Download - Solidarität 3/2010
Das Magazin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks SAH • August 3/2010www.sah.ch
SchweizChancen für junge MigrantInnen
InternationalTheater für soziale Veränderungen
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9.6.2010 Die Interessen der Flüchtlinge
wahrnehmen
Für die Flüchtlinge in der Schweiz setzen sich auch
die Hilfswerke ein. (…) Ihre Stärke ist es, die Men
schen als Ganzes wahrzunehmen und auf ihre indi
viduellen Schicksale einzugehen. (…) Die sogenann
ten Integrationsprojekte zeigen ihnen auf, wo sie
sind, welche Rechte sie bei uns haben und wie sie
einen Beitrag zur Integration leisten können. Hans
Fröhlich, Geschäftsführer des Schweizerischen Ar
beiterhilfswerks Zürich (SAH), erklärt: «Integration
heisst aber auch, dass wir die verschiedenen Kultu
ren der Flüchtlinge respektieren und dass die Fertig
keiten und Erfahrungen, die Flüchtlinge mitbringen,
in die Projektarbeit einfliessen.»
2.6.2010 Tropensturm fordert immer mehr Opfer
In den vom Tropensturm Agatha ausgelösten Regen
fluten in Mittelamerika sind mittlerweile mindestens
175 Menschen zu Tode gekommen. (…) Zehntausen
de Menschen in der Region mussten in Notunter
künfte gebracht werden. (…) Auch aus der Schweiz
kommt Hilfe: In Zusammenarbeit mit der Direktion
für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) des
Bundes setzt das Schweizerische Arbeiterhilfswerk
SAH nach eigenen Angaben 50 000 Franken ein, um
in seinem Schwerpunktland El Salvador für über 130
Familien Notunterkünfte und Nahrungsmittel bereit
zustellen.
4.5.2010 Graubünden will Kinderarbeit
einen Riegel schieben
Als erster Kanton schreibt Graubünden bei öffentli
chen Beschaffungen soziale Mindeststandards vor.
(…) Gemäss einer Weisung sind bei öffentlichen Be
schaffungen nur noch Anbieter zu berücksichtigen,
die gewährleisten, dass sie beziehungsweise ihre
Subunternehmer oder Lieferanten bestimmte Über
einkommen einhalten und dies im Rahmen einer
Selbstdeklaration bestätigen.
Medienschau
Liebe Leserin, lieber Leser
In ihrer «Millenniumserklärung» hat sich die inter
nationale Staatengemeinschaft 2000 darauf geeinigt,
was Entwicklung erreichen soll: die Reduktion der
Armut. Weitere Ziele sind Chancengleichheit für Frauen
und Mädchen, Primarschule für alle Kinder oder ver
besserter Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Im September zieht der UNOGipfel in New York Bilanz.
Sie wird gemischt ausfallen: Der Zugang zur Schulbildung
hat sich verbessert, ebenso die Gesundheitsversorgung.
Die weltweite Armut ist ein Stück weit reduziert worden.
Allerdings nicht überall und zu wenig: Nach wie vor leben
1,4 Milliarden Menschen in extremer Armut, und in vielen
Ländern südlich der Sahara ist jedes vierte Kind unter
ernährt. Chancengleichheit bleibt Wunschdenken.
Und die Schweiz? Trotz seines Versprechens am UNO
Gipfel im Jahr 2005 wird der Bundesrat erst in der
kommenden Wintersession und nach massivem Druck
dem Parlament eine Botschaft vorlegen, wonach die
Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,5 Prozent des Brutto
nationaleinkommens erhöht werden soll. Abgesehen
davon haben Wirtschaftsinteressen regelmässig Vorrang
vor Entwicklungs und Menschen rechtsfragen, sei es
in der Steuer oder in der Handelspolitik. Die Schweiz
muss ihre Gesamtpolitik so ausrichten, dass sie Entwick
lung fördert – und zwar als oberste Priorität.
Und das SAH? Mit unseren Trägerorganisationen engagie
ren wir uns für eine Entwicklungsagenda, die sich an der
Armutsbekämpfung orientiert. Und wir setzen sie in
unseren Programmen um. Chancengleichheit für Frauen
und Mädchen ist dabei ein wichtiger Aspekt. Mit Blick auf
2015 stellen wir sie noch verstärkt ins Zentrum.
Ruth Daellenbach, Geschäftsleiterin SAH
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Herausgeber: Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, tel. 044 444 19 19, E-Mail: [email protected], www.sah.ch, Postkonto 80-188-1 Zürich
Redaktion: Katja Schurter (verantwortliche redaktorin), rosanna Clarelli, Christian Engeli, Hans Fröhlich, Alexandre Mariéthoz, Cyrill rogger
Layout: Atelier Binkert, www.atelierbinkert.ch
Übersetzungen: irene Bisang, Ursula Gaillard, Milena Hrdina, Walter roselli, Peter Schrembs
Korrektorat: Angelo Ciampi, Marianne Enckell, Jeannine Horni
Druck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 SchaffhausenErscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 50.–,organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr).Gedruckt auf umweltfreundlichem recycling-Papier.
Impressum
SCHWEIZCoaching für lehrstellensuchendefördert die Chancengleichheit 4
STANDPUNKTChristian levrat: Die Schweiz braucht eine lehrstellenoffensive 7
PINGPONG 10
INTERNATIONALGreen Jobs müssen menschenwürdig sein 9
Brasilien 2014: Die Kampagne gegen Ausbeutung rund um die WM geht weiter 11
Freiwillige Sozialarbeiterinnen erhalten in Südafrika das Gesundheitssystem aufrecht 12
Mit theater soziale Veränderungen bewirken 16
SPENDENMit dem Vermächtnis Benachteiligte unterstützen 15
EINBLICKFreddy Chipana ermutigt Jugendliche mittheaterarbeit, aktiv zu werden 18
titelbild: Jugendliche mit Migrationshintergrund finden dank Coaching eine lehrstelle. Foto: Sabine rockrückseite: theaterarbeit mit Jugendlichen in Bolivien. Foto: Altoteatro
INTERNATIONAL und EINBLICK Mit theaterarbeit heikle themen ansprechen und soziale Veränderungen in Gang setzen.
SCHWEIZ Das Coaching des SAH Zentralschweizhilft Jugendlichen mit Migrationshintergrund,
trotz Benachteiligung eine lehrstelle zu finden. S. 4–6
STANDPUNKT Es braucht mehr lehrstel-len und Ausbildungs-plätze für Jugendliche mit schulischen Schwierigkeiten, damit auch sie eine Per- spektive erhalten. S. 7
El Salvador S. 16
Moçambique S. 17
Bolivien S. 18
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Flexibel von BerufJugendliche mit Migrationshintergrund haben es schwer, eine Lehrstelle zu finden. Das Coaching für Lehrstellensuchende des SAH Zentralschweiz bietet ihnen Unterstützung.Text: Katja Schurter, Fotos: Sabine Rock
Ali Azimi hat ein Praktikum mit anschliessender Lehre als Landschaftsgärtner gefunden.
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Noor Hamzawi hat vor einer Woche bei
der Bäckerei Sidler in Gisikon die Zusage
für eine Lehre als Bäckerin erhalten. Die
junge Frau mit dem offenen Blick und
dem Kopftuch hatte ursprünglich andere
Berufswünsche: «Ich wollte Floristin oder
Tierpflegerin werden.» Doch die Betriebe
wollten ihrer Kundschaft keine Stiftin mit
Kopftuch zumuten. «Auf dem Land ist die
Zeit wohl noch nicht reif für das Kopf
tuch», meint Karin Amrein, die Noor bei
der Lehrstellensuche gecoacht hat. «In der
Backstube spielt das Kopftuch keine Rolle.»
Karin Amrein ist Primarschullehrerin
und arbeitet ehrenamtlich beim Coaching
für Lehrstellensuchende des SAH Zentral
schweiz mit. Sie hat sich seit dem letzten
Oktober alle zwei Wochen mit der 17Jäh
rigen Sek.CSchülerin getroffen, deren Fa
milie vor neun Jahren aus dem Irak in die
Schweiz geflüchtet ist. «Meine Hauptaufga
be war, Noor zu motivieren, die Lehrstel
lensuche intensiver anzugehen», erinnert
sich Karin Amrein. An jedem Treffen ver
einbarten sie, was Noor bis zum nächsten
Mal erledigen musste: Offene Lehr und
Schnupperstellen suchen, Bewerbungen
schreiben. Auf Floristin und Tierpflegerin
folgten Optikerin und Drucktechnologin.
Als sich alles als unrealistisch herausstell
te, schlug Noor Bäckerin vor. Ein pragma
tischer Entscheid: «Als Bäckerin gab es
noch am meisten freie Lehrstellen. Ausser
dem habe ich meiner Mutter immer gerne
beim Kochen geholfen.»
Über 50 Prozent ErfolgsquoteIm Projekt «Coaching für Lehrstellensu
chende» des SAH Zentralschweiz beglei
ten 14 Gotten und Göttis 14 Jugendliche
bei der Lehrstellensuche. «Sechs Jugendli
che haben eine Lehrstelle gefunden, zwei
beginnen ein Jahrespraktikum und eine
hat die Prüfung fürs Gymnasium bestan
den», resümiert Silvia Caluori, die das Pro
jekt zusammen mit Christine Spychiger im
Oktober 2009 lanciert hat. Die Erfolgs
quote kann sich bis Ende Sommer noch
erhöhen. Die meisten, die bis dann nichts
gefunden haben, werden an einem Brü
ckenangebot teilnehmen und weiterhin
von ihren Gotten und Göttis begleitet, da
mit es nächstes Jahr klappt. Allerdings
gab es auch ein paar Tandems, die sich
nicht mehr getroffen haben, weil ihre Zu
sammenarbeit nicht gut funktionierte.
«Es gibt zu wenig Attestausbildungen
für Jugendliche, die die Voraussetzungen
für eine Lehre nicht mitbringen. Viele Ju
gendliche resignieren, weil sie in ihrem
Traumjob keine Chancen haben. Und bei
gewissen Berufsfeldern – wie zum Bei
spiel Kauffrau – haben Jugendliche mit
Migrationshintergrund auch mit guten
Noten in der Sek. A kaum Chancen», fasst
Christine Spychiger die Probleme bei der
Lehrstellensuche zusammen.
Sich nicht entmutigen lassenIn der Backstube duftet es intensiv
nach frisch gebackenem Brot. Neben
einem Gestell mit Hunderten von Laiben
stehen Schüsseln gross wie Bottiche mit
Cartoon von ANNA
Die Erfahrung von Silvia Caluori und Christine Spychiger zeigt, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund geringe Chancen haben, eine Lehrstelle zu finden.
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riesigen Rührwerken. Lehrlingsanleiter
Häfliger erzählt, weshalb er Noor einge
stellt hat: «Sie ist sehr anständig, sauber,
sieht die Arbeit selbst, hört zu und fragt
nach. Man merkt, dass ihr die Materie ver
traut ist – und sie stand pünktlich um 5.30
Uhr in der Backstube.»
Auf dem Weg nach Luzern erzählt Ka
rin Amrein, wie sie das Coaching erlebt
hat. «Ich musste meine Rolle zuerst fin
den. Ich hatte es nicht mit einer Erwach
senen zu tun, sondern mit einer Jugend
lichen, die durch unser Schulsystem
gegangen ist. Ihr wurde immer gesagt,
was sie zu tun hat, und nun sollte sie
plötzlich selbst Verantwortung überneh
men.» Ausserdem brauche es Kraft, sich
durch ablehnende Reaktionen nicht ent
mutigen zu lassen: «Einmal erzählte Noor,
eine Kollegin, die auch das Kopftuch tra
ge, meine, sie würden ja eh keine Lehr
stelle finden. Da sagte ich ihr, dass es
nicht Sinn und Zweck unserer Zusam
menarbeit sei, aufzugeben.»
«Ich mache mir gerne die Hände dreckig»
Im zweiten Stock eines Bürohauses im
Zentrum von Luzern befindet sich das
Treuhandbüro von Peter Bühler, Götti des
21jährigen Ali Azimi. Motivieren für die
Lehrstellensuche musste er den Flüchtling
aus Afghanistan nicht. 12jährig war Ali
zusammen mit zwei Cousins in den Iran
geflohen. Dort lebte er illegal, bis er vor
drei Jahren alleine in die Schweiz kam. Er
wollte unbedingt eine Lehrstelle finden:
«Ich habe manchmal bis zwei Uhr mor
gens Bewerbungen geschrieben», erzählt
Ali. Er hatte bereits Schnupperlehren als
Sanitär und als Gärtner absolviert und
sich für den Gartenbau entschieden: «Ich
arbeite gerne an der frischen Luft und ma
che mir die Hände dreckig», meint er. So
bestand Peter Bühlers Unterstützung da
rin, seine Kontakte spielen zu lassen. Mit
Erfolg: Über seine Vermittlung konnte Ali
bei einem Gartenbauunternehmen in Mal
ters schnuppern. Dort beginnt er im
Herbst ein einjähriges Praktikum und
geht einen Tag pro Woche zur Schule.
Bessere Deutschkenntnisse sollen ihn für
die Berufsschule während der Lehre als
Landschaftsgärtner wappnen.
Unverhoffter Lehrling Bei «Christoph Winistörfer – Naturgär
ten und Wildgärten» öffnet uns der Be
sitzer. Er fährt uns auf die Baustelle im
Garten eines Einfami lienhauses, wo seine
Arbeiter Steinplatten und Pflastersteine
setzen. Während Winistörfer sich nach
den Auswirkungen des gestrigen Gewit
ters erkundigt, greift Ali zum Hammer und
klopft Pflastersteine ins Kiesbett.
Christoph Winistörfer suchte eigentlich
keinen Lehrling, als er über einen Ange
stellten von Ali Azimi hörte. Er liess ihn
eine Woche schnuppern und bietet Ali
nun Praktikum und Lehrstelle. «Aus
schlaggebend war, wie er arbeitete. Es
war spürbar, dass es nicht das erste Mal
war und dass es ihm gefällt. Weitere Grün
de waren seine Lebensgeschichte und
dass bereits jemand aus Afghanistan im
Betrieb arbeitet», erklärt Winistörfer.
Ali hat sich schon Pflanzenbücher ge
kauft. «Die Pflanzennamen auf Latein sind
für viele das Anspruchsvollste», weiss
Winistörfer. Wenigstens hier wird Ali ähn
liche Voraussetzungen haben wie seine
deutschsprachigen MitschülerInnen.
Coaching für Lehr-stellensuchende
Das Beratungs und Bildungsangebot CoOpera des SAH Zent ral schweiz hat den Auftrag, die sprachli-che, berufliche und kulturelle integrati-on von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen zu fördern. Das Projekt «Coaching für lehrstellen-suchende» richtet sich an Jugendliche, die bei Co-opera beraten werden und eine lehrstelle suchen. Ehrenamtliche Gotten und Göttis begleiten die Ju-gendlichen ein Jahr lang bei der lehr-stellensuche. interessierte melden sich bei: [email protected]
Noor Hamzawi und Karin Amreins Zusammenarbeit war erfolgreich: Im Herbst beginnt Noor die Lehre als Bäckerin.
Solidaritäts-Barometer
Gibt es Ihrer Meinung nach genügend Lehrstellen in der Schweiz?
Was braucht es, damit alle Jugendlichen eine Lehrstelle bekommen?
Wie könnte die Diskriminierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
bei der Lehrstellensuche verhindert werden?
Beantworten Sie die Fragen des Solidaritäts-Barometers auf dem beigelegten Antworttalon.
7
Die Arbeitslosenzahlen sinken wieder,
das ist ein positives Signal. Doch nach wie
vor sind über 150 000 Menschen in die
sem Land ohne Stelle. Besonders stark be
troffen ist die jüngste Generation: Fast je
deR sechste Arbeitslose ist zwischen 15
und 24 Jahre alt. Innerhalb eines Jahres
hat die Jugendarbeitslosigkeit um fünf
Prozent zugenommen. Und es ist zu er
warten, dass mit dem Schul und Lehren
de diesen Sommer der Trend weiter nach
oben zeigt. Der Grund ist klar: Es fehlt an
Stellen für Schul und LehrabgängerIn
nen, an Ausbildungsplätzen und Lehrstel
len. Das kann sich die Schweiz und ihre
Wirtschaft auf die Dauer nicht leisten.
Handlungsbedarf wird negiertSeit geraumer Zeit fordert die SP sowohl
den Bundesrat als auch das Parlament auf,
die Situation ernstzunehmen und mit ge
eigneten Massnahmen zu bekämpfen. Mit
grosser Sorge nehmen wir zur Kenntnis,
dass unsere Vorschläge abgelehnt, die Si
tuation auf dem Arbeitsmarkt unterschätzt
und der Handlungsbedarf negiert werden.
Es besteht aber sehr wohl Handlungs
bedarf, wenn weit mehr als 20 000 Ju
gendliche ohne berufliche Perspektive da
stehen. Die Politik muss diese Probleme
angehen und gemeinsam mit der Wirt
schaft nach Lösungen suchen. Denn der
Übergang von der Schule in die Lehre ist
oft prägend für das ganze Leben.
Wir fordern eine Lehrstellenoffensive
mit mehr Investitionen und neue Ansätze.
Potenzielle Lehrbetriebe müssen darüber
informiert werden, dass sich Lehrstellen
für einen Betrieb auszahlen. Mehr noch:
Wird heute der Berufsnachwuchs ver
nachlässigt, sterben ganze Branchen aus.
Internationale Firmen und öffentliche Hand fordern
Ein Potenzial für neue Lehrstellen liegt
bei den internationalen Firmen und Be
trieben mit ausländischer Führung. Bund
und Kantone müssen vermehrt Massnah
men treffen, um deren Führungskräfte
über unser duales System zu informieren.
So können neue Lehrstellen entstehen –
gerade auch in zukunftsträchtigen Bran
chen.
Ausserdem ist die öffentliche Hand ge
fordert. Die Verwaltung muss ihren Anteil
an Ausbildungsplätzen insbesondere für
schulisch schwache Jugendliche ausbau
en. Die Vorgabe, wonach auf hundert An
gestellte fünf Lernende ausgebildet wer
den sollen, hat der Bund bis jetzt nicht
eingehalten. Dies soll in den nächsten
Jahren erreicht werden.
Es braucht zudem Massnahmen, um
die prekäre Lehrstellensituation für
schwächere SchülerInnen zu verbessern:
In Basislehrjahren soll der Stoff eines Jah
res auf zwei Jahre ausgedehnt werden. So
können Jugendliche Defizite aufarbeiten
und Praxis gewinnen. Die Berufslehre mit
Attest soll ausgebaut und dabei nicht mit
zu hohen Ansprüchen überladen werden.
Ausserdem ist die Einführung einer Attest
lehre «light» zu prüfen, damit auch Ju
gendliche mit schulischen Schwierigkei
ten den Einstieg ins Erwerbsleben finden.
Die Schweiz kann und darf es sich
nicht leisten, qualifizierte und motivierte
Jugendliche zu Tausenden auf die Strasse
zu stellen. Für mich ist klar: Diese jungen
Menschen verdienen eine Perspektive. Sie
brauchen Berufserfahrung und einen Ar
beitsmarkt, der ihnen die Chance dazu
gibt.
Eine Lehrstellenoffensive für die SchweizEs braucht mehr Lehrstellen und Ausbildungsplätze für schwächere SchülerInnen, damit alle Jugendlichen eine Per spektive erhalten. Text: Christian Levrat
CHRISTIAN LEvRATNationalrat FR, Präsident SP Schweiz
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Ausstellung rund um den Zwerg
Im Rahmen des Motivationssemesters (Semo) hat das SAH Genf eine Ausstellung mit Kunstwerken von erwerbslosen Jugendlichen lanciert.Das Ziel des Projekts «Nainvisible» (sichtbarer Zwerg) war, mit Jugendli-chen und LehrerInnen des Semo Kunstwerke für eine öffentliche Ausstellung zu schaffen. Der rote Faden des Projekts war die Hinterfragung des Gartenzwergs. Die Jugendlichen konnten sich frei mit der Persönlichkeit des Zwergs auseinandersetzen und haben ihm eine ganz neue Rolle verliehen: Normalerweise eher mit Märchen und Legenden assoziiert, wurde er multikulturell und modern. Die künstlerischen Kreationen der Jugendlichen (Gemälde, Skulpturen etc.) wurden vom 4. bis 13. Juni in Carouge gezeigt. Mehr als 1000 Personen haben die Ausstellung besucht.
9. Lauf gegen Rassismus in Zürich
Am 12. September findet in der Zürcher Bäckeranlage zum neunten Mal der traditionelle SponsorInnenlauf gegen Rassismus statt. Organisiert wird er, wie jedes Jahr, vom Zürcher Gewerkschaftsbund und dem SAH Zürich. Ein wichtiger Schwerpunkt ist auch dieses Mal die Unterstützung der Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich, die seit nunmehr fünf Jahren in der Beratung von MigrantInnen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung elemen-tare Arbeit leistet. Wie schon 2008 die Beratungsstelle Impuls-Treffpunkt, wird auch dieses Jahr ein Projekt des SAH Zürich mit einem Teil der SponsorInnen-gelder unterstützt: die im Bereich Migrations- und Integrationsrecht tätige Beratungsstelle MIRSAH. Deren Arbeit geht vom Grundsatz aus, dass Integrati-on nur möglich ist, wenn MigrantInnen nicht bloss auf ihre Pflichten aufmerk-sam gemacht, sondern auch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt werden. Als drittes Projekt schliesslich wird ein in der Region Zürich tätiges Solidaritätsnetzwerk für und von AfrikanerInnen mit HIV mitfinanziert.Neben mutigen und motivierten LäuferInnen suchen wir auch SponsorIn-nen, die den einen oder die andere LäuferIn oder das Projekt als Ganzes mit einer Spende bedenken möchten.Mehr Informationen und Anmeldung unter: www.laufgegenrassismus.ch
Neues Präsidium des SAH Zentralschweiz
Ende Mai ist Alice KönigsBuol von ihrem Amt als Präsidentin des SAH Zentralschweiz zurückgetreten. Seit das SAH Zentralschweiz vor fünf Jahren ein eigenständiger Verein geworden ist, hat sie es durch eine erfolgreichen Aufbauphase geführt. Unter ihrer Leitung wurde das Angebot kontinuierlich weiterent wickelt und stieg die Zahl der Mitarbeitenden auf über 70 Personen. Ihr Nachfolger ist Beat Däppeler, seit fünf Jahren als Personalchef der Stadt Luzern tätig und ehe maliger Stabschef der städtischen Sozialdirektion. Vor seiner Tät igkeit für die Stadt Luzern hat er im Kanton Aargau als geschäfts leitender Koordi-nator die Regionalen Arbeitsvermitt-lungszentren RAV aufgebaut.
SAH Bern übernimmt FOKUS
Das SAH Bern übernimmt das Programm FOKUS und erweitert damit sein Angebot für die berufliche Bildung und Integration im Migrationsbereich. Bis anhin wurde FOKUS von der integrationBE AG getragen, einem Zusammen-schluss der Hilfswerke Caritas Bern, HEKS Regionalstelle Bern, SAH Bern und SRK Kanton Bern für die Integration der Flüchtlinge im Kanton Bern. Per 1. August 2010 hat das SAH Bern die alleinige Trägerschaft übernommen. FOKUS bietet vorläufig Aufgenommenen und Flüchtlingen im Kanton Bern Bildungskurse und Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Die Teilnehmenden können Fachkurse für qualifizierte Hilfsarbeit, Gastgewerbe, Reinigung und Hausdienst sowie Pflege besuchen. Das Programm ist eine ideale Ergänzung des SAH-Programms co-opera.
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9
Green Jobs müssen menschenwürdig seinDas SAH unterstützt die Cleantech-Initiative der SP. Zusätzlich braucht es Massnahmen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Beschäftigungslage in Entwick- lungsländern aufzufangen. Text: Cyrill Rogger, Foto: SAH
Während in der Schweiz hier und dort
wieder Zweifel an der Klimaerwärmung
zu hören sind, kämpfen in Entwicklungs
ländern viele Menschen um ihre Existenz,
weil sie von klimabedingten Katastrophen
betroffen sind. So zum Beispiel in Burki
na Faso, Moçambique oder El Salvador,
wo das SAH in jüngster Zeit mehrere Not
hilfeprojekte für Opfer von Überschwem
mungen und Wirbelstürmen organisiert
hat. Der von den Industrienationen verur
sachte Klimawandel hat in diesen Län
dern schon viele Verletzte und Tote gefor
dert und dazu geführt, dass unzählige
Kleinbäuerinnen und bauern ihre Exis
tenzgrundlage verloren haben.
Seit sich die klimabedingten Katastro
phen häufen, setzt die humanitäre Hilfe,
auch jene des SAH, vermehrt auf Projekte,
die die Bevölkerung auf Überschwem
mungen, Wirbelstürme und Dürre vorbe
reiten sollen, um deren Folgen abzu
schwächen. Die jährlichen Ausgaben der
EU für solche Projekte sind in den letzten
zehn Jahren von acht auf 33 Millionen
Euro gestiegen. Angesichts der jährlichen
160 Milliarden Dollar, die in den Entwick
lungsländern für Massnahmen zur Anpas
sung an den Klimawandel benötigt wer
den, müssen die VerursacherInnen dieses
Phänomens jedoch dringend weitere Gel
der zur Verfügung stellen. Auch die
Schweiz muss sich namhaft an den Kosten
dieser Anpassungsmassnahmen beteili
gen – und zwar zusätzlich zur regulären
Entwicklungshilfe.
100 000 Green Jobs für die Schweiz Die Sozialdemokratische Partei der
Schweiz hat am 22. März die Cleantech
Initiative lanciert (siehe Beilage). Diese
möchte Bund und Kantone verpflichten,
erneuerbare Energien, Energieeffizienz
und die damit verbundenen Technologien
zu fördern und so in der Schweiz 100 000
neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das SAH
unterstützt die Kampagne, denn die Be
kämpfung der Ursachen des Klimawan
dels ist wohl eine der grössten globalen
Herausforderungen der kommenden De
kaden. Die Schweiz muss die Emission
von Treibhausgasen entscheidend redu
zieren – und es ist sinnvoll, dabei wirt
schaftliche Potenziale auszuschöpfen.
Grün und fairAuch die Internationale Arbeitsorgani
sation (ILO) sieht ein grosses Potential für
neue «grüne» Arbeitsplätze. Die Green
JobsInitiative* schätzt, dass im Zug des
Wechsels von fossilen zu erneuerbaren
Energien in den kommenden 20 Jahren
weltweit rund 20 Millionen zusätzliche
Jobs geschaffen werden, viele davon in
Entwicklungsländern. Bereits im Rahmen
des Handels mit Emissionszertifikaten
(Clean Development Mechanism, CDM),
wie er im KyotoProtokoll vorgegeben ist,
sollten in Entwicklungsländern grüne
Jobs geschaffen werden. Leider stand bei
diesen Projekten die möglichst kosten
günstige Generierung von Emissionszerti
fikaten im Vordergrund, und die Arbeits
rechte wurden in vielen Fällen missachtet.
Deshalb setzt sich das SAH dafür ein, dass
die ILOKernarbeitsnormen in allen CDM
Projekten und bei künftigen Green Jobs
eingehalten werden.
* Gemeinsame Initiative der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), des UNOUmweltprogramms (UNEP), der Internationalen Arbeitgeberorganisation (IOE) und des Internationalen Gewerkschafts bundes (ITUC).
BewohnerInnen von Los Maranitos in El Salvador lernen, das Wasser auf Trinkbarkeit zu testen. in
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SAH-Bimaru
Auswertung Barometer
Spielregeln
Die nummer am Ende jeder Spalte
oder Zeile sagt ihnen, wie viele
Felder durch Schiffe besetzt sind.
Auf den mit Wasser ( ) belegten
Feldern, liegen keine Schiffe.
Schiffe dürfen sich nicht berühren.
Das heisst, jedes Schiff muss voll-
ständig von Wasser umgeben sein.
Die Schiffe liegen waagrecht oder
senkrecht. Das lösungswort ergibt
sich waagrecht fort laufend aus den
Feldern, die Sie mit Schiffen belegt
haben.
lösungswort:
1
5
1
1
4
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0
1
3
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Preise
1. Preis: Etcetera-Gutschein für Arbeit über
100 Franken (= 3 Std.)
2. Preis: Etcetera-Gutschein für Arbeit über
70 Franken (= 2 Std.)
Die Preise werden freundlicherweise vom
Etcetera des SAH Zürich gestiftet.
Mit den Gutscheinen kann die Arbeit von
Etcetera-Angestellten bezahlt werden.
Einsendeschluss ist der 4. Oktober 2010. Die namen der Gewinnerinnen werden in der Solidarität 4/2010 ver-öffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespon-denz geführt. Der rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende des SAH und der SAH-regionalvereine.
Das lösungswort des rätsels in Solidarität 2/10 lautete «Faire WM». Die Gewinnerin ist ausgelost: Marie-thérè-se leuzinger aus Petit-lancy hat eine Flasche palästi-nensisches olivenöl aus dem Projekt «Qualität plus» des SAH gewonnen. Wir danken allen Mitspielerinnen für ihre teilnahme.
ja 97,5 %nein 1,0 %keine Antwort 1,5 %
ja 40,4 %nein 39,3 %ja & nein 6,1 %keine Antwort 14,3 %
Sollte sich die Fifa aktiv gegen Ausbeutung und für die Einhaltung der Menschenrechte bei der FussballWM einsetzen?
Ist es sinnvoll, sportliche Grossanlässe wie die FussballWM in Entwicklungs und Schwellenländern durchzuführen?
196 leute haben beim letzten Solidaritäts-Barometer mitgemacht, 149 aus der Deutschschweiz und 47 aus der romandie.
Hier eine Auswertung der Antworten:
ihr Ja zu sportlichen Grossanlässen in Entwicklungsländern begründet ein Viertel der Antwortenden damit, dass die länder so eine Plattform erhalten, um über ihre Situation, ihre Kultur und Missstände zu informieren und zum Abbau von Vorurteilen beizutragen. Viele sind ausserdem der Meinung, dass die investitionen rund um die Austragung einer WM Arbeitsplätze schaffen und das Potenzial haben, infrastruktur und lebens bedingungen zu verbessern. Sie weisen auf das recht der Entwicklungs- und Schwellenländer hin, einen grossen Event auszurichten und nicht abseits zu stehen. Einige knüpfen ihre Befürwortung explizit an faire Bedingungen für die Arbeiterinnen oder daran, dass die WM tatsächlich die Entwicklung fördert und die lokale Bevölkerung davon profitiert. Die ablehnenden Antworten werden damit begründet, dass einzig die Fifa und die reichen von der WM profitierten und für die Bevölkerung nichts dabei rausschaue. Die hohen Ausgaben würden das Staatsdefizit vergrössern und zu Kürzungen des Budgets für Soziales führen. Andere sind der Meinung, dass die investitionen für die WM einzig zu Stadionruinen führten. Besser wäre es, in eine nachhaltige Entwicklung zu investieren. Erwähnt wird ausserdem die Korruption und dass sich im Vorfeld solcher Grossveranstaltungen die Menschenrechtslage erfahrungsgemäss verschlechtere.
Kommentar von Marco Kistler, SAHKampagnenstelleSollen sportliche Grossanlässe in Entwicklungs- und Schwellenländern durchgeführt werden? Eine Frage, die die Geister scheidet – zu recht. Die eigentliche Frage ist eben nicht, ob, sondern wie Anlässe wie die Fussball-WM durchgeführt werden. Für das SAH ist klar, dass sie so organisiert werden könnten, dass die Bevölkerung tatsächlich davon profitiert. Man müsste dies aber wollen und die soziale Verantwortung höher gewichten als den Profit. Genau das tut die Fifa jedoch nicht. Deshalb setzen wir uns nun dafür ein, dass in Brasilien bereits im Vorfeld dafür gesorgt wird, dass die Vorbereitungs arbeiten für die WM 2014 unter fairen Bedingungen ausgeführt werden.
Schicken Sie das lösungswort ans SAH mit dem beiliegenden vorfrankierten Antwort talon,
einer Postkarte oder per E-Mail an [email protected], Betreff: «rätsel». Jede richtige lösung
nimmt an der Verlosung teil.
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Im Mai haben die südafrikanischen Gewerkschaften die Kampagne für eine faire Fussball-WM an Brasilien übergeben. Text und Fotos: Joachim Merz
Beim Anpfiff der FussballWM in Südafrika
hatten die südafrikanischen Baugewerk
schaften ihren Match bereits hinter sich. Er
dauerte nicht 90 Minuten und eine Halbzeit
pause lang, sondern über drei Jahre, ohne
Pause. Insgesamt 26 Mal streikten die Bau
arbeiterInnen auf den WMBaustellen für
höhere Löhne, für Transportentschädigun
gen, gegen Lohndumping von Subunter
nehmen, für bessere Arbeitssicherheit und
das Recht der Gewerkschaften auf Zutritt
zu den Stadionbaustellen.
Die Kampagne «Fair Games – Fair
Play», die vom SAH und von der Unia un
terstützt wurde, hat über 25 000 neue Ge
werkschaftsmitglieder gewonnen, die
Mindestlöhne im Bauhauptgewerbe ange
hoben, Lohndrückerei aufgedeckt und
das System der Vertrauensleute auf dem
Bau gestärkt.
Die Fifa muss handelnAm 22. Mai haben die südafrikani
schen Gewerkschaften in Johannesburg
die Kampagne symbolisch an die brasilia
nischen KollegInnen weitergegeben, denn
dort findet in vier Jahren die nächste
FussballWM statt. Rund 250 Bauarbeite
rInnen waren gekommen, alle in gelb
grünen TShirts mit dem Aufdruck «From
South Africa to Brazil», einige mit den be
rühmtberüchtigten Vuvuzelas. Eine Men
schenkette auf dem Spielfeld drückte die
Gewerkschaftssolidarität aus, Diskie Dance
und BrassBand sorgten für Stimmung.
SAHPräsident HansJürg Fehr forderte
in seiner Rede die Fifa zum Handeln auf.
Im Vorfeld der WM 2014 in Brasilien müs
se die Fifa besser mit den Gewerkschaften
zusammenarbeiten als in Südafrika. Sie
solle in einen sofortigen Dialog mit den
gastgebenden Städten und den Gewerk
schaften in Brasilien treten, um bereits im
Ausschreibungsverfahren für die anste
henden Stadion und Infrastrukturbauten
arbeitsrechtliche und soziale Zuschlags
kriterien einzubeziehen. In den Verträgen
mit den Bauunternehmen müssten diese
Kriterien enthalten sein. Die Fifa müsse
die Verträge mitunterzeichnen und die
Gewerkschaften von Anfang an in Stadio
ninspektionen einbeziehen.
Unter dem Druck der Streiks in Süd
afrika hatte die Fifa erste Konzessionen
gemacht, die sie allerdings nicht immer
einhielt. Will sie beim Anpfiff in Brasilien
nicht die rote Karte gezeigt bekommen,
dann muss sie mehr tun.
13 715 gelbe Karten für Sepp Blatter Die Kampagne gegen Ausbeutung an der FussballWM war ein voller Erfolg. 13 715 Menschen haben die Petition des SAH unterzeichnet und damit die Forderung nach einem echten Engagement der Fifa gegen Ausbeutung rund um die Fussball-WM un-terstützt. Die Petition wurde am 8. Juni 2010 in Zürich der Fifa übergeben.Mit einem riesenfussball von 4,5 Metern Durchmesser tourte das SAH während zwei Monaten durch 20 Schweizer Städte. Die reaktionen waren fast durchwegs positiv, was sich in der grossen Anzahl Unterschriften zeigte, die in kurzer Zeit gesammelt wurden. Viele Menschen haben die Petition auch auf der Kampagnenwebseite www.anstoss-suedafrika.ch unterschrieben. Die Facebook-Gruppe zur Unterstützung der Kampagne gewann allein in der Deutschschweiz über 6000 Mitglieder.
In vier Jahren in Brasilien
Übergabe der Petition an die Fifa in Zürich (l.) undWeitergabe der Kampagne an die brasilianischen Gewerkschaften in Johannesburg (r.)
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«Ich bin selber eine Waise. Und weil ich
erlebt habe, wie schwierig es ist, so aufzu
wachsen, helfe ich jenen Kindern und al
ten Menschen, die leiden müssen», erklärt
Lebohang Molafe, die in Soweto als Vo
lunteer (Freiwillige) arbeitet. So werden
in Südafrika jene Menschen genannt, die
die Arbeit von Sozialarbeiterinnen, Kran
kenpflegern und Polizistinnen überneh
men, dafür jedoch nur den Bruchteil eines
regulären Lohns bekommen. Jeden Tag
besucht die 40Jährige Grossmütter, El
tern und Kinder, deren Leben von Armut,
Hunger und Aids gezeichnet ist.
Korruption und GewaltWir besuchen eine Grossmutter, die für
ihre EnkelInnen sorgt. In Soweto ist das
normal. Hier sind 40 Prozent der Erwach
senen HIVpositiv. Die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Kind seine Eltern verliert, ist
hoch. Die verzweifelte Grossmutter legt
Lebohang Molafe Dokumente vor, aus de
nen hervorgeht, dass das Innenministeri
um ihr keine Kinderzulagen zahlen will,
weil der Totenschein ihrer Tochter – der
Mutter der drei Kinder – ein falsches Da
tum enthält. Und obwohl dies offensicht
lich der Fehler des Ministeriums ist, soll
die Grossmutter nun für 80 Rand (12 Fran
ken) ein neues Dokument beschaffen.
Doch die Frau hat kein Geld, sondern
bräuchte im Gegenteil dringend welches,
damit ihre Grosskinder etwas zu essen be
kämen. Dieser Fall sei typisch für Südafri
ka, sagt Lebohang Molafe. Die Bürokratie
sei aufgebläht, Zuständigkeiten nicht klar
geregelt und die Korruption ein grosses
Problem.
In Südafrika ist der Reichtum sehr un
gleich verteilt. Im Bankenviertel von Jo
hannesburg dominieren teure Autos und
schick gekleidete Damen und Herren das
Strassenbild, im Umland sind es Town
ships wie Soweto oder Tembisa: Hütten
siedlungen, die zu Zeiten der Apartheid
von der Regierung errichtet worden sind
und heute mehreren Millionen Menschen
als Heimat dienen. Soweto ist ein gefähr
liches Pflaster. Arbeitslosigkeit und Ge
walt grassieren: Die Mehrheit der über 40
Prozent Arbeitslosen ist zwischen 18 und
30 Jahre alt, alle neun Sekunden wird eine
Frau oder ein Mädchen vergewaltigt.
Grundversorgung dank FreiwilligenAuf ihrem Weg vom Haus der Gross
mutter zu jenem einer schwerkranken
Mutter von zwei Kindern geht Lebohang
Molafe durch menschenhohes Gras. Ein
idyllisches Bild, möchte man meinen.
Doch die Idylle täuscht. Das Gras bietet
ein ideales Versteck für Vergewaltiger, die
hier Frauen und Kindern auch tagsüber
auflauern. Doch Lebohang Molafes Ar
beits weg führt hier durch. Tag für Tag.
Schätzungen zufolge arbeiten rund
100 000 Menschen landesweit als freiwilli
ge Sozialarbeiterinnen und Krankenpfle
«Wir wissen, was vor Ort wirklich geschieht»In den Townships rund um Johannesburg kämpfen freiwillige Sozialarbeiter und Krankenpflegerinnen um ihre Existenz und das Leben ihrer PatientInnen. Text und Fotos: Christian Walther
ger, mehrheitlich Frauen. Die Regierung
entschädigt sie mit 1000 Rand (150 Fran
ken), ein schlechter Lohn, der zudem
manchmal monatelang nicht ausbezahlt
wird. «Ohne uns würde das Gesundheits
system zusammenbrechen», meint Kolle
gin Lindiwe Dzingirai, «wir sind diejeni
gen, die die Leute besuchen und wissen,
was vor Ort wirklich geschieht.» In der Tat
scheint es, als ob das Gesundheitssystem
nur deswegen notdürftig funktioniert,
weil Leute wie Lebohang Molafe die
Grundversorgung übernehmen. Aber
auch ihnen sind oft die Hände gebunden:
«Wir können den Leuten weder Essen
noch Medikamente verteilen, weil wir sel
ber fast kein Geld haben», sagt die Mutter
von zwei Kindern. «Und selbst wenn ich
Medikamente bekomme, kann ich sie den
PatientInnen oft nicht verabreichen, weil
sie nichts zu essen haben. Ohne Nahrung
schlagen die Medikamente nicht an.»
Trotzdem macht Lebohang Molafe ihre
Ko
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Swissness
Ein neues Zauberwort animiert die ent -
wick lungspolitische Debatte: Swissness.
Was damit gemeint ist, umschreibt
DEZA-Direktor Martin Dahinden so: «Was
wir tun und erreichen, soll sichtbar sein
– für die Not leidenden Menschen wie für
die Bürgerinnen und Bürger in der
Schweiz.» Wir sollen also in der Entwick-
lungszusammenarbeit die Schweizer
Flagge hissen und die von uns geleistete
Arbeit und erzielte Wirkung national
einfärben.
Diese Fokussierung auf Swissness ist zu
hinterfragen. Was ist denn nun das
zentrale Ziel von Entwicklungszusammen-
arbeit – die Armut bekämpfen oder die
Flagge zeigen? Unsere Stärken demon st-
rieren oder die Schwächen unserer
Partnerländer beseitigen? Geht es um die
Interessen der Schweiz oder um diejenigen
der Entwicklungsländer? Bedeutet
Swissness den Rückzug aus multilateralen
Entwicklungspartnerschaften, weil deren
Wesen eben gerade darin besteht, jenseits
nationaler Grenzziehungen zusammenzu-
arbeiten und zusammen aufzutreten?
Wir wollen uns der Diskussion um
Swissness nicht verweigern. Aber eines ist
klar: Das Ziel der schweizerischen
Entwicklungszusammenarbeit ist die
Reduktion von Armut, nicht der Fahnen-
aufzug. Das Mittel darf nicht zum Zweck
werden. Auch wir vom SAH wollen unser
Engagement nicht verstecken und unsere
Swissness nicht verleugnen; sie gehört
dazu, aber sie gehört nicht ins Zentrum.
Ins Zentrum gehören die miserablen
Lebensbedingungen von mehr als einer
Milliarde Menschen und ihr Ziel, diese zu
verbessern.
HANS-JÜRG FEHRSAH-Präsident und SP-Nationalrat
13
Ihre Spende wirktDie Freiwilligen organisieren sich, um die Probleme zu lösen, mit denen sie bei ihrer Arbeit konfrontiert sind. Dazu gehören der Mangel an Sicherheit und niedrige löhne. Khanya College, die Partnerorganisation des SAH in Süd-afrika, unterstützt sie dabei, Druck auf die Behörden auszuüben, damit diese ihre Verantwortung für die Sozialarbeit wahrnehmen. Ausserdem bietet Khan-ya College den Freiwilligen Weiterbil-dung. Mit ihrer Spende von 50 Franken können fünf Sozialarbeiterinnen ein zweitägiges Seminar besuchen.
Sehen Sie den Kurzfilm zu lebohang Molafes Arbeit: www.sah.ch/soweto
Arbeit gerne. Weil sie weiss, dass sie ge
braucht und geschätzt wird. Und weil sie
die Menschen liebt.
Lebohang Molafe besucht eine Grossmutter in Soweto, die für Ihre Grosskinder sorgt.
Mitsprache in der Gemeindepolitik in El Salvador
Vor zwei Jahren hat das SAH zusammen mit seinen Partnerorganisationen im Departement Chalatenango eine Diplomausbildung zur partizipativen Erarbeitung von Entwicklungsplänen auf Gemeindeebene gestartet. Die Diplomarbeit war gleichzeitig die effektive Planung, die 2009 in acht Gemeinden umgesetzt wurde. Die Bevölkerung war Teil dieser Diskus-sionen und bestimmte die Prioritäten mit. Ein Schwerpunkt war und ist die Linderung der Auswirkungen von wiederkehrenden Umweltkatastrophen, in diesem Gebiet vor allem Erdrutsche. Im August startet der dritte Durchgang des Diplomkurses, ergänzt um das Element Gleichstellungspolitik. In drei Gemeinden von Chalatenango ist in den vergangenen Jahren bereits eine Gleichstellungspolitik eingeführt worden. Dabei zeigte sich, dass die Gemeinde ein Gleichstellungsbüro einrichten und ein Budget für konkrete Projekte zur Verfügung stellen muss. In der Gemeinde Las Vueltas hat die Bürgermeisterin aufgrund dieser Erfah- rung jährlich 10 Prozent des Budgets für Frauenprojekte und 15 Prozent für Jugendprojekte beantragt. Der Gemein-derat hat dies Anfang 2010 bewilligt.
Historischer Durchbruch in der ILO
An der diesjährigen ILOKonferenz in Genf haben sich VertreterInnen der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Staaten nach zähem Ringen auf einen Text für eine neue Konvention und Empfehlungen zur Situation von Hausangestellten geeinigt. Dieser wurde am 16. Juni von der Generalversammlung angenommen. Das SAH war Mitglied der schweizerischen Arbeitnehmerdelegation. Ziel der Konvention ist es, dass Hausangestellte die gleichen Rechtsansprüche haben wie andere Arbeitneh-merInnen: zum Beispiel einen Arbeitsvertrag oder geregelte Arbeitszeiten. An der ILO-Konferenz 2011 wird die Konvention abschliessend beraten und verabschiedet. Millionen von Frauen arbeiten weltweit als Hausangestellte. Sie sind der unsichtba-re Motor der Wirtschaft, denn ohne sie könnten ihre ArbeitgeberInnen nicht arbeiten gehen. Dennoch ist die Verletzung ihrer Arbeitsrechte weit verbreitet. Die neue ILO-Konvention soll dazu beitragen, diese Missstände zu überwinden.
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Wettbewerb für Bauernvereine in Kosovo
In einem SAHWettbewerb für Bauernvereine in Westkosovo hat am 20. März eine lokale Jury aus 20 eingereichten Projekten zehn Ideen ausgewählt, die – gemessen an sozialen und wirtschaftlichen Kriterien – am innovativsten sind. In den vergangenen Wochen wurde den Vereinen das Know-how vermittelt, um aus den Ideen Businesspläne zu erar-beiten. Die drei bis anhin am besten bewerteten Ideen stammen von Frauenvereinen aus Rahovec, Gjakova und Prizren. Zwei Vereine sind in der Milchwirtschaft und einer im biologi-schen Anbau von Paprika tätig. Die meisten Mitglieder sind Kriegswitwen. Im Oktober werden die Businesspläne von einer lokalen Jury bewertet. Die drei besten Pläne prämiert das SAH mit einem Beitrag für die Umsetzung.
Abfallentsorgung in den Flüchtlingscamps in Sri Lanka
Die Rückkehr der 280 000 intern Vertriebenen, die in den Flüchtlingslagern im Norden Sri Lankas lebten, verläuft langsam. Unter anderem wegen der vielen Landminen in ihren Herkunftsgebieten. Im März 2010 befanden sich immer noch knapp 90 000 Flüchtlinge in den Lagern. Deshalb hat das SAH sein 2009 lanciertes Abfallent-sorgungsprojekt bis Ende September 2010 verlängert. Die Abfallentsorgung hat die hygienischen Bedingungen massgeblich verbessert und zu einer namhaften Reduktion von Krankheiten beigetragen. So konnten die Durch-fallserkrankungen von 1101 Fällen pro 100 000 Menschen Mitte Juni 2009 auf 98 Anfang Dezember gesenkt werden. Das Projekt hat auch zum Umweltbe-wusstsein der Menschen beigetragen.
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Vermächtnis für BenachteiligteVermächtnisse und Trauerspenden sind eine wichtige Unterstützung für die Arbeit des SAH. Text: Christof Hotz, Foto: Joachim Merz
Im vergangenen Jahr haben zehn Spende
rInnen das SAH in ihrem Testament be
rücksichtigt. Die einzelnen Beträge be
wegten sich zwischen 400 und über
100 000 Franken. Es ist für uns jeweils sehr
berührend, wenn wir erfahren, dass je
mand in seinem oder ihrem Testament an
das SAH gedacht hat. Oft sind es Spende
rinnen und Spender, die uns bereits zuvor
treu unterstützt haben und uns auf diesem
Weg ihre letzte Spende zukommen lassen
– im Vertrauen darauf, dass wir das Geld
in ihrem Sinn und zum Wohl benachteilig
ter Menschen in Ländern des Südens oder
Südosteuropas einsetzen werden.
Das SAH ist sehr froh über diese
Zuwendungen, helfen sie doch mit, die
Qualität und den Umfang unserer Projekt
arbeit im gewohnten Rahmen zu erhalten
oder sogar auszubauen, auch wenn die
öffentliche Hand aus Spargründen ihre
Beiträge einfriert oder kürzt.
Wir bedauern sehr, dass wir uns bei die
sen grosszügigen und weitsichtigen Men
schen nicht mehr persönlich bedanken
und ihnen zeigen können, was ihre Hilfe
bewirkt.
Über den Tod hinaus wirkenNeben den Vermächtnissen in der Höhe
von 240 000 Franken erhielt das SAH im
vergangenen Jahr rund 60 000 Franken
aus Trauerspenden, insgesamt also rund
300 000 Franken, die uns von Menschen
ganz bewusst über ihren Tod hinaus ge
widmet wurden.
Wenn Sie uns mitteilen, dass Sie das
SAH begünstigen wollen, können wir –
wenn Sie es wünschen – Kontakt aufneh
men und mit Ihnen besprechen, wo Sie
Ihr Vermächtnis dereinst einsetzen möch
ten. Wir freuen uns, mit Ihnen ins Ge
spräch zu kommen und uns bei Ihnen be
danken zu können.
Weitere Unter - stüt zungsformen
Regelmässige SpendenMit einem lastschrift-Auftrag bei der Post oder ihrer Bank können Sie das SAH regelmässig unterstützen, ohne dass ihnen oder uns Kosten entstehen.NachlassSpenden in unseren Merkblättern finden Sie wertvolle tipps zum Erbrecht und zur testamentsverfassung. Siehe auch www.sah.ch/testamentSAHPatenschaft Übernehmen Sie eine SAH-Patenschaft und engagieren Sie sich gezielt für ge-rechte Arbeitsbedingungen weltweit.
Bestellen Sie die Unterlagen mit bei-liegendem Antwort-talon. Haben Sie weitere Fragen? Wir sind für Sie da: [email protected] oder tel. 044 444 19 19
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Ein unauffälliges Gebäude der Frauen
organisation Las Mélidas in San Salvador
dient den sechs jungen Frauen der Thea
tergruppe Amorales (Amoralisches) als
Proberaum. Kaum sind sie eingetreten,
breitet sich eine fröhliche und lebendige
Stimmung aus.
Beim Aufwärmen drücken die jungen
Frauen mit ihrem Körper Gefühle aus, die
sie in ihrem Alltag erleben. Sie treten mit
dem Raum und den Mitspielerinnen in Be
ziehung. Ihre eigenwilligen Bewegungen
spiegeln den inneren Prozess, Schuld
gefühle in Wut zu verwandeln, Zweifel in
Gewissheit.
Erzwungene FreudePamela Jordan leitet die Gruppe seit
zwei Monaten. Die Theaterfrau aus Anda
lusien erarbeitet das Stück gemeinsam mit
den jungen Frauen, alle um die 20. In
Improvisa tionsübungen haben sie den ro
ten Faden herauskristallisiert und entwi
ckeln den Stoff anhand ihrer eigenen Ge
schichten weiter. Ausgangpunkt ist eine so
genannte «Babyshower». Eine solche Feier
organisieren in El Salvador Frauen für
Frauen, die kurz vor der Geburt stehen.
«Alle sind fröhlich und nett und bringen
Geschenke für das Baby im Bauch. Un
denkbar zu fragen, ob die Frau sich darü
ber freut», erklärt Abigail Reinosa. «Ihr
Bauch wird gefeiert, auch wenn sie un
glücklich ist.» Die Mädchen spielen eine
Babyshower und demontieren die künstli
che Fröhlichkeit durch das Einflechten
von Frauengeschichten. Sie sprengen die
Doppelmoral, und auf der Bühne nimmt
Gestalt an, was junge Frauen bewegt: Ge
walt in der Familie, die Abwesenheit der
Väter, Neugier auf das Leben und die Se
xualität, Frauenfreundschaften, sexuelle
Übergriffe. Wie das Stück enden wird, ist
derzeit noch offen.
Kreativer FreiraumIm August werden die Frauen das Stück
öffentlich aufführen, im November neh
men sie am nationalen Jugendfestival teil.
«Im Theater kann ich Rollen ausprobieren,
Stereotypen aufbrechen und zeigen, was
in unserer Gesellschaft falsch läuft», er
klärt Meztli Montalvo Matus die Motivati
on der jungen Frauen, Theater zu machen.
«Ich bin kreativ und lebe mit anderen
Frauen einen Freiraum. Das ist in unserer
machistischen, gewalttätigen Gesellschaft
gar nicht so einfach.»
Die Probe ist vorbei. Zurück bleibt der
starke Eindruck von der Energie und Kre
ativität der jungen Frauen, von ihrem Mut,
die eigene Geschichte zu zeigen und sich
gemeinsam für gesellschaftliche Verände
rungen zu engagieren.
Theater als Mittel für soziale VeränderungenTheater ist in diversen Ländern eine wichtige Methode unserer Projektarbeit. Was damit erreicht werden kann, zeigen Eindrücke aus El Salvador und Moçambique.
Die Doppelmoral sprengen Text: Karin de Fries, Fotos: Frederic Meyer (o.), Karin de Fries (u.)
Abigail Reinosa führt Regie (u.), während ihre Geschichte gespielt wird.
17
Luis Beans und Angel Antonio Mange ste
hen auf der FreiluftBühne in einem Hin
terhof in Chimoio. Nicht nur heute, son
dern fast jedes Wochenende. Die beiden
sind Schauspieler der Theatergruppe Ser
ra Choa, die 1994 nach dem Bürgerkrieg
in Moçambique gegründet wurde. «Da
mals gab es viele Kinder, die, durch die
Kriegswirren von ihren Familien getrennt,
auf der Strasse lebten», erzählt Grün
dungsmitglied Beans. «Mit Unterstützung
von Unicef gingen wir aufs Land und
machten Theater. Die BewohnerInnen der
umliegenden Weiler kamen zusammen,
und so konnten wir die Familien der Kin
der ausfindig machen.»
Heute ist Serra Choa offiziell als Kultur
vereinigung anerkannt und hat 25 feste
Mitglieder. Alles
Freiwillige, nie
mand erhält einen
Lohn. Der Krieg ist
Vergangenheit, die
Herausforderungen
der Gegenwart sind
Aids, Gewalt in der Familie, sexuelle Aus
beutung und die Prävention von Krank
heiten nach Überschwemmungen.
Traditionen in Frage stellen«Wir spielen nicht nur Theater», erklärt
Angel Antonio Mange. «Nach dem Stück
gibt es eine Diskussion mit den Leuten
über das, was sie gesehen haben.» Kann
denn Theater eine Verhaltensänderung be
wirken? «Ja», ist Mange überzeugt. «Heute
machen die Menschen eher einen Aids
Test oder gehen zur nächsten Polizei
wache und klagen den Vater an, der die
Kinder schlägt. Das Bewusstsein über ihre
Rechte ist gestiegen. Allerdings stellen wir
auch althergebrachte Traditionen in Frage.
Zum Beispiel die Witwenverheiratung mit
dem Ritual des ungeschützten Ge
schlechtsverkehrs, das Aids verbreitet.
Darauf reagieren die Leute ärgerlich. Wir
mussten auch schon Stücke unterbrechen.
Wenn der Dorfchef, der Hüter der Tradi
tion, nicht einverstanden ist, können wir
nichts erreichen.» Deshalb geht oft jemand
von Serra Choa vorher ins Dorf, um die
lokalen Traditionen kennen zu lernen,
Tabu themen auszuloten und mit dem
Dorfchef zu sprechen. «Die Aufführungen
finden in der Lokalsprache statt, in Shona,
Ndan oder Sena, denn nur so können sich
alle an der Diskussion beteiligen», meint
Luis Beans.
Neben den Auftritten in ländlichen Ge
bieten macht Serra Choa auch Bühnen
t heater im eigentlichen Sinn und schreibt
eigene Stücke, zum Beispiel über Korrup
tion. Nach der Aufführung eines Stückes
über Polizeikorruption ist einmal die gan
ze Truppe verhaftet worden. Der Eintritt
für die Bühne in Chimoio ist frei. «Als
Nächstes wollen wir die Bühne überda
chen und anständige Toiletten installie
ren», erzählt Angel. «Wir haben mit unse
rem Theater noch viel vor.»
Die Theaterarbeit des SAHIn Burkina Faso, das noch von einer mündlichen Kultur geprägt ist, sen-sibilisieren unsere Partnerorganisatio-nen die Bevölkerung mit Forumtheater für themen wie Kinderrechte, Aids, Alphabetisierung von Frauen und De-mokratie. in nicaragua nutzt das SAH die theaterarbeit zur Sensibilisierung für Gewalt gegen Frauen und Kinder. Auch in El Salvador, Bolivien und Mo-çambique (s. Artikel) ist theater ein wichtiges Mittel zur organisierung und Sensibilisierung der Menschen und er-höht die Wirkung der Programmarbeit.
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Heikle Themen angehenText und Foto: Joachim Merz
Luis Beans und Angel Antonio Mange auf der Bühne der Theater-gruppe Serra Choa in einem Hinterhof von Chimoio.
«Wir stellen auch alther gebrachte Traditionen in Frage.»
18
«Du darfst nicht aufgeben»Freddy Chipana leitet die Theatergruppe Altoteatro, die mit Jugendlichen arbeitet. Er lebt für ein Theater, das viel bewirkt. Text: Katja Schurter, Foto: Altoteatro
Freddy Chipana weiss, was gemeint ist,
wenn Jugendliche von Vernachlässigung,
Armut und Gewalt berichten. In einer ar
men Familie ohne Vater aufgewachsen,
war seine Kindheit von den Schlägen sei
ner alkoholabhängigen Mutter begleitet.
«Ich bereue nicht, dass ich das erlebt
habe. Sonst wäre ich nicht, wer ich bin.
Und es gibt mir das Verständnis dafür,
was Jugendliche heute erleben.» Als Fred
dy Chipana auf der Strasse lebte, erhielt er
in einem Projekt für vernachlässigte Min
derjährige Unterstützung und kam dort
zum ersten Mal mit Theater in Berührung.
Alle Jugendlichen haben etwas zu erzählen
Heute leitet er die Theatergruppe Alto
teatro. Die fünf Mitglieder der Gruppe ent
wickeln die Stücke zusammen mit Jugend
lichen. «Alle Jugendlichen haben etwas zu
erzählen», meint Freddy Chipana. «Manche
können schrei ben, andere tanzen, die Drit
ten spielen. Es sind verschiedene Formen
sich auszudrücken, und wir versuchen he
rauszufinden, welche ihnen entspricht.»
Mit spielerischen Methoden motivieren
die Theaterschaffenden die Jugendlichen
aufzuschreiben, was sie beschäftigt. Diese
berichten von Vernachlässigung, Gewalt in
der Familie, sexueller Ausbeutung, Ar
beitslosigkeit und Diskriminierung. «Zu
erst erzählen die Jugendlichen aus ihrem
Leben, in einem zweiten Schritt beginnen
sie, sich auch mit den Problemen in ihrer
Schule und ihrem Wohnviertel auseinan
derzusetzen», erklärt Freddy Chi pana die
Wirkung der Theaterarbeit. «Sie sollen he
rausfinden, was ihnen wichtig ist. Wir ge
ben ihnen den Raum, um Ideen zu entwi
ckeln.» Dabei geht es nicht da rum, dass
die Jugendlichen als SchauspielerInnen
brillieren, sondern um die Erkenntnisse,
die sie daraus ziehen.
Aktiv werdenFreddy Chipana möchte mit der Thea
terarbeit erreichen, dass die Jugendlichen
besser verstehen, was in ihrem Umfeld ge
schieht, und dann aktiv handeln können.
«Mir war schon immer wichtig, über das
Beklagen einer Situation hinauszugehen,
etwas zu tun. Du darfst nicht aufgeben we
gen deiner negativen Erfahrungen.» Wenn
das Theater SchauspielerInnen und Publi
kum verändert, ist Freddy Chipana glück
lich. Das geschieht, indem die Jugendli
chen in ihren Quartieren zum
Beispiel das Thema Alkoholis
mus recherchieren und Aussa
gen von Geschwistern, Verwand
ten und Bekannten dazu
aufnehmen. «Danach sprechen
wir über die Auswirkungen des
übermässigen Alkoholkonsums.» Im Stück
werden die Resultate von Recherche und
Diskussionen verdichtet. Wenn die Ju
gendlichen dann erzählen, dass sich die
Kommunikation in der Familie verändert
habe, nachdem die Eltern das Theater ge
sehen hätten, ist ein erster Schritt getan.
Eine Kunstschule für alleAltoteatro arbeitet häufig in Schulen,
auch dort ist Gewalt ein allgegenwärtiges
Thema. Manchmal ist es schwierig, die Er
laubnis von SchulleiterInnen und Eltern
zu bekommen, «doch nachdem sie das Re
sultat gesehen haben, bringen die Eltern
weitere Geschwister und Cousinen in die
Theaterkurse», schmunzelt Freddy Chi
pana.
Um als Theatergruppe überleben zu
können, sucht Altoteatro eine Balance
zwischen Theatermachen mit und ohne
Gage. «Ich möchte bei den Leuten etwas
bewirken und nicht elitäres bürgerliches
Theater machen. Theater ist für mich eine
Aufgabe, die mir einen Sinn und zu essen
gibt», fasst Chipana seine Motivation zu
sammen. Als Zukunftsvision schwebt ihm
eine Kunstschule vor, die mit der Bevölke
rung arbeitet. «Nicht mit den ‹Besten›, son
dern mit denen, die etwas ausdrücken
möchten. Ich suche dafür einen kostenlo
sen Ort. Früher oder später werde ich das
erreichen.»
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Die Theaterarbeit des SAH in Bolivien
Das SAH unterstützt die Jugendarbeit von Altoteatro und anderen Theatergruppen mit dem Ziel, Diskussi-onen anzuregen und die Partizipation von Jugendlichen in der Gesellschaft zu fördern. neben der kollektiven Ent-wicklung von theaterstücken wird deren Aufführung an möglichst vielen orten gefördert. Auch ein jährliches nationales treffen von Jugendlichen, die theater machen, wird organisiert, damit sie ihre Erfahrungen austau-schen können.
«Die Jugendlichen sollen herausfinden, was ihnen wichtig ist.»
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Freddy Chipana macht mit Jugendlichen Theater, damit sie ihre Erfahrungen ausdrücken und für veränderungen einstehen können.
«Wir geben den Jugendlichen Raum, um Ideen zu entwickeln.» Theaterarbeit motiviert Menschen
in Bolivien und anderswo, sich zu engagieren.
www.sah.ch