energie aus der tiefe: geothermische stromerzeugung

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282 | Phys. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2004 | Nr. 6 DOI:10.1002/piuz.200401050 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Geothermie ist noch exotisch Im weltweiten Maßstab ist Erdwärme noch eine exotische Energiequelle. Nur 0,35 % der global erzeugten Wärmeen- ergie stammt nach UN-Statistiken aus der Geothermie. Bei der installierten elektrischen Leistung kamen im Jahr 2000 alle geothermalen Kraftwerke zusammen auf knapp 8 GW [1]. Das entspricht etwa 1,6 % der Weltstromproduktion aus erneuerbaren Energien, die von der Wasserkraft domi- niert werden [2]. Zum Vergleich: 2003 lag die installierte Ge- samtleistung aller Windenergie-Anlagen der Welt bei knapp 40 GW [3]. Allerdings hängt die Windkraft vom Wetter ab, weshalb alle Windanlagen auf dem Globus praktisch nie zu- sammen die maximale Leistung bringen. Bei der Geother- mie ist das dagegen im Prinzip möglich. Anders als etwa in Island spielt die Geothermie in Mit- teleuropa noch eine untergeordnete Rolle. Nur Italien kann in der Toskana ein bedeutendes geothermisches Kraftwerk vorweisen, das immerhin 750 MW elektrische Leistung bringt: Lardarello ist auch der Geburtsort der Gewinnung von elektrischer Energie aus Erdwärme. 1904 installierte dort Graf Piero Ginori Conti einen Dynamo, der von Dampf aus dem vulkanischen Boden angetrieben wurde. Er brach- te im Dorf fünf Glühbirnen zum Leuchten. In Deutschland erlebte die Nutzung der Erdwärme in den vergangenen Jahren verhältnismäßig große Zuwachs- raten. Ende 1999 waren 400 MW th Wärmeleistung aus der hydrothermalen Geothermie installiert. Davon verteilten sich 55 MW th auf 27 größere Anlagen, weitere 340 MW th stammen aus Erdwärmesonden: Das sind Wärmequellen- anlagen für Wärmepumpen, die typische Ein- oder Mehr- familienhäuser beheizen. Damit kommt insgesamt 6 ‰ der A nspruchsvolle energie- und umweltpolitische Ziel- setzungen stellen die Energieversorgung vor neue Her- ausforderungen: Der Energiemix der Zukunft soll ökolo- gisch verträglich, ressourcensicher, wettbewerbsfähig und vor allem nachhaltig sein. Das erfordert eine Minderung von Emissionen und eine deutliche Erhöhung des Anteils er- neuerbarer Energien an der Stromversorgung. Das Ziel der Europäischen Union, bis zum Jahr 2010 den Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energiever- brauch der EU mindestens zu verdoppeln, macht die ho- hen Erwartungen an diese Energieträger deutlich. Die Geo- thermie wird dabei immer interessanter: Anders als Wind und Sonne steht sie rund um die Uhr zur Verfügung, wes- halb sie für Grundlast-Kraftwerke interessant ist. So stellt sie eine ökologisch beispielhafte und sinnvolle Alternative zur Kernkraft und zu fossilen Energieträgern dar. Aus Erdwärme kann Energie in Form von technisch nutzbarer Wärme oder elektrischem Strom bedarfsgerecht hergestellt werden. Die Erde birgt ein hohes, energiewirt- schaftlich interessantes Potenzial an Wärme. Ihr Wärmein- halt resultiert aus der Gravitationsenergie durch die Kon- traktion von Gas und Festkörperpartikeln während ihrer Entstehung sowie aus einer eventuell noch vorhandenen Ur- sprungswärme und aus der Energiefreisetzung beim Zerfall radioaktiver Isotope. Nach heutigen Vorstellungen sind die Wärme produzierenden Isotope des Urans, des Thoriums und des Kaliums in der kontinentalen Kruste angereichert, die vorwiegend aus granitischen und basaltischen Gesteinen besteht (siehe „Wärme aus der Erde“,S. 285). Die geothermische Fündigkeit ist deshalb auch nicht auf ausgeprägt vulkanische Gebiete beschränkt. Im Prinzip gibt es Erdwärme überall, auch in Mitteleuropa. Allerdings muss man dort in Tiefen von vier bis fünf Kilometern boh- ren, um ein Temperaturniveau zu erschließen, das hoch ge- nug ist, um über Dampfturbinen effektiv elektrische Gene- ratoren antreiben zu können. Dieses Potenzial kann erst dann genutzt werden, wenn die Kosten und Risiken der Erschließung nachhaltig gesenkt werden. Die Herausforde- rung liegt in der Entwicklung von Technologien, die die Ergiebigkeit geothermischer Lagerstätten steigern und die Risiken bei der Lagerstättenerkundung senken. Geothermische Stromerzeugung Energie aus der Tiefe E RNST HUENGES Die Erde kann genug Wärme für geothermische Grundlast- kraftwerke liefern – und zwar überall, nicht nur in vulkanischen Gebieten. Allerdings erfordert das Bohrungen von einigen Kilometern Tiefe. Das Geothermielabor Groß Schönebeck.

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282 | Phys. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2004 | Nr. 6 DOI:10.1002/piuz.200401050 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Geothermie ist noch exotischIm weltweiten Maßstab ist Erdwärme noch eine exotischeEnergiequelle. Nur 0,35 % der global erzeugten Wärmeen-ergie stammt nach UN-Statistiken aus der Geothermie. Beider installierten elektrischen Leistung kamen im Jahr 2000alle geothermalen Kraftwerke zusammen auf knapp 8 GW[1]. Das entspricht etwa 1,6 % der Weltstromproduktionaus erneuerbaren Energien, die von der Wasserkraft domi-niert werden [2]. Zum Vergleich: 2003 lag die installierte Ge-samtleistung aller Windenergie-Anlagen der Welt bei knapp40 GW [3]. Allerdings hängt die Windkraft vom Wetter ab,weshalb alle Windanlagen auf dem Globus praktisch nie zu-sammen die maximale Leistung bringen. Bei der Geother-mie ist das dagegen im Prinzip möglich.

Anders als etwa in Island spielt die Geothermie in Mit-teleuropa noch eine untergeordnete Rolle. Nur Italien kannin der Toskana ein bedeutendes geothermisches Kraftwerkvorweisen, das immerhin 750 MW elektrische Leistungbringt: Lardarello ist auch der Geburtsort der Gewinnungvon elektrischer Energie aus Erdwärme. 1904 installiertedort Graf Piero Ginori Conti einen Dynamo,der von Dampfaus dem vulkanischen Boden angetrieben wurde. Er brach-te im Dorf fünf Glühbirnen zum Leuchten.

In Deutschland erlebte die Nutzung der Erdwärme inden vergangenen Jahren verhältnismäßig große Zuwachs-raten. Ende 1999 waren 400 MWth Wärmeleistung aus derhydrothermalen Geothermie installiert. Davon verteiltensich 55 MWth auf 27 größere Anlagen, weitere 340 MWth

stammen aus Erdwärmesonden: Das sind Wärmequellen-anlagen für Wärmepumpen, die typische Ein- oder Mehr-familienhäuser beheizen. Damit kommt insgesamt 6 ‰ der

Anspruchsvolle energie- und umweltpolitische Ziel-setzungen stellen die Energieversorgung vor neue Her-

ausforderungen: Der Energiemix der Zukunft soll ökolo-gisch verträglich, ressourcensicher, wettbewerbsfähig undvor allem nachhaltig sein. Das erfordert eine Minderungvon Emissionen und eine deutliche Erhöhung des Anteils er-neuerbarer Energien an der Stromversorgung.

Das Ziel der Europäischen Union,bis zum Jahr 2010 denAnteil erneuerbarer Energien am gesamten Energiever-brauch der EU mindestens zu verdoppeln, macht die ho-hen Erwartungen an diese Energieträger deutlich. Die Geo-thermie wird dabei immer interessanter: Anders als Windund Sonne steht sie rund um die Uhr zur Verfügung, wes-halb sie für Grundlast-Kraftwerke interessant ist. So stellt sieeine ökologisch beispielhafte und sinnvolle Alternative zurKernkraft und zu fossilen Energieträgern dar.

Aus Erdwärme kann Energie in Form von technischnutzbarer Wärme oder elektrischem Strom bedarfsgerechthergestellt werden. Die Erde birgt ein hohes, energiewirt-schaftlich interessantes Potenzial an Wärme. Ihr Wärmein-halt resultiert aus der Gravitationsenergie durch die Kon-traktion von Gas und Festkörperpartikeln während ihrerEntstehung sowie aus einer eventuell noch vorhandenen Ur-sprungswärme und aus der Energiefreisetzung beim Zerfallradioaktiver Isotope. Nach heutigen Vorstellungen sind dieWärme produzierenden Isotope des Urans, des Thoriumsund des Kaliums in der kontinentalen Kruste angereichert,die vorwiegend aus granitischen und basaltischen Gesteinenbesteht (siehe „Wärme aus der Erde“, S. 285).

Die geothermische Fündigkeit ist deshalb auch nichtauf ausgeprägt vulkanische Gebiete beschränkt. Im Prinzipgibt es Erdwärme überall, auch in Mitteleuropa. Allerdingsmuss man dort in Tiefen von vier bis fünf Kilometern boh-ren, um ein Temperaturniveau zu erschließen, das hoch ge-nug ist, um über Dampfturbinen effektiv elektrische Gene-ratoren antreiben zu können. Dieses Potenzial kann erstdann genutzt werden, wenn die Kosten und Risiken der Erschließung nachhaltig gesenkt werden. Die Herausforde-rung liegt in der Entwicklung von Technologien, die die Ergiebigkeit geothermischer Lagerstätten steigern und dieRisiken bei der Lagerstättenerkundung senken.

Geothermische Stromerzeugung

Energie aus der Tiefe ERNST HUENGES

Die Erde kann genug Wärme für geothermische Grundlast-kraftwerke liefern – und zwar überall, nicht nur in vulkanischenGebieten. Allerdings erfordert das Bohrungen von einigenKilometern Tiefe.

Das Geothermielabor Groß Schönebeck.

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für die Deckung des Wärmebedarfs in Deutschland erfor-derlichen Endenergie aus der Geothermie,was immer nochsehr wenig ist. Im Herbst 2003 ging im mecklenburgischenNeustadt-Glewe das erste Erdwärmekraftwerk Deutschlandsmit einer Leistung von etwa 200 kW in Betrieb.

Geothermische EnergiequellenWärme lässt sich auf unterschiedliche Weise aus dem Bo-den gewinnen. Relativ verbreitet ist in Mitteleuropa dieOberflächen nahe Geothermie: Wärmepumpen nutzen Boden und Grundwasser in wenigen Metern Tiefe als Wärmequelle für die Versorgung von Häusern. Solche An-lagen brauchen nur einen geringen Temperaturhub von wenigen Grad, um für Heizzwecke ausreichend Wärme zuproduzieren.

Eine zweite Wärmequelle ist heißes Wasser aus der Er-de. Solche hydrothermalen Systeme befinden sich in vul-

kanischen Gebieten, aber auch in nichtvulkanischen Re-gionen. Heute nutzen noch die meisten größeren geother-mischen Kraftwerke der Welt, die elektrischen Strom pro-duzieren, heißes Wasser aus vulkanisch aktiven Gebieten.Ein typisches Beispiel für die Vor- und Nachteile dieser Artder Energieerzeugung ist das 60-MW-Kraftwerk auf dem Vulkan Krafla in Island: Aus knapp zwanzig Bohrungen inbis 2200 Meter Tiefe fördert es eine anfangs fast 400 °Cheiße hydrothermale Sole, die sich beim Aufstieg im Bohr-loch entspannt, abkühlt und schließlich als Dampf mit 170 °C in das Kraftwerk gelangt. Da diese Sole viel Koh-lensäure,Schwefelwasserstoff,Salze und Schwermetalle ent-hält, ist sie korrosiv. Sie droht, die Bohrlöcher zuzusetzenund erzeugt Abwasser, das die Umwelt belastet, sofern esnicht wieder in die Tiefe zurück gepumpt wird (wird der-zeit auf Krafla getestet). Wegen der Zusammensetzung derhydrothermalen Sole emittieren solche Kraftwerke neben

> 120 °C

Generator

Turbine ~

Verdampfer

Kondensator

M

3-5 km

FörderbohrungInjektions-bohrung

ca. 0,5-1 km

Kraftwerksprozess

Hydraulische Stimulation

10 - 10 m1 2

A B B . 1 | G EOT H E R M I S C H E S T RO M E R Z E U G U N G

Durch eine Produktionsbohrung fördert eine Pumpe heißes Tiefenwasser nach oben. Mit der Wärme wird über einen Verdamp-fer im Kraftwerkskreislauf eine Turbine zur Stromgenerierung betrieben. Der Turbinenkreislauf enthält ein organisches Arbeitsmedium mit einer niedrigen Siedetemperatur, um die Effizienz zu steigern (Organic Rankine Cycle). Das abgekühlteWasser wird über eine Injektionsbohrung (blau) wieder in die Tiefe gepresst, falls dort nicht genügend Wasser vorhanden ist.In diesem Fall handelt es sich um ein Hot-Dry-Rock-System. (Grafik: GFZ)

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Schwefelwasserstoff auch Kohlen-dioxid – wenn auch in deutlich geringeren Mengen als beim Ver-brennen fossiler Energieträger freiwerden.

Hydrothermale Systeme, dienicht direkt mit einem Vulkan inVerbindung stehen, bereiten erheb-lich weniger Probleme. Im süd-deutschen Raum und in der Nord-deutschen Tiefebene gibt es zumBeispiel einige Regionen mit hydro-thermalen Niederdrucklagerstättenin Tiefen bis etwa 3000 Metern. Die-se hydrothermalen Nutzhorizontesind Warm- oder Heißwasser füh-rende Grundwasserleiter (Aquife-re), aus denen über Tiefbohrungendas meist salzhaltige Wasser ent-zogen.

Da dieses Wasser Temperaturenzwischen 60 und 120 °C hat, eignetes sich kaum für eine effektive Pro-duktion von elektrischem Strom.Deshalb wird es vorwiegend zur Gebäudeheizung eingesetzt. Dazuwird dem Tiefenwasser an der Erd-oberfläche mit Wärmeübertragerndie Wärme entzogen, die in Nah-oder Fernwärmenetze eingespeistwerden kann. In diesen Tempera-turbereichen bietet sich – auch oh-ne Stromproduktion – eine Vielzahlvon Nutzungsmöglichkeiten für diegeothermische Wärme. Typische Beispiele sind Heizzentra-len zur Bereitstellung von Nah- und Fernwärme für Haus-halte, Kleinverbraucher und Industrieanwendungen. Klas-sisch ist die direkte Nutzung der Thermalwässer als Heil-und Badewasser.

Heiß und tiefAb 4 000 m Tiefe stößt man praktisch überall im Unter-grund auf über 150 °C heiße Gesteinsformationen. Sie ent-halten das bei weitem größte Reservoir an geothermischerEnergie, das derzeit technisch zugänglich ist. Hydrother-malsysteme oder trockenere Hot-Dry-Rock-Systeme (HDR-Systeme), wie diese Formationen je nach Wasserführung genannt werden, stellen deshalb ein großes Zukunftspo-tenzial für die Geothermie dar.

Trocken bedeutet hier, dass nicht ausreichend natür-liches Wasser vorhanden ist, um es wie bei den hydrother-malen Lagerstätten über einen längeren Zeitraum an dieOberfläche zu fördern. Ein geothermisches Kraftwerk mussdeshalb selbst Wasser in die Tiefe pumpen,durch das heißeGestein pressen und es nach seinem Weg durch den natür-lichen Wärmetauscher wieder an die Oberfläche fördern.

Dazu braucht es Injektions- und Pro-duktionsbohrungen (Abbildung 1).Oft haben diese Felsformationen jedoch zu kleine natürliche Risse.Damit ist der Wasserdurchsatz zu gering und die Fläche für einen ef-fektiven Wärmeaustausch zu klein.Mit speziellen Stimulationsmetho-den müssen dann künstliche Risseerzeugt und die bestehenden er-weitert werden.

Eine solche Methode ist die hy-draulische Stimulierung der Klüfteund Risse: Das Hydraulic Fracturingist in der Erdöl- und Erdgasindustrieein gängiges Verfahren. In den1940er-Jahren entwickelt und stän-dig weiter verbessert, wird es dorteingesetzt,um die Produktivität vonBohrungen gezielt zu erhöhen. DemHydraulic Fracturing kommt zu-nehmend auch in der Erdwärme-nutzung eine Schlüsselrolle zu. Mitihm soll die natürliche Wasser-durchlässigkeit des Reservoirge-steins durch aktive Stimulation soerhöht werden, dass die geother-mische Energieproduktion ökono-misch interessant wird. Allerdingssind die Stimulationsmethoden derKohlenwasserstoffexploration fürdie geothermische Nutzung vonWarmwasservorkommen nur be-grenzt anwendbar. Für die Anwen-

dung in Geothermiebohrungen müssen sie weiterent-wickelt und angepasst werden.

Die Entwicklung geeigneter Technologien zur Nutzungder Untergrundwärme bildet seit einigen Jahren einen derForschungsschwerpunkte am GeoForschungsZentrum Pots-dam (GFZ). Im europäischen Rahmen wird sie auch im elsässischen Soultz-sous-Forêts zur Entwicklung des HDR-Verfahrens vorangetrieben. Diese Forschungs- und Ent-wicklungsarbeiten verbinden interdisziplinäre Grundlagen-forschung zur Charakterisierung potenzieller geothermi-scher Lagerstätten mit wirtschaftlichen und verfahrens-technischen Betrachtungen des Betriebs geothermischerAnlagen. Die Forscher des GFZ können vor allem bei derUntersuchung geologischer, geochemischer, geophysikali-scher und geomechanischer Aspekte der Lagerstättener-schließung ihre Stärken ausspielen. Hinzu kommt die Ana-lyse und Bewertung des Gesamtsystems.

Für hydraulische Experimente und Bohrlochmessungenverfügt das GFZ über ein In-situ-Forschungslabor in einer4,3 km tiefen Geothermiebohrung im Nordosten Branden-burgs. Im November 2003 wurde dort in einem Großex-periment die Methode des massiven „Wasserfracs“ erstmals

ABB. 2 | BOHRUNG GROSS-SCHÖNEBECK

Lithologie und Temperaturprofil in der Boh-rung Groß Schönebeck. Für die geothermischeStromerzeugung ist besonders die Rotliegend-Schicht interessant, weil sie heißes Wasserführt und mit der Tiefe die notwendige Tempe-ratur besitzt.

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in 150 °C heißen sedimentären Tiefengesteinen im Nord-deutschen Becken getestet. Mit Erfolg: Nach dieser Riss-stimulierung stieg die Produktivität der Bohrung erstmals ineinen Bereich hinein, der die geothermische Stromerzeu-gung im Norddeutschen Becken nicht nur generell mög-lich, sondern energiewirtschaftlich interessant macht.

Das Geothermielabor Groß Schönebeck Diese aufwendigen Versuche, die ich im Folgenden vor-stelle, konnte die Projektgruppe Geothermie des GFZ inGroß Schönebeck nur in Teamarbeit mit anderen Expertenerfolgreich durchführen: Beteiligt waren Forscher der Bun-desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoff, des Insti-tuts für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben inHannover und der Technischen Universität Berlin, Wasser-Experten der Neubrandenburger Firmen GTN GmbH undBoden Wasser Gesundheit GbR sowie Spezialisten der Bo-chumer Firma MeSy GEO-Meßsysteme GmbH.

Für Groß Schönebeck als Standort der Forschungsboh-rung entschied sich das GFZ auf Basis von geologischenund bohrtechnischen Datenanalysen. Da eine Kilometer tie-fe Bohrung sehr teuer ist,kamen nur bereits existierende Alt-bohrungen in Frage: Ihre erneute Öffnung durch „Aufwäl-tigen“, also das Ausbohren der Zementverfüllung, kostet er-heblich weniger als eine komplett neue Bohrung. Außerdemhaben Altbohrungen den Vorteil,dass ihre Bohrakten bereitsdetailliert Auskunft über den Untergrund geben. Diese Ak-ten umfassen Informationen über angetroffene Schichten,Gesteinsparameter, Zementationsprotokolle, Bohrberichteund andere wichtige Informationen.

Die Forscher des GFZ recherchierten die Bohrakten vonmehr als fünfzig Altbohrungen,die zunächst geeignet schie-nen. Ihre Wahl fiel schließlich auf die 1990 abgeteufte Erd-gasexplorationsbohrung E GrSk 3/90 in Groß Schönebeck.Beim Aufwältigen wurde die Bohrung um 54 Meter auf 4 294 Meter vertieft. Danach stand die Bohrung als In-situ-Versuchs- und Messlabor für die Durchführung von Bohr-lochmessungen und Experimenten bereit. Sie erschließt geothermisch interessante Horizonte des NorddeutschenBeckens in Tiefen zwischen 3 900 und 4 300 Metern beiTemperaturverhältnissen um 150 °C (Abbildung 2).

Bis zur Tiefe von 3 873 Metern ist sie teleskopartig ver-rohrt. An der Erdoberfläche hat sie einen Durchmesser vonrund 24,5 cm und ganz unten 12,7 cm. Im Oktober 2003wurde die Bohrung nochmals etwas vertieft, die Endteufeliegt nun bei 4 309 m.

Vor der Stimulation des Gesteins war es zunächst wich-tig,den Ausgangszustand der Bohrung zu bestimmen. Dazufanden 2001 hydraulische Tests und Bohrlochmessungenstatt. Außerdem mussten Gesteinsproben anhand von Labor-studien und Bohrlochmessungen charakterisiert werden.

Stimulation steigert ProduktivitätDie wirtschaftliche Wandlung von Erdwärme in elektrischenStrom erfordert Temperaturen von mehr als 150 °C, die inweiten Regionen des Norddeutschen Sedimentbeckens in

Tiefen zwischen 4 000 und 5 000 Metern zu finden sind. Ne-ben diesen Mindesttemperaturen ist – wie schon erwähnt– die stabile Förderung großer Mengen von Thermalwassereine weitere Voraussetzung für die Energiegewinnung.

Damit das funktioniert, muss der Gesteinskörper hochporös und gut durchlässig sein, also einen hohen Anteil hydraulisch verbundener Poren besitzen (Hot FracturedRock). Das gewährleistet eine gute Durchströmung und ei-nen hohen Wasserzufluss zur Bohrung. Allerdings ist in Tiefen mit Mindesttemperaturen um 150 °C die natürlichePermeabilität (Durchlässigkeit) der Gesteine nur gering. Siemüssen deshalb durch Stimulation künstlich aufgebrochen,um eine ungehinderte Wasserzirkulation zu erreichen. Ne-

W Ä R M E AU S D E R E R D E |Die Sonne strahlt zwar 20000-mal mehrEnergie auf die Erdoberfläche ein als inForm von Wärme aus der Tiefe der Erdehinauf strömt. Trotzdem ist die Geo-thermie eine nach menschlichemMaßstab unerschöpfliche Energie-quelle. Die Erdwärme kommt aus dreiQuellen [4]:• die im Erdinneren gespeicherte

Gravitationsenergie,• die im Erdinneren gespeicherte

Ursprungswärme und• der Zerfall radioaktiver Isotope.Als die Erde durch Zusammenballungvon Materie, also Gesteinsbrocken,Staub und Gasen aus dem protoplane-taren Nebel entstand, wuchs ihre Masseund damit ihr Gravitationsfeld. Deshalbprallte die weiter einstürzende Materiemit steigender Wucht auf die werdendeErde, und diese Gravitationsenergiewandelte sich dabei weitgehend inWärme um. Ein Großteil dieser Wärme

strahlte zwar wieder ins Weltall ab,nach Schätzungen verblieb jedoch eineEnergie zwischen 15 und 35 ⋅1030 J inder Ursprungserde. Hinzu kommt einweiterer Anteil aus der Wärme, die dieMaterie aus dem protoplanetarischenNebel zur werdenden Erde mitbrachte.

In der kontinentalen Erdkruste liefertder Zerfall radioaktiver Isotope einenbedeutenden Beitrag zur Erdwärme.Vor allem in den oberflächennahenErdschichten reichern sich in dengranitischen und basaltischen Gestei-nen 40K, 232Th, 235U, 238U und anderenatürlich vorkommende Isotope an. Inden basaltischen Gesteinen liegt dieradiogene Wärmeproduktionsleistungbei etwa 0,5 µW/m3, in Graniten sogarbei 2,5 µW/m3. Seit der Entstehung derErde hat diese Wärmequelle immerhingeschätzt 7⋅1030 J freigesetzt.

Aus diesen drei Quellen resultiertnach gegenwärtigen Schätzungen eine

in der Erde gespeicherteGesamtwärme, die zwi-schen 12 und 24⋅1030 Jliegt. Die äußerste Erdkrus-te bis 10 km Tiefe enthältdanach etwa 1026 J. Darausresultiert ein Wärmestromzur Erdoberfläche von rund65 mW/m2. Mit jedemKilometer Weg in die Tiefesteigt die Temperatur inder äußeren Kruste umdurchschnittlich 30 Kelvinan. RW

In der kontinentalen Krusteproduziert die natürlicheRadioaktivität kräftig Erd-wärme. (Grafik: Roland Wengenmayr)

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ben der Erzeugung eines weitreichenden Risssystems sollein Stimulationsexperiment wie das unsere auch einen An-schluss an wasserführende Klüfte herstellen, die von Naturaus vorhanden sind (Abbildung 3).

Dazu wird in kurzer Zeit und unter hohem Druck einFluid in eine Bohrung verpresst. Meist ist es Wasser wie inunserem Fall. Bei der Stimulation überschreitet der Druckdes Fluids die im Gebirge vorherrschenden Spannungen.

So erweitert es vorhande-ne Risse im Gestein, ver-bindet sie und erzeugtneue Klüfte (HydraulicFracturing). Die Injekti-onsraten werden stufen-weise erhöht und dasFluid gegebenenfalls mithochviskosen Zusätzenversetzt. Falls nötig, wirdes zur Sicherung der Riss-öffnung mit Stützmittelnversetzt – zum BeispielKeramikkügelchen vonetwa 1 mm Durchmesser.Diese lagern sich in denhydraulisch erzeugten Ris-sen im Gestein ein undhalten sie offen,wenn derDruck nachlässt.

Durch die Stimulationentsteht so ein weit ver-zweigtes Kluftsystem, dasdem Thermalwasser neueFließwege zur Förderboh-rung schafft: Nun funk-tioniert es als Transport-

weg und als untertägiger Wärmetauscher mit großer Kon-taktfläche.

Stimulation der SandsteineDie ersten – relativ sanften – Stimulationsexperimente inden Sandsteinhorizonten in 4 200 Metern Tiefe wurden inGroß Schönebeck noch weitgehend konventionell ausge-führt, also auf Basis von Erfahrungen aus der Erdöl- und Erd-gas-Exploration. Dabei injizierten wir mehrere Hundert Ku-bikmeter einer hochviskosen Flüssigkeit, einem Spezialgel,bei einem Überdruck von 17 MPa und brachten Stützmittelein. Tatsächlich zeigten Messungen nach der Stimulation ei-nen erhöhten Wasserzufluss an Grundwasser aus dem um-gebenden Gestein. Ein Produktionstest wies entsprechendhöhere Fließ- und Förderraten nach,ein erstes Indiz für denErfolg des Experiments. Es bewies, dass schon geringeDruckanregungen Risse im Gebirge initiieren können.

Neben diesem Erfolg gelangen uns im offenen und un-verrohrten Bohrlochbereich im tiefsten Abschnitt weitereExperimente,die dort hohe Risiken bergen. Dazu gehört dererstmalige Einbau eines so genannten Packers in über 4 kmTiefe. Ein Packer ist ein Abdichtungssystem für das Injek-tionsrohr. Im Prinzip funktioniert er wie ein Verschluss-korken für geöffnete Sektflaschen,der sich durch Schraubenoder einen Hebel verdickt und so den Flaschenhals fest ver-schließt. Wichtig war vor allem nicht nur das Setzen desPackers: Nach dem Experiment, bei dem das System unterhoher Belastung stand, musste er auch erfolgreich wiedergeborgen werden. Wäre er in der Tiefe verblieben, hätte ersonst das weitere Vorgehen verhindert.

Anschließend wurde zur Abschätzung der hydraulischenParameter,die durch die Stimulation verändert wurden,überrund zwei Monate ein Langzeitpumptest mit einem För-dervolumen von insgesamt 700 m3 Thermalwasser ausge-führt. Über diesen Zeitraum bestimmten wir die Durchläs-

I N T E R N E T |Geothermieprojekte am GFZ Potsdamwww.gfz-potsdam.de/pb52

Europäische Pilotanlage (Hot-Dry-Rock-Verfahren)www.soultz.net

Informationen und Verweise auf andere Websiteswww.geothermie.de

Geothermal Energy Associationwww.geo-energy.org

Geothermische Energieerzeugung weltweit in Zahlenwww.geo-energy.org/worldwidecontri-bution.htm

International Geothermal Associationiga.igg.cnr.it

Geothermie in der Schweizwww.geothermal-energy.ch

Erdwärme-Kraftwerk Neustadt-Glewewww.erdwaerme-kraft.de

A B B . 3 | S T I M U L AT I O N

Die Grafik zeigt, wie die Stimulation einen vertikalen Riss inder Bohrung erzeugt. Ein künstlicher Riss richtet sich in der Tiefe nach dem Spannungsfeld aus: Er wächst parallel zurHauptspannung.

A B B . 4 | F M I - R I S S B I L D

Die FMI-Messungen vom November 2003 in der Bohrung GroßSchönebeck 3/90 zeigen die „aufgerollte“ Bohrlochwandung.Auf ihnen ist in Tiefen zwischen 4150 und 4200 m ein Riss zu erkennen, der sich nach der ersten massiven Wasserfrac-Behandlung über 120 m Länge öffnete. Die Farbskala verläuftvom hohen elektrischen Widerstand (hell) zu geringem(dunkel).

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sigkeit der unterschiedlichen Gebirgshorizonte unter moderaten Ansaugbedingungen, die Ausdehnung des Re-servoirs und die chemische Zusammensetzung des zu fördernden Tiefenwassers. Durch Vergleich mit den Datenvor den ersten Stimulationsversuchen konnten wir so ab-schätzen, wie sich die Produktivität der Sandsteine durchdie Stimulation verändert hat.

Allerdings erwies sich die Produktivität, die wir durchdie Sandsteinstimulation erzielen konnten, als noch nichtausreichend für eine wirtschaftliche Stromerzeugung. Da-her entschieden wir uns, die Experimente mit einer mas-siven Stimulation fortzusetzen.

Massive Stimulationsexperimente Im Verlauf der massiven Stimulationsexperimente wurdeninsgesamt 14 000 m3 Wasser mit sukzessive steigender In-jektionsrate und steigendem Druck in den Untergrund in-jiziert: Bei den höchsten Injektionsraten lag der Druck weit oberhalb der früheren 17 MPa. Um hohe Fließraten bis 80 l/s realisieren zu können, wurden spezielle, leistungs-fähige Pumpaggregate bereitgestellt. Die übertägigen Anla-genteile mit dem Bohrkopf und den Zuleitungen musstendabei einem Druck von 50 MPa standhalten können, dasentspricht dem 500-fachen Atmosphärendruck. Das Wasserkam aus drei etwa 80 Meter tiefen Brunnen und wurde inBehältern mit einer Kapazität von 1 500 m3 zwischenge-speichert. Dort wurde es auch chemisch aufbereitet, um esmit dem Tiefengestein und den Tiefenwässern verträglichzu machen – etwa durch Ansäuern, um Eisenhydroxyd-Aus-fällungen im Tiefenreservoir zu vermeiden.

Im Januar 2003 starteten wir zunächst einen Stufen-injektionstest. Dabei erhöhten wir die Injektionsrate zu-nächst bis 24 l/s, der Druck stellte sich bei 17 MPa ein. Da-bei konnten wir beobachten, dass bereits ab einer Injek-tionsrate von 8 l/s sich der Druckanstieg mit weiter an-

steigender Injektionsrate abnahm. Entsprechend erhöhtesich die Injektivität: Es wurde also mehr Flüssigkeit je Druck-einheit im Untergrund verpresst, demnach öffneten sichdort bereits Risse und Klüfte.

Im Anschluss untersuchten wir, ob die Injektivitätsstei-gerung auch mit einer Produktivitätssteigerung verbundenist. Wir konnten während eines fünfstündigen Tests nun im-merhin 250 m3 Wasser aus der Tiefe fördern, das war einevielfach höhere Produktivität im Vergleich zu den Pump-tests vom vorangegangenen Sommer 2002. Mit physikali-schen, also elektrisch, seismisch und die Radioaktivität auf-zeichnenden Bohrlochmesssonden führten wir dann struk-tur- und gesteinbestimmende Messungen im offenenBohrlochabschnitt durch. Als spezielle Messmethode setz-ten wir einen Formation-Micro-Imager (FMI) ein, der denelektrischen Widerstand der Bohrlochwand mit einer ört-lichen Auflösung im Zentimeterbereich vermessen kann. Erergab ein Bild, das deutlich einen vertikalen Riss von etwa150 m Länge im unteren, unverrohrten Abschnitt des Bohr-lochs zeigt (Abbildung 4). Weitere Messungen belegen,dassdie Bohrung im tiefsten Abschnitt das Rotliegend (Schichtdes frühesten Perm) durchteuft hat (Abbildung 2).

Um das Risiko auszuschließen, dass bei weiteren massi-ven Stimulationsexperimenten das Bohrloch im noch un-verrohrten Abschnitt im Tiefenbereich von 3 985 m bis 4 300 m einstürzt, installierten wir nun auch dort einenSchutzstrang aus Rohren. Diese sind im so genannten Speicherbereich gelocht, damit dort das Wasser durch dieWand der Bohrung fließen kann. In der gesicherten Boh-rung setzten wir dann das Testprogramm mit Stimulation,Fördertest und Stufeninjektion fort (Abbildung 5).

Diese Tests konnten eine beachtliche Produktivität vonetwa 14 m3/(h MPa) Wasser nachweisen (Abbildung 6).Rechnerisch folgt daraus, dass im Dauerbetrieb bei einemsaugenden Betriebsdruck von 5 MPa immerhin 70 m3 Was-ser pro Stunde gepumpt werden kann. Beim Stand heutigerTechnik wären die 5 MPa durch eine Unterwasserpumpe er-

A B B . 5 | WAC H S E N D E PRO D U K T I V I T Ä T

Die Stimulation zeigt Wirkung. Nach jeder Stimulationsbe-handlung wurde die Produktivität getestet und daraus diehier dargestellten Indizes ermittelt. Der Produktivitätsindexvom Februar 2003 konnte nur als Mindestwert bestimmtwerden. Er liegt wahrscheinlich höher. Der Wert vom Dezem-ber wurde beim Rissschließungsdruck bestimmt.

Abb. 6 Produktionstest in Groß Schönebeck. Zu sehen sindWasserbecken, die im Verlauf des Testes sehr schnell gefülltwurden.

288 | Phys. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2004 | Nr. 6 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

reichbar, die im Bohrloch etwa 500 m unter dem Wasser-spiegel eingebaut werden müsste. Für eine normale Pro-duktion ist das ein durchaus realisierbares Szenario. UnserExperiment konnte also nachweisen, dass die geothermi-sche Stromerzeugung im Norddeutschen Becken nicht nurmöglich, sondern energiewirtschaftlich interessant ist.

AusblickDie Stimulation ist ein erster Schritt. Nun muss bewiesenwerden, dass das Risssystem auch längere Zeit offen bleibtund den Transport einer ausreichenden Wassermenge ga-rantiert. Der nächste Schritt zu einer geothermischen En-ergieerzeugung ist die erfolgreiche Zirkulation des Wasserszwischen zwei räumlich getrennten Bohrungen, die im Be-reich des Reservoirs etwa einen Kilometer auseinander lie-gen. Dazu werden wir in Groß Schönebeck ein zweitesBohrloch abteufen. Danach soll ein mehrere Monate dau-erndes Zirkulationsexperiment zeigen, ob sich das erzeug-te Risssystem zum dauerhaften Transport und Wärmeaus-tausch des im Untergrund vorhandenen Wassers eignet: Nurlangfristig gesicherte Produktionsraten erlauben eine nach-haltige Nutzung eines Heißwasserreservoirs,erst dann lohntsich die Investition in die Stromerzeugung.

In Groß Schönebeck soll die vorhandene Altbohrungnicht als Förder- sondern als Injektionsbohrung verwendetwerden. Die bisherigen Experimente zeigten, dass sie sichwegen ihrer Injektivitätswerte gut dazu eignet. Zudem spre-chen geometrische Gründe dafür, die neu abzuteufendeBohrung zur Förderung zu nutzen: Sie kann so angelegtwerden,dass sie nicht senkrecht durch den Speicherbereichstößt, sondern darin abgelenkt wird. Das sorgt für einenlängeren Verlauf in dieser für die Produktion entscheiden-den Schicht und damit für größere Zuflussflächen.

Kann eine ausreichende Produktivität nachgewiesenwerden, dann soll in Groß Schönebeck in Kooperation mitIndustriepartnern eine Strom produzierende Forschungs-anlage errichtet werden. Sie soll vor allem verfahrenstech-nische Fragen klären, wobei die Wirtschaftlichkeit geother-mischer Stromerzeugung im Vordergrund steht.

Die langfristige Zukunft der Geothermie in Mitteleuro-pa darf durchaus optimistisch eingeschätzt werden. Diekürzlich in Neustadt-Glewe in Betrieb genommene geo-thermische Kraft-Wärmekopplung-Anlage zeigt,dass Strom-erzeugung aus Erdwärme unter hiesigen geologischen Be-dingungen realisierbar ist. Die Entwicklung der Geother-mie in Deutschland kann zu einem wichtigen Beitrag fürden weltweiten Ausbau regenerativer Energien werden,denn der geologische Untergrund ist typisch für Mitteleu-ropa und damit repräsentativ für viele Gebiete. Funktioniertdiese Technologie also in Deutschland erfolgreich, dannkann sie weltweit auf Gebiete ähnlicher geologischer Struk-tur übertragen werden.

ZusammenfassungDie Erde birgt überall genug Wärme für die geothermischeErzeugung elektrischen Stroms, die allerdings Wassertempe-raturen von über 150 °C braucht. So warme Gesteinsschich-ten liegen in Mitteleuropa in mindestens 4 km Tiefe. Ein Kraft-werk muss also beim Betrieb über tiefe Bohrungen Wasserdurch das Tiefengestein zirkulieren und dort erhitzen. Von Na-tur aus ist das Gestein jedoch dafür meist zu wenig porös.Deshalb soll das Einpressen von Fluiden unter hohem Druckdie natürlichen Risse im Reservoirgestein künstlich vergrößern.Diese Stimulationstechnik erprobte das GeoForschungsZen-trum Potsdam erfolgreich an einer 4309 m tiefen Bohrung imGeothermielabor Groß Schönebeck. Eine zweite Bohrung sollnun eine langfristige Wasserzirkulation im Untergrund erfor-schen. Funktioniert sie stabil, dann soll eine Demonstrations-anlage Strom erzeugen.

DanksagungFür die Förderung wichtiger Teilprojekte danke ich demBundesministerium für Wirtschaft und Technologie (jetztBMWA) und dem Bundesministerium für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit.

StichworteGeothermie, hydrothermales System, Hot Dry Rock, Stimu-lation,Norddeutsches Becken,Geothermielabor Groß Schö-nebeck.

Literatur[1] G. W. Hutterer, Status of world geothermal Power Generation, Proc.

World Geothermal Congress 2000; Kyushu-Tohoku (Japan) 2000.[2] Geothermal Energy Association, Worldwide Contribution of

Geothermal Power Generation, www.geo-energy.org/worldwidecontribution.htm.

[3] The European Wind Energy Association, Pressemitteilung vom 10. März 2004, www.ewea.org.

[4] Energie aus Erdwärme. M. Kaltschmitt, E. Huenges und H. Wolff(Hrsg.), Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1999.

Der AutorDr. rer. nat. Ernst Huenges, Diplom-Physiker undDiplom-Verfahrensingenieur, leitet die SektionGeothermie am GeoForschungsZentrum Potsdam.Derzeit ist er Sprecher der deutschen Helmholtz-Zentren für Geothermische Technologie. Er war anvielen Bohrprojekten beteiligt, zum Beispiel amkontinentalen Tiefbohrprogramm Deutschlands.

Anschrift Dr. Ernst Huenges, GeoForschungsZentrumPotsdam, Telegrafenberg, D-14473 [email protected]

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EEnneerrggiiee aauuss EErrdd--wwäärrmmee..M. Kaltschmitt, E. Huenges und H. Wolff (Hrsg.),Spektrum Akade-mischer Verlag,Heidelberg 1999, XII, 265 Seiten,Broschur. 49,95 f.ISBN 3-827-41206-4