parole in libertà schrift-bild-verhältnis in den „befreiten worten“ des italienischen...

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Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft Sommersemester 2012 Fachbereich: Germanistische Literaturwissenschaft Mastermodul D9: „Mediendifferenz im historischen Prozess“ Hauptseminar: Schrift und Bild [Nr.: 505003630] Dozent: PD Dr. Hedwig Pompe Parole in libertà Schrift-Bild-Verhältnis in den „Befreiten Worten“ des italienischen Futurismus: Ästhetisch-programmatischer Anspruch und konkrete Realisierungen anhand von Manifesten und ausgewählten Bild-Texten Schlagworte: Sprachbefreiung, Bildsprache/Bildtext, Visuelle Poesie, Hybridisierung, Zeichen, Symbol, Wahrnehmung, Subjektivität, Selbstreferentialität, Multimedialität, Totalität 30.11.2011 Monica Pintucci (Programmstudentin) Matrikelnr.: 2517387 HF: Germanistische + Romanische Literaturwissenschaft Studiengang: Master of Arts Deutsch-Ital.-Studien 1. NF: Übersetzung 2. NF: Sprachwissenschaft

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Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft

Sommersemester 2012 Fachbereich: Germanistische Literaturwissenschaft Mastermodul D9: „Mediendifferenz im historischen Prozess“ Hauptseminar: Schrift und Bild [Nr.: 505003630] Dozent: PD Dr. Hedwig Pompe

Parole in libertà

Schrift-Bild-Verhältnis in den „Befreiten Worten“ des italienischen Futurismus: Ästhetisch-programmatischer Anspruch und konkrete Realisierungen

anhand von Manifesten und ausgewählten Bild-Texten

Schlagworte: Sprachbefreiung, Bildsprache/Bildtext, Visuelle Poesie, Hybridisierung, Zeichen, Symbol, Wahrnehmung, Subjektivität, Selbstreferentialität, Multimedialität, Totalität

30.11.2011

Monica Pintucci (Programmstudentin) Matrikelnr.: 2517387 HF: Germanistische + Romanische Literaturwissenschaft Studiengang: Master of Arts Deutsch-Ital.-Studien 1. NF: Übersetzung

2. NF: Sprachwissenschaft

INHALTSVERZEICHNIS

I. TEIL

1. Einleitung: Thema, Fragestellung, Gliederung der Arbeit…………………………………………………………………….3

2. Der italienische Futurismus: Historisch-kultureller Überblick………………………………………………………………6

3. Zum Konzept „Bildsprache“…………………………………………………………………………………………………………….....8

4. Theoretische Grundlagen der literarischen Avantgarde des Paroliberismus

4.1 Zerstörung der Syntax und des Ichs………………………………………………………………………………………….15

4.2 Die ‚Typographische Revolution’ ………………………………………………………………………………………….....20

4.3 Simultaneität und Intuition …………………………………………….……………………………………………………….20

II. TEIL

5. Schrift und Bild in Werken italienischer Futuristen……………………………………………………………………..….…22

6. Schlussbemerkungen ………………………………………………………………………………………………………………………..33

7. Abbildungsverzeichnis……………………………………………………………………………………………………………………….37

8. Literaturverzeichnis…………………………………………………………………………………………………….…………………….38

Sommersemester 2012 - Germanistische Literaturwissenschaft Monica Pintucci (Programmstudentin) Mastermodul D9: „Mediendifferenz im historischen Prozess“ (15 LP) Matrikelnr.: 2517387 Hauptseminar: Schrift und Bild [Nr.: 505003630] Studiengang: M.A. Deutsch-Ital.-Studien Dozent: PD Dr. Hedwig Pompe

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I. TEIL

1. EINLEITUNG: THEMA, FRAGESTELLUNG, GLIEDERUNG DER ARBEIT

Die Untersuchung der Kombinationen von Schrift und Bild eröffnet ein vielschichtiges Themengebiet

und ein sehr weitreichendes Forschungsfeld. Trotz der langen Tradition stellt die gemeinsame

Erscheinung und wechselseitige Durchdringung von Literatur und bildender Kunst noch heute ein

aktuelles Forschungsfeld für Sprachphilosophie, -wissenschaft und Kunst dar. Was immer „neu“ ist, ist

das theoretische Konzept hinter diesen Grenzüberschreitungen, die Experimentierlust an den

Materialien ‚Sprache’ und ‚Bild’ und die Quantität des Auftretens von Sprache-Bild-Kompositionen.

Diese gegenseitige Annäherung bedeutet eine Vielzahl an Variationsmöglichkeiten: Am einen Ende

findet die Literatur zum Bild, an dem anderen eignet sich die bildende Kunst das Medium der Literatur,

die Sprache, an. Eine weitgehende Übereinstimmung ist in der Literatur wahrzunehmen, was in den

Avantgarden des 20. Jahrhunderts – seit Kubismus, Futurismus, Dadaismus, seit der abstrakten Kunst

und dem Surrealismus – eine zunehmende künstlerische Verschmelzung und Kooperation der beiden

Gattungen erkennt: „Die Literatur gelangt dabei in der visuellen Poesie zum sprachlosen Bild, in Wort-

Bild-Texten bezieht sie Fotos und Grafik mit ein, in multi-medialen Aktionen wird sie zum Bestandteil

eines optischen und akustischen Environments“1. Die Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten der

beiden Medien, die sich im Bereich zwischen Verbildlichung von Sprache und Aneignung von

Sprachlichem im Bild ausdehnen, zwingt zu einer klaren zeitlichen und räumlichen Eingrenzung:

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist vornehmlich die Betrachtung des Phänomens der Ikonisierung

von Sprache2 bzw. der Eingliederung von der bildenden Kunst in schriftliche Werke und insbesondere

der Verbildlichung literarisch-typographischer Materialien bei den Parole in libertà [= befreiten Worten/

Wörtern – befreiter Sprache3] des italienischen Futurismus.

1 Faust 1977, S. 7.

2 Fausts Ansicht nach sind in der Entwicklung der Text-Bild-Kompositionen zwei große Tendenzen sichtbar: Das Eindringen von

Sprache in die Bildende Kunst (Lingualisierung von Kunst) und die Verbildlichung literarischer Texte bzw. ihre Bewegung hin zum Visuellen (Ikonisierung von Sprache). Bei letzterem Phänomen, in welches die futuristischen und dadaistischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts (auch) aufgrund der Verwendung von typografischem Material einzuordnen seien, „[werden] sprachliche Elemente vom Buchstaben über das Wort bis zum Text, aber auch Satzzeichen und typographische Zeichen entweder mit ihrer bildhaften Qualität vorgeführt oder zu visuellen Bedeutungsträgern montiert. Die tradierten Manifestationen des verbalen Symbolismus werden dabei verlassen und mit Elemente einer ‚präsentativen Symbolik’ versehen. Das Reicht vom einfachen Buchstabenspiel bis zum Aufbau komplexer Environments [---]. In ihnen wird die Buchseite als Präsentation der Sprache aufgehoben und in ein dreidimensionales Raumgefüge eingebracht. Die Ikonisierung der Sprache nutzt hierbei bildkünstlerische Erfahrungen und Vorstellungen.“ (Faust 1977, S. 10) 3 Im vorliegenden Text sind beide Ausdrücke „Befreite Sprache“ und „Befreite Worte/Wörter“ auf das sprachliterarische

Phänomen der Parole in libertà bezogen, wobei der erste, weiter gefasste Ausdruck die dichterische Sprache als „linguistische und sprachphilosophische Totalität“ bezeichnet (auf Italienisch: „lingua/linguaggio poetica/o“), und der zweite ihre konkreten einzelnen und kleinsten Bestandteile (IT: „parole“). Der von Demetz auch angewandte „Worte in Freiheit“, oder, noch enger gefasst, „Wörter in Freiheit“ sind auch mögliche Übersetzungen, die sinnvoll an den jeweiligen Kontext anzupassen sind.

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Die Komplexität der futuristischen Bildsprache4 stellt heutige Leser vor eine doppelte

Herausforderung: Einerseits setzen die futuristischen Bildtexte5 ein geeignetes kulturgeschichtliches

Kontextwissen voraus, das die in den einzelnen Werken jeweils vorausgesetzten Wissens- und

Verstehenshorizonte eröffnet, andererseits stellen sie eine Verbindung zu späteren bild- und

zeichentheoretischen Debatten bis in die Gegenwart her: Dabei sind sie unter medientheoretischen und

semiotischen Gesichtspunkten als hybride Gattung zu erschließen, als Medien-Kunst, und zwar als

‚Medien’ für die Vermittlung einer Mitteilung und als ‚Kunst’ auf der (selbstreferentiellen) ästhetisch-

semiotischen Ebene. Mit der vorliegenden Untersuchung soll ein Anfang gemacht werden, Bedeutung

und Folgen dieser „Hybridisierung“ zu kontextualisieren und bewerten. Das große Thema der Kunst des

20. Jahrhunderts, das der Gattungs- oder Grenzüberschreitungen, wird dabei angesprochen. Die in den

wichtigsten Programmschriften enthaltenen fragmentarischen gleichwohl revolutionären

Theoretisierungen zur Sprache und Literatur von Filippo Tommaso Marinetti, Gründer und Mäzen des

italienischen Futurismus, sowie ausgewählte konkrete Realisierungen werden in den Blick genommen.

Dabei setze ich mir zum Ziel, herauszuarbeiten, inwieweit visuelle (graphische) und verbale Elemente in

der futuristischen Bildsprache ineinander greifen, und inwiefern diese ‚Vernetzung’ von Schrift und Bild

als „Antwort der Literatur“ auf das veränderte Wahrnehmungsvermögen des Menschen in der Zeit der

Technik und der revolutionierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse der Physik und Mathematik –

hundert Jahre vor dem "Global Denken“ – sowie auf die zunehmende Komplexität

der zwischenmenschlichen Kommunikation angesehen werden darf. Die aus der futuristischen

Sprachbefreiung (Manfred Kohrt) entstandene Bildsprache soll dabei auf seine Relevanz für unser

Verständnis des Menschen in der „schnellen Zeit der Maschinen“ und seiner Weise, sich literarisch

auszudrücken, überprüft werden.

Im Folgenden möchte ich kurz auf die Vorgehensweise und Gliederung der vorliegenden Arbeit

eingehen. Sie ist in zwei Hauptteile gegliedert. Der erste, aus vier Kapitel bestehende Hauptteil,

behandelt die theoretischen Grundlagen für die Entstehung der italienischen futuristischen Bewegung

und insbesondere ihrer künstlerischen Revolution der “Befreiung des Wortes” und der daraus

entstandenen Literatur des sogenannten Paroliberismus, der nach Faust „den wichtigsten Beitrag“

darstellt, „den der Futurismus in die Entwicklung der modernen Literatur und insbesondere der

4 Das Wort „Bildsprache“ kommt in dieser Arbeit neben „Bildtexten“ vor, wobei sich der erste, weiter gefasste Ausdruck auf die literarische Sprache als „parole“ bezieht, die in den konkreten Realisierungen bzw. in den aus der Komposition von Befreiten Worten/Wörtern entstehenden Bildtexten ihren Ausdruck findet (s. hierzu Anm. 3). 5 Die Termini ‘Bildtext’/’Figurentext’ – statt ‚Textbild’/’Schriftbild’/ ‚Sprachbild’/’Wortbild’ – sind im Kontext der vorliegenden Arbeit

mit Bezug auf Kompositionen von Befreiten Worten verwendet, deren Natur von „bildhafter Sprache“ – und nicht von „sprachlichen Bildern“ – somit hervorgehoben wird.

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Visuellen Poesie einbrachte“.6 Diesem einführenden Kapitel mit der Präsentation des Vorhabens folgt

ein knapper kulturhistorischer Abriss, der das literarische Phänomen in seinen kultur-historischen

Kontext setzt. Das 3. Kapitel bietet eine Einführung in die Geschichte und Entwicklung des Konzeptes

von Bildsprache an, wobei historische Vorläufer des Paroliberismus sowie durch ihn – mit Bezug auf die

Kombination von Schrift und Bild – beeinflusste spätere literarische und intermediale Phänomene

überblickend dargestellt werden. Daran anschließend werden im 4. Kapitel anhand von Manifesten

und theoretischen Schriften die programmatischen Elemente der futuristischen Bewegung erläutert

bzw. die Kernthesen von Filippo Tommaso Marinetti, die besondere Bedeutung für die Bearbeitung und

Gestaltung einer literarischen Sprache haben, kritisch dargestellt.

Um das theoretische Wissen mit der „Praxis“ (= den konkreten Werken) zu vergleichen und die

Merkmale der futuristischen Bildsprache exemplarisch zu veranschaulichen, sollen im zweiten

Teil der Arbeit einige um das „künstlerisch hektische“ Jahr 1914 entstandene Arbeiten italienischer

Futuristen in Betracht gezogen und deren ästhetische Faktur angesichts der besprochenen Theorien und

der bestehenden Schrift-Bild-Relationen verdeutlicht werden. Ziel ist hier zu untersuchen, inwieweit

einzelne Bildtexte, deren Sprache auf unterschiedlicher Weise entziffert werden muss, das

ästhetische Ideal der futuristischen Bewegung widerspiegeln. Die Auseinandersetzung mit der

Besonderheit der jeweiligen Texte soll ermöglichen, die Singularität der in direktem Zusammenhang mit

dem Schaffensprozess stehenden Varianten, den Spielraum der jeweiligen Techniken und künstlerischen

Intentionen und die Radikalität der Problemstellungen bei den Literaten des italienischen Futurismus

nachzuvollziehen. Die Auswahl wurde in Anbetracht der Vielzahl künstlerischer Positionen, Intentionen,

Arbeitsmethoden, Konzepte bzw. formaler und inhaltlicher Anliegen exemplarisch getroffen. Das 6.

abschließende Kapitel fasst thesenartig eine Reihe von weitergehenden Überlegungen zusammen.

In der ganzen Arbeit wurden jeweils Zitate (mit Ausnahme einiger Titel) mit deutschen

Übersetzungen versehen, die sich um eine einigermaßen „getreue Wiedergabe des Sinns“ bemühen

und keine Interlinearversionen sind.

2. DER ITALIENISCHE FUTURISMUS: HISTORISCH-KULTURELLER ÜBERBLICK

Der Futurismus wird heute zuallererst als eine von Italien ausgehende revolutionäre

Erneuerungsbewegung, die v. a. Literatur und bildende Kunst betraf und durch eine bedeutende

politische Betonung in der Periode des Faschismus gekennzeichnet war. Tatsächlich leistete die

6 Faust 1977, S. 96.

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italienische avantgardistische Kunstbewegung einen entscheidenden Beitrag zur europäischen

Kunstrevolution des beginnenden 20. Jahrhunderts.

1870 im Risorgimento vereinigt, steht Italien nach der Jahrhundertwende mitten im

Spannungsfeld zwischen der landwirtschaftlichen Tradition des Südens und der zunehmenden

Industrialisierung des Nordens. In der noch jungen Nation verfasste der (französisch gebildete)

italienische Schriftsteller Filippo Tommaso Marinetti im Januar 1909 die kämpferische Schrift Manifeste

du futurisme [=„Manifest des Futurismus“], die am 20. Februar in der Pariser Zeitung Le Figaro und in

Italien in der Zeitschrift Poesia erschien, und die als erstes theoretisches Fundament der Bewegung gilt:

Damit erfolgte die Gründung des italienischen Futurismus, der ein Aufruf zu einer neuen Lebens- und

Kunstform war bzw. zur Zertrümmerung aller Traditionen mit dem Ziel, die „Schönheit des

zivilisatorischen Fortschritts“7 zu verherrlichen. Das Manifest enthält einen Forderungskatalog von elf

Punkten, zu denen u. a. die Verherrlichung der Geschwindigkeit und des Kriegs und die Verachtung der

Vergangenheit, der Museen, der Bibliotheken und Akademien gehören. Die futuristischen Manifeste

dienen als ‚Weg der Provokation’, des Angriffs auf den alten akademischen Stil, auf bürgerliches Denken

und das „Krebsgeschwür der Professoren, Archäologen, Fremdenführer und Antiquare“8. Sie enthalten

Programme und Ziele und rufen damit zur Aktion. Die Unübersichtlichkeit, die Virulenz, die atemlose

Geschwindigkeit, die Dynamik werden von den Futuristen als „das Moderne“ tout court erfahren und

gefeiert. Ihr betonter Anti-Intellektualismus, ihre Verherrlichung der Tat, der „aggressiven Bewegung“,

des Kampfes und des Kriegs rücken sie schon früh in die Nähe des Faschismus.

1910 treten die Maler Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Luigi Russolo, Giacomo Balla und Gino

Severini der Bewegung bei und veröffentlichen das „Technische Manifest der futuristischen Malerei“:

Sie alle teilen vor allem die Begeisterung für die Errungenschaften der modernen Zivilisation und die

Faszination des technischen Fortschritts, der sich als dynamische Bewegung im modernen

Großstadtleben äußerte. Noch im gleichen Jahr finden die ersten berühmten futuristischen “Serate”

statt, und Pratella, der 1910 zu den Futuristen auch stieß, gab das Manifesto dei musicisti futuristi [=

„Manifest der futuristischen Musiker“] heraus.

Programmatisch angestrebt wird der universelle Dynamismus: Futuristen streben das Leben als

„Gesamt-Kunstwerk“ an und suchen in ihren Werken nach Rhythmus, nach mathematischer, abstrakter

Konstruktion. Fotodynamismo, Aeropittura, die „anti-graziöse Musik“, das Kino und die "Malerei der

Töne, Geräusche und Gerüche"9 dienen den Futuristen zur Verherrlichung der Schnelligkeit, des

Dynamismus und damit letztendlich der zum Leben erwachten Formen. Indem die jungen Künstler die

7 Heinz Braun zit. nach Pasterk 2008.

8 „Futuristisches Manifest“ (1909), ebd.

9 Zit. nach Marpillero 2003.

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Tendenzen der Modernität ins Extrem steigern, beschleunigen und verstärken wollen, fordern sie

gleichzeitig einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit und ihrer poetischen Tradition, die Zerstörung

aller künstlerischen, philosophischen, auch moralischen und gesellschaftlichen Traditionen und

beeinflussen somit maßgebend die europäischen Avantgarden der Zeit. Im literarischen Bereich wird die

Schaffung eine neue Sprache aufgefordert: Aus der poetischen Revolution entsteht eine erneute

radikale Literaturauffassung in bewusster Übereinstimmung mit dem ökonomischen und

anthropologischen „Dynamismus“ der Gesellschaft. Im Jahre 1912 erscheint eine erste Anthologie mit

dem Titel I poeti futuristi, und Boccioni malt Elasticità, Synthese der Bewegungen eines galoppierenden

Pferdes und treffendes Beispiel für den „bildnerischen Dynamismus“ der Futuristen. 1915 erscheint das

Manifest „Das Futuristische Synthetische Theater“, unterschrieben von Marinetti, Corra und Settimelli.

Marinetti veröffentlicht Guerra sola igiene del mondo, dann leistet Freiwilligendienst im Ersten

Weltkrieg. Das Jahr 1920 markiert eine Zäsur im italienischen Futurismus: Im Mai gehen Marinetti,

Settimelli und Carli von der Faschistischen Bewegung ab, weil sie die vom Faschismus geforderte

bürgerliche und klerikalistische „Kompromisspolitik“ ablehnen. Eine zweite Sammlung, I nuovi poeti

futuristi, wird im Jahre 1925 von Marinetti veröffentlicht und bezeugt die Wichtigkeit der Rolle der

Befreiten Worte für die futuristische Literatur. 1930 publiziert Marinetti das zugegeben nicht ganz ernst

gemeinte Manifest der futuristischen Koch-Kunst, La cucina futurista [= „Die futuristische Küche“]. 1940

befürworten die Futuristen den Kriegseintritt Italiens. Ausstellungen mit „aeropitture“ von Dottori,

Ambrosi und Di Bosso und öffentliche Deklamationen literarischer Werke finden statt. 1944 stirbt

Marinetti.

3. ZUM KONZEPT „B ILDSPRACHE“

Das der Annäherung bis zur Kombination von Schrift und Bild ist kein modernes Thema. Der

Versuch, Text und Bild in literarischen Werken miteinander zu verbinden, reicht mehrere tausend Jahre

zurück und hat kulturübergreifend stattgefunden. Die Praxis der ‚Figurengedichte’ bzw. ‚Textbilder’ –

künstlerischer Schöpfungen, die der tradierten Trennung von Bild und Sprache, Visuellem und Verbalem,

Literatur und bildender Kunst widersprechen – reicht bis in die Antike zurück und ihre Ursprünge liegen

vielleicht im menschlichen Streben nach der beanspruchten künstlerischen Synthesis von Form und

Inhalt bzw. im Wunsch, zu einer universell verständlichen, auf keinen kulturellen Kontext bezogenen

Sprache „jenseits der natürlichen Sprache“ (Faust) zu gelangen, die sich rein visuell äußert. Diese

‚Gattungsverwischungen’ – Verknüpfungen von Schrift und Bild, in denen das Ineinandergreifen von

Schrift und Bild als „symptomatisch“ zu betrachten ist – haben unterschiedliche (literaturgeschichtliche)

Benennungen in unterschiedlichen Epochen erworben: Zur Bezeichnung dieser „bisher noch nicht als

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ganze nachgezeichneten literarischen Form“10 wählt Dencker die umfassende Benennung Textbild,

während Schorneck den Begriff Figurentext als adäquater ansieht, um auch figurative Prosatexte – wie

sie eben im Futurismus vorliegen – zu erfassen. Jeremy Adler und Ulrich Ernst bezeichnen schon die

sehr frühen Formen der Ikonisierung von Literatur als Visuelle Poesie, und verfolgen in ihrem

Standardwerk11 diese Tradition bis zu ihren Anfängen in der Bilddichtung der Antike (technopaegnia, IV-

III Jh. v.C.). Nach Dencker „[meint] visuelle Poesie, dass sowohl figurative als auch sprachliche Elemente

mit verschiedenen semantischen Möglichkeiten zusammen ein Bild ergeben“:12

Der Text ist selbst eine

„Figur“, deswegen kann von „Schrift als Bild” oder „Sprache durch Kunst“ die Rede sein. Indem die

Literatur das Optische der Schrift einbezieht, lässt sie in die literarische Formulierung die Reflexion auf

die Bedingungen der sprachlichen Verfasstheit des Kunstwerks eindringen. Sprache als „Schrift“, die

schließlich als Phänomen an sich immer gleichzeitig Form und Inhalt ist, besitzt zwar eine Materialität,

eine „graphische Erscheinung13: Aufgrund dieser Materialität werden verbale Elemente als typografische

Gestalten zu gleichwertigen Teilen der futuristischen dynamischen Kompositionen. Dencker beschreibt

den Entstehungsprozess des visuellen Werks auch als „Sprachfindungsprozess“, der an die Form der

Buchstaben und die Semantik der Wörter gebunden bleibt, obwohl sich Ausdrucks- und

Ansprachemöglichkeiten durch visuelle und visualisierte akustische Hilfsmittel mit ihren zusätzlichen

Reizen, Signalen und Auskünften erweitern. Von daher findet in der Konkreten wie Visuellen Poesie14

eine Verbildlichung von Buchstabenmaterial statt, eine „Ikonisierung von Literatur“ (Faust, s. Anm. 2). In

der Renaissance und im Barock werden zum ersten Mal die alltagsbezogenen Gestalten, die sich aus der

Säkularisierung von bildlichen Assoziationen ergaben, in Prosatexte eingebaut. Eine bedeutende Rolle

kommt der Kombination von Wort und Bild in der vor allem von den italienischen Humanisten der

Hochrenaissance ausgebildeten Kunst der Emblematik,15 die sich im 18./19. Jahrhundert in allegorische

Genrebilder oder Bildgedichte auflöste. Das 19. Jahrhundert stellte einen entscheidenden Wendepunkt

dar, an welchem sich eine verstärkte Tendenz zur Erweiterung und Auflösung der Gattungsgrenzen

durch vielfältige Gattungsüberschreitungen feststellen lässt, wobei sich die Kunst zunehmend von ihrer

mimetischen Abbildfunktion löste. Im Laufe des 20. Jahrhunderts bildeten sich zahlreiche Mischformen

10

Dencker 1972, S. 7. 11

Damit ist das Werk Text als Figur. Visuelle Poesie von der Antike bis zur Moderne gemeint. 12

Dencker 1989, S. 23. 13

Faust 1977, S. 15. 14

Die beiden Begriffe von Visueller und Konkreter Poesie, die oftmals als Synonym gesetzt werden, sind nach Klaus Peter Dencker folgendermaßen zu differenzieren: Während die Konkrete Poesie ihr visuelles Erscheinungsbild alleine aus der Organisation und Kombination von typografischem Text- und Buchstabenmaterial gewinnt, sind die der Visuellen Poesie zuzurechnenden Arbeiten viel komplexer: Neben dem Einsatz der Buchstaben als grafische Elemente finden hier auch bildnerische Elemente wie Farbe, Formen und Zeichnungen, Collagen und vor allem auch Handschriftliches Eingang. 15

Es geht um eine allegorisierende, durch eine sinnverhüllende und zugleich ausdeutende Kombination von Bild und Wort charakterisierte Kunstübung, deren erste zusammenfassende Darstellung, die „Emblemata“ des Andrea Alciati 1531 erschien.

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oder Verlaufsformen16 heraus. Schon im zweiten Jahrzehnt sind eine Fülle von solchen

Grenzüberschreitungen zu finden: Neben den „Parole in libertà“ von Marinetti sind dabei das

Kalligramm, das Ideogramm und das „poème à voir“ von Apollinaire, das Simultangedicht von

Hülsenbeck, das „i-Gedicht“ von Kurt Schwitters, die multimedialen futuristischen wie dadaistischen

Aktionen zu erwähnen. Die neu entdeckten Möglichkeiten einer „grenzüberschreitenden Literatur“17

mündeten nach Faust in der Folgezeit insbesondere in die konkrete18 und visuelle Poesie, die seit dem

Beginn der 50er Jahre eine internationale Verbreitung erreichten: In ihnen – schreibt Faust – „werden

Worte zu Bildern“19.

In den futuristischen Bildtexten wird zuerst die Form betont, die aber sozusagen „im Dienst“ einer

bestimmten Inhaltlichkeit steht, der sie helfen soll, einen passenden Ausdruck zu finden. Jede Form

vermittelt zwar Bedeutung, die einerseits von den Künstlern subjektiv betont wird, andererseits in der

Partizipation des Betrachters objektiven Charakter, und damit (s)eine „(Be)Deutung“ erhält.

Schon bezieht der von Marinetti als „Meister des Symbolismus“ anerkannte französische Lyriker

(und Übersetzer) Stéphane Mallarmé20 in seinem 1887 veröffentlichten Gedichtband Un coup de dés

(Abb. 1) die visuelle Erscheinung der Sprache als Schrift in seine Lyrik ein. Bei Mallarmé vollzog sich ein

radikaler, für die Schrift-Bild-Kombinationen besonders bedeutender Neuansatz, der dieses Werk heute

allgemein als Wegbereiter für eine neue Gattung der Sprache-Bild-Relationen gelten lässt. Besonders ist

die offene Form des Bild-Textes, die als typografisch gestaltete Fläche in Erscheinung tritt: Die Buchseite

erstellt sozusagen eine ‘Syntax der Fläche’, wobei das typographisch bedeutsame Wort mit

Gestaltungsprinzipien einer anderen Kunst korrespondiert.

16 Der Begriff wird von Susanne De Ponte in Aktion im Futurismus. Ein Versuch zur methodischen Aufarbeitung von

‚Verlaufsformen’ der Kunst (1999) verwendet. 17

Faust 1977, S. 9. 18

Die Bezeichnung „konkret“ geht auf die Bildende Kunst zurück und wurde in den 1950er Jahren von Eugen Gomringer „Vater“ der Konkreten Poesie

– auf die Literatur übertragen.

19 Faust 1977, S. 9.

20 Mallarmé imitierte keine objektbezogene Form, was Jeremy Adler und Ulrich Ernst Anlass gab, hierin das erste, abstrakt-visuelle

Gedicht zu sehen. Der Dichter trennt schließlich die einzelnen Sätze eines Gedichtes, um sie als Bildkompositionselemente einzusetzen.

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Abb. 1: Stéphane Mallarmé, Doppelseite aus Un coup de dés, 1897.

Bei den Futuristen geht es allerdings nicht mehr, wie noch bei Mallarmé, um eine reine

„Autonomisierung des Materials“, sondern stellte sich bei ihnen vielmehr die Tendenz zu einer immer

dichter werdenden Subjektivierung der Zeichensprachen heraus, wobei sich das Emotionale in der

Darstellung der eigenen, subjektiven Eindrücke in Bezug auf die moderne Welt ausdrückte. 1914 schrieb

Boccioni: „Wir haben keine festen Begriffe, die überhalb des Gegenstandes stehen, wie die Kubisten. Wir

Futuristen befinden uns im Gegenstand, und wir leben seinen Entwicklungsbegriff […]“21

Die Zerlegung der

Gegenstände im Futurismus ist demnach weniger als das Erfassen der inneren Form zu verstehen, sondern

vielmehr als Resultat einer subjektiven Wahrnehmung der Umwelt. Die Formen sollen aufgebrochen

werden, um die äußere Welt in sie einfließen zu lassen. Die Miteinbeziehung und Verwendung des

Bildlichen im Kontext der futuristischen literarischen Avantgarde ist vor allem als Versuch, den Bezug des

gesetzten Wortes auf den benannten Gegenstand zu intensivieren: Indem er die Distanz zwischen uns und

der Materie behebt, kürzt Marinettis „asyntaktischer Dichter“ ebenfalls die Distanz zwischen dem Ding und

seinem Namen ab: „Nur der asyntaktische Dichter, der sich der losgelösten Worte bedient, wird in das

Wesen der Materie eindringen und die dumpfe Feindschaft, die sie von uns trennt, zerstören können.“22

21

Carlo Boccioni zit. nach Faust 1977, S. 91. 22

Zit. nach Baumgarth, S. 168.

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11

Somit lässt sich eine ikonische, d.h. motivierte statt arbiträre Beziehung zwischen dem Zeichen (dem

Signifikant) und dem Bezeichneten (dem Signifikat) als Grundprinzip feststellen: Der laute Geschützdonner

in Marinettis Zang tumb tumb (1914) bedarf z.B. der 'lauten' Auszeichnung des Fettdrucks.

Die Darstellung einer veränderbaren, unmittelbar und differenziert erfahrbaren Wirklichkeit, die nicht

mittels eines bestimmten Repertoires von Ausdrucksformen erfassbar ist, wurde zwar schon von den

Impressionisten und Symbolisten thematisiert. Wenn die Kunst des Symbolismus eine Absage an die

sichtbare Welt erscheint, so versuchten die Impressionisten den subjektiven Eindruck (Impression) des

Gesehenen darzustellen. Wegweisend war Paul Cézannes „optisches Denken“. Im Kubismus vollzieht sich

schließlich der Bruch, die Abkehr vom reinen „Sehen“. In der Nachfolge des impressionistischen Auflösens

des Gegenständlichen in ein Momentbild aus Bewegung und Licht fanden die Kubisten zu einem „System

der Referenz durch Zeichen“,23

welche als gleichwertige Elemente im Bild verstanden werden müssen und

ihren Ursprung durchaus in den Formen realer Gegenstände und Dinge haben, deren „Urformen“ sie

darstellen wollen. In der Abkehr von der äußeren Wahrnehmung versuchten die Kubisten die „innere

Struktur der Dinge“ freizulegen, die jedoch nicht durch eine bloße Auflösung der Formen erfassbar waren,

sondern erst durch eine Neuordnung und Synthese ihrer elementaren Bestandteile. Der sachlich-

unpersönlichen Strukturanalyse des Kubismus stellten die Futuristen das Einbeziehen des Emotionalen

gegenüber, das sich durch den bruchstückhaften Charakter der Bildzeichen ausdrückt. Die zerlegten

Formen können erst durch das Sehen und Denken des Betrachters zusammen gesetzt werden: Siegfried J.

Schmidt bezeichnet solche Kunststücke als die „Seh-Denk-Stücke des Medienzeitalters“, die zugleich

„gesehen und gelesen, beschaut und bedacht werden können.“24 Das Verbinden von Visuellem und

Verbalem zwingt zu sich ergänzenden „operativen Weisen“, Zeichen zu definieren. Zum Verbalen kommt

durch die ästhetische Faktur eine ‚visuelle Botschaft’ hinzu, wobei das Gesehene bzw. die „Wirkung“ der

optischen Komponente zur Bildung des Sinnes beiträgt. Dieser Prozess wird vor allem durch die subjektive

Wahrnehmung der abstrahierenden Komposition beeinflusst, des ‚Abstrakten’ in den Zeichen, in deren

Anordnung und Gestaltung: Da kubistische und futuristische Künstler von prinzipiell standardisierten

Zeichen, wie es die Schrift an sich ist, ausgehen, tritt die Diskrepanz zwischen bekannter und unbekannter,

neuer Sprache, zwischen objektiv Erfassbarem und ent-semantisiertem,25 subjektiv verändertem Zeichen

besonders deutlich hervor. Indem die Schrift sozusagen den Kontext der umgebenden Welt eröffnet, kann

das Lesen der bekannten Zeichen auf das Lesen der neuen Bildsprache übertragen werden. Es ist dabei die

23

Ebd., S. 42. 24

Schmidt zit. nach Gomringer 1996, S. 126. 25

Pasterk redet von Ent-semantisierung und Re-semantisierung des sprachlichen Zeichens bzw. der standardisierten Buchstaben, wobei die Schrift von ihrer standardisierten Bedeutung gelöst und durch eine andere Inhaltlichkeit vom Künstler selbst ersetzt wird. Die subjektive „Re-Semantisierung“ der Schrift wird in einer Trennung der Lettern aus ihrem grammatikalischen Zusammenhang z.B. durch Vereinzelung der Buchstaben zu nicht zusammenhängenden Folgen angestrebt.

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Beziehung zwischen rhetorischer und analogischer Figur, mit deren Hilfe die im Text vorausgesetzte

historische Gesamtheit des Wissens als enge Verwandtschaftsbeziehung ausgelegt werden kann, in

Betracht zu ziehen. Das im Kubismus noch geschlossene System wird im Futurismus zu einer „offenen

Form“, einem „offenen Text“26, in dem die Grenzen der einzelnen Gattungen verwischen und die totalitäre

Einstellung der Bewegung verkörpert wird: Im Sinne des offenen Kunstwerkes wird dem Rezipienten eine

aktive Position im kreativen Schaffensprozess zugeteilt und zwar wird ihm eine variable, flexible, nicht auf

einen bestimmten Bedeutungscodex zurückgreifende Seh-Weise zugesprochen. In der Bildbetrachtung

vollzieht er – zunächst visuell, dann mental – eine „Mit-Gestaltung“ des Werks, das somit zu einer

intersubjektiven Aussage wird. Aus der Subjektzentriertheit resultiert nunmehr durch den Akt der

Betrachtung eine Objektivierung: Hierin liegt die Offenheit der Werke, die sich in einer unendlichen,

zeitlichen Gültigkeit manifestiert. Darin findet wiederum die Verbildlichung eines bestimmten Denkens

sowie eines bestimmten Kunstwollens statt, das sich als subjektive Botschaft durch das Werk äußert: Die

subjektive Wahrnehmung der Welt basiert schließlich auf einer wiederum festgelegten, dem Futurismus

entsprechenden Weltsicht. Die Aspekte des Lebens, die in dem spezifischen Kontext des Futurismus

wurzeln, werden im Werk direkt erfahrbar, direkt „lesbar“: Der Bildtext ist in dem Maße lesbar, in dem

auch die Bedeutung der einzelnen Zeichen im gesellschaftlichen Kontext verankert ist.

Zur Befreiung der Sprache aus ihrer syntaktischen Struktur gelangen erst die Künstler des

Futurismus in Italien und Russland. In dem grundlegenden Manifest des russischen Futurismus von

1912, Eine Ohrfeige dem allgemeinen Geschmack, ist vom „kompromisslosen Hass auf die bisher

gebräuchliche Sprache“ und vom Recht des Dichters auf Revolutionierung der dichterischen Stoffe und

sprachlichen Mittel die Rede. Die „Parole in libertà“ stellen eine der wichtigsten Errungenschaften der

italienischen futuristischen Literatur dar. Durch den Einsatz verschiedener Typen und Schriftgrößen, die

den Wörtern emotionalen Ausdruck verleihen sollten, erwiesen sie sich als bahnbrechend für die

Entwicklung der Typographie. Mit der Modernisierung des Inhaltes kam es dabei auch zu einer

Revolutionierung des Stils, zunächst zur Verweigerung des Musters des linearen Schreibens – die Linie

ist traditionell die Vorraussetzung der Formung von Schrift – und des Buches als traditionelles Medium

zur Konservierung und Kommunikation von Ideen, was einen markanten Bruch mir der poetischen

Tradition mit sich brachte. Den neuen Inhalten entspricht eine Ausdehnung der künstlerischen

Materialien, wobei Bild und Schrift von den Künstlern als wandlungsfähige und generell variable Medien

begriffen und jeweils in ihre eigene Bildsprache integriert werden.

26

Webster bezeichnet im allgemeinen als “open works” jene Arbeiten, die „some sort of expansion or transgression of the genre we call „poetry“ darstellen. (S. 2).

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Marinettis Innovationen werden schwerwiegende Auswirkung haben, z.B. auf die Dadaisten durch

die Typographie und die onomatopoetische und „geräuschliche“ Dichtung27, oder auf Guillaume

Apollinaire, der in Anlehnung an die kubistischen Errungenschaften zusammen mit Max Jacob, Pierre

Reverdy und Gertrude Stein einen „Kubismus der Wörter“ (Faust) versuchte. Apollinaire wurde von den

futuristischen Tafeln beim Schaffen seines 1914 erschienenen Kalligrammes Lettre-Océan (Abb. 2), des

ersten und wahrscheinlich komplexesten seiner ideogrammatischen Experimente, erkennbar

beeinflusst. Zum zentralen Element werden dabei die Wellen in der Doppelbedeutung von Ozeanwellen,

die eine geographische Entfernung zwischen Paris und Mexiko markieren, und Funkwellen, die diese

Entfernung überwinden. In diesem Spannungsfeld von räumlicher Entfernung und Übertragungsmedien

konstituiert sich ein Text- und Bildspiel, wobei jede Zeile frei geschrieben wird und schriftfremde

Elemente in das Textgefüge gezeichnet werden, was nach Dencker in gewisser Weise mit der Collage-

Technik der Kubisten und Dadaisten zu vergleichen ist.

27

Auch die Nähe zum Klang, zur Musik kann als Versuch interpretiert werden, Emotion und Expression zu lenken.

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Auch die Gegenstandsbezeichnung, die in kubistischen Collagen durch sprachliches Material

angedeutet wurde, führte Apollinaire zum Beispiel in La mandoline l’oeillet et le bambou (Abb. 3) aus:

Die einzelnen Texte beschreiben Nelke, Mandoline und Bambus in visualisierter Form. Inhalt und

Verbildlichung der Texte verschränken sich ineinander.

Abb. 3: Guillaume Apollinaire, La mandoline l’oiellet et le bambou, 1913-16.

4. THEORETISCHE GRUNDLAGEN DER LITERARISCHEN AVANTGARDE DES PAROLIBERISMUS 4.1 ZERSTÖRUNG DER SYNTAX UND DES ICHS

In der futuristischen Literatur wird die völlige Befreiung der Worte und Buchstaben aus ihrer

grammatikalischen Syntax angestrebt: Diese ‚Freiheit der Worte’ erhebt Marinetti seit dem technischen

Manifest von 1912 zum obersten Prinzip seiner Avantgarde-Poetik. Die ‚Zerlegung der Form’ wird zur

Darstellung der emotionalen Wahrnehmung der modernen Welt ausgedrückt, die sich als Bewegung,

Dynamik, Geschwindigkeit und dem Lärm der Großstadt äußerte. Faust sieht in dem Auflösen der Syntax

zur Befreiung der Worte bei den italienischen Parole in libertà den wichtigsten Beitrag der Futuristen zur

Literatur der Moderne.28

Erst im letzten Manifest des Paroliberismus, der Schrift Lo splendore

geometrico e meccanico e la sensibilità numerica [= “Der geometrische und mechanische Glanz und die

28

Faust 1977, S. 96.

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numerische Sensibilität”] vom 18. März 1914 schafft Marinetti die eigentliche Grundlage für figurale

Gedichte, indem er seine früheren Schriften zusammenfasst und die Kriterien der Spatialität bei der

futuristischen Typographie verarbeitet. Der futuristische Dichter will so viele Wahrnehmungen

‚verschriftlichen’, dass förmlich die Zeile explodiert, und aus den befreiten Wörtern entstehen

„synoptische Tafeln lyrischer Werte“, die uns erlauben, „beim Lesen gleichzeitig viele Strömungen von

verschränkten oder parallelen Wahrnehmungen zu folgen“29. Der permanente Fluxus der

Sinneseindrücke soll gelegentlich in visuellen Höhepunkten kulminieren, danach jedoch zum

gewohnten und erwünschten „Telegrammstil“ zurückkehren. Wie Marinetti selbst erklärt, sind die

„paroliberistischen Tafeln“ durch Befreite Worte gebildete (multisensorische) analogie disegnate [=

„gezeichnete Analogien“], in denen das Signifikat des Worts auch graphisch durch die Anordnung der

Buchstaben ausgedrückt wird. Wie Michael Webster es formuliert hat, fußen Marinettis Texte auf eine

„open aesthetic of intuitive associations by analogy“. Als Beispiel für solche Analogien kann der unten

angesprochene „türkische Fesselballon“ in Marinettis Zang Tumb Tumb aufgeführt werden (Abb. 10),

wo die Anordnung der Buchstaben das Bild des Ballons nachahmt. Marinetti will unbedingt vermeiden,

dass sein Text den Bezug zur Wirklichkeit verliert, wie beim absoluten Gedicht der zeitgenössischen

Verslyrik der Fall ist. Das Ästhetische muss die Bedeutung der Worte verstärken, hervorheben. Die

Selbstthematisierung des Sprachlichen bedeutet keine Abkehr von der Wirklichkeit mehr, die „reine

Dichtung“, l’art pour l’art, ist nicht mehr Teil des literarischen Konzeptes: Ganz im Gegenteil treffen die

Gattungen Literatur und bildende Kunst in der Abkehr der etablierten Tradition zusammen, und

versuchen, die Wirklichkeit zur Gänze einzufangen. In einem neuen, wiederum wirklichkeitsbezogenen

Kunstbegriff spiegelt sich der Versuch, Schrift und Bild zu vereinigen, wobei die Sprache als autonomes

Medium erhalten bleibt. Unter dem Einfluss der bildenden Kunst des Kubismus erstrebt die Literatur

weniger die Entgrenzung der Sprache als die Erkenntnis der Grenzen, die die Sprache innerhalb der

ästhetischen Erfahrung setzt, sowie der bestehenden Möglichkeiten der „Erfassung des Tatsächlichen“

anhand selbstständiger Zeichen: Zu diesem Zweck wird auch die Farbe eingesetzt, die eine bedeutende

Rolle in vielen paroliberistischen Tafeln spielt: In seinen literarischen Proben benutzt Balla z.B.

verschiedene Tinten, die unterschiedliche Botschaften „visuell übertragen“.

Bei den Futuristen wird die als überkommen empfundene Beschreibung der idealen Wirklichkeit

zerrüttet. Der klassizistischen und romantischen Idealität stellt Marinetti das Hässliche, Böse und

Groteske entgegen, wobei die Trennung von Ideal und Wirklichkeit offen gelegt wird:

„FÜHREN WIR MUTIG DAS ,HÄSSLICHE‘ IN DIE LITERATUR EIN, UND TÖTEN WIR DIE FEIERLICHKEIT,

29

Zit. nach Marinetti 1983: 103–104. Meine Übersetzung.

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WO IMMER WIR SIE FINDEN. Los! nehmt nicht die Allüren von Hohenpriestern an, wenn ihr mir zuhört! Man muß jeden Tag den Altar der Kunst anspeien! Wir betreten das grenzenlose Reich der freien Intuition. Nach dem freien Vers, nun endlich DIE BEFREITEN WORTE!“

30

In der Trennung der Kunst von einer idealisierten Wirklichkeitsbeschreibung liegt gleichzeitig ihre

Befreiung sowie ihr Versuch, Kunst und Leben anzunähern, was Enno Stahl als „Prinzip der Anti-Kunst“31

betrachtet: „Kaum etwas relativiert das klassische, auratische Kunstwerk so sehr wie seine Konfrontation

mit dem unmittelbaren Lebensbereich oder umgekehrt die Infiltration der Kunst durch „triviales“ Material,

welches die „Welt des Alltäglichen, Profanen als Künstlerisches erst legitimiert.“32

Erst drei Jahre nach dem Gründungsmanifest, nämlich am 11. Mai 1912, wird Marinettis Manifeste

technique de la littérature futuriste [= „Technisches Manifest der futuristischen Literatur“] auf Französisch

veröffentlicht, indem eine erste Kodifizierung der futuristischen Literatur durch die Aufstellung von elf

wesentlichen Forderungen zu einer neuen Poetik erfolgt. In dieser für die Aneignung einer völlig neuen und

eigenständigen Schrift-Bild-Integration ausschlaggebenden Schrift überträgt Marinetti die Prinzipien des

ersten futuristischen Manifestes auf die Literatur und verarbeitet die „Regeln“ der neuen dichterischen

Sprache, um die alte zu „stürzen“:

„Ich saß im Flugzeug auf dem Benzintank und wärmte meinen Bauch am Kopf des Fliegers, da fühlte ich die lächerliche Leere der alten, von HOMER ererbten Syntax. Stürmisches Bedürfnis, die Worte zu befreien, sie aus dem Gefängnis des lateinischen Satzbaus zu ziehen! Dieser hat natürlich, wie alle Dummköpfe, einen vorausschauenden Kopf, einen Bauch, zwei Beine und zwei Plattfüße, aber er wird niemals zwei Flügel haben. Es reicht gerade, um zu gehen, einen Augenblick zu laufen und fast sofort wieder anzuhalten! / Das hat mir der surrende Propeller gesagt, während ich in einer Höhe von zweihundert Metern über die mächtigen Schlote von Mailand flog. Und er fügte hinzu: / 1. MAN MUSS DIE SYNTAX DADURCH ZERSTÖREN, DASS MAN DIE SUBSTANTIVE AUFS GERATEWOHL ANORDNET, SO WIE SIE ENTSTEHEN. / 2. MAN MUSS DAS VERB IM INFINITIV GEBRAUCHEN, damit es sich elastisch dem Substantiv anpaßt, und es nicht dem Ich des Schriftstellers unterordnen, der beobachtet oder erfindet. Nur das Verb im Infinitiv kann das Gefühl für die Fortdauer des Lebens und die Elastizität der Intuition, durch die sie wahrgenommen wird, vermitteln. / 3. MAN MUSS DAS ADJEKTIV ABSCHAFFEN, damit das Substantiv seine wesenhafte Färbung beibehält. Da das Adjektiv seinem Wesen nach nuancierend ist, ist es mit unserer dynamischen Vision unvereinbar, denn es setzt einen Stillstand, eine Überlegung voraus. / 4. MAN MUSS DAS ADVERB ABSCHAFFEN, diese alte Schnalle, die ein Wort an das andere bindet. Das Adverb gibt dem Satz einen lästigen einheitlichen Ton.“

33

Die Worte wurden aus ihrer Bindung an Konjugationen und Deklinationen befreit, und der

emotionale Ausdruck des Werkes wurde durch verschiedene Schrifttypen und -bilder, durch Farben und

Bewegungsrichtungen verstärkt. Der den Futurismus prägende Begriff von „Dynamismus“

hat eine enorme Bedeutung für die Gestaltung einer neuen literarischen Sprache: Syntax, Interpunktion,

Adverbien und das (nuancierende) Adjektiv sind mit der „futuristischen dynamischen Vision

30

Marinetti, Technisches Manifest der futuristischen Literatur, zit. nach Marpillero 2003. 31

Stahl 1997, S. 76. 32

Ebd. 33

Marinetti, Technischen Manifest der futuristischen Literatur. Zit. nach Baumgarth 1966, S. 166.

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unvereinbar“ und daher abzuschaffen. Um das „dynamische Gefühl“ der industriellen Zivilisation

künstlerisch wiederzugegeben, muss man Überdies den Infinitiv des Verbs benutzen, da „nur das Verb

im Infinitiv das Gefühl für die Fortdauer des Lebens und die Elastizität der Intuition, durch die sie

wahrgenommen wird, vermitteln [kann]“34

Am 11. August 1912 erscheint ein „Supplement“, das wichtige zusätzliche und z.T. genauere

Ausführungen zu den elf Forderungen des „Technischen Manifests“ und den ersten exemplifizierenden

Text, das Fragment Bataille. Poids + Odeur [= „Schlacht. Gewicht + Geruch”] (1911) enthält. In den

Textpassagen folgt Substantiv auf Substantiv; als Beispiel sei hier ein Auszug angeführt, der den Beginn

eines Kampfes beschreibt, und dem sich deutlich entnehmen lässt, dass Marinetti einen „sensoriellen

Realismus“ anstrebt, wo sich Kommunikation kaum noch vollzieht:

Mezzogiorno ¾ flauti gemiti solleone tumbtumb allarme Gargaresch

schiantarsi crepitazione marcia Tintinnìo zaini fucili zoccoli chiodi cannoni [...]35

Mittag ¾ flöten gestöhn gluthitze bumbum alarm Gargaresch krachen knattern marsch Geklirr tornister gewehre hufe nägel kanonen [...]

36

Wichtig ist hier auch Marinettis Unterscheidung von bewusstem und unbewusstem Denken, in der

Salaris37 ein Vorzeichen des ‚automatischen Schreibens’ der Surrealisten zu deuten ist. Marinetti

verzichtet auf die Idee eines mit dem Unbewussten im Menschen gebundenen Schreibens. Das eigene

psychologische ‚Ich’ muss zerstört werden und an dessen Stelle muss die „lyrische Besessenheit der

Materie“38 treten, damit eine ‚Synthese zwischen Kunst und Leben’ im Sinne einer synthetischen,

analogischen und gleichzeitigen Wiedergabe der dynamischen Lebensprozesse ermöglicht wird. Hier

wird wiederum die Zerlegung der Formen wichtig, in die die Umwelt hineinströmt. Das Leben vermischt

sich mit dem Kunstwerk, und ist gleichzeitig durch dieses präsent. Der „äußere Druck“ überwiegt den

„Inneren“, und die Form (das Äußere) überwiegt dementsprechend den Gehalt. Dabei verlässt sich

Marinetti nur auf die Sinnen, die das Materische aufnehmen, während das Bewusstsein tief im

„Lebensfluss“ versunken ist. Eine „emotionelle Körperlichkeit des Wortes“ wird dabei wieder hergestellt

und durch die „typografische Revolution“ (Kursivschrift und Fettdruck betonen Gemütszustände) und

die „freie expressive Orthographie“ (Wörter werden dabei länger gemacht, geschnitten, verformt)

34

Ebd. 35 Zit. nach Marinetti 1983, S. 59. 36

Zit. nach Baumgarth 1966, S. 250. 37

Salaris 1985, S. 47. 38

Die elfte Forderung des „Technischen Manifests“ von 1912 lautet: „11. MAN MUSS DAS, ICH‘ IN DER LITERATUR ZERSTÖREN […]. An seine Stelle muß endlich die Materie treten, deren Wesen schlagartig durch Intuition erfaßt werden muß […]. An die Stelle der längst erschöpften Psychologie des Menschen muß DIE LYRISCHE BESESSENHEIT DER MATERIE treten.“ Zit. nach Baumgarth, S. 168.

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bereichert. Die zeichnerisch-schriftlichen Kompositionen der italienischen Futuristen bleiben eng und

innig mit dieser Körperlichkeit sowie mit der Materialität der Referenten gebunden. Marinettis

Entscheidung für den Materialismus in der Sprache der Literatur soll als polemische Antwort auf den

Symbolismus und den „flachen“ Naturalismus gedeutet werden. Ein entsprechender aggressiver,

‚sachlicher’ Ton kennzeichnet die Sensibilität seines Paroliberismus. Einen Erzähler gibt es auch nicht

mehr: Ein „befreiter Leser“ soll daher Sinn und Zusammenhang durch freie Gedankenassoziation

erkennen. Indem er zur Befreiung vom „Blei der Logik“ auffordert, gelangt Marinetti zum Konzept der

„drahtlosen Phantasie“, die den Prozess beschreibt, bei dem die ersten Elemente von Analogien

abgeschaffen werden und die Zweiten ununterbrochen aufeinander folgen. In der am 11. Mai 1913

erschienenen Schrift Distruzione della sintassi. Immaginazione senza fili. Parole in libertà [= “Zerstörung

der Syntax. Drahtlose Phantasie. Befreite Worte”]“, die als Einleitung zum ersten Sammelband der Poeti

futuristi dient, erklärt und begründet Marinetti noch einmal die Kernpunkte seiner Poetik, die sich in

vielen Hinsichten als Vorstufe des dekompositorischen Lettrismus39 lesen lässt. Marinetti strapaziert

die Syntax, versucht ja, sie zu negieren. Die „essentiellen“ Befreiten Worte sind damit „aus dem

Gefängnis des lateinischen Satzbaus“ befreit und stehen nebeneinander „ohne irgendeine

konventionelle Ordnung“ 40, wie das Technische Manifest der futuristischen Literatur von 1912 es

formuliert.

4.2 DIE ‚TYPOGRAPHISCHE REVOLUTION’

Marinettis ‚Typographische Revolution’ ist kein bloßer Angriff auf die „passatistische“

Buchkunst, sondern gehört zu den zentralen Forderungen seiner Poetik: Marinetti attackiert die

Typographie, insofern sie traditionell ein Regelwerk für die harmonische und ästhetische Gestaltung der

Buchseite darstellt. Dabei setzt er sich zum Ziel, die „Ausdruckskraft der Wörter zu verdoppeln“41. Die

Schrift selbst kann als typografisches Element die emotionale Wirkung unterstreichen oder auch direkte

Botschaften vermitteln. Dadurch wird die Sprache als Schrift wieder zu einem Zeichen, das

unterschiedliche visuelle/graphische Darstellungen annehmen und somit für die eigene kreative

Bildsprache genutzt werden kann. Aufgrund seines ästhetischen Wertes wird das Wort als sprachliches

39

Lettrismus: 1945 von Isidore Isou gegründete literarische und künstlerische Bewegung, die im Anschluss an Dada und Surrealismus die Zerlegung und Neuzusammensetzung von Wörtern und Buchstaben zu sinnfreien Formen – zu Lautgedichten – anstrebte. 40

Marinetti beschreibt im Manifest, wie „das Ungestüm“ der „Dampf-Emotion“ eines Freundes, der seine Eindrücke über Kriegsbegebenheiten in einer „Zone intensiven Lebens“ schildert, „das Rohr des Satzes, die Ventile der Zeichensetzung und die Regulierbolzen der Adjektive zersprengen“ lässt. Dabei ist „einzige Sorge des Erzählers“, „alle Vibrationen seines Ichs wiederzugeben.“ Zit. nach Baumgarth 1966, S. 166.. 41

Zit. nach Marinetti 1983, meine Übersetzung.

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Zeichen „zum Bild“, nicht nur zum Symbol, um Fausts ‚Spruch’ umzuwerfen. Das typographische Layout

wird in der futuristischen Literatur zum künstlerischen Verfahren im lyrischen Schaffen: Marinetti zwingt

das typographische [= visuelle] Element zu einer dimensionalen Veränderung im Sinne von Verlegung,

Versetzung, den Anforderungen des emotionellen Schlags gemäß. Dieses Verfahren ist in den im 1919

bei den Edizioni Futuriste di „Poesia“42 erschienenen Büchlein Les mots en liberté futuristes enthaltenen

Tafeln noch deutlicher nachzuvollziehen ist. Durch die typographische Gestaltung kann dichterische

Sprache einen neuen Zugang zum menschlichen Gehirn bzw. Verständnis herstellen. Der menschliche

Augen, der in der Ära der Maschinen eine Überforderung von gleichzeitigen Inputs bewältigen muss,

wird dadurch stimuliert und geleitet. Die ikonoklastische und extremistische Nutzung der Typographie

ist nicht nur zur Überwindung der Normen der literarischen Sprache gemeint: Durch die unmittelbare

Überschaubarkeit der Sprachelemente und ihrer typographischen Anordnung ist die „literarische

Botschaft“ als Ganzheit zu erfassen, als wäre der Text etwa zur „ikonographischen Umsetzung von

Wahrnehmungen” geworden. Dabei erwirbt das sprachliche Zeichen eine emotionale Konnotation, die

auch in der heutigen Werbung weitgehend ausgenutzt wird.

4.3 SIMULTANEITÄT UND INTUITION

Wesentlich für die futuristischen poetologischen und ästhetischen Experimente bzw. für den

Übergang von inhaltlicher Modernität zur stilistischen Revolution durch die künstlerische

Herausforderung der Gestaltung eines angemessenen ästhetischen Ausdrucks, einer die Welt als

„Totalität“ aufnehmenden Bildsprache, ist das schon in den Debatten der Zeit über die Malerei

vorkommende Prinzip der Simultaneität, dem der schon 1909 im Gründungsmanifest zum zentralen

Schlagwort der Poetik des Paroliberismus erhobenen Begriff 'velocità' [= „Geschwindigkeit“] zur Seite

gestellt wird. Der Begriff Simultaneität beschreibt das Lebensgefühl zu Beginn des 20. Jahrhunderts und

ist auf die neue bestimmende Erfahrung der unfassbaren Gleichzeitigkeit unterschiedlicher, nicht

zusammengehöriger Ereignisse in der Welt zu beziehen, die alle auf den einzelnen Menschen

einströmen und seine Sinne sowie seinen Geist überfordern. Die Intuition ist die Fähigkeit, die der

überbelastete, (notwendigerweise) „schnelle“ Mensch des beginnenden 20. Jahrhunderts anwenden

muss, um die Überforderung von äußerlichen gleichzeitigen Inputs bewältigen zu koennen. Nur die

„freie Intuition“ kann nun den Menschen durch Leben und Literatur bzw. über die aufgrund der

Simultaneität in Teile zerlegten einzelnen Gegenstände – visuellen wie sprachlichen Materialien –

führen, was den Versuch signalisiert, „noch tiefer“ in die Darstellung des „zersplitterten“ Kernes der

42

Marinettis „Edizioni futuriste di Poesia” sorgen für die Veröffentlichung der Texte des Paroliberismus, die andere Verlage abweigern, indem sie sie als zu kompliziert in der Realisierung und daher unverkäuflich betrachten.

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Realität vorzustoßen und dabei immer „erkenntnisfähig“ zu bleiben bzw. durch die Sprache –

literarische Sprache sowie die Sprache der Werbung oder der Zeitungen – die äußere Wirklichkeit noch

erfassen zu können. An diesem Punkt ergreifen Futuristen die Chance zur poetologischen Neuerung:

Für Marinetti stellte sich als zentrales Problem die Frage, wie der Rausch gleichzeitig ablaufender

Lebensprozesse adäquat in Worte zu übersetzen sei – der Paroliberismus ist seine Antwort: In der

futuristischen literarischen Bildsprache, die simultan Bewegung, Dynamik, Geräusche und Gerüche

einzufangen versucht, sollen sich die Erfahrungen der Umwelt ausdrücken. In dieser Hinsicht koennen

Marinettis Parole in libertà als „literarische Transkription von Wahrnehmungen“ gedeutet werden: In

der Simultaneität des Wahrgenommenen und dessen Darstellung tritt neben den dreidimensionalen

Raum der Kubisten nun auch der Moment der Zeit ins Bild. Gerade in dem Versuch, Bewegung

darzustellen – was anhand verschiedener perspektivischer Standpunkte und der Kompositionsschemata

mittels Spirale und Diagonale erzielt wurde – rückt auch die mit Bewegung wesentlich verknüpfte

Dimension der Zeit in die Komposition hinein: Mittels der Bewegung – durch Form, Rhythmus und

Textur – durchdringen sich Raum und Zeit in (den meisten) futuristischen Bildtexten. Da sich

gleichzeitige Vorgänge im Bild wesentlich leichter darstellen lassen als im Text, ist es nur konsequent,

dass Futuristen sich der visuellen Poesie zuwenden. Überraschend sind jedoch die engen Grenzen, die

Marinetti dem Bildlichen in seiner revolutionären Avantgarde-Dichtung setzt: Niemals kümmert er sich

um das Eigenleben des Bildes in seinen synoptischen Tafeln. Seine Poetik „verleiht der Bild-Idee das

Recht, sich im Entstehen ihre Form zu schaffen, wie sich der Fluss sein Bett schafft“43, jedoch gehorcht

die neue, mit der Bild-Idee einen einzigen Körper bildende poetische Form sehr strengen Regeln.

II. TEIL

5. SCHRIFT UND BILD IN WERKEN ITALIENISCHER FUTURISTEN

Die „graphische Phänomenologie” des futuristischen Paroliberismus ist sehr vielfältig. Schon im

Flugblatt Parole consonanti vocali numeri in libertà von 1915 werden die sehr unterschiedlichen

„literarischen Antworten“ der Futuristen zusammengefasst: Da ist die „typographische Simultaneität“

Marinettis neben den ironischen und phantastischen gezeichneten Analogien Cangiullos, dem

„narrativen Wert der Zeichnung“ bei Govoni und der anspruchsvolleren Komplexität von Buzzi zu finden.

In der Entwicklung der paroliberistischen Revolution erkennt Giovanni Lista zwei Hauptrichtungen:

43

Baumgarth 1966, S. 18.

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Einerseits hat sie eine sozusagen „Poetik der Intercodierung“44, der Übereinstimmung von Codierungen

durch die Figuren der Synästhesie und der Synopse bezielt, und zwar durch Überschneidungen mit

optisch-malerischen Verfahren und die dadurch bedingte Promiskuität der künstlerischen Sprachen;

andererseits hat sie die dichterische Sprache als „Schrift“ implodieren lassen mit dem Ziel, die

Expressivität ihrer faktuellen Komponenten durch deren Integration zu totalisieren.

Luciano Folgore ist hier als einer der ersten Dichter, die die Gebote Marinettis folgten, für seine

Befreiten Worten zu erwähnen: 1914 veröffentlichte er „freie Verse und befreite Worte“ unter dem

Titel Ponti sull’oceano (Abb. 4). Die Sprache befreit sich hier vom emphatischen „furor“ früherer

futuristischer Werke und wird knapp, gepresst, als hätte sie einen Prozess von „Entfleischung“ erlebt.

Abb. 4: L. Folgore, Ponti sull’oceano (1914) [Buchdeckel]

Auch Werke von Paolo Buzzi werden von den „Edizioni futuriste di Poesia“ veröffentlicht, als Beispiel

dafür sei hier der Roman L’ellisse e la spirale, film + parole in libertà (1915) erwähnt, der wie

ein Abenteuer-Episodenfilm strukturiert ist: Der Autor selbst spricht in seiner Einleitung von der

„Filmlänge der Phantasie“ und bekundet überdies ausdrücklich, „Formeln der erhabenen Berechnung“,

von der Algebra bis zur Chemie, von der Mechanik bis zur Astronomie angewendet zu haben. Als

Futurist will er das Vokabular erneuern, indem er es durch die „Bildersprache“ des Films ersetzt. Wie

sich inneres Denken und Fühlen der Figuren mit äußerem Handeln, Mimik, Gestik in der filmischen

44

Auf Französisch: „Poétique de l’intercodicité“ (Lista 1993, S. 47)

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Darstellung überschneiden soll, so dringen Bilder und Worte schnell und gleichzeitig über– und

untereinander, wobei die Assoziationen des Zuschauers ausgesprochen werden und die Handlung

perspektivisiert. Das Buch wird von einer Serie gezeichneter Analogien abgeschlossen‚ die abstrakte,

geometrische Figuren wiedergeben, welche an bestimmte dekorative Ergebnisse des Symbolismus

gebunden bleiben.

Im Bereich der paroliberistischen futuristischen „Visualisierungserfahrungen“ ist die Produktion

Cangiullos eine der kreativsten und innovativsten und bietet mehrfache Lösungen, wo das Bildliche das

relevantste Element ist, wenn auch der Text seine Bedeutung nicht verliert bzw. nicht ent-semantisiert

wird. Sein nach einem neapolitanischen Fest benanntes Werk Piedigrotta (1916) verfügt über ein

expressives Umschlagbild, das die ausgelassene Heiterkeit einer Feier wiedergeben soll. Die

Wiedererfindung des typographischen Elements ist hier von der Anwendung collageartig gestalteter

populärer Reklameschriften begleitet.

Abb. 5: Francesco Cangiullo, Piedigrotta (1916) [Buchdeckel]

Einen originellen künstlerischen Höhepunkt stellt auch das Buch Govonis Rarefazioni e parole in

libertà [= „Verdünnung und Worte in Freiheit“] (1915). Das Erzählte wird bei Govoni entweder total

gezeichnet oder durch die gleichzeitige Anwendung von typographischen Verfahren und Zeichnung

gestaltet. Im paroliberistischen Teil des Buches werden handgefertigte Schriften in die typographische

Gestaltung eingearbeitet, die vom Autorenwillen zeugen, eine kindliche, eine ‚frische’ Aussagekraft am

Leben zu halten: Diese Seiten sind „Mappen“ von mit kindlicher Handschrift45 (und viel Ironie)

gezeichneten Analogien, die sich nach Salaris46 im Einklang mit einem solchen ‚Primitivismus’ finden,

den auch die russischen Kubofuturisten in zahlreichen handgeschriebenen oder illustrierten Büchern

zum Ausdruck bringen. Im Autoritratto [=“Selbstbildnis“] (Abb. 5) kann man in einer Augenhöhle im

großen, naiv gezeichneten Gesicht das Folgende lesen: „Portali caotici della cattedrale di fosforo del mio

45

Die Handschrift, als Vermittlerin der Stimmung des Schreibenden, ist hier auch wichtig. 46

Ebd., S.51.

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cervello“ [= „chaotische Portale der Phosphorkathedrale meines Gehirns“47], während der Mund als

„macchina dattilografica delle parole“ [= Schreibmaschine der Wörter“48] bezeichnet wird.

Abb. 6: C. Govoni, Autoritratto (1915)

Man möchte hier kurz auch auf die Arbeit von Auro D’Alba hinweisen, der im Buch Baionette seine

freien Verse mit einem Appendix von Befreiten Worten ergänzte. Die Benutzung der Typographie ist hier

nicht extrem, der Buchdeckel selbst ist aber eine gezeichnete Analogie an sich: Die Lettern des Titels

sind nämlich so gestaltet, dass sie als Bajonetten aussehen.

Abb. 7: Auro D’Alba, Baionette

47

Zit. nach Marinetti 1983, meine Übersetzung. 48

Ebd., meine Übersetzung.

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Fernab von Mailand bemüht sich der Florentiner Ardengo Soffici, der 1914 von der Bewegung

Marinettis abgeht, um eine ungleich experimentelle ‚visuelle Dichtung’, wobei er vielfältige Möglichkeiten

erprobt, wie die optische Erscheinung der Satzschriften als poetisches Ausdrucksmittel verwendet werden

kann. Der Band BÏF§ZF + 18 Simultaneità e Chimismi lirici kann als Hinweis auf die bedeutende Rolle der

typographischen Innovationen im italienischen Futurismus bewertet werden. 1915, kurz bevor er sich

freiwillig an die Front meldete, erstellte Soffici die Seiten seines Buches in der Setzerei eines Freundes, des

Verlegers Attilio Vallecchi: Diese ‚Werkstatt’ gab ihm die Möglichkeit, der (im Zeitalter der technischen

Novitäten totgesagten) Poesie ausgerechnet mit den Mitteln der modernen Druckgrafik neues Leben

einzuhauchen. Der gleichmäßige Blocksatz der Grundschrift wird häufig von typografisch markierten

Passagen und gelegentlich von figuralen Einschüben unterbrochen. Der kurze Text "Treno-Aurora", der eine

ganze Reihe von visuellen Ausdrucksmitteln ausnutzt, gibt den Bewusstseinsstrom eines Eisenbahn-

Reisenden im Morgengrauen wieder, wobei der bekannte Telegrammstil verwendet und auf jegliche

Interpunktion verzichtet wird. Wie Marinetti rekurriert Soffici auf kursivierten Fettdruck, um das Stampfen

der Lokomotive onomatopoetisch und visuell wiederzugeben: "sibili di fumo nell'asma musica

degli stantuftufftufftufftuffi". Die direkten Reden der anderen Passagiere macht Soffici durch einen

kleineren Schriftgrad kenntlich. Auf der letzten Seite ist die (relativ bekannte) paroliberistische Tafel

Tipografia (Abb. 8) zu finden. Es geht hier zu allererst um die Anwendung eines wohlbekannten Verfahrens

der visuellen Poesie, das die Schrift aus der Starrheit der Linearität löst und sie wie Bildelemente auf der

Fläche anordnet. Auf anderen Seiten von Chimismi lirici montiert der Dichter Flaschenetiketten,

Firmenembleme oder andere pikturale Elemente in den Text ein, also die Collage-Technik der Kubisten

übernimmt bzw. diejenige der Dadaisten49 antizipiert: Damit entfernt er sich von Marinetti, indem er weit

über die Grenzen hinaus weist, die der Vater des Paroliberismus dem Bildlichen in der futuristischen

Dichtung gesetzt hatte.

49

Nach Dencker erzielten Dadaisten „die erste wesentliche Ausweitung zum freien Textbild der Gegenwart“ (Dencker 1972, S. 10.)

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Abb. 8: Ardengo Soffici, Tipografia (In: BÏF§ZF + 18 Simultaneità e Chimismi lirici, © Vallecchi)

Parallelen bestehen zwischen den Strukturen von Sofficis Chimismi lirici und dem berühmten

„Geräuschgedicht“ Zang Tumb Tumb50 (auch: Zang Tumb Tuuum) von Marinetti, das 1914 von den

Edizioni futuriste di “Poesia” veröffentlicht wurde und heute als Meisterwerk des Gründers des

Futurismus gilt. Der Titel selbst sowie das „bumbum“ im zweiten Textstück signalisieren den Versuch

Marinettis, nichtsprachliche Geräusche schriftsprachlich zu fixieren, und sind noch nur einen Beleg für

die lautmalerische Tendenz des Werks, in dem viele Klangmalereien, die im Manifest Distruzione della

sintassi mit Nachdruck gefordert worden waren, durch die 'laute' Auszeichnungsform des Fettdrucks aus

dem Schriftbild hervorstechen, wie im Fall des Geschützdonners.

.

50

Zang Tumb Tumb erschien mit den Untertiteln „Adrianopoli Ottobre 1912“ und „Parole in libertà“. Vgl. Marinetti 1983, S. 675.

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In diesem Kriegsgedicht51 verarbeitet der Dichter seine Eindrücke der Belagerung der Stadt

Adrianopoli während des Bulgarisch-Türkischen Konflikts, wobei seine erste praktische Anwendung der

in den Programmschriften festgehaltenen Forderungen erfolgt. Im Telegrammstil reiht Marinetti

Substantive, Nominalphrasen und infinite Verben aneinander und setzt sie durch erweiterte Spatien

voneinander ab, um den visuellen Eindruck der geschlossenen Syntax zu vermeiden. Soll indessen der

enge Zusammenhang bestimmter Worte hervorgehoben werden, so verkettet er sie mit Bindestrichen

oder durch „dynamische“ (mathematische) Zeichen, die die Satzzeichen ersetzen. Die Zeichen „+“ und

„=“ gehören einerseits zu der Gruppe von Zeichen, die „gewisse Bewegungen hervorheben und ihre

Richtung angeben“, wie es im „Technischen Manifest der futuristischen Literatur“ heißt52; sie können

andererseits aber auch als Additions-, Subtraktions- und Gleichungszeichen eingesetzt werden, wie im

Text Corrispondenti di guerra e aviatori der Fall ist:

Mustafà-Pascià serbatoio di fango gelato tumulto confusione gridiiiiio di 80

corrispondenti di guerra + 35 addetti militari = 115 testimoni di tutti i popoli della terra [...]

Mustafa-Pascià Speicherbecken von gefrorenem Dreck Tumult Durcheinander Geschrei von 80 Kriegskorrespondenten + 35 Militärattachés = 115 Zeugen aus allen Völkern dieser Erde [...]

(80 + 35 = 115).

Der „Simultanspektakel des Kriegs“53 mit seiner unfassbaren, trotzdem alle menschlichen Sinne

„berührenden“ Gleichzeitigkeit der Ereignisse wird nicht nur inhaltlich thematisiert, sondern hält Einzug

in die Form der neuen, im Dienste der Simultaneität stehende Poesie, die durch zahlreiche

Kompositionen von Befreiten Worten optisch und lautmalerisch begleitet wird, während ein Faltblatt die

Empfindungen eines Piloten im Flug über die Stadt wiedergibt.

51

Im „Technischen Manifest“ von 1912 wird der Krieg (zusammen mit „Revolution, Schiffbruch, Erdbeben usw.“) als „zone intensiven Lebens“ bezeichnet, die die brutale Zerstörung der Syntax verursacht und begründet. 52

Vgl. Demetz, S. 194. 53

Die futuristische Literatur der 1910er Jahre (Marinetti, Buzzi, Cangiullo, Govoni, Soffici) wurde massiv vom Geschehen rund um den Ersten Weltkrieg beeinflusst.

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Abb. 9: F. T. Marinetti, Zang Tumb Tumb (1914)[Buchdeckel]

Nur vereinzelt schöpft Marinetti die typografischen Möglichkeiten aus, die der visuellen Poesie

als Ausdrucksmittel zur Verfügung stehen, um mehr oder weniger starke optische Eindrücke zu

bewirken, die wiederum durch unsere eigenen Neigungen und Gefühle eingefärbt sind und

entsprechende „Beurteilungen“ mitbringen. Übergänge vom Text zum Bild bleiben in seinem Hauptwerk

Ausnahmen: Einer Maxime aus Lo splendore geometrico entsprechend werden figurale Einschübe

ausschließlich in der Funktion eingesetzt, die das turbulente Kriegsgeschehen simultan wiedergeben

kann. Soll der Anblick eines Schlachtfeldes vermittelt werden, das mit mehreren Brandherden übersäht

ist, so wird das kursiv gedruckte Wort "vampe" [= Flammen] achtmal über einen ansonsten weißen

Bereich der Buchseite verteilt. Steigen Rauchsäulen senkrecht auf, schießen Stichflammen himmelwärts,

so sind die entsprechenden Nominalphrasen vertikal gesetzt, selbstverständlich mit Leserichtung nach

oben. Zu den Höhepunkten von Zang tumb tumb gehört der „türkische Fesselballon“, der als kreisrunder

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Schriftzug in der oberen Hälfte einer Seite schwebt: Es geht um ein anderes wichtiges Verfahren der

figuralen Dichtung, das den Schriftsatz so anordnet, dass er bestimmte Gegenstände bildhaft nachahmt.

Die „tsf“ [telegrafi senza fili = „drahtlose Telegramme“] bewegen sich senkrecht zum waagrechten

Zeilenlauf nach oben, wobei die Bewegung durch einen vertikalen Strich, den jede Nachricht hinter sich

her zieht, ausgedrückt wird.

Abb. 10: F. T. Marinetti, Pallone frenato turco (1914)

Das anspruchsvolle, aufwendige Seitenlayout des Werks ist vom geschickten mailändischen Drucker

Cesare Cavanna realisiert worden. Das durch die unpersönliche Sprache einer „filmischen Schreibweise“

Erzählte ist als Montage von Kapiteln strukturiert, die in keiner erkennbaren Beziehung zu einander stehen.

Stücke von der Wirklichkeit sind collageartig zusammengestellt, „lyrische Werte“ gruppieren sich zu

Synoptischen Tafeln, die nackte technische und geschäftliche Daten einschließen und dadurch etwa an

wissenschaftliche Handbücher erinnern: Daraus scheint eine Art innerer Monolog zu entstehen, der den

Fluxus von den der Simultaneität der Ereignisse entsprechenden Sinneseindrücken widerspiegelt. Für

solche a-metrische Texte, die einen kontinuierlichen Bewusstseinsstrom wiedergeben wollen, bieten sich

bündige Zeilen an: Die meisten Seiten des Hauptwerks Marinettis sind auch nach diesem Prinzip gestaltet.

Im Allgemeinen enthüllt dieses wichtige experimentelle Buch die impressionistische Tendenz seines Autors,

indem die ‚telegraphische Synthese’ durch einen alle (optische/visuelle und akustische) Wahrnehmungen

‚orchestrierenden’ Stil erzeugt wird. Wie bereits betont, besitzt der Paroliberismus auch eine phonetische,

akustische Natur, die der Wiedergabe aller „brutalen Töne [---], aller ausdrucksvollen Schreie des heftigen

Lebens“54 dient. Vom Ausgangspunkt der Onomatopöie55, die als Ausdruck eines Gemütszustandes

54

Im Technischen Manifest von 1912 schreibt Marinetti noch: „Wir werden keine Wortsymphonie mit harmonischen Schwankungen und beruhigenden Kadenzen mehr haben!“ Ebd.

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„realistisch“, „analogisch“ und „abstrakt“56 ist, gelangt Marinetti zum „psychischen onomatopoetischen

Einklang“57 und zwar zum klangvollen jedoch abstrakten Ausdruck eines Gefühls oder eines reinen

Gedankens. Als Beispiel dafür mag seine paroliberistische Tafel Montagnes + Vallées + Routes X Joffre

(1915), die die simultane Totalität des Visuellen, des Auditivs und des Mentalen graphisch gestaltet, indem

eine die psychische Aktivität des Subjekts begleitende „Hintergrundmusik“ in Schrift übersetzt wird. Die

große Buchstabe „M“ des Wortes „Marne“, die Zahlen, die Schreie und Geräusche dienen dem Ausdruck

der Anstrengung des Kampfes und des Gefühls des Siegs.

Abb. 11: Marinetti, Montagnes + Vallées + Routes X Joffre (1915)

Abb. 12: F. T. Marinetti, Battaglia a 9 piani

Mit der simultanen Totalität eines Kampfes, der hier auf einem Berg mit neun unterschiedlichen

Höhendifferenzen [= FR.: „étages“, IT.: „piani“] stattfindet, beschäftigt sich auch eine andere

paroliberistische Tafel von Marinetti. Die Querlinie, die den ganzen Raum des Gedichts durchzieht, soll

55

Marinetti bekundet, in seinem 1902 in Paris veröffentlichten ersten Buch La Conquête des étoiles [= „Die Eroberung der Sterne“] durch seine Neologismen „stridionlà stridionlà stridionlaire“ eine Analogie zwischen dem Gekreische der Schwerte und dem Hin- und Hergetriebenwerden der Wogen des Meeres, des Symbols der Freiheit, hergestellt zu haben. 56

Zit. nach Marpillero 2003. 57

Ebd.

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die Synchronie der durch Befreite Worte festgehaltenen Ereignisse auf dem graphischen

Niveau ausbrechen lassen.

Man möchte hier noch ein abstraktes „phonetisches Gedicht“ von Marinetti präsentieren,

Marcia futurista, wo die Recherche einer Pluritonalität der Onomatopöien durch den Versuch, die

Intensität und den Typ der Lautstärke jeder Onomatopöie typographisch wiederzugeben, erkennbar ist.

Abb. 13: Marinetti, Marcia futurista

Ein für das Schrift-Bild-Verhältnis in der futuristischen Literatur besonders relevantes Werk, wo

„Bild“ auch Farbe heißt, ist Carlo Carràs Collage von 1914, Manifestazione interventista (Abb. 13), die

allgemein als einer künstlerischen Höhepunkt der futuristischen Bilddichtung, manchmal als ihren

Endpunkt, anerkannt wird. Carràs „politisches Werk“ nähert sich dem Phänomen der Lingualisierung von

Kunst an, die sich hier in einer (für den italienischen Futurismus) neuen (Ausdrucks)Form verkörpert –

ein Textbild/Schriftbild? Die Worte beziehen sich auf keine gegenständlichen Darstellungen mehr,

sondern drücken direkte, aus dem Umfeld der futuristischen Bewegung stammende Botschaften aus.

Dabei folgt die Anordnung der Buchstaben der dynamischen Bildkomposition in Form einer Spirale, die

als futuristisches Sinnbild des Lebens, den Menschen als Teil, und nicht als Zentrum der Welt

beschreibt.58

58

Faust 1977, S. 104.

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Abb. 14: Carlo Carrá, Manifestazione interventista (1914) [Collage auf Karton, Sammlung Mattioli, Mailand]

7. SCHLUSSBEMERKUNGEN

Den Abschluss der vorliegenden Arbeit möchte ich der Bewertung der Bedeutung der futuristischen

“bildsprachlichen Revolution" für unser Verständnis des Menschen in der Massenmedien-Gesellschaft

widmen. Marinettis Theorien, die mit den ersten Editionen der Manifeste Anfang des 20. Jahrhunderts

einsetzten, stellten den italienischen Paroliberismus „an die Spitze“ der Neuen Medien, der

neugeborenen Multimedialität. Daraus kann man wichtige Argumente entnehmen, die bis in die

aktuellen Debatten nicht nur über die Rolle der bildenden Kunst für die Literatur, sondern auch über die

literarische Auseinandersetzung mit anderen Medien der Zeit, z.B. der Reklame oder der Zeitung,

führen. Die künstlerische Herausforderung der „hybriden“ futuristischen Sprache wäre in dieser Hinsicht

als initialisierender Faktor für eine – hin durch (immer neue) Medien bis zu den Text-Bild-

Kompositionen in heutigen Internet-Seiten fortgesetzte – Entwicklung der literarischen Sprache in

Richtung einer wesentlich engeren Zusammenarbeit zwischen Schrift und Bild zu betrachten. In der

heutigen Gesellschaft ist letztendlich die Vielfalt der Schrift-Bild-Kompositionen schon in der

Betrachtung der uns umgebenden Welt mit ihrer zunehmenden Vernetzung der

Kommunikationsmedien deutlich.

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Aus dem bislang besprochenen Stoff kann man meines Erachtens den Schluss ziehen, dass das

revolutionäre literarische Phänomen der italienischen Parole in libertà als poetischer Ausdruck der

durch Technik und Gewalt bewirkten Simultaneität des Großstadtlebens und der entsprechenden

„Vervielfachung“ des menschlichen Bewusstseins zu lesen sind, wobei die in der Literatur erzielte

Sprachbefreiung auf anderem Niveau der von den Futuristen erwünschten Befreiung Italiens „von den

Fesseln einer erstarrten Tradition“59 entspricht. Als kultureller Ausdruck des Menschen in Sprache

spiegelt die futuristische „Techno-Emotionale-Dichtung“ (!) die Zeit, in der sie entstanden ist, wider –

mit Bezug auf Denkweise, Wahrnehmungsvermögen, Anforderungen usw. – und entspricht somit der

von dem neuen Menschen, dem „vervielfältigten Menschen“ (IT: uomo moltiplicato)

wahrgenommenen Welt: Die dichterische Sprache ist die von ihm gesprochene Sprache. In diesem

Zusammenhang ist die Simultaneität, wenn auch des Kriegs, ein Spektakel, und die Geschwindigkeit

ein angemessener „Takt“. Man könnte daher berechtigt sagen, dass das ‚Irritationspotential’ und die

‚Waffen-Sachlichkeit’ der futuristischen Sprache der Aggressivität und Brutalität des Kriegs und der

Technik literarisch entsprechen. Der Auftrag moderner Literaten ist letztendlich gerade darin begründet,

neue Sprachen, neue formen der dichterischen Aussagen zu entwickeln, die eine alternative

Wahrnehmung und Interpretation der sich verändernden Realität ermöglichen können.

Anfang des letzten Jahrhunderts schien „traditionell verfasste Literatur“ – ohne den Einsatz, den

Beitrag der bildenden Kunst – einfach keinen Platz, „keine Hoffung“ in der Gesellschaft mehr zu haben:

Visuelle Inputs, visuell präsentierte Stimuli sind jetzt erforderlich. Bei der zeitgenössischen Poethik und

Ästhetik wird von der Annahme ausgegangen, dass „Poesie der Bilder bedarf“60. Futuristen waren eben

bestrebt, in der Lyrik neue, zeitgemäße Ausdrucksformen zu schaffen, die eine solche Anforderung dank

den Möglichkeiten visuell-verbaler Beziehungen erfüllen konnten. „Von der Bildkunst erbt die Poesie

dabei das zeitgenössische Qualitätsmerkmal der Anschaulichkeit“.61 Durch das Bild wird Dichtung

besonders „anschaulich“ und als „anschauende Erkenntnis“ (Christian Wolff62) vermag sie, „mentale

Prozesse zu verdeutlichen“: „Durch das Medium Bild nobilitiert sich die Verskunst zu einem Analogon

der Philosophie“.63

Der Futurismus experimentiert letztendlich mit Fragen der Kommunizierbarkeit, und sucht

dadurch eine mögliche literarische Antwort/Reaktion auf die neue Medienmannschaft. Die thematische

Modernisierung wird von einer intimen sprachlichen Erneuerung begleitet, so dass sich die poetische

Emotion auf eine bindungsreichere Sprache stützen kann, eine „sinnliche“, „Eindrücken zugänglich[e],

59

Baumgarth 19 S. 7. 60

Sandra Richter in Simon 2010, S. 64. 61

Ebd. 62

Zit. nach Simon 2010, S. 64. 63

Richter in Simon 2010, S. 64.

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dem Augenblick ergebene, für das Unendliche empfänglich und unbestimmte“64 Sprache, die die

zeitgenössische Welt als „Bewegung, als Dynamik“ spiegeln kann: Den neuen Inhalten der Dichtkunst im

Zeitalter der Maschinen entsprechen revolutionäre sprachliche Formen, die sich aus der radikalen

Abkehr von der üblichen Grammatik, Syntax, Wortwahl ergaben. Die „Dynamik“ ist zunächst die des

„Versuchens“, des Experimentierens, und die der Grosstadt, mit den korrelaten Begriffen von „Masse“

und „Enge“ und den verdichteten Verweisen auf Industrialisierung, Medien,

Vermischung / Hybridisierung, Überforderung, Anonymität, „Reizüberflutung“ usw. sowie auf alle

Phänomene, die mit der menschlichen (subjektiven) Wahrnehmung und der (individuellen oder

kollektiven) Erfahrung zu tun haben.

Am italienischen Futurismus ist auch zu bewerten, welche Kraft die Kunst entfalten kann, um die

Eigenschaften des technischen Mediums durch eine angemessene Re-Codierung der Sprache und

des Sinnes des literarischen Kunstwerks ästhetisch aufzuwerten. Aus dem „Chaos der

Wirklichkeitselemente“, das Faust als Statement des futuristischen Weltbildes betrachtet, und das

schließlich jede Revolution oder Entwicklung begleitet, kann durch die Kunst ästhetischer Gewinn

gezogen und eine ‚Ordnung’ wieder hergestellt werden: So ist aus der hochdynamischen Moderne, aus

dem „paroxystischen Charakter“ einer schnellen und aggressiven Welt das Phänomen der Befreiten

Worte entstanden und somit ein neues, nach vorne strebendes Bewusstsein vom Dasein in der Technik.

Zum Zeichen der futuristischen Utopie antizipiert der Text-als-Bild die Einheit der Wirklichkeit als eine

„durch den Futurismus wieder geeinte Wirklichkeit.“65

Der Mensch des von Neuordnungen geprägten beginnenden 20. Jahrhundert und sein

künstlerisches Handeln sind nur im Kontext dieses erschütterten Weltbildes nachzuvollziehen, wo auch

der bis dato geltende Naturbegriff ins Wanken geraten war. Gerade aufgrund der neuen Erkenntnisse

der Wissenschaft – u.a. Plancks Quantentheorie und Einsteins Relativitätstheorie – sah sich der moderne

Mensch einem Ungewissen, einem nur „relativ Fassbaren“ gegenüber stehen. Dieses Gefühl erfüllte die

futuristische Literatur, die eben mit dieser „erweiterten Wirklichkeit“ zu tun hatte, mit Misstrauen

gegen die Erscheinungen der dinglich-wahrnehmbaren Welt, ohne dadurch den Verlust ihres

nachahmenden, abbildenden Charakter bzw. der Funktion ikonischer Gegenstandsabbildung zu

bewirken. Die Debatte um die Rolle und vor allem die Mittel der Literatur in der Postmoderne kann

somit anfangen. Die futuristische, abstrakte, emotionalisierte Arbeit mittels Formen, Linien und Farben

soll die neue Ausdruckswelt des Künstlers sein, wo die Künste verschmelzen und die Technik freien

Eintritt hat: In diesem Zusammenhang können neue hybride Kunstwerke entstehen, und nur in diesem

64

F. T. Marinetti, Enquête internationale sur le Vers libre, Mailand 1909, S. 32, zit. nach Baumgarth, S. 17. 65

Faust 1977, S. 106.

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Zusammenhang ist die wechselseitige Durchdringung und Kooperation von Schrift und Bild in den

futuristischen Parole in libertà als „früher“ und avantgardistischer poetischer Ausdrucksform des

technisierten Menschen zu verstehen und bewerten. Wie Marinettis typographische Revolution „neue“

Schrift-Bild-Combines in der Literatur ermöglichte, so ermöglichen Verfahren der modernen

Werbeästhetik und des Designs die Entstehung „neuer“ und vielfältiger Möglichkeiten kreativer Schrift-

und Schreibgraphischer Gestaltung sowie neuer Versuche, „aus der Kunstgeschichte seit langem

bekannte Schrift-Bild-Verbindungen unter den Bedingungen moderner (Massen-)Medien-Gesellschaften

neu und anders zu realisieren“.66 Bei der Bewertung solcher Entwicklungen ist es immer wichtig, wie

Gappmayr sinnvoll hervorhebt, „den veränderten Kontext zu thematisieren, um den Unterschieden in

den künstlerischen Intentionen gerecht zu werden“.67

66

Schmidt zit. nach Gomringer 1996, S. 126. 67

Gappmayr, S. 33.

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7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Stéphane Mallarmé: Doppelseite aus Un coup de dés. (S. 10)

Abb. 2: Guillaume Apollinaire: Lettre-Océan. (S. 14)

Abb. 3: Guillaume Apollinaire: La mandoline l’oiellet et le bambou. (S. 15)

Abb. 4: Luciano Folgore: Ponti sull’oceano. [Buchdeckel] (S. 23)

Abb. 5: Francesco Cangiullo: Piedigrotta. (S. 24)

Abb. 6: Corrado Govoni: Autoritratto. (S. 25)

Abb. 7: Auro D’Alba: Baionette. (S. 25)

Abb. 8: Ardengo Soffici: Tipografia (BÏF§ZF + 18 Simultaneità e Chimismi lirici). (S. 27)

Abb. 9: F. T. Marinetti: Zang Tumb Tumb [Buchdeckel] (S. 29)

Abb. 10: F. T. Marinetti: Pallone frenato turco. (S. 30)

Abb. 11: F. T. Marinetti: Montagnes + Vallées + Routes X Joffre. (S. 31)

Abb. 12: F. T. Marinetti: Battaglia a nove piani. (S. 31)

Abb. 13: F. T. Marinetti: Marcia futurista. (S. 32)

Abb. 14: Carlo Carrà: Manifestazione interventista. (S. 33)

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8. LITERATURVERZEICHNIS

Adler, Jeremy/Ulrych Ernst (1987): Text als Figur. Visuelle Poesie von der Antike bis zur Moderne.

Wolfenbüttel: VCH. Arnold, Heinz Ludwig [Hrsg.](1997): Visuelle Poesie. München: text + kritik. Baumgarth, Christa (1966): Geschichte des Futurismus. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Carollo, Sabrina (2004): I Futuristi. Milano: Giunti. 73-89. Coen, Ester: Futurismo. [Art Dossier]. Milano: Giunti. 52-53. Crispolti, Enrico (1986): Storia e critica del futurismo. Roma/Bari: Laterza. 32-36. Dencker, Klaus Peter (1972): Text-Bilder. Visuelle Poesie international. Von der Antike bis zur

Gegenwart.Köln: DuMont Schauberg. Demetz, Peter (1990): Worte in Freiheit - Der italienische Futurismus und die deutsche literarische

Avantgarde 1912-1934.München: Piper. Faust, Wolfgang Max (1977

1): Bilder werden Worte. Zum Verhältnis von bildender Kunst und Literatur

vom Kubismus bis zur Gegenwart. Köln: DuMont. Gappmayr, Gaby (2004): Sprache und Raum. Die Poésie Spatiale von Pierre und Ilse Garnier. Bielefeld:

Aisthesis. Gomringer, Eugen [Hrsg.:] (1996): Visuelle Poesie. Anthologie. Stuttgart: Reclam. 61-64, 125-126, 150-

153. Hulten, Pontus [Hrsg.] (1986): Futurismo & futurismi. Milano: Fabbri-Bompiani. Lista, Giovanni [Hrsg.] (1977): Marinetti et le Futurisme. Etudes, documents, iconographie. Lausanne:

L’Age d’Homme. Lista, G. (1993): „Entre dynamis et physis ou les mots en liberté du futurisme“. In: Poésure et Peintrie.

D’un art, l’autre. Fevrier-Mai 1993, Musée de Marseille. Lista, G. (1976): Marinetti. Paris: Éditions Seghers. Lucini, Gian Pietro (1975): Marinetti futurismo futuristi. Saggi e interventi; lettere inedite di Gian Pietro

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