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Design 2Go

von Paolo Tumminelli

Theorien, Ansichten, Perspektiven zuMarken, Produkten, Konsum, Kultur,Lifestyle, Technologie und wie dasalles auf die Menschen einwirkt. Inanderen Worten: „Das Beste odernichts“ aus 10 Jahren Designkritik imHandelsblatt.

Vorwort

Die Idee entstand ganz beiläufig beimMittagessen. Als Paolo Tumminelliund ich vor mehr als zehn Jahren imDüsseldorfer „Vini Divini“zusammensaßen und über Autos

redeten, kam spontan die Frage auf:Warum gibt es eigentlich in keinerdeutschen Tageszeitung eineregelmäßige Kolumne, die sich mitdem (oft misslungenen) Design neuerAutomodelle beschäftigt? Eine ganzwichtige Frage gerade für eineWirtschaftszeitung wie dasHandelsblatt: Denn längst entscheidetgutes Design mehr über denVerkaufserfolg von BMW, Mercedesund Porsche als die weitgehendaustauschbare Technik unter demBlechkleid. Wir überlegten einbisschen hin und her – und„Tumminellis Designkritik“ wargeboren. Und es ging keineswegs nur

um Autos, sondern um industriellesDesign und Marken-Entwicklungüberhaupt. Mit stilsicherem Urteil undeiner starken Meinung hat sich dieRubrik als Solitär in der deutschenMedienlandschaft etabliert. Niemandkonnte sie kopieren, weil sich PaoloTumminelli nicht klonen lässt: SeineSachkunde in allen Design-Fragenpaart sich mit einem journalistischemGespür für Themen – und derFähigkeit zur sprachlichen Präzisionund Zuspitzung. Das ist der Stoff, ausdem gute Kolumnen gemacht werden.Die vorliegende Zusammenstellungvon ausgewählten Kolumnen aus zehnJahren zeigt zusätzlich: Obwohl die

Design-Kritiken fürs Alltagsgeschäfteiner Zeitung entstanden sind,überdauern sie problemlos den Tag:Stilprägend und deshalb spannend zulesen bis heute.

Bernd Ziesemer

Publizist und Ex-Chefredakteur desHandelsblatts

Theorien

Liebe und Dogma: DeutschesDesign

Manch einen Mythos betrachtet manbesser von außen, zum Beispiel denAufstieg und Fall des deutschenDesigns. Aber gibt es denn wirklich ein

„Deutsches Design“? Oder ist diesnicht lediglich eine Projektion deridealistisch veranlagtenWunschvorstellung, man könnePerfektion, egal zu welchem Preis,erreichen und auch auf Ewigkeitbeibehalten? Es war 1946 und es gabnoch keine D-Mark, als derwiedergeborene Käfer inindustrialisierter Form endlich laufenkonnte. Ein deutsches Erzeugnis, abergewiss kein deutsches Design. Ideeund Realisation warenaustroungarisch, wie auch FerdinandPorsche, Erwin Komenda, Béla Barényiund Paul Jaray, jene Konstrukteure,Entwerfer, Ingenieure und

Aerodynamiker, denen die gesamtedeutsche Automobilindustrie so vielzu verdanken hat. Schön war er nicht,der Käfer, also wurde er von seinenVätern geschmückt: mit einemzwischen Wiener Sezession undJugendstil verorteten Blechrelief.Ansonsten war er archaisch,fortschrittlich und schonungslosselbsterklärend zugleich in den 30erJahren gestaltet worden. Porsche undNordhoff waren sich von Anfang andarüber im klaren, dass der Käfernicht perfekt war. Er war aberperfektionierbar und so wurde er einVierteljahrhundert lang, Jahr für Jahr,perfektioniert, bis man nicht mehr

weiter gehen konnte. Nicht formal,sondern prozessual, ist der Käferdeshalb ein Paradebeispiel für dasDogma des deutschen Designs: festerGlaube, stete Weiterentwicklung. Eineformale Übersetzung dieses Dogmasfand erst Mitte der 50er Jahre in Ulmstatt. Die dort 1953 gegründete undbis 1968 geführte Hochschule fürGestaltung, von vielen als eine ArtPost-Bauhaus gesehen, formuliertestrenge Regeln für eine Design-Disziplin, die alle Gestaltungsbereicheumfasste: Produkt, VisuelleKommunikation, Bauen, Informationund Film. Die HfG pflegte den Kontaktzur Industrie und prägte deren

Entwicklung maßgeblich, zumindestbis in die 90er Jahre. Das CorporateDesign der Lufthansa und dasPhänomen Braun sind eine UlmerKonsequenz, erst mit Braun wirddeutsches Design sichtbar. Die UlmerPrinzipien wurden bei Braun nahezudiktatorisch umgesetzt. So entstandenUrtypen wie die Küchenmaschine KM3(1953), die legendäre Soundanlage SK4(1957), der Rasierapparat Sixtant SM31 (1962) und der WeltempfängerT1000 (1964). KompromissloseÄsthetik, höchste Qualität, kühlePerfektion: Dogmatischweiterentwickelt und stets vomPublikum gewürdigt, blieben diese

Produkte jahrzehntelang inProduktion. Hinter ihnen kein Akt derFreude, sondern vielmehr Verzicht.Nicht der Künstler war am Werk,sondern der Wissenschaftler,selbstherrlich und gnadenlos wieGott. Jener Gott, der stets imdeutschen Detail steckte – ob Griff,Schalter, Scheinwerfer oderKopfstütze, ob bei Braun, Siemensoder Mercedes-Benz. Warum dasEnde des Dogmas unmittelbar nachder deutschen Wiedervereinigungkam, ist eine jener Fragen, die nur mithistorischem Abstand betrachtetwerden können. Das Dogma hattewomöglich den Deutschen geholfen,

in den schweren Nachkriegsjahrenwieder an sich selbst und an einenunmehr geteilte Nation zu glauben.In den 90ern hingegen war feiernangesagt – und zwar global. DieItaliener wurden – zumindest alsDesigner – schnell zum Vorbildgemacht. Frei, kreativ, ironisch,originell, bunt, herzlich:Eigenschaften, die zu einem Land vonWüstlingen, aber nicht zumdogmatischen Deutschland passten.Dies hatte dramatischeKonsequenzen: 1994 wird der Käfernachgemacht, Hommage undVerfälschung zugleich. 1995überrascht die neue E-Klasse mit

komischen runden Scheinwerfern undgefälligen Kurven. Der Rest ist leiderGeschichte. 1995 verabschiedet sichauch der Ulmer Dieter Rams alsDesignchef von Braun. Seitdem ist esmir schwer gefallen, einen neuenRasierapparat zu kaufen. Ich, der ichin blinder Treue – undzugegebenermaßen völlig unnötig –erst einen Micron 2000 und dann jedeseiner Weiterentwicklungen erworbenhabe. Resigniert, die Augen halbgeschlossen, habe ich zuletzt nurwegen meiner emotional-dekadentenBindung zum Namen Braun gekauft –einer Marke, die es nicht mehr gibt.Gerade versuche ich, auf die alberne

Tastatur eines Siemens C45 zu tippenund frage mich, wie es dazu kommenkann, dass das Designbüro einesanständigen deutschen Konzernsjegliches Verständnis für Ergonomieverliert. Der Ärger könnte sich baldvon selbst lösen: Das vorgesternerworbene Gerät leidet unterelektronischen Krankheiten. Einstatistischer Zufall, der nachdenklichmacht. Ich erinnere mich zum Beispieldaran, wie ich mich über meinenSchulfreund Luca lustig machte.Bedrohlich hing bei ihm zu Hause einschwarzes Siemens-Telefon an derWand, wo wir schon kabellos bunteDesignplastik hatten. Seit 1951 hängt

das schwarze Siemens Telefon schonund funktioniert heute nocheinwandfrei. Manche fänden es sogarwieder „cool“. Sicherlich auch jenerdeutsche Kritiker, der öffentlichbeklagte, dass die sehr beliebtenRechner „Designed by Apple inCalifornia“ im Konzept nichts anderesseien als eine Nachahmung vonälteren Braun-Geräten. Dagegen istnichts zu sagen, lediglich folgendesfestzustellen: Die Welt braucht noch –ja sie sehnt sich – nach DeutschemDesign. Und ich mit ihr.

06. Mai, 2004

Kollektives Spiel: Audi DesignTischkicker

Design sollten keine Grenzen gesetztwerden, denn alles ist Design. Esmacht aber Sinn, Designkategorien zuunterscheiden. Am einfachsten lässt

sich „normales“ Design begreifen. EinKünstler, ein Designer, schließlich eineMarke möchten ein Objekt nacheigenem Prinzip und/oder Geschmackentwerfen und gegebenenfallsreproduzieren. Andy Warhols Kunst,Giorgio Armanis Mode und PorschesAutomobile sind perfekte Beispielebewusst gestalteter Ästhetik. ImGegensatz dazu bezeichnet „NonIntentional Design“ in der Definitionder Designforscherin Uta Brandes „diealltägliche Umgestaltung desGestalteten durch die Nutzerinnenund Nutzer“. Wer eine Flasche zumKerzenständer oder eineKühlschranktür zur Pinnwand macht,

verändert die ursprünglicheDesignintention. NID „schafft keinneues Design, es gebraucht nur,ersetzt dadurch aber Altes underzeugt Neues“. „Everyone is aDesigner“: Nach dem Motto derHolländerin Mieke Gerritzen dürfenauch NID keine Grenzen gesetztwerden – die Handlungsfreiheit derKonsumenten ist Gebot. Eine dritteKategorie ist „Anonymes Design“.Dabei handelt es sich um Entwürfe –und hier zitiere ich den DesignerVolker Albus, obwohl mir AchilleCastiglioni lieber wäre – „die sich überJahrhunderte in denunterschiedlichen Kulturen entwickelt

haben und (...) die sich durch eineunmittelbar ersichtliche Handhabungauszeichnen“. Typischerweise gehörenWerkzeuge dazu, die sich als Standardetablieren, wie zum Beispiel derSchweizer Sparschäler. Aus anonymemDesign entwickelt sich ein viertes,paralleles Phänomen, das ich„Kollektives Design“ nenne. Dazugehören zahlreiche Variationen undInterpretationen von allseitsbekannten und allgegenwärtigenThemen: der Weihnachtsmann mitBaum, Zirkus und Kirmes, Graffiti undHochzeitstorten, Gartenhäuschen undTischkicker. Als sich stets veränderndeGestalten ohne Anspruch auf

standardisierte Perfektion oderkünstlerische Qualität stehen sie zum„klassischen“ Designobjekt wie dasMädchen von nebenan zum SuperModel. Bunt, klobig, improvisiert, hatder Tischkicker von Eckkneipen undStrandbars seinen Weg in dieHochschulen und in die Büros derKreativen gefunden. Seineliebenswürdige Hässlichkeit machtseine Seele aus. Sie zu verneinen wäresinnlos. Für Audi Design war es einedenkbar einfache Angelegenheit,einen ansprechenden, dynamisch-eleganten Tischkicker zu gestalten.Man darf sich über perfekteMechanik, reibungslose

Funktionalität, gar außergewöhnlicheErscheinung freuen, die der Hi-TechArchitektur eines WM-Stadiumsnachempfunden wurden. Alles Audi.Doch letztlich fehlt dem Entwurf dieunmittelbare Qualität, die Seele desOriginalen. Letztlich gibt es doch einekleine Einschränkung: Kein Künstler,kein Designer und schließlich keineMarke kann sich jemals ein kollektivesDesign aneignen.

14. Juli, 2007

Designwind: Moooi BlowAway Vase

Möbelmesse: In Köln trifft sich dieCrème de la Crème des Designs.Erwartet werden sämtlicheStardesigner – die wirklichen und die

vermeintlichen – und ihre Kreationen:die spannendste Leuchte, derwitzigste Stuhl, der teuerste Tisch.Buntes und Auffälliges findet den Wegin die allgemeine Presse. BesteChancen hat traditionell der „A&W-Designer des Jahres“: DieAuszeichnung geht diesmal an FRONT,ein Designerinnen-Team ausStockholm. Der wichtige Diskurs zurLage des Designs hat dagegen kaumChancen auf eine öffentliche Bühne.2002 thematisierte die ersteDeklaration des St. Moritz-Design-Summit die Müdigkeit einer Disziplin,die ein ästhetisiertes Dasein imSchatten der alten Meister führt. Statt

sich über die Zerbrechlichkeit dersozialen und wirtschaftlichen Systemeund über die Erreichung neuerMarktdimensionen Gedanken zumachen, zelebriert die Designszenesich selbst als eine heilige, aberkleinkarätige Welt. Die Diskrepanz istoffensichtlich: Während iPhone, Wiiund Prius unseren Alltag erobern,stammen die heutigen Design-Bestseller aus der Steinzeit:Castiglionis Arco (die große Bogen-Standleuchte mit Marmorfuß,Jahrgang 1962, 66 Kilo), SaarinensTulip (der weichgespülte Tisch mitTulpenfuß, Jahrgang 1956, 86 Kilo)und Eames’ „Lounge Chair and

Ottoman“ (der fette, hölzerne Relax-Sessel mit Fußhocker im Partnerlook,ebenfalls Jahrgang 1956, 45 Kilo). Wasstört, sind nicht die Formen an sich –allesamt wunderbare Klassiker –,sondern ihre allgegenwärtige,monotone Kombination imspätbürgerlichen Haushalt. Einevergangene Gesellschaftsform, diebesser nicht zurückkommen sollte,wird durch diese Assoziationidealisiert. Dann doch lieber FRONT.Verdächtig nur insofern, als der lauteAuftritt der ursprünglich vier und jetztnur noch drei smarten Partnerinnennach „Next Spice Girls“ riecht. IhreArbeit dokumentiert das Dilemma

ihrer Zunft, gefangen zwischen denAlternativen, entweder zu IKEA-Konditionen für das Volk zu arbeiten(die Leuchte SVARVA) oder imEinzelauftrag von Veuve ClicquotKünstler zu spielen (die Unikat-Couchim Champagner-Verpackungs-Look).FRONTs Arbeit thematisiert aufironische Weise die Instabilitätklassischen Wohndesigns und dessengrundsätzliche Irrelevanz. In einerBranche, wo jede ausgestopfte Ganswerkeln darf, lässt FRONT echte Tierearbeiten: Mäuse fressen sich den Wegdurch Papierrollen und gestalten soWandtapeten; Kaninchenhöhlendienen als Form für Keramik-Leuchten;

ein lebensgroßes Pferd aus schwarzemPolyester dient einem Lampenschirmals Fuß. Im eigenen Arbeitsprozessskizzieren die FRONT Girls Möbel inder Luft, wobei ein 3D-Scanner dieBewegung ihrer Finger festhält unddie so entstandenen Formen durchRapid Prototyping in echteGegenstände transformiert (YouTube:Sketch Furniture). Die Schwedinnenscheinen an die Festigkeit von Designnicht mehr zu glauben. Ihr MeltingTable kollabiert mit der Zeit unterdem eigenen Gewicht. Er gibt seinenplastischen Geist auf und wirdpraktisch unbrauchbar – obgleichnicht weniger ästhetisch. Die Vase

Blow Away thematisiert dieVergänglichkeit von Designobjekten:Der digitalisierten Version einer RoyalDelft-Vase werden per Rechnerinstabile Materialeigenschaftenzugewiesen. Dann bläst ein virtuellerWind die Vase ab, bis sie fast zerfließt.Genau in dieser Sekunde wird dieForm festgehalten und später ausechtem Porzellan gegossen.Hauchdünn, dieses Nicht-Mehr-Objektzwischen Design, Kunst und demNichts. Als Repräsentation derheutigen Lage des Designs jedoch,könnte sie perfekter nicht sein.

18. Januar, 2010

Deutschlands Rücklicht:Porsche Cayenne

Diese Woche: Designtheorie. MichaelErlhoff hält die offiziell letzteVorlesung an seiner „School ofDesign“. Mit dem „Kölner Modell“, das

die Aufhebung sämtlicher Grenzeninnerhalb einer traditionellhandwerklich-künstlerisch veranlagtenDisziplin verschrieb, revolutionierteErlhoff nicht nur dieDesignausbildung. Er antizipierte auchdie Transformation der Gesellschaftim Zuge der Aufhebung sämtlicherpolitischer, wirtschaftlicher undkultureller Grenzen. Fünf Jahre vorJeremy Rifkins „The Age of Access“identifizierte der Deutsche in „Nutzenstatt Besitzen“ eine neue Dimensiondes Konsums. Der „undisziplinierte“Raucher erkannte sodann dieNotwendigkeit von „Service Design“und richtete dazu 1991 die weltweit

erste Professur ein – in derDienstleistungswüste Deutschland.Mit einem weiteren Fokus auf„Gender Studies“ dachte er ebenfallseine Bundeskanzlerin Angela Merkelund den Frauenrasierer Gillette Venusvoraus. Obwohl für ihn „alles Designist“, interessiert sich Erlhoff, derselber kein Designer ist, für allesaußer für die „Form“. Als Chef desRats für Formgebung setzte er für denPreis „Die Gute Form“ einenwürdigeren Namen durch:„Designpreis der BundesrepublikDeutschland“. Man könnte meinen,Erlhoff habe somit die gute Form,dieses Fundament des westdeutschen

Designs, getötet. Oder man könntemeinen, Erlhoff habe einmal wiedereine unaufhaltsame Transformationantizipiert: weg vom aristokratischenKonzept des Schiedsrichters überfeinen Geschmack, hin zurhyperdemokratischen Ich-Gesellschaftdes „Gefällt mir“. Design wurde frei:Wenn jeder Mensch Anspruch aufeine Form nach eigenem Geschmackerheben darf, so darf jeder Gestalterbeliebig viele Formen kreieren, derenGüte nicht mehr wissenschaftlicherforscht und inhaltlich begründet,sondern lediglich numerisch ermitteltwird – nach Facebooks Daumen-Hoch-Prinzip. Wie viele Formen wie vielen

Menschen gefallen, bedeutet abernicht viel. Es hat in 110 Jahren 550Nobelpreise und in 84 Jahren 2.800Academy Awards gegeben. Dagegenallein in den letzten 6 Jahren 4.092deutsche Red-Dot-Preise fürProduktdesign. Als Anagramm kannman Red Dot auch als „Der Tod“ lesen,schmunzelt Erlhoff. Form um der Formwillen heißt des Designs neues Prinzip.Beispiel: das Rücklicht des PorscheCayenne. Hübsch, hässlich, gut? Solange das Gebot der guten Form galt,galten auch Richtlinien zurFormgebung einer Rückleuchte.Deswegen kamen früher alle gutendeutschen Automobilmeister auf

dieselbe sinnvolle Gestaltung, nachFarben und Formen gegliedert, derBlinker stets am äußeren Endeangebracht. Definitiv gut, vielleichtaber langweilig. Nicht so die neueForm: Als geschmacksintensivesFrappé aus Bohne, Biene und Bananewurde sie gestaltet, damit sie demAutomobil gut steht. Trotzdem ist dasleuchtende Kunstwerk misslungen:Mit einem willkürlichen Schnittmusste es nachträglich geteilt werden– damit die Heckklappe überhauptaufgeht. Ein Teil des Blinkers bliebdummerweise auf der falschen Seite,verstümmelt und verwaist. Ansonstenkeine Chance zu erkennen, wo welche

Signalfunktion sich verbirgt.Offensichtlich stört die mangelndeDesignqualität niemanden – manbewundert das Feuerwerk. Noch eineVoraussage Erlhoffs hat sich zumGlück bestätigt: Die gute Form ist tot,doch Design lebt weiter – nurwoanders, vielschichtiger undabstrakter denn je.

03. Juli, 2012

Autobild: Audi City

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.Es hebe die Hand, wer diesen Satznicht schon einmal gesagt hat. Dererste war jedenfalls nicht Konfuzius,wie man gemeinhin glaubt, sondern

Fred R. Barnard, ein amerikanischerWerbefachmann, der um 1920 dasangeblich chinesische Sprichworterfand, um Kunden anzulocken. Manmuss kein Philologe sein, um genaudas Gegenteil zu behaupten, dennochhat sich Barnards Postulat alsgoldrichtig herausgestellt. Dasmenschliche Gehirn ist grundsätzlichfaul und arbeitet gerne mit Bildern.RTL-Gründer Helmut Thoma sprachnicht umsonst von Couch Potatoes,eine in ihrer gemütlichen Passivitätgefangene Zielgruppe, die vor demBild(schirm) sprichwörtlich abhängt.Erst wurde man in einen Tuttifrutti-Kindergarten versetzt und hing mit

offenem Mund und glitzernden Augenvor der Glotze, als ob sie einunendliches Märchenbuch wäre. Dannkam die Internet-Schule und manmusste Schreiben lernen. Selbst werdie sozialen Netzwerke noch scheut,kommuniziert mit Bildern. DieAnnonce für das gebrauchteAutomobil, die Einladungskarte zurGeburtstagsparty, alles mit Bild –heute billig und bequem. Allmählichergänzt eine Bilderwelt die Welt, sodass man beide Dimensionen kaummehr unterscheiden kann. Aber „sinddiese Bilder echt“? Weil diePhantomzeichnungen zur Vorstellungkünftiger Automobilmodelle

mittlerweile verführerisch real wirken,musste „AutoBild“ die Leser eine Zeitlang darauf aufmerksam machen, dassein Bild auch Abstraktion ist, wennnicht gar Manipulation. Ob man demberühmten Topmodel am Flughafenbegegnet oder das ersehntePremiummodell auf der Straßeerwischt: Wahre Ware enttäuscht.Schuld daran ist weniger der klugeFotograf als besagtes faules Gehirn.Dreidimensionalität im Kontextwahrzunehmen, erfordert mehrAufwand, als die direkte Aufnahmeder synthetischen Oberflächlichkeiteines Bildes. Man tut den Menschenalso einen Gefallen, wenn man ihnen

die Realität als Bild anbietet. Einenkonsequenten Schritt in dieseRichtung geht auch Audi City, eineneue Art des Automobilsalons, in demdas Auto als Bild verkauft wird. DieIdee ist klug, denn wenn man Bilderstatt Autos präsentiert, braucht mannur ein Drittel der Verkaufsfläche. DerKunde sitzt am „Multitouch-Table“und spielt mit einem Konfigurator. Hater seinen Favoriten gefunden, kann erdas Bild mit einer einfachen Geste aufdie „Powerwall“ übertragen, eine 12Quadratmeter große Leinwand, diedas Auto in tatsächlicher Größepräsentiert – es rotiert wie auf derBühne oder fährt durch eine magische

Landschaft, der Innenraum lässt sichbis ins Detail erkunden. Trotzminimalistisch-superkühlerInneneinrichtung in Audis bewährtemVorsprung-durch-Technik-Look, kannman bei Audi City den spielerischenAnsatz nicht übersehen. Mehrerehundert Millionen Modellvariantenkann man am Touchscreen erzeugen.Und wären es auch nur einhundertMillionen, so müsste man schon ganze3 Jahre vor der „Powerwall“ sitzen, umalle Modelle im Sekundentakt zubewundern. Ein unendliches Spiel,wofür die beste Location gewähltwurde: ganz in der Nähe derglamourösen Spielotheken um

Piccadilly Circus. Man kann das Spielaber auch zu Hause fortsetzen, bisman vielleicht eines Tages kein Automehr, sondern einfach nur dessen Bildkaufen möchte.

07. August, 2012

Design im Zwischenraum:Dr.BEST

Spieglein, Spieglein an der Wand, wieheißt der beste Designdoktor imganzen Land? In Köln wird eineProfessorin – oder ihr männliches

Äquivalent – für den erhabenenLehrstuhl Designtheorie und -Forschung gesucht. Das Assessment istbei solch einer bedeutenden Berufungdenkbar umfangreich. Zusammen mitder Kommission dürfen hunderte vonStudierenden den Probevorlesungenbeiwohnen – und diese schließlichauch bewerten. Das Verfahren dauertmehrere Tage und nimmt sounabsichtlich den Charakter einerhochkarätigen Konferenz über das„Dasein des Designs“ an. Das Fazitnach zahlreichen Vorträgen: Es gibt zuviele Designtheorien und somiteigentlich gar keine. Mit derDesignforschung ist es auch nicht

anders. Kein Diagramm, das glaubhaftdarstellen könnte, wie die Verzahnungzwischen dieser undiszipliniertenDisziplin und sämtlichen etabliertenDisziplinen funktioniert. Eine derKandidatinnen zeigt ineinanderfließende Blasen verschiedenerGrößen – eine für jede Wissenschaft –warnt aber gleichzeitig davor, dies alsetwas Feststehendes zu begreifen:Man müsse sich die Grafik als eindynamisches Bild vorstellen, woDesign sukzessive mit allem zurechtkommt, zum Beispiel mitSozialwissenschaft, Politik oderIngenieurwesen. Mit allem eben oderauch mit nichts. Dass Design sich

schwer fangen lässt, scheint dasHauptproblem einerheranwachsenden Generation vondenkenden Gestaltern zu sein, dieeinen festen Platz in der Wissenschaftsucht – neben der Wirtschaft,vielleicht sogar neben der Politik.Design möchte eine schöne rundeBlase sein – je größer, desto besser.Nicht der Anspruch, sondern dieVision ist falsch. Design kann vieles,nur keine Blase sein. Genau in demMoment, wo man versucht, Grenzenund Grenzübergänge zu definieren,platzt die Designblase. TragischeErkenntnis für den Gestalter: Designist kein goldener Kreis, wie ihn Giotto

freihändig gemalt hätte, sondernunförmiges Cytoplasma – eineschleimige, untergründige Substanz.Sich mit diesem Bild abzufinden, istdie wichtigste Aufgabe des Designs.Darin Qualität zu erkennen, ist diegrößte Herausforderung für Nicht-Designer. Eher als von einem Da-seindes Designs, könnte man von einemDazwischen-sein reden. Design ist einfaszinierender Zwischenraum. Wennjemand das verstehen kann, dannZahnbürstenkönig Dr. BEST – derBegriff „Forschung“ gehört ja mit zumNamen der GlaxoSmithKline-Marke –,denn er hat längst das Problem dergründlichen Zahnhygiene gelöst. 1988

kam die „klügere Zahnbürste“ underoberte mit Spezialfederung undSchwingkopf den deutschen Markt.Dann entdeckte der Doktor denZwischenzahn-Space, insofernattraktiv für die Forschung, als dassman ihn nicht wirklich sehen undangreifen kann. Äußerstunterschwellig. Ganz wie Design.

13. November, 2012

Die Wohnmaschine: BMW i3

Ein neues Automobil! Man hört dieseAnsage öfter als es angebracht wäre.Deutschlands Bestseller wird 40 Jahrealt. Gewiss, der siebte Golf ist auf demneuesten Stand. Aber neu?

Modularbaukasten nennt man die Art,Autos aus vielen alten und wenigenneuen Teilen zusammenzustellen. Dasgilt für die Technik, wie auch für dieFormen, die immer wieder dasselbeMotiv aufgreifen. Als der Golf wirklichneu war, baute man noch echteStahlkarossen, wie aus einemBlechguss gepresst. Man konnteLeuchten, Stoßstangen und Grillentfernen, trotzdem blieb das Blech inForm. Heute dagegen bleibt nichts.Obwohl gestalterisch vollendet, ist diegegenwärtige Automobilform einedünne Oberfläche. So baut mangünstig, präzise und risikofrei. Dummnur, dass die Form ihre wahre Qualität

nicht mehr preisgibt, sondernstattdessen versucht, sich alsidealisierte Reproduktion alten Blechsdarzustellen. Nicht so der BMW i3.Endlich ein neues Auto! Eingewöhnungsbedürftiges Elektroautomit Gerippe aus leichtenCarbonfasern und dünner Plastikhaut.Ein Black-Belt aus schwarzabgesetzten Bauteilen bricht diekompakte One-Box Form auseinander.In ein dreidimensionales Patchwork-Produkt zusammengenäht, bleibennach der Dekonstruktion einzelneDetails sichtbar. Man erkennt die Zick-Zack-Gürtellinie des Citroën C2, dieSchmetterlingstüren des Mazda RX-8,

das Panoramadach von Mercedes-Benz, die C-Säule des Fiat Panda, dasgläserne Heck des VW Up und (wieunpassend!) die alten BMW-Nieren.Trotzdem ist der i3 absolut einzigartig– weil unruhig, unharmonisch,unstimmig. Seine Oberfläche willgefühlt werden: präzise und gutgebaut, aber mehr Handyschale alsKarosserie. Das Objekt ist eher eingigantisches elektronisches Gerät alsein Automobil. So versteht man denSinn dieser Form und noch dazu, dassdie Schönheit der Form unwichtig ist,weil kleinbürgerliche Geschmacksache:Der i3 verneint jeglichen automobilenSchönheitskanon und lenkt das Auge

des Betrachters auf neue Werte. ImKonzept eine Hommage an dasSchweizer „Born Electric“ ElektroautoMindset, profitiert der Innenraum desi3 – klar, wohnlich, spärlich und fein –vom platzsparenden Elektroantriebund setzt mit unmissverständlicherStilsicherheit neue Maßstäbe inArchitektur, Design undMaterialeinsatz. Eine Wohnmaschinefür Ästheten und jene, die es werdenmöchten.

14. August, 2013

Schwindelform: Smart Fortwo

Ein Concours d’Élégance, der soaussieht, als ob die Welt zwischenVanderbilt, Krupp und Agnelli stehengeblieben sei. Man sitzt auf derTerrasse eines bergischen Schlosses –

Hermann Muthesius’ „EnglischemHaus“ nachempfunden – undbewundert die Umgebung. Im Parkglänzen mit Bienenwachs massierteDickhäuter und in feinstem Chromgebadete Flitzer. Die Sonnenschirmekämpfen gegen die Mittagsbrise, dasKristall nimmt wohlwollend diesinnliche Champagnerflut auf. Als„Best of Show“ begrüßt wird in diesemWunderland ein graziös nüchterneritalienischer Roadster in einerreizlosen Farbe zwischen Elfenbeinund Creme, die man auf Taxis hässlichnennen würde. Während derprächtigen Schau erklärt mein Guruden Tod des großen Designs. Stephen

Bayley, der die kulturelle Implikationvon Design sehr früh erkannte, istschließlich bereit, den Drang nachdem Hässlichen – nach seinemneuesten Buch „Ugly“ – alsnotwendige Irrationalität desMenschen zu akzeptieren. Wirgedenken der großen Meister, lassenden Champagner fließen, und weil wiroptimistisch sind, freuen wir uns aufsnächste Design. Dessen Dimensionensind sozialer und komplexergeworden: nicht mehr eindeutig,sondern diffus, nicht länger endgültig,sondern unbeständig, nicht weiterselbstverständlich, sondernerklärungsbedürftig. Schließlich die

Feststellung: Es ist mehr denn jenotwendig, über Design zu reden. Umden ästhetischen Gehalt des neuenModells zu präsentieren, nimmt sichSmart gut vier DIN-Normseiten – oderdreimal so viel Platz wie TumminellisDesignkritik. Nicht das Konzept wirderklärt, das gegenüber dem 16 Jahrealten Vorgänger unverändert bleibtund auch nicht die Substanz, die dereines echten Automobils näherkommen soll. Immaterielles undIrrationales dominieren stattdessenden Designtext. Charakter, Wirkungund Schein überrumpeln sich in einerästhetischen Orgie – der ganzeConcours fließt in einem Wagen

zusammen. Am Ende der Lesung wirdklar, dass nichts im neuen Smartfeststeht – im Gegensatz zur alten„Guten Form“ –, sondern allesschwebt, schwingt, pulsiert:kugelförmig „nicht hochglänzend,sondern mattiert“, rhombisch, aber„oben leicht angeschnitten“, in U-Form wie das Tagfahrlicht oderringförmig wie die elf Heckleuchten.Innen und außen tänzeln Design-Effekte: Cubes, Fading, Loop undMesh. Als ultimatives Markenzeichenziert und prägt den smarten Wagenein Bienenwabenmuster, das je nachAnwendung verblasst oder streut. Lastbut not least: Das Infotainmentcenter

ist im „modernen Consumer-Electronic-Style gestaltet“. Nein, esschwebt nicht. Es „scheint nur zuschweben“. Basta Champagner, mirwird’s schwindelig.

21. Juli, 2014

Ansichten

Das Auto ohne Eigenschaften:Renault Twingo

Ob man ihn mag oder nicht, neben

Käfer, Mini und Panda zählt Renaultserster Twingo zu den kleinformatigenMeilensteinen derAutomobilgeschichte. Nicht nurformell revolutionär konzipiert,verkörperte er in bester Weise dieeinstige Markenphilosophie vonRenault: „Autos zum Leben“.Anspruchslose Motorisierung und karggehaltene Ausstattung, dafür aber vielRaumgefühl und eineaußergewöhnlich sympathischeErscheinung. Extrovertiert, kontroversund einmalig – dieses Anti-Automobilwurde zur neo-populären Ikone undblieb erstaunlich lange auf demMarkt. 2,4 Millionen Exemplare und

ein Lebenszyklus von über 14 Jahrensind eine Spitzenleistung für einFahrzeug der 90er Jahre. So überlebteder Twingo auch Renaults Marken-Relaunch zum „Créateurd’Automobiles“: Selbstbewusster undnoch extravaganter, aber auch sehrmodisch, wurde die Régie im neuenJahrhundert. Als einziges Fahrzeug derPalette blieb der Twingo unangetastetund seiner ursprünglichen Ästhetiktreu. Dennoch: Dass die Produktiondieser Ikone irgendwann eingestelltwerden musste, war klar. Doch wiekann man eine Ikone überhauptersetzen? Während Renault Designnoch mit der Beantwortung dieser

Frage beschäftigt war, wurde dercharismatische Carlos Ghosn zumneuen Chef des Hauses undverordnete einen Strategiewechsel.Weniger Design und mehrKundennähe, so lautet das neueRezept. Man spricht von „freundlichenAutos“, in denen „sich alle wohlfühlen können“. Nur für den Twingokam die Entscheidung ungelegen. Einbereits definierter Nachfolger wurdegestoppt, und ganz schnell mussteeine Notlösung ausgearbeitet werden.Das Ergebnis riecht nach Einheitsbrei.Der Neue ist ein nicht unschöner, sehrkonventioneller Kleinwagen, dererstaunlicherweise dynamisch-

aggressiv in Szene gesetzt wird: In derPressemappe ist die Rede von einem„sportlich-frechen Stadtflitzer“ mitMotorsport-Allüre. Trotz aller Achtungfür Alonsos Erfolge, fragt man sichdoch, wie Renault das Image eines„Anti-Automobils“ zu der einesFlitzers umwandeln kann – einePositionierung, die mit der MarkeTwingo nichts zu tun hat. Aus einerherausragenden Erscheinung wird einAuto ohne Eigenschaften. Herr GhosnsVorgehensweise kann man insofernverstehen, als dass man bei einemStrategiewechsel nie zu emotional mitder Vergangenheit umgehen darf.Mindestens anderthalb Jahre wird es

dauern, bevor man die Früchte derstrategischen Neuausrichtung vonRenault bestaunen kann. Der neueTwingo musste früher kommen undwird sich auch früh wiederverabschieden. Gewiss noch bevor dieErinnerung an seinen legendärenVorgänger verblasst.

09.Oktober, 2006

Small Turismo: Opel GT

Wenn ein Automobilkonzern guteLaune verbreiten will, ist nichts bessergeeignet, als die Präsentation einesoffenen Flitzers. So ein Wagen siehtim Showroom und auf der Website

gut aus, kommt bei der Presse an undsorgt stets für einen positivenImagetransfer auf die restlichenModelle. Gerade weil Opel versucht,durch „frisches Denken“ und „bessereAutos“ seine Image-Talsohle hintersich zu lassen, ist es verständlich, dassdie Rüsselsheimer gute Launeverbreiten wollen. Diese setzten sie ineinem neuen Roadster um, der imKonzept massentauglicher ist als derausgelaufene Speedster, der sich trotzLotus-Technik aufgrund des Opel-Images kaum durchsetzten konnte.Auch diesmal greift Opel auf einevorhandene Plattform zurück: die desin den USA frisch eingeführten Pontiac

Solstice. Neben Maßen undProportionen weist der identischeTürschnitt auf die engeVerwandtschaft hin – wogegen imGrunde genommen auch nichtseinzuwenden ist. Der in Europa kaumbekannte Solstice ist keineswegsamerikanisch, vielmehr interpretierter die Tradition des britischenRoadsters und würde sich auch inEuropa wunderbar verkaufen lassen –wenn nur die Markenstrategie vonGM dies zuließe. Stattdessen muss deramerikanische Schönling hierzulandeein Opelkleid tragen, das keineswegsvorteilhaft aussieht. Nicht, weil eseckiger ist, sondern weil es die

bekannte und nicht geradeaufregende gestalterischeKonnotation des Astra und des Vectraauf eine Produktwelt überträgt, dievon beiden Alltagsmodellen sehr weitentfernt und der Blitz-Markeeigentlich fremd ist. Um der Operationbessere Erfolgschancen zuverschaffen, griff Opelüberraschenderweise auf einen für dieMarke fast mythologischen Namenzurück: GT, so hieß 1968 Opelskompakter und bildschönerSportwagen, der große Erfolge feierte.„Heritage“, so liest man immer wieder,kann für eine Marke sehr gut sein.Doch Verständnis für das Erbe des GT

scheinen die Rüsselsheimer kaum zuhaben. Schon allein weil, zumindestursprünglich, das GT-Kürzel für GranTurismo oder Grand Tourer stand –ein geschlossener Sportwagen mitfließendem Heck also. Erfunden wurdedas Karosserie-Konzept in Italien,vertreten wird es heute auf feinstemNiveau von Aston Martin, Jaguar,Maserati und Porsche. Anmaßend,wenn nicht lächerlich, ist somit dieEntscheidung, den Namen GT füreinen bürgerlichen Roadster zunutzen. Wenn der Ur-GT erfolgreichwar, dann weil er so aussah wie eineverkleinerte Kopie der Corvette – derTraumsportwagen aus den USA. Als

Corvette des kleinen Mannesermöglichte der GT einer neuenKäuferschicht das Gefühl, etwas ganzExklusives und Edles zu fahren. Daranhat sich bis heute nichts geändert:Sportwagenfahrer bleiben Träumer.Mit 260 PS, Hinterradantrieb und dem„ansprechenden Preis“ von 29.900Euro mag dieser Opel die Rationalenunter ihnen erreichen. Emotionalgesehen jedoch, wird der neue GTsicherlich keinen neuen Mythoserschaffen. Dafür fehlt ihm daskonzeptionelle Dach: Ein geeigneterName, das passende Kleid, amliebsten aber beides.

19. März, 2007

Mysterium des Glaubens:Apple iPhone

Ein neues Produkt allein auf der Basisvon Fotos und Hörensagen zubeurteilen, ist riskant, doch im Falldes iPhones darf man es ruhig wagen.

Obwohl sich die Kritik weniger demProdukt selbst, als vielmehr demMythos zuwenden muss: Bei Applehaben immaterielle Wertemittlerweile Vorrang. Und wenn auchniemand das iPhone bisher gesehenhat, so sprechen inzwischen doch alledarüber. Mehr kann sich eine Markewirklich nicht wünschen. Ob dasiPhone dem Mythos gerecht werdenkann, ist eine Frage, die sich bereitsjetzt beantworten lässt. Mit Ja. DiesesNeugeborene ist von einem einfacheniPod-Phone weit entfernt. Es bildetvielmehr den Grundstein einer neuenProduktreligion. Schon formal zeigtsich eine deutliche Veränderung: weg

vom natürlichen iWeiß, weg von derelementaren Geometrie der iFormund hin zu glänzendem, fettem Chromam Rahmen, während getöntes Glasdie eingefasste Oberfläche schmückt.Vor uns steht ein Upscale-Produkt, mitanderen Worten: Eine moderneInterpretation der Populuxe-Ästhetik,die in einem Zyklus von 30 Jahrenimmer wieder auftaucht. Sowohl inden 50er als auch in den 80er Jahrenlag sie voll im Trend. WasMobiltelefone betrifft, so hat man diebeim iPhone neue ästhetischeKodierung auf Schwarz-Chrom bereitsbei Samsung, Motorola und Nokiagesehen. Was man jedoch noch nicht

anderswo gesehen hat, ist das, wassich dem rein äußerlich fixierten Blickentzieht. Das wahre Mysterium desApfel-Glaubens liegt im OS XBetriebssystem, das hierausschließlich durch einenvielversprechenden Touchscreenbedient werden soll. Das Produkt lebtsozusagen von den sich stetigverändernden Icons, sowie von denVorder- und Hintergründen, durch diees eine eigene Qualität undindividuelle Note erhält. Überhauptverleihen ihm Sensoren eineeigenständiges Leben: Dreht man dasGerät in die Waagerechte, so erkenntdies die Software und wechselt

automatisch in den Landscape-Modusder Bilddarstellung. Hebt man esRichtung Ohr, so schaltet sich derBildschirm automatisch aus, umunnötige Wärmestrahlung undEnergieverbrauch zu vermeiden.Apropos Energieverbrauch: DasHandelsblatt wird alsbald testen, ob,wie befürchtet, die Stromversorgungdie Achillesferse des iPhones darstellt.Aber selbst wenn das der Fall seinsollte, werden sich die Apfelfans nichtdavon abhalten lassen, das Gerät zukaufen, seine empfindliche Haut miteiner Kondom-Hülle zu schützen undes vor allen sonstigen Gefahren dieserWelt zu bewahren. Wie Mütter und

Väter werden sie sich weiterhin überdas schlechte Benehmen und dieKinderkrankheiten ihres Babys sorgen.iPod- und iPhone-Käufer sind keinenormalen Konsumenten. Siebehandeln ihre Geräte wie einenFetisch, der es ihnen ermöglicht,Zuneigungen und Zuwendungenauszuleben, für die sie heute kaumnoch einen Empfänger finden. ImUnterbewusstsein ihrer Besitzeraktivieren die iDingeBeziehungsbedürfnisse, derenBefriedigung gleichzeitig alswohltuende Selbsttherapie gilt. ZumLeidwesen der Konkurrenz, die vonden Apple-Nutzern fahrlässig

geschmäht wird. Dass letztere zumiPhone greifen werden, ist ohnehinklar. Da ist kein Preis zu hoch, keineSchwäche zu groß. Steve Jobs weißdass allzu gut.

23. März, 2007

Unscharfe Kante: MotorolaRazr2

Eine weitere häufige Frage lautet, obman durch Spitzendesign einenWelterfolg garantieren kann. Nichtunbedingt. Was hingegen sicher ist:

Man kann mit „Me too“-Design einenschweren Flop vermeiden. Dies nenntman dann konservative Strategie,beziehungsweise fehlenden Mut.Mutiges Design kann zum Erfolgverhelfen, muss aber nicht.Entscheidend dabei ist dieEinschätzung der Marktdynamik.Heute pflegt das Marketing jeglicheUnsicherheit vorwegzunehmen.Produkte müssen sofort gefallen, einelange Gewöhnungszeit gilt schon fastals Flop. Mutige Unternehmer wissenaber auch, dass es sich lohnt, geduldigzu sein. Selbst der iPod war bis 2002ein Ladenhüter, zu simpel und dabeiviel zu teuer, nicht mal Apple-Fans

waren ganz überzeugt. Steve Jobsblieb trotzdem stur, pflegte dasunveränderte Produkt weiter und ließes zu der nunmehr allseits bekanntenWelterfolgsgeschichte werden.Dagegen verbraucht sich manch eineLiebe schon kurz nach dem erstenBlick, innerhalb einer einzigen Nacht.Über Nacht verdoppelte der erste RazrMotorolas Marktanteile – inDeutschland ging es gar von fünf aufzwanzig Prozent, über fünfzigMillionen Stück wurden weltweitabgesetzt. Hut ab für die Motorola-Designer. Plötzlich wollte jeder dasultraflache, ultrascharfe Klappgerätmit Metalllook besitzen. Es passte

perfekt und nicht nur zufällig in diegleichzeitig modisch gewordeneultraenge Jeanshose. Solch einerasche kollektive Besessenheit besitztschon die Dynamik einer viralenInfektion. So, wie man die Dimensiondes Aufstiegs nicht vorhersehen kann,so kann man leider auch denUntergang nicht kontrollieren. Zwarsind zwei Jahre Lebenszeit für dieMobilbranche fast schon phänomenal,aber binnen eines Quartals istMotorola der Markt weggebrochen.Früher fest bei zuverlässigen Business-Kunden angesiedelt, ist die Moto-Marke dank Razr mit jüngeren,modebewussten Leuten in Berührung

gekommen. Eine fantastische,geradezu handy-gierige Gruppe, diegenauso sexy und cool ist, wiemarkenlaunisch und stilistischunberechenbar. In diesem Milieu sinddie Liebschaften beides: attraktiv undriskant. Kann man die verlorenenLiebhaber zurückerobern? Sicherlichnicht mit einem Remake, egal wie gutes ist. Die verbesserte Neuauflageeines Produkts kann sicherlich einigetreue Fans zum Upgrade motivierenund eventuell noch ein paar „lateadopters“ gewinnen. Aber damitBesessenheit und Hysterie – dieGrundelemente eines Megaerfolgs –hervorzurufen, wird schwierig. Der

Nachfolger Motorazr V8 ist einschickes Handy mit einem wirklichcoolen Namen. Nochmals Hut ab fürdie Motorola-Designer. Das Gerät istflacher und leistungsfähiger gewordenals das Vorgängermodell. Es glänztmöglicherweise zu viel und ist formellnicht scharf genug, eben etwasweiblicher geworden. Bis ins Detail einreifes Produkt, dem man eine guteZukunft wünschen kann. Es ist aberauch mittlerweile „mainstream“ undwird die rasante Erfolgsgeschichte desRazr nicht toppen können. Dabei wäredas eigentlich einfach: Man brauchtnur den Mut, wieder viel zu riskierenund etwas völlig Neues zu machen –

ob fürs Leben oder nur für eine Nacht.

23. Juli, 2007

Bonjour Tristesse: DieFeinstaubplakette

Die Zukunft kann man nichtverkaufen, deswegen ist sie fürsMarketing entweder schlecht oder gareine nicht-existente Kategorie. Doch

die Erfahrung lehrt, dass es immereine Zukunft gibt und dass sie stetsanders ist, als man denkt. MalteJürgens, Chefredakteur der MotorKlassik und profunder Kenner derAutomobilgeschichte, zitiert eineStudie aus dem späten neunzehntenJahrhundert, die den UntergangLondons vorhersagte: Aufgrund desrasant wachsenden Kutschenverkehrswerde die Metropole an der Themsebinnen weniger Jahrzehnte untereinem Berg von Exkrementenversinken. Was die Forscher damalsnicht vorhersehen konnten, war dieErfindung des Automobils und damitdas Verschwinden des Pferdes aus

dem Straßenbild. Heute geht es demAutomobil genauso. Politiker sagenden klimabedingten Untergang dergroßen Metropolen vorher – aufgrunddes steigenden Automobilverkehrs.Keiner wird ernsthaft die Thesebestreiten wollen, dass die städtischeUmwelt ohne stinkende Automobileeine bessere wäre. Das Problembesteht zwar noch, ist aber insofernein gestriges, als die Zukunftemissionsfreie Autos bringen wird.Zukunft heißt hier nicht das nächsteJahrhundert, sondern möglicherweise2010. Bis dahin könntenzukunftsoffene Politiker in die Planungvon Förderungsmaßnahmen zur

Beschleunigung diesesWandlungsprozesses und in dieRealisierung smarter Verkehrssystemeinvestieren. Stattdessen jedoch wurdein Berlin die wahrscheinlichunnötigste Maßnahme überhauptverabschiedet: die Einführung einer„Umweltplakette“. Wenn das Ziel desProjektes tatsächlich die Reduzierungder CO2- und Feinstaub-Werteinnerhalb der Zentren war, dann wirdsich die Sinnlosigkeit dieserMaßnahme rasch bescheinigen lassen.Nicht nur die Betrachtung bestimmterStadtzentren als geschlossene Klima-Räume erscheint schlichtweg abstrus –die Luft zirkuliert ja frei! –, sondern

auch die Behauptung, der deutscheFuhrpark sei veraltet und schmutzigund die Plakette würde dazubeitragen, dass bessere Autos gekauftwerden, hängt verdächtig dünn in derLuft. Die Plakette wird höchstensVerkehrsströme umleiten, was wenigan der gesamten Ökobilanz ändert.Oder sie sogar noch verschlimmert,denn, um die Sperrzonen zu umgehen,werden die Umweltsünder längerunterwegs sein und somit dieStadtluft noch mehr verschmutzen.Aber gibt es diese Umweltsünderdenn wirklich? Angesichts allergeltenden Ausnahmegenehmigungen,darunter richtigerweise jene für

Oldtimerfahrzeuge, riskiert dasVerbot, auf niemanden wirklichzuzutreffen. Um irgendwann vielleichtein seltenes schwarzes Schaf zuerwischen, werden Millionen Fahrergezwungen, Geld und Zeit zuverschwenden für die Beschaffungeines ampelfarbigen Aufklebers: Rotfür die Hölle, Gelb für dasPurgatorium, Grün für das Paradies.Um alle Bürger zu informieren,werden, ökologisch betrachtetinkorrekt, tausende vonVerkehrsschildern angebracht. Alleinder permanente Eingriff in dasStadtbild muss als Verletzung desGemeinschaftssinnes gelten. Dass die

klebrige runde Plakette sich alsmiserable Lösung mit trostloserGestaltung erweist, ist mehr als eineSchande. Einmal mehr verweist dieQualität des Designs auf die Qualitätdes Konzepts: Hätte man damals inLondon auf die gleiche Logik gesetzt,dann hätte man den städtischenPferden grüne Windeln verordnet.

21. Dezember, 2007

Inefficient Dynamics: BMWConcept 5 Series GranTurismo

Das Auto des Jahres 1977 sprichtEnglisch und kommt spät. Zehn Jahrezuvor hatte Paolo Martin als junges,

für die italienischen Pininfarina-Werketätiges Talent mit seinem BerlinaAerodinamica das Limousinen-Designrevolutioniert. Fließendaerodynamisch war der gelbe Wagen,mit einer flachen Front und einemsteilen Kamm-Heck, hinter dem sichein riesiges Gepäckabteil verbarg.Radikal brach der Designer mit demtraditionellen Bild der großenFamilienkutsche. Citroen (GS, CX),Lancia (Beta, Gamma), Renault (20,30) und VW (Passat) übernahmen dieIdee. Das Fließheck wird zum Symboldes Wertewandels einer ganzenGeneration – weg vom traditionellenStatus, hin zu dynamischem Motus.

Vollendet wurde dieser Weg 1977 mitdem Rover SD1. Was die britischeLimousine heute noch so besondersmacht, sind drei Merkmale, die manzunächst für unvereinbar hielt: ein V8-Motor wie im Rolls-Royce, eineHeckklappe wie im VW Golf, eine GT-Linie wie im Ferrari-Daytona. DieKombination aus Noblesse, Vernunftund Eleganz wurde von der Pressejubelnd aufgenommen und zurechtausgezeichnet. Doch für denprogressiven Briten war es wahrlich zuspät. Die 80er Jahre brachten RonaldReagan erstmals ins Weiße Haus undkonservative Werte erneut ins Spiel.Mit Nancys Bestellung eines

Porzellanservice mit Goldrand kehrteauch die Stufenheck-Limousine in dieGaragen zurück. Seitdem hat dieBranche ihre klassischen Limousinen-Modelle unbeirrt weiterentwickelt. Sozum Beispiel den 5er BMW,angefangen mit dem 1500 der „NeuenKlasse“ 1961. Ein „völlig neuesFahrzeugsegment“, also wieder eine„Neue Klasse“, will auch der Concept 5Series Gran Turismo sein. SovielBegeisterung kann man kaumverstehen. Der Wagen ist ein 5er mitHeckklappe, die man entweder ganzöffnen kann, wie im Opel Insignia,oder auch nur getrennt, wie im SkodaSuperb – und all das, „ohne dass

Zuglufteinflüsse oderTemperaturveränderungen imFahrgastraum auftreten“, wie imCitroen XM anno 1989. Aus demCitroen Repertoire stammen auch dievier rahmenlosen Türen und das helleDach, wie im DS anno 1955. „DasKonzept des flexibel wandelbarenInnenraums“ beeindruckt weniger alsder Innenraum des R16, Renaultsinnovative Schrägheck-Limousineanno 1965. Zwischen 5er und 7ermöchte BMW dieses Superkonzept inSerie positionieren. Doch genügendPlatz gibt es in dieser Liga nicht. NeueWerte sind im Kommen, angesichtsderer dieses BMW-Konzept weder

bedeutend noch zeitgemäß ist: FünfMeter Karre für nur vier Passagieresind zu dick. Der 5er Concept GT istweder „efficient“ noch „dynamic“noch schön. Wohin also damit?

23. Februar, 2009

Electric Cowboy: MennekesTyp-2 Ladestecker

Die Vision von Elektromobilitätversetzt uns in eine spannendeVergangenheit zurück: die Eroberungdes Wilden Westens. Das „Frontier

Land“ wird durch Hardcore undRomantik geprägt, die Figur desCowboys spielt die Hauptrolle.Genauer betrachtet, teilen sich Ritterund Pferd, beide einsam und dochgemeinsam unterwegs, diese Rolle.Das Bild kennt jeder: Der Cowboysteigt vom Pferd, schlingt den Zügelum einen Balken und betritt denSaloon. Im Film trifft neue auf alteWelt, wobei die zeitliche Verzerrungüberraschen kann: Während GeneralCuster am Little Bighorn von SittingBull und Crazy Horse massakriert wird,gründet Thomas Alva Edison in MenloPark seine Laboratories. Seine Visionzur Elektrifizierung des Lebens ist

umfassend und weitreichend, vomKraftwerk über Stromleitungen bis zurGlühbirne – und natürlich demAutomobil. Zwei Jahre später fährtThomas A. sein erstes Elektroauto,einen 1878er Baker aus Cleveland, dermit Edison Nickel-EisenAkkumulatoren ausgestattet ist.Elektromobilität ist um 1900 bereitsRealität: Über dreißig Prozent der inden USA zugelassenen Autos fahrenelektrisch. Doch bald schon erweitertdie Eroberung des Westens denHorizont: Kommunikation zwischenden Staaten bedeutetLangstreckenfahrten durchunbesiedelte Gebiete. Die Entdeckung

von Öl in Texas im Jahr 1901 sorgtdafür, dass RockefellersTankstellennetz wirtschaftlicher undschneller realisiert wird als EdisonsStromleitungen. Henry Ford, einMitarbeiter von Edison, sieht dieChance, steigt aus und setzt seinweltveränderndes Automobilprojektum – mit Verbrenner. So begann undendete vor hundert Jahren der Traumvon der Elektromobilität. Die heutigeRenaissance versetzt uns in dieFrontier-Zeit zurück. Man darf im E-Auto die Welt erkunden. Wenn dasPferd (die Batterie) müde wird, mussman zum Saloon (oder nach Hause)fahren, die Zügel (sprich Kabel)

anbinden und Strom tanken.Eigentlich ganz einfach, an jederbeliebigen Steckdose. Umso mehrerstaunt die Entscheidung, noch bevordie ersten E-Autos auf den Marktkommen, einen speziellen Steckernormieren zu müssen. Man gehtdavon aus, dass man Elektroautosnicht überall, sondern nur anausgewiesenen Zapfsäulen ladenkann. Befürwortet wurde dieNeunormierung von derBundesregierung, durchgesetzt wurdesie von „führendenAutomobilherstellern undEnergiekonzernen“. Dadurch entstehtder Eindruck, dass man von einer

Zielgruppe profitieren will, bevordiese überhaupt entsteht. Seitens derPolitik wäre diese Intention damit zuerklären, dass man mit einemkontrollierten Zugang fiskaleInstrumente durchsetzen könnte, dieden künftigen Einnahmenausfall inder Benzinsteuer kompensierenwürden. Seitens der Hersteller könnteman die Freude darüber vermuten,dass man das Thema Elektromobilitätdoch noch ein bisschen komplexerund unwahrscheinlicher gestaltenkann. Seitens der Stromkonzernekönnte man den Wunsch erkennen,teurere Sondertarife fürMobilitätsstrom (im Gegensatz zu

Haushaltsstrom) durchzusetzen. DerMennekes-Stecker steht nicht für,sondern gegen eine schnelleRealisierung des GroßprojektsElektromobilität. Dass dersiebenpolige Stecker wie eine Pistoleausschaut, erscheint dann nur nochlustig. Ob als Mord- oderSelbstmordwaffe spielt keine Rolle:Der gute alte Edison hätte diese Waffeganz anders gestaltet – nämlich garnicht – und General Custer hätte sieauch nicht helfen können.

12. Mai, 2009

Downsizing: HandelsblattTabloid

Aufgrund des wirtschaftlichenErdbebens muss die globale Industrieihren Masterplan verändern. Die

Einführung manch neuen Produktesmuss verschoben oder gar gestrichenwerden, und man darf sich Zeitnehmen, um neue Konzepte fürProdukte und Dienstleistungen zudefinieren. Was designrelevanteNeuerscheinungen angeht, ist esderzeit allerdings denkbar langweilig.Drei Ereignisse sind jedocherwähnenswert: Erstens, dieWiedereinführung des MacBook Promit 13-Zoll-Bildschirm, der kleinsteunter den Premium-Laptops.Zweitens, das europaweiteVerkaufsverbot für die 100-Watt-Glühbirne, die Königin unter denLeuchtmitteln. Drittens, die

Ankündigung von Ulrich Bez, einenKleinwagen auf Toyota-IQ-Basis unterder Marke Aston Martin vermarktenzu wollen. Es gibt aber noch einviertes Ereignis: das Handelsblatt imneuen Format. Was alle Ereignisseverbindet, ist eine gemeinsameBotschaft: Downsizing. Die Kunst,Dinge kleiner zu machen, denÜberfluss zu vermeiden, liegt wiederim Trend. Dessen Wiederkehr darfnicht verwundern, denn Downsizinghat die Angewohnheit, stets zuKrisenzeiten aufzutreten: 1929, 1959,1979, nun auch 2009. Im Verhältniszur Vergangenheit hat sich dieBotschaft jedoch verändert. Wurde

Downsizing früher als notwendigeVerzichtserklärung verstanden undvon Herstellern und deren Kunden nurkurze Zeit geduldet, so findet inunserer wachstumsverwöhntenKonsumgesellschaft nun allmählichein Paradigmenwechsel statt.Downsizing gilt als sexy. Dafür gibt esmehrere Erklärungen. Einerseits dieErkenntnis, dass der Besitz von vielenRiesendingen kein Indikator mehr fürsozialen, geschweige dennintellektuellen Wohlstand ist.Andererseits die Feststellung, dassman aus lauter Mehrbesitz kaum nochZeit und Raum für sich selbst inAnspruch nehmen kann. Und letztlich

die Bekenntnis zu mehr privater undsozialer Verantwortung in Bezug aufden Einsatz von Ressourcen undEnergien – sei es aus Angst vorkünftigen Versorgungsengpässen, ausFreude an technischer Gesamteffizienzoder aus dem Bedürfnis heraus, sichdurch den intelligenten Gebrauch vonProdukten und Dienstleistungen ausder blind konsumierenden Masseherauszuheben. Das Handelsblatt istkleiner geworden, erhebt dafür aberden Anspruch besser zu sein. DerWirtschaftskrise ist zu verdanken, dasseine lange diskutierte Veränderungendlich durchgesetzt werden konnte.Bestand einerseits der Wunsch, das

Blatt effizienter und leserfreundlicherzu gestalten, so konnte und wollteman nicht das Risiko eingehen, dieVerkleinerung des Formats mit einerMinderung der inhaltlichenKompetenz einhergehen zu lassen.Genau das wäre passiert, hätte mandie Umstellung früher vorangebracht:als das Leben in derBundesmedienrepublik noch einerVanity Fair glich und esAutomobilfirmen gab, die mehr Profitals Umsatz machten. Plötzlicherscheint selbst die Werbe-Doppelseite von BMW, welche dieerste Ausgabe des neuenHandelsblatts schmückt, im richtigen

Größenverhältnis. Im übrigen stelltsich außerhalb einesfinanzwirtschaftlichen Kontexts dieFrage nach der Größe nicht: So wie dieSchuhe eines Profisportlers, muss sieeinfach passen. Das neue Handelsblattpasst, schön aufgeschlagen, genau zurdurchschnittlichen Schulterbreite oderder Breite eines Flugzeugsitzes. Alsogenau richtig – egal was drin steht.

02. Februar, 2009

Minus-Punkte: Der Punkte-Tacho

Raser sind das Haar in derVerkehrssuppe, Gegenstandaberwitziger Werbung und Themaendloser Tischgespräche: Fahren

Frauen sicherer als Männer? Bis dieFrage wissenschaftlich erforscht seinwird, kann man sich nur Klischeesbedienen. Raser sind zwangsläufigKerle, die im Stehen pinkeln – ganzegal, auf welch winzige GrößeAutobahnplakate ihr äußeresGeschlechtsorgan reduzieren.Immerhin erfand Verkehrsminister a.D. Peter Ramsauer das Wort „Rowdy“,geschlechtsneutral und politisch klug.Denn Rowdy ist gefühlt jung undinternational, also meilenweit vomtypischen CSU-Wählerprofil entfernt.Ramsauer, der kreativsteBundesminister seit dem Erfinder vonDosenpfand und Plakettensystem,

versuchte außerdem, dieStraßenverkehrsordnung – traurigesÜberbleibsel einer NapoleonischenDisziplinargesellschaft – alsspannende Unterhaltung neu zugestalten. Mit dem Punkte-Tacho! WieFrederic Meisner vor dem Glücksrad,posierte der bayerische Politiker 2012vor einem riesengroßen buntgemalten Schaubild des neuenBußgeldkatalogs, der „größten Reformin der Geschichte der FlensburgerPunktekartei“. Mit Daumen nachunten schob er den Zeiger gegen 8und meinte dabei: Schluss mit lustig.Um die Vorteile politischerKontinuität zu betonen, gibt

Nachfolger Alex DornbrindtRamsauers Reform den endgültigenKraftschub. Hochpolitisch spricht ervon „Modernisierung“, nennt dasneue System „einfacher, klarer,verständlicher“ und hofft somit auferhöhte Akzeptanz. Dabei hat sich imWesentlichen nichts verändert, manmuss lediglich bis 8 statt bis 18 zählenkönnen, bis der Lappen weg ist. Als obdas nicht einfach genug und erst rechtnicht genug der Bestätigung wäre,dass der Bürger immer mehr als Kindbehandelt wird, wird die Neuregelungauch noch durch Ramsauers buntesSpielzeug-Tacho veranschaulicht. Manmag sich zwar freuen, dass die Politik

ihre trockene Sprache durchKommunikationsdesign bereichert,aber – obwohl es völlig der deutschenRealität entspricht – ein Glücksrad alsVerkehrsregelung kann höchstens vonBriten als Humor verstanden werden.Wenigstens bestätigte Ramsauer eine10% höhere Wahrscheinlichkeit desFührerscheinentzugs und gab sich inder Beurteilung der mutmaßlichenRowdies kulanter – immerhin sindzehn Millionen Wähler betroffen. Mitseinem Tacho bewegten sich„Straftäter“ mit 1 bis 3 Punkten nochim grünen Bereich. In der Groko-Variante Dobrindts ist man nur bei 0grün. Ein Punkt reicht, um als graue

Maus abgestempelt zu werden. Spieltman weiter, werden bei 3 die SünderFDP-Gelb, bei 6 SPD-Rot und bei 8Union-Schwarz. Oder, um es mitbritischem Humor zu sagen: NurGrüne verzichten aufs Autofahren undkommen ungestraft davon.

05. Mai, 2014

Das Wunder von Rio: DiePKW-Maut

Weltmeister 2014! Dem ist nichtshinzufügen. Egal, ob kurz vor zwölfnoch gerettet. Nur das Ergebnis zählt.Und das grandiose Spektakel. Unter

einem Corcovado in Schwarz-Rot-Goldjubelte Bundespräsident Gauck wieein Kind, wie ein Teenie ließ sichMerkel zu Umarmungen, Küssen undspäter sogar Selfies hinreißen. Politikbraucht Fußball. Umgekehrt ist dasbesser nicht der Fall: Angesichts dergefährlich hohen Unfallquote müssteMerkel vorsorglich eine Zwanziger-Zone auf deutschem Fußballfeldverordnen. Alternativen sindbestenfalls unbefriedigend. EineHelmpflicht für Spieler ist mit derNotwendigkeit, ihr Gesicht aufPudding- und Unterhosenwerbung zuverwerten, nicht vereinbar. Trikots mitdem plakativen Warnhinweis [Fußball

fügt Ihrem und anderen Schädelnerheblichen Schaden zu] wären derÜbersetzung wegen ebenfallsproblematisch. Politisch durchsetzbarbliebe nur eine Sicherheitsplakette fürdie Stirn, rund, in Feuerwehrrot undmit reflektierenden Streifen.Unvorstellbar? Einfach abwarten.Gleich nach dem Spiel verkündeteTorwart Manuel Neuer: „GanzDeutschland ist Weltmeister.“ Undeinem Weltmeistervolk kann maneiniges zumuten: Einen noch teurerenFlughafen, Züge mit noch mehrVerspätung, noch marodereAutobahnen – und dafür eineVignette. Geht es um Designlösungen,

ist die deutsche Bundesregierungungefähr auf dem Stand des Wundersvon Bern geblieben. Kurz nach demersten WM-Titel kam das einheitlicheDIN-Kennzeichen, mit klugemStandard-Design und amtlichem Siegelzum Aufkleben. Die Idee mit derPlakette erschien einfach und günstig:Um 1962 kam eine runde für den TÜV,um 1985 eine sechseckige für die AU.Kaum wurde letztere abgeschafft,führte das erste Merkel-Kabinett dieFeinstaubplakette ein, das vielleichtdümmste Etikett, das die Welt jegesehen hat. Statt dieses endlichabzuschaffen und den Designmüll zubeseitigen, kündigt Minister Dobrindt

einen neuen Aufkleber für dieAutobahnfahrt an. Im App-Zeitaltereine Lösung aus der Nachkriegszeit,die mit der kompliziertesten Art derMautverrechnung seit Erfindung desAutomobils gekoppelt werden soll.Politisch ist die PKW-Maut eineMission Impossible: Damit Ausländernicht diskriminiert werden, müssenauch alle deutschen Fahrer zahlen.Über die Kfz-Steuer bekämen sie danneine Erstattung, die nach verdeckterGewinnausschüttung riecht.Hoffentlich riechen die 50 Millionenunnötigen Aufkleber, die jährlich andeutsche Autos angebracht werdenmüssen, wie Copacabana. Damit man

die nächsten 24 Jahre glaubt, dieAutobahnvignette sei das Wunder vonRio gewesen.

14. Juli, 2014

Perspektiven

Tor! – Hyundai Grandeur

Verträge sind Verträge, also mussAutoland Deutschland hinnehmen,

dass die VIP-Limousinen zur WM ausKorea stammen. Selbst Fußball-Papstund Audi-Promoter Beckenbauerschwärmt derweil, zumindestöffentlich, von den Produkten derMarke Hyundai. Ist das ernst zunehmen, eine Luxus-Limousine vonHyundai? Schaut man sich das Autoan, so lautet die Antwort: Nein. Vornegibt es einen heimlichen Mercedes-Grill (ohne Stern), die Seitenlinie mitdem geschwungenen Kuppeldach undsechs Fenstern ist vom Audiübernommen (ohne dessen Stil), dasHeck schmeckt nach 7er BMW (ohnedessen Extravaganz). Von Hyundaistammen lediglich die unvorteilhaft

modellierten, ausgestellten Kotflügel,die das Ganze ein wenig plumperaussehen lassen als nötig. Jetzt nunehrlich: Wer möchte so ein Autofahren? Bevor man die Hand hebt,sollte man lieber nachdenken. In allerBescheidenheit und in kaum vierJahrzehnten hat es Hyundai aus demNichts auf Rang 6 der Global Playerder Automobilbranche geschafft.Schneller als viele Japaner und vielschneller als jeder westliche Konzern.So falsch kann die Hyundai-Strategiealso nicht sein. Nimmt man die Big-Sixunter die Lupe, so gibt es keinepopulärere Marke als Hyundai. Alsokönnte man wohl sagen, dass keine

andere Marke besser zur Fußball-WMpasst. Populäre Sportart trifft aufVolksmarke. Nur, was bewegt diesesKonsumentenvolk? Das Volk will, jawünschte sich immer schon, einfacheMittel zur Projektion einesidealisierten sozialen Status. Und dasVolk versteht die überforderndeKomplexität, die Doktrin der neuenPremiummarken kaum – geschweigedenn, dass es sich diese leistenkönnte. Das Volk, und hier kommt derTrick, strebt lieber nachBequemlichkeit denn Vollendung.Diesen Wunsch erfüllt ein Hyundai ambesten. Hyundais Autos vereinen alleästhetischen Merkmale eines

bekannten Premiumprodukts undbleiben dabei auf biedere Artmassenfreundlich. Der neue Grandeur– einmal wieder: Was für ein Name! –schenkt mit 5 Metern die Illusion dessechszylindrigen Luxus europäischerHerkunft. Hyundai gibt freiwillig zu,dass nicht viele Grandeur inDeutschland abgesetzt werdenkönnen. Dagegen spricht die Tatsache,dass die Limousine ihre sozialeBedeutung als Familienhut verlorenhat. Sonst würde der Hyundai, dieseFerrero Rocher unter den deutschenPralinen, der automobilen BundesligaSorgen bereiten. Die Sportanalogie istnicht aus der Luft gegriffen. Wenn sie

nicht gerade segeln oder surfen,spielen alle Automarken heute Golf:Eine Scheinwelt für erleseneIndividualisten, die sich von anderenIndividualisten gerne abgrenzenwollen. Hyundai dagegen spieltFußball, scheut weder die Weltprovinznoch die unbeliebten Stadtränder undtrifft idealerweise auf Massen vonMenschen, die mit einem Hyundai zuWal-Mart, zum Center-Park oder ebenins Stadium fahren. Menschen – essind Millionen –, die zwar eher zu fettals zu fit sind, sich aber damitzufriedengeben. Gute Zeiten,schlechte Zeiten, Hyundai freut sichund leidet mit ihnen. Auch wenn der

Wagen kein echter Benz ist:Hauptsache, er sieht ihm ähnlich, undman ist damit zufrieden. Hauptsache,Deutschland wird Weltmeister. Oderirgendwann auch Korea...

19. Juni, 2006

Im Namen des Volkes: VWIndividual

VW ist eine Kollektivmarke, bestensinszeniert in Walt Disneys Love-Bug-Saga: Um die grazile Oma (Volksbild)gegen die Macht des Bösen (Elitebild)

zu retten, rast Herbie (Volkswagen)durch die Straßen San Franciscos undhupt alle Kumpel zur Verteidigung.Hunderte treuer Käfer stürzen sich aufdie tödlichen Caterpillars undbesiegen sie. Ein grandiosesKinoerlebnis, alle weinen vor Freude:aus Liebe zum Automobil. Volkswagenhat sich fest in der beneidenswertenPosition des gutmütigen Riesen unterden globalen Volksmarkenpositioniert. Das vor kurzemeingeführte Premium-Label„Individual“, das unter anderem aufexklusive, für exklusive Kundengefertigte VWs geklebt werden soll,passt in dieses Bild nicht hinein.

Folglich scheint auch dieDesignkonzeption des i-Wappensnicht wirklich gelungen zu sein,obwohl dies hier nur eine Nebenrollespielt. „Excludere“, also„ausschließen“, sollte die MarkeVolkswagen niemanden, denn einevolkstümliche Liebesbeziehung darfniemand zerbrechen. Zwar wird diegesamte Markenstruktur desWolfsburger Konzerns hiermit nichtzerbrochen, aber doch zumindestumgebaut. Eine Millisekunde nachseiner Ernennung zum neuen Chefverkündet Martin Winterkorn denPlan, Audi, Bentley, Bugatti undLamborghini in eine Premiumgruppe

und Volkswagen, Seat und Skoda ineine Volumengruppe zu sortieren. Dieneue Aufteilung ist sinnvoll: Einerseitsgibt es künftig ein wertvolles Bündelan Premium- und Luxusmarken, diegut zueinander passen; andererseitsentsteht ein schwergewichtigesMassen-Konglomerat, in demSynergien einfacher sind. Für dieMarkengruppe Volkswagen, befreitvom Zwang des internen Wettbewerbsum Image und Profit mit der AudiBrand Group, würde das ein „back tothe roots“ bedeuten, einen Schritt,der die Liebesbeziehung zum Volkstärkt. Ab wann das Volk jedoch inden Genuss der Früchte dieser

Strategie kommen kann, ist jetzt diegroße Frage. Erst vor kurzemverabschiedete man eineModelloffensive, wobei ChefdesignerMurat Günak aufgefordert wurde,Volkswagen in die sechsteDesigngeneration seit Entstehung derFirma zu leiten. Noch kann man nichtendgültig sagen, wie die neuenModelle aussehen werden. Fest stehtallerdings, dass deren strategischeRichtlinien die vorherigeMarkenstruktur des Konzernsreflektieren müssen. Ist das mit demneuen Kurs nicht vereinbar, kann esmehr als zehn Jahre dauern und sehrviel Geld kosten, bis sich Volkswagen

der jetzigen Umstrukturierungvollständig angepasst haben wird. Wielange aber kann beim VW-Konzern diedafür notwendige Ruhe herrschen? Essieht so aus, als ob bald wieder etwaspassieren könnte. Zu gerne würdeFerdinand Piëch aus den Schöpfungenseines Großvaters einFamilienunternehmen machen.Mögliche Traumvorstellung: Porscheals wertes Hauptmitglied der Audi-Premiumgruppe; VW & Co. auf deranderen Seite, dazu zweiGeschäftsführer mit WendelinWiedeking als Konzernchef. Gelingtdas nicht, so könnte Porsche auf seineKontrollposition verzichten und sich

mit der gesamten Premium-Gruppeabfinden lassen. Es entstünde derbeste und profitabelste privateLuxuskonzern der Automobilwelt.Sollten sich keine Hedgefonds zurBeteiligung animieren lassen – zumBeispiel von einem mächtigen Partnerwie DaimlerChrysler, dessen Portfoliodie VW-Marke so gut ergänzen würde–, dann bliebe Volkswagen inNiedersachsen. Nicht nur Politik undFinanzen werden bei der endgültigenLösung eine Rolle spielen, vieles hängtvom emotionalen Faktor ab: vonFerdinand Piëchs Liebe zumVolkswagen. Ich bin sicher: Selbstdieser kaltblütige Milliardär wird vor

Freude weinen, wenn er seinen Herbieauf der Leinwand sieht.

13. November, 2006

Anti-Status: Dacia Logan MCV

Spieglein, Spieglein an der Wand, werist die Schönste im ganzen Land? AlleMarken, und somit nahezu alle Autos,wollen nur das eine: elegant-progressiv, dynamisch-sportlich sein.

Also unwiderstehlich schön. Waswirklich schön ist, bleibt jedochGeschmacksache. Was meinenGeschmack betrifft, so hat dasgegenwärtige Automobildesign leiderkaum Schönes und nur wenig Gutes zubieten. Selbst die Design- undKommunikationseuphorie ist ziemlichlangweilig: Attraktivität und diedaraus resultierende Erregung werdenzur Normalität erklärt. Doch wo bleibtdas Einzigartige, das Exklusive? Wennalle glamourös sein wollen, dannfaszinieren eher Nicht-Marken, dieandere Wege gehen. Zum BeispielRichtung Mitte: Eine von VW, Opel,Ford, FIAT & Co. unbeachtete

Marktlücke, deren Bewohner sichnicht zu jedem Preis profilierenmüssen, sondern ganz einfach undsachlich leben wollen. DasMarkenkonzept von Dacia ist denkbarbescheiden: wenig Geld, viel Auto.Lediglich das erste Modell warkonzeptlos, eine stinknormale,kompakte Limousine, deren Formvermutlich bei denTraditionsverwurzelten und denNostalgikern fest verankert ist –womit sich der relativ gute Erfolgerklären lässt. Die Ansprüche einermodernen bürgerlichen Mitte erfülltdie Limousine mit Ostblockgefühldennoch kaum. Mit dem ab 2007

verfügbaren MCV wird sich dieseSituation ändern. Dabei handelt essich um einen funktionalgeschnittenen Kombi mitKastenwagen-Charakter, der kaum 20Prozent mehr als das Basismodellkostet, dafür aber einen um satte 27Zentimeter verlängerten Radstandund bis zu sieben Plätze bietet, allefür ausgewachsene Menschengedacht. Der MCV verkörpert aufschnörkellose Weise alleEigenschaften eines perfektenAlleskönners und ist dank kurzemPreis und langer Garantie nahezuunschlagbar. Mehr Auto fürs Geldgibt’s nicht. Dazu ist seine Ästhetik

unwiderstehlich geschmacksneutral –also weder gut noch schlecht. Hier einwenig Renault, dort ein wenig (alter)Opel; in der Linienführungaustauschbar, in den Maßen markant.Mal auf biedere Art protzig (derprominente Grill), mal auf souveräneArt bodenständig (die rauenKunststoffteile). Der Logan ist einmimetisches Fahrzeug, das keineindeutiges Image ausstrahlt.Vielmehr lässt er den Besitzer freientscheiden, wie und wozu er seinAuto einsetzen und wie er dabeiwahrgenommen werden möchte. Inguten Händen könnte aus dieserDynamik sogar ein radikales Anti-

Statussymbol werden. Nur, damit esklar ist: Es geht hier nicht um Lifestyle.Eine erwachsene Ente, das ist derMCV – hätte er nur ein schönes,langes Faltdach.

18. Dezember, 2006

Brilliant des Osten: BrillianceBS4

Achtung! Der Brilliance BS4 siehtangeblich wie ein BMW aus. Eineoberflächliche Meinung: Der Chineseähnelt eher einem Skoda Octavia. Und

wenn man genauer hinschaut, fragtman sich: Hat die Modellierung derSeite nicht einen Hauch vonitalienischem Styling? Zum Beispielvom Lancia Kappa, dem glücklosenMöchtegern der 90er Jahre?Europäischer könnte der Junjie,hierzulande als BS4 vermarktet, kaumaussehen. Überraschend ist das nicht,denn schließlich wurde Pininfarina mitdem Design für die neue Mittelklasse-Limousine, die bald nach Deutschlandkommt, beauftragt. Eine sinnvolle undauch naheliegende Idee. Niemanderwartet wirklich, dass in China eineeinzigartige Designsprache entsteht,die in Europa Akzeptanz findet. Nicht

umsonst gilt der gesättigte,komplizierte und raffinierteeuropäische Markt als Reifeprüfungfür jede Marke. Dass Europa eineReferenz ist, beweist die – wohl zumTeil verbrecherische – Vorgehensweiseder Chinesen in SachenAutomobildesign. Wie einst dieJapaner und später die Koreaner,nehmen die Newcomer uns gerne alsInspirationsquelle. Der Konzept-Wagen im Rolls-Royce-Phantom-Stilvon First Automotive Works und dasLondoner Taxi von Geely mögen nochlustig sein, besorgniserregenddagegen ist das Imitat des Fiat PandaCross von Great Wall, während das

detailgenaue Smart-Plagiat von CMECgeradezu skandalös erscheint.Dagegen verdient der BS4 volleAchtung. Zumindest haben dieEntwickler bei Brilliance kein Plagiat,sondern einfach ein Auto imführenden Stil des Westens auf denMarkt gebracht. Keine Primadonna,aber auch kein Designverbrechen.Gutes Mittelmaß, das selbsthierzulande gesellschaftsfähig ist. Deroptische Eindruck könnte denOttonormalfahrer sehr wohlüberzeugen: Wer den Skoda-artigenLook nicht verführerisch findet, derkönnte zumindest das Armaturenbrettim Mercedes-Wellendesign mögen –

Holzimitat regiert. In Punkto Qualitätreduziert sich die Nähe zu BMW, diemit Brilliance ein Joint Venturebetreiben, auf eine gemeinsameLackieranlage im Werk Shenyang.Werden die geltenden Sicherheits-und Umweltkriterien dennoch erfüllt,so kann man gegen den BS4 wirklichnichts sagen: Gut gemacht. Für unter20.000 Euro sogar sehr gut gemacht.Aber Güte reicht nicht aus, um denChino zur Gefahr für andereWettbewerber zu machen. Mitästhetischen Vorteilen allein, auchnicht in Verbindung mit verlockendenPreisangeboten, kann kein Herstellerden kapriziösen und verwöhnten

europäischen Automobilkäuferüberzeugen: Vor und nach einemguten Produkt kommt guter Service.Verkaufen war gestern. Nur imkomplexen Beziehungskontext sindzukünftige Mobilitätsangebotedenkbar, bei denen der Wagen selbstein immer kleineres und dieimmateriellen Nebenleistungen einimmer größer werdendes Teil derWertschöpfungskette repräsentieren.Brilliance ist noch Jahre davonentfernt und wirklich noch keineGefahr. Er ist aber auch einewillkommene Mahnung für diewestliche Industrie: Es lohnt sich, eherin wertvolle Konzepte und Inhalte, als

in hübsche Formen zu investieren.

15. Mai, 2007

No risk, no fun: BMW 7er

Elefanten haben ein gutes Gedächtnis.Die Automobilindustrie ebenfalls –vor allem, wenn es um dieElefantenklasse geht. Als der aktuelle7er BMW 2001 auf den Markt kam,

reagierten viele Kunden entsetzt. Dick,unproportioniert, schwülstig, wedervorne noch hinten gelungen, dazu miteinem Interieur im Biedermeier Stil:Einige Markenfans fordertenöffentlich den Rücktritt desDesignchefs. BMW reagierte souverän,verschob ein Facelifting um ein paarJahre und bekannte sich nie zu demFehler. Ebenso souverän blieben dieMünchner der gewähltenDesignsprache treu. Mit großerVorsicht entwickelten sie Bangles Liniein die verschiedenen Modellreihenweiter, so dass sie heute, verfeinertund ausgereift, eine konsistentwahrnehmbare Qualität zeigt. Zwar

polarisiert der Münchner Stil neunJahre nach Vorstellung nach wie vor,doch das charakteristische Spiel vonkonkaven und konvexen Flächen, vongeraden und ungeraden Linien, hateinen Trend gesetzt und wurde oftimitiert, nicht zuletzt vomHauptkonkurrenten Audi. BMW mussseinen Vorsprung verteidigen. Manhat offensichtlich genug Technikentwickelt, um 118 SeitenPresseerklärung zu füllen undMotoren geschaffen, die einVerbrauchswunder versprechen. Derneue 7er will nach vorne. Um daserklärte Ziel zu erreichen, standenBMW zwei Möglichkeiten zur Wahl.

Entweder etwas schaffen, was dieMenschen überrascht und begeistert,oder eben etwas, das niemandenverwirrt oder abschreckt. VomElefantengedächtnis beeinflusst, hatsich BMW für letzteres entschieden.Daraus entstanden ist ein Auto, vondem man glaubt, es bereits gesehenzu haben. Im Grunde genommen ist esnach dem Vorbild des bisherigen 5ermodelliert, wobei aufgrund derÜberlänge dem Größeren diesportlich-kraftvolle Erscheinung desKleineren fehlt. Wer den 2007 inShanghai vorgestellten Concept Car CSkennt, der wird zunächst kleineDetails wiedererkennen: Die

Konturlinien auf der Motorhaube, diesteile Front mit denüberdimensionierten Nieren, das„verchromte Kiemenelement mitSeitenblinkerfunktion“ und diemarkante Türschwellerlinie. Doch wersich einen neuen 7er mit der Ästhetikdes radikalen Konzeptwagensgewünscht hat – eines extrabreiten,extraflachen Schiffes, wo expressiveElemente in brutalen Minimalismuseinfließen – der ist vomEntwicklungsstadium enttäuscht. Derneue 7er schmeckt nach Schonkost,wenn auch mit sehr feinen Kräutern.Er stellt den Vernunftskompromisszwischen Maserati Quattroporte

(Frontpartie) und Lexus LS (Heck) dar.Wer zwischen beiden Markenunentschieden war, der findet denMünchner Kompromiss heute genaurichtig. Aber morgen? Die übergroßenNieren können zwar dasIdentifikationsbedürfnis vielerMenschen befriedigen, doch dieChance, das Markendesigngrundsätzlich aufzupolieren, damit esals Leitbild für die bevorstehendeGeneration dienen kann, wurde mitdem 7er verpasst. Kommt der neue5er erwartungsgemäß mit einemleichteren Auftritt und einersauberen, stringenten Linienführung,so wird BMWs Elefant schnell

vergrauen.

08. Juli, 2008

Traumfrei: Geely GE

Die Welle der Empörung schlägt hoch:Die Chinesen kopieren uns! DasFachmagazin „Auto Motor und Sport“postet eine bemerkenswerteBildparade: Es gibt kaum ein

bekanntes Automodell, das nicht vonchinesischen Newcomersnachgemacht worden ist. BYD heißteiner von ihnen, „Build Your Dreams“.China träumt von unserem Automobilmit all seinen Mythen und Tragödien.Und von unserem Design. Dass dierestliche Welt darin eine Chance sieht,einen möglichst großen Teil des neuenMarkts für sich zu gewinnen, istebenso plausibel wie die Tatsache,dass die theoretisch größteVolkswirtschaft der Welt die Sache ineigener Regie führen will. So ist es inEuropa passiert, als man nach demZweiten Weltkrieg vomamerikanischen „Way of Life“ träumte,

so ist es auch in Japan passiert. Als1947 Studebaker den Championvorstellte, die erste Ponton-Limousine, langten die Europäerkräftig zu: Zwei Jahre später hattenRover und Alfa Romeo ihr Plagiat imSortiment. Alle anderen taten esihnen später gleich, von Fiat bis zuMercedes-Benz. Als 1954 Ford den„personal car“ Thunderbirdpräsentierte, einen Roadster mithübschen Flossen, träumten nicht nurdie Stars davon, sondern auch dasgemeine Volk. Audis Mutter „AutoUnion“ bot eine Kopie an,peinlicherweise auf halbe Größegeschrumpft. Dass die Japaner mit

ähnlicher Intention erst amerikanischeund dann europäischeDesignkonzepte übernahmen,erscheint dagegen nur noch alsKavaliersdelikt. Aus Ford Mustangwurde Toyota Celica, aus Porsche 924wurde Mazda RX-7, aus LanciaMegagamma wurde Nissan Prairie.Warum soll in China alles anderslaufen? Man mag argumentieren, dassin der chinesischen TraditionImitation zur Kunst gehört. DassChinesen mit der Kalligraphieversuchen, der zeichnerischenQualität der stets identischenIdeogramme der alten Meister nahezu kommen. Und dass geistiges

Eigentum nicht mit der Doktrin vonKonfuzius vereinbar ist. Logischer istaber die Feststellung, dass denChinesen nichts sinnvoller erscheint,als sich des Automobilmythos zubedienen, wie ihn die restliche Weltformuliert und gestaltet hat. Sieträumen von Reichtum. Und nichtskann Reichtum besser symbolisierenals Rolls Royce, dessen Gesicht – vomPlagiat eines griechischen Tempelsgeprägt – als weltbekanntes Vor-Bilddafür steht. Design-Vorbilder zusetzen bedeutet aber, sich derÖffentlichkeit zu stellen und diese zuanimieren, von der Symbolik derBilder Gebrauch zu machen. Erst dann

lebt Design, und erst dann erhält einVorbild seinen Wert. So lange eskeinen Verdacht auf Betrug gibt undKonsumenten nicht direkt getäuschtwerden, ist die Sache in Ordnung.Wenn es Käfer mit Rolls-Tempel gibt,wenn einige Smarts den Stern tragenund tausende Normalautos einFerrari-Pferdchen – alles ohneErlaubnis –, dann ist die Welt auchnoch in Ordnung. Die lustige Geely-Kopie des Rolls Royce soll nichtweniger und nicht mehr ernstgenommen werden. Die Proll-Karossekann höchstens Markenignoranten imfernöstlichen Entenhausenbeeindrucken. Manch ein Snob und

Bentley-Sammler in Mayfair könntesie vielleicht als Provokation fahren.Der Kopierwagen bleibt ungefährlich,man sollte ihn belächeln und dulden.Ein echtes Problem wird die Welt erstdann haben, wenn die Chinesen sichin Bezug auf Design emanzipieren.

19. Mai, 2009

Zarwagen: Zil Concept

Erfolglos hatte Ettore Bugattiversucht, seinen Royale an den Mannzu bringen. Das atemberaubendeAutomobil, dessen extralange Haubevon der silbernen Figur eines

Elefanten geschmückt wurde, wollteaber 1927 kein Staatsoberhauptfahren. Zu modern, zu gewagt,irgendwie neureich. Erst ReichskanzlerAdolf Hitler verstand, das Automobilals progressives Potenzmittel zuinszenieren. Der kolossaleFührerwagen ließ den kleinen Mannüber den Massen schweben undkondensierte seinen Machtanspruchin ein Bild, dessen mediale Wirkungbis heute greift. Anders als Bugattismondänes Kunstwerk, bot das„Großer Mercedes“ genannte Modellvon 1930 genau die richtige Mischungaus Strenge und Pomp, die eine sichder Moderne öffnende

Herrscherklasse brauchte. Papst PiusXII., Kaiser Hirohito sowie Stahl-BaronGustav Krupp befanden sich ebenfallsunter den 205 erlesenen Mercedes-Kunden. Auch in der Nachkriegszeitwar die Staatslimousine vomZeremoniellen nicht wegzudenken: Siedemonstrierte die Identität einerNation und wurde zu derenVorzeigeobjekt. Rolls Royceverwirklichte 1950 mit dem PhantomIV Bugattis Ziel: Die erzkonservativgestaltete Karosse mit griechischemTempel und ausgestellten Kotflügelnlandete ausschließlich in den Händender Herrscher dieser Welt. ErsteKundin: Princess Elisabeth. Im selben

Jahr erhielt US-Präsident HarryTruman einen schlichten LincolnCosmopolitan – fast wie von derStange. Mit gestreckter Ponton-Formund markantem Kofferraum gab sichAmerikas Staatslimousine gleichzeitigprogressiv und bürgerlich. DiesemVorbild folgte das erstebundesrepublikanische Staatsauto,das sofort das volkstümliche Prädikat„Bonner Volkswagen“ erhielt – späteraber auch den Namen des erstenKunden: Adenauer. Dem kaltenPrestige-Krieg konnte sich NikitaChruschtschow nicht entziehen. Erließ 1959 den ZIL 111 als sowjetischeStaatskarosse bauen – eine plumpe

Kopie des amerikanischen Packard.Leonid Breschnew nutzte lieber denspektakulären Mercedes-Benz 600erPullman, ein Geschenk der BonnerRegierung. Erst 1981 geht der „GrandMercedes“ in Rente, zehn Jahre späterder letzte Phantom VI. Leise endet diegoldene Ära der Staatskarossen,ersetzt durch politisch korrektereLimousinen. Bundeskanzler Schrödergibt sich sozial im Volkswagen und derBundespräsident fährt auch nicht imMaybach vor. Autofahren symbolisiertgestrige Langsamkeit, Herrschermüssen fliegen. Nur noch zweiMenschen leisten sich eine staatlicheSonderkonstruktion: Königin Elisabeth

bekommt zum Jubiläumsjahr 2002einen individuell ausgestattetenBentley, dessen Gestaltung irgendwozwischen Entenhausen undRetrodesign liegt. Präsident Obamawird seit seiner „Krönung“ in einemBunker gefahren, der wie ein zumLeichenwagen umgebauter LKWausschaut und das Wappen desinsolventen Cadillac trägt. Bevor dasendgültige „Rest-in-Peace“ausgesprochen wird, sorgt aber eineNachricht aus Russland für Aufwind.Der Kreml will eventuell wieder eineStaatslimousine der Marke ZIL bauen.Auf gut sieben Meter Länge darf manden Straßenkreuzer schätzen, der mit

seiner gradlinigen Vertikalitätimponiert. Die Botschaft hinter demWagen ist unglaublich subtil: grob,aber wie ein Diamant geschliffen;wuchtig, aber geschmeidig wie einHermelin; geschmacklos, aberbestimmt wie ein exzellenter Wodka.Designer Slava Sahakian ist einAutomobil gelungen, das den Zarenwunderbar gefallen hätte. Eingrandioses, tragisches Machtzeichen,das Bugattis Royale und HitlersMercedes in den Schatten stellt. Diesegestalterische Botschaft soll man nichtunterschätzen.

29. November, 2010

Dünne Tapete: DesignAnthology Magazin

Man fragt sich, wie lange es nochdauern wird, bis Asien – gemeint istder chinesische Kulturkreis – daswestliche Designniveau erreicht hat.

Subtiler hingegen ist die Frage nachder Existenz eines westlichen Designs.Was wir heute „westlich“ nennen, ist,wie man bestimmt schon vermutenkann, global. Und das seit mindestens1996, dem Geburtsjahr des britischenMagazins „Wallpaper“ (Tapete). Einidiosynkratischer Titel mit einem fastironischen Untertitel: „The Stuff thatsurrounds you“. Mit „you“ war bereitsdie ganze Welt gemeint. Die Botschafthatte Erfolg. Wer heute die besserenViertel am östlichen Ende der Weltbesucht, findet dieselbe Designtapetein „Fifty Shades of Grey“. Überall aufder Welt mischen Architekten,Designer und Dekorateure gerne

marokkanischen mit chinesischemoder skandinavischem Stil. Designbestätigt so seine wichtige Rolle alskultureller Integrator. Einerseits istdas gut, andererseits schade. Denndem westlichen Niveau von Qualität,Wertigkeit und Geschmack gerecht zuwerden, ist eine ziemlich einfacheAufgabe für die kreativen und willigenAsiaten. Unser Niveau zu erreichen,bringt außerdem niemanden weiter.Diesen Eindruck bestätigt die frischgedruckte erste Ausgabe einesasiatischen Magazins mit demschwerwiegendem englischen Titel„Design Anthology“. Mit fast einemKilo hochwertigem Papier und

aufwendigem Layout will das Heftsagen: Wir, die Ostasiaten, sindangekommen. Eine Botschaft, dieheute niemanden mehr überrascht.Im ersten Editorial freut man sichüber die Aufmerksamkeit gegenüberostasiatischem Design und zitiert alsBeispiel den prestigeträchtigenPritzker Prize, der 1994 an Shigeru Banging. Ach so! Wurde dieserinternational wichtigsteArchitekturpreis nicht bereits 1987 anKenzo Tange und vor Shigeru-San auchnoch an drei weitere Japaner sowieeinen Chinesen vergeben? Genausoschwammig ist die Feststellung derHerausgeberin, dass „das Leben kurz

ist“ und die darauf folgende Frage„warum wir uns mit hässlichen,profanen, unpraktischen oder schlechtgestalteten Dingen umgeben sollten“.Demgemäß folgen wunderschöneBilder von monoton wunderschönen,zumeist von asiatischen Kreativengestalteten Landschaften, Häusern,Läden, Restaurants und Hotelsuiten inLondon, Neuseeland, Ho Chi MinhCity, Phang Gha, Long Island, Istanbulund Hongkong, der Geburtsstätte vonDesign Anthology. Dünn wie Tapeteverlaufen Texte, die den guten altenUnterschied zwischen Design undKunst zwar tangieren, aber nicht zuerklären wagen. Design Anthology ist

eine klare Antwort auf die am Anfangdieser Kolumne gestellte Frage: Esdauert keine Minute mehr bis Asienankommt. Das feine Magazin gibt aberleider noch keinen Hinweis darauf,wie die Reise weitergeht.

09. Juni, 2014

Back to Standard: Toyota FCV

Ideal Standard gelang einer derbedeutendsten Designmeilensteinealler Zeiten: Das Klo – aus Keramikund einem Guss. Egal, welcheUnterschiede man zwischen Duravit

by Starck und Noname by OBIfeststellen mag, die eindeutigeIdentität von „the best seat in thehouse“ wurde in den 1920er Jahrenvon der Standard Sanitary Companyunverkennbar geprägt. Dabei wird esauch noch so lange bleiben, bis diefragwürdige Technologie derWasserspülung überholt ist. Das Kloder Zukunft hat vielleicht gar keinLoch mehr. Identität ist eine subtileDimension des Designs: Allein durchdie Art der Öffnung kann manWaschmaschine, Trockner undGeschirrspüler unterscheiden –obwohl ihre niederkomplexe Formnahezu identisch ist. Hochkomplexe

Gegenstände dagegen weisen eineheterogenere, dafür aber keineswegsverwässerte, Identität auf: Eine Villaist keine Tankstelle und ein Traktorkein Automobil. Auch einePferdekutsche ist kein Automobil. Imprimitiven Verständnis vonKonsumkultur um 1880 erschien dasDesignkonzept „Pferd raus, Motorrein“ als logische Weiterentwicklung.Ein Fehler, denn erst der Sprung vomMercedes Simplex über den Ford Tzum Chevrolet K verlieh dem Autoseine Identität: Vier Räder, zweiScheinwerfer, ein Kühlergrill, von derHaube zum Heck unter einem Dacheingerichtet – und heute noch gültig,

vom Aston Martin by Zagato zumNoname aus China. AlternativeTechnologien stellen nun dieIdentitätsfrage auf den Prüfstand.Elektroautos, ob mit Batterie oderWasserstoff betrieben, lassen eineneue Architektur zu. Der Motor istwinzig klein und braucht fast keineKühlung mehr – und deshalb auchkeinen Grill. Mit neuer Identität undfrischem Image würde ein Automobil2.0 alten und neuen Vorurteilen inBezug auf private Mobilität davonfahren. Warum kommen uns NissanLeaf, BMW i3 oder Renault Zoe dannbestenfalls wie seltsam kostümierteNormalwagen vor? Der

zukunftsweisende Toyota FCV –welterster mit Wasserstoffantrieb – istals Stufenheck gar altbackener als derPrius. Noch dazu wirkt der Lookschwerfällig: Vorne verstopfter Ferrari,seitlich eine Mischung aus Opel undHyundai, hinten schlimme Kopie desschlimmsten 7er BMW aller Zeiten.Auch bei Toyota ist hübscher nichtunmöglich. Der Gewöhnungsbedarfkann nur Absicht sein. In einwunderschönes Zukunfts-Traumautoverpackt, wären neue Technologienzum sofortigen Erfolg verdammt. Liebeauf den ersten Blick, notfalls gar aufJahre sparen für Vorbestellungen,verbunden mit logistischen

Lieferengpässen und dramatischenKannibalisierungseffekten: Das kannsich die Automobilindustrie nie imLeben leisten. Also muss Mainstream-Kunde noch ein bisschen brav sitzenbleiben und auf seinen automobilenIdeal Standard warten.

22. September, 2014

Marken

Zwei Gesichter: Mercedes-Benz C-Klasse

Einer der ersten war Vico Torriani, ein

aus der italienischen Schweizstammender Sänger. Er ließ 1966 inseinen weißen 220 SE Coupé dasGesicht des Pagoden-SL implantieren.Dort, wo Paul Bracq, Entwerfer beiderModellreihen, den klassischen Kühlermit Stern-Maskottchen platziert hatte,glänzte plötzlich ein flacher Sportgrillmit Riesenstern in der Mitte. Selbstdamals war man sich um dasIdentitätsdilemma von Mercedes-Benzbewusst. Einerseits konservativ undmächtig, was im kollektiven Bild durchdie Limousinen der deutschen Führerund Kanzler (Hitlers 770er sowieAdenauers 300er) verewigt wurde.Andererseits progressiv und sportlich,

was durch die Silberpfeile und späterdie vielen SL-Versionen verkörpertwurde. Mit seinem Experiment wollteTorriani auf eigene Rechnungbeweisen, dass der Kunde die Freiheithaben sollte, das zu sich passendeGesicht zu wählen. Dagegen sprachfrüher die strenge „vertikale undhorizontale Homogenität“ desMercedes-Designs: Limousinen tragenden Kühler, Sportwagen den Grill –Punkt. Trotzdem ignorierten vieleKunden das Diktat. Sobald die großenCoupés als Sportwagen positioniertwurden und somit den Sportgrilloffiziell tragen durften, florierte dasUmbaugeschäft. Mitte der 80er Jahre

wurde es als modisch undbegehrenswert empfunden, in einenBaby-190er oder in die Mittelklasse-Coupés eine sportliche SEC-Haubesamt Flachgrill und Riesensterneinzubauen. Wieder wollte der Kundebestimmen, welche der beidenIdentitäten von Mercedes ihm ambesten passt. Dass die neue C-Klasseendlich die Wahl ab Werk bietet,macht mehr Sinn denn je. Denn mitEinführung der A- und M-Klasse imJahr 1997 verlor die dogmatischeMercedes-Designstrategie anBedeutung: Drei von vier Haupt-Typologien tragen seitdem densportlichen Grill, der auch so gut in

das trendgemäße Bild einer gerne alsprogressiv-dynamisch gesehenenGesellschaft passt. Dementsprechendwurde der klassische Kühlergrill mitjeder Modellerneuerung verjüngt undverschlankt, so dass er jetzt nichtannähernd so dogmatisch wie früherwirkt. Geht man von einer weiterenVermehrung und Kreuzung vonModellreihen aus, so würde ichbehaupten, dass das klassischeGesicht bereits ein Auslaufmodell ist.Und warum auch nicht? Schließlich istMercedes eine viel demokratischereMarke geworden. Die Kundschaft sollebenfalls verjüngt werden, weswegendie Benze konsequent sportlicher und

schnittiger gestaltet werden. AlsKonsequenz harmoniert ihr Bodybesser mit dem Sportgrill. Dazukommt, dass ein würdiger Kühler –also aus Metall mit oben prangendemSternchen – wegen desFußgängerschutzes künftig kaum mehrzu realisieren sein wird. Als letztesdarf man einen weiteren und nichtunwichtigen Designvorteil nennen: ImSportgrill glänzt der Stern in weitausprominenterer Größe. Und wer sollnun die wichtige Entscheidungverantworten? Offensichtlich derKunde selbst, der preisneutralauswählen darf. Spricht sich dieMehrheit für den progressiven

Sportgrill aus – wovon ich leiderausgehe – so sind die Tage desehrenwerten Kühlersterns gezählt.

26. Februar, 2007

Kaiserschnitt-Industrien:Evonik Industries

Es fing mit Gaius Iulius an. EinhundertJahre vor Christus kam er in Rom perKaiserschnitt zur Welt und erhieltdeswegen den lustigen Zunamen

Caesar – etwa wie „Schere“. Derrömische Diktator wurde vom eigenenSohn Brutus ermordet und zwar vordem versammelten Senat. Dasschlechte Gewissen der übrigenSenatoren muss groß gewesen sein,denn sie erhoben den Toten kraftihres Amtes direkt zum Gott. Caesarwurde zur Marke, die jeder tragenwollte: alle folgenden Imperatoren,sowie später der deutsche Kaiser undauch ein Las Vegas Casino und dessenberühmter Salat. Brutus dagegenwollte keiner mehr heißen – der einstharmlose Name blieb dem bösenHund der Comics vorbehalten. Aufitalienisch mutierte Brutus zu „brutto“

für hässlich oder „Bruto“ fürUnmensch. Die Geschichte lehrt, dassNamen an sich nur leere Versprechensind. Viel wichtiger ist, wer man ist,was man tut und wie man es tut.Unternehmen prägen den eigenenMarkennamen durch Inhalte. Einlangfristiger Prozess, der mit einemgöttlichen Namen wie „CaesarCorporation“ genauso gut gelingenkann, wie mit einem volkstümlichen„Müller Industries“. Wer dieanfängliche Leere scheut oder dienotwendige Geduld nicht mitbringt,der lässt sich einen schönen undteuren Kunstnamen schneiden, deralle möglichen Vorteile vermitteln soll.

So, wie nicht jeder Viktor einSiegertyp, nicht jede Helene eineSchönheit oder nicht jeder Felix einglücklicher Mensch ist, so halten auchSuperfirmen oder Coolkonzerne nichtunbedingt das durch den Namengegebene Versprechen. Warum mansich trotzdem einen klangvollenNamen wünscht, ist spätestens seitHollywood klar: DieoberflächengesteuerteMedienmarktgesellschaft, häufig auchdie Investoren, verlangen nachbekömmlichen Namen, womit sich einSchauspieler mehr Sympathie und einBrutus die notwendige Reinheiterkaufen können. Bei der

Umfirmierung von RAG mag beideseine Rolle gespielt haben: Einerseitswollen sich die Essener sympathischerfür die globalen Märkte machen,andererseits polieren sie damit einestaubige Geschichte vonSubventionen undStandortabhängigkeit. Aber wo liegenbitte die unmittelbaren Chancen von„Evonik Industries“? Man mag Evonikmit Evolution und Bionik verbinden,den China-Trend anknüpfen (-K) unddabei an Zukunft denken (EVO-).Allemal aber versetzt uns derKunstname zurück in die Zeiten vonSputnik (1957), Diabolik (1962),Satanik (1964) und Maverick (1969).

Evonik gleicht einer Notlandung imRuhrgebiet der 60er Jahre. KeinWunder, dass CEO Dr. Werner Müller,ein Essener des Jahrgangs 1946, sichbei diesem Vorschlag auf Anhieb gutgefühlt hat. Evonik, das wäreseinerzeit fast perfekt gewesen, umeinen Hersteller von lautenStereoanlagen zu lancieren. Nur nichtmit dieser Farbe, einer Mischung ausDeep Purple (nach der Band von 1968)mit genetisch mutiertem Kuhlila.Evoniks schrilles Rot kann man nurmit Alpenveilchen assoziieren. UnterEssener Großmüttern ist die Blumeoffensichtlich noch sehr beliebt.

17. September, 2007

Hertzlich willkommen: HertzLogo

Es war einer der letzten Machos unterden Markenzeichen. Wie ausBetonblöcken geschnitten,untermauerten die Buchstaben H-e-r-

t-z das Fundament des größtenAutovermieters der Welt. Durch dendicken schwarzen Umriss stellte dasLogo alle Wettbewerbersprichwörtlich in den Schatten. Trotzmehrerer Besitzerwechsel, darunterGeneral Motors, RCA, United Airlinesund Ford Motor Company, ist es nochniemandem gelungen, den gelbenSchein von Hertz zu trüben. In einemTV Spot von 1978 preist ein vongelben Hertz-Engeln umhüllter OJSimpson „the superstar in rent-a-car“.Selbstbewusst wurde das 1989 „#1Club Gold“ eingeführt, ein Lufthansa-Senator ante litteram. Zeitgleich fandein Imagewandel statt. Die Marke

rutschte vom fröhlichen,leistungsorientierten Gelb hin zumkühlen, konservativen Schwarz. KeinWunder, waren das doch dieneobiederen Jahre von Reagan, den 91/2 Wochen und grauschwarzenAutos. Die Farbe Gelb wollte plötzlichnicht mehr in die Zeit hineinpassen,zumal sie von einer nicht mehrwünschenswerten Verwandtschaftzum populären Taxigeschäft zeugte –John D. Hertz war seinerzeit Präsidentvon Yellow Cab und der Yellow TruckManufacturing Company. Mit dem2010er Redesign kehrt die Marke zualter Farbgebung zurück. DieBekenntnis zu Gelb zeugt von der

Notwendigkeit, in einem grellgewordenen Wettbewerbsumfeldmehr Aufmerksamkeit zu generieren.Im Feuerwerk zwischen denleuchtenden Farbwelten von Sixt-Orange und Europcar-Grün hat sich inden letzten Jahren das Panorama anFlughäfen Richtung Las Vegasentwickelt. Dagegen war die plakative,aber dunkle Markenlandschaft desschwarzen Hertz machtlos. Mit demneuen Markenzeichen gewinnt dieappetitliche Markenfarbe (weil auchdie von McDonalds) sofort anBedeutung. Die Energiespritze bringtviel unerwartete Vitalität mit sich: Diefreundlich abgerundeten Ecken und

der wellenartige Schein, die dieMarkenfläche charakterisieren,verleihen dem Autovermietungs-Riesen ein Etikett, das ebenso fröhlichauf Bonbons kleben könnte.Gleichzeitig wird die Schrift leichter,filigraner, bescheidener. Genaubetrachtet, verliert dasMarkenzeichen an Kraft. Darin erkenntman die Spuren eines Trends, derbereits seit einem Jahrzehnt andauert.Mit dem Rebranding von BP etablierteLandor Associates 2000 ein neuesVerständnis für Markenbildung.Marken sollten nicht imponieren,sondern nett zu Menschen undUmwelt sein. Dass sich ein

gigantischer Konzern eines legerenMarkenlogos bedient, wurde schnellzum Vorbild. Das hat auch mit demGoogle-Effekt zu tun: Die 1999 kreiertevirtuelle Marke – ätherisch undundefiniert fliegen ihre sechsBuchstaben online in steterVeränderung – hat sich ebenfalls indie Liga der zehn mächtigsten derWelt hochgearbeitet. So vielEinfachheit, Leichtigkeit und Offenheitsollte man von einem Nummer-Eins-Konzern wie Hertz nicht unbedingterwarten. Im Übrigen sollte man voneinem Logo gar nichts erwarten.Menschen machen Marken. UnterMenschen gelten die Machos als

aussterbende Spezies. In einer Zeit,wo jeder zu allen korrekt sein möchte,heißen wir also die neue MarkeHERTZlich willkommen.

14. Februar, 2010

Alles bestens oder was?Mercedes-Benz „das Besteoder nichts“

Was für eine Symbolik. Glücklichnennt sich, wer unter einem gutenStern geboren wurde. Als Gütesiegel

kennt man nichts Besseres. EinemStern folgten auch die Heiligen DreiKönige. Zweitausend Jahre späterwäre das Trio Mercedes-Benzgefahren: „Ihr guter Stern auf allenStraßen“. Ein seelenberuhigenderWerbesatz, der im letzten Jahrhundertdie Autos mit dem Stern und ihreBesitzer in religiöser Stimmungvereinigte. Mercedes Benzrepräsentierte den Zenit in derKarriere eines Automobilfahrers. Fragtman Erwachsene danach, fließenzwangsläufig vergangene Mythen indie Erzählung: Das erste Automobil,Silberpfeile und Siege, Status undStuttgart, Qualität zu jedem Preis.

Sucht man Motive für den Mythos, soliegen diese hauptsächlich in derspektakulären Vergangenheit. Dennseit Mitte der Neunziger hat der Sternoft Pech gehabt. Mit JürgenSchrempps „Shareholder-Value“erreichte Mercedes die Massen undsomit einen Design-Tiefpunkt. Von Ewie Elchtest bis R wie Roststellenwurde schlechte Qualität zum Thema,von C wie Chrysler bis M wieMitsubishi endeten Allianzen imDesaster. Weder G, wie jeneGeländewagenklasse, die noch ausguten Zeiten stammt, noch SL, wie deralte Flügeltürer, konnten denImagewandel kompensieren.

Manchmal zu klein, manchmal zuplump, manchmal einfach beliebig:Viele neue „Mercedesse oder Benze“(frei nach Harald Schmidt) können mitdem Markencredo „Faszination,Perfektion, Verantwortung“ einfachnicht mithalten. Überraschendantwortet Daimler mit einer neuenMarkenbotschaft. Unter einemgrößeren, dreidimensional glänzendenStern steht der Leitsatz: „Das Besteoder nichts“. Allein die Tatsache, dassman sich gezwungen sieht, mit einemClaim zu arbeiten, egal wie dekorativoder sympathisch, ist ein Zeichen derSchwäche. Starke Marken habenkeinen Erklärungsbedarf. Unabhängig

davon, kann man die neue Botschaftschwer nachvollziehen: Sie klingt eherwie ein Ultimatum und nicht so sehrwie ein Versprechen, eher wie eineMahnung und nicht wie einGlückwunsch. Kein Wunder,unterstützte sie doch bisher eineMotivationskampagne für Daimler-Mitarbeiter. Letztere treten nun – wieoriginell! – als Markenbotschafterdirekt auf. Als erster wurde ein vorlauter Überarbeitungzusammengebrochener GottliebDäumler engagiert: „Isch will einfachnur das Beschte, das Beschte odernichts“ lässt man ihn im schwäbischenDialekt sagen. Einleuchtend, wovon

der Firmengründer geträumt habensoll: Zum Tode Daimlers im Jahr 1900existierte Mercedes-Benz noch nicht.Im Stil von Harry-Potter und mit vielzu großen Sprüngen lässt einfantastischer Spot hundertzwanzigJahre Automobilgeschichte Revuepassieren. Gegen Ende taucht dieFrage nach der Zukunft auf. Und erstrecht da tut man sich schwer, demLeitfaden von Mercedes zu folgen.Während man hofft, zumindest einegute Lösung für die Automobilität vonmorgen zu finden, will Mercedes dasAutomobil gleich achtmal neuerfinden: BlueEFFICIENCY, NGT,BlueTEC, HYBRID, BlueTEC-HYBRID, F-

Cell, E-Cell und E-Cell PLUS heißen diebahnbrechenden Technologien, dieMercedes-Benz demnächst offerierenwill. Noch bevor man versucht, dieUnterschiede zu verstehen und zubewerten, begreift man, dass nichtjedes Konzept das beste sein kann.Nur eines kann das Beste sein:Mercedes-Benz oder nichts? ImZweifel lieber nichts.

20. Juni, 2010

Roter Bereich: CorporateDesign Schweiz

Drei Buben unterhalten sich übersKinderkriegen. Der Franzose meint,dazu brauche man Erotik. DerDeutsche ist sicher, sie würden vom

Storch gebracht. Der Schweizer weichtaus: „Also, bei uns ist das von Kantonzu Kanton verschieden“. Damit istalles über die kontroverse Beziehungder Eidgenossen zu ihrem Mutterlandgesagt. In der Schweiz gibt es ein Bern,so wie es in Europa ein Brüssel gibt.Weit über die vielfältige Ästhetik derAutokennzeichen hinaus, wird dieHoheit der sechsundzwanzig Kantoneund die Gleichberechtigung der vieroffiziellen Sprachen verteidigt. Bei derReflektion über Stärken undSchwächen der verschiedenen Stände,gibt sich der Schweizer ironisch undgelassen: mit dem Handbuch„Corporate Identity Switzerland“, dem

neuen „Instrument der nationalenMarkierung“! Damit will man wenigerdie Bürger ansprechen, als vielmehr„ein positives, realistisches Bild derMarke im Ausland generieren“. Auchwenn es nur dazu dienen soll,Touristen und Geschäfte ins Land zulocken, stellt das Resultat einegefährliche Banalisierung dar: “Weildas Ziel der Kommunikation dieKreation eines positiven, realistischenBilds im Ausland ist, konzentriert sichdie Markenanalyse lediglich auf dieStärken der Schweiz“. Ein kleines Landwurde auf einen noch kleinerengemeinsamen Nenner reduziert. Nicht,dass das rote Handbuch, das

gestalterisch zwischennationalsozialistisch undvolksrepublikanisch wirkt, falscheAngaben macht. Das Problem istvielmehr, dass eine ausschließlich aufpositiv getrimmte Identität kaumüberzeugend ist. Und sie istunattraktiv. Eine starke Identitätverlangt nach einer gewissenAmbivalenz. Mutige, oder ganzeinfach Selbstbewusste, scheuen sichnicht davor, Negatives zuthematisieren, gar hervorzuheben.Helmut Schmidt definiert sich überdas öffentliche Rauchen, KarlLagerfeld über seine unwiderstehlicheArroganz. Red Bull will mehr Droge als

Getränk sein, Harley Davidson lässtsich bewusst von Hells Angels reiten.Menschen lieben die Konfrontationmit Stärken und Schwächen. Ausdiesem Grund gefällt die vom LandBaden-Württemberg publizierteSympathie-Kampagne „Wir könnenalles. Außer Hochdeutsch“. Darin istviel enthalten: Selbstironie,Realitätsbewusstsein,Selbstbewusstsein. In der Schweiz sollman aber eine Welt ohne Kontrasterleben. Ausschließlich Alpen,ausschließlich Kreuz, ausschließlichRot und Weiß. Damit will man „alleMenschen“ ansprechen: Aber was fürMenschen sind das? Die Schweizer

teilen vier Kulturen und haben mitüber 20 Prozent (doppelt so viel wieDeutschland) den drittgrößtenMigrantenanteil in Europa. DieIdentitätsinitiative der Schweiz gehtan der Realität vorbei. Sie ist alles,außer identitätsfördernd. Höchstenswird eine bekannte Symbolikhervorgehoben, wobei das Bild insTragikomische gerät. Keine andereLandesflagge profitiert von einem sopositiven Imagetransfer über Produkteund Dienstleistungen. Überall in derWelt wird das weiße Kreuz auf rotemGrund gewürdigt, von Mode überAirlines bis Schokolade. KostenloseWerbung. Doch mit der Einführung

von „Corporate Identity Switzerland“soll nun alles reglementiert werden.Nur Öffentliches darf das Flaggenlogonutzen, dann aber „sollte es dasGrößte sein“. Als ob Großes auchFeines sei oder gar die angestrebte„Premium Quality“ unterstreichenwürde. Aus Substanz wurdeOberfläche, aus Identität Werbung.Diese Wunsch-Schweiz liegt im Minus.

24. Mai, 2011

Korean Beauty: HyundaiVeloster

Der Wagen sieht witzig aus. Einknuffiger Sportler. Ein sprudelnderStil, so wie man es heute mag. Auchdas Konzept ist interessant: auf der

Fahrerseite eine Tür, ganzSportwagen; auf der Beifahrerseitezwei Türen, ganz Kinderkutsche. Ob erschön ist, lasse ich dahingestellt sein.Die Masse hat entschieden, Schönheitist Geschmacksache – was auch immerdies beweisen mag. Mit Geld kauftman sich neuerdings nicht nur einProdukt, sondern auch das Recht,individuell zu urteilen. Das Urteillautet dann meistens so: Meins istschön, alles andere hässlich undlangweilig. Die Konsequenz: FreieFahrt für das Skurrile, zum Beispiel einHyundai Veloster. Nicht der Stil deskleinen koreanischen Sportwagens istwichtig, sondern seine Identität –

Pardon: Individualität. Der Vorgängerhatte nie wirklich eine. In Europa hießer Coupé, in Amerika Tiburon,woanders Tuscani. Die Form erinnertestark an den Toyota Supra. DasFahrwerk wurde von Porscheentwickelt. Der Motor kam wohl vonHyundai. Der Preis lag im Keller. DasAuto kam trotzdem überall gut an.Streng genommen, hat auch der neueVeloster keine Identität, denn er istzwei Autos in einem. Links die längereTür eines Sportwagens, rechts zweikürzere Türen eines Citycars. DieKonservativen werden die Asymmetrieals bipolare Störung einordnen, dieProgressiven als künstlerische

Hochbegabung. Hier darf derGeschmack jedoch nichts entscheiden,denn man kann die Differenz zwischenlinker und rechter Seite kaumwahrnehmen. Man sieht nur einedavon, nur ein Auto. Ein koreanisches.Darunter können sich die meistenimmer noch nichts vorstellen.Allerdings denkt man sofort an „billig“und „klein“, an einengesellschaftlichen Rettungsanker fürdiejenigen, die Neues wollen und sichkeinen Volkswagen leisten können.Diese Vorstellung versetzt uns einhalbes Jahrtausend zurück, in dieRenaissance des Architekten FilippoBrunelleschi und des Universalgenies

Leonardo da Vinci. Sie zeugt von derZentralperspektive einer kleinerenWelt mit Europa in der Mitte. EinPerspektivenwechsel ist nun dringendnötig. Alltagsverkehr in Seoul. ImHerzen der koreanischen Megacityströmt achtspurig und sehr ordentlicheine nahezu ununterbrocheneAutoschlange. Die Kleinen und Billigensucht man vergeblich. Mehrheitlichsind es Limousinen, riesenlang,nagelneu, glänzend schwarz. Diemeisten davon Koreaner, mit Namenwie Equus, Genesis und Chairman.Gelegentlich erwischt man eine S-Klasse, einen 7-er, einen A8. Dochviele Kunden dürften damit ein

Identitätsproblem haben: Der Equus,Hyundais Nobelmarke, ist acht bisachtunddreißig Zentimeter länger undmit V8-Motoren von 290 bis 435 PSkaum schwächer als eine S-Klasse.Über die Schönheit der Form, eineimposante Mischung aus Lexus undMercedes mit einem Hauch GM-Barock, will ich nichts weiter sagen.Beeindruckend ist der „GroßeHyundai“ auf jeden Fall. Von derverdunkelten Seitenscheibe desMutterschiffs aus betrachtet, glänztder knuffige, bunte Veloster plötzlichin einem ganz anderen Licht alshierzulande. Eines wird auf Anhiebklar: Dieser Hyundai will weder ein

Toyota noch ein BMW sein. SeinDesign ist ein wichtiges Statement derendgültigen Emanzipation vonHyundai – weg von der Copy-and-Paste-Strategie, hin zu Global Brandmit eigener Identität.

11. Oktober, 2011

Radikalschnitt: Ebay Logo

Es war ein Fehler. Zu Gast bei Jay Lenostellte Cameron Diaz ihre neue Frisurvor. Ein traumatisches Erlebnis nanntedie Schauspielerin das Experiment,das in ihrer Küche stattgefunden

hatte. Sie hatte ihre Freundin umeinen schnellen Haarschnitt gebeten.Ein verbales Missverständnis, ein paarSchnitte zu viel, schließlich dasDesaster. Das Opfer flüchtete nachHawaii, doch ihr superkurzer Bobwurde von Paparazzi geblitzt. Erst fünfMonate später und mit vielleicht fünfZentimetern mehr Länge, wagtCameron den offiziellen Auftritt vorJays prominenter Kamera. Sie erzähltvon ihrem Drama. Eine Woche undgeschätzte drei Millimeter später sitztsie dann bei Jimmy Fallons Late NightShow und gibt plötzlich zu: „Ich liebemeinen Haarschnitt! Ich habe ihn vonAnfang an geliebt!“ Wer Menschen

kennt, weiß, was da vorgeht. MitDesign ist es nicht anders. Einemradikalen Schnitt folgtunmissverständliche Ablehnung. DieKritik zum neuen Logo von eBay warabzusehen. Das neue ist eineWortmarke, wie sie zu Zeiten vonWord 3.0 hätte entstehen können, alsim Sekretariat der neue Farbdruckergetestet wurde. Statt dynamischerBuchstaben, die beim Übereinander-Fliegen hübsche Transparenzenerzeugten, gibt es jetzt vier plattangeordnete, sich leicht berührende,ultraleichte Buchstaben in derStandardschrift Univers Extended. FüreBay, Pionier des Web 1.0, gleicht der

Schritt einer Steigerung auf Banalität5.0. Sarkastisch kommentiertDeutschlands Typo-Guru ErikSpiekermann die „bräsig-breite“Schrift und beschimpft derenGestalter als „zu faul“. Alle scheineneinverstanden zu sein, dass das neueLogo weder die Prägnanz desVorgängers hat, noch die Qualität, diesich eBays CEO Devin Wenig – einName, der Programm zu sein scheint –wünscht: „Unser neues Logo istgeprägt von unserer Geschichte undweist zugleich in eine dynamischeZukunft“. Was von der Geschichtebleibt, ist nichts außer der Multicolor-Farbgebung – ein stilistisches Relikt

der New-Economy-Blütezeit. Doch vonHerrn Wenigs Dynamik spürt manwenig bis nichts. Dafür braucht maneine Lupe. Auf eine Breite von 20Pixeln verkleinert – mickrige 5 Pixelpro Buchstabe – ist Neues noch gutlesbar. Altes wird bereits bei 30 PixelnMatsche. Die traurige Feststellung fürGestalter: Auf mikroskopischerDimension verschwindet leider derkreative Ansatz und dietypographische Raffinesse. Die simpleSchreibweise ist aber notwendig, umeine Marke in niedriger Auflösung undMiniformat eindeutig zu erkennen –zum Beispiel als App-Symbol. Dannentfaltet ein Logo, das auf Briefpapier,

als Ladenschild oder auf einerEinkaufstasche alles andere alsappetitlich wäre, seine wahre Stärke.Weniger Logo kann mehr Substanzfreilassen, dabei leichter, also sogarschneller und energiesparender sein –auch das ist Dynamik. Fest steht: Manwird sich an den radikalen Schnittgewöhnen. Bestimmt setzt er einenTrend – wie der Bob von CameronDiaz.

23. Oktober, 2012

Wiederholungstat: NokiaLumia 920

Marken wecken Vertrauen, Sympathieund Respekt und sind vor allemimmer da, wenn man sie braucht. Dasist natürlich Quatsch – oder besser

eine idealistische Banalisierung derRealität. Man baut eine emotionaleNähe zu Marken, weil sie sterblichsind. Anders kann man dasmerkwürdige Phänomen derMarkentrauer nicht erklären. SelbstMarken, die es nicht mehr gibt – zumBeispiel AEG – will man nicht soeinfach gehen lassen. Mittlerweile nureine Handelsmarke von Electrolux, die„Aus Erfahrung Gute“ ist immer nochNummer Eins im deutschen Herz.Immer noch kaufen viele deutscheBürger fernöstliche Erzeugnisse unddas nur, weil das Billigzeug mit demGeist von Grundig gesegnet ist – demanderen toten Brand Champion. Sie

pflegen so weniger dieAufrechterhaltung einesWirtschaftswunder-Mythos, alsvielmehr die Illusion ihrer eigenenUnsterblichkeit. Doch Menschensterben nun einmal, und ihre Markenmit ihnen. Noch ist das Phänomenrelativ unerforscht. Schließlich sinddie meisten Marken Baby-Boomers.Laut Interbrand sind die Top Ten der„Best Global Brands 2012“ imDurchschnitt 66,2 Jahre alt. Die dreiältesten davon kommen sogar aufeinen Durchschnitt von 113 Jahren –zwei weniger als die drei ältestennoch lebenden Menschen. Coca Cola,IBM und General Electric gelten als Ur-

Großmarken. Dazu zählt auch dieWundermarke Nokia – mittlerweileauf Rang 19 weltweit. Fast wäre dasTraditionsunternehmen im Alter von116 Jahren gestorben. Doch derfinnische Jesus erstand wieder aufund machte aus GummistiefelnMobiltelefone. Der berühmteKlingelton „Tatatata-tatatata-tatatata-taa“ gilt als Soundtrack der NewEconomy. Nokia war für die früheHandy-Generation, was das iPhone fürdie Smartphone-Generation ist. DerWettbewerber aus Cupertino wurdezum Gräuel der Finnen, die jetztbewusst ein „Comeback“ versuchen.Mit einer aggressiven Kampagne wird

das Lumia 920 gelauncht. Man zeigt esim bissigen Ferrari-Gelb und -Rot,denn in gewöhnlichen Farben – es istauch in Schwarz, Silber und Weiß zuhaben – wäre Nokias Smartphonekaum vom Wettbewerb zuunterscheiden. Die kantige Schärfeund die flache Dynamik von Windowslassen das Gerät leistungsfähigwirken. Das Lumia will maskulin undbusiness-like sein. Mit ihm kommtnicht nur Nokia, sondern ein gutesStück New Economy zurück. Doch daserwünschte Comeback kann nichtganz gelingen. Nicht, weil Nokia imsehr positiven Sinne mit der Handy-Generation fest verbunden ist,

sondern weil die vergangene Zeitkaum gut zu machen ist. Was fürMenschen gilt, gilt auch für Marken.Nokia ist bereits eineWiederauferstehung gelungen. Daswar ein einmaliges Wunder, welches –wie bei Jesus auch – sicherlich nichtwiederholbar ist.

20. November, 2011

Brands Undercover: FiatChrysler Automobiles

Mit einem lauten „Hoch lebe dasBrautpaar!“ werden in ItalienHochzeiten gefeiert. Nur in einem Fallverbietet die Eifersucht solchen Jubel:

Mamma Fiat hat fremd geheiratet – inden amerikanischen Big-Three-Adel.Nicht mal die Tatsache, dass SignoraFiat etwas geschafft hat, woran selbstein Daimler gescheitert ist, hebt dieLaune. Denn: Das Brautpaar wirddemnächst ins Ausland ziehen.Mamma ist weg, und keiner weißwieso. Was von der lautenitalienischen Politik übrig bleibt, istanderweitig beschäftigt. Berlusconihatte nie Sympathie für die Agnelli,die ihn als Neureichen mieden. Privatbevorzugt er den alten Pullman ausSindelfingen, als Ministerpräsidentwählte er demonstrativ Autos ausIngolstadt. Matteo Renzi fährt

Fahrrad. Dann hat Mamma auch nochihren Namen gewechselt. Sie heißtjetzt Fiat Chrysler Automobiles. EineKombination, die wie ein schwarzerPeter klingt: Es hat eine Chrysler-Mitsubishi-Affäre, eine Chrysler-Simca-Beziehung und eine Daimler-Chrysler-Ehe gegeben – dazu einChrysler-by-Maserati Kind – inoffiziellChryslerati getauft. Alles schiefgelaufen. Die salomonische LösungFiat-Chrysler klingt wie für eineScheidung prädestiniert. Dieuneindeutige Identität sorgt nichtgerade für Wir-Gefühl unter denFamilienmitgliedern – in diesem Falltausende von Konzernmitarbeitern.

Vielleicht ist es dem typischitalienischen Aberglauben geschuldet,dass die Brautausstattung mitInitialen versehen wurde: FCA, einsuperoriginelles Kürzel! Sportlich wieFC Augsburg. Seriös wie FinancialConduct Authority. Mobil wie FerroviaCentro Atlantica. Kreativ wieFederation of Canadian Artists odervieles mehr. Als dritter und letzterSchlag kommt ein neues Logo, geistigwie gestalterisch von markanterEinfallslosigkeit. Wer sich beschwert,hat nicht kapiert: Undercover ist dieZukunft für Konzernmarken. Manmuss die unlösbare Komplexität derAufgabe begreifen: Ein italienischer

Designer musste dem einemHalbfranzosen gehörenden und voneinem Kanadier geführten neuenniederländischen Unternehmen mitSitz in London, italoamerikanischenWurzeln und internationalenInteressen eine global anmutendeIdentität verschaffen. Da kann mannur neutral, offen, abstrakt gestalten– dazu möglichst einfach. Fakt ist: Dieromantische Geschichte von MammaFiat und den Big Three war gestern.FCA ist auf dem Weg zu einer globalenUnternehmung, wofür andere Regelnund Perspektiven gelten – auch imDesign. Also nicht beschweren,sondern feiern: Evviva gli sposi!

16. Februar, 2014

Markenmultiplizität: Toyotain Japan

Am Anfang war die Marke – dasBrand-Zeichen auf der Haut derViecher – lebenslänglich. Konsistenzwar das große Wort, dass die

deutschen Markenführer –beispielsweise Behrens von AEG – sichauf die Fahne schrieben. Noch in den90ern investierte man Geld und Zeit inmonumentale Handbücher zumCorporate Design – alles festgelegt,einschließlich DOs und DON’Ts. Kaumwar das Handbuch fertig, schonkamen die ersten Korrekturen undErgänzungen. Man glaubte noch, wieDieter Rams von Braun, ans CorporateProduktdesign. So begannenAutomobilmarken in den 80ern, denGrill ihrer Autos zu vereinheitlichen.Man versuchte später, Design-DNA fürdie Ewigkeit einzufrieren. FahrendesSymbol dieser Markenstrategie ist der

Deutsche ICE: in zweiundzwanzigJahren nur drei Modelle, eineFarbcodierung, eine Formensprache.Dass auch Geruch, Dekor und Speisensich scheinbar nie verändern, gehörtwohl irgendwie dazu. Wenn aber derneue Volkswagen gestalterischeEinheitlichkeit versucht, wird esschwierig. Sobald das nächste Gesichterscheint, beginnt das Face-Lifting füralle Modelle. Einem Langzeitläufer wiedem Touran wurden bereits dreimalAugen, Nase und Mund operiert. Wieunnötig. Alte Markenlehre kämpft mitder neuen Geschwindigkeit vonDesign. In Japan, wo trotz eisernerTraditionen Unbeständigkeit herrscht,

wird lieber das Prinzip derMarkenmultiplizität praktiziert. Es gibtnicht einen Shinkansen Zug, sondernsechs verschiedene. Ihre Form dientnicht nur der Funktion – Tunnelzügebrauchen ja eine andere Aerodynamikals Freiluftzüge –, sondern auch demMarketing. Mit verschiedenen Farbenund Ausstattungen bietet man, jenach Strecke und Geschwindigkeit,erkennbar verschiedeneMobilitätsprodukte mitwohlklingenden Namen wie Hayabusa,Nozomi oder Mizuho an.Markenkonsistenz findet manwoanders: in der militärischenPünktlichkeit. Weil die eigene

Produktpalette von ca. 60 Modellenverteilt über vier Vertriebswegegestalterisch kaum zu vereinheitlichenwäre, hat Toyota, anstatt das Designzu bändigen, eine ähnliche Strategieimplementiert. Während dieMuttermarke für unsichtbare Wertewie Qualität steht, kann sich ihrDesign frei bewegen. Außer imBestseller Prius, findet man dasbekannte elliptische Logo nur hinten.Vorne tragen die wichtigsten Modelleein eigenes Design und individuelleWappen – eine Krone für den Crown,ein Nespresso-N für Noah, ein X fürMark X, eine Weihe für den HarrierHybrid und so weiter. So entwickelt

sich jedes Modell flexibel undindividuell und die Designer könnensich auf das Wesentlichekonzentrieren: Neues zu kreierenanstatt Altes zu liften.

03. März, 2014

Produkte

Steinzeit: Neolog A24

Die Designkritik einer Armbanduhrließe sich mit einem Wort erledigen:

Überflüssig. Uhren kauft und trägtman lediglich aus emotionalenGründen. Lieber sammelt und zeigtman sie, wie einst Briefmarken undheute Kunst. Anspruchsvolle „GrandeComplication“ und „massenlimitierte“McDonald’s-Editionen bilden dieGegenpole einer Branche, die zwarihre Kernkompetenz und zum Teilauch ihre Existenzgrundlage verlorenhat, aber dennoch in schrillerDekadenz glänzt. Was hat das allesmit Design zu tun? Wenig, obwohl esdem Design gelungen ist, die Anzeigeder Uhrzeit in alle alltäglichenSituationen und Geräte zu integrierenund somit die Zeit zum kollektiven,

kostenlosen Gut zu machen. AberDesign kann man leider auch andersverstehen. Und dann ist „Design“ diebesondere Kunst, Gegenstände undderen Besitz so zu gestalten, dass sieLifestyle-Charakter annehmen.Lebensstil als Schutzgrenze zurHässlichkeit, zu den Widersprüchendes realen Lebens und als Weg zurstandardisierten Individualisierungdes Menschen. Den erklärten Wunschnach Perfektion kann man entwederpreisen oder als biederen Versuchbetrachten, sich intellektuell vomMassengeschmack – zum Beispiel vomLandhausstil – abzuheben. In beidenFällen gilt: Die Erreichung des

perfekten Design-Lifestyles erfordertviel Disziplin. Sie kann nur in derScheinwelt von Designbüchern undWerbemotiven verwirklicht werden.Um dieses Ziel herum werkelt undprosperiert die Branche der „Design“-Objekte: von Designern für Designerentworfen, von Design-Institutionenmit Design-Preisen ausgezeichnet, vonDesignmagazinen gelobt, bis dieseObjekte schließlich im Museum undim Museums-Shop landen. Dass dasInteresse für Design heute soausgeprägt ist, halten viele Gestalterfür eine gute Nachricht. Die schlechteNachricht aber ist, dass es sich beidiesem „Design“ gar nicht ums

Wesentliche handelt, sondernlediglich um dessen gezielteÄsthetisierung. Demnach sieht„Design“ Schwarz-Chrom-Matt-Leder-Stahl-Rund-Eckig-Cool aus. So auchNeolog A24, eine deutsche,preisgekrönte Design-Uhr, die nichtaufgrund ihrer Design-Ästhetik meinInteresse weckt, sondern weil sieversucht, eine neue patentierte Artder Uhrzeitanzeige zu etablieren:„Keine Zeiger, keine Ziffer, einfach nurdie Zeit“ wird auf drei Balken alsMenge gezeigt, was immer auch derVorteil sein mag. Alles klingt zwarabsurd, aber ein entscheidenderPunkt wurde getroffen: Absurdität ist

heute ein vortrefflicher Grund für denKauf einer (neuen) Armbanduhr.

12. Juni, 2006

Um jeden Preis: Mercedes-Benz R-Klasse

Crossover nennt man neuerdings jeneFahrzeuge, welche die Eigenschaftenbekannter Automobiltypologien aufneue, kreative Weise kombinieren.

Wie Renaults Designchef Patrick leQuement erläuterte, ist das Prinzip soalt wie das Automobildesign selbst. Sowar 1961 der Renault 4 bereits einCrossover: Er vereinte den Komforteiner Limousine mit demRaumkonzept eines Transporters, undnoch dazu war er durchausgeländetauglich. So gesehen, ist die R-Klasse von Mercedes nichts anderesals eine Weiterentwicklung desFranzosen in Superscala. Das Konzeptnennt sich „Grand Sports Tourer“ undrepräsentiert so ziemlich das fettesteAutomobil, das man sich zulegenkann. Heute erhält diese R-iesen-Klasse eine deutsche

Designauszeichnung, die sehr gelegenkommt, da sich das Gerücht verbreitethat, das Auto ließe sich in den USAnur schlecht verkaufen. Um dieAuszeichnung zu verstehen, solltezunächst geklärt werden, wasDesignpreise wirklich sind:hauptsächlich klugeMarketinginitiativen vonprivatwirtschaftlich organisiertenInstitutionen. Produkte werden nichthochamtlich nominiert, sondern vonHerstellern kostenpflichtigangemeldet; die Auszeichnung sowiedie Nutzung der damit verbundenenQualitätssiegel können nur gegenGebühr werbewirksam eingesetzt

werden. Egal, wie kompetent die Juryauch besetzt sein mag, gepriesen wirdnicht unbedingt das Beste vomBesten, sondern meist nur daspassabelste der zur Auswahlstehenden Produkte. Was dieKriterien betrifft, so wundert man sichoft, wie weit die Juroren vom Marktentfernt sind. So spielen zum Beispielweder das Preis-Leistungsverhältnisnoch die Akzeptanz eine Rolle in derBewertung. Fraglich bleibt jedenfalls,wie in Zeiten wachsendenBewusstseins für Energieprobleme(selbst in Amerika) ein solcher R-iesemit einem Preis gewürdigt werdenkann. Aus wenig mehr zu machen, ist

ja keine große Kunst. Man könntemeinen, bei der Entscheidung habe essich um rein emotionale, garstilistische Gründe gehandelt. GegenGeschmack ist nichts einzuwenden.Ich kann aber mindestens zweiMerkmale nennen, die meinesErachtens keiner Auszeichnung würdigsind: Erstens, die manieristische,nostalgische und kostspielige Art,Stilelemente in die Karosserieform zuintegrieren – wie zum Beispiel in derwillkürlichen Komposition vonLeuchten, Leisten, Lufteinlässen undsonstigen Dekorteilchen in derFrontpartie. Zweitens, die täuschendeDachlinienführung – wobei die

Designer offensichtlich den Komfortder Insassen zugunsten einessportlichen Aussehens vernachlässigthaben. Ein auffällig-originelles Auto,ganz im Stil des heutigen Mercedes-Benz-Design, mag den einen oderanderen vielleicht beeindrucken,designpreiswürdig ist diese R-Klassedeswegen längst noch nicht.

30. Juli, 2006

Top-Stoff: Mazda MX-5Roadster Coupé

Als 1989 der Mazda MX-5 auf denMarkt kam, war es einfach, ihm einerosige Zukunft vorauszusagen. FünfJahre hatte die Entwicklung in

Kalifornien, Großbritannien und Japangedauert, dann stand das Resultat da:Die perfekte Synthese allerEigenschaften eines offenenZweisitzers, wie ihn die Engländer(MG, Triumph, Lotus) und die Italiener(Alfa Romeo, Fiat) schon immergebaut hatten, aber nicht mehr bauenwollten. Von dem ankurbelndenOldtimer-Trend inspiriert, stellte derMiata – der Name bedeutet so etwaswie „Belohnung“ – den Wendepunkteiner nie dagewesenen kulturellenRevolution in der Automobilindustriedar. Bildhübsch war er und in seinerneuartigen, romantischenInterpretation klassischer Stilelemente

einfach einmalig. Ausgerechnet einjapanischer Hersteller, der provokativund gleichzeitig nicht ohneSelbstironie mit der Headline „Velyvely blitish“ warb, entdeckte dasautomobile Erbe, löste den Retro-Trend aus und wurde so zum Vorbilddes New Classic Designs, das heuteweltweit als Megatrend gefeiert wird –ohne MX-5 hätte es den Z3, denBoxster und den SLK nie gegeben. Dererste MX-5 erfreut sich zurecht einergroßen Fangemeinde, wird bereits alsKlassiker gewürdigt und selbst im Film„Cars“ von Pixar-Disney nebenwenigen weiteren Ikonen verewigt.2005 brachte Mazda mit der dritten

Serie ein Remake des Urmodells aufden Markt – bulliger, größer undleicht over-designed. Noch nichteinmal ein Jahr später überrascht eineweitere Neueinführung: Anstatt desüblichen Stoffverdecks, gibt es ab jetztwahlweise ein festes Klappdach nachdem Vorbild des Mercedes SLK. Diegute Nachricht lautet: Die Operationist im ästhetischen Sinne perfektgelungen. Zwar wurde das ganze Hecketwas aufgeblasen, doch bleibt dieWindschutzscheibe wie sie ist – derLaie wird den Unterschied kaumbemerken. Der wahre Roadster istoffen schöner, beim Roadster Coupéist es umgekehrt. Chapeau an die

Mazda-Designer. Nur, warum zweiVersionen bauen, die konstruktiv nurzur Hälfte identisch sind und die sichdennoch kaum voneinanderunterscheiden? Müssen wir darin eineSchwäche in der Designstrategieerkennen? Einerseits haben wir denklassischen Roadster und der verlangtnach einem Stoffdach. Andererseitsbegrüßt der Markt das klappbareCoupé-Dach als bequemen modischenGag. Der MX-5 steht nun an derKreuzung: Langfristig kann nur einesder beiden Modelle zum Bewahrerdes Mythos gekürt werden. Im Namenvon mehreren hunderttausendPuristen sage ich einfach: Es werde

Stoff.

18. September, 2006

Supermodel: Foscarini Twiggy

Um als Designer anerkannt zu werden,muss man lediglich einen Stuhl, einSofa und eine Leuchte entworfenhaben. So macht man in Mailand überden kreativsten aller Jobs Witze und

darüber, wie einfach man sich dieBerufsbezeichnung „Designer“aneignen kann. Von wegen! Es gibtnichts schwierigeres, als Stühle, Sofasund Leuchten zu entwerfen. Heuteeinen Klassiker zu schaffen, gleichteinem Sechser im Lotto. Marc Sadler,einem in Mailand lebenden Franzosenaus Österreich, ist ein glücklicher Wurfgelungen. Twiggy ist mehr als aufideale Weise verbunden mit demberühmten Supermodel aus England,das 1966 mit sechzehn Jahren dieWelt eroberte und das Bild der Frauradikal veränderte. Wer die grazile,androgyne Schönheit vor Augen hat,der erkennt die formale Ähnlichkeit

mit Sadlers Bodenleuchte – bevorzugtin Rot oder Weiß – sofort. Sowohl fürdas Model als auch für die Leuchtegilt: kleine Masse, Sonder-Klasse.Typologisch ist Twiggy eine„Bodenleuchte mit dezentralisierterLichtquelle“, was nur so viel heißt,dass dank eines bogenförmigen Armsdas Licht bis zu anderthalb Meternweit und zweieinhalb Meter breit vomFuß entfernt gestrahlt werden kann.Unter dem Bogen sitzt oder läuft manbequem, eine willkommeneProblemlösung für „modernes“Wohnen. Das Designkonzept ist fastso alt wie die Namenspatin selbst,hatte der geniale Achille Castiglioni

seine berühmte Leuchte Arco dochschon vor 45 Jahren bei Flosherausgegeben. Von CastiglionisEntwurf hat Twiggy dieselbekonstruktive Einfachheit undGenialität, dazu ist sie leichter undflexibler einzusetzen. Mit ihremmarkanten und schweren Marmorfuß,fügte sich Arco perfekt insFamilienbild der intellektuellenBourgeoisie, die progressiv dachteund dennoch konservativ lebte.Dagegen kommt Twiggysminimalistisch-leichter Fuß geradezuals Erlösung für daspseudointellektuelle neue Bürgertum,das konservativ denkt und progressiv

lebt – im ständigen interurbanenUmzug. Für diese Gesellschaftverkörpert Twiggy alle wichtigenMerkmale: Sie ist gleichzeitig auffälligund bescheiden, souverän und grazil,innovativ und romantisch, einfachund komplex, vollendet undunvollständig. Alles an dieser Stelleerklären zu wollen, wäreunangebracht, da das gewöhnlichselbstverliebte Designgerede immerlangweilig wirkt. Also erspare ich esuns und wage lediglich eineVoraussage: Twiggy hat das Zeug zumKlassiker, die Fachmedien werden sielieben, designaffine Menschen werdensie deswegen haben wollen und den

dafür notwendigen Premium-Preis vonüber 1.000 Euro ertragen. Die kleineund feine Firma Foscarini wird mitdem Supermodel (ob fürNamensrechte bezahlt werdenmusste?) gutes Geld machen, bisvielleicht in 45 Jahren eine würdigeNachfolgerin kommt. Beruhigend undschön, wie einfach das Geschäft in derguten, alten Designwelt (noch)funktionieren kann.

23. Januar, 2007

Mittelabsatz: Bär Colani

Es war still geworden um Lutz „Luigi“Colani, den in Berlin geborenen, italo-schweizerischen Altmeister. Richtiggeliebt wurde der vielseitigeAußenseiter in der deutschen

Designszene nie: zu eigenwillig seinePhilosophie, zu extravagant seineFormensprache, zu auffällig seinVerhalten. „I am the greatest“, so seinbescheidenes Motto. Genaudeswegen liebten ihn die Medien,machten ihn zu einer Zeit berühmt, inder das Publikum nicht einmal etwasmit dem Wort „Design“ anzufangenwusste. Je weniger ihn die heimischenKollegen ernst nahmen, desto mehrgingen internationale Firmen auf ihnzu – und auch umgekehrt. Trotzdemwurde es irgendwann zu viel. Seinletztes Großprojekt, die Colani-Computerreihe für Vobis aus dem Jahr1993, ist ein Paradebeispiel dafür,

dass Designvisionen nicht ohnedramatischen Qualitätsverlust inlieblose Alltagsprodukte umgesetztwerden können. Der Kompromiss isteinfach zu groß. Wie die Ideen sovieler großer Denker des letztenJahrhunderts, so lassen sich auchColanis Ideen am besten inKonzeptform betrachten. Egal, wasman von dem Menschen Colani haltenmag, dem Ingenieur und studiertenAerodynamiker Colani gebührtAnerkennung als Pionier des Bionik-Design: Aus der Natur lernen, wieForm und Funktion vonGebrauchsgegenständen – obFotokamera, Motorrad oder LKW –

optimiert werden können. ColanisInterpretationen waren stetsprovokant und durchaus als Schlag insGesicht der Industrie gedacht. BeispielAutomobil: Ein von ihm verbesserterVW Polo war 1979 gut 12 km/hschneller und dabei 1,2 Litersparsamer als das Serienmodell; nacheiner Colani-Kur (Naturvorbild: DerSchwimmkäfer) brachte es 1981 eineEnte auf den sensationell niedrigenVerbrauch von 1,772 Litern. Colaniswohl unverschämte Designkritik imWochenmagazin Stern wurdeeingestellt, vermutlich aufgrund vonDruck seitens der Industrie. ObwohlColani damit zum Popstar wurde,

verkauften sich seine Produkte niewirklich gut. Nicht einmal seineeinmalige Teekanne für Rosenthalschaffte es zum Klassiker. DemSchöpfer fehlte die Anerkennung wiesie beispielsweise ein Walter Gropiusgenoss. Sind Colanis Schöpfungenauch zu „designig“ für das großePublikum, so ist sein Bekanntheitsgradhingegen enorm. Fragt man in derdeutschen Provinz nach, dann stehtder Name Colani als Synonym fürDesign. Kein Wunder also, dassausgerechnet eine Firma aus derdeutschen Provinz denneunundsiebzigjährigen „ProfessorColani“ um ein „chices“ Schuhdesign

ersucht, das den strategischenWandel vom Bequem- zum Designer-Schuh ermöglichen soll. Wer jetzt zumLächeln neigt, muss wissen, dassColani auf diesem modischen Gebietsogar Erfahrung nachweisen kann:Erfand er doch 1954 den Mittelabsatz,der von Dior übernommen wurde undder dem Berliner damals einenNebenjob als Schuhdesigner in Pariseinbrachte. Was fünfzig Jahre späterherauskommt, ist eine Kollektion von„Sexy Bequemschuhen“ für Damenund Herren, benannt nach „elegantenMetropolen“ und dank des„aerodynamisch geformtem Absatzes“den „besonderen Kick“ und

gleichzeitig orthopädische Korrektheitversprechend. Alles klingt bestens, dieGrundstrategie wirkt rührend. Als obdie Konsumwelt noch so jungfräulichwäre wie vor fünfzig Jahren, versuchtsich die Herstellerfirma Bär in einemGebiet, dem Schau-Business, das vonanderen Inhalten getrieben wird alsdas klassische Schuh-Business. Dazukommt ein Preissegment zwischen 170und 199 Euro, in dem es selbst derErfolgsmaschine Puma nicht gelungenist, eine von Philippe Starckentworfene Schuhkollektion dauerhaftzu etablieren. Bleibt die Frage nachder Strategie, damit vielleicht nichtdie Jungen der Metropolen, sondern

die Alten der Provinz ansprechen zuwollen. Aber auch da sehe ich eherschwarz. Ein „gangbarer Kompromiss“,so beschreibt Bär das Ergebnis derKooperation zwischen schwäbischerBodenständigkeit und Colanisstilistischer Extravaganz. Der Satzgleicht einem selbstverordneten(Todes)Urteil: Kompromisse bringenselten Markterfolg.

24. April, 2007

Müllmaschine: Loofen FoodWaste Dehydrator

Den Deutschen wird gerne nachgesagt,dass sie die einzigenPlanetenbewohner seien, die ihrenMüll, zum Beispiel Joghurtbecher, vor

der Entsorgung erst noch schönsauber waschen. Sorgfältig getrennt,landet der Müll dann in vielerleibunten Behältern, die, ebenfallssauber geordnet, demonstrativ zurSchau gestellt werden. Zur wirklichenBeschauung jedoch stellen die Pariserseit den jüngeren Terrorangriffen denstädtischen Müll aus: In graublauendurchsichtigen Säcken hängt er dort(un)ansehnlich in drahtigen Körben.Das Ziel: Niemand soll auf die Ideekommen, darin eine Bombe zuverstecken. Noch schaustellerischergeht es am italienischen Ende Europaszu. Dort prägt der Müll das Stadtbildmit Haufen, Reihen und Bergen. Alle

Sinne werden durch Farbe, Geruchund Konsistenz angeregt: hier Reifen,dort Waschmaschinen, überallKartons, nur Organisches wird insÖkosystem reintegriert. Dafür sorgenMäuse, Hunde und Füchse. Das magviele stören. Die Genfer Forscher desInstitut de la Durée stört sichtbarerMüll wenig, handelt es sich dabeidoch um ein reinesWahrnehmungsproblem. Für dieÖkobilanz spielt letztendlich keineRolle, ob ein Automobil in derVerkaufshalle, einer Garage oder aufdem Schrottplatz steht. Müll entsteht,sobald Energie und Rohstoffeunwiderruflich in nicht abbaubare

Produkte umgewandelt werden, alsodirekt in der Fabrik. So gesehen,verkaufen und konsumieren wir nureines: Müll. Die Kunst besteht darin,weniger davon für eine längere Zeit zugebrauchen. Denn Müll kostet erstdann Geld, wenn wir ihn entsorgen,egal in welcher Form. Daraufaufmerksam wurde 2003 Hee-ja Lee,eine Designerin aus Seoul. Sie störtesich an dem Tag für Tag in deneigenen vier Wändenkompostierenden Müll und demdamit verbundenen täglichenEntsorgungszwang. Ihre Lösung desProblems, so simpel wie genial, isteine heimliche Müllmaschine. Ein

Trockner, der leise sämtlicheorganische Essensreste, einschließlichKnochen und Schalen, auf einsauberes Fünftel der ursprünglichenMasse reduziert. Bakterien undGerüche gehören somit derVergangenheit an – auch ohneSagrotan. Aus einer vielfachausgezeichneten Produktidee wurde2003 die Firma Loofen geboren, dieseit 2006 ein fertiges Produktanbietet, das mittlerweile in dengesamten fernöstlichen Marktexportiert wird. Für eine neueProdukttypologie musste einepassende Designsprache gefundenwerden, und dazu ist dem weiblichen

CEO von Loofen ein cleveres Konzepteingefallen. Auf zwei Ebenen trickstsie mit einem erlernten Kodex: Derweiße Würfel mit dem Bullauge stellteine klare Assoziation zurWaschmaschine dar – Kodex fürWäsche und Sauberkeit. Doch dasAuge dient lediglich als Griff, wodurchsich die Front seitlich öffnen lässt, denMüllbehälter zieht man dann wie dasGemüsefach des Kühlschrank heraus –Kodex für Hygiene und Haltbarkeit.Typisch asiatische Farbkombinationund ein gewisser iPod-Touch lassendas Gerät gut schmecken. EinMülldesign, das alle Sinne anregt.

28. Oktober, 2008

Ich Mowgli: Audi A1

„Der A1 ist das erste Premium-Auto inder Klasse der kleinen Kompakten“und „das sportlichste“ dazu. Mitihrem kleinsten Baby gibt sichMamma Audi nicht weniger

bescheiden als sonst. Ihr Gebot istklar: Du sollst keinen anderen Minineben dem meinen haben. Ignorierensoll der Kunde den Rivalen BMW, derdas Premium-Kompakt-Sportlich-Segment neu definiert und besetzthat. Ignorieren möchte Audianscheinend auch den ersten echten„Luxuswagen in der Kompakt-Klasse“.Der Audi 50 brachte 1974Mittelklassequalität ins Kleine:Teppichboden, abblendbarer Spiegel,elektrischer Wischer, auf WunschKopfstützen und Automatik-Gurte.Dazu eine große Heckklappe, Platz fürfünf Erwachsene, eine Innenlänge wieim 5er BMW. Eigentlich ein perfektes

Mobilitätstool, worüber Audi abernicht reden will: Sah er doch wie einPolo aus und hatte nur lausige 60 PS.Und das, obwohl der kaum 700 Kiloleichte Audi damit mancherOberklasse Paroli bieten konnte. TolleGeschichte. Alle Aufmerksamkeit iststattdessen auf den A1 gerichtet:einen „ganz Großen“ mit„charaktervollem Design,kompromissloser Qualität undwegweisenden Effizienztechnologien“.Wie haben sich die Zeiten dochgeändert! Als die große Ölkrise dieAutomobilindustrie zum drittenDownsizing zwang, war das Automobilfür viele immer noch ein Traum. Der

neue A1 kommt unter ganz anderenPrämissen auf die Welt. DasAutomobil nähert sich dem Endeseiner Laufbahn: die Garagen voll, dieStraßen voll, die Nasen voll. VieleTaschen dagegen leer. Selbstwohlhabende Konsumenten sehnensich nach mehr Leichtigkeit, wenigerBallast, Konzentration auf dasWesentliche – und mögen lieberOldtimer. Was also macht wirklichglücklich? Vier Meter Länge, wie einMorgan Roadster: die A1-Größe istperfekt. Dazu trägt der Baby-Audiemotionale Oldiezüge: VomRaubvogel-Gesicht abgeleitet,entwickelt sich ein liebenswürdiges

Automobil-Küken à la Fiat 500. DasHeck endet dann in einem knackigenPo, muskulös und mollig zugleich –also eher Mowgli als Naomi. HübschesMännlein, dieser A1. Ein Monumentan „Vorsprung durch Technik“ ist eraber nicht. Baugleich mit VW Polo undSeat Ibiza, hebt sich der kleine Audikaum vom hohen Effizienz- undQualitätsniveau anderer Produkte ausdem Wolfsburger Konzern ab. Sein„Coupé-haftes Design“ raubt dazu vielNutzraum, macht ihn zum wenigerklugen und kaum sinnvollen Typ. DieEntscheidung hat Gründe: Der A2,Audis erster Versuch eines effizienten,leichten und kompakten Fahrzeugs

war zu intelligent, kaum emotionalund letztendlich erfolglos. Der A1 willnur eins: hübsch sein. Und das ist erauch. Trotzdem wird er bei demavisierten „jungen, (...) Lifestyle-orientierten Publikum“ den Mini nichtverdrängen. Dafür fehlen ihm derrebellische Charakter, der inhaltlicheKick und eine gehörige PortionMythos. Um dieses Ziel zu erreichen,müsste Audi schon etwas Grandiosesschaffen. Nach dem TT einen BB: Daskompakte Package des neuen A1, derunerbittliche Stil des kommenden A7,die technologische Finesse eines R8,die Fitness des alten Audi 50. Sokönnte „das erste und sportlichste

Premium-Auto in der Klasse derkleinen Kompakten“ entstehen.Hübsch kann jeder. Grandioses Designkönnen nur wenige. Und wenn Audisich nicht traut...

01. März, 2010

Far East Klassik: TatungReiskocher

Wenn Design eine Krankheit ist, dannSchizophrenie. Einerseits diekrampfhafte Suche nach derultimativen Innovation mit

superkreativen, ultra-coolenHyperformen. Andererseits dieromantische Sehnsucht nach „Formen,die man nicht verbessern kann“. Der(echte) Käfer ist zwar tot, und Braunfühlt sich heute auch nicht mehr ganzwohl. Dafür gibt es aber bei Porscheeinen fünfzig Jahre alten 911er und LaPavoni bietet eine neunzig Jahre alteKaffeemaschine an. Das Rezept kommtgut an. Dass der Erfolg der westlichenProdukt-Industrie auf Tradition baut,hat mehr als ästhetische Gründe. Dieglamouröse Inszenierung von„Heritage“, von der eigenenGeschichte und Tradition, war zuBeginn der 90er die beste

Designstrategie, um sich vor derWarenflut aus den Billiglohnländernzu schützen. Mittlerweile haben dieNewcomer der Wirtschaftsweltbewiesen, dass man Traditionen nichtnur besitzen, sondern auch neuerfinden kann. Mit neuen Produktenfür neue Kunden – und dempassenden Design dazu. Gewiss, nichtimmer handelt es sich dabei umFormen, die man nicht verbessernkann. Ein sizilianischer Hi-Tech-Bauerkreuzt in einem nichtidentifizierbaren, silbrig-glänzenden,Super-Macho-Pickup durch die Stadt –das U.F.O. entpuppt sich als einDouble Cab Super Luxury 4X4 namens

Steed der China-Marke Great Wall,dem ich für den Süden Europasbaldigen Klassiker-Status vorhersage.Echte Fernostklassiker gibt es zwarschon, nur beachten oder kennen wirsie nicht. Der Reiskocher von Tatungist eine solche Ikone. Seit 1960 wirddas elementare Gerät produziert undnach bewährtem Käfer-Prinzipaktualisiert. Nanotechnologien undElektronik sorgen für Hygiene undKomfort auf neuestem Stand – dieromantische 1950er-Tupperware-Formbleibt unverändert. Eine Konstruktionaus Aluminium und Edelstahl, in denLieblingsfarben Pastell-Grün undPastell-Orange gehalten, die Griffe aus

Bakelit, mit „Pushbutton“ Bedienung.Wer das Ding zu rustikal findet, dermöge an die amerikanischeKüchenmaschine KitchenAid K45zurückdenken, seit 1962 in Produktionund mittlerweile ein beliebtesKultprodukt des Whirlpool-Konzerns.Unter weltoffener Kulturperspektivesind beide Produkte gleichwertig. DerReiskocher kommt aus Taiwan, woHersteller Tatung die Rolle desPlatzhirsches spielt. Mit 95%Marktanteil ist der Reiskocher einDauer-Hit bei den heimischen Kunden,obwohl mittlerweile auch die Fan-Gemeinde in den USA auf dasklassische Design schwört. 2008 wagte

der Hersteller in Zusammenarbeit mitNova Design eine Modernisierung.Prompt bekam das NachfolgegerätTAC-10B höchstes Lob und sogar denmedienwirksamen deutschen iF-Designpreis. Vom Markt wurde dasRestyling jedoch resolut abgelehnt,die Jubiläums-Kollektion des Klassikersin den Farben Watermelon-Rot,Banana-Gelb und Guava-Grünstattdessen ausverkauft. „Neverchange a winning design“ lautete dieLektion der New Coke. NebenEspressomaschine von La Pavoni,Schneidemaschine von Berkel undKüchenmaschine von KitchenAid darfeine Reismaschine von Tatung in des

Sammlers Küche heute nicht mehrfehlen.

29. Mai, 2012

Luftlinie: HondaJet

Eine unsichtbare Linie trennt ernst zunehmendes von drolligem Design: dieLuftlinie. Sobald ein Gegenstandfliegen muss, darf sich der Gestalterkeinen Humor leisten. Obwohl beide

Kategorien höchste Ingenieurskunsterfordern, erhielt Flugzeugdesignschnell das Image einerunanfechtbaren Königsdisziplin,während Automobildesign rasch imminderwertigen Feld des modischenStilismus landete. Dabei ist dieKonsumdimension noch nicht einmalschuld daran. So lange Henry Ford ansein Konzept des günstigen,schnörkellosen Automobils glaubteund Le Corbusier in seiner Hymne andie Maschine Automobile, Flugzeugeund Ozeandampfer zusammenfasste,konnte man noch Parallelen zwischenbeiden Kategorien ziehen. Dann abererfand Alfred P. Sloan die geplante

Obsoleszenz durch „Art & Color“ undverurteilte Automobildesign zu dem,was es eigentlich im Sinne der großenKonstrukteure europäischerAbstammung nie hätte werden sollen:Mode. Die Kluft zwischen Luftfahrt-und Automobildesign war Ende der30er Jahre bereits so groß, dass selbstdie General-Motors-Stilisten zurEntwicklungsstätte von Lockheedpilgerten, um sich mit bedachterFrömmigkeit die P38 Lightning näheranzuschauen. Wie Eva von der RippeAdams, wurde die internationaleAutomobillinie der Nachkriegszeitnach dem Vorbild amerikanischerBomber und der ersten Kampfjets

modelliert. Doch je mehr dasAutomobil versuchte, sich einFlugzeug-Image zu verpassen, destoklarer wurde der Qualitätsunterschiedzwischen den beiden Industrien.Nichts anderes als ein Fake waren dieHeckflossen eines Autos, dessenKurven nicht so sehr der idealenStromlinie, als vielmehr demerotischen Vorbild Marilyn Monroesfolgten. Und während das Automobilmit jeder neuen Linie – Muschel,Trapez, Fisch, schließlich dann auchFlugzeugrumpf – an Glaubwürdigkeitverlor, stieg das Flugzeug durch seinedogmatische Linienführung zumSymbol gestalterischer Vollendung

auf. Davon konnte mancherAutomacher profitieren: In den 50ernließ Porsche seine frisierten Käferdemonstrativ vor die viermotorigeSuper Constellation der Lufthansastellen. In den 60ern gab Renaultseinem hübschen Sportwagen denNamen des berühmten Jets„Caravelle“. In den 70ernbeanspruchte Saab für sich dasAlleinstellungsmerkmal, sowohlFlugzeuge als auch Autos herstellen zukönnen. Aber dass eine Marke denumgekehrten Weg wagt, das hatte esnoch nicht gegeben: vom Motorradzum Jet. Mit typischer Hingabeverfolgt Honda seit 1986 das Ziel,

einen „very light Jet“ zu bauen. Miteiner Mischung aus Demut undSouveränität hat die in den USAansässige Firma HondaJet akzeptiert,bis zur Markteinführung vonWettbewerbern übernommen zuwerden, und man ist auch klug genuggewesen, um die in Partnerschaftentwickelten Technologien zunächstvon anderen Firmen testen zu lassen.Alles mit dem Ziel, zur richtigen Zeitdas ultimative Produkt anbieten zukönnen: ein fliegendes Automobil. DasKonzept beginnt mit einereinzigartigen Positionierung derMotoren über den Tragflächen undendet mit einer Reduktion auf das

Wesentliche, die aus der Kreuzungdreier typischer Honda-Kompetenzenresultiert: Formel-1, Rennmotorrad,Roboter. Daraus wurde jedoch keinPorsche, sondern ein Mini – oderbesser ein Civic – der Lüfte. Manschmunzelt über die bunte blau-silber-gelbe oder hondatypisch rot-weiße Dekoration und versteht, dassein Jet um die 3 Millionen Euro fürviele fast Autowert hat. Man stauntüber ein niedlich lächelndes Gesichtmit anthropomorphen Zügen – halbInsekt, halb Delfin – und macht sichSorgen, hier seien vielleicht Designeram Werk gewesen. HondaJetsMastermind, CEO Michimasa Fujino,

der mit jeder einzelnen Schraube desWunderkinds vertraut ist, beruhigtden Kritiker sofort: “Es gibt keineKurve, die ich nicht erklären kann“.Man wünscht sich, einAutomobildesigner könnte dasselbebehaupten.

09. Oktober, 2012

Rettungspolster: IKEAStrandmon

Der rote Bullenflug des FelixBaumgartner gleicht einemgroßartigen Sprung in dieVergangenheit. Menschen wurden

einst auf den Mond geschossen, ohnezu wissen, ob sie jemals zurückkehrenwürden: Rückkehr war in den erstendrei Vierteln des 20. Jahrhunderts nieein Thema. Die Welt schaute nur nachvorne, mit Supersonic-Tempo. So stiegJoe Kittinger 1960 in einer offenenGondel bis zur Stratosphäre auf undsprang „back to the future“. Joe standPate für die größte Red-Bull-Show, einperfekt inszeniertes Remake seinesdamaligen Abenteuers. Der Helium-Balloon baugleich, die Kapsel – jetztmit Klima-Anlage – ähnlich, das Outfitein wenig professioneller. Nur einRanddetail zeugt von der verändertenWeltanschauung: Ein kristallklarer

Himmel sollte Felix begleiten, derstets sein Ziel vor Augen hatte undselbst das Ziel von Millionen Kameraswar. Joe dagegen musste einen dickenWolkenmantel durchqueren und sichins Ungewisse zurückfallen lassen.Rahmenbedingungen, die heute nichtmehr vertretbar wären. Man willunbedingt wissen, wohin man fallensoll: Am liebsten auf die Couch – mitFernbedienung in der einen und Bierin der anderen Hand. Auf der Suchenach einer Balance zwischenVertrautem und Unvorhersehbaremversucht man, das Space Age von RedBull mit dem gemütlichen Kissen imWohnzimmer zu vereinbaren. Als

ultimativer Barometer menschlicherGefühlslage bringt der IKEA-Katalogdie Problematik auf den Punkt. Ganzgroß auf dem Cover der 2013er-Edition prangt die bedeutendsteNeuheit des schwedischenEinrichtungshauses: ein Ohrensessel.Genau jenes erzkonservativeEinrichtungsstück, das denendgültigen Aufstieg zum Bürgertumsignalisierte. Und zwar nicht nur nachaußen – wenn zum Beispiel Gäste insEmpfangszimmer kamen, um dieFiguren in der Schrankvitrine sowiedas Porzellangeschirr auf demgedeckten Tisch zu bewundern –sondern vor allem auch nach innen.

Der steife, aber bequemeArmlehnsessel mit Ohrenschutz standnur Vati zur Verfügung – dem zurespektierenden Familienoberhaupt.In so einem Sessel, wie ihn IKEA 1951als Modell MK bereits im Kataloghatte, konnte man schon 1969 dieApollo-Landung bewundern. Vielleichterklärt sich damit der IKEA-typischabstruse Name fürs Remake:Strandmon – wie Mondstrandung.Wer so dumm war, Opas Sesselwegzuwerfen, der kann sich jetzt einStück dieser gemütlichen Sicherheitwieder zurückkaufen: einen Sessel,wie ihn IKEA-Gründer Ingvar Kamprad(wenn die Story stimmt) seit fünfzig

Jahren besitzt, und wie er jetzt aufdem Cover des Katalogs mit allenKratzern und Abschürfungenabgebildet ist. So, wie der Flug vonFelix von dem von Joe kaum zuunterscheiden ist, so fällt es auchschwer, das Sessel-Remake vomOriginal zu unterscheiden. Und auchwenn Strandmon keine von der Weltabgeschirmte Kapsel ist: SollteGriechenland doch stranden, dannsitzen wir wenigstens in einem gutgepolsterten Sessel.

16. Oktober, 2012

Philippe Schwach: LaCieBlade Runner

Das Schicksal Philippe Starcks scheintvorprogrammiert gewesen zu sein: Erträgt einen königlichen Vornamen undeinen starken Nachnamen. Die

Kombination mag Zufall sein, keinZufall ist jedoch das selbstentworfeneMarkenzeichen, das alle seineSchöpfungen tragen müssen: einKreuz. Stärker geht es nicht. Undtragischer auch nicht. Hinter dersympathischen Fassade ist PhilippeStarck eine tragische Figur; was seinenglorreichen Erfolg betrifft, so ist ergleichzeitig Täter und Opfer. Starckhat ein „Neues Design“ konstruiertund damit das Verständnis von Designzerstört. Mit seinem künstlerischenKreuzzug hat er sämtliche Theoriender Gestaltung widerlegt. Zunächstreduzierte er alles – Vasen,Zahnbürsten, Leuchten und

Wasserkocher – auf eine einzige Form:das Füllhorn. Damit demonstrierte er,dass Form allem, nur nicht derFunktion, folgen muss. Später schuf erdie Form ab und zeigte das Gespensteines Louis XV. Armstuhls, eineZitronenpresse als Alien und zumMöbelstück geadelte Gartenzwerge.Ironische Provokationen, mit denen erdie Manipulierbarkeit derÜberflussgesellschaft thematisiert. Aufder noch stärkeren Ironie eines zumKlo umgebauten Eimers – und einemergonomisch wie ökologisch absurdenWaschbecken – basiert einer seinergrößten Markterfolge: das PhilippeStarck Design-Bad, aus dem dann

ganze Hotels und schließlichFertighäuser für ein Designlebenwurden. Nach Starck ist Design allesund gleichzeitig nichts. Seineunterhaltsamen Theorien, bei derenFormulierung er sich absichtlichmehrfach widerspricht, erklären allesund nichts. Denn in einer Welt, wodas Sichtbare an Wert verliert und dasUnsichtbare an Bedeutung zunimmt,ist Starcks starker Symbolismusgenauso allgegenwärtig wieüberflüssig geworden. Das ist StarcksTragödie: Selbst ein überlebender„Louis Ghost“, kann er alles gestalten,darf aber nichts mehr verändern. AusIronie wird Witz. „Blade Runner“

nennt er seine Festplatte für LaCie mitder Form eines menschlichen Organs –vielleicht ein Magen, der unsere Datenverdaut. Die Hülle, eine Sequenz vonmetallischen Lamellen, erinnert starkan den Zylinderkopf einesluftgekühlten Motorrads. Man fühltsich in eine ästhetische Nichtzeitkatapultiert, in ein Nirgendwozwischen dem brutalen High-Tech von„Blade Runner“ und dermittelalterlichen Gralssuche des „DaVinci Code“. Wer sich in derartigüberflüssige Gedanken über die Formvertieft, der kommt später auf denwahren Konflikt des Produkts.Machtlos erklärt Starck: „In meinem

Design nichts ist nutzlos“. Stimmt, dasganze Produkt ist es. Machtlos kämpftdie externe Festplatte als Objekt-Organ-Schatulle gegen dieNichtgegenständlichkeit, die tragischeVerletzlichkeit von Daten und gegendie Übermacht der Cloud. Und gegenDesign.

08. Januar, 2013

BemerkenswerteVollkommenheit: SamsungWW9000

Auf der Suche nach den Grundlagenfür gutes Design stößt manunweigerlich gegen die Grenze des

Nicht-Begründbaren. Selbst „dasabsolute Augenmaß“ (Max Bill, amBauhaus studiert, dann Rektor in Ulm)lehnte sich über diese Grenze nichthinaus. Zu seinem 1952er Bilderbucherklärt der Erfinder der deutschen„Guten Form“ mit schweizerischerTrockenheit: „Die Auswahl derAbbildungen wurde getroffen, weildas abgebildete Objekt einen Gradder Vollkommenheit erreicht hat, derbemerkenswert ist.“ Mehr Theoriewollte der große Theoretiker nichtliefern. Geschweige denn eine Formel.Trotzdem erlaubte sich Herbert Ohl, inden Siebzigern fachlicher Leiter desschon damals umstrittenen „Rat für

Formgebung“, die Verkündung:„Design ist messbar“. Um Gotteswillen! Immerhin ist die Diskussionendgültig vom Tisch: „Die gute Formist tot.“ Ausnahmen gibt es nichtwirklich. Zwar denkt jeder Zweite bei„Gute Form“ an das iPhone und dieandere Hälfte an den 911er. Aber mansollte sich weder vom Markenpathosnoch vom Menschenmythos verführenlassen: Beide Formen kommen an dieGrenze des funktional Untauglichen.Beide – das iPhone und der 911 –hätten auch in Bills Aufsatz keinenPlatz. Es geht dort um das Bild einesObjekts und um dessen letztendliche,mittlerweile sehr selten

vorzufindende, formaleVollkommenheit. Die findet manneuerdings in einer koreanischenWaschmaschine. Naturgemäß weißund würfelförmig, mit klassischrundem Bullauge, zwei Knöpfen, einerSchaltfläche. Vorne und hinten nichtsNeues. Dafür spannt Samsung dieflache Front der WW9000 plastisch,um das größtmögliche Bullauge glattzu integrieren. Und dann: Der Griffverschwindet in der Oberfläche, dasnur leicht gewölbte Glas wird „CrystalBlue“ getauft – optisch einAugenschmaus, marketingtechnischauf dem besten Niveauamerikanischer Schule. Ansonsten

sieht man nur die wirklich wichtigenTasten und eine runde Klapptür fürdas Sieb: Fugenlos, ergonomischkorrekt, nach altbewährter deutscherDesignpraxis wunderbar asymmetrischplatziert. Die zentrale Rolleübernimmt ein smarter Touchscreen,der die Innovationskraft eineswahrhaftig integrierten Mischkonzernsbeweist. Das Gerät lässt sichkinderleicht über eine App steuern,ob vom Sofa aus oder vonirgendeinem Ort in der Welt und sogerne auch von Business-Globetrottern. Bleibt nur noch, überdie komischen Wellen in derSeitenverkleidung zu reden:

„Unnötig“, könnte man sagen, dennman sieht sie im Normalfall nicht.Doch die Prägung ermöglicht hoheOberflächenstabilität bei geringeremMaterialeinsatz – wie damals imJunkers Ju und später bei der Ente.Fazit: Eine Waschmaschine vonbemerkenswerter Vollkommenheit.Mehr würde auch Max Bill nichthinzufügen.

23. Juni, 2014

Konsum

MyTThos: Audi TT Nachfolger

Man konnte der Versuchung einfachnicht widerstehen. Pünktlich zum 40-

jährigen Jubiläum wurde im Frühjahrdas Remake des berühmten undbegehrten Lamborghini Miurapräsentiert. Der Miura wurde alsPrimadonna geboren und bleibt bisheute eine Diva: aus jedemBlickwinkel atemberaubend.Großartiges nachzuahmen ist vieleinfacher, als Großartiges zu schaffen.So sieht die Miura-Studie weder gutnoch schlecht aus, aber eben auchnicht anders, oder besser, als dasOriginal: eine nutzlose Karikatur.Ferruccio Lamborghini Sr. hätte dieKopie auch nicht gefallen. Er wollteaus seinem Wagen einen Mythosmachen und wählte dafür die

passende Strategie. Kaum waren einpaar hundert Exemplare geliefert unddie Auftragsbücher voll, da wurdebereits ein Nachfolger präsentiert.Konsequenterweise sah derkontroverse und atemberaubendeNachfolger von 1971 ganz anders alsder Vorgänger aus. Er trug ebenfallseinen neuen Namen: Countach, „dasSonderbare“ im piemontesischenDialekt. Der Miura verlosch auf demHöhepunkt seiner Karriere: wie einStar und so, wie es zu einerDesignikone gehört. Erst sterben,dann verschwinden, später wiederauferstehen: eine klassische Strategie,deren Parallele zur Religion kein Zufall

ist. Diese Parabel hätte dem TT auchwunderbar gestanden. Das 1995 alsStudie und 1998 als Serienfahrzeugpräsentierte Coupé war seinerzeitebenfalls kontrovers. Manchemochten ihn nicht, weil er so gar nichtwie ein Automobil aussah. Mancheliebten ihn gerade aus diesem Grund:ein Designobjekt auf Rädern, eineSkulptur, ein Fetisch. Oder besser,eine Designikone, eine der wenigenaus der Automobilindustrie derletzten Jahre. Verständlich also, dassman so lange davon profitierenwollte, wie es nur ging. Irgendwannhatten alle, die ihn unbedingt habenwollten, den TT gekauft. Kaum war die

Begeisterung vorbei und ein neuesAudi-Gesicht da, da musste sich derTT einen Platz im Autosalonerkämpfen. Ein Elend ohne Ende. Dassnun ein Nachfolger kommt, ist nochschlimmer. Der neue TT ist lediglichein etwas größeres, etwas bunteres,etwas konventionelleres Auto, daszwar fast so wie das Vorgängermodellaussieht, dem aber die geniale,kontroverse Einzigartigkeit, derObjektcharakter und dazu nochjeglicher Überraschungseffekt fehlen.Der Ur-TT hatte den Charme einesminimalistischen, kompromisslosenSportwagens – gerade so, als hätteFerry Porsche sein erstes Modell

anstatt vor 50 Jahren auf Käfer-Basis,erst vorgestern auf Golf-Basisentworfen. Der neue TT willerwachsener sein und ernsthaftergenommen werden. Er versucht sichnun gar in der Porsche-Cayman-Liga.Um eine Neupositionierung zu wagen,wäre eine neue Modellbezeichnung,besser noch ein völlig neuesDesignkonzept, sinnvoller gewesen.Eine neue Designikone, ein neuerModellmythos: Audi hätte sich beideslocker leisten können.Markenstrategisch ist der neue TTeine verpasste Chance.

24. April, 2006

Retro mit Zukunft: New Mini

Als der Retro-Trend zu Beginn der90er Jahre Fuß fasste, fragte sichjeder, was daraus werden sollte.Fünfzehn Jahre später stellt manfolgendes fest: Retro hat nicht nur

überlebt, sondern darüber hinauseine ganze Generation von Produktenim „New Classic“ Design inspiriert unddabei den Geschmack des breitenPublikums dauerhaft beeinflusst. Beiso viel Romantik stellt sich weiterhindie Frage, wie man Retro mitInnovation verbinden soll.Letztendlich strebt einerseits jederHersteller durch die Implementierungneuer Produktionsverfahren nachProfit-Maximierung, andererseitswerden durch Veränderungen in derGesetzgebung neue Anforderungengestellt, die eine konstruktiveWeiterentwicklung erfordern. Beidestrifft auf BMWs Mini zu. Nur fünf

Jahre nach Markteinführung war fürdie überaus erfolgreiche Ikone eineÜberarbeitung fällig. Sehr viel längerblieb der Urmini auch nichtunverändert: Zehn Jahre nachMarkteinführung wurden diemodernisierten Versionen Clubmanund GT vorgestellt. Diese trugen einelanggezogene, gradlinige Front mitintegrierten Scheinwerfern im Stil der70er Jahre und mit dem erklärten Ziel,die Präsenz einer maskulinenMotorhaube zu suggerieren. Nochradikaler ging Bertone mit der Ikoneum und entwickelte 1974 einen starkkeilförmigen Würfel mit integriertemDachspoiler – seit 1976 nach dem

Cooper-Prinzip auch alssupersportlicher DeTomaso erhältlich.1981 kam Mini Metro, jenesunglückliche Entlein, das niemand sorichtig haben wollte – außer DianaSpencer, bevor sie Princess of Waleswurde. Irgendwie überlebte der Ur-Mini, und plötzlich merkte man, dasses ihn noch gab und dass man ihnimmer noch lieber hatte als all seinemoderneren Variationen. Dasursprüngliche Issigonis-Design hatte esdurch alle Höhen und Tiefen zumMythos geschafft. Darauf baute BMWden Mini One, doppelt so groß, halbso klug – und emotionalunwiderstehlich. Bald aber wurde

schon wieder ein Nachfolger fällig.Gerade aufgrund der Vorgeschichtewar zu erwarten, dass BMW es nichtwagen würde, die Identität des Minizu verwässern. So gut wie jedesKarosserieteil des zweiten Retro-Miniist neu und das Ergebnis verblüfft:Man merkt kaum den Unterschied!War die dafür notwendige Investitionalso sinnlos? Ganz im Gegenteil. BMWwill auf Mini aufbauen, ohne denikonischen Charakter zu verlieren. Derneue Mini beweist, dass eineAnpassung an dieproduktionstechnischen undgesetzlichen Anforderungen ohnespürbare Veränderungen der Form

möglich ist. Diese Stringenz istwünschenswert und im Prinzip auchauf andere Nicht-Retro-Modelleübertragbar. Kommen wir doch nochzu einer markenstrategischvertretbaren Entschleunigung derstilistischen Innovationsrate? Design-Nachhaltigkeit ist schließlich fürHersteller ebenso appetitlich wie fürKunden.

07. November, 2006

Mut zur Hässlichkeit: MBT„physiological footwear“

Mit dem Buch „Never Leave WellEnough Alone“ setzte Raymond Loewyin den 50er Jahren den Grundsatzmodernen markenstrategischen

Designs durch. Sein Prinzip einermarktgerechten Steuerung derGestaltung bezeichnete Loewy mitdem Akronym MAYA: Produkte dürfenweder zu konservativ noch zuinnovativ sein, stattdessen müssen siedem Grundsatz „Most Advanced YetAcceptable“ gerecht werden. Egal,welche technischen Besonderheiten,welche funktionalen Vorteile einProdukt zu bieten hat, es darfMenschen niemals verunsichern. DieDinge müssen gefallen, denn„Hässlichkeit verkauft sich schlecht“,so die seltsame deutsche Übersetzungdes Buchtitels. Interessant für denheutigen Betrachter ist die Tatsache,

dass das Wort „Hässlichkeit“ mitLoewy eine marktwirtschaftlicheDimension bekam. Ein objektivschöner Gegenstand, der denGeschmack der Konsumentenüberfordert, wird hässlich. Doch nachLoewy wurde die Kategorie„Hässlichkeit“ abgeschafft. Heuteherrscht in der Produktlandschaft einstatistisch ermitteltesDurchschnittsniveau von Güte undSchönheit, das höchstens Langeweileerzeugt. Den Reiz einer Hässlichkeit,die man als Besonderheit oderPersönlichkeit bezeichnen könnte,erkennen nur wenige Marken. AuchHässlichkeit erfordert Mut. Die MBT-

Schuhe sind ein passendes Beispiel fürdie Nicht-Anpassung an etablierteStilgewohnheiten. Noch bevor mansich die Frage stellt, warum diekomischen Schuhe so aussehenmüssen, wie sie aussehen, fällt dasUrteil: klobig, plump,unproportioniert, einfach hässlich.Also müssen sie etwas anderes zubieten haben, vermutet derKonsument. Wer in dieserverdinglichten Welt, in der alleMarken cool aussehen wollen,bewusst gegen Coolness handelt, dermuss einen verdammt guten Grundhaben! Mögen die Masai BarefootTechnology-Schuhe technologisch

auch fortgeschritten sein, ästhetischsind sie absolut inakzeptabel. DerVersuch, den wulstigen Buckel zuverbergen, der hier die Funktion derSohle übernimmt, ist zunächst zumScheitern verurteilt. Nicht malChristian Louboutin könnte denSchweizern auch nur einen Hauch vonSex-Appeal verleihen. Gut so, denn jehässlicher die Schuhe aussehen, umsomehr unterscheiden sie sich vonoberflächlicher Coolness und umsoernsthafter werden sie als Produktgenommen. MBTs versprechen einneues Geherlebnis, wie auf Sand oderdurch Reisfelder. Dabei werden dieKnie 20% weniger belastet und dafür

Beine, Po und Rücken entsprechendtrainiert. Bei Frauen wird Zellulitisreduziert, Männer bekommen einemaskulinere Haltung und allen wirdFreude am Gehen versprochen. Esdauert eine Weile, bis die „advanced“Sneakers Midnight und die StiefelTambo, beide aus der MBT Kollektion,auch in der „Bunten“ auftauchen. Undlangsam gewöhnt man sich daran.Man sieht sie im Schaufenster,irgendwann findet man sie„acceptable“. Und dann geht die Postwirklich ab, wie auch schon Loewymeinte.

06. April, 2009

Frauenkiller: Evian IsseyMiyake

Mit dem Aktien-Crash vom 19.Oktober 1987 fällt das Bild der Yuppy-Generation in Ungnade. Die neunzigerJahre inszenieren den Manager als

kontrastreichen Helden, dessenAbgründe hinter einer makellosenFassade kaum wahrzunehmen sind.Nicht nur gut aussehend, gutverdienend, bestens erzogen undabsolut stilsicher: „The Player“ GriffinMill und „American Psycho“ PatrickBateman verbinden neben demoffensichtlichen Narzissmus auch eineskrupellose Gewalttätigkeit und einobsessiver Markenkult. Es ist ein Bild,mit dem die Gesellschaft sichabfinden muss. Beide Autorenersparen ihren Helden ein unwürdigesEnde. Patrick, der Serial-Killer inRalph-Lauren-Six-Button und Griffin,der Mörder im Rolls-Royce-Kabriolett,

leben weiter auf freiem Fuß. IhrStreben nach Einzigartigkeit undPerfektion bildet die Grundlageklassischer Markenführung. In einermittelmäßigen Gesellschaft sind sienicht nur Ersttäter, sondern auchOpfer ihres Markenfetischismus, siesind schlimmster und bester Kundezugleich. Während Bates akribischalles notiert und zu jedem Modelabeleine präzise Meinung äußert, zeigtMill eine eindeutige Fixierung: Er stehtauf Wasser. Zu jedem Anlass nennt erdie passende Marke, erkennt aufAnhieb jede Geschmacksnuance undduldet keinen Fehler im Service: „Dasist ein Weinglas! Darf ich mein Wasser

in einem Wasserglas haben, bitte?“.So eine Karikatur kann Trendsauslösen. 1989, ein Jahr nachErscheinen des Romans von MichaelTolkin, wird Tŷ Nant erfunden, daserste Lifestyle-Wasser. WichtigstesMerkmal ist ein ausgefallenesFlaschendesign in mutigem Kobalt-Blau. Dabei ist die Qualität deswalisischen Wassers irrelevant: Eineeinzige Flasche für das zwanzigfachedes üblichen Marktpreises qualifiziertjeden Haushalt als cool – selbst dann,wenn Leitungswasser nachgefüllt wird.Derweilen liegen die Wettbewerbernoch im Dornröschenschlaf. Seit 1989aber gilt: Auf zu neuen Flaschen. Ob

mit Glas oder PET, ob in derGastronomie oder im Sport, was dasFlaschendesign betrifft, so hat jedeMarke versucht, einAlleinstellungsmerkmal zu entwickeln– der Wassermarkt ist eben einFlaschenmarkt. Knapp einen halbenCent pro Liter kostet dasMineralwasser an der Quelle, der Restist ein wenig Logistik, viel Marketingund noch mehr Design. Mit neuenFlaschen entstehen auch neueLifestyle-Marken. Sie heißen Finé ausdem Fuji-Vulkan, Tasmanian Rain ausAustralien, Veen aus Finnland, BlingH20 aus Tennessee, Lauquen aus denAnden, MaHalo aus den Meerestiefen

vor Hawaii, Berg aus Kanada undkosten so viel wie guter Wein: locker40 Dollar für die 0,75 Liter-Flasche.Einen solchen Trend empfinden vieleals skandalös, andere hingegenerkennen noch mehr Potential. DieDanone-Marke Evian hat den richtigenTon gefunden: Man kann dieFlüssigkeit sogar als wertvollesGesichtswasser in Spraydosenerwerben – sie kostet dann anstatteinem Euro gut achtzig Euro pro Liter.Andererseits wird die klassische Evian-Flasche medial aufgewertet. Seit 2009entwickelt ein Modedesigner jedesJahr ein neues grafisches Kleid. Für2010/11 hat Issey Miyake eine Blume

gemalt, deren Blätter aus buntenEvian-Flaschen komponiert wurden.Im Evian-Shop kostet das rosaSammelstück nur 4,50 Euro. Einegrüne Variante gibt es nur bei Miyakein Japan. Zum Trinken ist beides nichtgedacht, doch als Geschenk (undMarkenbotschafter) eignet sich dasProdukt bestens. Viel cooler als einBlumenstrauß, dazu noch günstiger.Ein Frauenkiller. Das hätte Herrn Millgut geschmeckt und Herrn Batemangut gefallen.

31. Januar, 2011

Pre-Crime: Range RoverEvoque

So, wie es in der Fahrzeugkonstruktioneine Vorentwicklung gibt, welche dieArbeit der Entwickler antizipiert, sohat sich seit Mitte der neunziger Jahre

eine Art Pre-Marketing etabliert,welches die Arbeit der Verkäuferantizipiert. In „Minority Report“erfand eine bessere Gesellschaft gar„Pre-Crime“ als eine Art High-Tech-Hellseherei, durch die die Arbeit derMörder antizipiert wurde. Ich warselber Opfer einer Premarketing-Aktion. Geblendet durch gekonntinszenierte Show-Fahrzeuge – mankennt es: rotierende Bühnen, Sound,Licht, Girls –, fasziniert vonPhotoshop-retuschierten Bildern,schließlich betäubt durch online undoffline Geheimaktionen, verlor ich denKopf für den Range Rover Evoque. Ichwar nicht der einzige, denn der Wagen

erhielt sogar noch vor seineroffiziellen Vorstellung Designpreise.Magie des Premarketing. Befruchtung,Schwangerschaft, Wehen und Geburtdes neuen Babys aus dem HauseJaguar Land Rover wurden von denMassen verfolgt, als ob es sich um einRoyal Wedding handele. Das war esallerdings auch. King Range, edel undexklusiv, heiratete in bürgerlicheTechnik und bürgerlichen Stil undsollte sich mit bürgerlichem Preis inder Mitte des Markts einquartieren.Für viele Automobilfans war dies derTraum schlechthin. Als ob Pippa, diekönigliche Schwester, von der einsKomma zwei Milliarden männliche

Wedding-Zuschauer mehr oderminder heimlich träumten, plötzlichan die Tür deiner Wohnung klopfteund sagen würde: „Heirate mich“.Manches Märchen sollte lieberMärchen bleiben. Gefühlte zwei Jahresind vergangen, und endlich hat dasObjekt der Begierde an meine Türgeklopft. In Wedding-White schwebtes ganz weit vor mir auf derAutobahn. Der Kontrast zumbleigrauen Himmel und dem dunklen,leicht nassen Asphalt könnte nichtwirkungsvoller sein. Ein gelbesKennzeichen gibt ihm ein britischesFlair, obwohl wir in Holland sind. Gasgeben, näher kommen. Ich möchte

das alte Ich-Überhol-Dich-Du-Überholst-Mich-Spiel spielen. Dochhoch im weißen Objekt ist man nichtinteressiert. Ich klebe am beständigweiterrasenden Hintern unsererSchönheit und habe Zeit zureflektieren. Ohne Bühne, ohnePhotoshop, ohne geheimeVerführungen. Gegen den Stil –gradlinig, scharf, präzise – ist nichtseinzuwenden. Doch die Figur istgrotesk. Wo sonst eine Stoßstange ist,trägt das Objekt gigantischeAuspuffrohre im quadratischenMikrowellen-Stil. Wo normalerweisedie Heckklappe ist, gibt es hier dieStoßstange. Statt dem Dach dann die

Heckklappe. Darüber gibt es nocheinen Schlitz, hinter dem ich eineHeckscheibe vermute, ungefähr sodünn und durchsichtig wie eineScheibe Carpaccio. Schließlich kommtdas eigentliche Dach, das nach hintenplatt abfällt, als ob der Wagen sichbereits überschlagen hätte. Demfeinen Stil zu trotz, wirkt das ganzebrutal animalisch. Genau das, stelleich fest, ist die Faszination des RangeRover Evoque. Er vermittelt denEindruck, man würde damit nichtgeradeaus fahren wie jeder andere,sondern von Baum zu Baum wildspringen. Und selbst dann, wenn dieSchweißnähte aus der Savile Row

stammen würden, benähme sichdieser Evoque nicht wie der Wagenvon William und Kate, sondernvielmehr wie der von Tarzan und Jane.Mein erster und letzter Evoque raststrotzend mit Tempo 180 aufholländischer Autobahn. Ganzeindeutig ein Fall für Pre-Crime.

08. November, 2011

König von Deutschland:Volkswagen Golf

„Da weiß man, was man hat.“ Hinterdiesem beruhigenden Satz verbirgtsich ein kleines Dilemma: Man hatalles, bloß keine Überraschung. In der

deutschen Kultur erhält dieKonfrontation mit Unerwartetem undUnbekanntem eine zweideutigeKonnotation. Überraschung gilt alsnegativ, wenn sie nicht ausdrücklichals positiv deklariert wird – in vielenFremdsprachen eine Tautologie. Diesezweideutige Einstellung gegenüberdem Neuen erklärt die starkeSchwäche deutschen Designs: Mandarf alles, außer den Kundenüberraschen. „Aus Erfahrung gut“überrascht auch der neue Golf nicht.Er folgt brav dem ungeschriebenenGebot der Kontinuität in derTradition. Achtunddreißig Jahre langist der Golf seinem Konzept treu

geblieben, so dass man mittlerweilevon einem Klassiker sprechen kann.Zusammen mit dem unverwüstlichenrussischen Geländewagen Lada Niva,einziges Überbleibsel des dunkelstenJahrzehnts der Automobilgeschichte.Der siebte Golf trägt noch Züge dersiebziger Jahre: Einerseits Zwang zurtechnischen und kulturellenErneuerung, andererseits dasBedürfnis zur Rückkehr zu stabileremgesellschaftlichem Boden. ImKrisenjahr 1974 geboren zu sein, hatdem ersten Golf Glück gebracht: Alsob gegen alle Eventualitäten geimpft,wurde aus ihm Europasmeistgebautes und Deutschlands

bestverkauftes Automobil. Undwarum? Außer der verführerischbelanglosen Mittelmäßigkeit – überdie zu Beginn selbst Meister Giugiarounglücklich war – kann man keinenpräzisen Grund für das grandioseErgebnis von fast 30 Millionengebauten Exemplaren nennen. Wieeine sich selbst erfüllendeProphezeiung: Gerade der Erfolg desGolfs machte den Golf zum Erfolg.Sämtliche Wettbewerber kamen undgingen, mancher war schneller,mancher geräumiger, manchersparsamer, mancher schöner. Nur derGolf ist schon immer da gewesen, einkompromissloser König des deutschen

Durchschnitts. Im Land derSpezialisierung ist der Golf einGeneralist, der über jedeZielgruppensegmentierung undLifestyle-Ambition hinaus sich immernoch schwer tut, ein bestimmtesImage zu verkörpern. Man sagt „Golf“und meint dabei alles und nichts.Einen Golffahrer gibt es nicht, eineGeneration auch nicht – trotz allerBewunderung für Florian Illiesgenialen Buchtitel. Somit entzieht sichder Golf jedem Vergleich und jederDefinition. Eine gewisseDoppeldeutigkeit war schon imUrdesign angelegt: Seine altmodischrunden Scheinwerfer stellten einen

Bruch mit dem modern-eckigenGesicht dar. Ob Kostenfrage oderMarkendiktat, die Identität des Golf I.kippte mal Richtung Heimat, malRichtung Zukunft. Die unterschätzteKraft des Golf IV strahlte im Kontrastzwischen einem unauffällig schlichtenKleid und auffällig großen Rädern.Piëch scheute keine Mehrkosten,damit der Wolfsburger definitiv alsKlassenprimus wahrgenommen wurde– oder eben Klassenloser. Das Auto.Ein Golf ist selbsterklärend, aberkennt man ihn wirklich? Mit ihm kauftder Kunde die Illusion einesbeständigen Superprodukts, dassämtliche Krisen übersteht. So

entsteht ein weiteres Paradox: Jemehr Farbe der Markt, je mehr Vielfaltder Wettbewerb anbietet, je mehr„Me too“-Gölfe es auf der Welt gibt,desto häufiger greift man zumGeneral-Golf. Da weiß man, was manhat. Oder eben nicht.

04. September, 2012

„Autowerdung“ Reloaded:Phänomen Narzissmus

In „Außen Prada – Innen leer?“analysiert Regula Stämpfli das„Wa(h)ren-Selbst“ unsererGesellschaft aus einer besonderen

Perspektive. Die Politologin scheutnicht die Berührung mitMarktprozessen und vertieft sichgerne in die Beschreibung derBeziehung zwischen Mensch undWare. Es geht also um Design. ImKapitel „Autowerdung“ deckt sie dieetymologische Parallele zwischenAuto-mobil und Selbst auf – wieso binich nicht früher darauf gekommen?Hauptthema ist allerdings diedramatisch zunehmende Neigungunserer Gesellschaft zurSelbstverliebtheit. Es geht umNarzissten und ihren Anspruch aufPerfektion, und um Echo, desNarzissten einzige

Rettungsmöglichkeit. Schuld und Heldder Geschichte ist der berühmteSpiegel. War dieser in Ovids Versiondes Mythos noch ein Naturphänomen,so bekam er später mit demgrimmschen SchneewittchenProduktqualität und zauberhafteEigenschaften. Ein Spiegel, dersprechen kann: Dieselbstreflektierende Oberfläche desiPhone wird Selbstverständlichkeit.Heutzutage nimmt der Zauberspiegeldie Gestalt vielerlei Objekte an. Mankönnte meinen, dass die Vermarktungvon Spiegeln der Wirtschaft wahresObjekt sei. Man identifiziert sich mitProdukt X, weil man glaubt, sich in

dessen Gestalt wiederzuerkennen –wie Narziss im Spiegel. Die sichwiederholende Botschaft, dasmoderne Echo, hilft, das passendeVorbild und das richtige Vorwort zugenerieren. Dann weiß jeder, was manzu sein und zu sagen hat. Dann ist dieProduktidentifikation am stärksten,die Beziehung zum Gegenstand aminnigsten. Somit wäre dieNotwendigkeit des Konsums von stetsneuen Produkten – das Fundamentdes Designs – auch erklärt. WieNarziss darf der Konsument nur solange leben, sich in Neues verlieben,bis er sich selbst nicht mehr (er)kennt.Die Konsequenzen dieses Gedankens

für den gestalterischen Prozess sindenorm. Schon die Amerikanerverstanden es, sich vom Mythos desperfekten Design-Kunstwerks zuentfernen. „Go all the way down andthen back off“ befahl GMs DesignchefHarley Earl. Die Konsequenz fürGestalter: Sie durften ihre Träume nieganz verwirklichen. Allmählichbekannten sie sich alsWiederholungstäter und verliebtensich in den Gesamtprozess: Objekt umObjekt einen kleinen Schritt machen,um die Liebesbeziehung am Leben zuerhalten. Versteht man Design so,dann muss man auch akzeptieren,dass echte Klassiker und wahre

Meilensteine immer Utopie sind. Waszählt, ist nicht die Form, sondern dasKonzept und dessen soziale Wirkung.

12. November, 2012

Überflussgesellschaft: GroheSilkMove ES

Können Sie sich vorstellen, wie vieleTonnen Handtücher weltweit jedenTag umsonst gewaschen werden?Ehrlich gesagt, ich kann es nicht,

obwohl mir die Frage seit Jahren inden Badezimmern der Hotels dieserWelt begegnet. Den Sinn der Aktionhabe ich nie verstanden. Egal wo,meine Hotelhandtücher wurdentäglich mit lobenswerter Akribieausgewechselt – ob sie nun am Bodenlagen, am Haken hingen oder imKühlschrank versteckt waren. Beivielen Umweltschutzmaßnahmen istdie Ebene der Absichten luzider alsdie der Taten. Als Deutschland dieEinführung einer überflüssigenPlakette für unnötige Umweltzonenverabschiedete, glaubte manoffensichtlich, die wahre Welt würdebald wie Myspace funktionieren.

Können Sie sich vorstellen, wie vieleTonnen Umweltzonen-Schilder undbunte Aufkleber – sowie Quittungenfür deren Vergabe – in Deutschlandumsonst produziert werden? Dieumweltfeindliche Designlösung desSystems leckt an allen Ecken. Leckenist keineswegs umweltfreundlich. Dastun aber alle neuenDesignwaschbecken. Sie sind so flach,dass man die Hände nicht mehr richtigwaschen kann: Frischwasser hinein,Hände eintauchen und waschen,Schmutzwasser heraus. Heute jedochreibt man sich die Hände unterfließendem Wasser, das nahezukristallklar direkt in das Abflussrohr

leckt. Wie viele Handtücher mandanach braucht, wird irrelevant. Nichtirrelevant hingegen ist ein weiteresDesigndetail, worüber sich keinerbisher Gedanken gemacht hat: dieFunktionsweise des Einhand-Mischers– jenes wunderbar praktischeErzeugnis und vielleicht prägnantestesSymbol der Überflussgesellschaft. Egalvon welchem Fabrikat und in welchemDesign, der praktische Hebel wartetstets schön mittig positioniert auf unsund liefert so automatisch lauwarmesWasser. Nur kluge Menschen drehenumweltbewusst nach rechts ins Kalte,die faule Mehrheit lässt es, wie es ist.Was für eine einfache, geniale,

sinnvolle und notwendige Idee hatteendlich Grohe! Einfach denunbeliebten Rechtsweg des Hebelssperren: Aus der Mitte kommt jetzturkaltes Wasser, für Wärme muss manwie gewohnt nach links drehen. DieGestaltung der Armatur bleibtallerdings unverändert, so dass mandas eigene Verhalten nicht verändernmuss und die Mehrheit denUnterschied kaum bemerken wird.Designvorschlag für die neueBundesregierung: bisherigeUmweltmaßnahmen abschaffen undAnschaffung von Grohes SilkMove ESgesetzlich fördern.

11. November, 2011

Frühlingssonne: KangeriNomadic Radiator

Wenn Designmessen ihre Tore öffnen,freut sich das Design über den kleinenPlatz an der Frühlingssonne. Die Fragenach dem richtigen Parkplatz ist

essentiell für einen Beruf, der gefühltkonsequent an Bedeutung zunimmtund trotzdem als wirtschaftlichesPhänomen kaum erfasst wird. Dieweltgrößten Designbüros, wie zumBeispiel IDEO mit 550 Mitarbeitern,bleiben Privatgeschäft. Wennbörsennotiert, dann ist Design in derRegel Teil eines Werberiesen, wieOmnicoms Interbrand. Der Vergleichmit Werbung ist schmerzhaft: Die„Mad Men“ haben sich schneller undeffektiver eine Identität erkämpft.Aber kann Design den Kampfgewinnen? Wäre die Gesellschaft eineZelle, so wäre die Industrie der Kern,die Politik der Golgi-Apparat und

sämtliche Urberufe – Ärzte, Anwälte,Künstler, Handwerker, Priester oderWerber – in Organellen verbunden.Nur Design nicht. Es ist Cytoplasma,eine zwischen Gel und Lösungmutierende Flüssigkeit, die allesumhüllt und schmiert. DieGrundsubstanz hat weder eine festeGröße noch Form oder Grenzen. Manbemerkt sie erst dann, wenn sie fehlt:Denn sie liefert Energie für alleProzesse. So ist es auch mit demDesign: Man bemerkt es nur, wennetwas fehlt oder nicht richtigfunktioniert. Gutes Design ist zurUnsichtbarkeit verdammt. Wenn es inForm einer Möbelmesse sichtbar wird,

dann ist Vorsicht geboten. Hier nutzteine langweilige Industrie das Designals Energie-Riegel, umAufmerksamkeit und Umsatz zugenerieren. Die Metapher ist wichtig,denn eine der größten Aufgaben vonDesign liegt darin, das moderne Lebenenergiesparender zu gestalten – unteranderem, um das politischeGleichgewicht zu bewahren. Designkann Lösungen liefern, damit dasSchicksal eines Staates nicht von derjeweils vorherrschenden Art desHeizens abhängig gemacht wird.Neben neureichem Designüberfluss,taucht so Kangeri auf, ein aufpoetische Art tragischer Entwurf des

indisch-holländischen DesignersSatyendra Pakhalé. Der „nomadischeHeizkörper“ ist eine technologischzeitgemäße Interpretation des gutenalten Heizstrahlers (in diesem Fall inder Variante aus Kaschmir), wie erüberall auf der Welt im Gebrauch warund ist, wenn eine Zentralheizungfehlt. Die antizipatorische Botschafthat zweifache Bedeutung: Einerseitsliefert Kangeri dem verwöhntenWeltbürger schnelle, stilvolle undzusätzliche „persönliche Wärme“,andererseits mahnt er die Gesellschaftvor dem möglichen Energiekollapsund thematisiert die Notwendigkeiteiner Rückkehr zu flexibel und

sparsam einsetzbarenHeizungsformen. Einmal mehr handeltDesign hier politisch. Selbst zudüsteren Zeiten dürfte man mitKangeri seinen warmen Platz an derFrühlingssonne bekommen.

07. April, 2014

Cicciolina to go: Car Sharing

Sie steht am Filzengraben 22. Wirkommen schnell zur Sache. SechsMinuten mit Henrietta – ich glaube, sohieß sie wohl – fühlen sich richtig gutan. Dabei ist sie nicht die einzige.

Noch erinnere ich mich an Rachel,Margret, Irene und Carmelita. Zurgelegentlichen Abwechslung dannJochen und Yuri – das ist auch gut so.Egal welche Farbe, egal welche Straße,jung sind sie alle und der Spaß mitihnen ist garantiert. Eineerschwingliche Zusammenkunft: Sechsheiße Minuten nur zwei Euro nulldrei. Brutto, mit regulärer Rechnungund auf den Pfennig genau. Für denPreis können zwei in der Straßenbahnnicht mal stehen. Bei Henrietta dürfenFreunde mit und sie besteht nicht malauf Trinkgeld. Ich wüsste auch nicht,wo ich es ihr hinstecken könnte: Siehat nicht mal einen Aschenbecher.

Dafür aber Klimaanlage, Navi,Panoramadach und viel Bums. Sharingist das älteste Gewerbe der Welt, inAutomobilform gut 100 Jahre alt. Neuam modischen Wort sind weder dieIdee noch die Geschäftsgrundlage:Carsharing ist Autovermietung 2.0.Eine Kundenkarte in der einen Hand,ein Handy in der anderen, und allesläuft wie gehabt, von B wie Buchungbis A wie Abrechnung. Neu ist dieIntensität der Beziehung: Tag undNacht und fast überall, gerne auch nurfür einen Quickie sind die Sharing Carszu haben. Design macht denUnterschied: Car2Go hat die stabilereApp, DriveNow die pfiffigeren Autos.

Das Image dieser neuen Unternehmenist jedoch fragwürdig: Die frechenSmarts, Minis und BMWs provozierenden altbürgerlichen Stadtverkehr.Trotz des Philosophierens überKorrektheit und Nachhaltigkeit, rasensie hochgeschwind rechts und linksvorbei, drehen wild um, stehlenkostenlose Parkplätze. Ihre Freierzahlen im Minutentakt! Die Utopievon Carsharing heißt: Besser,günstiger und ökologischer leben alsin einer festen Automobilbeziehung.Das älteste Gewerbe bleibt aber einzusätzliches. Prognosen über dasnotwendige Vordringen smarterKonsum- und Lebensformen

unterschätzen den menschlichenDrang zur emotionalen Bindung. Kind,Hund, Freunde und auchGegenstände: lebensversichert, mitGummifolie geschützt, mit Namenbenannt. „Baby“ und „Schnucki“ oderauch „Susi“ und „Helmut“ sagen dieHälfte der Frauen und ein Viertel derMänner in Deutschland zu ihremAuto. Es ist also nicht verkehrt,sondern vielmehr eine pfiffige Idee,wenn DriveNow jedem seinerMietwagen einen Kosenamen gibt,männlich oder weiblich. So kann ichmeine Henrietta wiederfinden, wennsie nicht am Filzengraben anschafft.Carsharing hätte gerne eine feste

Beziehung. Fraglich bleibt aber, wer –außer Jeff Koons – eine Cicciolinaheiraten würde.

30. September, 2014

Kultur

Supersize Me: Phänomen SUV

Das Erfolgskonzept der SUVs erklärtsich damit, dass diese

Fahrzeugtypologie diesportwagentypische Spannungzwischen Rationalität und Idiotie überdie Grenze des logisch Vorstellbarenhinaustreibt. Ideologisch gesehen,sind SUVs die Summe all dessen, wasman braucht, um sich in einem Autovollständig verwirklicht zu fühlen. DieLeistungsbreite ermöglicht es –zumindest theoretisch –, jedes Terrainmit Siegergefühl zu dominieren. DieGröße sorgt dafür, dass manunübersehbar ist und bleibt, wasweniger mit den damit verbundenSicherheitsgefühlen als mit demBedürfnis nach Anerkennung zu tunhat, und die völlig unvernünftige

Mischung aus ökonomischem undökologischem Wahnsinn deutet an,dass es sich bei dem Fahrer umjemanden handelt, der sprichwörtlichüber die Probleme desOttonormalbürgers hinweggleitenkann. Das perfekte Angeber-Auto also.Aber auch eines, dessen Auswahl,anders als bei einem traditionellenSportwagen, mit elementarfunktionellen Begründungenentschuldigt werden kann. „Passtdoch viel rein; von hier oben kann ichalles besser sehen; es ist eben sicherund mit den vielen Kindern, demBoot, den Klamotten...“. Ein Lebenohne SUV? Praktisch unvorstellbar.

Für diejenigen, die denken, dass essich dabei nur um eine Mode handeltund die in der angekündigten Ölkrisegerne den Anfang vom Ende diesesAutotyps gesehen hätten, kommt diezunehmende Verbreitung undWeiterentwicklung von SUVs wie einSchlag ins Gesicht. Die Urtypen (JeepWagoneer, Range Rover) waren echteGeländefahrzeuge mit edlerAusstattung, starken Motoren undnoblem Design. Absolut exklusiv,waren sie als Nischenfahrzeugeakzeptabel und bleibenstatussymbolisch immer nochunübertroffen. Fahrzeuge der zweitenGeneration passten gut zum New

Economy Lifestyle: Sie wirkten in ihrertypologischenKompromissbereitschaft genausoauffällig und harmlos wie dieDinosaurier, deren Jurassic Park alsBühne für die mediale Einführung derersten M-Klasse diente. Fahrzeuge derdritten Generation, wie der geradeeingeführte Range Rover Sport unddie zweite M-Klasse von Mercedes-Benz, lehnen eine direkteVerwandtschaft mit demGeländewagen ab. Sie etablieren sichals eigenständige Kategorie undgleichzeitig als reiner Nonsens. Dabeisind sie aber aus den oben genanntenGründen attraktiver denn je. In

keinem anderen Auto wirdSpielzeugcharakter und Erwachsenen-Image besser verbunden. Und inkeinem anderen Auto werdenheutzutage die Mitglieder einer„Supersize Me“-Familie samtRequisiten mit vergleichbarerNonchalance untergebracht.

10. Januar, 2005

GigaJet: Airbus A380

A380. Als europäisches Flaggschiff derLuftfahrt hätte ich mir für das 21.Jahrhundert gerne eine schnellere,leisere und ökonomischere Concordevorgestellt. Und einen griffigeren

Namen. Womöglich wäre darauswieder eine aufregende Brand-Ikonegeworden, ein objectum absolutum.Eine Maschine, mit der manproblemlos an einem Tag zum Terminnach Beijing und wieder zurück jettenkann. Nichts ist unmöglich. Aber derMythos Geschwindigkeit, der dieGesellschaft des vergangenenJahrhunderts so entscheidend prägte,ist mit der Concorde – und mit denauf Tempo 250 limitierten Limousinen– endgültig gestorben. Kein Wunder,dass selbst Airbus keine Angaben zurHöchstgeschwindigkeit des neuenKindes preisgibt. Der Traum istgeplatzt, mit epochalen

Konsequenzen. Man gibt sich mit demzufrieden, was ist, es darf lediglich einbisschen fetter sein. Nach diesemMotto hat Airbus die unscheinbareForm seiner A-300 Reihe auf bis zuunglaubliche 73 Meter Längeaufgeblasen. Die Höhe reicht bis zurDachterrasse eines 8-stöckigenGebäudes. Der A380 mag vielleicht„das geräumigste Verkehrsflugzeug,das jemals gebaut wurde“ sein, ihmfehlt jedoch jegliche Innovation undsomit Designqualität. Im Europa desDesigns – der A380 ist eineKoproduktion von Frankreich,Deutschland, Spanien undGroßbritannien – ist das Ganze

letztlich nicht mehr als die Summeseiner Teile. Zwar wäre die filigrane,athletische Eleganz der Concorde aufdie Masse des A380 nicht übertragbargewesen, doch ist dies kein Grunddafür, dass der imagelose Flieger sounpersönlich erscheint wie dieEuroscheine, mit denen dieEntwicklung bezahlt wurde.Abgesehen von der ungewöhnlichenFensteranordnung über zweidurchgehende Decks und derverwirrenden Anzahl von Türen – 9Stück pro Seite – vermisst manprägende Identitätsmerkmale. Dafürist der A380 mit seinen gleichwertigenEbenen sehr demokratisch korrekt

gestaltet – die wirklich Reichen fliegenheute Privat- oder Business-Jet. DerA380 ist also weniger Luxusliner alsDoppeldecker-Omnibus, in dessenKabine ein ganzes bayerisches DorfPlatz fände – bis zu 840 Menschen inder One-Class Konfiguration. Der Flugim A380 wird zur gigantischenKaffeefahrt: Von „Luftstyle-Shops“ zu„Sex-on-Air“ ist alles denkbar. Fürglobales Billigfliegen ist derRiesenvogel perfekt, zumindest dafürverdient er einen sympathischenKosenamen – nur bitte nicht mehr alseinen einfachen Begriff von populärerBanalität: Willkommen, GigaJet.

19. April, 2005

Regenfreude: Endless RainRecord

Marketing liebt Klischees.Verständlich, denn in Klischeeswerden die Urteile und Vorurteile derMehrheit verdichtet. Ob aus einem

Klischee dann Wunsch oderAbneigung resultieren, hängt natürlichvom Kontext ab. Beispiel Blondine: inDeutschland auf sympathische ArtOpfer, in Italien als Ideal begehrt. Dersexistische Aspekt spielt dabei keineRolle. So hilft es auch nicht, darüberzu diskutieren, ob Marilyn Monroe in„Gentlemen Prefer Blondes“ völligdumm oder doch eher klug sei:Studien haben bewiesen, dass Babysblonde, blauäugige Mütter häufigeranlächeln als brünette. Der blondeTyp mag auch deswegen positiv belegtsein, weil die entsprechende Farbweltmit der eines sonnigen Tagesübereinstimmt: blond für Sonne, blau

für Himmel. Und wenn es umWohlfühlen, Spaßhaben und Freiseingeht, dann kann nichts einensonnigen Tag in einem sonnigen Landübertreffen. Florida, „The SunshineState“, war Auslöser dieses Trends. Inden 50er Jahren konkretisierte sichder Mythos in Traumprodukten:Renaults schönstes Kabriolett hieß„Floride“, eines der ersten Riva-Boote„Florida“. Um dem eine europäischeVersion entgegenzusetzen, erfandman das romantische Konzept derRiviera neu, mit Brigitte Bardotsskandalösem Auftritt in Roger VadimsFilm „Und immer lockt das Weib“.Nizza war tot, St. Tropez war geboren

und damit der Suntan & Bikini-Kultsowie die gigantische Urlaubsindustrievon Miami bis Mallorca. Kein Wunder,dass Blondes und Sonniges mehr alsnur einen Markenauftrittentscheidend geprägt hat. Sonne,Sonne, Sonne. Tatsächlich hat es imganzen Monat Januar in Deutschlanddurchschnittlich nur 37 Stundendavon gegeben, in Nürnberg lediglich30 Minuten. Grund genug zumAuswandern. So schreibe ich dieseKolumne auf einer süditalienischenTerrasse bei 30 Grad im Schatten.Dabei denke ich gerne an einenRegenschauer. Als Bösewicht desWetterberichts und Urlaubsverderber

wird der Regen ständig kriminalisiert:Flut, Überschwemmung, Katastrophe.Für Marketingzwecke ungeeignet.Oder wo gibt es Marken, die sich aufRegen freuen – außer Emeukal? DerRegen wird diskriminiert, ihm wirdjegliche Qualität aberkannt. Aber auchdas war Mode: Zwischen 1902 und1952 war Regen sowohl ein Gedicht –Gabriele D’Annunzios „la Pioggia nelPineto“ – als auch eine Form – PaulJarays Tropfenform – und schließlicheine Show – Gene Kellys „Singing inthe Rain“. Erst heute macht sichKouichi Okamoto, Vertreter einer sehrvorstellungskräftigen japanischenGesellschaft, die über Besonderheiten

und Einzigartigkeit reflektiert, wiederüber den Regen Gedanken. EndlessRain Record ist eine von ihm liebevollproduzierte Schallplatte mit endloserSpur, die auf ewig eine wunderbareRegenmelodie wiedergibt. DieMonotonie des Lieds verschmilzt mitder Monotonie der langsamspielenden Platte. Der Sound wirdsichtbar, der Tropfen wird hörbar.Früher konnte man Sound-Effect-Schallplatten kaufen. Doch EndlessRain ist wie ein Gedicht, ein kleinesDesignobjekt. Und auch ein Signal,dass es an der Zeit ist, wieder anRegen und dessen Marketingpotenzialzu denken.

22. Februar, 2010

Sichere Opfer: ADACVerkehrsdetektive

Gurte, Airbags und Kindersitze.Rauchmelder, Pfefferspray undXBD173 Antipanikstoff. Sicherheit istein Megatrend. Immerhin „entwickelt

jeder siebte Bundesbürger eineAngsterkrankung“. Kein Wunder,wenn sogar George W. Bush beiAmtsantritt erklärt: „Wir wissen nicht,wer der Feind ist, aber wir wissen,dass er überall sein kann.“ Nach 9/11nahm das Verständnis von Sicherheiteine entscheidende Wende. Zuvor alsSchwäche betrachtet, wurde Angstzum Normalzustand erklärt und alsMarketing-Thema positiv aufgegriffen.Sicherheitsansprüche werdennunmehr gestalterisch zelebriert. DasAutomobil nimmt die Form einesPanzers auf, die Front folgt demFußgängerschutz-Prinzip. Die NewYorker U-Bahn wünscht den

Passagieren keinen schönen, sondern„a safe day“. Die Killerfrage imVerkaufsgespräch lautet: „Ist dassicher?“ – TLS-Protokolle für Internet-Kommunikation und die NCAP-Sternefür Automobile warnen uns ständigvor einem Unfall. Das neueBewusstsein für Sicherheit gestaltetden Alltag um. Damit Kinder beimKlettern keiner Gefahr ausgesetztsind, werden in deutschenStadtgärten alle tiefhängenden Ästeabgeschnitten. Als Konsequenz wirddie Zunahme von motorischenKoordinationsschwächen beobachtet.Selbst Haushaltsgeräte behandelt manmit Vorsicht: Miele empfiehlt, Besteck

mit der Spitze nach unten in den Korbzu ordnen, um mögliche Verletzungenzu vermeiden. Früher argumentierteder Hersteller umgekehrt: Mit denSpitzen nach oben sollte dasSpülergebnis besser sein.Konsumenten sind offensichtlichbereit, weniger Leistung und/oderweniger Spaß zugunsten erhöhterSicherheit in Kauf zu nehmen. Allessoll garantiert sicher werden: dasFliegen, die Formel 1, der Sex.Demnächst zu erwarten: Die Bürgerunterwerfen sich apathisch dem zuvorUnvorstellbaren, etwa einerHelmpflicht für frei herumlaufendeKinder. Eine lobenswerte Initiative der

ADAC Stiftung „Gelber Engel“ weistbereits in diese Richtung: „30.000Kinder verunglücken jährlich aufbundesdeutschen Straßen“, so dieADAC Motorwelt. Deswegen sollenalle 730.000 Kinder, die in diesem Jahreingeschult werden, einereflektierende, lebensrettendeWarnweste erhalten – wie gelbeEngelchen. Demnächst dürfen KinderADAC „Verkehrsdetektiv“ spielen unddabei die Weste als heiligen Schutzverstehen. An dieser Stelle könnteman Fragen nach unerwünschtenNebenwirkungen stellen. Trotzdemdarf niemand das Konzept in Fragestellen: Die Weste macht Kinder

sichtbarer, sie muss (!) das Unfallrisikoverringern. Wie entscheidend dieMaßnahme wirklich ist, wird dienächste Statistik zeigen. Fest steht,dass die Aktion eine gigantischeBranding-Dynamik entfalten kann.Nach dem Markenprinzip der Dualitätwerden nicht alle „Verkehrsdetektive“sein wollen. Bald müsste es, wiefrüher bei Schulranzen, Alternativenwie „Scout“ und „Amigo“ geben.Später könnten „Tommy Hilfiger“ und„Abercrombie & Fitch“ dazu kommen– mit schrilleren Farben, coolerenSchnitten, mit Touchscreen, mitKurvenlicht, gar mit Airbag. DerAlltagshelm folgt sicher auch bald.

Luca, mein Patenkind, kriegt dann denvon Red Bull.

22. März, 2010

Zwangsloser Arbeitsplatz:Magis 360° Grad

Interessant, wie die Moderne, jeneBewegung, die Geld, Ware, Menschenund Kulturen massenhaft mobilgemacht hat, ausgerechnet die Arbeit

fixiert hat. Ein „Posto fisso“, dieFestanstellung, wurde zum oberstenZiel des modernen Bürgertums. Durchdie Gehaltsabrechnung zertifiziert,öffnet der feste Arbeitsplatz den Wegin die Konsumwelt, er ermöglicht denRatenkauf eines Automobils, dieAnmietung einer Wohnung, eben einganz normales Leben. Die Erfindungdes Organigramms durch Alfred P.Sloan wurde zum Motor für dieGestaltung des Arbeitsplatzes.Ausgerechnet einem Deutschen gelanges, das Design des Arbeitsplatzes zunormieren. Der „vonnationalsozialistischen Machthaberngeschätzte und geförderte“ Architekt

Ernst Neufert publizierte 1936 seineBauentwurfslehre. „Der Neufert“wurde seitdem millionenfach verlegtund gilt als Standardwerk. Mit Akribiewurde der Mensch, oder bessergesagt: der Mann, vermessen und seinArbeitsplatz nach ergometrischenKriterien gestaltet. Es war die Geburtder Arbeitszelle, des goldenen Käfigsfür die arbeitende Mensch-Maschine.Architekten und Designer beschäftigensich seitdem mit der Gestaltung desArbeitsplatzes, doch heimlicherChefdesigner ist das Deutsche Institutfür Normung, das die zu beachtendenKriterien für Massen, Farben,Materialien, etc. genau festlegt. Das

Ergebnis ist ernüchternd: LautBundesanstalt für Arbeitsschutz undArbeitsmedizin wächst dieArbeitsunfähigkeit kontinuierlich.Ausgerechnet imDienstleistungssektor ist diesedoppelt so hoch wie in der Land- undForstwirtschaft. Auch Computer-Fahrer leiden offensichtlich mehr alsBerufskraftfahrer: 60 Prozent werdenvon Rückenschmerzen geplagt,doppelt so viele wie noch vor zehnJahren. Das Problem istpsychologischer Natur: Die Festung istnicht mehr fest, der Arbeitsplatz nichtmehr sicher. Höchste Zeit, beides aufMobilität zu trimmen. Mit seiner

„New Work“-Theorie erklärt derSozialphilosoph Frithjof Bergmann dasEnde des amerikanischen Job-Systems.Auf praktischer Ebene empfiehlt dieBAuA Arbeitnehmern aller Klassenmehr „Steh- und Sitzdynamik“. Indiese Richtung geht ein Projekt vonKonstantin Grcic für die italienischeFirma Magis, das mit Hocker,Zeichentisch und Rollcontainer denehemaligen Arbeitsplatz desArchitekten zum Vorbild genommenhat und das den programmatischenNamen 360° Grad trägt: Der in alleRichtungen verstellbare Tisch ist einZitat des wertvollen „Kuhlmann“,Vorbild aller Zeichenmaschinen. Der

rollende Schubkasten ist eineNeuinterpretation von Bobby, demAllround-Trolley von Joe Colombo ausdem Jahr 1970. Nur Farben undDetails sind neu. Es gibt aber aucheinen originalen und wichtigen Beitragvon Grcic selbst: ein kontroversesSitzmöbel in Hockerform. DerPolyurethan-Klotz ist so auffällig inder Form, wie er einfach im Umgangist. Er bricht mit statussymbolischenInhalten und sieht genausounkomfortabel aus, wie er tatsächlichauch ist. Genau darin aber liegt dieStärke des Hockers. Er befreit denMenschen vom Zwang einervorgegebenen Sitzhaltung und lädt

zum stetigen Positionswechsel ein.Hoch und runter, rechts und links,gerade und quer: Magis 360° Grad istein Arbeitsplatz, der den Menschenwieder beweglich macht. Rücken undPo meckern zunächst, doch dannbedanken sie sich. Grcic fordert zueiner Umorientierung auf, die demsozialen Wandel des Arbeitsplatzesentspricht. Eine Ermutigung für denpolitischen Ingenieur, dieArbeitsregeln neu zu bestimmen.

11. April, 2011

Chinesische Wurst: AudiJinlong Yufeng

Das deutsche Volk klagt überunerträglich hohe Spritpreise undverlangt nach einer umgehendenKorrektur der Pendlerpauschale.

Überall tauchen Ratgeber auf, wieman noch einen halben Liter sparenkann – zum Beispiel in dem man aufLicht, Radio und Klimaanlageverzichtet. Mancher findet das nichtgenug und besucht einen Sprit-Spar-Kurs. Baden-Württemberg fördertsogar die Teilnahme mit 30 Euro Cash.Eine gewisse Ironie darf man nichtübersehen: Ein Bundesland bringtdem Bürger bei, dem Bund – demstillen Gewinner bei hohenSpritpreisen – weniger Steuern zuzahlen. Doch der Berliner Bund darfsich gelassen geben: AllesKrokodilstränen. Denn im erstenQuartal 2012 kaufte das Volk so viele

SUVs wie noch nie. Ein Plus von 33%gegenüber dem Vorjahr verbuchtenXs, Qs, Gs & Co. Sie kletterten aufeinen Marktanteil von 14,3% beiNeuzulassungen und pumpten frischeEnergie in DeutschlandsAutomobilgeschäft. Der SUV ist aufdem Weg, zum neuenAutomobilstandard zu werden. Nacheiner Welle der Empörung gegen dieCayennes dieser Welt, findet man dieIdee nun offensichtlich nicht mehr soschlecht. Ähnliche Phänomene derProdukt-Anbiederung kennt man ja:Mobiltelefone betrachtete man eineWeile lang als störend, unnötig undasozial – bis Null-Euro-Handys und

Aldi-Flat-Tarife kamen. So lässt sichauch die Begeisterung für die neuenSUVs erklären: Sie sind kompakt, süß,bezahlbar und sogar sparsam.Allerdings nur theoretisch. DieMinimonster weisen zwar auf Papierbessere Verbrauchswerte auf als derhalbneue Golf, den man noch fährt,doch im Vergleich zum neuesten,gleichermaßen verbrauchsoptimiertenNormalwagen, ist ein SUV mindestens20% weniger effizient. Interessant istdie Entwicklung zum SUV aus derDesignperspektive. Im Grundegenommen sind die Baby-SUVs nichtsanderes, als höher gelegteKompaktwagen. In Technik und

Ausstattung kaum aufwendiger, in derFertigung kaum teurer als einNormalwagen, sind sie wahreGoldgruben für die Industrie – dennder Kunde ist bereit, für das etwashöhere Blech viel mehr Geldauszugeben. Deswegen soll die SUV-Strategie nun weltweit gepushtwerden. Auf der Salonbühne in Beijingschmeichelt Audi mit zwei Showcarsauf Basis des kompakten SUV Q3: EineRenn-Sport-Version mit 360 PS im RS-typischen Mittelblau und eine Fun-Sport-Version in der funkelnde FarbeLiuligelb. Liuli ist keine Blume,sondern das altertümliche chinesischeWort für Glas und bezeichnet eine

kaiserliche Handwerkskunst, die demAdel vorbehalten war. Mit dieserTechnik wurden die bunt glasiertenZiegel auf dem Dach der verbotenenStadt hergestellt. Dieser Audi, dersowohl dem Bayer wie auch demBeijinger gefallen soll, trägt denchinesischen Namen Jinlong Yufeng.Der „goldene Drache im Wind“ ist eineHommage an China im Jahr desWasserdrachen. Doch ein deutschesAuto mit chinesischem Namenbedeutet viel mehr. Es ist derendgültige Beweis fürObrigkeitshörigkeit. Und ein wichtigesSignal für die Stammkundschaft:Demnächst isst man in Bayern

Baichang – chinesisch für Weißwurst.

24. April, 2012

Lächeln bitte: Coca Cola„Happiness“

Marken und Produkte verkaufen sichbesser durch Emotionen, so dieallgemein anerkannte Theorie. In derPraxis findet man haufenweise

liebende Sprüche, lächelnde Logosund grinsende Produkte. Man sprichtvon Emotionen und meint dabei nureine: Freude. Das ist eine ziemlichreduktive Weltanschauung, denn lautTheorie gibt es mindestens siebenverschiedene Ausdrucksweisen vonEmotion. Abgesehen von Freudefindet man auch: Überraschung, Ekel,Trauer, Wut, Angst und Verachtung.Das menschliche Gesicht wurdegenetisch programmiert, um alle dieseMöglichkeiten auszudrücken. Dochnur ein Gesichtsausdruck wirdprofessionell antrainiert: dasamerikanische Grinsen. Eine goldeneRegel besagt, dass zwischen die

offenen Lippen mindestens einZeigefinger passen soll. Perfekte Zähnesind dabei genauso wichtig wie derrichtige Mundwinkel und diepassende Augenbewegung. Wem esnicht möglich ist, die Dienste einesSmile-Trainers in Anspruch zunehmen, der findet im Internetpräzise Anleitungen. Ob für dasBewerbungsporträt, den Facebook-Eintrag oder die Illustrierte: Schönlächeln ist ein Muss. Den Mitarbeiterneiner japanischen Bahn steht einVideoüberwachungssystem zurVerfügung, das ihr Lächeln kontrolliertund bewertet. So können sie Kundenstets freundlich begegnen. Von daher

wundert es nicht, dass aus Japan aucheine Smile-Shot-Funktion fürDigitalkameras kommt: DerSchnappschuss wird erst dannautomatisch ausgelöst, wenn dasFotomodell lächelt. Auch AngelaMerkel, die als Fotomodell nichtweniger häufig, aber vielleicht wenigerbreit lächelt als Silvio Berlusconi, kanndavon profitieren. Und wer sich nichtdarüber wundert, dass Benedikt XVI.in nur zwanzig Prozent seineröffentlichen Bilder lächelte, den wirdsicherlich erstaunen, dass FerdinandPiëch es auch nicht häufiger tut. DasLächeln der Coca Cola wundert auchnicht. Seit 2009 läuft und läuft und

läuft die Open-Happiness-Kampagneder größten Marke der Welt. In einerApotheose des Kulturkitschs erklärenBuddha, Aristoteles, Franklin DelanoRoosevelt und Gandhi den Trinkern,was Glück ist. Wie man diesenZustand erreicht, erklärt „TheCompany“ ganz einfach so: „Open anice cold Coca Cola and choosehappiness!“. Nur auf den ersten Blickeinfach, aber tatsächlich extremraffiniert, ist ein grafisches Motiv, dasdie Kampagne begleitet. Eine genialegrafische Abstraktion der bekanntenCocaCola-Wortmarke. EinSupersmiley, in dem die ganzeSymbolik der Konsumgesellschaft

zusammengefasst wird – von DonaldDuck über Nike bis zu jedem von uns.Cheese!

19. März, 2013

Duftspender: Mercedes-BenzS-Klasse

Ich kann es kaum abwarten, die Hot-Stone-Massagesitze, die AIR BALANCEDuftspender und das autoerotischeMAGIC BODY CONTROL System live zu

erleben. Außer dem monumentalenArmaturenbrett mit meterbreiterBildschirmwand, bietet das Designansonsten keine Höhepunkte: Dieneue S-Klasse ist eine detailgetreueKopie des kompakten CLA. Einenhalben Meter länger, gut zwölfZentimeter breiter, nur sechsZentimeter höher: So gelang denDesignern eine wünschenswerteKorrektur der Proportionen. SonstigeMerkmale, zum Beispiel diestrubbelige Frontpartie, bleibenGeschmacksache. Wer lieber überSubstanz als über Form argumentiert,wird folgende Gleichung genießen:Daimler lässt sich die 10% längere

Kopie 275% teurer bezahlen als dasOriginal. Die Marge ergibt sichüberwiegend aus Image. Als „TheWorld’s Best Car“ präsentiertStuttgart sein neues Flaggschiff, daszwei Autos in einem sein möchte. DieBaureihe W222 beerbt nicht nur dieauslaufende S-Klasse, sondern auchdie verunglückte Marke Maybach.Höher positioniert als ihre Vorgänger,muss sie künftig nicht nur gegen dieglobale Oberklasse, sondern auchgegen die deutsch-britischeLuxusklasse kämpfen. Noch bevor mandie Adresse im Navi eintippt, weißman: Dieses Ziel kann niemals erreichtwerden. Schuld daran ist nicht die

raffinierte Ingenieurskunst, sondern,neben dem zu bürgerlichen Design,vielleicht ein ungeschickterMarketingpfusch. Bei der Premiere inHamburg erfand Konzernlenker DieterZetsche den Mythos „Sonderklasse“neu. Sogar auf Wikipedia wirdplausibel dargestellt, wie sich die S-Klasse historisch entwickelte, doch umdie neue Luxusposition irgendwie zubegründen, erfand Daimler den S-Stammbaum einfach neu. DerNamensgeber 220 S – auf Basis derPonton-Mittelklasse – wurdeeliminiert und die bürgerliche Lückewurde durch das zerquetschte Bild der600er Staatskarosse – des einmaligen

„großen Mercedes“ – gefüllt. Was alsschlampiger Fehler durchgehenkönnte, scheint jedoch Teil einermanipulativenKommunikationsstrategie zu sein. Esist in etwa so, als würde dieBundesregierung die Geschichte desKanzleramts umschreiben: OhneKonrad Adenauer, dafür mit TheodorHeuss zwischen Erhard und Kiesinger.Der Vergleich ist nicht unangebracht:Es gab im Deutschland derNachkriegszeit genauso vieleBundeskanzler wie Baureihen der S-Klasse. Spätestens jetzt sollte manfesthalten, dass Mercedes-Benzdeutsches Kulturgut ist.

Selbstverständlich darf die DaimlerAktiengesellschaft bestimmen, ob undwie sie künftig das „Beste oder nichts“bauen möchte. Deutschland gebührtaber als Gegenleistung der Respekt füreine Geschichte, die nur dannfasziniert, wenn sie echt ist.Duftspender gibt es sonst billiger beiCitroën.

28. Mai, 2013

Rotpfeile: Das Trikot derDeutschenNationalmannschaft

Wenn es darum geht, ein fröhlichesGesicht zu zeigen, kennt Deutschlandkeine Geschmacksgrenze. Nur so

erklärt sich Telekom in Pink,Staatsfernsehen in Orange,Fluggesellschaft in Brombeere.Einziger Fels in der Designbrandungwar bisher die Fußball-Nationalmannschaft. Immer schontrug sie preußisches Schwarzweiß:ernsthafter, eleganter und markantergeht es nicht. Frei von politischenInterpretationen – immerhin verstehtman Preußen als Hauptteil desmodernen deutschen Staates – mussman zugeben, dass kaum eineFarbkombination besser zur Identitätder Bundesrepublik passt.Quadratisch, praktisch, gut. EinzigerNachteil: In Zeiten totaler Correctness

scheint Schwarzweiß zu wenigkompromissbereit zu sein. Weshalbvielleicht die überraschendeEntscheidung fiel, die Nationale Elfauszubleichen: Nur Weiß. Weiß istnicht nur die ultimative Farbe derUnschuld, sondern es gilt geradewieder mal als modisch. Lange bevordas Wort „Silberpfeil“ erfundenwurde, trugen die deutschenRennwagen German Racing White.Rein, sauber, hell. Tolle Assoziationenfür jede Sportart! Oder auch nicht.Niemand wollte offensichtlichverantwortlich sein für eine reinweißeMannschaft auf grünem Feld – alleblass wie Krankenpfleger in

Unterwäsche. Zu schwach das Bild –man denke nur an „weißes Ballett“ –für eine so potente Sportart. WeilKompromissbereitschaft nachKompromisslösungen verlangt, solltees doch etwas mehr Design sein.Dieses kam schließlich in Form einerBrustdekoration, die mit denFlaggenfarben spielt, bis sie nichtmehr erkennbar sind – eine bekanntedeutsche Psychopathologie. Alsorutscht deutsches Rot unten ins Gelbeund oben ins Schwarze, bis ein dickes,dreiteiliges, rotes V entsteht. Schöndynamisch, könnte man sagen. „EinSilberpfeil! Rot wie die Bundesliga!“würde Herr Max Mustermann denken.

Mr. John Doe würde eher„Rangabzeichen eines Union-Sergeantim Sezessionskrieg“ sagen – freilich inder populären Warhol-Version. UndSignor Mario Rossi würde sofortschreien: „Hilfe, die Carabinieri!“Nicht, dass ein V im Blau von Preussendas Problem gemindert hätte. Egal inwelcher Farbe, ein militärisches V-Symbol auf der Brust der deutschenMannschaft ist nicht nur gestalterischfragwürdig, es ist politisch nichtvertretbar. Andere Interpretationenhelfen auch nicht weiter, zum Beispiel:blutiges Maul des weißen Hais. Dasaltdeutsche „weniger ist mehr“ wäredoch die bessere Lösung gewesen.

Fröhlicher als Reinweiß geht esohnehin kaum: Gestern noch böseAdler, heute süße Küken. Und wenndie siegen, dann lacht keiner mehr.

20. November, 2013

Farbe bekennen: BognerSotschi Olympia Outfit

Über das lustige Kostüm derDeutschen in Sotschi teilen sich dieMeinungen. Michael Vesper, demsympathischen Generalsekretär des

Deutschen Olympischen Sportbundes,muss man allerdings vehementwidersprechen. Er meint, es gehebeim bunten Regenbogen ummodische Farben ohne politischenHintergrund. Zur besagten Mode nurso viel: Zum Glück ist sie nichtverbreitet. Aber wenn ein Grüner sagt,Farben seien unpolitisch, dann ist dasschon bedenklich. Politische Wirkungist der Grund, warum sich die GrünenGrün – wie Gras – nennen und diegrüne Flagge hissen. Mit Braun – wieMutter Erde – wären sie niemals überfünf Prozent gekommen. VomSozialwissenschaftler Vesper darf mankeine Designkompetenz verlangen.

Vom grünen Politiker schon.Ausgerechnet dem gebürtigen Kölnerkann man außerdem nicht abkaufen,dass er in Bogners Olympialook denBezug zur Regenbogenflagge, demuniversellen Symbol von Gay Pride,nicht erkannt hätte. Deshalb wäre dieeinzig vertretbare Antwort auf diejubelnden Tweets aus aller Welt, diesich darüber freuten, dassDeutschland Putins Antigay-Politikden Mittelfinger zeigen wolle,folgende gewesen: „Yes, we can“.Design kann’s. Doch DeutschlandsPolitik tut sich schwer mit klarenAussagen. Die Rolle des Aufklärersübernimmt deshalb Willy Bogner. Der

Modeunternehmer meint, seineKollektion sei ein „Feierdesign“,inspiriert von der „tollen Atmosphäre“der Münchner Spiele 1972. Abgesehenvon den politischen Komplikationen,die in dem Münchner Massakerendeten, mag 1972 für Bognerpersönlich ein tolles Jahr gewesensein: erst zwei Filme, dann die Heiratmit dem brasilianischen Model SôniaRibeiro. Dagegen war 1972 für OtlAicher ein schwieriges Jahr. Dergewichtigste Ulmer Theoretiker warfür das Corporate Design der zweitendeutschen Olympiade verantwortlich.Aichers größte Sorge war nichtgestalterischer, sondern politischer

Natur: Das Vermächtnis von Berlin1936. Die Nazis verstanden die Spieleals Propagandavehikel und sorgten füreine grandiose Inszenierung. AlsHighlight wurde der Fackellauferfunden: 3400 Läufer quer durch3075 Kilometer Europa, dicht gefolgtvom Propagandaministerium inglänzenden Kabrios der Auto Union.Was Adolf Hitler wusste, wusste auchOtl Aicher: Politik ist Design. Alsoentschied sich der sonst so stringenteGestalter – von ihm stammen u.a. dievisuellen Erscheinungsbilder vonBraun, Bulthaup und dem MünchnerFlughafen – ausnahmsweise für diefröhlichen, ausgesprochen

unpolitischen Farben desRegenbogens. Trotzdem konnte ersich der politischen Wirkung seinesWerks nicht entziehen. Wenigstenswusste der Designer genau, was er tat:Die schwule Rainbow Flagge erfandein gewisser Gilbert Baker erst sechsJahre später.

10. Februar, 2014

Technologie

Dysonite: Dyson Root-Cyclone

Dysons Geschichte demonstriert diedramatische Folge einesungeschriebenen Gesetzes, vondessen Gültigkeit mich einehrenwerter, langgedienter deutscher

Vertriebschef überzeugen wollte. Nachseiner Erfahrung ist die wichtigsteAufgabe eines Produktmanagers –zumindest in einem deutschenKonzern – nichts Neues zu wagen,sondern stattdessen „das Schlimmstezu verhindern“. Designer tickenanders. Anfang der 80er Jahre machtesich James Dyson auf die Suche nacheinem Abnehmer für seine Idee: einenrevolutionären Staubsauger. DieAntwort der Giganten der Branchelautete unisono: Um Gottes Willen,nein, danke. Die Manager sahen inDysons Idee keinen Vorteil, sondernbetrachteten seine Anfrage lediglichals Störung ihres Tagesgeschäfts. Was

sie allerdings übersahen, war diepotentielle Gefahr. Oder sie pokerten.Normalerweise wäre die Innovation ineiner Schublade gelandet, nicht aberbei dem hartnäckigen Briten. ZehnJahre und viele Versuche später,brachte der junge James seinen DC01allein auf den Markt – innerhalb vonzwei Jahren wurde „der Dyson“ inGroßbritannien zum Bestseller. Heuteist Dyson mit einem Marktanteil von8,4% Europas führende Marke undweltweiter Marktführer in einemPremium-Segment, wovon dieGiganten der Branche nur träumenkönnen. Dabei bleibt das Geschäft,das 2005 470 Millionen Pfund

umsetzte, in privatem Besitz. DieFirma sammelte Designpreise, JamesDyson beerbte Terence Conran alsVorsitzenden des Londoner DesignMuseums und darf sich nun „SirJames“ nennen. Der Erfolg ist einemMangel zu verdanken, der in allen vonDysons Produkten als einzigartigerVorteil daherkommt: Es gibt keinenBeutel. Ohne Beutel – stattdessen gibtes die patentierte Root-Cyclone-Technologie – keine Zusatzkosten,kaum Saugkraftverluste, dazu idealeLuftfilterung. Dysons Produkte werdengerne als Paradebeispiele für denEinsatz von Design als strategischemMittel vorgeführt. Die Strategie beruht

dabei auf unerwarteten, im Kontexteines etablierten Unternehmens kaumdurchsetzbaren Eigenschaften desDesignkonzeptes. Dabei wirkt DysonsDogma humorvoll und skurril zugleich.Dyson zelebriert auf ironische Weiseetwas, was man sonst stets zuverbergen sucht: den Schmutz. Durchtransparente Drehbürsten wird er ineinen kristallklaren Behälter geführt,der so aussieht, als könne man in ihmauch problemlos Milchshakeszubereiten. Der Vorteil: Ob Haar,Krume oder einfach Staub, dasUnansehnliche wird sichtbar gemachtund erinnert dabei immer daran, wiegut ein Dyson arbeitet. Dabei sieht ein

Dyson – den vielen Designpreisen zumTrotz – alles andere als hübsch aus.Eine bekömmliche Form ist nichterkennbar, lediglich dieVerschmelzung vieler Funktionsteilezu einem außerirdisch anmutendenObjekt. Auf humorvolle Weiseerhalten die krummen Luftröhren, dieeinem Space-Shuttle entstammenkönnten, je nach Modell undenkbarschrille Farbtöne – Gelb, Orange, Lila,Türkis, Blau. Eigentlich nichts für dieHausfrau: Das Endprodukt vereint diebesorgniserregende Brutalität einesNaked Bike mit dem harmlosen Imageeines Kinderspielzeugs. Trotzdem istdie Alleinstellung am Markt

gegenüber dem weichen Einheitsbreides Wettbewerbs garantiert. Hier liegtDysons größter Vorteil: Wem dieTechnologie fehlt, der kann dieseProduktsprache niemals imitieren.Wer Dyson will, der muss auch Dysonkaufen.

14. März, 2007

Grammökophon: PhonofoneII

Wenn es darum geht, die Welt zuretten – am liebsten würden Politikerder Erde diktieren, wie schnell und wosie sich erwärmen darf –, ist keine

Maßnahme zu viel. Doch wennUmweltgesetze verabschiedet werden,kennt man nur einen Schuldigen: dasAutomobil. Auf wirtschaftspolitischemParkett ist über das Thema CO2 einesehr unterhaltsame Diskussionentstanden. Man rechnet mittheoretischen Durchschnittswertenund hat vom Alltag scheinbar wenigAhnung. Ein Auto muss erst gefahrenwerden, damit Schadstoffe entstehen!Eine intelligentere Diskussion würdesich mit der Frage beschäftigen, wieman den Energieverbrauch vonElektrogeräten reduzieren kann –Dauerbrenner insofern, als diese zwaroffiziell per Strom, tatsächlich aber in

Deutschland durch die Verbrennungvon Stein- und Braunkohle betriebenwerden. Der König unter denEnergiefressern parkt inPrivathaushalten, heißt Kühlschrankund ist für gut ein Viertel derStromrechnung verantwortlich. Zwarwurde mit der Kennzeichnung derVerbrauchsklasse ein wichtigesInstrument zur Kundeninformationgeschaffen, doch ein Gesetz darüber,wie viele und wie große Kühlschränkeman fahren darf, bleibt aus. Single-Haushalte, die 700-Liter-Kolosse mitfünf Klimazonen und Eisbereiter Tagund Nacht laufen lassen, sindökopolitisch schlimmer als jene

Freaks, die den Porsche für dieSonntagsausfahrt in der Garagebereithalten und nur bei schönemWetter herausholen. Mit Preisen aufdem Niveau eines Kleinwagensverbrauchen die Cool-Schränke imVergleich zu einem normalenFamiliengerät bei doppelter Ladungdas Vierfache an Energie. Wenn dazunoch modische Wein- undZigarrenkühlschränke kommen, wirddie Grenze der sozialen Verträglichkeitdefinitiv überschritten. Wieunsichtbare Parasiten habenElektrogeräte Raum und Stromgewonnen. Die Zahnbürste sowie dasTelefon, ja selbst die Rasierklinge,

wurden irgendwann motorisiert undder Mülltonnendeckel wird von einemSensor automatisch animiert. Unddann gibt es noch sie: die iPods &iPhones, locker über 200 Millionenmal verkauft und nahezu permanentmit dem Stromnetz verbunden.Zwischen dem Topmodell von Appleund einem Lifestyle-Kühlschrank gibtes keinen großen Unterschied: Beideverbrauchen und emittieren mehr alszwingend nötig ist. Doch eine iPhone-Öko-Steuer wurde bisher nichtverabschiedet. Zum Glück gibt esDesigner, die sich darüber Gedankenmachen, wie man Energie optimalnutzen kann. Zum iPod gehört in fast

jedem Haushalt eine passendeelektrische Lautsprecheranlage. Stattdieser greift der Kanadier TristanZimmermann auf die akustischenEigenschaften des guten altenGrammophons zurück. Ein großesKeramik-Horn fungiert als passiverVerstärker, der iTunes-Musik mit biszu 55 Dezibel erschallen lässt. Nichtgenug für die Party, aber mehr alsausreichend, um ein Dinner oder dasLesen eines Buches zu begleiten. DieFunktionalität ist denkbar einfach,denn es reicht aus, die Kopfhörer aufdie Basis zu legen, den Rest macht diePhysik. Als einziger Wartungsaufwandmuss ab und zu Staub gewischt

werden. Ein geniales, nicht geradealltägliches Produkt, das aufsympathische Art auf die wichtigenDinge im Leben aufmerksam macht.

09. Juni, 2009

Man at work: Analog DigitalClock

Bevor die Bahn das Land eroberte,war die Feststellung der UhrzeitPrivatsache. Dass jedes Dorf Herr überseine eigene Zeit war, erschwerte aber

die Erstellung eines Fahrplans.Deswegen musste 1847 die „RailroadTime“ eingeführt werden, womit daserste statussymbolische Produkt derModerne geboren war: derChronometer. Die Briten warenzukunftsweisend, wie der Vergleichmit den Vereinigten Staaten zeigt.Dort legte jede große Bahngesellschaftihre eigene Uhrzeit fest. ZurVerwirrung der Reisenden gab es imHauptbahnhof von Pittsburgh sechsunterschiedliche Zeitangaben. Erst1918 verabschiedete der US-Kongressden „Standard Time Act“. Der Schrittzur Einführung von weltweitgeltenden Zeitzonen sollte nur noch

ein Jahrzehnt dauern. Erst dannkonnten sich moderne Werte wieGenauigkeit und Pünktlichkeitetablieren – eine Veränderung vongleich großer Bedeutung wie heuteder Zugang zum Internet. Die genaueUhrzeit zu kennen, sie mit demrichtigen Chronometer festzustellen,war ein Zeichen von Modernität, ausdem ein Riesengeschäft wurde. FünfCent kassierten die „Time Bureaus“für die telefonische Zeitansage. Umdiese wertvolle Information zuspeichern, wurden kostbare Hi-Tech-Geräte gebaut. 1910 brachte Rolex dieerste Armbanduhr mit zertifizierterChronometer-Qualität heraus; 1945

kam die Version „Date“ hinzu, mit derersten automatischen Datumsanzeige.Eine Sensation stellte 1972 diebritische „Pulsar“ mit ihrer LED-Armbanduhr vor, ein fantastischesStatussymbol für umgerechnet 10.000Euro. Die Pulsar stellte gleichzeitig denGipfel und den beginnendenUntergang der Digitalanzeige dar.Binnen zehn Jahren wurde „digital“zum Inbegriff für „billig“. Genauigkeithatte die Massen erreicht. Dieklassische Armbanduhr erhielt so eineneue Funktion als modischesAccessoire oder teures Schmuckstück.Heute erinnern allgegenwärtige Uhrenan die Uhrzeit – unsere „Big Sister“.

Schuld daran ist Frederick „Speedy“Taylor, dessen Werk „The Principles ofScientific Management“ 1911 diewestliche Weltanschauungveränderte. Männer mitChronometern führten die moderneFabrik wie ein Uhrwerk, jede noch sokleine Aktivität wurde gemessen. Diewestliche Computerbranche brachtedann „Realtime“, die östlicheAutomobilindustrie das „Just in Time“,Swatch versuchte sich mit einer„Internet Time“. Alles ist so genaugetaktet, dass es nur (und ebenfalls)eine Frage der Zeit war, bis einmassiver Gegentrend entstehenmusste. Nun sehnt man sich nach

Slow Food und zieht Urzeit derUhrzeit vor. Work-Life-Balance wirdzum Thema. An diesen Punkt knüpftauch der Holländer Maarten Baas an.Man muss schon genau hinschauen,um die Qualität seiner Analog DigitalClock App wahrzunehmen. Keinebanale LED-Ästhetik, sondern ein Film.Hinter einer Glaswand werkelt einunermüdlicher Putzmann an einermenschengroßen Digitalanzeige. ImMinutentakt pinselt er dieZiffernbalken und wischt sie dannwieder weg. Man nimmt dessenSchatten zunächst als Störung unddann als Sinnbild eineshypermodernen Charlie Chaplin wahr.

Mit einer Kunst-App zum Pop-Preisvon 99 Cent gelingt Baas der Spagatvom Kunstwerk zum Massenprodukt.Seine analog-digitale, manuell-virtuelle Uhr ist ein intelligentesStatussymbol, das nicht ohne Witzzum Nachdenken inspiriert. Wie einstRolex und Pulsar, ist sie genau amPuls der Zeit.

19. April, 2010

Car-to-Car: DUB Pimpstar LED

Automobile, das hatte Henry Fordschnell erkannt, sind vor allem eins:Kommunikationsmittel. Selbst einNonkonformist wie der SchriftstellerHenry Miller teilte diese Erkenntnis. In

„The Air-Conditioned Nightmare“(1939) behauptet er, das Automobilsei „erfunden worden, damit wirMenschen lernen, geduldig undhöflich miteinander umzugehen“. Fastwirkt der provokante Surrealistromantisch. Aus demMotorisierungsboom entwickeln sichzuvor ungeahnte, erschreckendeVerhaltensformen. Die schizophreneSpaltung zwischen Ich-Mensch undIch-Fahrer zieht die Aufmerksamkeitvon Walt Disney an, der 1950 im Film„Motor Mania“ die Verwandlung vomhöflichen Mr. Walker in denschrecklichen Mr. Wheeler präsentiert– Fußgänger gegen Fahrer. Der

Soziologe Jack Katz bringt das Problemauf den Punkt: Im Auto „sieht man,kann aber nicht gehört werden“. Diemeiste Zeit blicken Automobilfahrerauf das Heck eines anderen Wagens.„Man schaut auf den Rücken, keinegute Voraussetzung, um diekommunikativen Möglichkeiten derMenschen auszunutzen.“ Zu ZeitenHenry Fords war Car-to-Car-Kommunikation noch denkbar intuitiv.„Die Hupe ist beim Einbiegen nachlinks und beim Überholen stets zugebrauchen“ weist HesslersKraftfahrschule um 1920 an. Noch1930 „herrscht gerade beiSignalapparaten keineswegs die

erwünschte Einheitlichkeit“. Ambesten setzte man sich mitausgestrecktem Arm und Handzeichendurch. Doch die Verbreitung dergeschlossenen Karosserie machte dasSpiel zunichte: Heute wird höchstensein Finger gezeigt. Hupe, Lichthupe,Blinker und Warnblinker dürfen lautStVO nur in bestimmten Fällenbenutzt werden, der Automensch sollbitte stumm sein. Andere Formen derKommunikation müssen entwederschriftlich erfolgen – wie zum Beispielbei dem „Ich bremse auch für Tiere“-Aufkleber – oder sie verstoßen gegengesetzliche Vorgaben – wie die unterLKW-Fahrern verbreitete Form der

Danksagung: abwechselnd rechts undlinks blinken. Ansonsten gibt’s nichts.Ein Car-to-Car-CommunicationConsortium der Industrie ist zwaraktiv, sieht aber als Schwerpunkt denautomatisierten Austausch vonsicherheitsrelevanten Informationen.Gewiss macht die Festlegung einertechnologischen Plattform für dieDatenübertragung Sinn. Besser wärejedoch, auch die Verkehrsqualität zubedenken und somit auch dieMöglichkeiten einer Unterhaltungzwischen Verkehrsteilnehmern. Indiese Richtung gehen zwei bisher nochnicht zugelassene Produkte: Flashboxlässt die Blinker sprechen, per

Fernbedienung kann man sichbedanken, entschuldigen, ärgern undnatürlich auch flirten. In derHandhabung etwas kompliziert. Einenplakativeren und unterhaltsamerenWeg geht der amerikanischeRadhersteller DUB, dessen FelgePimpstar LED wie ein runderFernsehbildschirm leuchtet und demVerkehrsnachbarn visuelleBotschaften – direkt aus demSmartphone – übermittelt. Liest sichwahnwitzig und sieht auch so aus.Aber damit erhält des Menschenstummer Diener endlich seine Stimmezurück.

03. Mai, 2010

Geschmiedet, nicht gegossen:Die Fuchsfelge

Jan Flemings geniale Idee: die Figurdes James Bond über dessen Vorliebefür Marken und Produkte zudefinieren. Der Geheimagent besteht

nicht nur aus hübschem Fleisch,smartem Intellekt und britischemHerz, sondern er ist auch Uhr, Autound Champagner. Nur eines ist erdabei nicht: treu. Bond wechselt seineMarken genauso oft wie seine Frauen.Mögen auch die Werbeverträge dafürverantwortlich sein, interessant ist derProzess der Aktualisierung desBondbilds allemal. Fleming hatteBond Rolex und Bentley verschrieben.Die Rolex weicht Ende der 60er einerDigitaluhr von Seiko, bevor sie voneiner Omega ersetzt wird. Weil sichSubmariner und Seamaster im Bildkaum unterscheiden, musste kürzlichexplizit nach der Marke gefragt

werden. „Rolex?“ will das jüngsteBond-Girl wissen. „Omega“ erwidertBond und schenkt der Marke damitdie lang ersehnte Anerkennung. Mitdem Auto ist es noch komplizierter,denn Fleming porträtierte Bond innoblen Vorkriegs-Bentleys, denen derAgent auf der Leinwand gleich untreuwird: Es beginnt mit einem SunbeamAlpine, dann folgt ein Aston Martin,darauf ein Lotus und schließlich einBMW, bevor es wieder ein AstonMartin – und damit ein Ford – wird.Nur eines ändert sich dank britischenHumors kaum: Die bösen Bubenfahren am liebsten dunkle Mercedes-Benz. Die Champagner-Marke

wechselt Bond nur einmal: von DomPerignon zu Bollinger, möglicherweiseweil der Dom mittlerweile den Wegins Supermarkt-Regal gefunden hatte.Es gibt nur ein Thema, bei dem BondsGeschmack unverrückbar bleibt: seinCocktail – im Buch „Vesper“, im Film„Martini“ – muss „shaken, not stirred“sein. Der Satz gehört zu den hundertwichtigsten Slogans der Filmgeschichteund inspiriert unendlicheDiskussionen. Nicht nur, weil Bonddurch diese paranoide Fixierungseinen Geschmackssinn beweist,sondern weil der Charme weniger inder Antwort, als vielmehr in der Frageliegt. Allein über den feinen

Unterschied Bescheid zu wissen,bedeutet Stil zu haben. So eineDifferenz gibt es auch beiLeichtmetallfelgen. Wer alte Porschesfährt, vergöttert die Fuchsfelge ausMeinerzhagen. „Geschmiedet, nichtgegossen“, würde Bond sagen.Leichter als herkömmliche Alu-Gussräder sind die Fuchs und geltenin der ursprünglichen Version mitblank poliertem Stern auf schwarzemHintergrund als Designklassiker. ImZuge einer Back-to-the-Roots-Markenstrategie bietet Porsche eineWiederauflage des Originals. Auf 19Zoll vergrößert, verliert das schwarzglänzende Design zwar ein wenig

Persönlichkeit, doch der Geist bleibtunverkennbar. Heute, wo selbst einKleinwagen serienmäßig achtverschiedene Felgendesigns anbietet –bei Porsche sind es neun – gibt dieikonische Fuchs dem Porsche ein Stückseines Charakters zurück. Wer trotzlauter Freude die Felge genauer unterdie Lupe nimmt, entdeckt jedocheinen kleinen Wurm. Zwar ist derHersteller Cromodora als damaligerHoflieferant von Ferrari kein Name,für den man sich schämen muss. Dochnur Fuchs aus Meinerzhagen istgeschmiedet, Cromodora aus Italienist dagegen gegossen. Über einenMartini „stirred, not shaken“ wäre

Sean Connery in Dr. No (1962) nichtamüsiert gewesen. Doch es liegt ander Zeit, dass man heute mit solchenDetails anders umgeht. Auf die Frage,wie er sein Cocktail haben möchte,reagiert Daniel Craig in Casino Royale(2006) mit einem schockierenden: „DoI look like I give a damn?“

14.06.2010

Designkrieg: Wood Casting

Die Zukunft liegt so hoch im Trend,wie es seit einem halben Jahrhundertnicht mehr der Fall war. Kaum vergehteine Woche, ohne dass man zuirgendeinem Zukunftsworkshop

eingeladen wird. Man stelle sich dasvor als Mischung zwischen Hellsehereiund Monopoly für Fortgeschrittene.Im Workshop spürt man „WeakSignals“, spielt „Wildcards“ und malt„Szenarios“. Eine gute Moderationvorausgesetzt, hängt die Qualität desErgebnisses von der intellektuellenLebendigkeit der Runde ab – wie beijeder Talk-Show auch. Zwangsläufigkommt man zu folgendem Ergebnis:Bei Szenario 1 geht es uns ein wenigbesser, bei Szenario 2 ein wenigschlechter und im dritten Szenarioungefähr so gut oder schlecht wieheute. Konstant bleibt die Vorstellungdes künftigen „Global Way of Life“:

Man wird mehr Internet und wenigerÖl haben, sonst gibt es für alles eineApp. „Bullshit“ rief – sehr zu meinerBegeisterung – eine Studentin derKöln International School of Designwährend eines solchen Workshops.Thema waren „Frau & Mobilität imJahr 2025“ und man war dabei, Profilevon Lamas (für Latte-Macchiato-Mütter) und Bimbas (für „Beautifullyimmature Babes“) zu besprechen.„What about war?“ fragte die jungeIsraelin. Die Runde war zunächstperplex: Kaum ein nach 1980geborener Westeuropäer kann sichunter Krieg etwas Konkretesvorstellen. Westliche Konzerne haben

auch kein Interesse daran, Konflikte zuthematisieren: Sie sind wederwirtschafts- noch konsumförderndund vor allem schlecht für dieStimmung. Gute Stimmung ist aberessentiell bei einer Designmesse, mitihrem Kaleidoskop inspirierenderWohnträume undLebenslandschaften. Doch auch Designsucht manchmal den Konflikt. HillaShamia, Bachelor of Arts am HolonInstitute of Technology, zeigtexperimentelle Möbel, derenMaterialität einen knarrendenKontrast darstellt: Holz und Metallwerden eins. Glühendes Aluminiumschmilzt in einen unbehandelten

Zypressenstamm, das technischeMetall füllt jeden Spalt, imunmöglichen Versuch, sämtlicheUnebenheiten der natürlichenMaterie, fast möchte man sagen, ihreganze Historie, auszubügeln. DasErgebnis ist einerseits archaisch undprimitiv, andererseits auch „very now“– oder eben: very tomorrow. Das Wort„poetisch“ ist angebracht: Doch wennes hier Poesie gibt, dann eine derGewalt. Glühendes Alu verbrennt dasHolz, es riecht und raucht und kracht:Man leidet förmlich mit dem Material.Mit Mühe wird die brutalmisshandelte Oberflächeanschließend schön behandelt. Die

Komposition strahlt dann eine fastunglaubliche Harmonie, eine ruhigeSchönheit aus. Nur die Narbenbleiben, Spuren eines Kriegs derElemente. Hilla Shamias Design hatdie Kraft der Urgewalt, ihreHolzformgebung ist eine Urgestezwischen Folter und Terroranschlag.Wenn Holz schreien könnte, dannwürde es das tun. Irgendeinpolitisierter Naturschutz-Vereinkönnte demnach ein Verbot für WoodCasting verlangen: Man soll bitte alleProbleme ohne Konflikte lösen. Ob esdafür jemals eine App geben wird?

17. April, 2012

Fingerspitzengefühl: AglovesHandschuhe

Am Anfang war der Knopf. EinselbstverständlichesBedienungselement, das im KaltenKrieg seine einzigartige Potenz

entfaltete. Eine genauso tragische wieheilige Aura machte das kleinePlastikteil zu einem Mythos derModerne. Design und Marketingnahmen die Botschaft auf underfanden den „Pushbutton“. 1956 ließsich ein Chrysler auf Knopfdruckschalten, einer für jeden Gang desautomatischen Powerflite-Getriebes.1957 ermutigte die Firma Necchi ihreKundinnen: Mit anderenNähmaschinen mussten sie nochHebel und Drehscheiben einstellen,mit einer Necchi, „you just push thebutton“. Ein Jahr später stellte sichdie Zeitschrift Cosmopolitan einePush-Button-Zukunft vor. Bald hatte

der Mixer von Osterizer seinMarkenzeichen: viele weiße Knöpfe,schön aufgereiht, einer für jedeGeschwindigkeitsstufe. DieAnziehungskraft des Knopfes beruhtauf zwei charmanten Qualitäten:Seine Funktion ist ebenso eindeutig,wie seine Bedienung kinderleicht ist.In den Siebzigern kam die Vision zurVollendung: Die Wählscheibe desTelefons wurde von einemTastenwahlblock ersetzt, BMWbeeindruckte mit dem Check-Control,Sharp faszinierte mit der Sensor-Tastatur. Klickend, leuchtend undpiepsend hatten die Knöpfe endlichdie Welt erobert. Je mehr man davon

hatte, desto besser fühlte man sich.Eine neue Ästhetik war geboren, undso begann man, sich mit Position undAnordnung, Gestaltung und Funktion,Ergonomie und Haptik der Knöpfeauseinanderzusetzen – schließlichsollte man jedes Gerät, egal wiekomplex, mit derselben eindeutigenVertrautheit bedienen können, mitder ein gelernter Maschinenschreibersich der Schreibmaschine hingibt. Indieser Beziehung sind zwei Aspekteessentiell: das Ertasten und dasDrücken. Bei ersterem handelt es sichum eine physische Schnittstelle, dieunabhängig von der Visualität ist. Imzweiten Fall baut sich eine klare

Hierarchie auf: Der Mensch befiehlt,die Maschine führt aus. Dann kam derTouchscreen und verdrängte denKnopf. Bei dieser Innovation geht esjedoch um viel mehr als nurtechnischen oder ästhetischenCharakter. Sie verändert dieBeziehung zwischen Mensch undMaschine. Der Touchscreen ist einglänzendes Spieglein, das mit buntanimierten Chimären den Betrachterfasziniert. Doch der Betrachter wird, jenach Licht- und Blickwinkel, selbst Teildes Bildes. Zwei Identitätenverschmelzen ineinander. Man istMensch und Maschine zugleich undwird so in ein symbiotisch-

autoerotisches Verhältnis gezwungen.Einen Touchscreen drückt undertastet man nicht, man streichelt undkitzelt ihn – und damit sich selbst. DieMaschine reagiert mit weiterenBildern, die zum wiederholtenLiebkosen führen. Doch die Beziehungist platonischer Natur. Wer nichtdirekt hinschaut, sondern mitgeschlossenen Augen oder im Dunkleneinem Touchscreen begegnet, spürteine kalte, leblose Oberfläche, dienichts kann, nichts vermittelt. Ohnevisuelle Aufmerksamkeit lässt dieMaschine das Mitspielen nicht zu. Dietechnologische Perversion erreichthöchstes Maß, wenn die Maschine

nach nacktem Fleisch verlangt: Werdraußen im Winter ein Telefonatempfangen will, der muss erst malseine Handschuhe ausziehen. Alsosprach die Maschine. Um die Paritätwieder herzustellen, mussten zweiStart-Up-Unternehmerinnen aus denUSA den Handschuh neu erfinden. EinSilberdraht wird in das Textilgewebeder Agloves – Ag für Argentum – soeingearbeitet, dass eine präziseÜbertragung der Stromsignalezwischen Hand und Gerät stattfindet.Die Bildschirme von iPhones und Co.lassen sich täuschen. Die Maschinemacht brav mit, der Mensch freut sich.Denn die Handschuhe gibt es nun

auch von vielen Modemarken.Hundert Millionen mögen verkauftwerden, bis man irgendwann Roboter-Finger bekommt. Oder gleich einneues Handy.

06. November, 2012

Porzellan 2.0: Die 3D Figur

Ein gutes Jahrzehnt lang hat sichDesign mit der Gestaltung einerPerspektive für das eigene Businessbeschäftigt. Doch die digitaleWaschmaschine schleudert zu schnell,

um Strategien festhalten zu können.Ende der 90er Jahre lobte man „MassCustomization“ und die damitverbundene Möglichkeit,Kundenansprüche individuell zubedienen. Aus dem Designer sollteSuperman werden: Nicht mehr nur einstandardisiertes Produkt, sondernabertausende Varianten würdenkreiert. Mitte 2000 verliebte man sichdann in die Idee einersozialdemokratischen „CollaborativeCreation“ – Designer und Kundegemeinsam am Rechner, die Weltvereint durch Gestaltung. Von dort zur„Crowdsourcing“-Revolution war esnur ein kurzer, schmerzhafter Schritt.

Beflügelt durch diegesellschaftspolitisch schmeichlerischeTheorie der Schwarmintelligenz – eineArt Hollywood-Kommunismus – unddie rapide Verbilligung von 3D-Druckern – Grundstein der Heimfabrik– führt die Crowdsourcing-Debattezum gestalterischen Stillstand. Wennder Prosument alles selber kann, wozubraucht man noch Designer?Tatsächlich investieren sowohl diegrößten global agierendenDesignfirmen wie auch dieHochschulen vorausschauenderLänder in die Neupositionierung alsBerater, respektive Forscher, imBereich der „Social Innovation“, die

gerne mit dem Zusatz „und Design“versehen wird. Eine kluge Strategie,denn Design ist tatsächlich viel mehrals Produktgestaltung. Die Gestaltungvon Gestaltung ist lediglich einromantisches Phänomen. Längsthaben sowohl die Kunst wie auch dasDesign affirmiert, dass „everyone anartist“ oder „a designer“ ist. Also auchSie, ihre Mutter und die Katze. Kochenund Schneidern und Basteln undSingen kann jeder. Warum gibt esbloß McDonald’s, H&M, IKEA undiTunes? Weil menschliche Kreativitätgerne idealisiert wird. Sie kostet Zeitund erfordert Mut – beides seltengewordene Güter. Design, also die

Wirtschaft, darf sich entspannen undzu Weihnachten Gutscheine für dasProdukt des Jahres verschenken. Dieerste erfolgreiche Umsetzung vonCrowdsourcing gekoppelt mit RapidManufacturing ist nicht etwa ein DIY-iPhone-Killer, sondern Porzellan 2.0.Man zieht das Sonntagskleid an, gehtzum 3D-Fotografen und bekommtspäter eine dreidimensionaleReproduktion von sich selbst. Je nachPortemonnaie 15 Zentimeter großoder gar im Format 1:1. Der Kitschwertist kaum zu übertreffen, dasMarktpotenzial der Idee auch nicht:Ich, Sie und Ihre Mutter alsGartenzwerg, Schleich-Tier, Meissner

Figur oder Swarowksi-Figurine. Wieniedlich!

16. Dezember, 2013

Form Follows Process: 3D-Drucker MX3D

Eine immer wiederkehrende Frage desDesigns betrifft die Beziehungzwischen Technologie und Gestaltung.Sehen die Dinge so aus, weil sie der

verfügbaren Technologie folgen, oderfolgt die Technologie dem Wunschnach neuen Formen? EindeutigeAntworten gibt es nicht. VernerPanton, Gestalter des berühmten,nach ihm benannten Plastikstuhls,kam bereits Ende der 50er Jahre aufdie Idee eines Freischwingers auseinem Guss und ohne Hinterbeine.Eine absolut radikale Form, einerseitsorganisch, andererseits hochtechnologisch. Fast zehn Jahredauerte es, bis Vitra eineeinigermaßen stabile Konstruktionproduzieren konnte. Dabei akzeptierteder Designer keine Kompromisse undlegte die Messlatte für die

Technologen sehr hoch. Langfristigaber beschleunigte, oder garermöglichte, Pantons Vision dieRealisierung der Plastic-FantasticProduktwelt der 70er Jahre. Gegen dieHerrschaft der Formgebungargumentieren Automobildesignergerne, ihr Werk sei nicht voneigenwilligem Geschmack, sondern,genau umgekehrt, stets vontechnologischer Innovation getrieben.Historisch betrachtet, kann man dasvielleicht nachvollziehen. Die Autosder 50er Jahre waren rund, weich undfüllig, weil man Blech noch nicht exaktpressen konnte. Die eckigen Flächender 1980er Autoboxen

demonstrierten dann, wie präzise derFertigungsprozess geworden war.Doch heute, wo weder derTechnologie noch der KreativitätGrenzen gesetzt werden und alle Teileeines Autos – ob aus Metall, Glas oderKunststoff – nach Lust und Launegeformt werden können, befördertman ein formelles Allerlei. „Formfollows function“ ist tot und von„form follows technology“ istebenfalls nichts zu sehen. Statt sichmit guten und schlechten Formen zubeschäftigen, widmet sich Designlieber der Konzeption vonTechnologien und Prozessen. Das Labum den Holländer Joris Laarmann

präsentiert den dreidimensionalenMetalldrucker MX3D. Man kann ihnals eine mechanische Spinneverstehen, aus deren glühender Spitzesich ein dicker Stahlfadenmaterialisiert. Oder als einenteuflischen Bleistift, dessen Skizzensich nicht flach auf Papier, sondernfrei im Raum entfalten. In demmagischen Zusammenspiel zwischender Robotermaschine und ihrenfiligranen Strukturen entstehenpoetische Kunstwerke, deren Zweckund Form zunächst unerklärt bleiben.Die möglichen Formen sind soundefiniert wie die Form desMöglichen. Wobei sich die Frage nach

dem Verhältnis zwischen Technologieund Gestaltung endgültig relativiert:Beides ist doch nur Kunst. Design istProzess.

21. April, 2014

Überraschungsei: Google SelfDriving Car

Wer hat Angst vor dem Googlemobil?Damit niemand die Hand hebt,verpasst der Internetriese seinemfreilaufenden Baby das Outfit eines

Silikon-Spielzeugs. Oder auch die Aurades Eis von Kolumbus. Wenigstenswar beim Natur-Ei und später beimKäfer noch von Formvollendung dieRede. Das Google-Ei dagegen:aesthetically challenged. Immerhinlenkt das lustige Überraschungsei vomwichtigsten, offensichtlich nochungelösten, Designdetail ab: demeinem Kriegsschiff nachempfundenen,auf dem Dach rotierenden Radar. Diehübsche Form ist Google nicht wichtig.Nicht nur die Marke selbst, derenErscheinungsbild täglich inkünstlerischer Versuchung schwebt,sondern jedes Google-Produkt ist voneiner unmittelbaren Zweckmäßigkeit

geprägt. Stets in Wandlung und dahernaturgemäß unvollendet. Ganz imGegensatz zu Apples wie aus dem Eigepellter Ware oder zu einemschönen Automobil klassischerdeutscher Abstammung. Beideszeitlose Gestalten mit musealenAmbitionen. Vom World Wide Webverinnerlicht Google die Essenz: DesInternet-Riesen Designgüte kann manweder messen noch wiegen, sie istunsichtbar. Während die traditionelleMarkenführung sich der Permanenzmaterieller Symbole bedient –Parthenon, Nest, Stern, Apfel – strebtGoogle nach dem Informellen, nacheffizienten Konstruktionen: dem

Spinnennetz. Das Googlemobil miteinem Automobil zu vergleichen, istnicht nur unmöglich, es ist unnötig.Das „Self driving Car“ will kein Autosein, sondern dieDreidimensionalisierung desUnsichtbaren, des Ursprungs vonGoogle: der Such-Maschine. Man setztsich, man sagt: „Ich habe Lust auf einBanana-Split, laktosefrei“ und promptwird man zur passenden Eisdielechauffiert. Auf „Jetzt nach Hause!“geht es dann, langsam aber sicher,wieder zurück. Die Technik soll Unfällevermeiden sowie verhindern, dassman den Straßenfaden verliert oderandere in Gefahr bringt und damit

auch sich selbst. Drink & Drive? Sex onWheels? Kein Problem.Eignungsprüfung für Senioren?Erledigt. Fahranfänger-Stress? Vorbei.Und was heißt hier hier Fahranfänger?Sechs oder neunundneunzig Jahre alt?Nein, niemand soll Angst vor demGooglemobil haben. Nur dieAutomobilindustrie. Denn sie lebtimmer noch in alten Mythen –Geschwindigkeit, Wertigkeit,Schönheit, Image, Status. UnterService wird aber kaum mehr alsFinanzdienstleistung beim Kauf unddanach Wartung, Pannen- sowieUnfallbergung verstanden. FahrendeEltern, Großeltern und ihre Kinder

sind auf der Straße auf sich alleingestellt und werden in ewigerAbhängigkeit voneinander gelassen.Ihnen bietet Googles Technologie dieLösung aller Probleme: Das Auto wirdfliegender Teppich undselbstfahrendes Kondom.

02. Juni, 2014

Lifestyle

Fiat Luxus: Rolls RoyceDrophead Coupé

Über Sinn und Unsinn von Luxusautos

kann man sich streiten. Wer sich anedle Schmieden wie Pininfarina oderZagato wendet und für einensiebenstelligen Eurobetrag ein Autonach Maß fertigen lässt, derbetrachtet den Drophead Coupé alsalltägliches Prêt-à-porter. Geld zähltaber nicht. Wahrer Luxus beginntdort, wo die Rede über Preis-Leistungs-Verhältnis aufhört.Romantische Unvernunft fragt nichtdanach, wie teuer ein Gegenstand ist.Im Design gibt es zwei Arten vonLuxus: die eine, die nur ein trainiertesAuge erkennt – in Form snobistischenUnderstatements – und die andere,die allen sofort auffällt. Rolls Royce

gehörte stets der zweiten Kategoriean. Neben dem unumstrittenen Ruhmdes britischen Herstellers hat diemarkante Tempelform des Kühlergrillssamt Emily-Figur die RR-Marke zurAuffälligkeit verdammt. WeilAuffälligkeit (noch und vor allem imAusland) stark im Trend liegt, erfreutsich die BMW-Marke guter Geschäfte.Dafür besitzt der Phantom als einzigewirklich majestätische Limousine dienotwendige „Physique du Rôle“.Mittlerweile ist er aber nicht mehr soexklusiv wie 1952, als der achtzehnmalverkaufte Phantom IV nur vonStaatsoberhäuptern und Mitgliedernder Königshäuser bestellt werden

durfte. Der heutige Phantom alsLimousine wird vorzugsweise vonHotelketten gekauft: Zwei Stückbesitzt Dubais Burj al Arab, zumPeninsula in Hongkong gingenvierzehn Stück – dort deckt derTagespreis für eine Suite diemonatliche Leasingrate für diegesamte Flotte. Fast zu vernünftig!Um der Marke noch mehr Exklusivitätzu verschaffen, kommt jetzt derDrophead Coupé auf den Markt. Umdies gleich klarzustellen: Das Wort„unvernünftig“ passt zu diesem Cabrioam besten. 5,6 Meter Länge, trotzLeichtmetallbau über 2.600 Kiloschwer bei lediglich vier Plätzen, dazu

ein enormer Verbrauch bei maximal240 km/h Höchstgeschwindigkeit. Wernun glaubt, es handele sich dabei nurum reinen Überfluss, der möge bitteder Kritik weiter folgen. Einen DHC(die gewöhnliche Abkürzung fürDrophead Coupé) braucht niemand,vielmehr stellt der dekadente Kolossden Gipfel des statussymbolischenAutomobilmythos des vergangenenJahrhunderts dar. Aber dieser RollsRoyce ist kein Marketing-Gag, sondernein echtes Automobil. Selten wird einShowcar unverändert in dieProduktion übernommen. Seltenwerden hochwertige, gar natürliche,Materialien im fühlbar echten Zustand

eingesetzt: Alu, Edelstahl,Holzessenzen, Wolle oder auch Sisal.Selten wagt man technischeKostbarkeiten wie die hintenangeschlagenen Türen. Doch im DHCtrifft all dies zu. Bei so viel Inhaltdieses Auto als „zurückhaltend“ zudefinieren – wie Rolls Roye erwägt –,erscheint geradezu ironisch. Dennoch:Trotz panzerartiger Masse zeigt dasNew Classic Design des DHC einegewisse Eleganz. Sein gigantischesStoffverdeck ist wohlproportioniert,eine beruhigende Geometrie allerDetails verwöhnt das Auge. Einigesbleibt allerdings seltsam, wie zumBeispiel die optional gebürstete

Motorhaube aus Edelstahl und derVerdeckkasten aus ölbehandeltemTeakholz. Ästhetische Dekadenz,funktionaler Unsinn oder auch:wahrer Luxus. Mit dem DropheadCoupé macht das Automobildesignkeinen Schritt nach vorne, doch ist derBrite alles andere als ein überflüssigesSpielzeug: Es ist eines der wenigenAutos einer aussterbenden Rasse,dessen Kauf und Erhalt sich nochlohnt.

01. Januar, 2007

Fahrrad-Weg: Fisher PriceSmart Cycle

In einer idealen Welt hilft Design,Probleme zu lösen. Es analysiert dengesellschaftlichen Kontext, erkenntBedürfnisse und Wünsche, konzipiert

Lösungsansätze und setzt diese mitgeeigneten Technologien undMaterialien in verkäufliche Waren undDienstleistungen um. Doch Designfunktioniert auch andersrum: Esgeneriert Neues, das noch nichtdagewesene Bedürfnisse undSehnsüchte weckt. Weiter mit derTheorie: Es gibt eine primäre Formvon Design, aus der zuvorUnbekanntes entsteht, Archetypenwie der Hammer, der Stuhl, dasFahrrad, die Tastatur. Und es gibtauch eine sekundäre Form, die dazudient, Bekanntes umzugestalten oderzu verunstalten: Der buntere Hammer,der schönere Stuhl, das schickere

Fahrrad, die faltbare Tastatur. DieNatur von Design entstammt einerlogischen Entwicklung: Zunächst imModebereich, dann in der Möblierungund schließlich im Bereich derKonsumgüter materialisierte sich derBedarf nach ästhetischerVeränderung. Am Anfang waren diegroßen Stile, mit Produkten, die überGenerationen hinweg weitergegebenwurden. Ihre Zielgruppe war denkbarklein: Allein die Aristokratie durftekonsumieren. Die Revolution derModerne ermöglichte dann denMassenkonsum, aus dem eine nichtmehr zu korrigierende Dynamikentstand. Aus zeitlosem Stil wurde

kurzlebige Mode, dann lieblosesWegwerfprodukt. Die Bedeutung vonDesign im Innovationsprozess wurdefrüh erkannt: Um 1925 erklärteGeneral Motors die technischeEntwicklung des modernenAutomobils für beendet und machteästhetische Veränderung zumunternehmensstrategischenInstrument. Der „Art Director“ wurdegeboren, Herr eines verführerischenSpiels, dessen wichtigste Regellautete: Geschwindigkeit. Darausentstand allmählich eine tertiäre Formvon Design. Aus klassischerkünstlerischer Leitung hin zumprogressiven Komplexitäts-

Management. Design kann ausMenschen, Märkten, Problemen,Bedürfnissen, Wünschen, Stilen undTrends neue Produktdimensionen,neue Nutzformen herausfiltern und sodie Kultur des Konsums und sämtlichebürgerliche Lebensformenvorantreiben. Ein Beispiel tertiärenDesigns ist Smart Cycle von FisherPrice: Ein merkwürdigesKinderspielzeug, das die Funktionenvon Heimtrainer, Videogame undLernspiel vereint. Abgesehen von dereinfallslosen Erscheinung –Kinderprodukte müssen nicht immergeschmacklos bunt und fluffig sein –ist das Produktkonzept nicht dumm.

Statt gefährlich durch die Gassen zurasen, um die Welt zu erkunden,können Kinder jetzt stundenlangesSmart Cycling von Fisher Price imabgeschlossenen, stoßsicheren undSagrotan-gereinigten Wohnzimmerbetreiben. Harmlos wie Mäuschen, dieim Käfig ihre Runden im Rad drehen.Doch Ironie beiseite: Der Smart Cyclingist für Kinder besser als ein Fahrrad,mit dem sie sich nicht mehr freibewegen dürfen – und für ihreHelicopter-Eltern ist er zweifellos einesehr komfortable Design-Lösung.

24. März, 2009

Schöne Verwirrung: Erlkönig-Galerie

Nur im Land der Dichter, Denker undAutomobilbauer konnte man aufdiese Idee kommen: einemAutomobilprototypen den Namen

einer Ballade von Goethe zu geben.Anno 1952 wartet die Bundesrepublikgespannt auf den Nachkriegs-Mercedes. Dann der Coup. EinemAmateurfotografen gelingt es, einenfahrenden Prototypen abzulichten.Das Bild eines in der Landschaftschwebenden Fahrzeugs landetschließlich in der StuttgarterRedaktion von „Auto Motor undSport“. Wie aber, so fragt sichChefredakteur Wieselmann, kann maneinen solch verschwommenenSchnappschuss zeigen, ohne dieIndustrie zu verärgern und ohne anGlaubwürdigkeit zu verlieren? DieLösung kommt in Form eines nicht

ganz ernst zu nehmenden Achtzeilen-Gedichts, dessen erste Folge wieGoethes Ballade beginnt: „Wer fährtda so rasch durch Regen und Wind?“Und dann noch: „Ist es einStraßenkreuzer von drüben – der nurim Umfang zurückgeblieben – oder garDaimlers jüngstes Kind?“. Dem Lesergefiel die Idee; Spionage-Aktionensind seitdem gang und gäbe. Eine Zeitlang versuchte die Industrie sichdagegen zu wehren und zeigte dabeinicht unkluge Strategien. Um dasmächtige Spitzenmodell 928 in Ruhezu erproben, transplantierte Porschedessen Bodengruppe in einenbiederen Audi Coupé. Weil der

Porsche wesentlich breiter gebautwar, machten die Weissacher denAudi 10 Zentimeter breiter – damitniemandem etwas auffallen konnte.So einen Aufwand betreibt heutekeiner mehr. Mit einer dickenAußenpolsterung aus Plastik-Blechen,Schaumstoffen und Klebebandwerden die schnittigen Formen derneuen Modelle so weit verunstaltet,dass man nichts mehr erkennen kann.Einziger Nachteil: Die Autos sehenwahrhaftig hässlich aus. Weilmittlerweile Erlkönige sehr prominentveröffentlicht werden, mussteFashion-Design eingreifen undErlkönigen ein künstlerisches Kleid

verpassen. Die gewöhnlichmattschwarze Karosserie schmückennun kreative Muster, die nicht ohneästhetischen Anspruch komponiertwerden. Audi und BMW bevorzugenStrudelwürmchen, Opel präsentiertsich in einem Op-Art Karo, Ford magkinetisch verstreute Geometrien,Honda trägt Marker-Zickzack, RangeRover bevorzugt buntesStreifengewebe. Daraus entstehensogar neue Trends – vor allem der zurSelbstdarstellung. Wenn jeder Bürgerzum Paparazzi wird – einKamerahandy reicht da schon aus – istdie Wahrscheinlichkeit ertappt zuwerden extrem hoch. Statt zu

verbergen, gilt nun: Auffallen umjeden Preis. Trotzdem will man denBetrachter täuschen, Linien undProportionen verschleiern, Detailsunkenntlich machen. Diepsychedelischen Muster können selbstmanchen Autofokus verwirren undwirken Wunder. So überrascht esnicht, dass die Idee ihren Ursprung imMilitär hat. Nach einem Vorschlag desKünstlers Norman Wilkinson ließ diebritische Marine ab 1917 ihreKriegsschiffe mit buntengeometrischen Mustern bemalen.„Dazzle Camouflage“ heißt die Kunst,U-Booten die Erfassung ihrer Zielewunderbar zu erschweren. Man hat

zwar das Ziel vor Augen, kann aberdessen Größe, Richtung undGeschwindigkeit nicht feststellen.Heute werden diese Designs wieKunstwerke gehandelt.Funktionsbekleidung wird zumKunstwerk, Dazzling zur ultimativenMarketing-Waffe derAutomobilindustrie. Wenn man schonin der Erlkönig-Galerie auftretenmuss, dann wenigstens mit demschönsten Design und dem größtenBild.

18. Oktober, 2010

Haupt-Ding: Hövding Fahrrad-Airbag

„Gutes Design ist unsichtbar“ sagteeinst der schweizerische SoziologeLucius Burckhardt und leitete so einensanften Paradigmenwechsel ein. Mitdem Fortschreiten des digitalen

Zeitalters hat man sich allmählichdaran gewöhnt, die Qualität desUnsichtbaren zu goutieren. Mit demVerschwinden der Gegenständlichkeitwird man meist unbewusstkonfrontiert. Zum Beispiel in eineröffentlichen Toilette. Wo es früherzwei Wasserventile gab, für kaltes undfür warmes Wasser, und späterlediglich einen einzigenEinhandmischer, da gibt es heutenichts mehr: Per Sensor gesteuert,fließt das Wasser automatisch vomHahn. Wie auch für Scheibenwischerund Scheinwerfer, die sich selbsttätigein- und ausschalten gilt:Unsichtbares Design ist nicht

unbedingt fehlerfrei, doch stets hatman das Gefühl, einem kleinenWunder beizuwohnen. In krassemWiderspruch zum Vormarsch desUnsichtbaren sucht gegenständlichesDesign eine neue Legitimation. Quasium nicht verschwinden zu wollen,zelebrieren sich die Gegenstände inimmer auffälligerer Form. Einerseitsmit Retroformen, die des Menschenkulturelles Gepäck ansprechen;andererseits werden in wahnsinnigerGeschwindigkeit Stile und Gegenstileentwickelt, Formen aufgeblasen,Proportionen umformiert und Farbenkreiert, die alltägliche Gegenständeauf teils surrealistische Art präsenter

wirken lassen. Nicht nur dasAutomobil ist Opfer diesesRehabilitationsversuchs: Bei einemGang durch Saturn entdeckt manStabmixer, die wie Aliens aussehen,Staubsauger, die an Roboter erinnernund Kaffeemaschinen, die Kraftwerkengleichen. Auch der Mensch kämpft umSichtbarkeit: Er trägt glänzende undreflektierende Oberbekleidung,kommuniziert häufiger und lauter,vervielfältigt sich im Social Network –und gentechnisch sowieso. Menschenund ihre Gegenstände streben vorallem nach Verewigung. Dies erklärtden mächtigsten Trend des neuenJahrhunderts: Sicherheit – als Garant

für Beständigkeit. Im Namen sozialerKorrektheit darf man dem Anspruchnicht widersprechen, höchstensschmunzelnd an den Titel derBiographie der Kultur-Ikone JimMorrison erinnern: „Keiner kommthier lebend raus“. Verständlich, dasseine Prophezeiung, die unschönekognitive Dissonanzen hervorruft,weniger thematisiert wird als etwa dieNormen zur Helmpflicht. Mittlerweilefast überall Standard fürMotorradfahrer, wurde das Trageneines Helms den Ski-Fahrern in Italienund den Radfahrern in Schwedenamtlich verordnet. Die schwedischenDesignerinnen Terese Alsting und

Anna Haupt haben sich sodannGedanken gemacht und ein neuartigesSchutzkonzept präsentiert, das fürRadfahrer das Leben verändern kann.Hövding („Häuptling“) heißt der dicke,aber modisch verkleidete Halskragen,in dem sich ein Kopf-Airbag verbirgt.Registrieren die Sensoren einen Sturz,so bläst sich um den Kopf herum einLuftkissen auf, das mehr Schutz bietetals herkömmliche Fahrradhelme. Zwarwiegt Hövding doppelt so viel wie einHelm, folgt dabei aber LuciusBurckhardts Dogma: Der Kragen ist aufden ersten Blick unsichtbar. Also gut.Dass Frauen mit Hövding ihre Frisurschonen, war mit ein Grund für die

Entwicklung, der aber lediglich dieSpitze des Eisbergs darstellt. Hövdinglässt Menschen wie Menschen fühlen,sehen und aussehen. Schließlichmöchte kaum jemand so unsichtbarwie ein Astronaut im All leben.

25.Oktober, 2010

Meereskunst: Riva AquarivaMarc Newson

Von der Ambition getrieben, diebesten Boote der Welt zu bauen,verstand Carlo Riva stets, sein Werkglamourös zu inszenieren. Seine erste

Handelsvertretung baute er 1951 imZentrum von Mailand; 1964 eröffneteer einen Showroom im New YorkerRockefeller Center. Boat-Service-Stationen etablierte er in allen„fashionable places“: Montecarlo, St-Tropez, Portofino, Genf, Venedig. Mitähnlicher Obsession pflegte Riva dasDesign seiner Boote, das im Konzeptdem Chris Craft-Vorbild folgte, in Stilund Detail jedoch einzigartig war. Rivabereiste die Welt, um die bestenHölzer zu finden: Mahagoni, Zeder,Okoumé, Iroko, Sipo, Kaya, Makoreund Gran Bassam. SämtlicheChromteile wurden nach eigenemEntwurf aus Bronze gegossen, mit

Kupfer grundiert und mit üppigemNickel veredelt: zehnmal dicker wie imAutomobil üblich. Jedes Jahr wurdendie Modelle optimiert und verändert,so gilt jeder Jahrgang als einzigartig –wie bei edlem Wein. Rivassystematischem Qualitätsprinzip ist eszu verdanken, dass viele Boote bisheute überlebt und die Marke zumMythos gemacht haben. Das ist mehrals ein Wunder, wenn man bedenkt,dass Carlo Riva nur 21 Jahre amSteuer seiner Werft saß, bis 1971.Knapp 4.000 Boote entstanden inseiner Zeit, bevor zuerst die Weltkriseund dann die Glasfaser-Ära dasUnternehmen auf neuen Kurs brachte.

Heute ist die Marke Riva einer derPlayer auf den Weltmeeren und bietetein buntes Sortiment an zeitgemäßen,gigantischen Luxusbooten. Lediglichdas Einstiegsmodell Aquariva knüpft,unter anderem mit einerDeckverkleidung aus echtem Holz, andie alte Runabout-Tradition an.„Tritone“ und „Aquarama“ warenCarlo Rivas Flaggschiffe. Das ersteModell wählt man heute am bestenaus den Jahrgängen 1956-1958 mitCadillac Motoren oder als 1959er mitZebra-Polsterung wie in Fellinis „LaDolce Vita“. Aquarama sollte man als„Super“ vor 1971 bevorzugen: 8,5Meter für 10 Passagiere und gut 88

km/h schnell. Schneller läuft selbst dieneue Aquariva nicht, übrigens auchnicht schneller vom Band. Binnen dreiJahren wurde 1965 die hundertsteAquarama verkauft; ab 2001 brauchteman für einhundert Aquariva fünfJahre. Um den Umsatz zu reanimieren,kommt für die nächste Saison frischerWind in Form zweier Sondermodelle.Das eine trägt die Marke Gucci (wieoriginell, da gab es schon 1972 einenAMC Hornet und 1979 einen CadillacSeville), das andere stammt aus derbegnadeten Hand von Marc Newson.Seine typische Handschrift setzt derStilist durch die Umgestaltung desHeckspiegels, der nun von Newsons

bekanntem Bandschleifenmotiveingefasst wird. Ferner macht Newsonmit der modern-verspieltenGestaltung des Cockpits Schluss undentscheidet sich für ein gradliniggeteiltes Split-Design, wie es vorhundert Jahren in Mode war.Tatsächlich gelingt es Newson miteinem Potpourri aus Vintage, Klassikund Futurismus, das Image desRunabouts in einem ikonischen,abstrakt wirkenden Kunstwerkeinzufrieren. Das Wort Kunstwerk istinsofern angebracht, als dass NewsonsSondermodell, auf 22 Stück weltweitlimitiert, ausschließlich durch einenKunsthändler zu erwerben ist – die

New Yorker Gagosian Gallery. Dortwurde das Boot nebst weiterenmobilen Design-Kunst-WerkenNewsons ausgestellt. Geht man vondem neulich erzielten Auktionspreisvon 2,1 Millionen US Dollar für einExemplar seines 1998er „LockheedChair“ aus, so dürfte der Preis voneiner Million Euro für NewsonsAquariva (doppelt so hoch wie dasBasismodell) als Schnäppchen gelten.Die erfolgreiche Zukunft von Designals Kunstform ist bereits Geschichte.

01. Noveber, 2010

Goldener Flügel: SmartForjeremy

Mit Luxus ist das so eine Sache: Manredet gerne darüber und meidetgleichzeitig Definitionen. Deritalienische Künstler und

Designtheoretiker Bruno Munariversuchte es vor einem halbenJahrhundert so: „Luxus ist eineDemonstration unzivilisiertenReichtums, wodurch man dieArmgebliebenen zu beeindruckenversucht.“ Sein immer nochhochaktuelles Beispiel lautete: Wozubraucht man goldene Wasserhähne,wenn daraus schmutziges Wasserfließt? Man soll sich von derpolitischen Substanz dieser Kritik nichtstören lassen. Munaris Aufruf zu trotz,lassen sich goldene Wasserhähne –oder verchromte, die genauso vielkosten – blendend verkaufen. AlsRechtfertigung wird stets eine

quantitativ messbare Mehrleistungzitiert, die dem Luxusprodukt seinebesondere Qualität verleiht. GanzeTage, Wochen oder gar Monate würdeman benötigen, um in HandarbeitLuxus zu schaffen. Dafür böte Luxusewige Substanz und substanziellenStil. So stimmt die Rechnung plötzlichwieder, obwohl man dabei häufignichts anderes bezahlt, als lediglichdie Idealisierung von Tradition unddie Fortsetzung vonFertigungsmethoden, die bereits seitLouis XVI. nicht mehr wirklich aktuellsind. So, wie es für „den ersehnten“König erst die Revolution und danndie Guillotine gab, so gab es für Luxus

erst das Plagiat und dann dieErfindung von „Premium“. Damiterreicht die LuxusästhetikKonsumenten, die unfähig sind,Wertunterschiede wahrzunehmen –Premium ist dem Luxus sein Tod.Daher wandelt Luxus gegenwärtig ineiner Dimension, wie sie sich selbstein Munari nicht hätte vorstellenkönnen. Luxus sublimiert sich in daswunderbar Experimentelle desdefinitiv Irrationalen: Er verdünnisiertsich in himmlische Preishöhen. Dassein Herrenschuh von Tom Ford invollendeter Qualität kaum etwaswiegt und somit verspricht, sich baldin seine Komponenten Duft, Form und

Farbe aufzulösen, steht inerstaunlichem Kontrast zumvierstelligen Preisschild – recht frechfür Konfektionsware. Aber istFrechheit nicht der wahre Indikatorfür Luxus? Man kann zum Beispiel mitdem alten Klischee der goldenenArmaturen spielen, eine Stahl-Rolexnehmen und sie schwarz mattieren.Die von Bamford & Sons verbilligteLuxusversion besitzt dann denWiedererkennungswert einer Casio G-Schock – zum zweihundertfachenPreis, oder zum gut dreifachen einergewöhnlich glänzenden SchweizerPremiumuhr. Damit der Witzverstanden wird, darf man das gute

Stück bei Colette in Paris einfach sovom Regal nehmen, vielleichtzusammen mit einer CD und an derKasse bezahlen, als ob es ein LatteMacchiato wäre. Trotz allemsozialkorrektem Ärger, ist dieschwarze Rolex ein Amuse Gueule,das Lust auf mehr macht. SolcheDivertissements am Rande des sozialVerträglichen sind der Lebenssaft füreine Branche, die sich als Avantgardebetrachtet. Der witzigste Nachahmerist eine in Los Angeles präsentierteStudie von Smart. Forjeremy heißt dasgute Stück, dem Amerikas ModeikoneJeremy Scott Flügel verliehen hat.Ziemlich genau jene Flügel, die er

überall und auch gerne auf dieSneakers seiner etablierten AdidasKollektion klebt. Anders als beimSchuh, kleben die leuchtendenAutoheckflügel fest und nehmen demurbanem Mikrocar so jede Ambitionauf Alltagstauglichkeit. Absolutbetrachtet, ist der Smart Forjeremyeine Frechheit, auf die die Weltverzichten kann. Lediglich alsLuxusexperiment überzeugt der kleineWagen: Er provoziert, unterhält, lenktvom grauen Alltag ab. Wenn sein Preiswirklich unverschämt ist, dann wirdmancher zugreifen – bevor derrollende Ikarus im Himmelverschwindet, unter einem

Regenschleier aus goldenen Hähnen.

04. Dezember, 2012

Eurocruiser: Der Fernbus

Je turbulenter die Zeiten, destodringender die Sehnsucht nach gutenalten Dingen. Auf diese fast zuoffensichtliche Erkenntnis baut DanielRettigs Buch „Die guten alten Zeiten“.

Nicht so offensichtlich und vielleichtauch alarmierend klingt sein Fazit:„Nostalgie gibt unserem Leben einenSinn und macht glücklich.“ Damiterklärt sich nicht nur die Euphorie fürVintage und die irrationale, fastkrankhafte Bereitschaft – sehr gernehinter dem rationalen Feigenblatt derpotentiellen Wertanlage verdeckt –,Unsummen für altes Zeug auszugeben:HiFi, Klamotten, Automobile. Manversteht so auch den Hype um allesidyllisch Altbürgerliche: Heiraten,Stricken, Grillen. Fast glaubt man, dassjedem Schritt nach vorne – zumBeispiel Carsharing – gleichzeitig einDoppelschritt zurück folgen muss.

Fernbus, zum Beispiel. Ältere erinnernsich an Postkartenzeiten, woAutomobilbesitz für die meisten nochein Traum war – da waren Fernbussestromlinienförmig-panoramischeferrarirot-verchromte Schönheiten.Die Jüngeren erinnern sich an denGreyhound, diesen Antimythosamerikanischer Kultur. Wenn dasAutomobil versagt oder das Geld alleist, findet der verjagte Held Zufluchtunter der weiß-rot-blauen Flagge dessilbernen „Americruiser“. Ob Opferoder Täter: Im Fernbus reist mannicht, man flüchtet. Zwei Tage undsiebzehn Stunden von New York nachLA oder vom alten zum neuen Leben.

So wie einst die Staaten, wird heutedas neue Europa nonstop von weiß-rot-blauen Linienbussen befahren.Zwei Tage und vierzehn Stunden mitdem „Eurocruiser“ von Iași,Nordrumänien, nach Trapani,Süditalien. Zwei Schritte in dieVergangenheit zurück und gleichzeitignotwendiger Schritt in die Zukunft.Auch für Deutschland, wo Fernbussegesetzesbedingt erst in diesem Jahrzum Alltagsphänomen werden dürfen.Sie beerben bruchgelandeteBilligfluggesellschaften und diegeadelte Bahn und füllen eine immergrößer werdende Nische, die politischunangenehm ist, aber endgültig

wahrgenommen werden will. Selbstwenn Fernbusse mit höchsten Notenbei Ökonomie, Ökologie undSicherheit überzeugen: Busfahren giltals Armutszeugnis. Der ADAC Postbus– mit Lederkopfteil, Hecktoilette undkostenfreiem WLAN – gibt dergesamten Branche zwar denRitterschlag, doch selbst imvertrauenswürdigen Engelgelbgestrichen bleibt der Bus ein Bus.Ungefähr acht bis neun Stunden vonKöln nach München. Es braucht vielNostalgie – vielleicht hilft dieErinnerung an die gute altePostkutsche –, um die Reise imKäfertempo schmackhaft zu machen.

Resignierte werden zugreifen.Lebensfreudige werden dieMitfahrgelegenheit vorziehen. Es gehtschneller und billiger – und mit etwasGlück fährt man im Vintage-Benz-Omnibus mit.

02. Dezember, 2013

Helmhut: YakkayFahrradhelm

„Hut ab“ ist schneller gesagt als getan.Hüte trägt heute keiner mehr, erstrecht nicht als Statussymbol. Nurrigide Gesellschaftsformen verlangen

nach einer rigiden Demonstration dessozialen Status ihrer Mitglieder. Amhöchsten angesehen war deraristokratische Zylinder. ZurKapitulation 1945 trug ihn diejapanische Delegation als schweresZeichen verlorener Würde. Doch auchWinston Churchills Bowler wurdeschnell zum engen sozialen Korsett. InDeutschland nennt man ihn heuteMelone, getragen wird er nur nochzum Karneval. Das Massenautomobilverdrängte jeden Hut zunächst auf dieHutablage. Die Tage neben demWackeldackel waren jedoch gezählt,als das Autoblech diestatussymbolische Funktion des Huts

gänzlich übernahm. Vorübergehendtauschte die Kulturrevolution beidesgegen rebellisch langes Haar. Als zumJahrhundertwechsel die Gesellschaftweicher und die Haare kürzer wurden,verwandelte sich die Kopfsymbolikdefinitiv: von Machtdemonstrationzum infantilen Kopfschutz. Wennnicht Kapuzen, so trägt man heuteentweder Kappen oder Käppchen.Nicht mehr als Symbol von Status,sondern als individuelle stilistischeBotschaft. Weil Stilsicherheit eher dieSeele als den Körper schützt. Nach9/11 und 3/11(so nennt man diejapanische Tsunami-Katastrophe)reichen die weichen Kopfschoner nicht

mehr aus. Nachdem man sich schonbeim Reiten wie auch beim Rad- undSkifahren daran gewöhnt hat, gibt essicherlich bald die freiwilligeHelmpflicht für freilaufendeMenschen. Verzweifelt steht man vordem berühmten Dilemma, ob Klugheitoder Schönheit Vorrang haben sollte.Mit typischer Kompromissbereitschaftist Design bereits das Problemangegangen. In Tokio wie in Parisetabliert sich eine neue Art desKopfschutzes, wofür es offiziell nochkeinen Namen gibt. Die dänischeFirma Yakkay spricht im künstlichenMarketingjargon von „Brainwear forsmart people“. Amazon gibt sich

unentschieden zwischen Fahrradhelmund Hut. Ich schlage einen hybridenHelmhut vor. Man kauft bei Yakkayeine zertifizierte Helmschale undbezieht sie nach Lust und Laune mitZubehör-Stoffhüten in modischenFormen und Farben – zum Beispiel„Tokyo Blue Technic“. DieKombination sieht zwar dicker unddoofer aus als ein schöner Hut, dafürwirkt sie ungezwungener undunauffälliger als ein richtiger Helm.Helmhut gelingt das Unmögliche:Jegliche Ansprüche anGesellschaftlichkeit und Privatheitwerden erfüllt. Damit ist manindividuell und konform zugleich, also

definitiv angriffssicher. Helmhut fälltuns zielsicher auf den Kopf – undsollte die Kontrollgesellschaft jemalskapitulieren, weiß man wenigstens,was man an dem Tag tragen soll.

03. Februar, 2014

No Go: Changing GearsRollator

Slideshow des perfekten Glücks vorgenau 50 Jahren: Ford lässt denMustang los, Sony zaubert das Micro-TV hervor, von Porsches Band fließen

die ersten 911er und von Ferrerogibt’s Nutella. Die Beatles macheneine Welttour, die Japaner hundertShinkansen und die Deutschen soviele Kinder wie noch nie. Wie dasGrand Finale eines Feuerwerksexplodiert und implodiert 1964 derBabyboom. Eine Mischung aus guterErnährung, fürsorglicher Medizin,medialer Unterhaltung, wachsenderWirtschaft und einfachem Glück gibtder Generation zwischen 1946-64nahezu kitschige Lebensaussichten.Mit der Kulturrevolution bügelte dieKriegsgeneration der nachfolgendenden Weg zu einem faltenfreiensozialen Aufstieg. Soziale

Anerkennung erhalten die vielenjungen, gesunden, gutverdienendenund optimistischen Boomer ohnehin:von der Politik, von der Wirtschaftund von sich selbst. Sie sind die ersteund letzte große Klasse vonIndividualisten. Nahezu unbeschadetüberstehen die jobsicherenBabyboomer sämtliche Krisen. Imschlimmsten Fall erfindet man für siein Volksburg die Viertage-Arbeitswoche – zum Lohn einesheutigen Akademikers. Mit allerAnerkennung für die Designer derMythen und die Vermarkter derErfolgsstorys des letzten halbenJahrhunderts: Sie alle haben dem

Babyboom zu danken. Doch heute, wodie älteren Boomer ihre Renteantreten und die jüngeren unterihnen die magische 50er Markeerreichen, stehen sowohl Design alsauch Marketing vor einerEntscheidung. Den Boomers die Treuezu halten, bedeutet zwangsläufig, mitihnen alt zu werden. Hat man sichbisher über die Perspektive, dassDesign und Marken aussterbenkönnen, kaum Gedanken gemacht,dann lediglich aufgrund der Tatsache,dass viele Marken und Produkteselber Babyboomer sind: cool und fit,obwohl nicht mehr die jüngsten. Eineskann diese Generation auf keinem

Fall: alt werden. Das Bild vonwürdigen Senioren, die ihrenHutablage-Audi gegen einen Rollatorumgetauscht haben, mag zwarallgegenwärtig sein – zwei MillionenStück sind bereits unterwegs,Wachstumsrate zweistellig –, zumAbleben eines Babyboomers gehörtaber eher ein Porsche Spyder wie ihnJames Dean 1955 fuhr und wie er nachIndiskretionen der „AutoBild“ baldwieder zu haben sein wird. Auch wennIDEO, eine der weltweit führendenDesignfirmen, mit dem Design-RollatorChanging Gears – im Rahmen desjährlichen Wettbewerbs „Designs onAging“ entwickelt – eine stillvolle,

leistungsfähigere und nachhaltigeAlternative zu den sonst grauenhaftzusammengeschweißten Modellen,die von den Krankenkassenbezuschusst werden, entwickelt hat:Für Babyboomer ist ein Rollator einabsolutes No-Go. Selbst dann, wenner ein Porsche-Emblem trägt.

28. April, 2014

Gartenschau: Minotti Aura

Schritt für Schritt hat Design unserLeben erobert. Kein anderer Ortmacht diesen Wandel so sichtbar wiedie heimische Küche. Mit derMobilisierung der modernen

Gesellschaft und demMassenwohnbau der ersten Hälfte desletzten Jahrhunderts erfandDeutschland die Feuerstelle neu. FrauArchitektin Margarete Schütte-Lihotzky modellierte die „FrankfurterKüche“ so, wie selbst ein HerrArchitekt es nicht gewagt hätte:klaustrophobisch, unflexibel,unpersönlich. Theoretisch wollte dieArchitektin die Hausfrau von ihrerKochlast befreien, ihr mehr Zeit mitder Familie schenken. Praktisch jedochzwang sie ihre Genossinnen zueinsamer Arbeit: Die Ghettoküchehatte nicht mal Platz für einbegleitendes Kind. Trotzdem hatte das

„Frankfurter Modell“ (heute:Kochnische) einen Riesenerfolg, dennes war klein, billig und perfekt in jene3-2-1ZKDB-Käfige integrierbar, die manteils aus politischen, teils ausMarketing-Gründen eineFamilienwohnung nennt. Offen,flexibel, individuell gestaltbar undallein aus Platzgründen wahrerLebenstraum der europäischenFamilie – stattdessen jedochentwickelte sich die amerikanische„Living Kitchen“ mit Doppeldecker-Kühlschrank, Kochinsel und Sitzeckezum häuslichen Statussymbol. TrotzIKEA ist dieser Traum für viele nachwie vor aus räumlichen Gründen

unerreichbar – und wenn doch, dannmeist als Alternative zum echtenWohnzimmer. Einen Schritt weiterging Otl Aicher mit der „Küche zumKochen“. Offen gestaltet undüberschaubar, emotional undtechnoid zugleich, wurde die Küchezur Bühne einer Lebensart, in derauch Männer Protagonisten seindurften. Von dunklen Schubladen undSchränken befreit, wurden sämtlicheRequisiten zum Exponat. Jedes nochso kleine Zubehörteil ein Designstück.Unvergesslich: Philippe Starcks famoseZitronenpresse „Juicy Salif“.Konzeptionell stark und daher fast zuelitär, findet Aichers Konzept seine

Apotheose in bulthaups brutalerKüchenwerkbank von 1988, ein Solitäraus Edelstahl, den man freistehend imWohnraum platziert. Im Werbebildexplodierte bald der idealisierte Koch-Wohn-Raum auf hundertelichtdurchflutete Quadratmeter,Deckenhöhe wie im Vatikan,Panoramawände für unverbautenBlick ins Unendliche. So dass jetzt, alsneuester Trend, die Küche sich vomRaum befreit und den Garten erobert,wo früher Grillen angesagt war undselbst ein Weber-BBQ nun Schnee vongestern ist. Ein sakraler Monoblockaus gebürstetem Kupfer, steht dieGartenküche Aura von Minotti auf der

heimischen Wiese wie ein Werk vonDonald Judd auf derBundesgartenschau: unwiderstehlich,unnötig und noch unerreichbarer.

07. Juli, 2014

Menschen

Nicht dumm: Diesel „BeStupid“

Welch ein wunderbarer Werbespruch.

Diesels „Be Stupid“ ist dashypermoderne Pendant zu Apples„Think Different“. In den 80er Jahrenließ Steve Jobs nicht ohne guteGründe den „Think Small“ Sloganüberarbeiten, mit dem zwanzig Jahrezuvor Volkswagen in den USA populärgeworden war. Die subtileArgumentation: Denken ist genau das,was man von einem Kunden nichtverlangen soll. „Ich denke, also binich“, frei nach Descartes, bedeutet: Ichkaufe, was ich will, wann ich will undwie ich will. Als Denker erkannt zuwerden, das wäre also das größteKompliment, das eine Marke demKunden machen kann. Früher

vielleicht! Denn heute steht manunter zu viel Druck: Nachdem manüber alle Risiken und Nebenwirkungendes Klimawandels, der Fettleibigkeit,der Natur- Wirtschafts- undVerkehrskatastrophen, desTerrorismus und von Bio-Organic-Genfood, nachgedacht hat, soll manauch noch zu „Think Blue“ bereit sein.Vielen fehlt die Zeit, das Interesse, dieLust daran, an alles zu denken. Manwill vor allem Entspannung, einfachmal man selbst sein. Diesen Trend hatDiesel früh erkannt. „Seid dumm“,empfiehlt der italienischeModekonzern mit einem Faible fürschräge Werbeauftritte. „Be stupid“

ist kein Befehl, sondern eineEinladung. Schließlich weiß man überDummheit nichts mehr: Auch siewurde im Namen sozialer Korrektheitplatt gebügelt. Dumm wurde„differently able“, wie die Amerikanervorschlagen. Worin der Unterschiedliegt, will aber keiner so genau sagen.Die Diesel-Kampagne schafftAufklärung, wobei sofort klar wird,dass Dummsein sehr erstrebenswertsein kann: „Smart may have theanswers. But Stupid has all theinteresting questions“. Smart, derAntagonist, ist weder neugierig nochkreativ: „Smart critiques. Stupidcreates.“ Andererseits macht „Smart

may have the brains. But stupid hasthe balls.“ den Dummen zum Helden,der kein Risiko scheut, um Dinge inBewegung zu setzen. Die These desheldenhaften Dummen erhält durch„Stupid might fail. Smart doesn’t eventry.“ seine Endgültigkeit. In einerGesellschaft, die sich demWertewandel verschrieben hat, gleichtdie Immobilität des Smarten einemTodesurteil. Doch genau dann, wenndie Kampagne beginnt, politischeTiefe zu erreichen, bringt uns „Stupidis Trial and Error. Mostly Error.“ zumbefreienden Schmunzeln: HübschesMädel springt vom Schrank hinunterzum Bett und kollidiert mit ihrem

Boyfriend in einem Totalschadenunmissverständlicher Bedeutung:Scheitern wird belohnt! Ach so! Alsoglaube ich nun: Design ist auch dumm.

28. März, 2010

Do it yourself: Local MotorsRally Fighter

Zu Beginn des Internet-Zeitaltersentstand der Traum schlechthin:Kooperatives Design bringt Designer,Hersteller und Kunden zusammen,

gemeinsam bestimmt man dieÄsthetik, die Leistung und den Preiseines Produktes, das schließlichpünktlich vor der Tür steht. Eine ArtGeschäftskommunismus, der vorallem eines bedeuten würde: DasEnde des Flops, Profit für alle. FürDesigner würde die Revolution einemwahrhaftigen Paradigmenwechselgleichkommen: Sie wären nicht längerwie Komponisten, die den Geschmackund die Wünsche der Menschheit zuantizipieren und zu formen versuchen,vielmehr würden sie zu Interpreten,die bekannte Volksmusik höchstensnoch neu arrangieren. Die großeFrage, die hinter geschlossenen Türen

besprochen wurde, lautete: Waswürde geschehen, wenn man denMenschen plötzlich uneingeschränktegestalterische Freiheit einräumte? Eswäre das Ende des Urheberrechts aufDesign, der Markenführung im altenSinne und eines etabliertenGeschäftsmodells. Für manch eineFirma hörte sich das wie Gift an. KeinWunder also, dass sich das Konzeptdes kooperativen Designs – mit dereinzigen Ausnahme von Open-SourceSoftware – kaum durchsetzen konnte.Individualisierung wird thematisiert,doch mehr als Wunschautokonfigurieren, T-Shirts bedrucken,Schuhe beschriften und Müsli-

Rezepturen zusammenstellen, ist esnicht – die gestalterischen sowie diemarkenspezifischenRahmenbedingungen bleibenvorgegeben. Ganz anders bei LocalMotors aus Boston. Dort wirdkooperatives Design seit 2008praktiziert, mit dem komplexestenaller Produkte, dem Automobil. NachGMs Mass Production und ToyotasLean Production wollen Jeff Jones undJay Rogers Automobilität 3.0 erfundenhaben. Den Bau, den Verkauf und dieWartung von Automobilen definiertLocal Motors neu. Der Bau findet indezentralen Micro-Factories statt, derVerkauf erfolgt ausschließlich über das

Internet, die Wartung wird wiederSache des Besitzers. Doch die zentraleRolle in diesem Prozess spielt dieFahrzeugentwicklung. LM stellt ein„leichtes, überaus sicheres“motorisiertes Chassis zur Verfügung,wie zu Urzeiten des Automobils.Designer, vor allem Studenten ausdem Art Center College in Pasadena,können darauf basierend beliebigeAutomobilkonzepte entwickeln. Diesewerden online gestellt und von allenUsern bewertet. Ist ein Konzeptattraktiv genug, kann es in dieProduktion gegeben werden. Dannbeginnt die Entwicklung im Open-Source Verfahren. Jedes Mitglied,

darunter potentielle Kunden, darf imDesignprozess mitmachen; Ingenieurekönnen unter sich die technische Basisständig aktualisieren. Zwei Jahre nachdem Start ist daraus der Rally Fighterentstanden. Fern von derMarkenvision „Umwelteffizienz“ siehtder 4,80 Meter lange, anderthalbTonnen schwere Wüstenjäger wie eineKreuzung aus BMW X6, ChevroletCamaro und Caterpillar aus. DieQualität hat Spielzeugcharakter: Einekarge Kunststoffhaut deckt dengroben Rohrrahmen, statt Lack gibt eseine Vinyl-Folie. Der Wagen kostet50.000 Dollar (für Amerika einebeachtliche Summe) und man muss

ihn zum Teil selberzusammenschrauben – das nennt mandann Erlebnis. Einhundertzwei Stücksind in wenigen Wochen verkauftworden. Und wenn das Design desRally Fighter nicht gefällt? KeinProblem! Der nächste wird ganzanders und kann ganz nach IhremGeschmack entworfen werden. EinTraum wird wahr.

31. Mai, 2010

Messerlicht: Philips Lumea

Um sich vom Klischee des ewigenHarry Potter zu emanzipieren, mussteDaniel Radcliffe sein Publikumschockieren. In der Rolle eines leichtverstörten Buben mit erotischer

Fixierung auf Pferde trat der 17-Jährige auf die Bühne – und zwarfrontal nackt. Der Skandal sowie dasInteresse für Bilder warenvorprogrammiert. Ein verträumtesMädchen stellte beim Betrachten fest,dass das einstige Wunderkind überallbehaart sei. Ziel erreicht für Radcliffe,der durch sein buschiges Intimfell dieAufmerksamkeit endlich auf seinenpostpubertären Status lenken konnte.Fell schockiert insofern, als dass manauch von erwachsenen Männernheute glatte Babyhaut erwartet. VonMetrosexualität und dem damitverbundenen Trend zum Body-Grooming, der männlichen

Ganzkörperrasur, sind alleGeheimnisse enthüllt worden.Vorbilder fehlen nicht: Sowohl in derneuzeitlichen Pornographie wie auchim sportlichen Wettbewerb werdenausschließlich perfekt enthaarteKörper gezeigt. Menschen wieMichelangelos Skulpturen? DieAnlehnung ans klassischeSchönheitsideal dürfte kaum eineRolle bei David Beckham gespielthaben. Das metrosexuelle Idol griffzum Nagellack, um sich dann zum„back, sack and crack“ Waxing zubekennen. Der Fußballer machte denmännlichen Besuch imSchönheitssalon salonfähig.

Mittlerweile finden mehr Männer alsFrauen ihr Äußeres wichtig. JederZweite zwischen 18 und 65 trennt sichvon unerwünschtem Haar imIntimbereich und unter den Achseln,jeder Dritte geht an die Brust.Kanzlerin-Friseur Udo Walz empfiehlt,„jeder Mann sollte VeetEnthaarungsstreifen zu Hause haben“.Lieblingswaffe bleibt dennoch für vieleder Rasierer, Lieblingstatort ist dieDusche. Während das Haarzurückgeht, wächst der Markt fürGrooming zweistellig. Offensichtlichsehen Männer eine haarlose Zukunftauf sich zukommen, denn immer mehrentscheiden sich für eine dauerhafte

Haarentfernung via Laser oder IPL-Gerät. Beide Technologienimplizierten bisher eine kleine Salon-OP. Doch Philips gibt jetzt das Messeraus Licht in die Hand derKonsumenten. Lumea strahlt heißesLicht und verspricht nach wenigenschmerzlosen Anwendungen eineendgültige Enthaarung. DieBehandlung ist simpel und trotzdemnicht frei von Einschränkungen.Schließlich ist Lumea ein OP-Gerät inMiniatur, weshalb Philips eineharmlose Form wählen musste. DerHaar-Killer sieht ganz einfach wie einHaar-Trockner aus – wobei dieAssoziation nicht als Witz verstanden

werden sollte. Der Clou besteht darin,durch die bekannte undunbedrohliche Gestalt jegliche Angstzu minimieren. Übrigens gibt esLumea im Partner-Look: Pink fürFrauen und Grau für Männer – wieklischeehaft! Preis undLeistungsspektrum machen aus Lumeajedoch ein Männer-Tool, wovonFrauen eher indirekt profitieren. Viervon fünf weiblichen Teens und Twensgeben zu, Achselhaar bei Männernnicht zu mögen. Wenn Männer sichdort enthaaren, dann mehrheitlichmit dem Ziel, der Partnerin oder demPartner zu gefallen. Genau das, wasdas verträumte Mädchen sich von

Daniel Radcliffe erhofft hatte.

04. Januar, 2011

„Italienität“: Silvio Berlusconi

Des Deutschen Designikone heißtKäfer – geboren 1938, heute einbeliebtes Museumsstück. Italien hatdafür Silvio Berlusconi – zwei Jahreälter, und der läuft und läuft und

läuft. Man kann über Berlusconi alsPolitiker oder Unternehmer Gutes undSchlechtes sagen. Er hat auf jeden FallSpaghetti, Sofia Loren, Ferrari undCapri mit Abstand überholt.Berlusconi ist Italien. Damit man dasversteht, muss man zunächst Italienverstehen. Dafür reicht ein Blick aufdie Landkarte. Italien hat keinenSchwerpunkt. Nichts steht. Wie einAkrobat balanciert die Halbinsel aufSiziliens Dreieck, mit Sardinienspielend, als ob die Insel ein Fußballwäre. Rund um diese tanzen weiterekleinere und größere Inseln; allewerden vom Mittelmeer in tiefes Blaugetaucht, hier und dort rauchen

Vulkane. Um Italien zu verstehen,muss man die Instabilität, oderbesser, die Dynamik dieser Figur zuschätzen wissen. Deshalb soll mansich nicht von stereotypenÄußerungen zur mutmaßlichen„Italienität“ verwirren lassen. Denn sowahr es ist, dass kein Land historischmehr Herrscher hatte, so hat auchkein Land wahrhaftig mehr Inhalte zubieten als Italien. Nicht mal innerhalbeiner Region findet man einengemeinsamen Nenner. Was zeichnetdie Toskana endgültig aus? DerKarneval in Viareggio? Der Palio inSiena? Die Strände der Versilia? Dermalerische Chianti? Michelangelos

David? Collodis Pinocchio? DieUffizien? Gucci? Jemand muss für dasChaos verantwortlich sein, aber wer?Die Etrusker? Die Römer? Mathildevon Lothringen? Die Großherzogende’Medici? Die Franzosen, dieHabsburger, die Bourbonen? Oder dieSavoyer, die Florenz bis zur EinnahmeRoms im Jahr 1870 zur Hauptstadt desVereinigten Königreichs Italienerklärten? Oder vielleicht doch dasgemischte, lebendige italienischeVolk? Gleichzeitig arm und reich,kultiviert und kitschig, ernsthaft undwitzig, faul und fleißig. Dieselbelebendige Mischung findet man auchin der Küche wieder, wahrer Spiegel

einer Nation. Und in der Politik.Italien ist ein Theater des Lebens. KeinItaliener hat diese wunderbare undtragische Wahrheit besser verstandenals Berlusconi. Keiner hat sich besserin die Rolle eingefunden: Ein Volk alsPublikum, ein Land als Bühne, manselbst als Protagonist. Berlusconi hatdie Gestalt einer Primadonnaangenommen. Akribisch wurdenHaare vermehrt, Falten vernichtet,Hauttöne verbessert.Gesichtsausdrücke wurden mit vielDisziplin sorgfältig inszeniert:Berlusconi lächelnd, Berlusconiernsthaft, Berlusconi zornig. Währenddie Erde bebt, die Vulkane

ausbrechen, die Wasser fluten und sodas Land permanent verändern,verwandelt sich der Protagonist ineine mediale Büste. Was früher durchMarmor und Bronze dargestelltwurde, lebt heute in einer fesselndenTelenovela. Italien lacht, es weint, esärgert und es freut sich mit und überBerlusconi. In dieser Büste hat Italienfür einen Augenblick seinenSchwerpunkt gefunden. Darin ist alles,leider auch ein Fehler. Das Bildnisaltert nicht. Eine stille Millisekunde inder tausendjährigen GeschichteItaliens. Doch wieder bewegt sich dasLand. „The Show must go on“. SilvioBerlusconi darf jetzt wirklich egal sein,

was passiert. Seine Telenovela istunsterbliches Konsumgut geworden.Unabhängig von einer inhaltlichenBewertung politischer Qualität ist fürStaatschefs aller Länder nunzwingend, sich Berlusconis genialesVorbild anzueignen – was ziemlichschwer sein dürfte.

01. November, 2011

Männertuning: AlpecinTuning Shampoo

Mobilität, Nachhaltigkeit, Globalität,Gleichberechtigung, Sicherheit. KeinDiskurs, keine Konferenz, keinMagazin ohne die großen Fragen des

Jahrhunderts. Design kann teilweisepassende Antworten finden. Oderauch selbst neue Fragen stellen. Eineder wichtigsten lautet: Wie vieleToiletten soll es künftig geben? Dieklassische Abgrenzung Männer/Frauenist zu eng geworden, das einzigeÜberbleibsel einer Zeit, wo man allesstreng trennte außer Müll. Mit derKulturrevolution kamen Unisex, langeHaare, Blumen, Batik und damit dasgemeinsame Schlafzimmer samtToilette. Nur in öffentlichen Toilettenbleibt die Geschlechtertrennungerhalten – ein ideologischer Versuchder Planer, soziale Ordnung aufrechtzu erhalten. Erst recht zu Zeiten von

Big Brother erscheint diese Trennungals das, was sie wirklich ist: das letzteRelikt einer aussterbendenGesellschaft. Abzulesen ist dasProblem in jedem Flughafen nach derLandung eines Jumbos oder imKonzertsaal während der Pause.Aufgrund gestalterischerGerechtigkeit, räumen ArchitektenFrauen genauso viel Platz wieMännern ein – obwohl es auf derWelt mehr Frauen als Männer gibt.Weil Frauen auf längere Aufenthalteangewiesen sind, ist die Schlange vorder Damentoilette immer länger. Nochhat die Politik die Reichweite desProblems nicht erkannt. In den

Staaten wird darüber debattiert, wieTranssexuelle und Homosexuelle sichverhalten sollen. Es geht umSicherheit und Gerechtigkeit. Neulichwurde ein „Male-to-Female“ Kundevon zwei Mädchen in derFrauentoilette von McDonald’s blutiggeprügelt, in Texas wurde eineTranssexuelle verhaftet, denn dortbestimmt laut Gesetz das Ursprungs-und nicht das Zielgeschlecht die Wahldes Aborts. Die Früherkennung desProblems ist mindestens ebensowichtig: So wird auch darüberdebattiert, wer mit den Kindern wohinsoll, um sie vor unerwünschtenBlicken zu schützen. Man hat nur zwei

Lösungen: Entweder die Aufhebungjeglicher Trennung, also Freiheit undSelbstregulierung, womit der Klogangeinem Dschungelcamp gleichenwürde, oder die politisch korrekte,statistisch ermittelte Aufteilung. Soviele Toiletten wie es Shampoo-Artengibt. Der Toilettengang wird zurDienstleistung: sicher, fair,erlebnisreich, zielgruppengerecht.Logische Konsequenz wäre dieWiedereinführung derselbenTrennung im privaten Bereich.Männer hätten mehr Platz für sichselbst und ihre Sachen. Das ist dieversteckte Botschaft von Alpecins„Tuning-Shampoo“. Die wunderbare

Flüssigkeit greift auf alte Mythenzurück: Sie „kräftigt die natürlicheHaarfarbe“ und „beugt Haarausfallvor“. Alles klingt sehr technisch undsieht auch so aus. Diesilbermetallische Dose, die knallroteKappe, die superfette schwarzweißeSchrift mit Konturen verneinen dieDouglas-Welt und versetzen denMann an jenen Ort zurück, wo er vorder Revolution noch hin gehörte: vorsRegal von Auto-Teile-Unger . Mit demsensationellen Claim „Männer färbennicht – Männer tunen“ vereint Alpecindie alten Werte „Macho“ und „Motor“und befreit den Mann von derProblematik, sich outen zu müssen.

Frauen finden die Tuninglösungbestimmt doof, BundeskanzlerSchröder hätte sie geliebt.

07. Februar, 2012

Public Viewing: H&M DavidBeckham Bodywear

Wer kennt Tom Hintnaus? Der in derTschechoslowakei geboreneAmerikaner erhielt 1980 eineGoldmedaille im Stabhochsprung bei

den Olympic Boycott Games inPhiladelphia. Ein Mr. Nobody, dessenBody Amerika verändert hat. Leichtvon unten fotografierte ihn BruceWeber in Santorini, strahlend wie eingriechischer Gott, densonnengebräunten, athletischenKörper im perfekten Kontrast zumHintergrund: weiße Architektur undtiefblauer Himmel. EindeutigerFokuspunkt des Motivs: die weißeUnterhose. In Gottesgröße wurde dasBild gedruckt und 1982 auf dem TimesSquare platziert. Es legte prompt denVerkehr der US-Metropole lahm undsetzte eine ganze Welt in Bewegung.In der ersten Nacht wurden alle 25

New Yorker Schaufenster, hinterdenen die Werbung für Calvin KleinsUnderwear Kollektion hing,eingeschlagen, sämtliche Plakategeklaut. Zwei Jahre zuvor hatte Kleinmit der Einführung seiner Jeans-Kollektion dem prüden Amerikaersten Gesprächsstoff geliefert. Diedamals fünfzehnjährige BrookeShields, bezaubernde Venus des Films„Blue Lagoon“, flirtete mit der Kameraund flüsterte: „Willst Du wissen, wasich zwischen mir und meinen Calvins –gemeint war die Jeanshose – trage?“Die verführerische Antwort kamsogleich: „Nichts“. Eigentlich einedumme Antwort, denn das Nichts

kann nicht verkauft werden. Dagegenwar die Botschaft von einem mitnichts außer Unterhose bekleidetemTom Hintnaus genial: Männer werdenzum Sex-Symbol. Ein ganzer Marktwurde entblößt: dieMarkenunterhose, mit übergroßemumlaufendem Markenlogo am oberenRand. Die Marke drängt in denIntimbereich und macht ihnschließlich publik. Das Erfolgsrezept isteinfach: Relativ gesehen, sindUnterhosen mit Logo sündhaft teuer;absolut gesehen, sind sie diegünstigste Eintrittskarte in dieMarkenwelt. So erklärt sich auch dasComeback der „Low-Rise“, der tief

angesetzten Hosentaille, die seitAlexander McQueens 1996erKollektion angesagt ist: Sie machtUnterhosen sichtbar und zwingt zummarkenbewussten Kauf. Nun spieltMassenmodemacher H&M mächtigmit. Fußballidol David Beckham stehtmit Körper und Namen Pate für dieneue Bodywear-Kollektion desschwedischen Textilkonzerns. Faltig,seriös, nachdenklich, fast böse schautBeckham uns an – besser, er lässt zu,dass man ihn anschaut. Was mansieht, ist die Fassade eines Menschen,dessen tätowierte, also designte,Oberfläche. Dabei spielt es nicht maleine Rolle, ob man mit Photoshop den

Schatten im Intimbereich retuschierthat. Das Schwarzweißbild des Mannesim besten Alter hat nichts, aber auchgar nichts, mit Sexualität zu tun. Hiergeht es nicht um Schönheit, sondernum Identität. Auch das Produkt spieltkeine Löwenrolle mehr: Es sindzeitlose „stylische und bequeme“Klassiker in Weiß, Schwarz und Grau.Das dezente Logo wurde auf einEtikett aufgenäht, so kann man essogar entfernen. Die Unterhose hatausgedient, längst findet dieIndividualisierung eine Ebene tieferstatt, mit Pinsel und Messer direkt aufder Haut. So erklärt sich dassprachlose Design der David Beckham

Bodywear Kollektion von selbst.Revolution ja, aber bitte brav. Nochwurde kein Schaufenstereingeschlagen. Stattdessen fragt manhöflich, ob man am Ende derWerbekampagne die plakativenAussteller mitnehmen darf.Offensichtlich sind sie schon allevergeben.

14.Februar, 2012

Weder Eva noch Diva: OpelAdam

Schnell den Finger ausgestreckt unddann, mit einem Funken, schuf Gottden Menschen – just in time fürsWochenende. Glaubt man

Michelangelos Erschaffung Adams,dem Highlight der SixtinischenKapelle, so hat Gott die Welt schnellper Knopfdruck entstehen lassen.Über die Namen seiner Schöpfungenhat er bestimmt auch nicht langenachgedacht – denn am Anfang allerDinge standen sämtlicheTypenbezeichnungen zur freienVerfügung. Heute gibt man sich mitJoseph, Maria und allen Aposteln undHeiligen nicht mehr zufrieden, alleNamen sind bereits besetzt. Dudensgroßes Lexikon listet über 8.000Vornamen, das von Bertelsmann gut10.000. Die Zahl muss erst malverstanden werden: Für die deutsche

Sprache wird ein Grundwortschatzvon knapp über 1.000 Wörternermittelt, womit sich 90% aller Texteverstehen lassen. Die restlichen 10%machen den Qualitätsunterschied aus:Der „zentrale Wortschatz“ enthältnach Duden ca. 70.000, der gesamteWortschatz knapp 500.000 Begriffe.Kaum ein Mensch dürfte mehr als dieHälfte davon kennen. Zum Vergleich:Goethe nutzte nicht mehr als 90.000Worte. Mancher Markenführer solltevielleicht damit beginnen, den Sinnseiner Wortneuschöpfungen zuhinterfragen. Im Jahr 2010 wurdenallein in Deutschland 5.000Markennamen eingeführt,

international fast 40.000. Allein PhilipMorris hat 137 Kinder, währendFamilie Henkel mit knapp 3.000Namen als größte Familie der Weltgilt. Über eine halbe Million Markensind aktiv registriert, einMarkenvokabular so reichhaltig wieeine ganze Volkssprache. Zum Teilsogar deckungsgleich: Aus Winden,Pflanzen, Farben, Tieren, Städten,Früchten und sogar Meeresfrüchtensind Handelsmarken geworden. Nurmit den Vornamen klappt es nicht soganz. Früher galt als Galanterie,Frauen ein Produkt zu widmen:Mercedes von Daimler, Maria vonRosenthal, Isabella von Borgward,

Valentine von Olivetti. Kleine Mythen.Dagegen war der Edsel, genannt nachHenry Fords verstorbenem Sohn, einDesaster, und der Dino, genannt nachEnzo Ferraris verstorbenem Sohn, warlediglich eine vorübergehendeErscheinung. Von CorradoVolkswagen, einem Niedersachsensüdländischer Abstammung, will manzurecht nichts mehr wissen. Jetztaber! Deutschlands neuesterKleinwagen fährt vor: „Totalindividuell“, „komplett anders“,„super Ausstrahlung“, „voll cool“. SeinName: Opel, Adam Opel. Es mag alsGalanterie verstanden werden, dochvielmehr wundert es, dass man den

Namen des Firmengründersauferstehen lässt: Der bärtigeGlatzkopf Adam Opel starb drei Jahrevor der Produktion des erstenOpelwagens, dem er nie zugestimmthatte. Michelangelos Adam wäre keinbesseres Vorbild: Ein molligerAdoleszent, dem Charakter undTemperament noch fehlen.Michelangelo, der sich mit Anatomiebestens auskannte, malte demErbsünder den Kopf eines Buben unddas Geschlechtsorgan eines Säuglings.Nichts gegen Adam, doch seit demMittelalter hat er es nicht mehrgeschafft, in die Top 100 derbeliebtesten Vornamen aufgenommen

zu werden. Daher stand er zurVerfügung! Opel fabuliert trotzdem:Adam sei „kurz und gut“, „robust undtechnisch“, alles außer „altbacken“stattdessen „kreativer Vintage-Stil“.Vor allem aber, wird man Adam „nichtvergessen“. Stimmt, er ist ja ein guterWitz!

04. Juni, 2012

Sexy Patina: Heidi Klum

Deutschland feiert gerne. Nur mit derRente tut man sich schwer.Ausgerechnet über diesen sobedeutenden Moment im Leben einesMenschen schweigen die Lämmer.

2013 zum Beispiel, wäre die DeutscheMark, geboren 1948, Rentneringeworden – und keiner hat esbemerkt. Im Westen bekennt man sichungern zum Alter. Mercedes-Benz willmit der neuen A-Klasse und vielensportlichen Derivaten lieber jüngereLeute ansprechen als dieStammkundschaft. Schade eigentlich,denn Rentner sind reich und zahlreichvorhanden, nicht nur im Westen. InWundermärkten wie China, seitlangem durch die Einkindpolitikgeplagt, wird sich die 65+ Generationbis 2050 verdreifachen. So vielehundert Millionen Menschen wie sieselbst Daimler allein nicht bedienen

könnte. Die kulturellen Wurzeln vielerUnternehmen reichen noch zu tief injene supererotischen 80er Jahre, alsMarketing die Yuppies erfand. DieLitanei des pseudoreaktionärenMichael Houellebecq empfinden diejüngsten Babyboomer immer noch alsaktuell: „In der modernen Welt [d.h.heute] konnte man Swinger, bisexuell,transsexuell, Sodomit oder Sadomasosein, aber es war verboten, alt zusein“. Denn alt ist unsexy. Oderbesser: Alt sieht unsexy aus. KeineChirurgie, keine Chemie und auch keinautomobiles Facelifting kann dieverlorene Knackigkeit wiederherstellen. Für den französischen

Schriftsteller gibt es von daher keineandere Lösung, als mit 40 zu sterben –was natürlich nur im Buch und FilmSinn macht. Ein Perspektivenwechselwäre angebracht. Hinweise kommenausgerechnet aus deroberflächlichsten aller Branchen: Voreiner Woche erzählte der hübscheJustin Timberlake dem Magazin„Illustrierte“, dass er keine Angsthabe, Gesichtsfalten zu bekommen –wie einst schon sein Opa. Denmedialen Clou aber bietet Heidi Klum,die sich für ihre Halloween-Party alsRentnerin schminkt. Und zwar keinegeglättete Mumie aus Silikon undHartplastik, wie man sich eine

Nationalheidi im Rentenralter nachvielen Schönheitskorrekturenvorstellen würde, sondern eine echteOma-Heidi mit Krampfadern, Falten,Hautflecken und grauem Haar. Dafüraber mit strahlend schönen Augen.Nachdem Klum bereits als Vampir,Leichnam und Affe auftrat, mag ihrDebüt als Rentnerin als Beleidigungoder Ausdruck schlechten Geschmacksanmuten. Die hübsche Oma Heidierobert aber trotzdem die Catwalksund erinnert daran, dass – wenn manschon alt werden muss – auch AlteSpaß haben können. Und sogarschicke Rentnerautos fahren möchten.Bleibt zu klären, von welchem

Fabrikat, wenn alle plötzlich auf jungmachen.

04. November, 2011

Meinungsmacher: FacebookPaper

Eine Standardfrage imBewerbungsgespräch lautet: „Und,was lesen Sie sonst?“ Erzählen, wasman gerade oder vielleicht sogar

regelmäßig liest, dient nicht nur derAufmunterung, sondern liefert, so dieAnnahme, ein präziseres Bild desInterviewpartners. Den „Spiegel“ oderdie „Bild“? Der Fragestellung liegt dasuralte Verständnis zugrunde, dassman in der Gesellschaft zwei Gruppenunterscheiden kann: Leser undSchreiber. Genau genommen,entspricht dies der Unterteilung inProduzenten und Konsumenten –ganz egal, ob es sich um Bananenoder Texte handelt. DieMassenmedien sind ja auch einProdukt der Moderne. Mit dendampfgetriebenen Schnellpressen desThüringers Friedrich Koenig begann

die Times 1814 die Industrialisierungder Medien. Nachdem die Linotypedes Schwaben Ottmar Mergenthaler1886 bei der New York Timeseingesetzt wurde, begann Print 3.0 –die Auflage der Tageszeitungenverzehnfachte sich. Wo esMassenmedien gab, mussten dieMassen lesen und später sogarschreiben lernen. Hundert Jahrespäter liegt das Verhältnis inDeutschland bei einem Publizisten auf1.000 Einwohner – zur Beruhigung:Ärzte gibt es mehr als dreimal so viele.Lesen können vielleicht alle, dieWahrscheinlichkeit, imBewerbungsgespräch auf einen

Schreiber zu stoßen, liegt hingegen bei0,1%. Trotzdem ist die Standardfragenicht mehr angemessen. Gegenübereinem staunenden Professorenbehauptete ein Student neulich, erhabe bereits viel publiziert. Gemeintwar: im Internet. Online funktioniertdas Publizieren anders: Allein beiWikipedia sind mindestens so vieleAutoren ehrenamtlich tätig, wie esJournalisten in Deutschland gibt. Undwarum soll meine illustrierteUrlaubsreportage nicht gleich nebender vom National Geographicerscheinen? Warum „Deine Meinung“nicht mit der vom Handelsblatt-Kolumnisten konkurrieren? Facebook

hat dafür eine bemerkenswerte Appmit dem schmeichelhaften Namen„Paper“ entwickelt. Der Name istprovokative Mischung aus News-Paperund dem Paper einer akademischenKonferenz. Andererseits eineverblüffend intuitive, schöne,dynamische Art, die üblichenFacebook-Einträge wie journalistische„Stories“ erscheinen zu lassen. Vonden professionellen kaum zuunterscheiden. Mit Paper wird jederBürger ganz einfach zum Publizisten.Zunächst umsonst, später lässt sichvielleicht daraus ein Zuckerberg-Pulitzer machen. Die richtige Fragelautet ab jetzt: „Und, was schreiben

Sie sonst?“

23. Februar, 2014

Versteckspiel: Adidas Mi ZXFlux

In den 90ern galt „The Product is theHero“, und es soll Romantiker geben –darunter auch Marketeers undDesigner – die behaupten, die guten

alten Zeiten seien immer noch nichtvorbei. Eine Utopie, denn die 00erJahre machten den Menschen zumHelden – und sei es auch nur wegendessen mutiger Kauflust. Derprofessionelle Konsument wurde zumAutoprodukt: Hier ein Tattoo, dorteine Frisur, darüber Mode und dazudie passenden Accessoires machtenMr. und Mrs. Ego zum Unikat – oderzu des Superstars Imitat. Mit den10ern avanciert ein neuer Trend, derimmer sichtbarer wird – oder besser:unsichtbarer. Das Mensch-Produktverschmilzt mit der Umgebung. DasWerk des chinesischen Künstlers LiuBolin, bekannt als „Invisible Man“,

bringt den Widerspruch perfekt aufden Punkt. Der hyperaktiveSelbstdarsteller lässt seinen Körperund seine Kleider mit einer optischenTarnung bemalen und sofotografieren, bis der kleine Mann Teileines großen Ganzen wird. Stetspräsent und doch unsichtbar, vorSupermarktregalen, einem Bulldozer,Telefonzellen, einer Kanone, einerStadtmauer und, modisch, vor Handysund Automobilen. Seine Intentionbeschreibt Bolin so: Nicht in denHintergrund verschwinden zu wollen,sondern sich von der Umgebungfangen zu lassen. Das mimetischeVersteckspiel erscheint als endgültige

Möglichkeit, in einem Land mit siebenMilliarden egozentrischen Individuenein Bewusstsein des eigenen Ichs zuentwickeln und zu bewahren. Wie sohäufig der Fall, mag die künstlerischeBotschaft aus der chinesischenPerspektive politische Bedeutungtragen: Unsichtbarkeit als Mittel zurFreiheit. Aus westlicher Perspektivekreiert die Mimese eine neue Formvon Understatement, das sowohlfunktionale als auch ästhetischeDimensionen erweitert. In ihrerDiplomarbeit zur heimlichenPrivatisierung des öffentlichen Raumszeigte die Kölner DesignabsolventinLena Hirche unter anderem, wie viel

einfacher der Umgang mit einembanalen Gepäck-Trolley wird, der alsgrauer und verkratzter Stromkastenverkleidet wird. Der Reisende kann ihnunbeaufsichtigt auf der Straßeabstellen – und „nobody cares“. Eineweitere Möglichkeit bietet Adidas mitMi ZX Flux. Eine Smartphone-Appmacht es möglich, den Sneaker miteinem beliebigen Bild in beliebigerKomposition zu bedrucken. Zwar lässtdie App dem User alle Freiheit,trotzdem bedient sich Adidas in derKommunikation bewusst deskünstlerischen Ansatzes von Bolin:Das Markenprodukt verschwindet imHintergrund und damit der es

tragende Mensch. Das Soziale ist derHeld von morgen.

15. August, 2014

Last but not Least

In eigener Sache: TumminellisDesignkritik

Design wird oft auf einer Serviette

geboren. So ähnlich erblickte auchmeine Designkritik das Licht der Welt.Ich hatte einst das Vergnügen, mitHeinz-Werner Nienstedt zu dinierenund war schnell mit dem Chef derVerlagsgruppe Handelsblatt in einGespräch über Design verwickelt.Schließlich stellte Dr. Nienstedt dieFrage, ob ich gerne für die „form“schreiben würde – zeitweise gehörtedie traditionsreiche „Zeitschrift fürGestaltung“ den Düsseldorfern. Nicht,dass ich mich nicht geschmeicheltgefühlt hätte! Gestaltern Gestaltungzu erklären, fand ich allerdings nichtsonderlich spannend. AlsHerausforderung stellte ich mir

vielmehr vor, die Wirtschafts- undFinanzwelt mit Design zu verknüpfen.So kam es zu einem Mittagessen mitBernd Ziesemer. Mitbemerkenswertem Mut undfreundlichem Handschlag stellte derChefredeakteur des Handelsblatts mir,dem frisch importierten Italiener,einen redaktionellen Blankoscheck für„Deutschlands Wirtschafts- undFinanzzeitung“ aus (den neuenHandelsblatt-Claim kredenzte ich imGegenzug etwas später). Zu Beginnging es vor allem um DeutschlandsLieblingserzeugnis: das Auto. Diethematische Grenze wurde aberschnell ausgeweitet, was meinem

generalistischen undmultidisziplinären Ansatz vollkommenentspricht. In „TumminellisDesignkritik“ finden alle Dimensionendes Designs Platz: Theorien,Ansichten, Perspektiven zu Marken,Produkten, Konsum, Kultur, Lifestyle,Technologie und wie das alles auf dieMenschen einwirkt. Als GaborSteingart zum Handelsblatt kam, derals neuer Chefredakteur und späterHerausgeber entscheidendeErneuerungen einführen würde, warich nicht nur bereit, die Abschaffungunseres bereits in die Jahregekommenen Formats in Kauf zunehmen, vielmehr fühlte ich mich

durch Steingarts „Morning Briefing“inspiriert und die Designkritik wurde –wie ich rückblickend empfinde –kürzer und knackiger. Nach nunmehrgut vierhundert Kolumnen betrachteich es immer noch als einmaligesPrivileg, meine Meinung imHandelsblatt veröffentlichen zudürfen. Kritiker können eine starkeRückendeckung gut gebrauchen! MeinDank geht auch an die Ressortleiter(Dirk Heilmann, den unvergesslichenMarcello Berni, Christoph Hardt undWolfgang Reuter), an die gesamteRedaktion von „Unternehmen &Märkte“ sowie, last but not least, anProgrammdirektor Thorsten Giersch,

der „Design 2go“ blitzschnell in dieWege leitete – der Titel dürfteselbsterklärend sein. Die ausgewählteSammlung aus zehn JahrenDesignkritik, hier in restaurierterOriginalfassung, ist meinen Leserinnenund Lesern im Handelsblatt gewidmet.Für sie nur das Beste – oder ebenlieber nichts.

26. November, 2014

Über den Autor

Paolo Tumminelli, Direktor desGoodbrands Institute, wärmte sichmit dem Architekturstudium inMailand auf, sprintete ins Design,rutschte ins Marketing, raste durchdie strategische Markenberatung undlandete schließlich als Professor ander Fakultät für Kulturwissenschaftender Fachhochschule Köln. Dazwischenwar und ist er Publizist, Autor,Kurator, Moderator – oder auchKulturentertainer. Auf ganzpersönlicher Ebene berät erUnternehmer undUnternehmenslenker. Seine

Designkritik erscheint seit 2005wöchentlich im Handelsblatt.

Impressum

Design 2 Go

Paolo Tumminelli

published by: epubli GmbH, Berlin,www.epubli.de

Copyright: © 2014 Handelsblatt GmbH- ein Unternehmen der VerlagsgruppeHandelsblatt GmbH & Co. KG

ISBN: 978-3-7375-2131-4

Autor: Paolo Tumminelli,www.tumminelli.com

Lektorat: Susanne Dickel,[email protected]

Illustration: Kokaew Wongpichet,kokokokaew.tumblr.com