implementierung von coaching für schulleitung und schulaufsicht

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Organisationsberatung – Supervision – Coaching, Heft 3/2004, S. 283-290 Implementierung von Coaching für Schulleitung und Schulaufsicht Wolfgang Menzel, Warendorf Nicht erst seit PISA wissen die für Schule Verantwortlichen und die in Schule Ar- beitenden, dass es einen deutlichen Entwicklungsbedarf im deutschen Schulsystem gibt. In Nordrhein-Westfalen wurde deshalb auch schon vor der PISA-Studie darüber nach- gedacht, wie sich die Qualität der einzelnen Schule, die Qualität des Unterrichts und damit nicht zuletzt auch (denn darum geht es letztlich) die Qualität der Schülerleistun- gen verbessern lassen. Schule weiter zu entwickeln, heißt insbesondere, die Unter- richtsqualität zu verbessern. Das ist nur aus der einzelnen Schule heraus möglich und kann nicht von „oben“, d.h. durch das Kultusministerium und/oder die Schulaufsicht bei den Bezirksregierungen angeordnet werden. Auch das hat die PISA-Studie belegt. Deshalb brauchen die Schulen mehr Selbstständigkeit. Mit dem Modellprojekt „Selbstständige Schulen“ geht Nordrhein-Westfalen genau diesen Weg. Die an dem Modellprojekt beteiligten Schulen erhalten deutlich mehr Frei- heit, aber auch Verantwortung bezüglich der Gestaltung ihrer Arbeit. Was auf den ers- ten Blick nicht sofort zu erkennen ist, erschließt sich den Beteiligten jedoch recht schnell: Die Rolle der Lehrer/innen, der Schulleiter/innen sowie der Schulaufsichtsbe- amt/innen verändert sich nachhaltig. In einer neuen „selbstständigen, qualitätsbewuss- ten Schule“ ist der Lehrer ist nicht mehr der „Pauker“, sondern u.a. Moderator und/oder Initiator von Lernprozessen. Die Schulleiterin X verwaltet nicht mehr eine durch un- zählige Erlasse, Verfügungen usw. reglementierte Schule, sondern wird zur Managerin und Führungskraft mit Entscheidungsspielraum. Der Schulaufsichtsbeamte Y führt nicht mehr i.e.L. Aufsicht über seine Schulen, sondern wird schwerpunktmäßig zum Schulentwicklungsberater. Diese veränderten Rollenerwartungen erfordern weitreichende Anstrengungen im Bereich der Personalentwicklung. So werden die Lehrer/innen der „Selbstständigen Schulen“ u.a. in neuen Formen der Unterrichtgestaltung fortgebildet. Die die Schulent- wicklung koordinierenden Steuergruppen einschließlich der Schulleiter/innen werden durch externe Berater/Trainer landesweit fortgebildet in den Themenbereichen wie Projektmanagement, Changemanagement, Selbstmanagement, Moderation, Präsentation usw. Da bei der Bezirksregierung Münster erkannt wurde, dass in diesem Change- Prozess den Führungskräften, also den Schulleiter/innen sowie den Schulaufsichtsbe- amt/innen eine Schlüsselrolle zukommt, wurde ihnen eine weitere exklusive Persona- lentwicklungsmaßnahme angeboten: das Coaching.

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Page 1: Implementierung von Coaching für Schulleitung und Schulaufsicht

Organisationsberatung – Supervision – Coaching, Heft 3/2004, S. 283-290

Implementierung von Coaching für Schulleitung undSchulaufsicht

Wolfgang Menzel, Warendorf

Nicht erst seit PISA wissen die für Schule Verantwortlichen und die in Schule Ar-beitenden, dass es einen deutlichen Entwicklungsbedarf im deutschen Schulsystem gibt.In Nordrhein-Westfalen wurde deshalb auch schon vor der PISA-Studie darüber nach-gedacht, wie sich die Qualität der einzelnen Schule, die Qualität des Unterrichts unddamit nicht zuletzt auch (denn darum geht es letztlich) die Qualität der Schülerleistun-gen verbessern lassen. Schule weiter zu entwickeln, heißt insbesondere, die Unter-richtsqualität zu verbessern. Das ist nur aus der einzelnen Schule heraus möglich undkann nicht von „oben“, d.h. durch das Kultusministerium und/oder die Schulaufsichtbei den Bezirksregierungen angeordnet werden. Auch das hat die PISA-Studie belegt.Deshalb brauchen die Schulen mehr Selbstständigkeit.

Mit dem Modellprojekt „Selbstständige Schulen“ geht Nordrhein-Westfalen genaudiesen Weg. Die an dem Modellprojekt beteiligten Schulen erhalten deutlich mehr Frei-heit, aber auch Verantwortung bezüglich der Gestaltung ihrer Arbeit. Was auf den ers-ten Blick nicht sofort zu erkennen ist, erschließt sich den Beteiligten jedoch rechtschnell: Die Rolle der Lehrer/innen, der Schulleiter/innen sowie der Schulaufsichtsbe-amt/innen verändert sich nachhaltig. In einer neuen „selbstständigen, qualitätsbewuss-ten Schule“ ist der Lehrer ist nicht mehr der „Pauker“, sondern u.a. Moderator und/oderInitiator von Lernprozessen. Die Schulleiterin X verwaltet nicht mehr eine durch un-zählige Erlasse, Verfügungen usw. reglementierte Schule, sondern wird zur Managerinund Führungskraft mit Entscheidungsspielraum. Der Schulaufsichtsbeamte Y führtnicht mehr i.e.L. Aufsicht über seine Schulen, sondern wird schwerpunktmäßig zumSchulentwicklungsberater.

Diese veränderten Rollenerwartungen erfordern weitreichende Anstrengungen imBereich der Personalentwicklung. So werden die Lehrer/innen der „SelbstständigenSchulen“ u.a. in neuen Formen der Unterrichtgestaltung fortgebildet. Die die Schulent-wicklung koordinierenden Steuergruppen einschließlich der Schulleiter/innen werdendurch externe Berater/Trainer landesweit fortgebildet in den Themenbereichen wieProjektmanagement, Changemanagement, Selbstmanagement, Moderation, Präsentationusw. Da bei der Bezirksregierung Münster erkannt wurde, dass in diesem Change-Prozess den Führungskräften, also den Schulleiter/innen sowie den Schulaufsichtsbe-amt/innen eine Schlüsselrolle zukommt, wurde ihnen eine weitere exklusive Persona-lentwicklungsmaßnahme angeboten: das Coaching.

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1. Coaching für Schulleiter/innen

Die Schulleiter/innen, deren Schulen an dem Modellprojekt teilnehmen, erhalteneinen deutlich größeren Entscheidungsspielraum, aber auch mehr Verantwortung fürdie Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung an ihrer Schule. Coachingsoll sie bei diesem Prozess unterstützen. Unter wissenschaftlicher Begleitung eines ex-ternen Beraters wurde von einer Arbeitsgruppe (ein Fachleiter für Lehrerfortbildungund vier Supervisor/innen) des Dezernats „Lehrerfortbildung“ ein Konzept/Angebot er-arbeitet, das ein internes Einzel-Coaching von jeweils 20 Stunden (je 45 Min.) beinhal-tet. Das Fortbildungsdezernat der Bezirksregierung Münster kann dabei auf einen eige-nen Pool von 15, nach den Standards der DGSv ausgebildeten Supervisor/innen zu-rückgreifen. Diese verfügen über eine bis zu 17-jährige Erfahrung in der Supervisions-arbeit mit Lehrer/innen. Die im geplanten Coaching-Angebot eingesetzten Supervi-sor/innen haben lange Jahre Erfahrung in der Leitungssupervision und in einem Fall zu-sätzlich eine Coachingausbildung.

Alle internen Supervisor/innen des Dezernates für Lehrerfortbildung sind imGrundberuf Lehrer/innen. Sie arbeiten als solche in unterschiedlichen Schulformen undsind mit 10% bis zu 80% ihrer Arbeitszeit für Beratungstätigkeit freigestellt. Die Frei-stellung erfolgt nur mit Zustimmung der/des für sie zuständigen Schulleiterin/Schullei-ters und des zuständigen Schulaufsichtsbeamten. Das bedeutet, dass Schulleitung oderSchulaufsicht den Einsatz der Berater/innen verhindern können, ohne dass das Fortbil-dungsdezernat darauf direkt Einfluss nehmen könnte. Das schwächt die Position der Be-rater/innen und führt gelegentlich zu Friktionen.

Dieses Einzel-Coachingangebot wurde allen Schulleiter/innen der 48 teilnehmen-den Modellschulen der Bezirksregierung angeboten. Die Ausschreibung erläutert dasCoachingangebot und gibt gleichzeitig einen Einblick in das ihm zugrundeliegendeCoaching-Verständnis. Hier einige Auszüge:

„Organisationsuntersuchungen bestätigen, dass Führungsarbeit heute insgesamt komplexergeworden ist. Eine Möglichkeit, Führungskräfte in ihrer Leitungsfunktion zu unterstützen, erfolgtdurch ‚Coaching‘. (...) Coaching ist ein individueller, unterstützender Beratungsprozess, der be-rufliche Inhalte umfasst. Im Vordergrund stehen die berufliche Rolle bzw. die damit zusammen-hängenden aktuellen Anliegen der Leitungsperson. Der Coach gibt seinem Klienten ‚Hilfe zurSelbsthilfe‘. (...) Coaching zielt immer auf eine Förderung von Selbstreflexion und Selbstwahr-nehmung, damit blinde Flecken und Betriebsblindheit abgebaut und neue Gesichtspunkte erkanntwerden. (...) Konkrete Gründe, sich für ein Coaching zu entscheiden, können u.a. sein:

– Unterstützung bei Veränderung des Führungsstils,– Bearbeitung von durch Organisationsstrukturen oder Organisationsentwicklungsmaßnahmen

bedingten Problemen, z.B. der Umgang mit neuen Rollen, Integration neuer Mitarbeiter,veränderter Umgang in einer flexiblen und schlanken Organisation,

– Unterstützung bei aktuellen Konflikten, z.B. bei Beziehungskonflikten mit anderen Personen,– Abbau von Leistungs-, Kreativitäts- und Motivationsblockaden,– Allgemeine Erweiterung des Verhaltensrepertoires, insbesondere die Flexibilisierung von

routinebedingtem Standardverhalten,– Vorbereitung auf neue Aufgaben und Situationen,– Verbesserung der sozialen Kompetenz, der Management- und Führungskompetenz. (...)

Denkbares Setting:

– Beratung (Fallarbeit) der Schulleiterin / des Schulleiters,

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– Begleitung (Hospitation) der Schulleiterin / des Schulleiters (z.B. in Konferenzen) mit an-schließendem Feedback und Analyse / Beratung,

– Trainingselemente (z.B. schwierige Gesprächseröffnungen).“

Mit Spannung wurden die Anfragen erwartet, denn es gab bisher keinerlei Erfah-rungen mit Coaching an den Schulen in Nordrhein-Westfalen, auf die zurückgegriffenwerden konnte. Optimismus vermischte sich mit Skepsis, denn Schule und Beratung tunsich noch schwer miteinander. Erst allmählich entwickelte sich in den letzten Jahren dieBereitschaft der Lehrer/innen und auch der Schulleiter/innen, die Beratungsangebotewie „Kollegiale Fallberatung“ oder „Supervision“ auch zu nutzen. Umso erfreulicherwar die Reaktion, als deutlich wurde, dass exakt 50% der Schulleiter/innen, denen dasCoaching angeboten wurde, dieses auch in Anspruch nehmen wollten.

Die Teilnahme am Coaching war sowohl für die Schulleiter/innen als auch für dieCoaches mit der Verpflichtung verbunden, sich am Ende des Prozesses an einer zentra-len Evaluation (Fragebogen) der Maßnahme zu beteiligen. Der Evaluationsbericht wur-de u.a. allen Mitgliedern der Schulaufsicht zugesandt. Sie sollten dadurch auf dieseCoachingmaßnahme aufmerksam gemacht werden, bevor ihnen ebenfalls ein Coaching-angebot unterbreitet wird (siehe unten). Einige Ergebnisse dieser Evaluation sollen ver-deutlichen, wie die Schulleiter/innen die Coachingerfahrungen bewerten.

Die innerhalb von sechs Monaten stattgefundenen 20 Coachingprozesse umfasstendurchschnittlich 18 Stunden an 9 Terminen. Die wichtigsten Elemente waren Fallarbeit,Trainingselemente und gelegentlich Hospitationen (in dieser Reihenfolge). Insgesamtbewerten 93,3% der Schulleiter/innen die Coaching-Maßnahme positiv, davon 53,3%mit der höchstmöglichen Bewertung. Positive Bedeutung/Auswirkungen hatte das Coa-ching für die Coachees insbesondere bezogen auf folgende Aspekte:

– die Reflexion und Weiterentwicklung des Führungsverhaltens (94,1%),– den Umgang mit belastenden Situationen und heiklen Themen (88,2%),– die Analyse und Entwicklung kreativer Strategien (88,2%),– die Verbesserung der Arbeitsbeziehungen zu Mitarbeiter/innen (76,5%),– die Erweiterung der Kommunikationsfähigkeit (75,0%).

Im nicht standardisierten Teil des Evaluationsbogens wurde mehrfach der Wunschnach Verlängerung der Maßnahme und Übertragbarkeit des Angebotes auf alle Schullei-ter/innen des Regierungsbezirks genannt. Das verdeutlicht nochmals die ausgesprochenpositive Einschätzung der Coachingerfahrung durch die teilnehmenden Schulleiter/innen.

Diese Evaluationsergebnisse decken sich auch mit meinen Erfahrungen als betei-ligter Coach. Alle mir in dieser Maßnahme begegneten Schulleiter/innen habe ich alsinteressiert und motiviert erlebt. Sie waren um eine Professionalisierung ihrer Arbeitund die Weiterentwicklung ihrer Schule bemüht. Dabei kristallisierten sich drei The-menblöcke heraus, die in allen Prozessen eine Rolle spielten: Neben der (1) Frage desSelbstmanagements als Schulleiter/in waren dies (2) belastende und konflikthafte Si-tuationen (die sich meistens auf einzelne Mitarbeiter/innen bezogen) und (3) die Initiali-sierung und Steuerung von Schulentwicklungsprozessen mit der häufig gestellten Frage.„Wie kann ich meine Visionen einer neuen Schule an möglichst viele Kolleginnen undKollegen herantragen und möglichst viele von ihnen dafür gewinnen, Unterricht unddamit die Schule qualitätsorientiert weiter zu entwickeln?“

Nach dem ausgesprochen erfolgreichen Abschluss der (Pilot-) Maßnahme „Coachingfür Schulleiterinnen und Schulleiter im Modellprojekt ‚Selbstständige Schule‘“ entschlossman sich bei der Bezirksregierung Münster folgerichtig, Schulleitungs-Coaching allen

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Schulleiter/innen der Schulen der im Regierungsbezirk anzubieten. Die bis heute einge-gangenen Nachfragen zeigen, dass auch die Schulleiter/innen der „nicht selbstständigen“Schulen ein steigendes Interesse an professioneller Führungskräfteberatung haben.

2. Coaching für Schulaufsichtsbeamt/innen

Im Anschluss an die beschriebenen positiven Erfahrungen „wagte“ man sich daran,auch den Beamt/innen der unteren und oberen Schulaufsicht, zu deren Zuständigkeits-bereich auch „Selbstständige Schulen“ gehören, ebenfalls Coaching anzubieten. Dasbisher bewährte Konzept des internen Einzel-Coachings wurde übernommen, jedochdas für den jeweiligen Prozess zur Verfügung stehende Zeitkontingent sogar auf 40Stunden erweitert. Diese zeitliche Ausweitung zeigt bereits, welche hohe Bedeutung derMaßnahme zufiel. Entsprechend hoch waren auch die Erwartungen, insbesondere an dieArbeit der Coaches. Die Ausschreibung des Coaching-Angebotes fand in ähnlicherWeise statt wie oben beschrieben. Vor ihrem Versand wurden (quasi als Initialzündung)alle Schulaufsichtsbeamt/innen, die mit der Betreuung der „Selbstständigen Schulen“betraut waren, zu einer 2-tägigen Fortbildung eingeladen. Diese Veranstaltung hatte das„dyadische Beratungsgespräch“ zum Schwerpunkt. Ziele waren dabei:

– Beratungsgespräche in ihren Bedingungen und Abläufen besser wahrzunehmen undzu verstehen,

– die eigenen (impliziten) Verständnisse von „Beratung“ zu entdecken und ggf. zumodifizieren,

– die eigenen beratungsmethodischen Fähigkeiten in einigen Dimensionen zu erwei-tern und den momentanen Stand der eigenen Beratungsressourcen zu sehen,

– die Leistungsfähigkeit wie auch die Grenzen des „Instruments“ Beratungsgesprächim Verbund anderer schulischer Gesprächs-Instrumente“ zu erkennen.

Im Rahmen dieser Fortbildung wurden die teilnehmenden Schulaufsichtsbe-amt/innen u.a. für das Thema Coaching sensibilisiert (sich selbst beraten lassen) und mitdem Coching-Angebot des Dezernates für Lehrerfortbildung vertraut gemacht. Etwa einDrittel entschieden sich für das ca. 40-stündige Einzel-Coaching.

Der Einsatz der vier für diese Maßnahme zur Verfügung stehenden Coaches ge-staltete sich nicht so einfach wie beim Coaching der Schulleiter/innen. Zu vermeidenwaren unbedingt Rollenüberschneidungen des einzelnen Coach als Lehrer mit dem Zu-ständigkeitsbereich des Schulaufsichtsbeamten. So kann ein Coach, der z.B. als Lehreran einem Berufskolleg arbeitet, selbstverständlich nicht „seinen eigenen“ Schulauf-sichtsbeamten coachen, aber nach Möglichkeit auch keinen anderen, der für andere Be-rufskollegs zuständig ist, da es aufgrund von Versetzungen, Abordnungen etc. immerwieder zu einem Wechsel des für den Lehrer (Coach) zuständigen Schulaufsichtsbe-amten kommen kann. Gleichzeitig sollte aber ein Coach über eine möglichst hohe Feld-kompetenz hinsichtlich des Zuständigkeitsbereichs seines Coachees verfügen, z.B. dasser sich in dem recht komplizierten System eines Berufkollegs gut auskennt.

Eine weiterer Unsicherheitsfaktor war die folgende Frage: Würde ein Coach (vomDezernenten) tatsächlich in seiner Rolle als Coach gesehen und akzeptiert werden, oderwürde er der „untergeordnete Beamte“ bleiben? Wie würde sich dieses hierarchischeVerhältnis Dezernent-Lehrer auswirken? Für die Coaches erfordert dies eine absoluteRollenklarheit und Wachsamkeit im Hinblick auf diese Problematik. Einschränkungen

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mussten sich die Coaches auch auferlegen bezüglich ihres kollegialen Erfahrungsaus-tausches, und zwar sowohl innerhalb der regelmäßig stattfindenden Kontrollsupervisionals auch in der kollegialen Beratung, denn es gab Konstellationen, in denen Coach Amit dem Schulaufsichtsbeamten von Lehrer/Coach B arbeitete.

Die angedeuteten möglichen Konfliktherde waren ein Grund für die große Anspan-nung, mit der den Erfahrungen der Coaches und den Rückmeldungen der Coachees entge-gengesehen wurde. Hier einige Ergebnisse der ebenfalls auch in dieser Maßnahme durch-geführten Evaluation: Insgesamt bewerteten alle Schulaufsichtsbeamt/innen das Coaching-angebot als positiv, davon 75% mit der höchstmöglichen Bewertung. Positive Bedeu-tung/Auswirkungen hatte das Coaching für die Coachees insbesondere bezogen auf:

– die Klärung der beruflichen Rolle als Mitglied der Schulaufsicht (100%),– die Analyse und Entwicklung kreativer Strategien (100%),– die Reflexion und Weiterentwicklung des Führungsverhaltens (75%),– den Umgang mit belastenden Situationen und heiklen Themen (75%),– die Erweiterung der Kommunikationsfähigkeit (67%).

Die Zusammenarbeit mit den Coaches bewerteten die Coachees in den BereichenKontaktaufnahme, Kontraktbildung, Nachkontraktierungen, Durchführung der Bera-tungstermine und Auswertung/Evalation als unkompliziert (höchstmögliche Bewer-tung). Die im nicht standardisierten Teil des Evaluationsbogens gemachten Rückmel-dungen lassen sich in drei Bereiche zusammenfassen.

(1) Die Zusammenarbeit mit den Coaches wurde als vertrauensvoll, offen, empathisch,hilfreich und als fachlich hoch kompetent beschrieben.

(2) Aussagen, die betonen, wie hilfreich das Coaching zur Rollenklärung der Schulauf-sicht im Modellprojekt „Selbstständige Schule“ war.

(3) Zahlreiche Statements, die belegen, welche wichtige, unterstützende Rolle Coa-ching im Themenbereich „schwierige Situationen und Konflikte“ spielte.

In der Rubrik „Änderungsvorschläge“ wurde mehrfach der Wunsch nach Verlänge-rung der Maßnahme und Übertragbarkeit des Angebotes auf alle Schlaulaufsichtsbe-amt/innen des Regierungsbezirks genannt. Weiterhin wurde der Wunsch nach „Grup-pen-Coaching“ geäußert.

Nach diesem durchweg gelungenen Auftakt mit Coaching für Schulaufsichtsbe-amt/innen, die „Selbstständige Schulen“ betreuen, wurde das Angebot folgerichtig füralle Schulaufsichtsbeamt/innen der Region geöffnet. Heute, ein Jahr nach der Pilotpha-se, haben bereits über 30% aller Schulaufsichtsbeamt/innen der Bezirksregierung Mün-ster ein Einzel-Coaching abgeschlossen. Die derzeit vorliegenden Nachfragen deutendarauf hin, dass noch in diesem Jahr 50% erreicht werden. Dieser für alle unerwartethohe Bedarf und die darin deutlich werdende Akzeptanz von Coaching für Führungs-kräfte in der Schule zeigt meines Erachtens u.a. die große Bereitschaft vieler in derSchule Arbeitenden, sich weiter zu professionalisieren und somit im Rahmen der Per-sonalentwicklung zur Qualitätssicherung und Verbesserung von Schule beizutragen.

3. Konflikt-Coaching

Die Erfahrungen, nicht nur im Coaching, haben gezeigt, dass der Umgang mitkonflikthaften Situationen von vielen Führungskräften immer wieder als äußerst be-

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lastend erlebt wird. Dabei ist in der Regel nicht der Auslöser des Konflikts das Pro-blem, sondern die Art und Weise, wie damit umgegangen wird. Viele fühlen sichüberfordert oder auch hilflos und reagieren deshalb zu spät, gar nicht oder unange-messen. Gelegentlich stehen die Schulleiter/innen selbst im Zentrum der Auseinan-dersetzungen. An einzelnen Schulen eskalierte dann der Konflikt soweit, dass die Es-kalationsspirale nicht mehr ohne externe Hilfe verlassen werden konnte. Spätestensdann (meistens zu spät) wurde die Schulaufsicht eingeschaltet. Dieser Umstand hatnun die Schulabteilung der Bezirksregierung Münster bewogen, das Dezernat fürLehrerfortbildung zu beauftragen, ein Unterstützungsangebot „Konfliktmanagement“zu entwickeln.

Das Konzept, das von einer kleinen aus Supervisoren und Coaches bestehendenArbeitsgruppe entworfen wurde, ist fertiggestellt und soll in Kürze in die Erprobunggehen. Zentrales Element des geplanten Unterstützungsangebotes ist das „Konflikt-Coaching“ (vgl. Schreyögg 2002). In einem solchen Konflikt-Coaching lässt sich dieFührungskraft von einem Coach bei der Vermeidung, der Behandlung oder auch derStimulation von Konflikten begleiten. Das Konflikt-Coaching beinhaltet u.a. also:

– die präventive Konfliktbehandlung durch präventive Haltung gegenüber Konfliktenund/oder potenziellen Konfliktherden sowie präventives Management,

– die kurative Konfliktbehandlung durch Konfliktdiagnose, Konfliktmoderation oderMachteingriff,

– Konfliktstimulation, z.B. bei konfliktvermeidender Erstarrung.

Im Idealfall gewinnt die Führungskraft dadurch mehr Sicherheit bei der Steuerungunterschiedlicher Situationen, die mit Konflikten in Beziehung stehen. Die Initiative,einen Konflikt-Coaching-Prozess zu beginnen, kann sowohl von der vom Konflikt be-troffenen Führungskraft ausgehen als auch als „Empfehlung“ von der übergeordneten,vorgesetzten Führungskraft.

Ein weiteres Element des konzipierten Unterstützungsangebotes ist das „Konflikt-management unter Einbezug externer Berater/innen“. Nach Schreyögg (2002, 35) soll-ten externe Konfliktberater hinzugezogen werden, wenn

– die Führungskraft in den Konflikt selbst involviert ist,– sich eine feindliche Front zwischen zwei Teilen der Organisation entwickelt hat, die

sich bisher nicht auflösen ließ,– bei einem Konflikt zwischen Mitarbeitern private Belange eine Rolle spielen,– die Führungskraft dieses ausdrücklich wünscht.

Je nach Eskalationsstufe des Konflikts (vgl. Glasl 2002) wird der externe Beraterals Moderator, Prozessbegleiter oder Mediator den Konfliktbehandlungsprozess aktivund unmittelbar begleiten. Die Konfliktberater sind in diesem Prozess neutrale Beglei-ter. Sie übernehmen Verantwortung für die Steuerung des Prozesses, aber nicht für dieErgebnisse. Sie sind nur den (offen) kontraktierten Zielen und Absprachen verpflichtet.Beauftragt (im beraterischen Sinne) werden die Berater von der übergeordneten Füh-rungskraft oder den Konfliktparteien. Mit ihr/ihnen schließen sie einen Kontrakt überZiele, Wege, Setting und die Art der Rückmeldung.

Für die Coaches und Berater/innen stellt die Arbeit in diesem Unterstützungsange-bot eine neue, mit hohen Erwartungen verbundene Herausforderung dar. Glasl (2002,433) beschreibt das wie folgt:

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„Konflikte sind eine dreifache Herausforderung für jeden, der mit ihnen zu tun hat. Denn fürdiese Herausforderung ist es einerlei, ob wir als Betroffener oder als professioneller Berater undBegleiter damit zu tun haben:1. Wir werden bis zum Äußersten gefordert, um die Ereignisse in all ihrer verwirrenden Kom-

plexität zu überblicken und zu durchschauen. Denn Konflikte sind vielschichtig, überall tre-ten unzählige Faktoren in beinahe unübersehbaren Verflechtungen auf.

2. Wir sind jederzeit der Gefahr ausgesetzt, durch die Geschehnisse mitgerissen zu werden undjeglichen Boden unter den Füßen zu verlieren, der uns Halt gibt. Denn in Konflikten wirdunsere ganze Person angesprochen. Unser ganzes Denken, Fühlen und Wollen wird ständi-gen Korrumpierungen ausgesetzt und führt zu einem Handeln, das nicht mehr von unseremIch getragen wird. Weil wir uns selbst verlieren, darum verlieren wir den Halt. Und statt sel-ber zu handeln, werden wir gedrängt und geschoben.

3. Wir werden mit all unseren widersprüchlichen Licht- und Schattenseiten konfrontiert – alsKonfliktpartei genauso wie als beratende Drittpartei – und wir müssen uns den ungeläutertenSeiten unserer Persönlichkeit, unserer Gruppe oder der Organisation stellen. Konflikte füh-ren uns immer in Grenzsituationen, in denen alles davon abhängt, wie wir uns zu uns selberstellen – und in welchem Menschen- und Weltbild wir uns verankert wissen.“

4. Ausblick

Nachdem der in nur zwei Jahren verlaufene Implementierungsprozess von Coa-ching für Schulaufsicht und Schulleitung erfolgreich abgeschlossen ist, wird überweitere Coaching-Angebote nachgedacht. Das Konflikt-Coaching, für das die Kon-zeptphase bereits abgeschlossen ist, wird vermutlich in Kürze allen Führungskräftender Schulaufsicht und Schulleitung angeboten. Nach Auswertung der nach einemJahr stattfindenden Evaluation wird dann über den weiteren Verlauf dieses Angebo-tes entschieden.

Es bestehen auch erste Überlegungen, das schon erwähnte Gruppen-Coaching fürSchulaufsichtsbeamt/innen anzubieten. Coaching von funktionsgleichen Mitgliedern einerOrganisation ergibt häufig bessere Effekte, als wenn jeder einzeln beraten wird. „Dabeipartizipieren alle Teilnehmer an Lerneffekten, die im Einzel-Coaching nur einzelnen zu-gute kommen. Außerdem erhält auch der einzelne Teilnehmer durch die vielen Perspekti-ven, die von den Gruppenmitgliedern eingebracht werden, einen breiteren Horizont, alswenn er nur mit einem einzigen Coach seine Themen verhandelt. Durch diese Anordnunglassen sich potenziell alle Managementkompetenzen fördern. Ganz besonders gut geeignetist es aber zur Rollenberatung“ (Schreyögg 1995, 209). Wie oben dargestellt, verändertsich mit der Einführung der „Selbstständigen Schule“ besonders die Rolle der Schulauf-sicht, sodass dieser Prozess durch Gruppen-Coaching besonders effektiv begleitet werdenkönnte.

Sinnvoll wären Gruppen von 6 bis 8 Teilnehmer/innen gleicher Funktion (Schul-aufsicht). Sie sollten berufsbegleitend im Abstand von 4 bis 6 Wochen tagen. Ein dich-terer Tagungsrhythmus wäre sicherlich wünschenswert, ist aber bei der Termindichteder Zielgruppe eher unrealistisch. Die einzelnen Gruppenmitglieder kontraktieren einekontinuierliche Teilnahme für mindestens 10 Sitzungen. Dadurch wird eine störendeFluktuation vermieden und eine kontinuierliche und vertrauensvolle Arbeit in derGruppe ermöglicht. Nach jeweils 10 Sitzungen können sie die Gruppe verlassen oderweitere 10 Sitzungen kontraktieren.

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Neben dieser permanenten, themenoffenen, berufsbegleitenden Coaching-Gruppesind auch zeitlich begrenzte, an bestimmten Themen arbeitende Gruppen denkbar, z.B.:Gruppen-Coaching für neu im Amt befindliche Schulaufsichtsbeamt/innen.

Die beschriebenen Settings lassen sich auch auf die Schulleiter/innen übertragen.Denkbar sind ebenso Zielgruppen auf niedrigen Hierarchiestufen. Große Schulsystemewie Gesamtschulen oder Berufskollegs haben bei z.B. 130 Lehrer/innen ca. 10 Abtei-lungsleiter/innen, Stufenkoordinatoren usw. Sie gehören zur erweiterten Schulleitungund nehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich Führungsaufgaben wahr. Im Rahmen derVerselbstständigung der Schulen kommen auf diese Personengruppen neue Aufgabenzu. Hilfreich wäre es sicherlich, wenn z.B. alle Abteilungsleiter/innen eines sich imSchulentwicklungsprozess befindlichen Berufskollegs für eine gewisse Zeit Gruppen-oder Team-Coaching in Anspruch nehmen könnten.

ZusammenfassungWenn deutsche Schulen dem internationalen Vergleich standhalten wollen, müssen sie die

Qualität ihrer Arbeit verbessern. Schulentwicklung ist u.a. auch Personalentwicklung. Dabeispielt die Professionalisierung der schulischen Führungskräfte (u.a. durch Coaching) eine ent-scheidende Rolle. Der Autor schildert einen Implementierungsprozess von internem Coachingzunächst für Schulleiter/innen und in einem zweiten Schritt für Beamt/innen der Schulaufsicht.Dabei wird auch auf die Schwierigkeiten, die ein solches Vorhaben mit sich bringen, eingegan-gen. Evaluationsergebnisse verdeutlichen die Akzeptanz und die Bedeutung des Coachings fürdie Zielgruppe. In einem Ausblick werden weitere mögliche Coaching-Angebote für schulischeFührungskräfte kurz angedacht.Schlüsselbegriffe: Schule, Schulentwicklung, Personalentwicklung, Coaching.

Abstract: Implementation of coaching for principals and supervisory school authorityGerman schools will have to improve the quality of their work to be able to compete on an

international level. School development is also personnel development. Establishing profession-alism of school executives (among others by coaching) plays a major role in this matter. First ofall the author describes the implementation process of internal coaching for principals and there-after for officers of the supervisory school authority. In doing so, he also points out problems thatcan arise during such a project. The evaluations of surveys prove the acceptance and importanceof coaching for this target group. Finally, possible future coaching offers for school executivesare addressed.Key words: school, school development, personnel development, coaching

Literatur

Glasl, F. (2002): Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Be-rater. Bern: Verlag Freies Geistesleben.

Schreyögg, A. (1995): Coaching. Eine Einführung für Praxis und Ausbildung. Frankfurt/Main:Campus.

Schreyögg, A. (2002): Konflikt-Coaching. Anleitung für den Coach. Frankfurt/Main: Campus.

Der Autor: Wolfgang Menzel, OStR, Dipl.-Ing., Supervisor (DGSv), Coach (BDP), Schwer-punkt: Supervision und Coaching für Führungskräfte, Konfliktberatung, Schulentwicklungsbe-ratung, Anschrift: Peter-Stoffels-Str. 10, 48231 Warendorf, E-Mail: [email protected]