infektion, medikamente, rheuma oder tumor?

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Patient mit Fieber Infektion, Medikamente, Rheuma oder Tumor? Fieber ist ein häufiges, allerdings sehr unspezifisches Symptom, hinter dem sich Vieles verbergen kann. Wie auch bei der Abklärung anderer Leitsymptome, gilt auch beim Fieberpatienten: an Häufiges sollte man häufig und an Seltenes seltener denken. - Fieber liegt dann vor, wenn die Kör- pertemperatur – oral gemessen – über 38°C ansteigt. Temperaturen bis 38°C werden als subfebrile Temperaturen be- zeichnet, ab 38,5 °C als Fieber, und ab 39°C spricht man von hohem Fieber. Axillär gemessene Temperaturen liegen im Mittel 0,5°C niedriger, die rektalen Werte dagegen ca. 0,5°C höher als oral bestimmte Werte. Am zuverlässigsten sind rektal gemessene Temperaturen. Erhöhung des zentralen Sollwerts Fieber entsteht durch eine Erhöhung des Sollwerts der Körpertemperatur im vor- deren Hypothalamus, d. h. im ermo- regulationszentrum. Substanzen, die das Fieber auslösen, nennt man Pyroge- ne. Endogene Pyrogene sind verschiede- nen Zytokine (z. B. Interleukine, Tumor- nekrosefaktor, Interferon). Diese Pyro- gene stimulieren zentrale Rezeptoren mit der Folge einer vermehrten Bildung von Prostaglandinen und der Stimula- tion des autonomen Nervensystems. Es kommt zu einer peripheren Vasokons- triktion, um Wärmeverlust zu vermin- dern, und zu einem Frösteln, was die Wärmeproduktion steigert. Gleichzeitig wird die Schweißproduktion he- rabgesetzt. Endogene Pyrogene werden sowohl von Tumorzellen sezerniert, als auch beim massiven Untergang von Körperzellen oder aus Zerfallsproduk- ten bei Hämatomen freigesetzt. Gleiches passiert bei Antigen-Antikörper-Reak- tionen im Rahmen von Autoimmun- erkrankungen oder bei Medikamenten- allergien. Bei Infektionen werden zu- nächst exogene Pyrogene, d. h. Bestand- teile der Mikroben, freigesetzt, die ihrer- seits wiederum die Bildung endogener Pyrogene stimulieren. Unterschiedliche Fiebertypen Der klinische Verlauf des Fiebers ist sehr unterschiedlich und kann wichtige dif- ferenzialdiagnostische Hinweise liefern. Beim kontinuierlichen Fieber (meist > 39°C) bleibt die Körpertemperatur gleichmäßig hoch (z. B. Typhus, Pneu- mokokkenpneumonie, Brucellose). Beim remittierenden Fieber beträgt der Unterschied zwischen Morgen- und Abendtemperatur bis zu 2°C (z. B. Tuber- kulose, Sinusitis, Bronchopneumonie, Virusinfektionen, rheumatische Erkran- kungen). Extreme Schwankungen (> 2°C ) im Tagesverlauf mit afebrilen Phasen vor al- lem morgens kennzeichnen das inter- mittierende Fieber (z. B. septische Pro- zesse, Abszesse, akute Pyelonephritis, Malaria tropica). Liegen regelmäßige periodische Fie- berepisoden vor, die von fieberfreien Ta- gen unterbrochen sind, spricht man von rekurrierendem Fieber (z. B. Malaria, Rückfallfieber). Beim undulierenden Fieber kommt es zu einem langsamen Anstieg und Abfall der Körpertemperatur im Verlauf von Tagen (z. B. Morbus Hodgkin, Brucello- se – letztere kann auch mit undulieren- dem Fieber einhergehen, s.o.). Der Schüttelfrost ist durch einen ra- schen und hohenFieberanstieg mit grob- schlägigen, unwillkürlichen Muskelkon- traktionen gekennzeichnet, die zu Zäh- ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG _ FOLGE 400 © Gina Sanders / fotolia.com Fieber – nicht immer ist es leicht, die Ursache zu erkennen. This article is part of a supplement not sponsored by the industry. 64 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (Sonderheft 1) ?? _ Thema ?? _ Thema ?? _ Thema Dr. med. Peter Stiefelhagen Chefarzt der internistischen Abteilung, DRK-Krankenhaus, Hachenburg In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer Teilnahme unter www.springermedizin.de/kurse-mmw

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Page 1: Infektion, Medikamente, Rheuma oder Tumor?

Patient mit Fieber

Infektion, Medikamente, Rheuma oder Tumor?Fieber ist ein häu� ges, allerdings sehr unspezi� sches Symptom, hinter dem sich Vieles verbergen kann. Wie auch bei der Abklärung anderer Leitsymptome, gilt auch beim Fieberpatienten: an Häu� ges sollte man häu� g und an Seltenes seltener denken.

−Fieber liegt dann vor, wenn die Kör-pertemperatur – oral gemessen – über 38°C ansteigt. Temperaturen bis 38°C werden als subfebrile Temperaturen be-zeichnet, ab 38,5 °C als Fieber, und ab 39°C spricht man von hohem Fieber. Axillär gemessene Temperaturen liegen im Mittel 0,5°C niedriger, die rektalen Werte dagegen ca. 0,5°C höher als oral bestimmte Werte. Am zuverlässigsten sind rektal gemessene Temperaturen.

Erhöhung des zentralen SollwertsFieber entsteht durch eine Erhöhung des Sollwerts der Körpertemperatur im vor-deren Hypothalamus, d. h. im � ermo-regulationszentrum. Substanzen, die das Fieber auslösen, nennt man Pyroge-ne. Endogene Pyrogene sind verschiede-nen Zytokine (z. B. Interleukine, Tumor-nekrosefaktor, Interferon). Diese Pyro-gene stimulieren zentrale Rezeptoren mit der Folge einer vermehrten Bildung von Prostaglandinen und der Stimula-tion des autonomen Nervensystems. Es

kommt zu einer peripheren Vasokons-triktion, um Wärmeverlust zu vermin-dern, und zu einem Frösteln, was die Wärmeproduktion steigert. Gleichzeitig wird die Schweißproduktion he-rabgesetzt. Endogene Pyrogene werden sowohl von Tumorzellen sezerniert, als auch beim massiven Untergang von Körperzellen oder aus Zerfallsproduk-ten bei Hämatomen freigesetzt. Gleiches passiert bei Antigen-Antikörper-Reak-tionen im Rahmen von Auto immun-erkrankungen oder bei Medikamenten-allergien. Bei Infektionen werden zu-nächst exogene Pyrogene, d. h. Bestand-teile der Mikroben, freigesetzt, die ihrer-seits wiederum die Bildung endogener Pyrogene stimulieren.

Unterschiedliche Fiebertypen Der klinische Verlauf des Fiebers ist sehr unterschiedlich und kann wichtige dif-ferenzialdiagnostische Hinweise liefern.

Beim kontinuierlichen Fieber (meist > 39°C) bleibt die Körpertemperatur gleichmäßig hoch (z. B. Typhus, Pneu-mokokkenpneumonie, Brucellose).

Beim remittierenden Fieber beträgt der Unterschied zwischen Morgen- und Abendtemperatur bis zu 2°C (z. B. Tuber-kulose, Sinusitis, Bronchopneumonie, Virusinfektionen, rheumatische Erkran-kungen).

Extreme Schwankungen (> 2°C ) im Tagesverlauf mit afebrilen Phasen vor al-lem morgens kennzeichnen das inter-mittierende Fieber (z. B. septische Pro-zesse, Abszesse, akute Pyelonephritis, Malaria tropica).

Liegen regelmäßige periodische Fie-berepisoden vor, die von � eberfreien Ta-gen unterbrochen sind, spricht man von rekurrierendem Fieber (z. B. Malaria, Rückfall� eber).

Beim undulierenden Fieber kommt es zu einem langsamen Anstieg und Abfall der Körpertemperatur im Verlauf von Tagen (z. B. Morbus Hodgkin, Brucello-se – letztere kann auch mit undulieren-dem Fieber einhergehen, s.o.).

Der Schüttelfrost ist durch einen ra-schen und hohenFieberanstieg mit grob-schlägigen, unwillkürlichen Muskelkon-traktionen gekennzeichnet, die zu Zäh-

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Fieber – nicht immer ist es leicht, die Ursache zu erkennen.

■ This article is part of a supplement not sponsored by the industry.

64 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (Sonderheft 1)

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Dr. med. Peter Stiefelhagen Chefarzt der internistischen Abteilung, DRK-Krankenhaus, Hachenburg

In Zusammenarbeit mit der In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer

Teilnahme unter www.springermedizin.de/kurse-mmw

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neklappern und Schütteln am ganzen Körper mit entsprechender Mitbewe-gung des Bettes führen (z. B. Sepsis, bak-terielle Endokarditis, Pneumonie, schwere allergische Reaktionen bzw. Transfusionszwischenfälle).

Ursachen des FiebersInfektionenInfektionen der oberen Lu� wege sind die häu� gsten Ursachen des Fiebers. Meist handelt es sich um virale Infektio-nen. Eine bakte rielle (Super-)Infektion verändert das klinische Bild: Das Fieber steigt (> 38,5°C), das Allgemeinbe� n-den verschlechtert sich und das Nasen-sekret bzw. Sputum wird spätestens dann eitrig. Im Blutbild � ndet sich meist eine Leukozytose mit Linksver-schiebung. Bei rein viralen Infektionen besteht eine leichte Leukopenie mit re-lativer Lymphozytose.

Plötzlicher Krankheitsbeginn mit ho-hem Fieber, Frösteln, Halsschmerzen, geröteter Rachenschleimhaut, Heiserkeit und trockenem Husten sowie ein ausge-prägtes allgemeines Krank heitsgefühl bedingt durch Kopf-, Glieder- und Mus-kelschmerzen – das sind typische Symp-tome der In� uenza. Bei dieser Erkran-kung sind bakterielle Superinfektionen vor allem der Lunge relativ häu� g.

Rheumatisches Fieber. Das akute rheu-matische Fieber, das heute in Europa praktisch nicht mehr vorkommt, tritt im Abstand von zwei bis drei Wochen nach einer Streptokokkeninitialerkran-kung ein. Meist handelt es sich um eine Angina tonsillaris. Das rheumatische Fieber ist eine Immunkomplexerkran-kung.

Für die Diagnosestellung werden Ma-jor-Kriterien und Minor-Symptome (Jones-Kriterien ) unterschieden. Major-Kriterien sind: Karditis, Polyarthritis, Chorea minor, Erythema anulare und Rheumaknoten an den Streckseiten der Extremitäten. Zu den Minor-Sympto-men gehören: Fieber, Gelenkschmerzen, erhöhte Entzündungsparameter (BSG, CRP), ein rheumatisches Fieber in der Anamnese, ein rheumatischer Herzklap-penfehler und eine verlängerte PQ- oder PR-Zeit im EKG. Die Diagnose gilt als

gesichert, wenn bei Nachweis eines vo-rangegangenen Streptokokkeninfektes zwei Major-Kriterien oder ein Major-Kriterium plus zwei Minor-Symptome vorliegen.

Pneumonie. Ambulant erworbene Pneu-monien werden durch Pneumokokken, Hämophilus in� uenzae, Klebsiella pneumoniae und Staphylokokken verur-sacht, wobei letztere zu Abszessen füh-ren. Die atypischen Pneumonien, die durch Mykoplasmen, Chlamydien, Legi-onellen oder Rickettsien verursacht wer-den, nehmen an Häu� gkeit zu. Bei im-mumsupprimierten Patienten müssen auch seltene Erreger und Pilze als Ursa-che diskutiert werden, bei Aspirations-pneumonien müssen Anaerobier mit be-rücksichtigt werden. Bei chronischen oder therapieresistenten Pneumonien sollte auch an das Vorliegen einer post-stenotischen Pneumonie im Rahmen ei-nes Bronchialkarzinoms gedacht wer-den.

Tuberkulose. Besonders betro� en sind Alkoholiker, immungeschwächte und ältere Patienten sowie Ausländer, ins-besondere Bewohner der Gemeinscha� unabhängiger Staaten (GUS-Staaten). Die klinischen Beschwerden der Tuberkulose (Tb) sind o� diskret. Am häu� gsten � nden sich subfebrile Temperaturen bis mäßiges Fieber, trockener Husten, Nacht-schweiß, Appetitlosigkeit und Gewichts-verlust. Pleuraergüsse können vorkom-men.

Diagnostisch haben die Röntgentho-raxaufnahme und der Nachweis säurefes-ter Stäbchen durch die positive Kultur von Magensa� oder Sputum entscheiden-de Bedeutung. Ein positiver intrakutaner Test nach Mendel-Mantoux spricht eher für eine durchgemachte Erst infektion bzw. eine erfolgte Tb-Impfung. Ein nega-tiver Test macht eine Tb unwahrschein-lich, schließt sie jedoch nicht aus.

Als neue immunologische Verfahren zur Tuberkulose-Diagnostik stehen heute der Quantiferon-Test und der ELISPOT zur Verfügung. Hierbei han-delt es sich um Interferon-Gamma-Re-lease-Assays (IGRA). Dabei wird dem Patienten Vollblut entnommen. Das

Testreagenz enthält Tuberkelantigene, die im Blut enthaltene T-Lymphozyten nur dann zu einer Interferon-Freiset-zung stimulieren, wenn der Patient Kon-takt mit dem Mycobakterium tubercu-losis hatte. Die Durchführung eines sol-chen „Bluttests“ hil� jedoch meist weder bei der Diagnosestellung noch zum si-cheren Ausschluss der Erkrankung und sollte deshalb insbesondere bei immun-supprimierten Patienten nicht kritiklos eingesetzt werden.

Endokarditis. Betro� en sind vor allem Patienten mit angeborenem oder er-worbenem Herzklappenfehler bzw. Klappenprothese. Die Symptomatik ist relativ unspezi� sch. Im Vordergrund steht ein krisenha� er Fieberverlauf. Gelegentlich besteht Schüttelfrost. Ein neu aufgetretenes Herzgeräusch ist ein wichtiger diagnostischer Hinweis. Von Bedeutung sind auch Embolien von bakteriellen Klappenvegeta tionen, die z. B. zu einem apoplektischen Insult führen können. Im Bereich der Haut � nden sich gelegentlich die typischen Osler-Knötchen (Mikroembolien) bzw. subunguale Blutungen. Typischerweise, jedoch nicht immer, besteht eine Sple-nomegalie. Die Diagnose wird durch den Erregernachweis in der Blutkultur gesichert und kann durch die Echokar-diogra� e weiter erhärtet werden. Letz-

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Typisches Bild einer Pneumonie in der Röntgenthoraxaufnahme.

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tere sollte trans ösophageal erfolgen, wenn die Klappen transthorakal nicht ausreichend genau dargestellt werden

können.

Malaria. Die von der Anopheles-Mücke

übertragenen Erreger rei-

fen und ver-mehren sich zunächst in den

Leberzellen, treten dann

in das Blut über und befallen die Ery-

throzyten mit der Folge einer Hämolyse. Nach einem unspezi� schen Prodromal-stadium mit grippeähnlichen Sympto-men kommt es zu he� igen Fieberschüben, zum Teil mit Schüttelfrost, Kopfschmer-zen, Myalgien und Leibschmerzen, Übel-keit, Erbrechen und Durchfällen. Auch wenn bei der Malaria tertiana bzw. quar-tana eine typische Periodizität des Fie-bers vorliegen kann, kann der Fieberver-lauf dennoch nicht als zuverlässiges Kri-terium hinsichtlich eines bestimmten Er-regertyps gewertet werden.

Diagnostisch am problematischsten ist die Malaria tropica, da sie keine Re-gelmäßigkeit der Fieberschübe aufweist. Außerdem geht die Malaria tropica häu-� g mit gefährlichen Komplikationen einher wie z. B. einem akuten Nierenver-sagen oder einer Herzinsu� zienz. Un-behandelt führt sie in wenigen Tagen zum Tod. Beweisend für die Diagnose ist der Nachweis der Erreger im Blutaus-strich oder im sogenannten Dicken Tropfen. Serologische Tests bieten keine ausreichende diagnostische Sicherheit.

HIV-Infektion. Die Übertragung erfolgt meist auf sexuellem Weg, aber auch durch verunreinigte Spritzen oder kontaminier-te Blutkonserven bzw. Blutprodukte. Vier bis sechs Wochen nach der Infektion ent-wickelt sich eine akute klinische Sympto-matik, die der einer Mononucleosis infec-tiosa mit Lymphknotenschwellungen äh-nelt. Anschließend kann eine über viele Jahre anhaltende klinisch mehr oder we-niger stumme Latenzphase eintreten. Die Diagnose wird gesichert durch den Anti-

körpernachweis im Serum, wobei immer einer zweite Serumprobe getestet werden sollte.

Medikamente Eine Reihe von Medikamenten kann Fieber auslösen, wobei die Latenzzeit bis zu Monaten nach der Ersteinnahme be-tragen kann. Deshalb wird häu� g nicht an einen solchen Zusammenhang ge-dacht. Die häu� gsten Ursachen eines solchen „drug fever“ sind Antibiotika, Antihypertensiva, Antiarrhythmika und Zytostatika. Als Begleitsymptom � ndet sich nicht selten ein allergisches Exan-them. Soweit vertretbar, sollte die beste-hende Medikation unterbrochen werden.

Maligne Erkrankungen Grundsätzlich können alle bösartigen Tumoren mit Fieber einhergehen, am häu� gsten maligne Lymphome und die Leukämie. Relativ häu� g � ndet sich Fie-ber bei einem Hypernephrom, wobei das Wiederau� reten von Fieber auch als ers-tes Anzeichen für ein Lokalrezidiv oder eine Metastasierung gewertet werden muss. Bei einem Kolonkarzinom kön-nen sowohl eine Nekrose als auch eine sekundäre Abszedierung bzw. eine ge-deckte Perforation Fieber auslösen. Auch im Rahmen von Tumorzerfallspro-zessen kann es zu Fieber kommen.

Andere seltene UrsachenIn erster Linie sind dies seltene Autoim-munerkrankungen. Dazu gehören der systemische Lupus erythematodes, die rheumatoide Arthritis, der Morbus Still, die Panarteriitis nodosa, die Arteriitis temporalis und Wegener Granulomato-se. Bei diesen Erkrankungen kann das Fieber sogar der eigentlichen klinischen Manifestation vorausgehen.

Als weitere seltene Ursachen müssen ein Morbus Crohn, eine Colitis ulcero-sa und Venenthrombosen bzw. rezidi-vierende Lungenembolien ausgeschlos-sen werden. Zu den seltenen Ursachen gehören auch die familiären Fiebersyn-drome wie das Familiäre Mittelmeer� e-ber (FMF), das Tumornekroserezeptor-assoziierte periodisches Syndrom (TRAPS) und die familiäre Kälteurti-karia (FCU). Dabei handelt es sich um

genetisch determinierte chronische Er-krankungen, die mit schubweise au� re-tenden Fieberschüben und Begleitsymp-tomen wie Bauchschmerzen oder Urti-karia einhergehen.

Lässt sich trotz umfangreicher Dia-gnostik keine eigentliche Ursache für das unklare Fieber � nden, so muss in Einzelfällen auch ein vorgetäuschtes oder durch Einnahme bzw. Injektion py-rogener Substanzen selbstinduziertes Fieber (Münchhausen-Syndrom) in Er-wägung gezogen werden.

In mehr als 80% der Fälle lässt sich die Ursache für ein bestehendes Fieber eruie-ren oder zumindest eingrenzen. In den übrigen Fällen führen weitere diagnosti-sche Maßnahmen meist zum Ziel. Ganz selten besteht ein unklares Fieber (FUO: fever of unknown origin), das auch sta-tionär nicht abgeklärt werden kann.

DiagnostikAnamnese gibt erste HinweiseDer ausführlichen Anamnese kommt eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Dabei sollten folgende Punkte berück-sichtigt werden:

− Beginn, Dauer, Typ des Fiebers,

− aktuelle Beschwerdesymptomatik,

− Vorerkrankungen, wie z. B. Diabetes mellitus, bekannte Herzklappenfeh-ler, Gelenkprothese, Schrittmacher, Blasenkatheter,

− Medikamentenanamnese (insbeson-dere Antibiotika, Immunsuppressiva, Zytostatika, Steroide),

− Zeckenbisse und Insektenstiche,

− Reiseanamnese,

− Sexualanamnese zur Abklärung des AIDS-Risikos, sowie

− Haustiere, Hobbies und soziale Kon-takte.

Aber auch die systematische Befragung nach Organsymptomen bezüglich Lun-ge (Husten, Auswurf), Herz (Angina pectoris, Herzstolpern), Nieren und Harnwege (Nierenschmerzen, Dysurie) und Magen-Darm-Trakt (Durchfälle, Blut im Stuhl) kann eine wichtige Ent-scheidungshilfe für weitere diagnosti-sche Maßnahmen sein. Um Eintritts-pforten für etwaige Infektionen oder kleine septische Streuherde (Osler- Splits) als Komplikation einer bakteriel-

Erreger rei-fen und ver-

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KeywordsPatient with fever

Infection – drugs – Rheumatism – neo-plasm – lupus erythematodes – TBC – pneumonia

Interessenkon� ikt

Der Autor erklärt, dass er sich bei der Erstellung des Bei trages von keinen wirtschaftlichen Interessen lei-ten ließ. Er legt keine potenzieller Interessenkon� ikte o� en. Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen Gutachtern ge-prüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenausga-be hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind von werblichen Aussagen und keinerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind.

len Endokarditis nicht zu übersehen, ist auch eine genaue körperliche Untersu-chung am völlig entkleideten Patienten dringend zu empfehlen. Gleiches gilt auch für einen Blick auf den Zahnstatus.

Laborparameter Die primäre di� erenzialdiagnostische Abklärung unklarer Fieberzustände er-fordert einige unverzichtbare Laborpara-meter.Komplettes Blutbild mit Di� erenzial-blutbild. Eine erhöhte Leukozytenzahl ist typisch für einen bakteriellen Infekt, eine erniedrigte für eine virale Infektion. Eine ausgeprägte Leukozytose mit Anä-mie und � rombozytopenie muss den Verdacht auf eine hämatologische Sys-tem erkrankung, z.B. eine akute Leukä-mie, lenken. Finden sich im Blutbild ver-mehrt monozytoid-di� erenzierte Lym-phozyten, muss der Verdacht auf eine Mononukleose geäussert werden. Auch bei der Verdachtsdiagnose Malaria ist der Blutausstrich diagnoseweisend.BSG und C-reaktives Protein. Diese Pa-rameter spiegeln nur unspezi� sch die Entzündungsaktivität wieder und eig-nen sich insbesondere zur Verlaufskon-trolle unter einer � erapie. Das C-reak-tive Protein wird auch zur Di� erenzie-rung eines bakteriellen Infektes (CRP > als 5mg /l bzw. 0.5mg/dl) gegenüber einem viralen eingesetzt.Urinstatus. Die Untersuchung des Urins dient dem Nachweis bzw. dem Aus-schluss einer Harnwegsinfektion.

Erlauben diese Werte keine eindeutige diagnostische Zuordnung, ist eine umfas-sendere Labordiagnostik erforderlich. Dazu gehören: Leberwerte incl. Hepati-tisserologie, Nierenwerte, Muskelenzyme, Pankreaswerte, Blutzucker, Gesamt-eiweiß und Serum-Elektrophorese, Rheu-mafaktoren, Antikörper gegen das zykli-sche zitrullinierte Peptid (CCP) zum Ausschluss des rheumatischen Fiebers, autoimmunologische Parameter (anti-nuk leäre Faktoren, antimitochondriale Antikörper, Antikörper gegen Dop pel-strang-DNS) und serologische Marker (z. B. Borrelien-Antikörper).

In Einzelfällen können auch zum Er-regernachweis die bakteriologische Un-tersuchung von Körper� üssigkeiten (Blut, Urin, Sputum, Stuhl, Magensa� , Eiter) bzw. Abstriche von o� enen Wun-den oder Schleimhautläsionen notwen-dig werden.

Apparative Diagnostik zielgerichtet einsetzenDie Indikation für apparative Untersu-chungsverfahren ergibt sich aus der an-gegebenen Beschwerdesymptomatik und der Verdachtsdiagnose. Sonogra� e des Abdomens. Hierbei kön-nen sich folgende Befunde ergeben:

− Hepatosplenomegalie, z. B. als Hin-weis auf eine Sepsis oder eine häma-tologische Systemerkrankung,

− freie Flüssigkeit als Hinweis auf eine Peritonitis,

− Veränderungen des Pankreas bei einer chronischen Pankreatitis,

− Harnstau sowie

− intraabdominelle Abszesse.Röntgenaufnahme des � orax. Diese Untersuchung erlaubt den Nachweis bzw. Ausschluss von Pneumonien, Tuberku-lose, Raumforderungen und Pleura-ergüssen.Echokardiogra� e. Bei Verdacht auch En-dokarditis sollte eine Echokardiogra� e durchgeführ werden. O� gelingt eine ausreichende Beurteilung der Klappen nur mittels transösophagealer Ableitung.

Weitergehende aufwendigere bzw. in-vasive Untersuchungsmethoden wie Computertomogra� e, Kernspintomo-gra� e und Endoskopie sind nur bei ge-zielter Fragestellung indiziert.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:Dr. med. Peter StiefelhagenChefarzt der internistischen AbteilungDRK-Krankenhaus, D-57627 Hachenburg E-Mail: [email protected]

Fazit für die PraxisFieber kann durch endogene und exo-gene Pyrogene ausgelöst werden. Fie-bertyp und eine gründliche Anamnese können diagnoseweisend sein. Ein Screening-Labor ist bei allen betro� e-nen Patienten unverzichtbar. Die Indi-kation für eine weitergehende appara-tive Untersuchung ergibt sich aus den Beschwerden und der Vermutungsdia-gnose. Infektionen der oberen Luftwe-ge sind meist viraler Genese. Das rheu-matische Fieber ist eine sekundäre Im-munkomplexerkrankung nach einer Streptokokkeninfektion. Typische Sym-ptome sind Myokarditis, Polyarthritis, Chorea minor und Hautveränderun-gen. Die Symptome einer Tuberkulose können sehr diskret sein (Nacht-schweiß, Gewichtsabnahme und subfe-brile Temperaturen). Die Diagnose ei-ner Endokarditis beruht auf der Klinik mit Fieber und Herzgeräusch, dem Er-regernachweis in der Blutkultur und dem echokardiogra� schen Befund. Bei Reiserückkehrern muss an Malaria ge-dacht werden. Bei unklarem Fiebersollte auch immer eine HIV-Infektion diskutiert werden. Viele Medikamente können Fieber auslösen. Dasselbe gilt für maligne Erkrankungen. Zu den sel-tenen Fieberursachen zählen Auto-immunerkrankungen, chronisch ent-zündliche Darmerkrankungen und Lungenembolien.

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Systemischer Lupus erythematodes – eher eine seltene Ursache von Fieber.

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Page 5: Infektion, Medikamente, Rheuma oder Tumor?

Wann spricht man von Fieber?⃞ Bei einer Körpertemperatur über 37 °C. .⃞ Bei einer Körpertemperatur über 38 °C.⃞ Bei einer Körpertemperatur über 39 °C.⃞ Bei einer Körpertemperatur über 40 °C.⃞ Bei einer Körpertemperatur über

37,5 °C.

Was liegt Fieber am häufigsten zugrunde?⃞ Infektionen der oberen Luftwege.⃞ Maligne Tumoren.⃞ Allergien.⃞ Immunologische Erkrankungen.⃞ Medikamente.

Wann spricht man von einem undulie-renden Fieber?⃞ Wenn zwischen der Morgen- und

Abendtemperatur Unterschiede bis zu 2 °C vorliegen.

⃞ Wenn die Fieberepisoden durch meh-rere fieberfreie Tage unterbrochen sind.

⃞ Wenn das Fieber im Verlauf von Tagen langsam ansteigt und wieder abfällt.

⃞ Wenn extreme Schwankungen im Tagesverlauf zusammen mit afebrilen Phasen vorliegen.

⃞ Wenn das Fieber sehr rasch und sehr hoch ansteigt und mit Schüttelfrost einhergeht.

Welcher Laborparameter ist bei der primären Abklärung eines unklaren Fiebers verzichtbar?⃞ Komplettes Blutbild mit Ausstrich⃞ BSG⃞ C-reaktives Protein⃞ Hepatitisserologie⃞ Urinstatus

Welche Aussage bezüglich Infektionen des oberen Respirationstraktes ist nichtzutreffend?⃞ Es handelt sich in den meisten Fällen

um virale Infekte.⃞ Es muss immer eine antibiotische The-

rapie eingeleitet werden.⃞ Die Farbe des Sputums sagt nichts da-

rüber aus, ob es sich um einen viralen oder bakteriellen Infekt handelt.

⃞ Die Höhe des Fieber sagt nichts darü-ber aus, ob es sich um einen viralen oder bakteriellen Infekt handelt.

⃞ Eine bakteriologische Untersuchung des Sputums ist meist nicht indiziert.

Welches Symptom gehört nicht zu einem rheumatischen Fieber?⃞ Polyarthritis⃞ Chorea minor⃞ Fieber⃞ Endokarditis⃞ Hepatitis

Welches Symptom spricht gegen eine Tuberkulose?⃞ Hohes Fieber mit Schüttelfrost.⃞ Nachtschweiß.⃞ Trockener Husten.⃞ Gewichtsverlust.⃞ Subfebrile Temperaturen.

Wie wird die Diagnose Malaria gesichert?⃞ Durch den Nachweis der Erreger im

Blutausstrich.⃞ Mittels serologischer Tests.⃞ Durch die kulturelle Züchtung der Erreger.⃞ Durch den Nachweis von Antikörpern.⃞ Durch den Nachweis einer Eosinophilie

im Blutbild.

Welche Aussage bezüglich einer HIV- Infektion ist zutreffend?⃞ Die Erkrankung kann nur auf sexuellem

Wege übertragen werden.⃞ Jede HIV- Infektion führt innerhalb

weniger Jahre zum Vollbild einer AIDS- Erkrankung.

⃞ Die Diagnose wird gesichert durch den Nachweis von Erregern im Blut.

⃞ Die akute Symptomatik bei einer HIV- Infektion entspricht der einer Mono-nucleosis infectiosa.

⃞ Bei einer HIV-Infektion zeigt das Blut-bild eine deutliche Leukozytose.

Was versteht man unter einem Münchhausen-Syndrom?⃞ Eine Krankheitsverdrängung.⃞ Ein Vortäuschen von Krankheits-

symptomen.⃞ Eine übersehene Diagnose. ⃞ Das Vorliegen von Fieber unklarer

Ätiologie.⃞ Eine eingebildete Erkrankung.

Bitte beachten Sie: Diese zerti� zierte Fortbildung ist zwölf Monate auf Springermedizin.de/eAkademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Pro Frage ist jeweils nur eine Antwortmöglichkeit (Richtig- oder Falschaussage) zutre� end. Sowohl die Fragen als auch die zugehörigen Antwortopti-onen werden im Online-Fragebogen in zufälliger Reihenfolge ausgespielt, weshalb die Nummerie-rung von Fragen und Antworten im gedruckten Fragebogen unterbleibt. Prüfen Sie beim Übertragen der Lösungen aus dem Heft daher bitte die richtige Zuordnung.

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Diese CME-Fortbildungseinheit ist von der Bayerischen Landes ärztekammer mit zwei bzw. drei Punkten zur zertifi zierten Fort bildung anerkannt.

Teilnehmen und Punkte sammeln können Sie• als e.Med-Abonnent an allen Kursen der e.Akademie,• als Abonnent einer Fachzeitschrift an den Kursen der abonnierten Zeitschrift oder • als Leser dieses Magazins – zeitlich begrenzt – unter Verwendung der FIN.

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Patient mit Fieber

68 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (Sonderheft 1)

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