und Vorsorge. Denn je mehr Informationen ber Untersuchungen und Erkrankungen vorhanden sind, desto selbstbestimmter knnen Patienten ihren Gesundungsprozess mitgestalten.

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0 %, die viel bewegenSiemens Ultraschall startet Spendenaktion mit rzte der WeltMit einer 0 %-Finanzierung fr Ultraschallgerte will Siemens eine Bewegung anstoen, die weite Kreise zieht. Einerseits werden rzte bei der Investition in modernste Ultraschalltechnologie untersttzt, wobei sie alternativ zum 0 %-Finanzierungsangebot aus attraktiven Optionen whlen knnen: eine Gewhrleistungsverlngerung, diagnostische Extras oder eine Praxissoftwareanbindung. Andererseits werden sie durch den Kauf eines Gertes von Siemens Teil der Spendenaktion rzte der Welt, denn Siemens spendet fr jedes 50ste verkaufte Ultraschallgert ein neues ACUSON X150 an ausgewhlte Projekte der Hilfsorganisation. Die feierliche bergabe der ersten im Rahmen der Aktion gespendeten Gerte fand auf der Medica 2011 statt. Mehr ber die Siemens-Ultraschall-Sonderedition sowie die Arbeit von rzte der Welt erfahren Sie auf www.siemens.de/vielbewegen

Kapital efzienter einsetzenber fnf Milliarden Euro eingefrorenIm deutschen Gesundheitssystem sind mehr als fnf Milliarden Euro eingefroren. Das zeigt eine aktuelle Studie Medizinische Ausrstung und gebundenes Kapital ein globaler berblick der Finanzierungssparte von Siemens, Financial Services (SFS). Gemeint sind finanzielle Mittel, die beim Kauf von medizinischen Gerten investiert werden und nicht fr andere Zwecke zur Verfgung stehen zwei Milliarden Euro bei Gerten der bildgebenden Diagnostik und 3,1 Milliarden Euro bei sonstigen medizinischen Gerten. Dabei ginge es anders: Anbieter wie Siemens Finance & Leasing bieten mageschneiderte Finanzlsungen, die es Betreibern von Kliniken und niedergelassenen rzten ermglichen, medizinische Gerte und andere Ausrstung gegen monatliche Zahlungen zu erwerben. Dies setzt Kapital frei und macht modernste Technik fr bessere Diagnose- und Behandlungsergebnisse erschwinglich. Zudem knnen auf diese Weise die Kosten pro Einsatz der Gerte leicht berechnet und gesteuert werden. Lesen Sie weiter unter www.siemens.de/leasing und www.siemens.com/equipmentfinanzierung

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Meldungen

Den Metastasen auf der SpurKombiniertes PET/MRT-System am Universittsklinikum LeipzigDie Medizinische Fakultt der Universitt Leipzig und das Universittsklinikum Leipzig haben eines der weltweit ersten Systeme mit kombinierter Positronen-Emissionsund Magnetresonanz-Tomographie (PET/MRT) in Betrieb genommen und sich damit international an die Spitze der Entwicklung im Bereich molekularer Bildgebung gesetzt. Mglich machte die Beschaffung des Biograph mMR von Siemens eine Frderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft zur Frderung der Wissenschaften e. V. Im Vergleich zur herkmmlichen Technik bekommen wir die doppelte Informationsmenge in der halben Zeit in neuer Qualitt, brachte der Direktor der Klinik und Poliklinik fr Nuklearmedizin des Universittsklinikums Leipzig, Professor Dr. Osama Sabri, die Vorteile des einzigartigen Systems bei der Einweihung im September 2011 auf den Punkt. Durch die simultane Aufnahme und Darstellung von sowohl PET- als auch MRT-Daten erffne der Biograph mMR neue Mglichkeiten bei der Diagnose und Erforschung von Krankheiten im Bereich Neurologie, Onkologie und Kardiologie. Lesen Sie mehr unter www.siemens.de/mMRVon links: Prof. Sabine von Schorlemer, Staatsministerin fr Wissenschaft und Kunst des Freistaates Sachsen; Prof. Joachim Thiery, Universitt Leipzig; Prof. Arno Villringer, Universittsklinikum Leipzig; Prof. Osama Sabri, Universittsklinikum Leipzig; Prof. Wolfgang E. Fleig, Medizinischer Vorstand des Universittsklinikums Leipzig; Prof. Harald Schwalbe, Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG

Lsungen fr eine nachhaltige Versorgung auf der Medica 2011Ganz im Zeichen von Innovation und Workflowoptimierung prsentierte sich der Stand von Siemens Healthcare auf der Medica 2011 im November. Die Besucher zeigten sich in Dsseldorf denn auch beeindruckt von dem einzigartigen Portfolio aus Produkten, Lsungen und Dienstleistungen fr die gesamte medizinische Versorgungskette von der Prvention und Frherkennung ber die Diagnose bis hin zur Therapie und Nachsorge. Die Lsungen fr mehr Effizienz der Arbeitsablufe, eine gesicherte Qualitt der medizinischen Versorgung sowie die Schonung und den Schutz der Umwelt erwiesen sich als Publikumsmagnet. Zu den Highlights in diesem Jahr gehrten modernste Bildgebung fr minimalinvasive Eingriffe im Hybrid-OP, innovative Lsungen fr die Diagnostik und Therapie von Brustkrebs sowie passende Systeme und Lsungen fr die verschiedensten diagnostischen Anforderungen und Fachrichtungen im Bereich Ultraschall.Die Medica fand vom 16. bis 19. November in Dsseldorf statt

Lesen Sie mehr unter www.siemens.com/medica

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Innovative LsungenPrsentiert auf der IFCC WorldLab in BerlinDer Stand verzeichnete einen regelrechten Ansturm: Unter dem Motto Innovation. Powered by You prsentierte Siemens beim IFCC WorldLab und EuroMedLab Kongress 2011 in Berlin zukunftsorientierte, bedarfsgerechte Lsungen. In einer Zeit, in der Personalbindung, Energieverbrauch und Platznutzung im Vordergrund stehen, erffnet beispielsweise eine 3D-Software zur innovativen Raumplanung und Visualisierung ganz neue Mglichkeiten. Innovative IT-Produkte, IT-Dienstleistungen zur Workflowoptimierung und zum Informationsmanagement wie der neue syngo Labordatenmanager, die PRISCA Shared Database und die neue IT-Kategorie fr das Prozessmanagement vervollstndigten das Angebot. Zum Thema Personalisieren wurden Neuentwicklungen im Bereich Customer Care demonstriert. So war etwa das PEPTrainingsprogramm Maximieren das Leitmotiv bei der Prsentation umfangreicher Systemlsungen und Testmens fr die Immundiagnostik, Chemie, Hmostase, Hmatologie, Molekulardiagnostik, Mikrobiologie, Harn- und Blutgasanalytik. Das breite Produktportfolio ist gezielt darauf ausgerichtet, die Leistung eines Labors zu maximieren. Vorgestellt wurden dazu unter anderem auch die neue Dimension-EXLTM-Familie mit ihren integrierten Systemen, der neue ADVIA Centaur Vitamin D Total Assay sowie neue Assay-Technologien fr die Gerinnungsdiagnostik.

Das innovative Prsentationskonzept mit groen Touchscreens kam bestens an

berzeugend prsentiert27. Jahrestagung der DGG in ErlangenDie periphere arterielle Verschlusskrankheit und deren Therapiemglichkeiten standen thematisch im Mittelpunkt der 27. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft fr Gefchirurgie und Gefmedizin e. V. (DGG) im September in Erlangen. ber 1.100 Kongressteilnehmer erlebten an vier Tagen ein vielseitiges und uerst interessantes Tagungsprogramm mit internationalen Referenten. Mehr als 200 Kursteilnehmer konnten dank der von Siemens gestellten Ressourcen an den Fortbildungsveranstaltungen der privaten Akademie der DGG im Siemens-Trainingscenter, im Siemens-Ultraschallcenter und im Universittsklinikum Erlangen von den umfangreichen Weiterbildungsangeboten profitieren. Erfahrungsaustausch und die Darstellung der Zukunftsperspektiven fr den Hybrid-OP waren die Schwerpunkte eines sehr gut besuchten Industriesymposiums unter dem Vorsitz von Professor Dr. med. Giovanni Torsello. Die Themen wurden auf dem stark frequentierten Messestand in intensiven Diskussionen noch vertieft. Ihren geselligen Ausklang fand die Tagung auf dem Festabend im modernen, grozgigen Ambiente des medicare-Restaurants von Siemens mit Award- und Preisverleihungen durch den Kongressprsidenten Professor Dr. med. Werner Lang.

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Titelthema Wachstumsmarkt Gesundheit

Wachstumsmarkt GesundheitChancen und Herausforderungen

Gastbeitrag von Helmut Laschet

Die Bedingungen fr das Angebot medizinischer Gter und Dienstleistungen werden sich bis zum Jahr 2020 deutlich verndern. Stand in den vergangenen 20 bis 30 Jahren die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens im Vordergrund der zu lsenden Probleme, so wird schon in diesem Jahrzehnt der demographische Wandel sprbar: einerseits ein noch moderat wachsender Anteil der lteren Generation, anderseits eine Verknappung des Arbeitskrfteangebots. Das wird die Akteure im Gesundheitswesen vor erhebliche Herausforderungen stellen, die aber auch eine Chance sein knnen: zu lernen fr die Zeit ab der Mitte der 20er Jahre, wenn die Babyboomer der 60er

Jahre des vergangenen Jahrhunderts alt geworden sind. Trotz der zurckliegenden Finanzreformen die Schaffung des Gesundheitsfonds mit dem morbidittsorientierten Risikostrukturausgleich, mit einer zustzlichen Steuerfinanzierung und den zuletzt 2010 modifizierten Zusatzprmien bleibt die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung fragil. In diesem und dem nchsten Jahr knnen die aktuellen Ausgaben zwar gedeckt werden, weil die GKV mit Zeitverzug wie auch der Arbeitsmarkt von einem unerwartet starken Konjunkturimpuls im Jahr 2010 profitiert. Sollte die immer noch nicht bewltigte

Finanzkrise jedoch erneut in die Gterwirtschaft durchschlagen, ist ab 2013 mit Finanzierungsrisiken fr die GKV zu rechnen: die Einnahmenbasis und das sind nach wie vor Lhne und Lohnersatzleistungen knnte schwcher werden. Ungewiss ist, ob ad hoc ersatzweise Steuermittel mobilisiert werden knnen, wie dies im Jahr 2009 der Fall war. Dagegen sprechen verfassungsrechtlich festgelegte Konsolidierungsziele, die den Staat darauf verpflichten, die Nettoneuverschuldung auf Null zurckzufahren. Lngerfristige Prognosen sind in der konomie schwierig und erfordern mehr oder weniger diskussionswrdige

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Annahmen. Gleichwohl knnen sie erhellend sein. So hat beispielsweise der Ludwigshafener Gesundheitskonom Professor Michael Schlander ausgerechnet, dass es solange die Wirtschaft wchst mglich ist, auch berproportional steigende Gesundheitsausgaben zu finanzieren, freilich auf Kosten des Wachstums anderer Einkommensverwendungsmglichkeiten. Schlander unterstellt in seiner Prognose, dass die demographische Alterung der Gesellschaft jhrlich zu einem Ausgabenwachstum fr Gesundheit von real 0,35 Prozent fhrt. Wesentlich wichtiger als Wachstumsfaktor ist der medizinisch-technische Fortschritt. Er

bewirkt, dass der jhrliche Gesamtanstieg der Gesundheitsausgaben real um zwei Prozentpunkte ber dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts liegt. Da das Bruttoinlandsprodukt nach den Daten des Statistischen Bundesamtes etwa neunmal so gro ist wie die Ausgaben fr Gesundheit, lassen sich ber einen lngeren Zeitraum auch berproportional wachsende Gesundheitsausgaben finanzieren. Das schrnkt dann allerdings das Wachstumspotenzial fr andere Gter und Dienstleistungen ein. Nach Schlanders Berechnungen wrden die absoluten Zuwchse beim BIP bis zum Jahre 2040 ausreichen, um berdurchschnittlich steigende Gesund-

heitsausgaben zu finanzieren, und zwar auch dann, wenn das BIP jhrlich real nur zwischen 0,4 und 0,9 Prozent wchst. Wird strkeres Wirtschaftswachstum unterstellt, dann reicht der Spielraum deutlich lnger. Diese Simulation grndet allerdings auf einigen nicht ganz realistischen Annahmen. Denn die Finanzierungsbasis fr die Gesundheitsausgaben ist nicht das Bruttoinlandsprodukt und auch nicht das BIP abzglich Abschreibungen. Mageblich sind vielmehr die sozialversicherungspflichtigen Einkommen. Diese sind in einem langen Zeitraum seit Anfang der 1990er Jahre mit 22 Prozent weniger stark gestiegen als das

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Titelthema Wachstumsmarkt Gesundheit

Volkseinkommen (34 Prozent). Hinzu kommt: Die Verteilung der Arbeitseinkommen und vor allem das Wachstum sind unterschiedlich ausgeprgt. Fr die gesetzliche Krankenversicherung sind Einkommenszuwchse oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze irrelevant. Wenn Besserverdienende mehr verdienen, profitiert die Sozialversicherung nicht. Relevant sind hingegen alle Einkommenssteigerungen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze und dabei insbesondere das Wachstum niedrigerer Einkommen. Der Effekt einer ungleichen Einkommensverteilung und einer ungleichen Verteilung des Wachstums hat frappierende Effekte auf die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen, und zwar gerade dann, wenn diese Gesundheitsleistungen als superiores Gut definiert sind (superior ist ein Gut dann, wenn es bei steigendem Einkommen berproportional nachgefragt wird). In der gngigen Debatte ber den Wachstumsmarkt Gesundheit (vor allem auch ber den sogenannten zweiten privaten Gesundheitsmarkt) wird hufig vernachlssigt, was passiert, wenn die reale Kaufkraft rcklufig ist. Dann sinkt nmlich die Nachfrage nach superioren Gesundheitsleistungen berproportional. Eines ist nmlich mit Sicherheit falsch: die pauschale These, dass Gesundheit das hchste Gut sei. Die ausgeprgte Wechselbereitschaft von GKV-Versicherten in jenen Kassen, die einen (auch nur geringfgigen) Zusatzbeitrag erheben, zu Kassen ohne Zusatzbeitrag belegt dies. hnlich hochelastische Reaktionen waren 2004 im Arzneimittelmarkt zu beobachten, als der Gesetzgeber rezeptfreie Arzneimittel von der Leistungspflicht ausgeschlossen hat. Der Markt der OTC-Prparate brach 2004

um mehr als 1,5 Milliarden Euro ein und hat sich nie wieder davon erholt. Auch die private Krankenversicherung ist keine Alternative. Den meisten Brgern ist der Weg in die PKV ohnehin versperrt, weil ihre Einkommen die Pflichtversicherungsgrenze nicht bersteigen. Auerdem hat die PKV problematische Selektionseffekte zugunsten von jngeren und gesunden Mitgliedern, um die ein harter Wettbewerb stattfindet. Das fhrt dazu, dass ltere Tarife vergreisen und mangels gesunden Nachwuchses teuer werden wobei Versicherte inner halb dieser Tarife dann nur die Mglichkeit haben, in Spartarife mit abgespecktem Leistungsvolumen und erhhten Zuzahlungen zu wechseln. Das beschrnkt die Spielrume fr die Finanzierung von Gesundheitsleistungen. Ein weiterer nicht minder problematischer Effekt der privaten Krankenversicherung ist die sogenannte Quersubventionierung der GKV-Medizin durch teilweise erheblich hhere Gebhrenstze der GO im Vergleich zum Einheitlichen Bewertungsmastab in der GKV. Im Zuge der anstehenden GOReform drften diese Unterschiede weitgehend egalisiert werden. In diesem Zusammenhang ist eine Regelung im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes von Bedeutung, mit der Krankenhaustrgern der Betrieb von ausgelagerten Privatkliniken zu hheren Preisen als den Fallpauschalen verboten wird. So ist als Zwischenfazit festzuhalten: Die Finanzierung des Gesundheitswesens bleibt auf der Agenda und sie wird auch in mittlerer Zukunft fragil sein. Fehlendes Wirtschaftswachstum schlgt mittelfristig auch im Gesundheitssektor durch entgegen dem in

einer alternden Gesellschaft steigenden Bedarf an Gesundheitsleistungen. Ein noch relativ neues Phnomen im Gesundheitswesen ist der sich abzeichnende Mangel an rzten und auch in Pflegeberufen. Auch wenn vor allem die Krankenkassen rztemangel einstweilen hartnckig bestreiten und das Problem primr in einer Ungleichverteilung der personellen Ressourcen sehen, so erhalten die Bundesrztekammer und die Kassenrztliche Bundesvereinigung fr ihre Prognosen inzwischen auch von unabhngigen Wissenschaftlern eine Besttigung. So hat das Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR unter der Leitung von Professor Bert Rrup eine Studie zum Fachkrftemangel stationrer und ambulanter Bereich bis zum Jahr 2030 erstellt. Untersucht werden darin die morbidittsbedingte nderung der Nachfrage nach Arztleistungen, die Entwicklung des nichtrztlichen Personals, die berufsspezifische Gegenberstellung von Angebot und Nachfrage, Personalengpsse und Entwicklungen im stationren Sektor und einrichtungsspezifische Personalengpsse. Die Ausgangslage 2010 ist charakterisiert durch ein einigermaen austariertes Verhltnis von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt in der ambulanten Medizin (vertragsrztliche Versorgung) und einem schon existierenden Nachfrageberhang von 14.000 offenen Stellen (9 Prozent) in Kliniken. Bis zum Jahr 2020 ndern sich die Verhltnisse allmhlich. In der ambulanten Versorgung wird die Zahl der rzte auf 107.000 zurckgehen, 140.000 wrden aber gebraucht. Es entsteht ohne

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Die Herausforderungen fr das Klinikmanagement werden in den nchsten Jahren wachsen.Helmut Laschet, stellvertretender Chefredakteur der rzte Zeitung

Ge Gegengenmanahmanah manahme e e eine men eine beachtliche Lcke beacht che Lcke beachtliche Lcke von 33.0 00 Medizinern. o 30 edizinern. von 33.000 Medizinern. Nich Nic t ganz so dr amatisch wird dram s ird Nicht ganz so dramatisch wird sich die Situation im Kr ankenhaus i t ation Krankenhaus sich die Situation im Krankenhaus entwickeln. Dort ste gt e w ck D t teig l der e entwickeln. Dort steigt die Zahl der rzte leicht u 159.000, whrend d t eicht 59.0 00, whrend der rzte leich auf 159 0 00, whrend der Bedarf bei 183.000 liegt. In der ambulanten Versorgung gibt es weiterhin einen leichten Angebotsberhang bei den nichtrztlichen Fachberufen. In der Pflege sinkt jedoch die Zahl der Mitarbeiter auf 601.000, whrend der Bedarf auf 769.000 steigt. Das heit: Bis 2020 ist es lediglich in der ambulanten Medizin mglich, rztliche Arbeitskraft durch nichtrztliche zu ersetzen etwa durch Delegation rztlicher Aufgaben an speziell qualifizierte Medizinische Fachangestellte. Dafr fehlen einstweilen die berufsrechtlichen Voraussetzungen. Dort, wo eine Delegation zumindest in Modellvorhaben nach den neuesten Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses mglich werden soll, im Krankenhaus durch Erweiterung der Kompetenz von Pflegekrften, ist die Substitution rztlicher Leistung deshalb nicht realistisch, weil es an Pflegekrften ebenso wie an rzten mangelt. Fr beide Sektoren ambulant wie stationr verschrft sich die Knappheit der Arbeitsressourcen ab 2020 deutlich. In funktionierenden Mrkten fhrt dies zu steigenden Preisen.

Am deutlichsten ist dies bei den angestellten Krankenhausrzten zu beobachten. Sie haben seit 2005 ihre eigene Gewerkschaft, den Marburger Bund, mit einem extrem hohen Organisationsgrad (etwa 80 Prozent) etabliert. Der Marburger Bund hat im ersten Schritt als eigenstndige Gewerkschaft arztspezifische Tarife durchgesetzt. Unter allen akademischen Berufen zhlen Krankenhausrzte zu den bestdotierten. Wrde es gelingen, die nichtmonetren Arbeitsbedingungen in Krankenhusern weiter zu verbessern, knnten mglicherweise viele Berufsanfnger in der Medizin dazu bewegt werden, in die Patientenversorgung zu gehen und nicht in attraktiv erscheinende andere Berufsfelder. Ob dies gelingt, hngt nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Verfassung der Krankenhuser ab. Aufschluss darber gibt der Krankenhaus-Rating-Report 2011, der von ADMED, dem RheinischWestflischen Institut fr Wirtschaftsforschung, und dem Institute for Health Care Business GmbH herausgegeben wird. Danach hat sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhuser zwischen 2006 und 2009 deutlich verbessert: Die Umsatzrenditen stiegen im Schnitt von 1,4 auf 2,7 Prozent, die Eigenkapitalquote von 22,5 auf 25,5 Prozent. Der Anteil der Kliniken mit Verlust ist von 17,6 auf 12,5 Prozent gesunken. Doch dieser Trend ist nicht stabil: Mit den Kostendmpfungsschnitten aufgrund des GKV-Finanzierungsgesetzes, das Anfang 2011 in Kraft getreten ist,

haben sich die Refinanzierungsgrundlagen der Krankenhuser deutlich verschlechtert. Schon im laufenden Jahr drfen die Erlse der Kliniken im Schnitt nur um 1,3 Prozent wachsen, die Kosten steigen jedoch um 3,2 Prozent. hnlich ist die Entwicklung in 2012. Nach einer Hochrechnung der Institute wird dies dazu fhren, dass 2020 nur noch 73 Prozent der Krankenhuser im grnen Bereich sind und 22 Prozent der Kliniken in den roten Bereich kommen. Es sei denn, es gelingt den Krankenhusern, Produktivittsfortschritte zu erzielen. Alternativ oder ergnzend kann es zu einer weiteren Marktbereinigung kommen. berdurchschnittlich gefhrdet sind dabei kleinere Krankenhuser in lndlichen Regionen im Westen, die einen berdurchschnittlichen Basisfallwert haben, wenig spezialisiert sind und nach den BQS-Daten mit Qualittsproblemen kmpfen. Signifikanten Einfluss hat auch die Trgerschaft: Krankenhuser in ffentlich-rechtlicher Trgerschaft sind am ehesten betroffen. Die Herausforderungen fr das Klinikmanagement werden in den nchsten Jahren wachsen. Die Grnde sind vielfltig: Kostenloses ffentliches Kapital wird angesichts der Konsolidierungsziele fr Bund, Lnder und Gemeinden knapper; der Investitionsstau wird wahrscheinlich noch grer. Das heit: Die derzeit noch niedrigen Kapitalkosten der Krankenhuser lassen sich nicht halten.

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Titelthema Wachstumsmarkt Gesundheit

Mit Kosten verbundenes Eigen- und Fremdkapital muss immer strker ausfallende ffentliche Frdermittel ersetzen. Kapital fr Investitionen ist jedoch dringend erforderlich, um wettbewerbsfhig zu bleiben oder dies wieder zu werden. Derzeit erwirtschaften nur 56 Prozent der Krankenhuser ihre Kapitalkosten. Die Tendenz ist fallend. Der Anteil der ffentlich-rechtlichen Kliniken, die dies schaffen, liegt nur bei 43 Prozent. Nur 29 Prozent der Krankenhuser sind in hohem Mae investitionsfhig (gemessen am EBITDA); mit 54 Prozent haben Private die besten Werte. Zahlreiche Krankenhuser mssen daher den Ertrag aus ihrem operativen Geschft sprbar erhhen und das spricht fr eine konsequente Marktbereinigung. Folglich operieren Unternehmen der Medizintechnik, aber auch der pharma-

Das Anforderungsprol fr innovative Medizintechnik und Dienstleistungen ist zu entwickeln.Helmut Laschet, stellvertretender Chefredakteur der rzte Zeitung

zeutischen Industrie, in den kommenden Jahren in einem schwierigen, komplexen Marktumfeld mit erheblichen Risiken. Dies gilt insbesondere auch fr Innovationen. Fr die pharmazeutische Industrie ist 2011 die frhe Nutzenbewertung fr Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in Kraft getreten, und die ersten Erfahrungen deuten darauf hin, dass damit eine echte Innovationshrde entstanden ist. Im Zuge des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes werden neue Regeln fr die Implementation von innovativen Verfahren im stationren Sektor etabliert, die darauf hinauslaufen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine frhzeitige Evaluierung diagnostischer und therapeutischer Ver fahren einfordern kann.

Aufgrund der beschriebenen Tendenzen in der medizinischen Versorgung und ihrer Finanzierung lsst sich ein Anforderungsprofil fr innovative Medizintechnik und Dienstleistungen entwickeln: Die zunehmende Knappheit an Arbeitsressourcen erfordert arbeitssparenden technischen Fortschritt. Gesucht sind vor allem Prozessinnovationen, die zu Effizienzsteigerungen fhren. Telemedizinische Verfahren werden vor allem angesichts notwendiger Konzentrationsprozesse an Bedeutung gewinnen. Grundbedingung fr die Implementation von Innovationen wird der Nachweis eines patientenrelevanten

Zusatznutzens oder der Nachweis eines konomischen Vorteils werden. Zugleich drfte aber auch die Frage nach obsoleten Verfahren und Techniken auf die Tagesordnung kommen. Gerade der letzte Punkt wird in Zukunft von entscheidender Bedeutung dafr sein, ob die Diskriminierung von Innovationen in der ambulanten und der stationren Medizin beseitigt werden kann. Nach dem gegenwrtig geltenden Rechtsrahmen stehen eine neue Leistung oder eine neue Technik unter dem Erlaubnisvorbehalt des Gemeinsamen Bundesausschusses (Paragraf 135 SGB V). Danach mssen fr die Innovation ihr diagnostischer oder therapeutischer Nutzen und ihre Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu bestehenden Alternativen belegt werden, bevor sie als Leistung der GKV anerkannt wird. In der stationren Versorgung gilt genau das umgekehrte Prinzip: Der Gemeinsame Bundesausschuss kann auf Antrag des GKV-Spitzenverbandes oder der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine Leistung ausschlieen, wenn sich

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Das Siemens-Ideenforum fr Entscheider aus der Gesundheitswirtschaft stand in diesem Jahr unter dem Motto: Wachstumsmarkt mit sinkenden Ertrgen welche Geschftsmodelle braucht das Gesundheitssystem der Zukunft? Von links: Prof. Jrgen Wasem, Universitt DuisburgEssen; Prof. Hermann Requardt, CEO Siemens Healthcare; Moderatorin Ursula Heller; Helmut Laschet, rzte Zeitung; Prof. Dr. med. Helmut Brand, Universitt Maastricht und Prof. Dr. phil. Gerd Gigerenzer, Max-Planck-Institut fr Bildungsforschung in Berlin

erweist, dass sie nicht fr eine ausreichende, zweckmige und wirtschaftliche Versorgung notwendig ist (Paragraf 137c SGB V). Diese kontrren Prinzipien benachteiligen die Innovationsfhigkeit der ambulanten Medizin. Sie fhren zu ineffizienter und medizinisch unntiger Hospitalisierung und sind daher auch nicht patientenfreundlich. Einen wichtigen Fortschritt zur Beseitigung dieser Widersprche leistet das GKV-Versorgungsstrukturgesetz, das sich gegenwrtig in den abschlieenden parlamentarischen Beratungen befindet. Das Gesetz schafft einen neuen wettbewerbspolitisch neutralen Ordnungsrahmen fr den neuen ambulanten spezialrztlichen Sektor, in dem niedergelassene (Vertrags-)rzte wie auch Krankenhuser gleichermaen Leistungserbringer sein knnen. Fr die Implementation von Innovationen gelten die modifizierten Regeln des neugefassten Paragrafen 137c. Danach sind Innovationen grundstzlich nicht mehr nur im Krankenhaus (stationr),

sondern auch ambulant eine Kassenleistung und daher auch honorarpflichtig. Paragraf 137c sieht nun einen differenzierten Umgang mit Innovationen vor: wie bislang schon mglich den Ausschluss einer Leistung bei erwiesener Unzweckmigkeit oder Unwirtschaftlichkeit. Von groer Bedeutung ist aber, dass Innovationen, deren diagnostischer oder therapeutischer Wert noch offen ist, eine Kassenleistung bleiben unter der Bedingung, dass sie evaluiert werden. Der neu geschaffene Paragraf 137f regelt die Modalitten im einzelnen. Wesentlich dabei ist, dass Innovationen zum Zwecke der Evaluation auch fr die vertragsrztliche Versorgung und die ambulante spezialrztliche Versorgung zugnglich und vergtet werden. Handelt es sich um ein medizintechnisches Produkt, so wird der Hersteller nur die Kosten der wissenschaftlichen Evaluation bernehmen, nicht jedoch die Kosten des Einsatzes seiner technischen Innovation in der medizinischen Versorgung tragen mssen.

Dieser neue Rechtsrahmen fr Innovationen wird auch von Institutionen wie dem Institut fr Qualitt und Wirtschaftlichkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung (IQWiG) als Meilenstein bewertet. Damit entstehen fr die Beteiligten, nicht zuletzt fr die MedizintechnikIndustrie, auch neue Herausforderungen: Es erscheint sinnvoll, gemeinsam mit rzten, Krankenhausmanagement, aber auch Kostentrgern und relevanten Patientengruppen eine Verstndigung darber herbeizufhren, welche Nutzenaspekte aus medizinischer und aus Patientensicht in einer Evaluation relevant sein sollen. Dies erfordert, schon in relativ frhen Entwicklungsphasen in einen Austausch mit spteren Anwendern und Nutzern einzutreten. Fazit: Die Tatsache einer alternden Gesellschaft, in der aller Wahrscheinlichkeit nach die Morbiditt und damit der objektive Bedarf nach mehr Medizin und Pflege wachsen wird, ist noch keine Garantie fr eine prosperierende Gesundheitswirtschaft. Limitierend sind nicht nur die schwierigen Finanzierungsbedingungen, sondern auch begrenzte Arbeitsressourcen. Die Arbeit von rzten und Pflegern zu erleichtern, effektiver und effizienter zu machen, ist die eigentliche Aufgabe. Dabei sind die vor uns liegenden Jahre erst eine propdeutische bung die groen Herausforderungen kommen ab 2020. Dann wird es ernst.

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Titelthema Wachstumsmarkt Gesundheit

Siemens-Ideenforum fr EntscheiderWelche Geschftsmodelle braucht das Gesundheitssystem der Zukunft? Experten aus dem Gesundheitswesen diskutierten die Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Gesundheitswirtschaft 2020 beim diesjhrigen Siemens-Ideenforum. Die Teilnehmer entwickelten zudem mit der Arbeitsmethode Design Thinking Ideen zu konkreten Fragestellung der zuknftigen Gesundheitswirtschaft.

Stellen Sie sich vor: Sie erhalten eine Auswahl von etwa zehn Fotos aus der Lebenswelt eines Menschen vorgelegt und sollen dann fr diesen Menschen ein Gesundheitsprodukt kreieren. Bis zu einer ersten Skizze fr eine Blaupause sind zwei Stunden Zeit. Unmglich? Nein, gar nicht unmglich! Professor Ulrich Weinberg vom HassoPlattner-Institut in Potsdam hat seit 2007 einen neuen und in Deutschland noch einmaligen Studiengang Design Thinking (erfinderisches Entwickeln) etabliert, in dem die Fhigkeit vermittelt wird, in multidisziplinren Teams besonders benutzerfreundliche, IT-nahe Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Weinberg ist Referent beim SiemensIdeenforum fr Entscheider aus der

Gesundheitswirtschaft, das in diesem Jahr unter dem Thema Wachstumsmarkt mit sinkenden Ertrgen welche Geschftsmodelle braucht das Gesundheitssystem der Zukunft? steht. Begleitet wird Weinberg von fnf Mitarbeiterinnen. Im Programm fr das Ideenforum ist ein Workshop angekndigt das Thema bleibt bis zuletzt Geheimnis. Gelftet wird es erst nach einer kurzen Einfhrung des Referenten. Die eher theoretischen Darlegungen bleiben zunchst noch etwas nebuls wie Design Thinking funktioniert, erschliet sich erst in konkreter Arbeit. Die Teilnehmer werden in fnf Gruppen aufgeteilt, jede Gruppe erhlt aus dem Weinberg-Team einen Coach. Und Arbeitsmaterial. Das besteht aus jeweils etwa zehn Fotos aus der Lebenswelt eines

Menschen und einer Reihe von Fragen, deren Antworten den Menschen, seine Lebens- und Arbeitsbedingungen, aber auch seine Probleme beschreiben knnen. Nach einem 15-mintigen Brainstorming entsteht ein Bild der Person: Es knnte ein 50-jhriger Mann sein Name eventuell Dirk Meyer-Grnlich , der in der Mitte Deutschlands lebt und arbeitet. Zu seinem Arbeitsweg, einer Grundschule, kommt er per Fahrrad. Es rgern ihn tglich nicht nur seine Schler, sondern auch die naheliegende Mllverbrennungsanlage und das Kohlekraft werk. Und auch sein politisches Engagement zehrt an seinen Krften. Aber Dirk Meyer-Grnlich hat sich vorgenommen, zh zu bleiben, denn er kmmert sich gern um zuknftige Generationen. Jedoch merkt er, wie ihm allmhlich die Kraft fehlt.

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Beim Design Thinking (ernderisches Entwickeln) wird die Fhigkeit vermittelt, in multidisziplinren Teams besonders benutzerfreundliche, IT-nahe Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln

Die Diagnose liegt auf der Hand: Dirk Meyer-Grnlich steht vor einem Burn-out. Die Idee, die in der Workshopgruppe entstanden ist, sieht wie folgt aus: Im Internet gibt es eine Beratungsseite fr Personen, die ihr Risikopotenzial, an einem Burn-out zu erkranken, ermitteln mchten. Aufgrund des Risiko-Scores kann ermittelt werden, ob die Person sich in einem Risikobereich befindet. Auf dieser Internetseite erhlt die Person dann die Mglichkeit, mit einem Coach in Kontakt zu treten. Hier knnen dann persnliche Termine vereinbart und ein Anti-Burn-outProgramm entwickelt werden. Die Finanzierung dieses Programms wrde ber das entsprechende Bundesland laufen, da die Frhverrentung von Lehrern eine groe Herausforderung darstellt, der mit dieser offensiven

Aktion gegengesteuert werden knnte. Dirk Meyer-Grnlich knnte geholfen werden ein wenig Nachdenken vorausgesetzt. Ein Beispiel von fnf insgesamt, bei denen kleine Workshop-Gruppen von fnf bis sechs Teilnehmern verschiedenster Disziplinen eine Skizze fr ein innovatives Gesundheitsprodukt entwarfen. Charakteristisch fr alle Workshops war: die Sammlung mglichst vieler Ideen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erfahrungen. Im Vordergrund stand dabei das Problem des Kunden und dafr eine Lsung zu finden. Allen so entwickelten Innovationen war gemein, dass Internet-Angebote eine wichtige Komponente fr einen mglichst barrierefreien Zugang bildeten, kombiniert mit der Option einer persnlichen Dienstleistung.

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Statements der ExpertenHelmut Laschet sprach fr inside:health mit Prof. Dr. med. Helmut Brand, Professor fr European Public Health und Leiter des Department of International Health an der Universitt Maastricht, ber europische Gesundheitssysteme, den Umgang mit Reformen sowie den Stellenwert von Innovationen in der Medizin.

Einige Stimmen in Deutschland behaupten, unser Gesundheitssystem sei marode. Sie haben einen guten berblick ber die Situation in Europa. Im Vergleich zu unseren Nachbarn: Sind solche Thesen berechtigt?Prof. Dr. med. Helmut Brand: Es kommt darauf an, was man unter marode versteht. Ob man damit die Ineffizienz des Systems meint oder seine Zukunftsfhigkeit. Zunchst muss man sagen, dass ein so reiches Land wie Deutschland sich ein solches System auch leisten kann. Die Kostendmpfungspolitik hat es bislang jedenfalls geschafft, das System finanziell immer wieder zu stabilisieren. Spannend wird es, wenn das Sozialprodukt sinken wrde und welche Diskussion wir dann haben.

In anderen Lndern sehen wir, dass mit weniger Geld gleiche Lebenserwartung und manchmal sogar eine hhere Anzahl gesunder Lebensjahre mglich sind. Allerdings sind diese Systeme meistens nicht so patientenfreundlich. Es gibt keinen unmittelbaren Zugang zum Facharzt, die Wnsche des Patienten werden nicht so schnell und so direkt befriedigt.

Das sind aus Ihrer Sicht eher Komfortaspekte.Brand: Ja. Beispielsweise in den Niederlanden macht man gerade das, was evidenzbasiert ist und das ist relativ wenig.

Prof. Dr. med. Helmut Brand ist Professor fr European Public Health und Leiter des Department of International Health an der Universitt Maastricht. Der Spezialist fr Medizin der ffentlichen Gesundheit (Public Health Medicine) in Deutschland und Grobritannien war dreizehn Jahre Direktor des Instituts fr ffentliche Gesundheit in Nordrhein-Westfalen. Seit dieser Zeit beschftigt er sich hauptschlich mit europischen Gesundheitsperspektiven und grenzberschreitenden Gesundheitsund Vergleichsstudien.

Kritik kommt aber auch aus der Wissenschaft, aus der Gesundheitskonomie. Berhmt ist jenes Sachverstndigengutachten aus dem Jahr 2001, das uns ein System mit viel ber-, Unter- und Fehlversorgung bescheinigt hat. Hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren etwas an der Efzienz verbessert?Brand: Wenn man zurckschaut, muss man sehen, dass Instrumente wie Health Technology Assessment noch gar nicht alt sind 15 Jahre bis 20 Jahre , und wenn man sich die Trgheit eines solchen Systems vor Augen hlt, dann ist es sehr schwer, die Effizienz in greren Schritten zu steigern. Aber richtig ist: die Kostendmpfung hat dazu gefhrt, dass Doppeluntersuchungen zurckgegangen sind. Auch Aussagen, dass noch groe Reserven im System sind, werden immer kritischer gesehen.

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Wir haben in jeder Legislaturperiode mindestens eine groe Gesundheitsreform. Und die Debatte darber wird jedes Mal sehr emotional gefhrt. Ist das typisch fr Deutschland? Wie gehen andere Lnder wie beispielsweise die Niederlande mit Reformen um?Brand: Die Niederlande hatten einen ganz langen, mhsamen Prozess ber fast 15 Jahre, in denen ein neues Finanzierungsmodell ausgehandelt wurde. Dieses Modell ist wie beim rheinischen Kapitalismus mit allen Partnern wieder und wieder debattiert worden. Die Deutschen gehen den Weg, jedes Jahr eine kleine Reform zu machen. Groe Reformschritte waren nur bei Umbrchen mglich.

Brand: Innovationen, die das System stabilisieren, sind sicherlich eher willkommen als solche, die eine destabilisierende Wirkung haben. Zum Beispiel wird heute im Zusammenhang mit der personalisierten Medizin darber diskutiert, ob wir nicht mit einer stratifizierten Medizin arbeiten knnen. Das passt sehr gut ins System. Darauf knnen wir unsere klinischen Studien auslegen.

Wie wird sich der Einuss von Europa bemerkbar machen?Brand: Im Moment wird Europa kritisch betrachtet. Jede Generation muss die Sinnfrage nach Europa neu stellen. Fr meinen Vater war es der Frieden, der in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg mglich wurde. Fr meinen Bruder, der zehn Jahre lter ist als ich, war es die wirtschaftliche Entwicklung. Fr mich ist es die Freizgigkeit. Und fr meine Studenten stellt sich die Herausforderung, mit der Globalisierung zurechtzukommen. Im Gesundheitsbereich haben wir die Chance, dem Wirtschaftsbereich zu zeigen, dass Solidaritt hilft. In der Health Strategy der Europischen Union steht die Werteorientierung an erster Stelle. In allen Gesundheitssystemen Europas haben wir einen Sozialausgleich. Und es funktioniert! Jetzt knnte der konomiebereich mal vom Gesundheitsbereich lernen. Denn hier zeigt sich: Solidaritt zahlt sich mittelfristig aus!

Ist die Emotionalitt bei uns nicht auch darin begrndet, weil wir von einem sehr hohen Niveau kommen?Brand: Ja, man hat Angst zu verlieren. Vor allem, wer viel hat, der hat diese Angst. Wir leisten uns ein System mit hohem Niveau, weil wir dies auch knnen. Und da sind Reformen natrlich sehr schwierig.

Wir haben seit Jahren eine Debatte ber den Stellenwert von medizinischen Innovationen. Werden es Innovatoren in der Medizin knftig schwerer haben?

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Titelthema Wachstumsmarkt Gesundheit

Helmut Laschet im Gesprch mit Professor Dr. phil. Gerd Gigerenzer, Kognitionspsychologe und Direktor am Max-Planck-Institut fr Bildungsforschung in Berlin, ber die Notwendigkeit eines mndigen Brgers sowie die Auswirkungen von Informations- und Bildungslcken in der Gesellschaft auf das Gesundheitswesen.

Herr Professor Gigerenzer, Sie machen folgende Gleichung auf: Mehr Aufklrung ber Gesundheit ist gleich bessere Versorgung fr weniger Geld. Wie funktioniert das?Prof. Dr. phil. Gerd Gigerenzer: Wir haben heute in Deutschland viele Brger, die uninformiert sind, aber auch viele rzte, die nicht richtig informiert sind. Das knnen wir uns nicht leisten. Um eine gute Versorgung zu gewhrleisten, mssen wir die Ausbildung der rzte verbessern. Wir mssen auch mndige Brger bekommen. Man sollte nicht unterschtzen, wie wichtig Bildung fr die Gesundheit ist. Wir brauchen Brger, die die Technologien verstehen und den wahren Nutzen in deren Anwendung.

Sie pldieren fr den richtigen Umgang mit Wahrscheinlichkeiten. Das hrt sich nach Mathematik an, an der viele schon in der Schule scheitern ...Gigerenzer: Es geht hier nicht um Mathematik, sondern um einige einfache, aber wichtige Fragen. Wenn Sie Zeitung lesen, dann lesen Sie von Prozent 4 Prozent, 10 Prozent, 90 Prozent. Verstehen Sie, was das bedeutet? Oft nicht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel fr Missverstndnisse: Was heit es, wenn gesagt wird, dass es morgen mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent regnet? Viele Berliner denken, dass es morgen in 30 Prozent der Zeit regnet, andere denken, dass es morgen in 30 Prozent des Stadtgebiets regnet. Die Schule lehrt statistisches Denken nicht, und die rztliche Ausbildung auch nicht ausreichend.

Fhrt dieser Mangel an Bildung dazu, dass das Geschft mit der Angst blht?Gigerenzer: Wenn Sie sich die Reaktionen der Deutschen anschauen in Bezug auf EHEC, Schweinegrippe oder Vogelgrippe, dann sehen Sie eines: Die Bevlkerung wird verunsichert, die Medien tragen das weiter, die Politik reagiert meist defensiv und wenn die Medien aufhren zu berichten, ist alles vergessen. Das sollte nicht sein. Es herrscht eine emotionale Getriebenheit oder Manipulation.

Prof. Dr. phil. Gerd Gigerenzer Der Kognitionspsychologe ist Direktor am Max-Planck-Institut fr Bildungsforschung in Berlin sowie des 2009 in Berlin gegrndeten Harding Zentrum fr Risikokompetenz. Seine Sachbcher ber begrenzte Rationalitt und Heuristiken bei der Entscheidungsfindung wurden mehrfach ausgezeichnet und in 18 Sprachen bersetzt. Manager, Richter und rzte haben an seinen Weiterbildungen in der Kunst des Entscheidens und im Umgang mit Risiken und Unsicherheiten teilgenommen.

Wer sind denn nun die groen Irrefhrer?Gigerenzer: Wir haben in Deutschland Interessenskonikte. Die Information im medizinischen Bereich wird nicht immer klar mitgeteilt. Ein Beispiel dazu aus England: Dort gibt es immer wieder eine Antibabypillen-Panik. Die bekannteste lief so: Die Medien berichteten, dass Frauen, die die Pille der dritten

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Generation nehmen, ein um 100 Prozent erhhtes Risiko einer Thromboembolie haben. Darauf haben viele Frauen mit Panik reagiert, die Pille abgesetzt, mit der Folge unerwnschter Schwangerschaften und Abtreibungen. Was hatte die Studie gezeigt, auf die sich die Nachricht bezog? Von 7.000 Frauen, die die Pille der vorangegangenen Generation nahm, bekam eine Frau eine Thromboembolie. Bei der neuen Generation waren es zwei von 7.000 Frauen. Zuwachs des relativen Risikos betrgt 100 Prozent. Aber der Zuwachs des absoluten Risikos nur 1 zu 7.000. Htten die Zeitungen von einem zustzlichen Risiko von 1 zu 7.000 berichtet, htte kaum eine Frau darauf reagiert. Aber tatschlich fhrte die irrefhrende Berichterstattung dazu, dass es in England und Wales im Jahr danach 13.000 mehr Abtreibungen gab.

Sehen Sie in der jetzt eingefhrten frhen Nutzenbewertung einen richtigen Schritt?Gigerenzer: In jedem Fall. Denn das fhrt auch dazu, dass wir mehr Innovation bekommen. Aber ein Beispiel, wo kaum investiert wird, ist die Patientensicherheit. Wir wissen, dass in den USA jedes Jahr etwa 28.000 Menschen an Infektionen sterben, die sie allein durch kontaminierte Katheter bekommen. Es gibt Checklisten dafr, wie rzte das durch Hygienemanahmen verhindern knnen. Wenn Sie meinen, dass alle Krankenhuser diese Checklisten nutzen, dann liegen Sie falsch. Wir mssen versuchen, dass die Sicherheit der Patienten eines der ersten Themen wird. Und auch die Ausbildung der rzte, sodass sie Evidenz verstehen.

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ber den Einuss der Finanzkrise auf das Gesundheitswesen, den zuknftigen Spielraum fr Innovationen sowie den Umgang mit punktuellem Arbeitskrftemangel sprach Prof. Dr. Jrgen Wasem, Professor fr Medizinmanagement der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultt der Universitt Duisburg-Essen im Interview mit Helmut Laschet.

Herr Professor Wasem, wir stecken mitten in einer Finanzkrise, mglicherweise steht eine neue Konjunkturdelle bevor: Wie wird sich das auf die nanzielle Situation des Gesundheitswesens auswirken?Prof. Dr. rer. pol. Jrgen Wasem: Kurzfristig sind die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung stabil. Wir werden in diesem Jahr einen berschuss von einer bis 1,5 Milliarden Euro erwirtschaften. Man kann davon ausgehen, dass im nchsten Jahr ein krftiger Zuwachs der Einnahmen mglich sein wird. 2013 wird sich die Situation allerdings voraussichtlich verdstern. Das hngt aber auch von politischen Entscheidungen ab.

Denn seit Existenz des Gesundheitsfonds knnte der Gesetzgeber finanzkrisenbedingte Mindereinnahmen des Fonds durch Steuerzuschsse ausgleichen. Was den zweiten Gesundheitsmarkt angeht, ist klar, dass Wirtschaftskrisen einen dmpfenden Effekt haben werden.

Die ursprngliche Idee der Finanzreform war ja, auch aus Solidarittsgrnden eine breitere Finanzierungsgrundlage zu schaffen und dafr Steuermittel zu mobilisieren. Aber wie vertrgt sich das mit dem verfassungsrechtlichen Konsolidierungsgebot?Wasem: Das ist sicherlich ein Widerspruch. Das haben wir schon gemerkt bei den Beratungen des Versorgungsstrukturgesetzes. Da hat sich der Bundesfinanzminister sehr vernehmlich zu Wort gemeldet hinsichtlich der mglichen Mehrausgaben, die zu steigenden Zusatzbeitrgen fhren knnten, die ihrerseits das Ausma des steuerfinanzierten Solidarausgleichs erhhen. Der Finanzminister wird sehr strikt darauf achten, dass seine Verpflichtungen mglichst begrenzt bleiben.

Prof. Dr. rer. pol. Jrgen Wasem ist Professor fr Medizinmanagement der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultt der Universitt Duisburg-Essen. Er befasst sich mit den Schnittstellen zwischen Wirtschaftswissenschaften und Medizin sowie Fragen des Managements, der Steuerung und der Finanzierung des Gesundheitswesens. Seine Gutachten haben die gesetzlichen Regelungen zum morbidittsorientierten Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen wesentlich beeinflusst.

Bedeutet das, dass der Spielraum fr Innovationen knftig enger wird?Wasem: Der Spielraum dafr ist seit 2009 bereits deutlich geschrumpft. Die Finanzierungslogik, auf die sich die Groe Koalition seinerzeit verstndigt und an der Schwarz-Gelb faktisch nichts gendert hat, ist, dass die durchschnittliche Krankenkasse so gerade eben mit ihrem Geld auskommt. Wer damit nicht auskommt, muss einen Zusatzbeitrag erheben. Wer einen Zusatzbeitrag verlangen muss, stellt fest, dass er einen deutlichen Mitgliederverlust zwischen 20 und 40 Prozent erleidet darunter viele Gesunde, was die Finanzkraft weiter

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schwcht. Vor diesem Hintergrund versuchen alle Krankenkassen, einen Zusatzbeitrag zu vermeiden. Und das erweist sich zunehmend als Innovationsbremse. Das gilt sowohl fr kasseninterne Innovationen, zum Beispiel fr die eigene Informationstechnologie, wie auch fr Versorgungsinnovationen. Kassen knnen Sie heute nicht mehr damit locken, ein gemeinsames Programm zu machen, bei dem der Return on Invest erst in drei oder vier Jahren zu erwarten ist.

Wir mssen von anderen Lndern lernen, wie wir die sehr teure Arbeitskraft von rzten durch eine auch technikgesttzte neue Arbeitsteilung effektiver nutzen knnen.

Kann der Gesetzgeber dafr Anreize setzen? Etwa mit Modellklauseln oder Innovationsbudgets?Wasem: Das ist sicherlich ein Ansatz. Wir hatten beispielsweise eine Anschubfinanzierung fr die Integrationsversorgung. Ein zweiter Ansatz wre, dass der Gesetzgeber die berufsrechtliche Schnittstelle der Arbeitsteilung zwischen rzten und anderen Gesundheitsberufen sehr viel mutiger angeht.

Wir haben absehbar heute punktuell bereits in einigen Regionen Arbeitskrftemangel. Brauchen wir arbeitssparende Innovationen? Kann das bewerkstelligt werden?Wasem: Es gibt Innovationen, Teleradiologie beispielsweise, die eine regionale Ungleichheit in der Verteilung von Radiologen kompensieren hilft. Das zweite Thema, ber das dringend nachgedacht werden muss, ist die Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen. Da ist Deutschland im internationalen Vergleich weit zurck.

Helmut Laschet ist stellvertretender Chefredakteur der rzte Zeitung, Leiter des Haupstadt-Bros Berlin und Leiter des Ressorts Gesundheitspolitik / Gesellschaft.

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Management Blick hinter die Kulissen

Blick in die Fertigung von Components and Vacuum Technology (CV)

An den Grenzen des MachbarenMit ihren Ideen setzen sie in bildgebenden Systemen von Siemens Standards fr den Kunden aber bleiben die Entwicklungs- und Fertigungsingenieure fast immer im Hintergrund. Ein Blick hinter die Kulissen der Business Unit Components and Vacuum Technology (CV) von Siemens.

Von links: neuwertige, normal und extrem belastete Drehanode aus Versuchen

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Kurz zusammengefasstComponents and Vacuum Technology kurz CV ist eine Business Unit des Siemens Healthcare Sectors. Mit weltweit mehr als 3.100 Mitarbeitern fungiert CV vor allem als interner Entwicklungs- und Fertigungspartner der Geschftsgebiete, die Bildgebungs- und Therapielsungen anbieten. Darber hinaus gehen Komponenten auch in den OEM (Original Equipment Manufacturer)-Markt. Neben den deutschen Standorten Erlangen, Rudolstadt und Kemnath ist CV in Goa (Indien) sowie Wuxi und Shanghai (China) aktiv, um wachstumsstarke Mrkte mit lokalen Lsungen zu bedienen. Anspruch ist es, immer wieder die Grenzen des Machbaren auszutesten und zu verschieben technologisch, aber auch in Bezug auf eine wirtschaftliche Fertigung.

Als Dr. Jrg Freudenberger zum Interview eintrifft, legt er drei unterschiedlich abgenutzte Metallscheiben auf den Tisch. Es sind Drehanoden, extrem belastete Komponenten in jedem CT- oder Angiographiesystem. Rund 99 Prozent der Strahlenenergie in einem solchen System wird zu Wrme mit der Folge, dass sich das Material am Brenneck, an dem der Rntgenstrahl auftrifft, auf bis zu 2.400 C erhitzt. Mit unserer Drehkolbentechnologie wird diese Wrme durch Direktkhlung und intelligenten Materialeinsatz so schnell herausgezogen, dass das System sofort wieder einsatzbereit fr den nchsten Patienten ist, berichtet der Leiter mehrerer Innovationsprojekte bei CV. Fr Krankenhuser oder medizinische Versorgungszentren lsst sich diese Schnelligkeit in hohen Patientendurchsatz bersetzen, der gerade in Zeiten knapper Budgets essenziell fr einen kostendeckenden Betrieb ist. Gerade die Drehkolbentechnologie zeigt aber, dass in der Entwicklung nicht nur schnelles Reagieren auf Marktanforderungen gefragt ist, sondern manchmal auch ein langer Atem. Das Patent selbst stammt bereits von 1921. Erst die Tatsache, dass Siemens an die Idee glaubte und sie ab 1997 umsetzte, verhalf der

Technologie zum Durchbruch und machte sie zum weltweit etablierten Standard. Nicht zuletzt deshalb, weil es den Entwicklern in Zusammenarbeit mit Siemens Customer Services auch noch gelang, eine systembedingte Tcke in den Griff zu bekommen: das Lebensdauerende der Rhre. Durch die Kombination aus Sensorik, intelligenten Algorithmen und Praxiserfahrung ist es seitdem mglich, den Ausfallzeitpunkt mit hoher Zuverlssigkeit vorherzusagen. Jrg Freudenberger, der auch Siemens-Ernder des Jahres 2006 ist, interpretiert diese Errungenschaft aus Kundensicht: Ein Groteil ungeplanter Systemausflle lsst sich vermeiden was natrlich zu einer hheren Systemauslastung und Patientenzufriedenheit fhrt. Aus Bildern mehr herausholen Was bildgebende Systeme erfassen, hilft rzten anschlieend, Rckschlsse zu ziehen und Diagnosen zu erstellen. Bis dahin haben die Bilder ein gutes Stck Weg vor sich. Dr. Klaus Engel, Leiter der Visualisierung bei CV ME Imaging Solutions, beschreibt den Vorgang wie eine Pipeline: An ihrem einen Ende wird sie mit Rohinformationen gespeist. Am anderen Ende kommt eine 3D-Ansicht heraus, die gut und gern

mehrere Teravoxel gro sein kann was der 100.000-fachen Auflsung einer guten Digitalkamera entspricht. Engel zeigt, was mit einem rekonstruierten Bild des Schdel- und Halsbereichs mglich ist. Ein Klick und die Knochenstrukturen verschwinden. Das CT-Bild zeigt jetzt die Details einer Halsschlagader samt gefhrlicher Gefverengung eine exzellente Grundlage, um beispiels weise eine Operation zu planen. Dass der Patient Metallplomben im Gebiss hat, die in einem herkmmlichen Bild Darstellungsfehler verursachen, kann der unvoreingenommene Betrachter nicht ahnen. Engel und das zehnkpfige CERA-Team entwickeln Algorithmen, mit denen sich solche verzerrenden Artefakte exakt erkennen und herausrechnen lassen. Siemens ist in der gesamten Kette von der Rekonstruktion bis zur Visualisierung fhrend. Unsere Algorithmen sind den gngigen Verfahren, auf die viele Wettbewerber zurckgreifen, berlegen, so Dr. Klaus Engel. Solche Verbesserungen setzen sich aber nur dann in der Praxis durch, wenn sie nicht mit lngeren Untersuchungs- und Diagnosezeiten erkauft werden mssen. Die CV-Spezialisten arbeiten deshalb an einer immer schnelleren Bildverarbeitung.

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Management Blick hinter die Kulissen

Es geht darum, hohe Datenmengen ohne immer strkere Rechnerleistung zu managen. Die Intelligenz steckt in den Algorithmen.Dr. Klaus Engel, Leiter der Visualisierung bei CV ME Imaging Solutions

Wirs orgend afr, dass hoch belastete Systeme sofort wieder einsatzbereit fr den nchsten Patienten sind.Dr. Jrg Freudenberger, Leiter Innovation Rntgenstrahlquellen und Rntgenstrahler

Frher brauchte man fr komplexe Datenstze, wie sie etwa in einem CT erzeugt werden, einiges an Geduld. Heute liegen sie sofort zum Befunden vor. Wenn der Arzt dann das Bild analysiert, kann er fast beliebig in Details hineinzoomen oder Perspektiven ndern ohne Wartezeiten. Die Intelligenz, hohe Datenmengen ohne immer strkere Rechnerleistung zu managen, steckt in den Algorithmen, erlutert Engel. Fr den Arzt oder das Krankenhaus uert sich das in besserer Diagnosequalitt und gleichzeitig in hherem Patientendurchsatz. Hrter als das wirkliche Leben Unter die Oberche der Dinge zu schauen das ist auch das Credo von Dr. Bernhard Roas. Er ist bei CV fr

Material Engineering verantwortlich und das heit unter anderem: das Machbare in der Werkstofftechnik auszutesten. Schlielich mssen neue Produkte und Komponenten ber viele Jahre in kritischen Bereichen des Krankenhauses fehlerfrei und ausfallsicher funktionieren. Eben diese Verantwortung ist es, die Roas und seine Kollegen antreibt. Wir simulieren hier im Labor eine Wirklichkeit, die hrter ist als die Welt drauen, sagt er. Unter stetig gesteigerter Belastung muss jede einzelne Komponente beweisen, dass sie dem Stress des klinischen Alltags standhalten kann. Was in der Medizintechnik funktioniert, kann aber auch in anderen Bereichen wertvolle Dienste leisten. So helfen Linearbeschleuniger einerseits, in der

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Es ist falsch zu denken, man knnte sich nur verbessern, wenn etwas vorher schlecht war.Metin Begecarslan, Leiter Operational Excellence, Fertigungsstandort Kemnath

fallen oft bei CV. Schlielich gibt es auch fr einen internen Dienstleister keinen Freifahrtschein bei Siemens. Man steht im Wettbewerb zu externen Entwicklern und Komponentenherstellern. Speed, speed, speed, so Dr. Bernhard Roas, bestimmt folgerichtig den Alltag. Innovationen von CV mssen nicht nur klinische Probleme besser und effizienter lsen, sie mssen auch schneller im Markt verfgbar sein. Und bei all dem bezahlbar sein. Muster brechen und Kosten sparen Beim Thema Bezahlbarkeit ist Metin Begecarslan ein gefragter Mann. Als Leiter der Operational Excellence am Produktionsstandort Kemnath wird er nicht nur an der Fertigungsqualitt gemessen, sondern auch an Effizienz und Produktivitt. Eine stndige Herausforderung angesichts oft kleiner Stckzahlen und hoher Komplexitt. Trotzdem oder gerade deshalb schwrt Begecarslan darauf, die Mitarbeiter bei notwendigen Prozessvernderungen mitzunehmen. Wir wollten die Rstzeiten beim Schweien der bildgebenden Systeme reduzieren, erinnert sich Begecarslan. Also haben wir uns in der Fertigung hingesetzt und zusammen eine Mind Map gemacht. So konnte jeder einzelne Mitarbeiter sein Know-how einbringen. Statt Top-down kam die Prozessverbesserung direkt aus der Mannschaft. Innerhalb weniger Tage haben wir die Rstzeiten um 50 Prozent, die Leerlaufzeiten des Roboters um 70 Prozent gesenkt und zwar ohne Investitionen, die sich letztlich im Produktpreis niederschlagen wrden. In einem anderen Fall ging es darum, Arbeitspltze ergonomisch zu gestalten und Logistikkosten zu minimieren. Dazu brauchten Begecarslan und sein Team keine Prozessberater. Gemeinsam mit den Mitarbeitern in der Fertigungslinie entwarfen sie in einem 3D-Programm kurzerhand selbst neue Arbeitspltze mit optimierten Wegen. Innerhalb von zwei Wochen wurde das Konzept Wirk-

lichkeit. Muster brechen hat der Lean Manager zum Prinzip gemacht: Es ist falsch zu denken, man knnte sich nur verbessern, wenn etwas vorher schlecht war. Konsequenterweise sieht man in Kemnath auch keinen Grund, sich auf der jngst gewonnenen Auszeichnung zur Fabrik des Jahres 2011 auszuruhen. Metin Begecarslan will jetzt mit seiner Mannschaft die komplette Montage am Standort nach dem optimalen Wertstrom ausrichten und die Fertigungslinien umziehen bei laufender Produktion. Einmal mehr soll das vor allem mit Ideen funktionieren, die gleichzeitig auch Menschen zu hherer Leistung motivieren: bessere Anordnung von Materialien, strukturiertere Ablufe, mehr Transparenz. Mehr Versorgungsqualitt fr mehr Menschen Neue Technologien vorantreiben, ihre praktische Anwendung mglich machen und Komponenten im industriellen Mastab wirtschaftlich fertigen diese Rolle spielt CV innerhalb von Siemens. Fr die Kunden im Markt uert sich dies zum Beispiel in Bildern mit weniger Artefakten, in schneller khlenden Rntgenstrahlern, aber auch in hoher Liefersicherheit bei Systemen und Ersatzteilen selbst wenn diese in kleinen Stckzahlen gefertigt werden. Und nicht zuletzt darin, dass Hochtechnologie bezahlbar bleibt. Wir wollen, dass auch die Menschen in Schwellenund Entwicklungslndern von wegweisender Medizintechnik profitieren knnen, sagt Jrg Freudenberger. Ein Blick in die Gesichter von Bernhard Roas, Klaus Engel und Metin Begecarslan zeigt, dass sie jede Silbe davon unterschreiben wrden.

Wir wissen sehr schnell, ob eine Entwicklung funktioniert und sich unterv ernnftigen Bedingungen wirtschaftlich fertigen lsst.Dr. Bernhard Roas, Leiter Material Engineering

Strahlentherapie Tumoren zu bekmpfen ebenso lsst sich die hochenergetische Strahlung jedoch nutzen, um in Verbindung mit einem Detektor ganze Lastzge oder Container etwa am Zoll zu durchleuchten. Fr solche Anwendungen muss ein Linearbeschleuniger unter strengster Abschirmung im Labor auch schon mal das 50-fache einer medizinischen Strahlenbehandlung leisten. Wir erproben fr die HealthcareGeschftsgebiete das technisch Machbare im Labor, aber auch direkt auf den Fertigungsmaschinen. So wissen wir sehr schnell, ob eine Entwicklung funktioniert und sich unter vernnftigen Bedingungen wirtschaftlich fertigen lsst, erklrt Roas. Das Mgliche und das Machbare beide Schlsselwrter

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Management Act on Radiology

Auf dem Weg zum optimierten WorkowAct on Radiology ist ein neuer Beratungsansatz, der speziell auf Prozessverbesserungen in der Radiologie zugeschnitten ist. Ein Pilotprojekt mit der Universittsmedizin Gttingen zeigt, wie gut Act on Radiology funktioniert und wo heute die Herausforderungen fr radiologische Workows liegen.

Act on Radiology macht es mglich, genau diese Organisationsreife quantitativ zu erfassen und zu evaluieren.Prof. Dr. med. Joachim Lotz, Direktor des Institutes fr Klinische und Interventionelle Radiologie in der Universittsmedizin Gttingen

Die Radiologie: ein Fachgebiet im Spannungsfeld zwischen Standardisierung und Individualisierung. Whrend Krankheitsbilder, Diagnostik und Therapie immer vielschichtiger werden, erhht die zunehmende Digitalisierung das Arbeitstempo. Gleichzeitig steigt der Anspruch an eine personalisierte Medizin. Eine zukunftsfhige Radiologie muss hier Schritt halten knnen. Nur: Wie optimiert man die Prozesse rund um die immer komplexer werdenden bildgebenden Systeme nachhaltig? Kann man eine Workflow-Analyse exakt auf die Ablufe einer Radiologie zuschneiden? Und wie erfllt man definierte Qualittsstandards bei knapperen Ressourcen? inside:health sprach mit Prof. Dr. med. Joachim Lotz, Direktor des Institutes fr Klinische und Interventionelle Radiologie in der Universittsmedizin Gttingen. Professor Lotz gilt als Experte auf dem Gebiet der Bildgebung des Herzens und der Leber. Er leitet das Institut seit dem Frh-

jahr 2010 und treibt seitdem umfassende Umstrukturierungen und Verbesserungen der radiologischen Prozesse voran. Das Beratungsprojekt Act on Radiology kam fr den 43-Jhrigen zum genau richtigen Zeitpunkt. In der Radiologie der Universittsmedizin Gttingen hat sich seitdem viel verndert.

Professor Lotz, wie beurteilen Sie die Situation der Radiologie in Deutschland?Prof. Dr. med. Joachim Lotz: Ich glaube, die Radiologie ist im Augenblick in einer sehr guten Situation: Sie ist ein groes, hoch innovatives Feld. Einerseits sehen wir die Tendenz zur zunehmenden klinischen Subspezialisierung auf breiter Front von der Onkologie bis zur Gefmedizin. Gleichzeitig berblicken wir einen groen Bereich der klinischen bildgebenden Diagnostik und interventionellen Therapie von der Orthopdie bis zur lokal ablativen Tumortherapie. Wir mssen den Bedarf an kompetenter Prsenz in

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Kurz zusammengefasstAct on Radiology ist ein Beratungsansatz, der speziell auf die Prozessverbesserung in der Radiologie zugeschnitten ist. Basierend auf einem systematischen Modell misst Act on Radiology den Reifegrad komplexer klinischer Prozesse auf einer Skala von 1 bis 5 und bietet individuelle und nachhaltige Optimierungsvorschlge an. In dem Institut fr klinische und interventionelle Radiologie der Universittsmedizin Gttingen wurden durch Act on Radiology u. a. Verbesserungen im Komplikations- und Qualittsmanagement initiiert.

Seit Frhjahr 2010 treibt Prof. Dr. med. Joachim Lotz umfassende Umstrukturierungen und Verbesserungen radiologischer Prozesse voran

zahlreichen Tumor-Boards bedienen, engagieren uns in verschiedensten Zentren, themenbezogen oder krankheitsbezogen. Und auf der anderen Seite deuten sich ganz neue Themengebiete an: optische und molekulare Bildgebungsstrategien, teilweise auch schon mit hochspezischen therapeutischen Optionen. Das ist unser Spannungsfeld, das wir mit knappen Personalressourcen bestreiten.

PETCT und so weiter und was ist denn jetzt eigentlich das Beste fr den Patienten? Fr uns heit das: Standards schaffen im Arbeiten, aber hoch individualisiert bleiben in der Entscheidungsndung. Daran wird sich eine Radiologie in Zukunft messen lassen mssen.

Was ist fr den reibungslosen Ablauf in der Radiologie wichtig?Lotz: Klar standardisierte Workows, um fr jeden Patienten die optimale, individualisierte Therapie und Diagnostik zu nden. Und eine WorkowOptimierung, die dafr sorgt, dass man trotz knapper Personalressourcen, trotz zunehmend knapper nanzieller Ressourcen fr neue Gerte und Verfahren immer noch einen optimalen Ablauf hat. Wir mssen in unserem Ablauf klar darstellen knnen: Wie wird eine Untersuchung durchgefhrt? Welche Rahmenbedingungen mssen erfllt sein? Wie werden die Daten kommuniziert und kontrolliert? Das sind elementare Dinge fr eine moderne Radiologie.

Wie haben sich im Laufe der Zeit die Prozesse in Ihrer Radiologie entwickelt?Lotz: Wir erleben ganz klar den nachhaltigen Einzug der elektronischen Medien. Wir sind gerade dabei, das elektronische Anmeldeverfahren Order Entry einzufhren. Dadurch erreichen wir eine viel bessere Transparenz der Radiologie. Gleichzeitig haben wir viel krzere Zykluszeiten der radiologischen Arbeit. Es wird verlangt, dass wir rascher unsere Ergebnisse liefern und in viel hherer Qualitt. Heute heit es nicht mehr nur: Wir haben ein CT. Sondern: Wir haben ein CT, ein MRT, ein

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Management Act on Radiology

Act on Radiology ist eine neue Herangehensweise, um die Arbeitsablufe in der Radiologie zu optimieren. Was waren fr Sie die entscheidenden Grnde, an dem Projekt teilzunehmen?Lotz: Es gab mehrere Grnde. Zum einen hat mir das Konzept sehr gut gefallen: eine kurze Evaluationsphase, die sich nicht so sehr auf das Wirtschaftliche, sondern eher auf das Organisatorische und auf die weichen Faktoren einer Abteilung fokussiert. Wirtschaftliche Daten sind harte Daten, die Sie sehr gut berprfen knnen. Aber die andere Seite, die Organisations- und Workow-Optimierung, ist quantitativ schwer zu fassen. Act on Radiology macht es mglich, genau diese Organisationsreife quantitativ zu erfassen und zu evaluieren. Mit Act on Radiology bekommen Sie eine gute bersicht ber die Organisationsstruktur, fr die Zukunftsfhigkeit der Abteilung.

ist eine groe Strke, die ich gar nicht genug betonen kann. Es macht die Zusammenarbeit deutlich einfacher. Darber hinaus schtze ich die Innovationskraft, die Offenheit fr neue Ideen. Und ich schtze die technische Grndlichkeit, mit denen neue Ideen in funktionierende Produkte umgesetzt werden.

Wem wrden Sie Act on Radiology eher empfehlen: Jemandem, der gerade eine Abteilung neu aufbaut, oder auch Radiologen, die schon lnger Praxen, Kliniken oder Institute betreiben?Lotz: Beiden. Fr denjenigen, der startet, ist es eine Hilfe, durch eine externe Sichtweise herauszunden, wo die Mglichkeiten einer Verbesserung der Abteilung liegen. Fr denjenigen, der schon lnger im Geschft ist, und der jeden Tag in seinem alteingesessenen Workow arbeitet, ist es ein Anlass, sich selbst zu hinterfragen: Ist die Art, wie wir arbeiten, noch zeitgem? Ist sie noch zukunftsorientiert? Diese Fragen werden durch Act on Radiology untersttzt.

Welchen Hauptnutzen hat Act on Radiology fr Sie? Was wrden Sie einem Kollegen sagen, welchen Output, welchen Nutzen er davon hat?Lotz: Den Ansatz einem Kollegen zu empfehlen das habe ich tatschlich schon mehrfach gemacht! Man wird sich bewusst, wo man sich organisatorisch noch verbessern kann. Es gibt ja immer mehrere Feuer, die man zu lschen hat. Act on Radiology hilft, kleine Brandherde und Buschfeuer voneinander zu unterscheiden. Und man kriegt von Act on Radiology eine hierarchische Struktur der Verbesserungsmglichkeiten.

Beim diesjhrigen RSNA prsentieren Sie zusammen mit den Beratern von Siemens einen Vortrag zur Anwendung von Reifegradmodellen zur Qualitts- und Prozessverbesserung. Wie schtzen Sie die Bedeutung solcher Anstze in der Wissenschaft ein?Lotz: In dem Vortrag geht es mehr um das Prinzip der Quantizierung der Organisationsstruktur eines klinischen Betriebs. Aber unbenommen ist, dass eine nachhaltige Forschung auch eine efziente Organisationsstruktur bentigt die dann die notwendigen Freiheitsgrade in der eigentlichen Forschungsarbeit schafft. Insofern knnte ich mir die Ausweitung von Act on Radiology auch auf den wissenschaftlichen Betrieb vorstellen. Das wre eine interessante Perspektive.

Gibt es konkrete Dinge, die Sie aufgrund der Act-on-Radiology-Analyse umgesetzt haben? Und was hat sich konkret verbessert?Lotz: Eine ganze Menge! Unser Institut wird komplett umstrukturiert, und Act on Radiology hat mir geholfen zu denieren, was ich als erstes anpacke. Das Spektrum reicht vom Komplikations- und Qualittsmanagement bis zur Aus- und Weiterbildung und internen Fortbildungen. Komplikations- und Qualittsmanagement sind die beiden Bereiche, wo wir am meisten von Act on Radiology protiert haben.

Wie sehen Sie die Zukunft der Radiologie? Wie werden Sie sich darauf einstellen und was wnschen Sie sich von Siemens?Lotz: Die Radiologie ist gerade dabei, ihre zentrale Rolle in der Bildgebung zu festigen und auszubauen. Das fngt mit der molekularen Bildgebung an und geht bis zu den neueren, bildbasierten Therapiesystemen. Die Grenze zwischen Diagnostik und Therapie wird sich immer mehr verwischen. Dabei helfen uns die modernen interventionellen Verfahren, aber auch die neueren optischen Anstze und

Was schtzen Sie an der Zusammenarbeit mit Siemens?Lotz: Die Bereiche von Siemens Healthcare, mit denen ich zusammenarbeite, haben eine erfreuliche Personalkonstanz in den Entscheidungsebenen. Das

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Act on Radiology hat mir geholfen zu denieren, was ich als erstes anpacke.Prof. Dr. med. Joachim Lotz, Direktor des Institutes fr Klinische und Interventionelle Radiologie in der Universittsmedizin Gttingen

Seit dem Beratungsprojekt Act on Radiology hat sich in der Radiologie der Universittsmedizin Gttingen viel verndert

hochspezischen bildgebenden Strategien. Fr diese Entwicklung ist die Radiologie in Deutschland gut aufgestellt weil sie aktiv an ihren Zukunftsfeldern arbeitet. Wir selbst haben eine hochaktive interdisziplinre Arbeitsgruppe in der prklinischen Bildgebung, die mir viel Freude bereitet. Auerdem motivieren wir unsere Nachwuchskrfte, sich in den neu geschaffenen Kooperationen innerhalb des Universittsklinikums und mit den Max-PlanckInstituten in Gttingen zu engagieren wir haben hier ja allein drei Max-Planck-Institute, die sich direkt mit medizinischer Bildgebung beschftigen. Da zeichnet sich eine wunderbare interdisziplinre Dynamik ab, die auch schon die ersten Frchte trgt. Von Siemens erwarte ich, dass das Unternehmen auch weiterhin neue Ideen zur bildgebenden

und bildverarbeitenden Forschung aktiv untersttzt. Dazu zhlt auch die Bereitschaft, weiter offen ber neue Formen der Betriebsorganisation der Grogerte in der Bildgebung oder der bildgefhrten Therapie nachzudenken. Ein Gedanke knnte zum Beispiel sein: weg vom Einzelgert, hin zur garantierten Verfgbarkeit von bildgebenden Technologien.

Herr Professor Lotz, vielen Dank fr das Gesprch.INFO / KONTAKT:

www.siemens.de/acton [email protected]

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Management Green+ Hospitals

Das Klinikum St. Marien Amberg unterzog sich dem Green+ Check von Siemens

Nachhaltigkeit als gelebte UnternehmensphilosophieUm dem Ziel einer nachhaltigen Verbesserung der Wettbewerbsfhigkeit nher zu kommen, hat das Klinikum St. Marien Amberg den Green+ Check gemacht. Jetzt kennen die Verantwortlichen vor Ort die Strken und Schwchen ihres Hauses und planen schon die nchsten Schritte in Richtung Umwelt, Qualitt und Efzienz.

Steigende Energiekosten, knappe Ressourcen, zunehmender Wettbewerb. Heute mssen moderne Krankenhuser Aufgaben erfllen, die weit ber ihre medizinische Leistung hinausgehen. Nur wer sich den neuen Herausforderungen stellt, wird nachhaltig erfolgreich im hart umkmpften Gesundheitsmarkt sein. Deshalb hat Siemens den Green+ Check entwickelt: Eine standardisierte Bewertungsmethodik, die Krankenhuser bei der

Erreichung ihrer konomischen und kologischen Ziele untersttzt und hilft, deren Infrastruktur hinsichtlich der Aspekte Umwelt, Qualitt und Effizienz nachhaltig auszurichten. inside:health sprach mit zwei Entscheidungstrgern des Klinikums St. Marien Amberg Klinikvorstand Wilhelm Daller und Dr. med. Harald Hollnberger, Vorstandsassistent und Leiter rztliches Qualittsmanagement.

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Dr. med. Harald Hollnberger, Vorstandsassistent und Leiter des rztlichen Qualittsmanagements

Herr Dr. Hollnberger, wie beurteilen Sie die Situation der Krankenhauslandschaft in Deutschland? Welchen Herausforderungen mssen Sie sich stellen?Dr. med. Harald Hollnberger: Das deutsche Gesundheitswesen geniet international einen her vorragenden Ruf. Trotzdem ist die Situation der Krankenhuser in Deutschland heute sehr angespannt. Neben groen konomischen und politischen Zwngen sind die Krankenhuser mit einer Flle von Herausforderungen konfrontiert Wirtschaftlichkeit, demographische Entwicklung und die Gewinnung von qualiziertem Fachpersonal sind die wesentlichen Herausforderungen, denen sich Krankenhuser zu stellen haben.

Kurz zusammengefasstDer Green+ Check ist eine standardisierte Bewertungsmethodik, die Krankenhuser dabei untersttzt, ihre Selbsteinschtzung zu berprfen, Verbesserungspotenziale zu erkennen und ihre konomischen und kologischen Ziele zu erreichen. Untersucht werden die drei Dimensionen Umwelt, Qualitt und Efzienz. Wesentliche Kennzahlen aus diesen drei Dimensionen werden ausgewertet und in Zusammenarbeit mit Verantwortlichen aus allen Bereichen des Krankenhauses hinterfragt. berprft werden Punkte wie Energieefzienz, Gebudeinfrastruktur, Kommunikation, Workow oder Medizintechnik. Das Ergebnis ist der Green+ Score, ein individueller Nachhaltigkeitsindex eines Krankenhauses, der mit dem Green+ Radar den Verantwortlichen vor Ort auf einen Blick zeigt, wo die Strken und Schwchen des Hauses liegen und wo sich Verbesserungsmanahmen am schnellsten bezahlt machen zum Wohle der Patienten, im Interesse des wirtschaftlichen Erfolgs und fr den Schutz unserer Umwelt.

Green+ Hospitals soll Sie bei der Erreichung Ihrer konomischen und kologischen Ziele untersttzen. Welchen Stellenwert hat die Nachhaltigkeit fr Sie?Hollnberger: Nachhaltigkeit ist ein Kernelement unserer Unternehmensphilosophie und spielt bei allen Investitionen und in der Unternehmensstrategie eine zentrale Rolle. Ein langfristiger konomischer und auch kologischer Erfolg wre sonst nicht mglich.

Green+ Hospitals bietet aufeinander aufbauende Module an. Was halten Sie von diesem Konzept?

Hollnberger: Das Konzept ist sehr interessant und attraktiv, da sich die angebotenen Module ideal ergnzen. Die gewhlte Konstellation ist vom Ansatz her neu und fr uns absolut berzeugend. Hier wurde sicherlich Pionierarbeit geleistet.

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Management Green+ Hospitals

Dr. med. Harald Hollnberger und Klinikvorstand Wilhelm Daller neben der historischen Turmuhr aus dem ehemaligen Gebude des Klinikums St. Marien

Sie haben sich krzlich dem Green+ Check von Siemens unterzogen. Was waren Ihre Beweggrnde fr diesen Schritt?Hollnberger: Das Klinikum St. Marien Amberg betreibt Qualittsmanagement als gelebte Unternehmensphilosophie. Wir sind seit 2003 zertiziert und wurden in den vergangenen Jahren mit zahlreichen nationalen Auszeichnungen bedacht. Wir sehen uns als ein Anbieter, der durch seine hervorragenden Leistungen und seinen exzellenten Ruf bestehen will. Dabei spielen fr uns die Markeninhalte Medizin, Menschlichkeit und Miteinander eine zentrale Rolle. Der Green+ Check hilft uns, unsere Position im nationalen Vergleich zu strken. Wilhelm Daller: Unser Klinikum hat in der Vergangenheit sehr viel in Richtung Umwelt und Nachhaltigkeit getan und groe Investitionen gettigt. Ich nenne hier nur unser Energieefzienzmanagement, das auf dem modernsten Stand ist. Als Blick von auen hilft uns der Green+ Check zu prfen, ob unsere Manahmen richtig sind und zum Erfolg fhren.

Was bedeutet Green+ Check fr eine Klinik und was wurde konkret in Ihrem Haus gemacht?Hollnberger: Zunchst haben wir wesentliche Kennzahlen fr die Bereiche Umwelt, Efzienz und Qualitt an Siemens zur Auswertung weitergeleitet. In spezischen Interviews mit Verantwortlichen verschiedenster Bereiche wurden diese Kennzahlen und weitere Kernprozesse dann hinterfragt und bewertet. Wesentlich ist dabei, dass Siemens ber einen Datenpool und ber Benchmarkingdaten verfgt, die eine klare und objektive Bewertung erlauben.

Hat der Green+ Check den Ablauf in Ihrem Haus beeintrchtigt oder in starkem Mae Ressourcen aus dem eigenen Haus gebunden?Hollnberger: Der Aufwand seitens des Klinikums war sehr berschaubar. Ein wesentlicher Punkt war, unsere exakten Kennzahlen zu liefern. Da wir in diesem Bereich ber eine gute Zahlengrundlage ver fgen und diese Daten hug von uns genutzt werden, ging das schnell. Die Interviews konnten innerhalb von zwei Tagen abgewickelt werden. berraschend war fr uns vor allem die Przision und Erkenntnistiefe, die mit der gewhlten Methodik in so kurzer Zeit dargestellt werden konnte.

Warum haben Sie sich fr Siemens als Partner entschieden?Daller: Siemens hat gerade in den vergangenen Jahren durch seine Neuausrichtung das Element der Nachhaltigkeit zu einem zentralen Unternehmensthema gemacht. Dieser ganzheitliche Denkansatz ist sicherlich wegweisend fr die Zukunft. Wir haben in der Vergangenheit immer eine konstruktive, kompetente und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Siemens gehabt. Von daher waren wir uns sicher, dass mit Green+ Check ein sehr gutes Ergebnis herauskommt.

Was hat der Green+ Check fr Ihr Haus gebracht? Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?Daller: Die externe Bewertung der eigenen Philosophie war sehr hilfreich. Wir sehen nun viel klarer, wie weit wir vorangeschritten sind und wo wir im natio-

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nalen Vergleich stehen. Zudem wurden in der Abschlussprsentation einige Projekte zur langfristigen, nachhaltigen Positionierung unseres Klinikums vorgestellt, die wir gerne und zgig umsetzen wollen.

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Welche Manahmen werden Sie angehen?Daller: Wir werden versuchen, unser Kennzahlensystem weiter zu verfeinern und den Bereich Umwelt strker einzubinden. Des Weiteren wollen wir die IT noch mehr an die medizinischen Kernprozesse heranfhren sowie die medizinische Prozesssteuerung und Prozessbegleitung mittels Kennzahlen weiter vertiefen. Im Bereich der Energetik werden wir versuchen, ein Lichtkonzept fr unsere Klinik umzusetzen. Zudem arbeiten wir derzeit an einer Lsung zur sicheren Patientenidentikation.

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Wo liegt fr Sie der Hauptnutzen aus wirtschaftlicher und medizinischer Sicht?Hollnberger: Der Hauptnutzen besteht im ganzheitlichen Betrachtungsansatz. Fr die beteiligten Bereiche ist es von groem Nutzen zu sehen, wie sich die einzelnen Mosaiksteine in der Gesamtheit zu einem Bild zusammenfgen, das auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit eine besondere Bedeutung erfhrt. Das Verstndnis der einzelnen Bereiche freinander wird dadurch sehr gefrdert und die gesamtunternehmerische Betrachtungsweise fr die Mitarbeiter klarer. Im medizinischen Bereich zeigt sich, dass hug vermeintlich sekundre Effekte aus gesamtunternehmerischer Perspektive von wesentlichem Interesse sein knnen und auch bei einer Neuinvestition adquat zu bercksichtigen sind.

Ef f izienzDaller: Aufwand und Ressourceneinsatz bei Green+ Check sind gering, die Ergebnistiefe ist vorbildlich. Es gibt bereits einige Anfragen von Kollegen aus anderen Husern und ich kann ber Green+ Check nur positiv berichten.

Der Green+ Check untersttztK rankenhuser bei der Erreichung ihrer konomischen und kologischen Ziele

Das bayerische Gesundheitsministerium hat den Green+ Check positiv bewertet. Welchen Nutzen hat diese wohlwollende Begleitung fr Sie?Hollnberger: Das erfllt mich mit Begeisterung. Das bayerische Gesundheitsministerium hat so die Mglichkeit, die Verbreitung des Verfahrens zu frdern. Weiterhin kann es durch die objektive Bewertungsbasis gezielt die Kliniken frdern und untersttzen, die Nachhaltigkeit vorleben. Ich knnte mir auch vorstellen, dass ein Ranking auf Landes- oder Bundesebene eingefhrt wird, um Nachhaltigkeit im Krankenhausbereich transparent darzustellen. Ich wrde mir wnschen, dass diese Mglichkeiten umfassend genutzt werden.

Was schtzen Sie an der Zusammenarbeit mit Siemens?Daller: Ich schtze sehr die Professionalitt, die Zuverlssigkeit und die Grndlichkeit, mit der Siemens arbeitet egal in welchem Bereich. Die Ergebnisse waren immer zu unserer vollsten Zufriedenheit.

Wrden Sie Siemens Ihren Kollegen weiterempfehlen und warum?Hollnberger: Das habe ich bereits mehrmals getan. Zum einen, weil ich davon berzeugt bin, dass der Green+ Check eine ideale Methodik als Grundlage hat, um den Aspekt der Nachhaltigkeit in der Unternehmensfhrung eines Krankenhauses objektiv und sachlich herauszuarbeiten. Zum anderen glaube ich als Pilotvisitor des KTQ-Verfahrens, dass der Green+ Check eine ideale Ergnzung zu den bisherigen Bewertungssystemen im Rahmen des Qualittsmanagements im Krankenhausbereich darstellt.

Herr Dr. Hollnberger, Herr Daller, vielen Dank fr das Gesprch.

INFO / KONTAKT:

www.siemens.de/green+hospitals [email protected]

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Management Green+ Hospitals

Die Zukunft ist grnVon einer medizinischen Einrichtung erwarten die Patienten eine bestmgliche Versorgung bei gesundheitlichen Problemen. Doch moderne Medizin ist mehr als das, wie das private Krankenhaus Ethianum in Heidelberg zeigt, das sich auf Prvention und plastisch-rekonstruktive, sthetische Chirurgie spezialisiert hat.Von Philipp Grtzel von Grtz

Wenn im Ethianum ber Nachhaltigkeit gesprochen wird, dann geht es um Versorgungsqualitt, Effizienz und Umweltschutz. Von auen sieht das Ethianum ziemlich normal aus. Gut, das Dach ist begrnt. Die Fenster sind ein wenig grer, als von einem Krankenhaus zu erwarten wre. Es gibt einige schne Balkons, teilweise mit Ausblick auf den Neckar. Und der Rasen ist akkurat geschnitten. So richtig beeindruckend wird das Krankenhaus aber erst, wenn der Besucher es betritt. Was ihn dort erwartet, ist kein bliches Krankenhausfoyer. Es ist eher eine Kathedrale. Mit dem runden Fenster ganz oben in der Kuppel erinnert der Empfangsraum ein wenig an das rmische Pantheon. Anders als beim echten Pantheon ist die Dachluke allerdings verglast. Heidelberg ist eben doch keine Stadt am Mittelmeer. Das ist aber so ziemlich der einzige Kompromiss. Wie man es von einem Pantheon erwarten wrde, zieren die Namen der groen Helden der Medizin das Rund der Kuppel: Sauerbruch, Galenus, Hippokrates, Al-Razi, um nur einige zu nennen. Weiter unten sind die Wnde ausgekleidet mit etwas, das aussieht wie Kupfer. Es ist kein Kupfer, aber ein berzeugendes Imitat. Neue Standards in Sachen Umweltfreundlichkeit und Effizienz Eine hotelartige Atmosphre in einem Krankenhaus zu erzeugen, ist nicht so sehr eine Frage des Geldes. Es ist vor allem eine Frage der sthetischen

Ethianum Heidelberg

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Vision und deren Umsetzung, sagt Dr. Peter Grlich, Managing Director des Ethianums. Tatschlich sind es vor allem die Details, die den Blick des Besuchers auf sich ziehen: Der Fuboden ist nicht blau oder grn, sondern dunkelbraun und von parkettartiger Textur. Die Schrnke und Regale sind betont schick und zeitgem. berall liegen aktuelle Ausgaben von Lifestyle-Magazinen herum, die auf Leser warten. Auch das ist brigens gar nicht so teuer. Eine unserer Angestellten ist eine Hotelexpertin, und sie wusste, wie wir an diese Abonnements zu sehr fairen Preisen kommen. Stil und eine gewisse Grandezza ist das, was dem Besucher des Ethianums als erstes auffllt. Doch