ein fragment der jñānolkadhāraṇī in chinesischer schrift nebst uigurischer umschrift

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- 1 - Publiziert: academia.edu (Juni 2016) Ein Fragment der Jñānolkadhāraṇī in chinesischer Schrift nebst uigurischer Umschrift Peter Zieme Ein kleines Bruchstück der Berliner Turfansammlung kann als ein Zeugnis der vielfältigen Verwendung von Schriften und Sprachen in der Kultur der alten Uiguren betrachtet werden. Das Fragment Ch/U 6463 stammt aus Yarγoli, wie uns die alte Signatur T II Y 63 verrät. Der Umstand, daß vermutlich nur die untere Hälfte des Blattes erhalten ist, erschwert die Deutung der wenigen Wörter besonders. Es ist klar, daß Seite a, vermutlich die Vorderseite, zwei Dhāraṇī-Wörter in chinesischer Umschrift enthält, begleitet von den Transkriptionen in uigurischer Schrift. Lesung Seite a Erste Kolumne Zweite Kolumne ? sa po he ʾ (?) sʾ vʾ q ʾ ? da ni ye ʾ (?) tʾ tyʾ tʾ

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Publiziert: academia.edu (Juni 2016)

Ein Fragment der Jñānolkadhāraṇī in chinesischer Schrift nebst uigurischer Umschrift

Peter Zieme

Ein kleines Bruchstück der Berliner Turfansammlung kann als ein Zeugnis der vielfältigen

Verwendung von Schriften und Sprachen in der Kultur der alten Uiguren betrachtet werden. Das

Fragment Ch/U 6463 stammt aus Yarγoli, wie uns die alte Signatur T II Y 63 verrät. Der Umstand,

daß vermutlich nur die untere Hälfte des Blattes erhalten ist, erschwert die Deutung der wenigen

Wörter besonders. Es ist klar, daß Seite a, vermutlich die Vorderseite, zwei Dhāraṇī-Wörter in

chinesischer Umschrift enthält, begleitet von den Transkriptionen in uigurischer Schrift.

LesungSeite aErste Kolumne

Zweite Kolumne

?

薩 sa

婆 po

訶 he

ʾ (?)

q ʾ

?

怛 da

你 ni

他 ye

ʾ (?)

tyʾ

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薩婆訶 sapohe (uig.) savaha [sʾ vʾ q ʾ] skt. svāhā Dies ist eine der zahlreichen Varianten der Wiedergabe von skt. svāhā1

. Dieses Wort bildet in der

Regel den Abschluß einer Dhāraṇī.怛你他 daniye (uig.) tatyata [tʾ tyʾ tʾ] skt. tadyathāDiese Schreibung kommt in SAT nur in zwei tantrischen Texten vor

2, doch ergibt sich daraus noch

keine eindeutige Lokalisierung der Stelle. Skt. tadyathā erscheint meist am Anfang einer Dhāraṇī.Bemerkenswert ist, daß die Aussprache der chinesischen Zeichen in uigurischer Schrift

aufgezeichnet wird. Es sind nur zwei Kolumnen erhalten, wobei unklar ist, ob diese von links nach

rechts oder umgekehrt angeordnet sind. Da hier das erste und letzte Wort von Dhāraṇīs stehen,

liegt es nahe, die Abfolge der Kolumnen eher von links nach rechts zu vermuten. Dazu paßt, daß die

uigurische Schrift rechts neben den chinesischen Zeichen steht, obwohl es auch andere Beispiele

gibt.

Die chinesischen Zeichen sind in einem schönen kalligraphischen Stil geschrieben, die eine

frühe Abfassungszeit vermuten lassen, die sogar Tang-Zeit sein könnte. Doch die altuigurischen

Umschriften, die ebenfalls in einer eleganten kalligraphischen Schrift geschrieben sind, sprechen

dagegen, so daß man eher an das 10./11. Jahrhundert denken kann.3

Seite bFolgt man der Kolumnenrichtung von Seite a, ergeben sich folgende Deutungen. Die altuigurischen

Zeilen stehen rechts vom chinesischen Text.

01 [ ] ?4

02 [ ]ʾ/n

03 [ ärü]r : yörügi bilgä bilig yula-sı ter [...] ist. Dessen Deutung ist Fackel der Weisheit.

04 [ ]理論 lilun “Deutung des Prinzips”5.

Es scheint, daß beide Seiten zu einem Text gehören. Allerdings ist die uigurische Schrift von

b 03 verschieden von der Schrift der anderen Zeilen. Es könnte eine spätere Hinzufügung sein.

DeutungDa die beiden Dhāraṇī-Wörter quasi in jeder Dhāraṇī vorkommen, läßt sich nicht absolut sicher

feststellen, welchem Text sie zuzuordnen sind. Doch Herrn Dieter Maue verdanke ich den wichtigen

Hinweis, daß bilgä bilig yulası “Fackel der Weisheit” skt. jñānolka “id.” entspricht. Das berechtigt dann

zu der These, daß die Dhāraṇī-Wörter Teile der Jñānolka-Dhāraṇī6 sind. Sie ist ein Text, der zwei

kurze Dhāraṇīs enthält, die dem Schutz der Wesen dienen sollen. Das erklärt dann auch, warum

1 Zu weiteren Umschriften vgl. Belege in SAT und CBETA.

2 Andere Schreibungen in zahlreichen Texten von SAT und CBETA.

3 Für Beratung danke ich den Herren Hiroshi Umemura und Wang Ding. Letzterer sieht eine gewisse Ähnlichkeit zum

Schreibstil des Khitan (Liao)-Kanons (11. Jahrhundert).

4 Ein chinesisches Zeichen mit dem Radikal 巾.

5 “Reasoning on, or discussion of, principles, or fundamental truth” (DDB). Unklar bleibt vorerst, wie 理論 lilun der Seite b

in den Kontext der Jñānolkadhāraṇī paßt.

6 Vgl. DDB (jñānolka).

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svāhā und tadyathā fast aufeinanderfolgen. Das erste wäre der Abschluß der ersten Dhāraṇī und das

zweite der Anfang der zweiten, vgl. T13977: 914a16-17: 颯婆訶, 914a18: 姪怛他8, allerdings sind die

jeweils ersten Zeichen in der Taishō-Version verschieden: 颯婆訶9 = (hier) 薩婆訶; 颯婆訶10

= (hier)

薩婆訶.

JñānolkadhāraṇīE. Leumann hat 1920 nach den damals bekannten khotansakischen Resten die Jñānolkadhāraṇī vorgestellt und interpretiert

11. Reste der Sanskritversion der Jñānolka-Dhāraṇī wurden von K.

Wille12

entdeckt, neue Fragmente von D. Qing13

, die zugleich auch khotansakische Bruchstücke aus

neueren Funden ediert hat14

.

In dem von K. Wille edierten Sanskrit-Fragment15

ist das zweite Mantra in den Zeilen V5-R5

belegt. Dementsprechend sind einige Rekonstruktionen in Lin Guangmings Mantra-Ausgabe zu

korrigieren. Hier folgt eine Zusammenstellung der entsprechenden Sanskrit-Reste.

(Mantraed.16

) tad yathā / dhunaṭidhunaṭi / mahādhunaṭi / surusuru svāhā

(Skt. V5) ā(Mantraed.) śuklabiśodhani / taratara svāhā / jotīpriśdīpe /turuturu svāhā /

[śukl]avi[śaudha]ni tara tara svāhā

(Mantraed.) padma mālina / sadyatarabuddhi / huruhuru svāhā / sadyabuddhi /

(Skt. R1) buddhi . huru huru svā[hā] sa[t]y.

(Mantraed.) sadya avalokinakarakara / kirikiri svāhā / dharaṇaputi /

(Skt. R2) buddhi .

(Mantraed.) apratihatabuddhi / curucuru svāhā / lakṣanacite / dhumaparihare /

(Skt. R2) apratihatabuddhi turu turu svāhā

(Mantraed.) huruhuru / khurukhuru svāhā / dharadhara / mādhara / dharadhara /

(Skt. R3) svāhā / dhāra dhāra / mahādhara / dhara dhara

(Mantraed.) dharayantiye svāhā / supratasu prati / sumate apratahatabuddhi /

(Skt. R4) ihatabuddhi

(Mantraed.) dharadhara / dharayantiye svāhā / namo jñānolokasya /

(Skt. R4) dhara dhara dharayaṃtī(Mantraed.) tathāgatasya / namaḥ subarṇṇaprabha /kūṭānubhāsasya /

(Skt. R5) [su]varṇaprabhā[sk]ūṭaṇir[bh]āsasya

7 T1397 智炬陀羅尼經; Vgl. T1398 智光滅一切業障陀羅尼經.

8 T.XXI.1397.

9 T.XXI.1397.913b11.

10 T.XXI.1397.913b11.

11 Leumann 1920, 157-164.

12 Wille 1996, 387, 390-392.

13 Qing & Zhang 2013, 147-149.

14 Qing 2015, 9-10.

15 Wille 1996, 391.

16 Lin 2011, 421-424.

- 4 -

(Mantraed.) tathāgata sya / namaḥ satyapādena / tathāgata sya / namaḥ

(Skt. R5) ta[thā]

(Mantraed.) bhiṣamasvāragarjata / rajebhyaḥ tathāgatebhyaḥ //

Von den zwei chinesischen Versionen kommt trotz der verschiedenen chinesischen Zeichen

nur T1397 in Frage, denn in dieser allein folgen die beiden Mantras aufeinander, wie es nach dem

hier besprochenen Bruchstück der Fall ist, wenngleich unsicher ist, wie das vor tadyathā stehende

chinesische Zeichen gelesen werden kann. In T1398 steht zwischen den beiden Mantras ein längeres

Textstück.

- 5 -

LiteraturDuan Qing, Xinjiang Manuscripts Preserved in the National Library of China. Khotanese Remains

Part I, Shanghai 2015.

Duan Qing & Zhang Zhiqung (Hrsgg.), Xinjiang Manuscripts Preserved in the National Library of

China. Sanskrit Fragments and Kharoṣṭhī Documents Part I, Shanghai 2013.

E. Leumann, Buddhistische Literatur. Nordarisch und Deutsch. I. Teil: Nebenstücke, Leipzig 1920.

Lin Guangming, Mahāpiṭaka-mantramāla-purṇāṅga-nava-saṃskaranaṃ. The New Edition of All

Mantras in Mahāpiṭaka, S-116 ~ S-153, M-1980 ~ M-2300, Taipei 2001.

K. Wille, Die Hoernle-Fragmente in der Turfan-Sammlung (Berlin), in: Turfan, Khotan und

Dunhuang. Vorträge der Tagung “Annemarie v. Gabain und die Turfanforschung”, veranstaltet

von der Berlin-Brandenburgsichen Akademie der Wissenschaften in Berlin (9.-12. 12. 1994),

Berlin 1996, 385-408.

- 6 -

Ch/U 6463 a.

- 7 -

Ch/U 6463 b.