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Vom Nil bis an die Elbe FORSCHUNGEN AUS FÜNF JAHRZEHNTEN AM INSTITUT FÜR PRÄHISTORISCHE ARCHÄOLOGIE DER FREIEN UNIVERSITÄT BERLIN

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Vom Nil bis an die Elbe

FORSCHUNGEN AUS FÜNF JAHRZEHNTENAM INSTITUT FÜR PRÄHISTORISCHE ARCHÄOLOGIE

DER FREIEN UNIVERSITÄT BERLIN

INTERNATIONALE ARCHÄOLOGIEStudia honoraria - Band 36

Begründet vonClaus Dobiat und Klaus Leidorf

Herausgegeben vonClaus Dobiat, Friederike Fless und Eva Stauch

Verlag Marie Leidorf GmbH . Rahden/Westf.2014

herausgegeben vonWolfram Schier und Michael Meyer

Vom Nil bis an die Elbe

FORSCHUNGEN AUS FÜNF JAHRZEHNTENAM INSTITUT FÜR PRÄHISTORISCHE ARCHÄOLOGIE

DER FREIEN UNIVERSITÄT BERLIN

Frontispiz, 219 Seiten mit 108 Abbildungen, 9 Tabellen, 7 Diagramme, 38 Karten inkl. 8 Tafeln

Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek

Schier, Wolfram / Meyer, Michael (Hrsg.):Vom Nil bis an die Elbe ; Forschungen aus fünf Jahrzehnten am Institut fürPrähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin / hrsg. von Wolfram Schier … .

Rahden/Westf. : Leidorf, 2014(Internationale Archäologie : Studia honoraria ; Bd. 36)ISBN 978-3-89646-555-9

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e.Detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten© 2014

Verlag Marie Leidorf GmbHGeschäftsführer: Dr. Bert Wiegel

Stellerloh 65 . D-32369 Rahden/Westf.

Tel: +49/(0)5771/ 9510-74Fax: +49/(0)5771/ 9510-75

E-Mail: [email protected]: http://www.vml.de

ISBN 978-3-89646-555-9ISSN 1433-4194

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier

Umschlagentwurf: Morten Hegewisch, BerlinTitelvignette: Stilisiertes Gesicht einer spätneolithischen Statuette (PZ 79, 2004, S. 182, Abb. 22,5)

(Zeichnung Stefan Suhrbier, Berlin)Frontispiz: Villa Bordt, Altensteinstraße 15, Berlin-Dahlem,

Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin von 1985-2015(Zeichnung Jan Müller-Edzards, Berlin)

Satz, Layout, Bildnachbearbeitung und Redaktion: Morten Hegewisch, Berlin

Druck und Produktion: druckhaus köthen GmbH & Co. KG, Köthen

Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, Internet oder einem anderen Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages Marie Leidorf GmbH reproduziert werden

oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für die Einholung der Bild- und Urheberrechte zeichnen die Autorinnen und Autoren selbst verantwortlich.

Gedruckt mit fi nanzieller Unterstützung der

ARCHÄOLOGISCHEN GESELLSCHAFT BERLIN-BRANDENBURG E.V.

Inhaltsverzeichnis

Wolfram Schier, Michael Meyer (Berlin)Vorwort der Herausgeber.........................................................................................................................

Josef Eiwanger (Bonn)Merimde-Benisalâme im Delta des Nil.Ein Blick zurück nach 2� Jahren ............................................................................................................

Wolfram Schier (Berlin)Der spätneolithisch-kupferzeitliche Tell von Uivar (Rumänien). Prospektionen und Grabungen 1998–2009 ............................................................................................

Barbara Dammers (Berlin), Alexandra Franz (Leipzig), Robert Gordon Sobott (Leipzig), Klaus Bente (Leipzig)Keramiktechnologie und kulturelle Identität am Beispiel von Uivar .....................................................

Blagoje Govedarica (Berlin), Igor Manzura (Chişinău), Igor Brujako (Odessa), Reinder Neef (Berlin), Elena Sekerskaja (Odessa), Eugen Konikov (Odessa), Moritz Mennenga (Kiel), Arne Windler (Kiel)Neue Untersuchungen zur kulturellen Entwicklung im nordwestlichen Schwarzmeergebiet während des �. Jahrtausends v. Chr. (Arbeitsstand 2008).......................................................................

Alix Hänsel (Berlin)Kastanas.Ausgrabungen in einer Tellsiedlung der Bronze- und Eisenzeit Nordgriechenlands .............................

Barbara Horejs (Wien)Das prähistorische Olynth in Nordgriechenland. Berliner Ausgrabungen auf der Toumba von Agios Mamas ...................................................................

Biba Teržan (Ljubljana)Monkodonja.Eine bronzezeitliche protourbane Gradina in Istrien ..............................................................................

Frank Falkenstein (Würzburg), Bernhard Hänsel (Berlin), Predrag Medović (Novi Sad)Feudvar bei Mošorin (Serbien).Ausgrabungen und Forschungen in einer Mikroregion am Zusammenfluss von Donau und Theiß – eine Bilanz ..............................................................................................................................................

Elke Kaiser (Berlin), Eugen Sava (Chişinău)Müllhalde oder Opferplatz? Ausgrabung eines spätbronzezeitlichen Fundplatzes im Norden der Republik Moldova ......................

Eva Rosenstock (Berlin)Eiweißversorgung und Körperhöhe.Zur Übertragbarkeit anthropometrischer Ansätze auf die Archäologie ..................................................

Cornelia Becker (Berlin)Vom Präkeramischen Neolithikum bis zum Mittelalter.2� Jahre archäozoologische Forschung am Institut für Prähistorische Archäologie ..............................

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Markus Schußmann (Aub)Siedlungshierarchien und Zentralisierungsprozesse in der Südlichen Frankenalb zwischen dem 9. und �. Jh. v. Chr. ...........................................................................................................

Michael Meyer (Berlin), Björn Rauchfuß (Berlin)Leimbach, Lkr. Nordhausen.Ausgrabung einer Siedlung der Przeworsk-Kultur im Südharzvorland ...................................................

Hans-Jörg Nüsse (Berlin)DFG-Projekt: „Herrenhöfe bei Prunkgräbern der römischen Kaiserzeit in Hitzacker-Marwedel“.Ergebnisse und Perspektiven ...................................................................................................................

Im Jahr 2009 konnte das Institut für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität Berlin, vormals Seminar für Ur- und Frühgeschichte, sein fünfzigjäh-riges Bestehen feiern. Zugleich jährte sich die Grün-dung der Praehistorischen Zeitschrift, die seit mehr als drei Jahrzehnten am Institut redigiert wird, zum hun-dertsten Mal. Dieses Doppeljubiläum wurde mit einem Festkolloquium am �. und �. Juni 2009 gefeiert.Das hundertjährige Jubiläum der Praehistorischen Zeit-schrift wurde zum Anlass einer historischen Rückschau und Reflexion ihres Profils genommen1. Das fünfzig-jährige Bestehen des Instituts sollte indes nicht erneut durch eine ausführliche Behandlung seiner Geschichte2 gewürdigt werden. Vielmehr erschien es uns reizvoll, die vielfältigen Orte, Regionen und Themen seiner For-schungstätigkeit in fünf Jahrzehnten durch Vorträge der jeweiligen Projektverantwortlichen oder -beteiligten Re-vue passieren zu lassen. Wir baten um eine Darstellung auch inzwischen abschließend publizierter Projekte aus einer ganz persönlichen Sicht, die auch die jeweiligen Ausgangsfragen, Begleitumstände und das Zustande-kommen der Forschungsprojekte beinhalten konnte.Viele sind unserer Einladung gefolgt, als Vortragende, frühere und heutige Institutsmitglieder, Studierende, Absolvent(inn)en sowie Kolleg(inn)en benachbarter Institute und Fächer. Fast alle gehaltenen Vorträge konnten in den vorliegenden Band aufgenommen wer-den, dessen Erscheinen sich durch verschiedene Um-stände immer wieder verzögert hat.

1 B. Hänsel, 100 Jahre „Praehistorische Zeitschrift“ 1909–2009. Pra-ehist. Zeitschr. 8�/1, 2009, 1–1�; H. Parzinger, 100 Jahre Praehisto-rische Zeitschrift. Praehist. Zeitschr. 8�/1, 2010, 1–�; A. Harding, die Bedeutung der Praehistorischen Zeitschrift für die europäische Vor-geschichtsforschung. Praehist. Zeitschr. 8�/1, 2010, �–�; W. Schier, Zum Profil und den zukünftigen Perspektiven der Praehistorischen Zeitschrift. Praehist. Zeitschr. 8�/1, 2009, �–1�.2 Diese wurde erst vor wenigen Jahren durch H. Peter-Röcher aus-führlich behandelt (H. Peter-Röcher, Das Institut für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität Berlin. In: Miscellanea Ar-chaeologica III. Berlin und Brandenburg – Geschichte der archäolo-gischen Forschung. Tagung Berlin 2003. Beiträge zur Denkmalpfle-ge in Berlin 22 (Berlin 200�) 1�7–1�7).

Wir haben den Autorinnen und Autoren Gelegenheit gegeben, ihre seinerzeit eingereichten Manuskripte zu aktualisieren und möchten uns bei allen für ihre gedul-dige Kooperation bedanken. Die Forschungstätigkeit des Institutes hat sich natür-lich auch nach 2009 fortgesetzt – neben einigen ei-genständigen Drittmittelprojekten ist das Institut für Prähistorische Archäologie mit mehreren innovativen Projekten im Berliner Exzellenzcluster TOPOI enga-giert, über das eine Übersichtspublikation in Vorberei-tung ist.Die Herausgeber danken Dr. Morten Hegewisch für die redaktionelle Bearbeitung und Erstellung des Lay-outs, Dr. Bert Wiegel für die kompetente verlegerische Betreuung, der Archäologischen Gesellschaft in Berlin und Brandenburg für einen Druckkostenzuschuss und dem Institutszeichner Jan Müller-Edzards für die Ge-staltung der Titelvignette.Wir freuen uns, dass die Berichte aus fünf Jahrzehnten archäologischer Forschung zwischen Nildelta und nie-dersächsischer Elbe nunmehr, zum ��. Jubiläum des Institutes für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin als Festschrift vorliegen und wün-schen der Publikation weite Verbreitung und eine in-teressierte Leserschaft.

Berlin, im August 201�

Wolfram Schier Michael Meyer

Vorwort

Die kulturellen Verhältnisse im deutschen Mittelge-birgsraum in den Jahrhunderten um Christi Geburt sind archäologisch durch mehrfache Veränderungen gekennzeichnet. Von der römischen Einflussnahme und ihren archäolo-gischen Spuren abgesehen, sind für die mitteldeutsche Kontaktzone zwischen Rhein und Saale neben dem Auslaufen der Latènekultur nach der Stufe Lt D1, dem anschließenden Ausgreifen des jüngsten Fundnieder-schlags der Jastorf-Kultur nach Süden und Osten sowie dem Auftreten der „rhein-weser-germanischen Kultur“ in den ersten Jahrzehnten nach der Zeitenwende auch das Auftreten fremder Sachgüter und Bestattungen in den Stufen Lt C2 und D1 zu nennen, die der Przeworsk-Kultur zugewiesen und in der Literatur als Spuren von

Migrationen, z. T. auch als Zeugnis kriegerischer Züge gedeutet werden1.Derartige Funde der Przeworsk-Kultur westlich ihres primären Verbreitungsgebietes sind keine Seltenheit. Seit den 1920er Jahren liegen eine ganze Anzahl kul-turell fremder Fundstellen aus einem breiten Raum zwischen Rhein, Main und Oder vor, die ihre nächsten Parallelen in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit Po-lens aufweisen. Das Bild hat sich seither durch einen umfangreichen Fundniederschlag der Przeworsk-Kultur westlich und südwestlich ihres Kernraums zu einem ‚se-kundären Verbreitungsgebiet‘ in Mitteldeutschland und der Wetterau verdichtet, ein Phänomen, das auch in an-

1 Bockius/Łuczkiewicz 2004; Hachmann 1956/57; Meyer 2005, 203–20�; 2008, 1�0–1�1; Müller 1999; Peschel 1978; 1989; Seidel 1999.

Leimbach, Lkr. Nordhausen: Ausgrabung einer Siedlung der Przeworsk-Kultur im Südharzvorland

Michael Meyer, Berlin, Björn Rauchfuß, Berlin

Abb. 1. Keramik der Przeworsk-Kultur westlich ihres primären Verbreitungsgebietes (ergänzt nach Meyer 2008, 287–290 Liste �).

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Eine Analyse der keramischen Fremdformen und des Befundzusammenhanges konnte zeigen, dass neben gängigen einzelnen Przeworsk-Formen in Gräbern einheimischer Tradition – nämlich in Urnengräbern –, Przeworsk-Keramik in Przeworsk-Grabformen – also Brandgrubengräbern – sich auf wenige Gebiete wie das mittlere Elbegebiet, den Saale-Unstrut-Raum und die Wetterau konzentriert�. Kleine Brandgrubengrab-Nekropolen mit fremder Keramik sind auf Einwande-rer zurückzuführen, die sich in der Umgebung nieder-gelassen haben. Charakteristisch ist auf diesen Plätzen auch die fremde Sitte der Waffenbeigabe, die im Ur-sprungsgebiet der Einwanderer Tradition hat. Nur in diesen Einwanderer-Regionen fassen wir au-ßerdem Siedlungen, deren Fundmaterial überwie-gend aus Formen der Przeworsk-Kultur besteht�. Aus den Gebieten, in denen Urnengräber überwie-gen, liegen hingegen bislang keine Siedlungen vor, in denen die Przeworsk-Keramik den größten An-teil stellt. Naturwissenschaftliche Keramikanalysen an Funden der hessischen Siedlung Mittelbuchen konnten zeigen, dass die Przeworsk-Keramik zwar aus dem gleichen Ton wie die einheimische Keramik hergestellt wurde, in der verwendeten Magerung und der Art der Aufbereitung der Tonmasse zeigt sich je-

� Meyer 2012/2013, �2; 2013, 282–283.� Meyer 2005, 209; 2008, 188; Seidel 199�; 1999; 200�.

deren Regionen, so in Jütland, aber auch im Süden und Osten punktuell bis in die westliche Ukraine bekannt ist (Abb. 1)2.Als charakteristische Funde der Przeworsk-Kultur ste-hen neben der speziellen Grabform – dem Brandgru-bengrab – und wenigen Metallformen, darunter Waf-fen, Trachtbestandteilen und Werkzeugen vor allem die Keramik zur Verfügung3. Die handgemachte Keramik der Przeworsk-Kultur lässt sich aufgrund ihrer cha-rakteristischen Randgestaltung, den X-Henkeln und spezifischen Verzierungen sehr gut von der Keramik des Kontaktgebietes und vom Nordrand der Latène-kultur unterscheiden. Zahlenmäßig am häufigsten in der Przeworsk-Kultur und fremd westlich der Oder sind Tassen, Schüsseln, Töpfe und ‚Krausen‘�. Ande-re Gefäßformen spielen eine untergeordnete Rolle. Es handelt sich in erster Linie um einzelne Funde, die als Fremdformen im einheimischen Milieu auftreten und – wie Keramikanalysen zeigen – auch lokal hergestellt wurden. Allerdings war diese fremde Keramik nicht überall beliebt. In den befestigten Höhensiedlungen – und damit wahrscheinlich den Plätzen der regionalen Eliten – tritt sie ebenso selten auf wie in den Regionen, die nicht optimal zum Ackerbau geeignet waren5.

2 Meyer 2005, 203; 2008, 151; 2012/2013.3 Bockius/Łuczkiewicz 2004; Meyer 2005, 205; 2008, 153–155.� Kasiński 2010; Meyer 2008, 153.5 Ebd.; 2013, 282.

Abb. 2. Siedlungsmuster der jüngeren vorrömischen Eisenzeit im Südharzvorland (nach Meyer 2013, 289 Abb. 12).

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doch eine fremde, an die Einwanderer gebundene Techniktradition8.Die Einwanderer stammen ganz offensichtlich aus dem polnischen Raum, möglicherweise aus Schlesien9. In Niederschlesien zeigen sich auf der Phasenkartierung der Przeworsk-Kultur deutliche Lücken, die mögli-cherweise die Auswanderer hinterließen: von der Stufe A2 nach Theresa Dąbrowska (ca. 150–50 v. Chr.) zur Stufe A� (�0 v. Chr.–0) leert sich der westliche Teil Niederschlesiens. Im Verlauf von A2 setzt hier also ein Exodus ein.Auch im Südharzvorland bestehen neben den ein-heimischen offenen Siedlungen eine ganze Reihe von Siedlungen und einige wenige Gräber der Prze-worsk-Kultur, in denen ebenfalls Keramik im Stil der Przeworsk-Kultur den größten Anteil stellt. Aus dem Landkreis Nordhausen liegen erstmals Siedlungen der Przeworsk-Kultur vor, die sich in ihrem Gesamtbe-stand oder mit einem Großteil des Fundspektrums un-mittelbar mit Siedlungen im primären Verbreitungsge-biet vergleichen lassen. Es handelt sich weitgehend um Plätze mit Oberflächenfunden, die seit den 1980er Jah-ren durch den Nordhäuser Kurt Lützkendorf bei seinen Begehungen entdeckt wurden10. Es ist das Verdienst von Mathias Seidel, das umfangreiche archäologische Fundmaterial publiziert zu haben11.Ein Vergleich der Raumstruktur der einheimischen Be-siedlung und der Przeworsk-Siedlungen im Südharz-vorland zeigt deutliche parallele Raumkonzepte (Abb. 2)12. Randlich zur Siedlungskammer liegt in strategisch guter Position eine befestigte Höhensiedlung1�. Die of-fenen Siedlungen nehmen die Gunstsituation des Wip-pertales und der Goldenen Aue ein. Die ausgewählten Siedlungslagen in Flussnähe stellen die landwirtschaft-lich optimale Nutzung der Landschaft dar und bezie-hen sich zusätzlich auf die überregionale Trasse vom Saalegebiet in das Leinetal.Demgegenüber liegen lediglich zwei Siedlungen der Przeworsk-Kultur in einheimischer „Normallage“. Wei-tere Plätze finden sich hingegen regelhaft aufgereiht am Nordrand der Goldenen Aue, durch eine flache Hügelket-te auch optisch von den einheimisch bevorzugten Sied-lungslagen getrennt. Zu den vier bekannten Siedlungen ist eine weitere zu rekonstruieren, die in identischer Lage im Bereich des heute überbauten Dorfkerns von Leimbach oder seiner unmittelbaren Umgebung vermu-tet werden kann. Dadurch lassen sich ein Regelabstand von 1,2–1,8 km zwischen den einzelnen Siedlungen und eine nahezu identische Lage auf dem flachen Westhang kleinerer, nach Süden fließender Bäche erkennen. Die Kette von Siedlungen der Przeworsk-Kultur nimmt of-fensichtlich Bezug auf ein schmales, aber ergiebiges

8 Daszkiewicz/Meyer 200�; 2008, ��1.9 Meyer 201�, 28�–28�.10 Seidel 200�, 20–22.11 Ebd.12 Meyer 201�, 28�.1� Grasselt 2007.

und oberflächlich ausstreichendes Band von Eisenerz-konkretionen in Form von Toneisensteingeoden, die sich hervorragend als Rohstoff für die Eisenverhüttung eignen1�.Eine erste Untersuchung eines dieser Plätze fand im Sommer 2008 mit einer Grabungskampagne des Insti-tuts für Prähistorische Archäologie der Freien Univer-sität Berlin am Fundplatz Nordhausen-Himmelgarten Fdst. ��, Lkr. Nordhausen, statt1�. Befundüberschnei-dungen und das keramische Fundspektrum der Ausgra-bung zeigten, dass die Besiedlung in zwei Phasen ver-lief. Einer älteren Besiedlung im �. und �. Jahrhundert v. Chr. folgte eine Phase des 2. oder frühen 1. Jahrhun-derts v. Chr. durch Siedler der Przeworsk-Kultur1�. Die in das �. und �. Jahrhundert v. Chr. datierenden Relikte der Eisenverhüttung – Schlackeklötze und Fragmente von Rennöfen – sind die ältesten Nachweise derartiger Funde in Mitteldeutschland.Seit dem Sommer 2010 erfolgt nun mit der großflä-chigen Ausgrabung am Fundplatz bei Leimbach, Lkr. Nordhausen, die Untersuchung einer weiteren Siedlung der Przeworsk-Kultur. Mit Unterstützung durch Stu-dierende der archäologischen Fächer der Freien Uni-versität Berlin wird der mithilfe der geomagnetischen Prospektionen erfasste zentrale Siedlungsbereich mit einer Fläche von ungefähr 1�.000 m2 vollständig aus-gegraben17.Der Fundplatz Leimbach Fdst. �/1�, Lkr. Nordhau-sen, liegt am nördlichen Rand des nordthüringischen Südharzvorlandes, wenige Kilometer östlich der Kreisstadt Nordhausen. Etwa 200 m nordwestlich der Siedlung befindet sich die Untere Grasmühle, eine ehemalige, seit dem 17. Jahrhundert betriebene Wassermühle. Das landwirtschaftlich genutzte Fund-platzareal befindet sich auf einem nach Südosten ge-neigten Hang, der an seinem Ostrand zur Niederung hin durch eine Straße gestört wird. Die absolute Höhe des Geländes liegt zwischen 198 und 20� m über NN. Unmittelbar westlich grenzt das bis zu 100 m breite Niederungsgebiet des Krummbaches an, der nördlich der Unteren Grasmühle mithilfe eines Dammes zu einem 2 ha großen Wasserspeicher aufgestaut ist. Im Süden begrenzt der Senfzengraben, ein stark begra-digter Entwässerungsgraben, das Areal und überprägt ein mithilfe geophysikalischer Untersuchungen und zwei Sondagegrabungen nachgewiesenes ehemaliges Bachbett.Mithilfe der interdisziplinären Zusammenarbeit von Archäologie, Geophysik und Geochemie konnte ge-zeigt werden, dass der Fundplatz und seine Umgebung durch drei flache, parallel verlaufende Rinnen geprägt wird und phasenweise verstärkten kolluvialen Ero-sions- und Akkumulationsprozesse unterworfen war

1� Bebermeier et al. 2009; Heise 2012; Meyer 201�, 290.1� Bebermeier et al. 2009, ��–�7; Becker 2010; Steffens 2012; Ullrich et al. 2011, �.1� Vgl. Steffens 2012. 17 Ullrich et al. 2011, �.

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Abb. �. Leimbach, Fdst. �/1�, Lkr. Nordhausen: Geomagnetisches Survey (± � nTm-1) als Graustufenbild (verändert nach Hoelzmann et al. 2012, �01 Abb. 1a). Gelb: geomorphologische Strukturen; rot: als

archäologische Befunde interpretierte Anomalien; blau: rezente Strukturen.

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(Abb. �)18. Die Rinnen sind bereits im anstehenden Buntsandstein angelegt und vom Boden ausgehend mit periglazialem lössartigem Sediment, einem Kolluvium aus Siedlungsmaterial sowie weiteren kolluvialen Sedi-menten verfüllt. Nach gegenwärtigem Stand der Unter-suchungen wird vermutet, dass zur Zeit der Besiedlung des Areals durch die Przeworsk-Kultur sich das Gelän-de deutlich vom heutigen Bildunterschied. Das Relief war markanter und die enthaltenen periglazialen Rin-nen steiler. Während der verschiedenen Besiedlungs-phasen des Fundplatzes und den seither vergangenen 2.000 Jahren wurden demnach stellenweise verstärkt Teile des originalen Bodenprofils in niedrigere Lagen transportiert und dort zu kolluvialen Sedimenten und Kulturschichten abgelagert. Die Ausgrabungen bestä-tigten zudem, dass sich die Fläche der Siedlung durch die Erosionsrinne in zwei getrennte, auf den Kuppen liegende Siedlungsareale gliedert.Erste Oberflächenfunde vom Fundplatz wurden 1972 bekannt; seit 1983 wurden regelmäßig Scherben der

18 Hoelzmann et al. 2012.

Przeworsk-Kultur bei systematischen Begehungen nach dem Pflügen durch Kurt Lützkendorf aufge-lesen19. Im August 1986 wurde außerdem im Zuge der Aufschüttung des Dammes nördlich der Unteren Grasmühle auf dem Areal des Fundplatzes Erdmate-rial entnommen. Dabei dokumentierten Lützkendorf und Hans-Jürgen Grönke, Nordhausen, in den Wän-den der Baugrube zwei angeschnittene Siedlungs-gruben sowie eine Kulturschicht und bargen aus der Verfüllung zahlreiche Keramikfragmente und Tier-knochen, darunter umfangreiches Keramikmaterial der Przeworsk-Kultur20. Während der Grabung ge-lang es Bereiche der wieder verfüllten Baugrube von 198� zu erfassen. Seit Beginn der Ausgrabungen 2010 konnten mehr als �00 Befunde erfasst und dokumentiert werden, die von kleinen Gruben bis zu größeren Grubenkomplexen rei-chen (Abb. �). In den meisten Fällen handelt es sich um mit Siedlungsmaterial verfüllte Gruben, deren ur-

19 Seidel 200�, 71; 7�–7�; Taf. 9�–10�, 1–�.20 Ebd. 71–7�; Taf. 80–9�.

Abb. �. Leimbach, Fdst. �/1�, Lkr. Nordhausen: Lage und Gesamtplan der untersuchten Flächen, Stand 201�.

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Abb. �. Leimbach, Fdst. �, Lkr. Nordhausen: spätlatènezeitliche Grubenkomplexe mit Keramik der Przeworsk-Kultur. Foto B. Rauchfuß.

sprüngliche Funktion unklar bleibt (Abb. �). Lediglich die auf dem Fundplatz auftretenden ‚Kegelstumpfgru-ben‘ (Abb. 6) lassen sich als Vorratsgruben ansprechen, gehören aber nach gegenwärtigem Stand ausschließlich der älteren Besiedlungsphase an. Pfostengruben fehlen bis auf wenige Ausnahmen.Der Erhaltungszustand der Befunde ist zwar insgesamt gut, zeigt aber dennoch, dass beide Siedlungsareale durch Erosion in Mitleiden-schaft gezogen wurden. Auffällig ist dabei der schlech-tere Erhaltungszustand der Befunde der späthallstatt-zeitlichen Besiedlung, der darauf schließen lässt, dass ein Teil der Erosionsvorgänge bereits vor der Besied-lung durch die Przeworsk-Kultur ablief.

Technische Anlagen ließen sich überwiegend anhand des Fundmaterials nachweisen. Konzentrationen qua-derförmiger Brocken gebrannten Lehms und kleine Mengen Eisenschlacke belegen das Vorhandensein von Ofenanlagen und Eisenverhüttung. 2013 gelang der erste Nachweis eines Ofens, dessen Datierung al-lerdings noch aussteht (Abb. 7). Analysen von Proben aus dem Inneren des Ofens lassen darauf schließen, dass die Anlage zumindest in ihrer letzten Verwen-dung vor der Stilllegung zur Kalkproduktion genutzt wurde.Wie bereits bei der Przeworsk-Siedlung vonNordhau-sen-Himmelgarten lassen sich auch im Fundmaterial

20�

Abb. �. Leimbach, Fdst. �, Lkr. Nordhausen: Kegelstumpfgrube der Späthallstatt-/Frühlatènezeit. Foto A. Melzer.

Abb. 7. Leimbach, Fdst. �, Lkr. Nordhausen: Kalkbrennofen 1�8. Foto A. Melzer.

20�

Abb. 8. Leimbach,Fdst. �, Lkr. Nordhausen: Späthallstatt-/Frühlatènezeitliche Keramik aus Kegelstumpfgrube 14. Maßstab 1:3. Zeichnungen S. Wadt, K. Zimmer.

20�

von Leimbach zwei Besiedlungsphasen erkennen, eine ältere späthallstatt/frühlatènezeitliche Besiedlung und eine spätlatènezeitliche Besiedlung durch die Prze-worsk-Kultur (Abb. 8). Die Verteilung der Keramik der Przeworsk-Kultur zeigt, dass die Grabungen die Gren-zen der spätlatènezeitlichen Besiedlung im Westen bereits erreicht haben. Im Osten begrenzt die Niede-rung zum Krummbach die Siedlungsfläche, im Süden reichen die Siedlungsspuren über den Senfzengraben nicht hinaus. Lediglich im Norden ist die Ausdehnung der Przeworsk-Siedlung noch unklar, da auch auf der nördlicheren Kuppe entsprechendes Fundmaterial vorhanden ist. Vermutlich stellt aber diese Fläche die nördlichste Grenze dar.Pfostenbauten konnten bislang nicht erfasst werden. Allerdings gelang die Freilegung zweier spätlatène-zeitlicher Grubenhäuser, mögliche Pfostenspuren waren aber auch hier nicht vorhanden. Vom nördlich der Erosionsrinne gelegenen Siedlungsareal, Fdst. 1�, liegen mehrere Körperbestattungen vor, die der spät-hallstattzeitlichen Besiedlungsphase angehören;der Bereich fand augenscheinlich als Gräberfeld21 Ver-wendung. Allerdings sind die zum Teil in Kegel-stumpfgruben bestatteten Individuen, darunter mehre-re Kleinkinder, durch die erneute, spätlatènezeitliche Nutzung des Areals mehrheitlich stark gestört (Abb. 9).Das im Verlauf der Ausgrabung geborgene archäolo-gische Fundmaterial umfasst in erster Linie keramische Reste, Brandlehm, Tier- und Menschenknochen, Kno-chenartefakte sowie einige wenige Metallobjekte. Die handgefertigte Feinkeramik der Przeworsk-Kultur von Leimbach zeigt die für das Kerngebiet bekannte Ton-ware, es fehlen aber bisher die so genannten ‚Krausen‘. Andere Merkmale, wie die dunkle, stark polierte Ober-fläche, X-förmige Henkel und feine Strichverzierungen sind hingegen vorhanden. In deutlich größerer Zahl ist aber im Fundmaterial grobe Siedlungsware vertreten, die nicht immer charakteristische ‚Przeworsk-Merk-male‘ aufweist und über die auch aus dem Primärge-biet kaum Wissen vorliegt. Hier wird die noch ausste-hende Auswertung des Leimbacher Keramikmaterials neue relevante Ergebnisse liefern.In beiden Warengruppen überwiegen die Tassen, Scha-len oder einfachen Töpfe (Abb. 10). Die Ränder sind mehrheitlich verdickt ausladend oder umgelegt, dane-ben treten aber auch gerade, abgerundete Randformen auf. Die facettierten Randformen sind unterschiedlich deutlich und qualitätsvoll gearbeitet, in der Regel aber außen und innen ein- bis mehrfach facettiert. Aller-dings weisen längst nicht alle verdickten Ränder Fa-cetten auf: es treten im Fundmaterial auch Formen mit abgestrichener Randlippe auf.Drehscheibengefäße aus dem Mittelelbe-Saale-Gebiet mit horizontal umlaufenden Rillen auf dem Gefäßun-terteil aber auch glatte Drehscheibenware aus dem

21 Zu den Versuchen der Abgrenzung von ‚Sonderbestattung‘ und ‚Regelbestattung‘ vgl. neuerdings Müller-Scheeßel 2013.

Latènebereich sind zu einem geringen Prozentsatz ebenfalls im Keramikmaterial vertreten (Abb. 10–11).Mathias Seidel erwog vor Beginn der Ausgrabungen aus dem Fehlen spätlatènezeitlicher Importe im ober-flächlich aufgelesenen Fundmaterial am Fundplatz bei Leimbach mit aller Vorsicht eine isolierte frühe Grün-dung der Przeworsk-Siedlung und ihrer Bewohner ohne Austausch mit der einheimischen Bevölkerung der Goldenen Aue und ohne Südkontakte in den Latè-nebereich22. Inzwischen liegen aus Befunden mit Kera-mik der Przeworsk-Kultur verschiedenste Nachweise von Kontakten zur Latènekultur vor, darunter spätlatè-nezeitliche Drehscheiben- und Graphittonware, eine mittel- und spätlatènezeitliche Spiralaugenperle, eine Omega-Fibel sowie eine Fibel Beltz Var. J (Abb. 11),

22 Ebd. 21.

Abb. 9. Leimbach, Fdst. �, Lkr. Nordhausen: Körpergrab 224 der Späthallstatt-/Frühlatènezeit. Foto

A. Melzer.

20�

Abb. 10. Leimbach, Fdst. �, Lkr. Nordhausen: Spätlatènezeitliche Keramik aus Siedlungsgrube �0, darunter Gefäße mit Przeworsk-Merkmalen. Maßstab 1:3. Zeichnungen S. Wadt.

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so dass ein Austausch mit dem Umfeld angenommen werden muss. Bislang singulär für die Przeworsk-Kultur in Mittel-deutschland ist das während der Grabungen am Fund-platz geborgene umfangreiche Tierknochenmaterial2�. Der Erhaltungszustand der aktuell ausgewerteten, zwi-schen 2010 und 2012 erfassten 12.000 Tierknochen-fragmente mit einem Gewicht von 70 kg ist durchweg sehr gut. Es handelt sich beim Großteil um Schlacht-

2� Die Tierknochen werden durch F. Höppner im Rahmen ihrer Dissertation bearbeitet (Höppner i. Vorb.).

und Speiseabfälle, daneben treten aber auch Knochen- und Geweihartefakte auf. Wird das Fundgewicht zu-grunde gelegt – was unmittelbare Rückschlüsse auf den Fleischverzehr zulässt – steht in der Gewichtung der Tierarten aus den Leimbacher Befunden der Prze-worsk-Kultur das Rind an erster Stelle, gefolgt von Schaf/Ziege, Pferd, Schwein, Hund und Huhn. Dies spiegelt in erster Linie das während der vorrömischen Eisenzeit übliche Bild des Haustiermanagements. Wer-den Fund- und Mindestindividuenzahlen herangezo-gen, verschiebt sich das Bild zugunsten der kleinen

Abb. 11. Leimbach, Fdst. �, Lkr. Nordhausen: mit spätlatènezeitlicher Przeworsk-Keramik vergesellschaftete Importe aus dem Bereich der Latènekultur. Maßstab Keramik 1:3; Metall 2:3. Zeichnungen S. Wadt, K.

Zimmer.

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Wiederkäuer. Nach bisherigem Kenntnisstand könnten Viehzuchttraditionen aus einem Teil des Kerngebietes der Przeworsk-Kultur – hier wäre am ehesten an Ku-jawien zu denken - übernommen und im sekundären Verbreitungsgebiet fortgesetzt worden sein. Die ar-chäozoologischen Untersuchungen werden durch Iso-topenanalysen an ausgewählten Tierarten unterstützt; Ergebnisse stehen aber noch aus.Ebenfalls vom Fundplatz liegen inzwischen fünf Hunde-deponierungen vor, die mehrheitlich aus Befunden mit Keramikmaterial der Przeworsk-Kultur stammen (Abb. 12)2�. Die soweit feststellbar vollständige Niederlegung oder Bestattung der Tiere zeigt, dass zumindest sie nicht zum Verzehr gedacht waren. Hundeknochen aus den Schlacht- und Speiseabfällen zeigen aber auch, dass ihr Verspeisen keineswegs mit einem Tabu belegt war.2�

Nach Ausweis der archäologischen Funde wurde die Siedlung noch in der ersten Hälfte des 1. Jahrhun-derts v. Chr. aufgegeben oder verlagert, Hinweise auf ein gewaltsames Ende fanden sich bisher nicht. Die Siedlungsplatzwahl folgt auf den ersten Blick einem geoökologischen Determinismus. Die Anlage der Sied-lungen erfolgte unter Bezugnahme auf die Toneisen-steinvorkommen am nördlichen Rand der Goldenen

2� Scheibner 201�, 98 Nr. 89; Taf. 28.2� Ebd. 70–71.

Aue. Diese Vorkommen waren bereits im �. und �. Jahrhundert v. Chr. stellenweise ausgebeutet worden, mit der Ankunft der Siedler wird diese Tätigkeit offen-sichtlich von ihnen fortgesetzt. Dies zeigt sich deutlich daran, dass die Migranten in Nordhausen-Himmelgar-ten und Leimbach bereits verlassene Siedlungsplätze aufsuchen.Unklar bleiben die zugrunde liegenden Prozesse, die zur Ansiedlung der Migranten geführt haben. Wurden die Neusiedler als Spezialisten für Eisenverhüttung durch die einheimische Bevölkerung gezielt angesiedelt? Oder wurden die bisherigen Nutzer der Rohstoffvorkommen vertrieben und die Ansiedlung durch die Migranten erzwungen? Plausibel erscheint das Bild einer Spezi-alistenwanderung als erste Phase, der dann – in einer zweiten Phase – eine umfangreichere Ansiedlung in der neu erschlossenen „kulturellen Insel“2� folgte. Mögli-cherweise gehören die übrigen Przeworsk-Siedlungen, die sich im Gegensatz zu den auf den Toneisenstein be-zogenen Plätzen in das einheimische Siedlungssystem einfügen, zu einer zweiten Phase der Migration, die kei-nen Bezug mehr zu den Erzlagerstätten besitzt27.Mit den Untersuchungen des Instituts am Fundplatz bei Leimbach ist es erstmals gelungen, eine Siedlung der

2� Burmeister 1998.27 Vgl. Seidel 200�, 21.

Abb. 9. Slawische Bestattung mit Schmuckbeigaben von der Hügeloberfläche. Foto: Archiv Kastanas.

Abb. 12. Leimbach, Fdst. �, Lkr. Nordhausen: Spätlatènezeitliche Hundedeponierung der Przeworsk-Kultur. Foto A. Melzer.

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Przeworsk-Kultur außerhalb ihres primären Verbreitungs-gebietes großflächig auszugraben und eine Migration in den nordthüringischen Raum zu belegen. Die breite sta-tistische Auswertung des archäologischen Fundmaterials aus der Siedlung und weitere Prospektionen auf benach-barten Siedlungen, werden die Entwicklung eines Mo-dells zu Adaptions- und Akkulturationsprozessen sowohl in den Siedlungen der vermuteten Einwanderer als auch unter der ortsansässigen Bevölkerung ermöglichen.

Anschrift der Verfasser

Prof. Dr. Michael Meyer, Institut für Prähistorische Archäologie, Freie Universität Berlin, Altensteinstraße 15, 14195 Berlin, E-Mail: [email protected]örn Rauchfuß M.A., Institut für Prähistorische Ar-chäologie, Freie Universität Berlin, Altensteinstraße 15, 14195 Berlin, E-Mail: [email protected]

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