der verfälschte islam_yasar nuri ÖztÜrk

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  • Yasar Nuri ztrkDer verflschte Islam

  • Die Wahrheit ist von deinem Herrn,sei darum keiner der Zweifler!

    Koran, Sure 2, Vers 147 und Sure 3, Vers 60

  • Yasar Nuri ztrk

    Der verflschte Islam

    Aus dem Trkischen von

    Nevfel Cumart

    Grupello Verlag

  • Das Auge liest mit schne Bcher fr kluge LeserBesuchen Sie uns im Internet unter

    www.grupello.de

    1. Auflage 2007

    by Grupello VerlagSchwerinstr. 55 40476 Dsseldorf

    Tel.: 0211498 10 10 Fax: 0211498 01 83Druck: Mller, Grevenbroich

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN 978-3-89978-062-8

  • Inhalt

    Einleitung 7

    Teil 1: Fundamentale Degenerationserscheinungen 9

    Aberglaube: Den Unsinn zur Religion machen 9Die Erweiterung der Religion um erfundene Bestandteile 12Politische Instrumentalisierung: Das Grundbel der Religion 14Die Vergttlichung des Menschen 19

    Teil 2: Degenerationserscheinungen thematisch gegliedert 22

    Wie ist die rituelle Waschung vorzunehmen? 22Alkohol und Drogen 25Ist Arabisch eine heilige Sprache? 29Sind die Araber ein heiliges Volk? 33Wer gelangt ins Paradies? 36Wie der Begriff vom Heiligen Krieg verflscht wurde 38Von wem ergreifen Dschinnen Besitz? 42Wie ist das Freitagsgebet vorzunehmen? 42Das Schlachtfeld oder die Heimat der anderen 45Ist Geburtenkontrolle verboten? 48Wie soll man beten? 51Ist es geboten, einem Dieb die Hand abzuschneiden? 56Welches Fleisch ist rituell erlaubt? 59Ge- und Verbote beim Gebrauch von bestimmten Gegenstnden 62Darf der Gebetsruf zur Belstigung fr andere werden? 66Gibt es heilige Nchte im Islam? 69Die Schnen Knste oder

    die Erscheinungsformen der Glckseligkeit 69Wie mu die Wallfahrt (Hadsch) durchgefhrt werden? 73Wie das Wort Souvernitt

    in seiner Bedeutung verflscht wurde 76

  • Die Ablseproblematik: Der Kalif und das Kalifat 82Haben gttliche Eingebungen und Trume Beweiskraft? 86Wissenschaftsfeindlichkeit zur Religion machen 90Hat man nicht die Freiheit, die Religion zu wechseln? 93Was der Islam gebietet oder was einen Muslim auszeichnet 97Grber drfen keine Tempel werden! 98Orientalischer Fatalismus und der Koran 101Wie die Frauen ihrer Rechte beraubt wurden 104Von der Nachbarschaft 119Vom Lesen und von der Lektre des Korans 119Leben nehmen ein Gottesdienst? ber das Opfern 127Der Glaube an die Erlsung und der Messianismus 130Wie hat eine echte Gebetssttte auszusehen? 132Wenn Bekenntnisgruppen (Rechtsschulen)

    zu Religionsgemeinschaften gemacht werden fi 137Wie soll man das rituelle Pflichtgebet ausfhren? 141Sind Menschen, die nicht beten, zu bestrafen? 142Die Trauung zivilrechtlicher Vertrag oder Gottesdienst? 145Wie man fasten soll 146Propheten und Prophetengabe 148Steinigung ein Bestandteil des Islams? 155Sind die Weggefhrten

    des Propheten Muhammed bermenschen? 157ber die Form des Grues 162Sunna oder arabische Sitten und Gebruche? 163Die Scharia was sie ist und was sie nicht ist 170Vielgtterei und Polytheismus 171

    Register 181Anmerkungen des bersetzers 190Zum Autor / bersetzer 191

  • Einleitung

    Dieses Buch ist eine fr Leser im Westen erstellte Kurzfassungmeiner im trkischen Original mehr als 600 Seiten umfassendenkritischen Betrachtung zur Geschichte des Islams, die sich aufden Koran und wissenschaftliche Erkenntnisse sttzt. Das Origi-nalwerk wurde erstmals im Jahr 2000 publiziert, stand fr Monateauf den Bestsellerlisten der Trkei und erlebte in kurzer Zeit mehrals zehn Auflagen. Die vorliegende Ausgabe ist eine gekrzte Zu-sammenfassung der 14. Auflage des Originals.

    In dieser Fassung meines Werkes werden Phnomene nur inihrer trkeispezifischen Ausprgung behandelt. Zudem mute ichauf Details und eine weiterfhrende wissenschaftliche Errterungverzichten.

    Das Werk besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden vierGrundbegriffe vorgestellt, die Degenerationserscheinungen imIslam verkrpern: Aberglaube, Hresie, Politisierung und Vergtt-lichung.

    Im zweiten Teil werden in alphabetischer Reihenfolge etwa 50Begriffe aus den Bereichen Aberglaube, Hresie und Verfl-schungen errtert. Bei der Behandlung dieser Begriffe wurdezwangslufig auch auf weitere, damit nur indirekt zusammenhn-gende Begriffe eingegangen. Nicht alle konnten daher in das In-haltsverzeichnis aufgenommen werden. Daher bitte ich die Leser,nicht vorschnell zu folgern, ein von ihnen gesuchter Begriff seinicht bercksichtigt worden, sondern zunchst einen Blick in dasRegister im Anhang zu werfen. Sie werden erkennen, da eineganze Reihe von Begriffen, die nicht im thematisch gegliedertenInhaltsverzeichnis auftauchen, dennoch Erwhnung finden.

    Aberglubische und hretische Vorstellungen sind durch Kursi-vierung gekennzeichnet. Jede so gekennzeichnete Zeile ist eineUmschreibung eines Aberglaubens oder einer hretischen Vor-stellung, zusammen gelesen ergeben sie eine Kurzfassung diesesBuches.

    Aus Platzgrnden wurde ein groer Teil der erwhnten Koran-verse nicht im Volltext, sondern mit Angabe der Suren- und Vers-

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  • nummer zitiert. Zum besseren Verstndnis ist es deshalb ratsam,bei der Lektre eine Koranbertragung zum Nachschlagen bereit-zuhalten.

    In der Hoffnung, mit diesem Buch einen ntzlichen Beitraggeliefert zu haben, bedanke ich mich bei allen meinen Freundenfr ihre Hilfe und Untersttzung.

    Prof. Dr. Yasar Nuri ztrk

  • Teil 1: FundamentaleDegenerationserscheinungen

    Aberglaube: Den Unsinn zur Religion machen

    Der Aberglaube als eine Erscheinungsform der Dummheit, derMutter allen bels, ist die heimtckische, giftige Basissubstanz frDegenerationserscheinungen im Islam. ber Jahrhunderte hinwegist es niemandem gelungen, diesen Virus unschdlich zu machen,der wie eine ansteckende Krankheit ganze Volksmassen beflltund in Verwirrung versetzt.

    Der Aberglaube hat seine ltesten Wurzeln im Judentum. Auchim Christentum wurzelt er tief. Die jdisch-christliche Tradition istin gewisser Hinsicht eine Tradition des Aberglaubens. Vom bsenBlick bis zum Amulett, von der Wahrsagerei zur Geisterbeschw-rung, vom Zhlen der Engelsschwingen bis zur Teufelsaustrei-bung, hat sie allen nur denkbaren Aberglauben hervorgebracht.

    Der muslimische Kulturkreis bernahm aberglubische Vor-stellungen (in der trkischsprachigen islamischen Literatur werdendiese unter dem Begriff Israiliyt zusammengefat) zunchst ausdem Judentum, spter wurden christliche, sassanidische, indische,hellenistische Vorstellungen adaptiert, diese schlielich mit tr-kisch-schamanistischen Elementen angereichert und zu etwas ver-mengt, das einem Ozean des Aberglaubens gleicht.

    Frei erfundene Hadithe wirken verheerend und bilden dasRckgrat des Aberglaubens. Sie instrumentalisieren den Prophe-ten. Ein groer Teil dessen, was unter dem Namen Hadith und imNamen des Islams als anerkannter Glaubenssatz inszeniert wird,speist mittel- oder unmittelbar den Aberglauben. Diese Glaubens-stze konstituieren einen konkurrierenden Glauben zur kora-nischen Religion und strzen die Muslime vor den Augen derWeltffentlichkeit in unfabare Schwierigkeiten und Erklrungs-nte.

    Diese Entwicklung brachte zudem die Unsitte der Ordensbru-derschaften hervor, die eine Brcke zur Politik und zur Unwissen-heit bilden.

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  • Was ist Aberglaube, und was bedeutet Okkultismus? Aberglau-be, im Trkischen Hurafe, ist ein Wort arabischen Ursprungs undbedeutet das irrefhrende, zugleich aber attraktive Wort, das demVerstand und der Realitt widerspricht. Ibn Manzr (gestorben711 H. / 1311 n. Chr.), ein Meister der arabischen Sprache, hat denAberglauben als die se Variante der Lge bezeichnet (Lisnl-Arab, Art. H.R.F.).

    Trotz aller inneren Widersprchlichkeiten hat also der Aber-glaube fr jenen, der ihm sein Ohr schenkt, etwas Anziehendes.Der Aberglaube lebt von der dem Menschen eigenen unfabarenTorheit, sich trostsuchend vom sen Worte betrgen zu lassen.

    Unter Aberglaube, englisch superstition, abgeleitet vom lateini-schen superstiti, versteht man im Westen gemeinhin alogische,unfundierte, sinnlose, irrefhrende, magische Glaubensvorstellun-gen und Gebruche. Dieser Ausdruck bezeichnet zugleich die irra-tionalen Vorstellungen, die aus den Sitten und Gebruchen derVorfahren abgeleitet werden (vgl. auch Websters International Dic-tionary). Dem berhmten franzsischen Wrterbuch Larousse zu-folge stellen unautorisierte, widersinnige Zwnge ein grundlegen-des Element des Aberglaubens dar.

    Dieser Begriff umfat also auch den berlieferten Volksglaubender Vorfahren. Die bertragung althergebrachter Riten in eineneue Religion ist ein wichtiger Bestandteil des Aberglaubens. Andieser Stelle sei an rund 50 Koranverse erinnert, die es als heidni-sches Tun brandmarken, altvterliche Glaubensvorstellungen alsunantastbar darzustellen.

    Es ist schwer, eine allseits befriedigende wissenschaftliche Defi-nition des Aberglaubens zu geben. Denn er gehrt zu den Begrif-fen, die uns in vielen Erscheinungsformen begegnen. Er kann inganz unterschiedlichen Ausprgungen erscheinen, je nach Zeital-ter, Gesellschaft, Hautfarbe oder Rasse, abweichend sogar vonPerson zu Person. Immer liegt ihm ein Gerst aus Wissenschafts-feindlichkeit, Unvernunft und dem Entbehren jeglicher Logik zu-grunde. Die Ausbung aberglubischer Riten soviel scheint klar ist eine der unvernderlichen Schwchen des Wesens, das manMensch nennt.

    Im Koran kommt das arabische Wort Khurfa fr Aberglaubenicht vor. Allerdings enthlt der Koran Begriffe, die die gleiche undeine hnliche Bedeutung haben. Diese wurden in der trkischenOriginalfassung dieses Buches eingehend erlutert. An dieser Stellesollen nur zwei Aspekte hervorgehoben werden: Der Terminus

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  • erdichtete Berichte erscheint im letzten Vers der zwlften Koran-sure und wird gebraucht, um deutlich zu machen, da der Koranfrei davon ist. Dieser Vers lehrt, da der Koran frei von erfundenenErzhlungen ist, und er ist zugleich eine Warnung vor den Verhee-rungen, die in der koranischen Religion vom Aberglauben ausgehenknnten, wenn berlieferungen erdichtet werden.

    In etwa 50 Versen lehrt der Koran, da die Verehrung der Ge-bruche der Vorfahren Ausdruck von Vielgtterei ist und eine derQuellen fr den Aberglauben darstellt. Praktizierter Aberglaube istein Auswuchs von Ungelehrtheit und Unbelesenheit, die den Men-schen zum Gefangenen der Gebeine seiner Ahnen werden lt, in-dem er ihn abstumpft und blind macht. Der Koran klrt uns dar-ber auf, da die Lsung des Problems nicht mit irrigen, unsinnigenRiten und Behauptungen, sondern mit Hilfe des Buches, des Wis-sens und des Handelns zu erlangen sein wird (vgl. Sure 4, Vers 123).

    Die Verfhrungskraft des Teufels beruht auf aberglubischenHandlungen, die nichts sind als Gespinste und irrige Behauptun-gen. Mit seinen Versprechungen verfhrt der Teufel die Menschen,Worte auszusprechen, deren Bedeutung sie selbst nicht kennen. Erbringt die Menschen dazu, an nicht existente Dinge zu glauben,und sorgt so dafr, da sie sich ihm verschreiben (vgl. Sure 4, Vers120). brigens hat der Teufel Gott gegenber offen bekundet, daer die Menschen durch Aberglauben, Fabelgeschichten und jegli-chen Sinn entbehrende Worthlsen an sich bindet: Und sie in dieIrre fhren und sie lstern machen und ihnen befehlen, da sieden Tieren die Ohren aufschlitzen, und ihnen befehlen, die Schp-fung Allahs zu verndern. (vgl. Sure 4, Vers 119).

    Nicht aberglubische Floskeln, von Geistlichen ersonnen, umsich in den Vordergrund zu spielen, sondern nur selbst vollbrachtegute Taten werden dem Menschen den Weg ins Paradies bereiten(vgl. Sure 2, Vers 111).

    Auch sind es die aberglubischen Praktiken, die den Menschenin die Irre fhren und in tausenderlei Unheil strzen. Der Aber-glaube trgt den Menschen und bereitet ihm seinen Untergang und belt ihn obendrein in dem Glauben, er diene Gott, nur Ihm.Das Bedrckendste daran ist, da der Mensch um Allah betrogenwird. Der Koran betont diesen Betrug ausdrcklich (vgl. Sure 35,Vers 5 sowie Sure 57 Vers 14).

    Ich versuche Aberglaube im Licht der bis hierhin angefhrtenInformationen und in Auslegung des Korans wie folgt einzugren-zen: Aberglaube ist der Oberbegriff fr alle Denk- und Herange-

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  • hensweisen, Thesen, Praktiken und Haltungen, die den Naturge-setzen, der Wissenschaft, der Vernunft und der gttlichen Offenba-rung widersprechen und die berwiegend auf von den Vorvternbernommene Gebruche zurckgehen.

    Die Erweiterung der Religion um erfundene Bestandteile

    In der islamischen Literatur nennt man einen der Religion hinzu-gefgten Bestandteil Bidat, das ist der allgemeine Begriff fr Glau-bensstze und religise Vorschriften, die nach dem Tode ihresPropheten einer Religion zustzlich angefgt werden. Vers 27 derSure 57 lehrt uns die Beschaffenheit unerwnschter Neuerungen:1. Neuerungen knnen mit der Intention ersonnen werden, GottesWohlgefallen zu erlangen. Dies ndert nichts daran, da es sichum hinzugefgte Neuerungen handelt. 2. Selbst diejenigen, dieeine Neuerung ersonnen haben, sind ber kurz oder lang gezwun-gen, diese abzulehnen.

    Der Koran mibilligt unerwnschte Neuerungen, indem er auffolgendes hinweist: Im echten Islam sind weder der Prophet nochseine Begriffe und seine Institutionen Erfindungen. Wer dem etwashinzufgt, was der Koran als Religion definiert, kreiert eine erfun-dene Religion. Die vollstndige, zur Vollkommenheit gelangteReligion, die Islam heit (Sure 5, Vers 3), bedarf keiner erfundenenPersonen, Institutionen oder Begriffe. Aus welcher Motivationheraus auch immer wer sich anschickt, die Religion durch Neue-rungen zu ergnzen, betreibt Ketzerei.

    Die Definiion der unerwnschten Hinzufgung (Bidat) desgroen Sprachwissenschaftlers Mtercim sm Efendi (gestorben1819 n. Chr.) vereint koranische Details mit philologischenBestandteilen auf sehr schne Weise. Er umschreibt den Begrifffolgendermaen: Damit bezeichnet man eine Sache, die in einerReligion auftaucht, nachdem diese schon ihre Vollendung erlangthat. Einer Lehrmeinung nach hingegen Bestandteile, die in einerReligion erst nach dem Auftreten ihres Propheten auftauchen.Hufiger ist die Verwendung fr das Weglassen und Hinzufgenvon Glaubensstzen in einer Religion.

    Ebenso rckt Ibn Manzr (gestorben 711 H. / 1311 n. Chr.), derAltmeister der arabischen Sprache, das Merkmal Vollendung derReligion ins Zentrum seiner Definition. Ihnen zufolge ist Bidateine erfundene Sache, die in einer Religion auftaucht, nach dem

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  • diese ihre Vollkommenheit schon erlangt hat (vgl. den betreffen-den Artikel in: Lisnl-Arab).

    Der Begriff Bidat bezeichnet also den Vorgang, offenbarte Glau-bensstze, religise Vorschriften und Riten zu ergnzen oder umBestandteile zu reduzieren. Es geht hierbei um einen Kernbereichder Religion, und es ist falsch, den Begriff auf Neuerungen in an-deren Lebensbereichen zu beziehen. Selbst Neuerungen im Bereichder Auslegung der Religion fallen nicht unter diesen Begriff. Umvon Bidat sprechen zu knnen, mu es sich um Ergnzungen imKernbereich der Religion handeln Deformationen, die aus Inter-ventionen in den Bereich des Gttlichen resultieren. Bidat ist et-was, das als Teil der Religion propagiert wird, das aber nicht inder Religion, die Allah offenbart hat, vorhanden ist.

    Von daher rechnen wir beispielsweise die Omaijaden, die denursprnglichen Islam mit heidnischen arabischen Traditionen ver-mischt haben, zu den Vtern der Produktion unerwnschter Neue-rungen. Al b. Ab Tlib (gestorben 41 H. / 661 n Chr.), Vetter undSchwiegersohn des Propheten und der vierte rechtgeleitete Kalif,erklrte, als die Omaijaden, die zur Verflschung des Islams bei-getragen haben, erwhnt wurden: Sie tauchten ein ins Meer derZwietracht und versanken darin, mit Annahme der unerwnsch-ten Neuerungen (Bidat) verlieen sie den Pfad des Propheten(Nehcl-Belaga, Predigt 154).

    Neuerungen, die auerhalb des Kernbereichs der Religion ange-siedelt sind, fallen nicht unter den Begriff Bidat. Der iranischeGelehrte Bkir, ein Mann, der das Thema Neuerungen am tref-fendsten beschrieben hat, erlutert: Eine unerwnschte Neuerung(Bidat) ist ein Thema bei Angelegenheiten, die der Exegese vor-behalten sind, nicht jedoch bei Sitten und Gebruchen, zu denen eskeine religisen Vorschriften gibt. Frher schrieb man mit demKiel, heute schreibt man mit dem Computer. Dies hat nichts mitunerwnschter Neuerung zu tun (vgl. Bkir, S. 69).

    Fr Muslime existiert das Problem der unerwnschten Neue-rungen im Grunde nicht. Denn der Koran ist die einzige Quelle desIslams. Alle anderen Quellen sind nicht religiser Natur, sondernQuellen der Religionsgeschichte.

    Bedauerlicherweise haben die meisten Autoren, die sich imLaufe der Jahrhunderte mit diesem Thema befat haben, den Be-griff Bidat als Sache, die im Widerspruch zu den Konventionender Frheren steht ausgelegt und so unter dem Vorwand, uner-wnschte Neuerungen zu bekmpfen, letztendlich nur weitere,

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  • noch fatalere Neuerungen hervorgebracht. In der Aufwertung je-ner Bruche, mit denen wir unter der Bezeichnung Sunna konfron-tiert sind, zu Bestandteilen der Religion wird der Schaden deutlich,der durch die Kategorie des Bidat angerichtet worden ist. Wirmssen erkennen, da selbst die fhigsten Kpfe in diesem Punktauf Abwege geraten sind dem Alten so verhaftet, da sie esmanchmal in Kauf nahmen, ihre eigenen Mastbe zu verraten.Dabei rckten sie die arabisch-omaijadischen Sitten in den Vorder-grund, die man als Quelle der fatalsten unerwnschten Neuerun-gen bezeichnen kann. Und man schmckte sie noch mit dem Eti-kett: Im Sinne der Gefhrten des Propheten, so, wie es die Altvor-deren praktizierten.

    Das schlimmste an solcherlei unerwnschten Neuerungen, dieim Islam durch Hinzufgung oder Weglassen vorgenommen wer-den, ist jedoch die Begrndung, sie erfolgten doch nur zu unseremBesten. Diesem scheinbar guten Willen ist es zu verdanken, daunerwnschte Neuerungen in der Gesellschaft Anklang finden,sich eine Degenerationserscheinung still und leise verbreitet undnicht der Religion zuzurechnende Sitten, Gebruche und Gewohn-heiten in den Stand der Religion erhoben werden. Es ist festzuhal-ten, da solche Neuerungen in den meisten Fllen durch Hinzuf-gungen erfolgt sind und diese zumeist den Gottesdienst betreffen.

    Politische Instrumentalisierung: Das Grundbel der Religion

    Die politische Instrumentalisierung ist eine Erscheinung richti-ger, eines der Grundbel nicht nur des Islams, sondern auchanderer Religionen. Politisierung heit, die Religion zum Mittelpolitischer Erfolge und Interessen zu machen: Politik- und Sulta-natsfrmmelei knnte man es auch nennen. Auf derartige Defor-mationserscheinungen im Islam gehe ich hier nur kurz ein, denndiesem Thema habe ich ein eigenes Buch mit dem Titel Allah ileAldatma (Betrug mit Allah) gewidmet.

    Da die Religion zu politischen Zwecken mibraucht wurde,gehrt zu den grausamsten Kapiteln der Geschichte. Nicht nur,da unfabare Grausamkeiten gegen eine Vielzahl von Menschenbegangen wurden, dies hat auch dazu beigetragen, da zahlreicheachtbare Menschen sich von ihrer Religion abgewandt und gegenGott und die Religion aufgelehnt haben. Denn sie muten ange-sichts derartiger Widersprchlichkeiten und Frevel zwangslufig

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  • zu dem Schlu gelangen, wenn dies Religion sein soll, dann willich damit nichts zu tun haben.

    Zunchst sind die arglistigsten Akteure in der politisierendenGeistlichkeit zu suchen. Denn sie pflastern den Weg des Menschenzum Glck mit Dornen, indem sie die Religion, eine Institution derLiebe zum Mitmenschen, der Brderlichkeit und der Barmherzig-keit zu einem Werkzeug ihrer unstillbaren Gier umfunktionieren.Sie sind zugleich niedertrchtig, denn sie betrgen Schutzbefohle-ne, die sich ihnen arglosen Herzens, jeglicher Notwendigkeit zurVerteidigung unbewut, anvertraut haben. Und ihre Protagonistenlassen sich die von ihnen ersonnene Tyrannei auch noch von denOpfern ihrer Grausamkeiten finanzieren. Da der Betrug unter Be-rufung auf Gott geschieht, knnen die hinters Licht gefhrten Mas-sen nicht erkennen, worum es geht. So legen die Betrogenen denBetrgern alles, was sie haben, zu Fen, und tun dies, zu allemUnglck, im Bewutsein, da sie gottgefllig handeln. Keinmenschliches Vergehen ist daher so niedertrchtig und von soverheerender Wirkung, wie dieses.

    Wie hat die politisierende Geistlichkeit diese Degeneration derReligion vollbracht? Die beste Antwort findet sich in der Geschich-te der Inquisition und in der Geschichte der arabischen Omaija-den-Dynastie. Dies sei ein wenig nher erlutert. Den gttlichenWillen, Kern der Religion, durch den menschlichen Willen zu er-setzen, ist unabdingbar fr den Erfolg der politisierenden Geist-lichkeit. Ohne diesen Tausch zu vollziehen wre kein begangenerFehler, keine begangene Snde geeignet, eine Degeneration derReligion zu begrnden. Die politisierende Geistlichkeit ist sichbewut, da man ohne die Ersetzung des gttlichen durch denmenschlichen Willen Religion nicht zum Werkzeug politischerInteressen machen kann.

    In der Religion bedingt diese Ersetzung zunchst, die Prophetenihrer moralischen Leitbildfunktion zu entkleiden. Der Prophetwird zu diesem Zweck in eine jenseitige Existenz verwandelt, dieber den Wolken Heil und religisen Enthusiasmus verbreitet. ImChristentum hat dies Paulus vollbracht, der sich nach dem Todedes Propheten Jesus zum Christentum bekannte. Paulus selbstnahm auf Erden die Stelle von Jesus ein, den er vergttlichte undin den Himmel entsandte und damit das Christentum von seinerrein auf Jesus bezogenen Struktur entfremdete.

    Der in himmlische Sphren entsandte Prophet hinterlt aufErden nur ein auf uerlichkeiten bezogenes Leitbild: Abbilder

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  • der Zeit, in der er lebte, wie etwa Kleidung und Tracht der Gesell-schaft, aus der er hervorging, deren Alltagssitten und Gebrucheund dergleichen. An diesem Punkt angelangt, verliert der Prophetseine moralische Leitbildfunktion und degeneriert zu einer ArtFilmheld. Er wird auf die Stufe des religisen Romantikers redu-ziert und verliert damit jegliche Inspirationskraft zu schpfe-rischem Willen und Handeln.

    Auch der Islam hat in seiner Geschichte den Weg des Pauluseingeschlagen. Muhammed, den der Koran wieder und wieder alsmenschlich bezeichnet und zu einem nacheifernswerten undlebbaren Vorbild machen wollte, wurde in einen derart ber-menschlichen Stand erhoben, da man es nicht dabei belie, nurseinen Bart, seine Fingerngel und seine Kleider, sondern berdiesauch noch seine Ausscheidungen zum Fetisch zu erklren. Ja, wirmuten erleben, da einige von denen, die behaupteten, seine Er-habenheit zu preisen, die Ausscheidungen des Propheten als hei-lige Exkremente (gita-i serife) bezeichnet haben. Ein Mensch,dessen Ausscheidungen man als heilig verehrt, verliert seineVorbildfunktion fr die Massen, wird nur noch aus groer Distanzverehrt. Denn aus dem koranischen menschlichen GesandtenGottes wurde ein engelsgleicher Prophet der Vielgtterei (vgl.die Fragen hierzu in den Versen 7 bis 9 der Sure 25).

    Wird der Prophet berhht zu einem engelsgleichen GesandtenGottes und verliert er seine Vorbildhaftigkeit, so bedarf es seinerErsetzung durch Figuren, die mit den Rechten des Propheten aus-gestattet sind, denen man nacheifern kann; und so wird die Krea-tion derartiger Vorbilder zu einem Mu. Personen, die in religiserHinsicht nicht in Frage gestellt werden drfen, die nicht kritisier-bar, unantastbar und unfehlbar sind: Priester, Kardinle, Ppste,Rabbiner, Ordensoberhupter, Scheiche, Nachkommen des Pro-pheten oder hnliche geistliche Wrdentrger fi

    Dann schafft man ein Pantheon der unantastbaren Geistlich-keit, indem man Personen, die sich gegen die Gebote und Kon-ventionen dieser Herren auflehnen, als auerhalb der religisenGemeinschaft stehend denunziert. Um die von diesem Pantheonverkndete Lehrmeinung mit der Aura der Unantastbarkeit zuversehen, hat man in der islamischen Geistesgeschichte folgendeformelhafte Redewendung sakrisiert: In dieser Rechtsangelegen-heit ist das letzte Wort gesprochen. Oder anders gesagt: Das Torder selbstndigen Urteilsfindung ist geschlossen (Itihat kapskapanmstr). Sinn und Zweck dieser Formel war es im Grunde,

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  • denkende und aufgrund dieser Eigenschaft zur Kritik fhige Perso-nen am Auftreten zu hindern und damit den Fortbestand der Herr-schaft des erwhnten Pantheons abzusichern. Darin manifestiertsich das genaue Gegenteil der koranischen Aufforderung Ge-horcht! in Vers 104 der Sure 2.

    Das arabische Omaijaden-Sultanat war es, das dieser Aufleh-nung den Weg gebahnt hat. Hunderte von Geboten und Lehrmei-nungen, die in diametralem Gegensatz zum Koran stehen, findensich in den dogmatischen Schriften rechtswissenschaftlicher, exege-tischer, berliefernder Natur ja, selbst in theologischen Manifesten, die durch die Hetze der Omaijaden-Dynastie und ihre Suggestionzustande kamen. Es grenzt an eine Gegenrevolution, die sie damitvollbracht haben, geradezu eine Konkurrenzreligion zum Islam.

    Es ist bezeichnend, da diese von den Omaijaden nach den Lau-nen des Leibhaftigen konstruierten, mit dem Koran unvereinbarenFeststellungen der politisierenden Geistlichkeit zu allen ZeitenProviant und Rckhalt geliefert haben. Von daher betrachtet derzeitgenssische politische Islam es als seine Existenzgrundlage, dieseScheinreligion mit all ihren Termini und Institutionen am Leben zuhalten. Und man bezichtigt die Gegner dieser Scheinreligion derHresie, des Reformismus und der Zerstrung der Religion.

    Im Rahmen der Sultanatsfrmmelei wurde das Staatsoberhauptmit Sanktionsbefugnissen ausgestattet, Personen, die es fr be-denklich hielt, auf Linie zu bringen: institutionalisiert unter derBezeichnung Tadel bzw. unter dem trkischen Begriff arabischerHerkunft tazr. In diesem Wort schwingen die Bedeutungen er-ziehen, Aufmerksamkeit erzwingen, Manahmen ergreifenmit. In der Frhzeit beinhaltete dies Sanktionen wie Prgel undKerkerhaft. Spter, als die Widerstnde gegen die Herrschaftspra-xis zunahmen, wurden die Sanktionsbefugnisse bis hin zur Ver-bannung und Hinrichtung ausgeweitet bis dann eines Tages dasjeweilige Staatsoberhaupt (der oberste Imam, Kalif oder der Sul-tan) jedem, den er fr das Sultanat fr bedenklich erachtete, ohneAnhrung und ohne Untersuchung mit einem Befehl das Lebennehmen lassen konnte. Mord aus politischen Grnden, eine In-stitution in der osmanischen Gesellschaftsordnung, war nichts alsdie Folgeerscheinung dieser mit dem Begriff Tadel (tazr) be-zeichneten Sanktionseinrichtung.

    Unter dem Begriff Tadel (Mord aus politischen Grnden inihrer osmanischen Variante) wurden im Namen von Recht undOrdnung im Lauf der Geschichte die grten Verbrechen und Fre-

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  • veltaten in Auftrag gegeben und ausgefhrt. Hunderte, tausendeMenschen, darunter Suglinge, sind mit der Begrndung, sieknnten eine Gefahr fr Staat und Gesellschaftsordnung darstel-len, hingemetzelt worden. Ihre einzige Schuld bestand darin,da der Sultan oder Kalif sie als fr den Staat oder das Sultanatbedenklich eingestuft hatte. Allein auf diesen Verdacht hin sindMtter, Kinder und Vter hingerichtet worden. Auf 43 beluft sichdie Zahl der Staatsmnner, die den Rang eines Growesirs beklei-deten und einem Mord aus politischen Grnden zum Opfer fielen:23 ohne Abberufung, 20 nach Entlassung aus ihrem Amt. SelbstPersonen vom Range eines Scheich l-Islam, des obersten Rechts-gelehrten, sind hingerichtet worden.

    Mord aus politischen Grnden, das war zunchst die Hinrich-tung der Schuldigen, dann der potentiell Schuldigen und schlie-lich derer, denen imaginre Schuld angeheftet wurde. Alles mitder Begrndung: die Staatsrson fi Wenn der Sultan es so befun-den und vollzogen hat, liegt Heil darin, wird es seine Richtigkeithaben, und es verbietet sich, nachzufragen.

    Der politische Islam arbeitet mit ganzer Kraft daran, da dieseAuffassung als Religion interpretiert und lebendig bleiben kann. Erwei nur zu gut, da es nach Aufhebung dieser Regelwerke undKonventionen in unserer heutigen Welt unmglich sein wrde,diese durch neu geschaffene Konventionen und Regelwerke zuersetzen. Daher mssen sie am Leben gehalten werden. Und un-weigerlich mu man diese und ihre Schpfer als unantastbar, hei-lig, zeitlos und unberwindbar postulieren.

    Im Laufe der Geschichte hat der politische Islam (bzw. die Sul-tanatsfrmmelei) all die von ihm an den Tag gelegten beltaten,all seinen Hader, all seine Verderbtheiten mit der Floskel Wirhandelten zu Gottes Wohlgefallen, daher sind wir frei von jederSchuld entschuldigt. Mit Hilfe dieser Haltung hat der politischeIslam die Religion die doch eine universelle Institution der Nch-stenliebe sein sollte in eine politische Herrschaftsideologie ver-wandelt.

    Der Erfolg der politisierenden Geistlichkeit und ihrer Auslufer,der politischen islamischen Strmungen, beruht berdies darauf,da sie, um ihre politischen Gegner auszuschalten und sich selbstin den Vordergrund zu spielen, die Religion zu einem Werkzeugder Unterdrckung, Manipulation und Knebelung umfunktionierthaben. In der politisierenden Geistlichkeit begngt man sich nichtmit simplen politischen Erfolgen; man verwendet religise Werte

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  • als Waffe gegen andere und bringt sie damit zum Schweigen. DieDenunziation ihrer Gegner als Unglubige und ihre Verleumdungim Namen der Religion sind daher das wertvollste Kapital in denHnden der politischen Geistlichkeit.

    Eines noch sei ergnzt: In der politischen Geistlichkeit ist mankeineswegs darber beunruhigt, da religise Werte und Glau-bensvorstellungen zugunsten politischer Interessen beschdigtoder gar geopfert werden. Zur Durchsetzung seiner politischenInteressen kann der politische Geistliche Busenfreundschaft mitLeuten schlieen, die keine Spur mit Glaube und Religion zu tunhaben, und kann zugleich demjenigen spinnefeind sein, der dieedelsten religisen Werte vertritt, ihm aber politische Unterstt-zung verweigert. Das Wesen des politischen Geistlichen tritt imAlltag und in seinem Verhalten darin zutage, da er nicht zumWohlgefallen Gottes und aus Respekt zu Religion, sondern auf-grund von politischen Berechnungen und Interessen agiert.

    Die grte Bedrckung der Menschheit resultiert seit jeher ausder Verflschung der Religion zu einer politischen Ideologie undderen Instrumentalisierung zum Betrug der Volksmassen auchheute noch. Eine Schande von der ich glaube, da sie die von derMenschheit am schwersten auszumerzende ist.

    Die Vergttlichung des Menschen

    Menschen zu vergttlichen ist dem Koran nach die grte Snde, dieder Mensch im Namen der Religion begehen kann. Trotzdem istgegen dieses koranische Verbot im Verlauf der Geschichte des Islamsleider immer wieder verstoen worden. Es sind Hunderte Geistliche,Knige, Sultane oder Staatsoberhupter vergttlicht worden, indemman sie heilig gesprochen und fr unantastbar erklrt hat. DieseTradition, die im Gegensatz zu den Aussagen des Korans steht, lebtin Abwandlungen fort und ist auch im Vorderen Orient unsererZeiten noch zu beobachten: Saddam Hussein etwa reprsentierteeine der jngsten Schpfungen dieser Art. Amerika hat zwarSaddam gestrzt, aber dem irakischen Volk bedauerlicherweiseseine eigene Hegemonie einem Gtzen gleich aufgentigt.

    In der Trkei wurde der Tradition, den Menschen zu vergtt-lichen, mit Grndung der laizistischen und demokratischen Repu-blik Kemal Atatrks der Boden entzogen. Leider zielt der vomWesten untersttzte politische Islam darauf ab, diese bereits ber-

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  • wundene Tradition wiederzubeleben und die Trkei in ein religi-ses Staatsgebilde zu verwandeln, das entsprechend dieser Tradi-tion regiert wird.

    Was versteht man unter Vergttlichung? Vergttlichung bedeu-tet, das Wort Herr, eines der Attribute Gottes, dem Namen nachoder faktisch auf einen Menschen zu beziehen, jemanden zu seinemHerrn zu machen. An Gottes Statt zum Herren nehmen nennt esder Koran. Vergttlichung ist ein Ausdruck der Vielgtterei, die derKoran als grte Unrechtstat bezeichnet und die er als eines derGrundbel aus dem Leben des Menschen tilgen will. Sie tritt in dreiGrundformen auf: In der Vergttlichung der Engel (Sure 3, Vers 80),der Vergttlichung der Propheten (Sure 3, Vers 80) und in derVergttlichung anderer Menschen. Letztere existiert wiederum inzwei Varianten: a) da man Geistliche oder die Geistlichkeit zumAbbild Gottes macht (vgl. Sure 9, Vers 31), b) da sich Menschenuntereinander zum Herren nehmen (vgl. Sure, 3, Vers 64).

    Geht es um die Deformierung der Religion durch Vergtt-lichung, so sind die Vergttlichung der Propheten und die Vergtt-lichung der Geistlichkeit zu nennen. Die Vergttlichung der Pro-pheten zhlt zu den schmerzlichsten Dramen in der Geschichte derReligionen. Indem man die Propheten, Gottes Verknder und Ge-sandte, dem Schpfer gleichsetzte, funktionierte man sie zumWerkzeug eines Anliegens um, das das genaue Gegenteil dessenbezweckte, dem sie sich verschrieben hatten. Der Koran beklagtdies zutiefst und tadelt es streng. Gottes Gesandte Gott gleichzu-setzen und dies im Namen der Religion zu tun ist eine der schwer-sten Snden, die den Zorn des Herrn erregen.

    Wie die Vergttlichung der Propheten vollzogen wurde, wirdim Abschnitt Die Propheten und die Prophetengabe weiter er-lutert.

    Auch ber die Vergttlichung von Geistlichen oder der Geist-lichkeit fhrt der Koran Klage. Eine Vergttlichung der Prophetenwerde zwangslufig in eine Vergttlichung der hohen Geistlichkeitmnden, warnt er. Jene, die Jesus und Esra, unter dem Vorwand,sie zu lobpreisen, vergttlicht haben, taten dies im nchsten Schrittmit ihren Rabbinern und Priestern. Ein Teufelskreis, und wer ein-mal in ihn hineingert, den lt der Leibhaftige seinen Weg auchvollenden. Die Vergttlichung der Propheten zieht zwangslufigeine Vergttlichung der Geistlichen nach sich (vgl. Sure 9, Vers 31).

    Der Koran hat diesen Frevel gebrandmarkt und ausgemerzt. Inspteren Zeiten hat er jedoch wieder Eingang in den Islam gefun-

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  • den. Zuerst wurde Muhammed vergttert, danach Personen, dieein hohes religises Ansehen genossen, wie die Weggefhrten desPropheten Muhammed, dann deren Nachkommen, dann die Schei-che oder Hupter der Ordensbruderschaften. Die islamische Welthat sich ber Jahrhunderte unter dem Joch der Vergtterung be-funden und tut dies bedauerlicherweise auch weiterhin. DasSchicksal der muslimischen Gesellschaften wird bestimmt vonHunderten von Ersatzgottheiten, von Tausenden von falschen Pro-pheten seien sie nun tot oder noch am Leben.

    Als Sure 9 Vers 31 verkndigt wurde, der Klage ber die Ver-gtterung der Rabbiner und Priester fhrt, wandten sie sich an denPropheten des Islams: Wie geht es an, da sie ihren Rabbinernund Priestern dienen? fragten sie. Er antwortete: Wenn das Volksie heiligt und sie als Gtzen anbetet, so dienen sie damit nichtdem Herrn. Gott dienen heit, das als unrechtmig zu betrachten,was er Unrecht nennt, und das als rechtmig zu betrachten, waser erlaubt. (Vgl. Tirmiz, tefsru Suretit-Tevbe, Hadith Nr. 3095.)

    Niemand kann abstreiten, da die muslimischen Massen heuteall das fr die Religion halten, was die religisen Fhrer als solcheverknden. Keiner fragt mehr nach dem Wort Gottes und des Pro-pheten. Was die vergttlichten Wrdentrger sagen, ist fr dasVolk die Wahrheit. Sie erhoben die Koran-Exegese in den Standder Unfehlbarkeit, nur ihnen wurde es scheinbar zuteil, unbeirrbardem Pfad der Inspiration folgen zu knnen. Religion ist, was siesagen und schreiben fi

    Diese irrationale, mit dem Koran unvereinbare Auffassung kne-belt die Muslime unserer Tage. Sie verhindert, da diese ihre Ratiogebrauchen, sich der Bildung verschreiben, so etwas wie Glck,inneren Frieden und Selbstwertgefhl empfinden und versperrtihnen letztlich den Weg zur wahren Religion. Deshalb bleiben allihre Anstrengungen vergebens, ist sinnlos vergossen der Schweifr all ihre Mhsal. Was den Menschen zum Menschen macht, seinFreiheitsdrang, seine Willenskraft, sein Erfindungsgeist und seinSchaffensdrang all diese den Menschen erhebenden Werte sinddurch diese Schande zutiefst beeintrchtigt.

    Kurz gesagt, so lange man in der islamischen Welt damit fort-fhrt, sich andere an Gottes Statt zum Herrn zu erklren, solangeman andere vergttlicht, solange wird das Dahinsiechen in Elendund Bedrckung dort andauern.

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  • Teil 2: Degenerationserscheinungenthematisch gegliedert

    Wie ist die rituelle Waschung vorzunehmen?

    Vudu, der arabische Terminus fr die rituelle Waschung, kommtim Koran nicht vor. Der Koran erwhnt die rituelle Waschungnicht namentlich, erlutert jedoch, warum und wie diese zu voll-ziehen ist bzw. warum und durch welche Umstnde die rituelleWaschung ihre Gltigkeit verliert.

    Die rituelle Waschung ist einzig und allein vorgeschrieben, umdas rituelle Gebet verrichten zu knnen. Abgesehen vom rituellenGebet enthlt der Koran nicht den Hauch einer Andeutung, dadie Waschung vor irgendeinem anderen Akt der Gottesverehrungoder vor irgendeiner anderen rituellen Handlung vorzunehmensei. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, da die sieben-malige Umkreisung der Kaaba (tavaf) im Rahmen der Hadsch, derPilgerreise nach Mekka, eine Form des Gebetes darstellt, und dierituelle Waschung aus diesem Grund zuvor vollzogen werdenmu. Das hier Gesagte steht im Koran in Vers 6 der Sure 5: O ihr,die ihr glaubt! Wenn ihr zum Gebet hintretet, so wascht euer Ge-sicht und euere Hnde bis zu den Ellbogen und wischt ber eue-ren Kopf, und (wascht) euere Fe bis zu den Kncheln.

    Die rituelle Reinigung der Fe kann sowohl durch Waschenals auch durch feuchtes Abreiben erfolgen. So haben es schlielichschon die Muslime zu Lebzeiten des Propheten Muhammed gehal-ten: Der eine verrichtete seine rituelle Reinigung, indem er sich dieFe wusch, der andere, indem er sie feucht abrieb. Ein und die-selbe Person wusch sich die Fe das eine Mal und rieb sie dasandere Mal feucht ab. Die Religion berlt es dem Menschen, sichin dieser Angelegenheit zwischen beiden Mglichkeiten zu ent-scheiden. Der Situation und den Umstnden z. B. der Jahreszeit entsprechend whlen Muslime einen der beiden Wege, die rituelleWaschung der Fe vorzunehmen.

    Fr das feuchte Abreiben der Fe gibt es keine Formvorschrif-ten. Die Fe knnen also bei der Waschung entblt oder aber

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  • noch von Strmpfen, Schuhen oder Stiefeln bedeckt sein. So wurdees auch zur Zeit des Propheten Muhammed gehandhabt.

    Verflschungen und erfundene Neuerungen

    Zu behaupten, eine rituelle Waschung sei nicht nur vor dem Gebet, sondernauch vor anderen Formen der Andacht oder rituellen Handlungen vorzu-nehmen: Diese Behauptung, widerspricht dem Koran und der Sunna.Hierbei handelt es sich um eine Behauptung aus dem Kreis derjeni-gen, die in spteren Zeiten knstliche Heiligkeiten erschufen undreligise Vorschriften aufstellten. Zur religisen Vorschrift zu er-klren, da man die rituelle Reinigung nicht nur vor dem Gebet,sondern speziell auch vor dem Berhren und Lesen des Korans aus-fhren msse, entspricht nicht dem Koran und ist eine Verflschung.

    Zu behaupten, es sei eine kategorische Pflicht, sich die Fe zu waschen:Zunchst einmal fordert das Gebot, sich die Fe feucht abzureiben.Jedoch erlaubt die verwendete Formulierung auch, da derjenige,der es wnscht, sich seine Fe wscht. Das Waschen der Fevorzuschreiben und zu behaupten, da man beim feuchten Abrei-ben der Fe lederstrumpfartige Fubekleidung tragen msse, stelltein Beharren auf Regeln dar, die weder im Koran noch in der Sunnaihren Platz haben. Das feuchte Abreiben der Fe ist unter jeglichenUmstnden statthaft (zur diesbezglichen Praxis zu Lebzeiten desPropheten vgl. Ibn Hemmm; el-Musannef, 1/199-201).

    Bezogen auf die rituelle Reinigung existieren daher nicht, wie inden katechetischen Schriften beschrieben, vier, sondern nur dreiGebote: Erstens, das Waschen des Gesichts, zweitens, das Waschender Arme bis zu den Ellbogen und drittens, das feuchte Abreibendes Kopfes und der Fe.

    In diesem Zusammenhang bleibt anzumerken, da alle Krper-teile, die der rituellen Reinigung zu unterziehen sind, mehr oderweniger stark dem Wetter und Umwelteinflssen ausgesetzt sind.Deshalb unterliegen diese Krperteile keinen religisen Vorschrif-ten, sie sind etwa vom Verhllungsgebot ausgenommen. DieseKrperteile sind das Gesicht, die Unterarme, Haare und Fe.

    Die Entscheidung, ob Krperteile bei der rituellen Waschungnur ein Mal oder mehrfach gereinigt werden, obliegt der betreffen-den Person und hngt von der Situation ab, in der sich diese befin-det. Falsch ist es, unter der berschrift Vorschriften der Sunna

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  • zur rituellen Reinigung die Zahl der erforderlichen Waschungenfr die einzelnen Krperteile aufzulisten oder die Behauptungaufzustellen, die Sunna wrde zur dreifachen Waschung verpflich-ten. Derartige religise Vorschriften sind nichts als Erfindungen.

    Der Prophet hat seine rituell zu reinigenden Krperteile ganzden Umstnden wie Klima und Wetterbedingungen entsprechendmal einmal, mal zwei- oder dreimal, manchmal sogar viermal ge-waschen (Ibn Hemmm, 1/40-42). Er rieb seinen Kopf manchmalnur halb, manchmal hingegen ganz feucht ab, bezog die Ohren malnicht und mal doch mit in die Reinigung ein. Manchmal rieb erseine Ohren nur von auen feucht ab, manchmal auch von innen(Ibn Hemmm, 1/6-12). Gibt es denn etwas Natrlicheres? Wie oftman sein Gesicht, seine Hnde und Arme wscht, entscheidet einjeder selbst je nachdem, in welcher Situation er sich befindet.

    Die Religion gebietet denen, die die rituelle Waschung vorneh-men wollen, die zuvor genannten Krperteile jeweils ein Mal zureinigen. So wie es der Koranvers dem Glubigen freistellt, die derReinigungspflicht unterliegenden Krperteile ein- oder mehrfachzu waschen, so stellt er es ihm frei, ber die genannten Krperteilehinaus auch andere (z. B. Mundhhle oder Nase) zu reinigen.

    Zu behaupten, es gbe bei der rituellen Waschung eine vorgeschriebeneReihenfolge der Krperteile: Bei der rituellen Reinigung durch Wa-schen oder feuchtes Abreiben gibt es keine vorgeschriebene Rei-henfolge. Aus der Natur der Krperteile, deren rituelle Reinigungvorgeschrieben ist, ergibt sich jedoch eine ganz naheliegende Rei-henfolge: Der Mensch wscht sich zunchst Hnde und Unterar-me, dann sein Gesicht und wischt erst dann seinen Kopf und seineFe feucht ab. Jedoch behlt die rituelle Waschung ihre Gltig-keit, wenn sich jemand nicht an diese Reihenfolge hlt oder dieseverndert (Ibn Hemmm; el-Musannef, 1/34-37).

    Auflistung von Grnden fr die Ungltigkeit der rituellen Waschung nachpersnlichen oder regional bedingten Prferenzen: Vers 6 der Sure 5 be-nennt die Grnde, aufgrund derer die rituelle Reinigung ihre Gltig-keit verliert: Erstens, der Besuch der Toilette (d. h. durch Ausschei-dungen jeglicher Art), zweitens, Geschlechtsverkehr mit Frauen.

    Die Toilette aufzusuchen bedeutet in diesem Zusammenhangmehr als sich Erleichterung am stillen rtchen zu verschaffen, undalle Situationen in diesem Kontext heben die Gltigkeit der rituel-len Waschung auf. In der theologischen Jurisprudenz wird hier

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  • treffend die Formulierung auf einem der beiden mglichen Wegeetwas ausscheiden verwendet, und dies meint Kot, Urin, Sperma-tozoon, Samenflssigkeit und die Darmwinde sowie das Berhrender Geschlechtsorgane und des Afters mit den Fingern oder dasEinfhren der Finger dahinein (denn zu Ausscheidungen kommtes in diesen Situationen zwangslufig).

    In der katechetischen Literatur werden im Zusammenhang mitBefindlichkeiten, die eine Ungltigkeit der rituellen Reinigungherbeifhren, auch Zustnde wie Ohnmacht, Bewutlosigkeit,Schlaf und Trunkenheit angefhrt. All dies sind Umschreibungenfr Zustnde, in denen auf einem der beiden mglichen Wegeetwas ausgeschieden wird.

    Bei berlieferungen, da Wundblutungen zur Ungltigkeit derrituellen Waschung fhren wrden, handelt es sich um frei erfun-dene Gerchte (vgl. hierzu Elbn; ez-Zafa, 1/279-2819).

    Irrig ist die Annahme, nach dem Geschlechtsverkehr mit Frauenbliebe die Gltigkeit der rituellen Reinigung unter Umstnden be-wahrt, denn dieser erfordert eine rituelle Ganzkrperwaschung undnicht nur die rituelle Waschung der vorgeschriebenen Krperteile.

    Auch der Schlaf hebt die Gltigkeit der rituellen Reinheit auf,denn im Zustand des Schlafes kann es zu Ausscheidungen kom-men, zumindest kann ein Darmwind entfahren.

    Zu behaupten, bei der rituellen Waschung seien bestimmte Gebete zurezitieren: Alle diesbezglichen berlieferungen sind frei erfunden.Bei diesem Ritus geht es um die Herstellung der Reinlichkeit, die-sen Zustand herbeizufhren bedarf es keiner Gebete. Die Religionkennt keine derartigen Vorschriften.

    Alkohol und Drogen

    Das arabische Wort Hamr, das in Vers 90 der Sure 5 beim Verbot vonAlkohol und Drogen verwandt wird, meint Dinge, die sich auf denVerstand auswirken, die den Verstand benebeln und letztendlich zumAussetzen des Verstandes fhren. Verboten ist der Genu jeglicherMittel, die hierzu fhren wie auch immer sie bezeichnet werden.

    So sind also nicht nur alkoholische Getrnke, sondern Drogenaller Art, flssige wie solche in fester Form, verboten. Der im Ko-ran verwendete Begriff stellt sicher, da nicht nur der Genu vonWein, der zu der Zeit, als das Verbot erlassen wurde, das einzige

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  • gebruchliche alkoholische Getrnk gewesen ist, sondern der Ge-nu smtlicher Drogen fr verboten erklrt worden sind.

    Einige islamische Rechtsgelehrte, darunter Imam- zam, derGrnder der hanefitischen Rechtsschule, haben den im erwhntenKoranvers verwandten Begriff hamr im herkmmlich Sinne alsWein ausgelegt und den Genu anderer alkoholischer Getrnkefr statthaft befunden, solange er nicht in den Zustand der Trun-kenheit fhre. Dieser Meinung waren auch der islamische Rechts-gelehrte und Lehrer von Imam- zam, Hammd b. Eb Sleyman(gestorben 120 H. / 737 n. Chr.), Vater der irakischen Schule isla-mischer Rechtsexegeten, und dessen Lehrmeister Ibrahim en-Ne-ha (gestorben 96 H. / 714 n. Chr.).

    Andere alkoholische Getrnke als Wein werden im Arabischenmit dem Begriff Nebz (Wein aus Datteln u. .) bezeichnet. Der ha-nefitischen Rechtsschule nach wird der bermige Genu alkoho-lischer Getrnke dieser Art als haram (verboten) angesehen, wenner zur Trunkenheit fhrt. Ibrahim en-Neha, einer der Vter derirakischen Schule islamischer Rechtsgelehrten, hat selbst Dattel-wein getrunken und seinen Gsten angeboten.

    Nebz wird aus Frchten wie Trauben, Datteln, pfeln oderGetreide (Sesam, Gerste oder Weizen) hergestellt. Einige Interpre-ten und Korankommentatoren wollten den Begriff Nebz als Mostverstanden wissen, dies ist eine Fehlinterpretation und eine Lge.Nebz ist im Grunde ein Sammelbegriff fr eine Reihe von Alkoho-lika. Im El-Mncid, einem berhmten Wrterbuch der arabischenSprache, wird Nebz als ein aus Datteln oder Trauben erzeugtesGetrnk bezeichnet, das betrunken macht, und dessen Herstel-lung beschrieben.

    Ibn Mes'ud (gestorben 32 H. / 652 n. Chr.) und Alkame (gestor-ben 62 H. / 681 n. Chr.), der uns dessen Wissen berliefert hat, sindVertreter des Vorlufers der Schule des Neha aus der Zeit der Pro-phetengefhrten, von denen wir wissen, da sie alkoholische Ge-trnke von der Art der Nebz zu sich genommen haben (vgl. Kal'ac,Neha 1/287). Der Forscher und Religionsgelehrte Kal'ac teilt inseinem Werk zur Exegese des Rechtsgelehrten Sevr mit, da auchSfyan es-Sevr, Vater dieser Denkschule und bekannt als ber-lieferer mystischer Traditionen (gestorben 161 H. / 777 n. Chr.),Nebz getrunken hat. Sevr vertrat die Auffassung, der Genu vonAlkoholika dieser Kategorie sei aus religiser Sicht statthaft, solan-ge er nicht in den Zustand der Trunkenheit fhre. Kal'ac untermau-erte diese Aussage mit dem Verweis darauf, da dies die Haltung

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  • der irakischen Rechtsgelehrten zum Thema alkoholischer Getrnkedieser Art sei (vgl. Kal'ac, Fkhu's-Sevr, 162-163).

    Neha und Sevr sind anerkannte Autoritten in den islamischenReligionswissenschaften, speziell auf dem Gebiet der Rechtsexege-se. Die Auffassungen und Rechtsgutachten Nehas und Sevrs zudiesem Thema sind im Werk von Imam Muhammed es-Seyban(gestorben 189 H. / 804 n. Chr.), einem Schler des Imam- zamund Sammler seiner Rechtsgutachten, noch einmal gleichlautendwiederholt worden (vgl. Seyban, el-Cmiu's-Sagr, Erwhnungdes Alkohols, 385-386).

    El-Casss (gestorben 370 H. / 980 n. Chr.), Kommentator undeiner der berhmtesten Gelehrten der hanefitischen Rechtsschule,hat in seinem Werk mit dem Titel Ahkm'ul-Kur'an lang und breitdie Auffassung verteidigt, da alkoholische Getrnke, sofern essich dabei nicht um Wein handelt, nicht vom koranischen Verbotbetroffen sind (vgl. Ahkm'ul-Kur'an, 1/447-451). Casss zufolgefllt der Genu alkoholischer Getrnke, bei denen es sich nicht umWein handelt, nur dann unter das koranische Verbot, wenn sie ineinem Mae zu sich genommen werden, das zur Trunkenheit fhrt(vgl. ebd., 1/444-446; 2/648-653).

    Der Scheich l-Islamat im Osmanischen Reich hat dieses Themagenauso gehandhabt wie die irakische Rechtsschule. Diese vonspteren Exegeten verheimlichte Rechtsauffassung der hanefiti-schen Schule ist in den Rechtsgutachten (Fetv) des Scheich l-Islam atalcal Ali Efendi (gestorben 1692 n. Chr.), der im Osmani-schen Reich der Scheich l-Islam mit der lngsten Amtszeit war,noch einmal wiederholt und im Namen des Scheich l-Islamatserneut fr Recht befunden worden (vgl. Seyhlislam Ali Efendi,Fetv, Istanbul, 1305, 2/326).

    Verflschungen und erfundene Neuerungen

    Zu behaupten, es sei verboten, Speisen mit einer Zugabe alkoholischerGetrnke zu wrzen: Alkohol und alkoholische Getrnke gelten alsVerbotenes, sofern sie als Betubungsmittel konsumiert werden.Kocht man sie auf, gibt man sie gekochten Speisen hinzu, so ver-wandeln sie sich in gewhnliche Lebensmittel und fallen damitnicht mehr unter die verbotenen Stoffe. Kalif mer, der gekochtenWein zu sich nahm, erwiderte auf den Einspruch Ubde b. Smits(gestorben 34 H. / 654 n. Chr.), einem Weggefhrten des Prophe-

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  • ten, der den Genu gekochten Weines ablehnte: Ach du Tor! Erist gekocht worden, hat mit Wein nichts mehr gemein. Nimmst duauch keinen Essig zu dir? Der wird aus demselben Saft gemacht fi(vgl. Ebu Zehra; Ebu Hanife, 299).

    Somit besteht gegen das Hinzufgen alkoholischer Getrnke zuSpeisen als Wrzmittel im Kochproze (wie etwa dem Hinzufgeneines Schluck Weines zu Fleisch- oder Fischgerichten) aus religi-ser Sicht keinerlei Einwand.

    Zu behaupten, nicht nur das Trinken, sondern auch die Verwendung vonAlkohol in anderer Form sei verboten: Typisches Beispiel hierfr ist dasGerede vom sogenannten alkoholfreien Klnischwasser. Alkoholgehrt zu den besten Reinigungs- und wirksamsten Desinfektions-mitteln. Im Islam ist seine Verwendung als Genumittel verboten.Das bertragen dieses Verbotes auf andere Lebensbereiche hiee,die Religion um ein Element zu erweitern. In Verbindung mit Reini-gungsmitteln, Parfum, Medikamenten oder hnlichem kann mansich seelenruhig des Alkohols bedienen. Der Begriff alkoholfreiesKlnischwasser ist ein auerislamisches, irrationales und kom-merziell verwendetes Schlagwort. Ob Klnischwasser Alkoholenthlt oder nicht, hat nichts mit dem Islam zu tun.

    Das Anstoen mit Gsten gleichzusetzen mit dem Genu von Alkohol undes zu untersagen: Oft und hufig sind wir in den vergangenen Jahrenzu Situationen wie der folgenden um Stellungnahme gebeten wor-den: Auch wir prosten bei der Teilnahme an offiziellen Empfngenden Gsten mit Wasser oder nichtalkoholischen Getrnken zu, wiees unsere berufliche und soziale Stellung eben erfordert. bertretenwir mit diesem Tun ein religises Verbot? Die Antwort auf dieseFrage lautet kurz und unzweideutig: Nein!

    Menschen, die den Staat oder eine Institution reprsentieren,nehmen beruflich an verschiedensten Orten der Welt an Empfn-gen und Audienzen teil und treffen bei diesen Gelegenheiten mitMenschen unterschiedlichsten Glaubens zusammen. Zufriedenheitwird bei solchen Zusammenknften und Zeremonien allgemeindadurch ausgedrckt, da man das Glas hebt. Dies ist zu einerinternational gepflegten Umgangsform geworden.

    Bei solchen Gelegenheiten drfen Leute, die keinen Alkoholtrinken, ihr Glas mit Wasser, Fruchtsaft, Cola o. . heben und an-stoen, um der gemeinsamen Freude Ausdruck zu verleihen. Mus-lime, die der hanefitischen Rechtsschule anhngen, drfen ber-

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  • dies die unter den Begriff Nebz gefaten alkoholischen Getrnkewie Likr, Whisky oder Rak trinken, sofern sie davon nicht be-trunken werden.

    Bei zwischenstaatlichen Kontakten oder Empfngen internatio-naler Institutionen ist es nicht nur eine Geste der Kultiviertheit,sondern sogar eine diplomatische Pflicht, es der Freude der ande-ren Teilnehmer gleichzutun. Wichtig ist, bei dieser Art von Ver-anstaltungen die offenkundigen religisen Verbote nicht zu ber-treten. Darber hinaus bleibt anzumerken, da eine bertretungdes Verbotes statthaft ist, wenn man sich in Angelegenheiten f-fentlichen Interesses dazu gezwungen sieht. Wenn es um ihre eige-ne Person geht, sind Anhnger des politischen Islam und der Sul-tanatsfrmmelei nie darum verlegen gewesen, innerreligis zubegrndende Ausnahmetatbestnde aufzufinden und sich aufdiese zu berufen. Man hat sich in solchen Situationen sogar erdrei-stet, das bertreten des Verbotes als eine Art politischen Siegoder eine Form des Dschihad auszugeben. Wenn aber von anderendie Rede ist, beschuldigt man sogar Leute der Snde, die ihr Glasmit Orangensaft, Mineralwasser oder Cola erhoben haben.

    Ist Arabisch eine heilige Sprache?

    Die Verschiedenheit der Sprachen ist wie die Verschiedenheit derHautfarben eines der Wunderzeichen Gottes. In Sure 30, Vers 22heit es: Zu Seinen Zeichen gehrt auch die Schpfung der Himmelund der Erde und die Verschiedenheit euerer Sprachen und euerer(Haut-)Farben. Darin sind frwahr Zeichen fr die Wissenden.

    Die Charakterisierung der Verschiedenheit der Hautfarben undSprachen ebenso wie die Schpfung von Himmel und Erde alsWunderzeichen lehrt uns, da es sich hierbei um eines der Gesetzehandelt, die Gott unserer Existenz auferlegt hat, dem wir wie allenanderen Naturgegebenheiten mit Selbstverstndlichkeit begegnensollen.

    Im gesamten Koran findet sich weder eine direkte Aussage nocheine Andeutung darauf, da das Arabische eine den anderen Spra-chen berlegene Sprache sei. Die Verschiedenheit der Hautfarbenund Sprachen der Menschheit wurden als gttliche Wunderzei-chen charakterisiert und die Wissenden dazu aufgerufen, dieseZeichen zu reflektieren. Denn fr jene, die wissen, birgt diese Un-terschiedlichkeit interessante Nuancen.

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  • Eine Sache, die es in der Angelegenheit der Sprache bzw. Spra-chenvielfalt zu unterstreichen gilt, ist folgende: Der Koran lehrt,da jeder Prophet die Offenbarung in der Sprache jener Gesell-schaft empfangen hat, der er entstammte, auf da die bermittelteBotschaft leicht zu verstehen sei. Der gttliche Plan und das gtt-liche Gesetz erforderten es, die Offenbarung in der Sprache jenerGesellschaft herabzusenden, derer der Prophet sich bedienen wr-de, um die Botschaft verstndlich zu machen und seine Intentiongut darstellen zu knnen. Im Vers 4 der Sure 14 heit es: Und Wirschickten keinen Gesandten, es sei denn in der Sprache seines Vol-kes, damit er sie (wirksam) aufklre.

    Und dem Koran ist auch zu entnehmen, da ausnahmslos je-dem Volk, ein Prophet entsandt worden ist (Sure 35, Vers 25). MitVerweis auf den Koran knnen wir also festhalten: Eine Offenba-rung hat die Menschheit in allen Sprachen erhalten, die bis zu demTag, an dem die Gesandtschaft des letzten Propheten erfllt wor-den war, existiert hatten und gesprochen worden sind. Wenn alsodie Heiligkeit einer Sprache damit begrndet wird, da in dieserSprache eine Offenbarung empfangen wurde, so sind alle Sprachenheilig. So gesehen weist keine Sprache eine Besonderheit oder ei-nen Unterschied zu anderen Sprachen auf.

    Verflschungen und erfundene Neuerungen

    Der Irrglaube, Arabisch sei eine heilige Sprache: Wie oben erlutert, istnicht die Sprache, in der eine Offenbarung erfolgte, sondern dieBotschaft der Offenbarung heilig. Bedauerlicherweise sind im Ver-lauf der islamischen Geschichte jedoch die irrwitzigsten Thesenverbreitet worden, nach denen Arabisch eine heilige Sprache sei.

    Die ideologische Verherrlichung der Araber und der arabischenSprache hat Dimensionen angenommen, die einem die Spracheverschlagen. Mit Sinn und Verstand sind diese Lgengebilde, dieman zur Glorifizierung der arabischen Sprache in die Welt gesetzthat, nicht zu erklren. Sie widersprechen dem Geist des Prophe-tentums, der Offenbarung und der Religion fundamental.

    Die ideologische Verherrlichung der arabischen Sprache sttztsich in erster Linie auf die Tatsache, da im Koran Verse vorkom-men, die besagen, da der Koran arabisch offenbart worden ist.Jedoch knnen die Worte, die in den Versen ber die Offenbarungder Schrift in arabischer Sprache verwendet werden, ganz ohne

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  • Zweifel nicht als Beleg fr Verteidiger einer Glorifizierung desArabischen herhalten, sondern sind vielmehr ein Argument fr dieAndersdenkenden. Den betreffenden Versen sind folgende Inten-tionen fr die Sendung des Korans in arabischer Sprache zu ent-nehmen: a) damit die Botschaft weitergegeben (Sure 26, Vers 195;Sure 42, Vers 7 und Sure 46, Vers 12) und b) verstanden werde (Sure12, Vers 2 und Sure 43, Vers 3) und damit sie c) Gottesfurcht undPflichtbewutsein wecke (Sure 20, Vers 113 und Sure 39, Vers 28).

    Jedes dieser drei Ziele kann nur erreicht werden, wenn derGlubige den Koran versteht. Um ihn zu verstehen, mu der Leserdie Sprache des Textes beherrschen, den er liest. Menschen, die desArabischen nicht mchtig sind, knnen die Botschaft nur verste-hen, wenn sie den Koran in bersetzung studieren. Die Weisheitder arabischen Botschaft erschliet sich fr alle, die nicht Arabischsprechen, nur beim Lesen einer bersetzung.

    Kurz: die Heiligkeit des Korans kann nicht als Beweis fr dieHeiligkeit der arabischen Sprache ins Feld gefhrt werden. Es isteine schmerzliche historische Tatsache, da Muslime, deren Mut-tersprache nicht das Arabische ist speziell auch die Trken ,infolge dieser irrefhrenden Behauptung ber Jahrhunderte hin-weg eine Art Imperialismus gegen die eigene Sprache betriebenhaben. Dieser Imperialismus gegen sich selbst bedeutete fr dieseGesellschaften ein Ma an Tyrannei, das im Verlauf der Geschichtefast beispiellos ist.

    Der Irrglaube, Arabisch sei die Sprache des Paradieses: Zu den Behaup-tungen jener, die mit Lgen die ideologische Verherrlichung derarabischen Sprache betreiben, gehrt es auch, das Arabische alsSprache des Paradieses zu proklamieren: Sogar die Bewohner desParadieses sprechen angeblich Arabisch! Und zum Beleg fhren siein diesem Zusammenhang sogar ein ersponnenes Hadith an (vgl.Elbn, Silsilet'l-Ahds ez-Zafa, 1/293).

    Der Irrglaube, das arabische Alphabet fr das islamische Alphabet zuhalten: Dies ist ein weiteres Lgengespinst, das im Namen derideologischen Verherrlichung der Araber und der arabischen Spra-che in die Welt gesetzt wurde, und die, die diese Lge verbreiten,bezeichnen das arabische Alphabet als das Alphabet des Islams.

    Zunchst mu man doch wohl folgende Frage stellen: Kanndenn eine universelle Religion ein bestimmtes Alphabet haben?Vor dem Hintergrund der Tatsache, da so viel Alphabete wie

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  • Vlkerschaften existieren wie lt sich da so etwas behaupten?Der Islam ist doch nicht die Ideologie eines Stammes oder die Phi-losophie von Menschen einer bestimmten Region, da er ein be-stimmtes Alphabet haben knnte! Und zweitens: Dieses Alphabetverwendeten die Araber ber Jahrhunderte hinweg schon invorislamischer Zeit. Nicht der Islam hat dieses Alphabet mit sichgebracht, wie kann man da den Islam mit seinem Namen in Ver-bindung bringen?

    Welchen Punkt man auch immer herausgreift, alle derartigenBehauptungen aus den Kreisen, die das Arabische verherrlichen,sind Lgengespinste wider den Verstand und die Religion. Siesind nichts als kategorische Behauptungen der Ideologie des Ara-bismus.

    Der Irrglaube, das Arabische sei die Sprache der Gottesverehrung und desGottesdienstes: Eine der bedeutendsten, wenn nicht die schwerwie-gendste Irrlehre ist die Doktrin, die besagt, da der Gottesdienst inarabischer Sprache abzuhalten sei. Dieser ber Jahrhunderte hin-weg verbreitete Schwindel, der die Muttersprache und die kultu-relle Identitt ganzer Vlkerschaften in Abrede stellt, wird nochimmer propagiert, als handele es sich dabei um eine religise Vor-schrift.

    Dabei liegt die Wahrheit bei diesem Thema auf der Hand: DenGottesdienst, das persnliche Bittgebet und das Ritualgebet kannjeder Mensch in seiner Muttersprache verrichten, entweder, indemer den Koran in der bersetzung liest, oder, indem er seiner Intui-tion nach Gebete in seiner Sprache spricht. So hat es der ProphetMuhammed seinerzeit selbst seinen Gefhrten erlaubt, deren Mut-tersprache das Arabische war. Und erst recht drfen nicht-arabi-sche Muslime von diesem Recht Gebrauch machen.

    Mit Belegen aus dem Koran, der Sunna und der islamischenJurisprudenz hat der Autor in seinem Buch mit dem Titel Gottes-dienst in der Muttersprache nachgewiesen, da sich alle gegen-teiligen Behauptungen mit dem Islam grundstzlich nicht verein-baren lassen.

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  • Sind die Araber ein heiliges Volk?

    Araber werden im Koran unter dem Begriff a'rab (Beduinen, W-stenaraber) erwhnt. Es fllt auf, da im Koran keine andere Be-zeichnung fr das arabische Volk oder die arabische Gesellschaftvorkommt.

    Noch aufschlureicher ist die Tatsache, da das Wort a'rab anneun von zehn Stellen, an denen es im Koran vorkommt, negativbesetzt ist und Konnotationen wie Schlechtigkeit, Heuchelei, Geizund Unzuverlssigkeit mit sich bringt. Werfen wir einen Blick aufdie Verwendung dieses Begriffes im Koran:

    1. Der Koran berichtet, da einige Wstenaraber unter Vorwn-den versucht haben, sich der Beteiligung am Krieg zu entzie-hen. In Sure 9, Vers 90 heit es: Ausflchte machend kameneinige der arabischen Beduinen, um Freistellung (vomKampf) zu erbitten. Doch (daheim) blieben (nur) diejenigen,die Allah und seinen Gesandten belogen hatten.

    2. Der Koran tadelt die Wstenaraber wegen ihres Verharrensim Unglauben, ihrer Heuchelei und ihrer Intriganz als dasuneinsichtigste unter den Vlkern. In Sure 9, Vers 97 heit es:Unter den arabischen Beduinen sind manche (besonders)verstockt in Unglauben und Heuchelei. Und es ist sehr wahr-scheinlich, da sie die Vorschriften, welche Allah auf seinenGesandten hinabgesandt hat, nicht kennen.

    3. Der Koran droht den Arabern mit einem schweren Los, weilsie ihre Beitrge zur Religionsverbreitung als erzwungenenObolus angesehen und den Glubigen Schlechtes gewnschthaben. In Sure 9, Vers 98 heit es: Und unter den arabischenBeduinen gibt es welche, die ihre Spenden als erzwungenansehen und auf eine Wende (eures Glckes) lauern. ber siewird eine Wende voller Unheil kommen! Und Allah ist h-rend und wissend.

    4. Er bezichtigt die Araber der Heuchelei. Sure 9, Vers 101 lautet:Unter den arabischen Beduinen rings um euch gibt es Heuch-ler. Und auch unter dem Volke Medinas gibt es hartnckigeHeuchler. Du kennst sie nicht, wir kennen sie. Wir wollen siezweifach bestrafen; (schon im Diesseits) dann sollen sie gewal-tiger Strafe (im Jenseits) berantwortet werden.

    5. Er tadelt die Araber, den Propheten Muhammed aus Selbst-sucht im Stich gelassen zu haben. In Sure 9, Vers 120 heit es:

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  • Die Bewohner Medinas und die arabischen Beduinen hattenkeinen Grund, hinter dem Gesandten Allahs zurckzubleibenund ihr Leben seinem vorzuziehen fi

    6. Der Koran beschuldigt die Wstenaraber der Unaufrichtig-keit, Feigheit und Lge sowie der Verbreitung von Unter-stellungen, und sie werden als nichtswrdige Gemeinschaftdisqualifiziert. Die Verse 11 und 12 der Sure 48 lauten: DieZuhausegebliebenen von den Wstenarabern werden dirsagen: Wir hatten mit unseren Herden und unseren Familienzu tun. Darum bitte fr uns um Verzeihung! Sie sprechenmit ihren Zungen, was nicht in ihrem Herzen ist! Sprich:Wer vermag etwas fr euch bei Allah auszurichten, wenn Ereuch schaden oder ntzlich sein will? Nein! Allah wei ge-nau, was ihr tut. Nein! Ihr dachtet, da der Gesandte und dieGlubigen niemals mehr zu ihren Familien zurckkehrenknnten; und das gefiel eueren Herzen. Ihr hattet bse Ge-danken und wart schon immer ein verwerfliches Volk!

    7. Der Koran fordert die Araber der Wste auf, sich der Feig-heit, der Angst und des Wankelmutes zu enthalten, wenn siein naher Zukunft auf ein kriegerisches Volk treffen, andern-falls drohe ihnen peinvolle Strafe. Vers 16 der Sure 48 lautet:Sprich zu den Zuhausegebliebenen von den Wstenarabern:Ihr werdet (zum Kampf) gegen ein Volk von groem Mutaufgerufen werden. Ihr sollt mit ihnen kmpfen, es sei denn,sie ergeben sich. Wenn ihr gehorcht, wird euch Allah schnenLohn geben. Wenn ihr ihnen jedoch den Rcken kehrt, wieihr dies zuvor getan habt, wird er euch schmerzlich strafen.

    8. Der Koran teilt mit, da die Araber nur ein Lippenbekenntniszum Islam abgegeben htten und nicht aufrichtigen Herzensglaubten. In Vers 14 der Sure 49 heit es: Die (Wsten-)Araber sagen: Wir glauben! Antworte: Ihr glaubt (noch)nicht! Sagt vielmehr: Wir sind Muslime; denn der Glaubenist noch nicht in euere Herzen eingedrungen.

    9. Der Koran warnt vor dem Verrat der Araber an ihren Mit-menschen. In Vers 20 der Sure 33 heit es: fi Kmen dieVerbndeten (wieder), wrden sie lieber bei den Arabern inder Wste sein und von dort aus Nachrichten ber eucheinholen.

    10. Schlielich sagt der Koran in Vers 99 der Sure 9, da unterden Wstenarabern einige sind, die glaubten und ihren Bei-trag zur Religionsverbreitung leisteten: Aber etliche unter

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  • den arabischen Beduinen glauben auch an Allah und denJngsten Tag und betrachten ihre Spenden als Mittel zurAnnherung an Gott und zur Bercksichtigung in den Ge-beten des Gesandten.

    Verflschungen und erfundene Neuerungen

    Zu behaupten, die Araber seien ein berlegenes Volk: Zu allem Unglckinstrumentalisieren die Verfechter dieser mit dem Koran unverein-baren Behauptung auch noch den Propheten Muhammed. WeilMuhammed der letzte und grte Prophet ist, so argumentierensie, sei folglich das Volk, dem er angehrte, das vortrefflichsteVolk.

    Tatsache ist, da der Koran ausdrcklich nicht erlaubt, dieberlegenheit einer Rasse zu behaupten. Da aus einem bestimm-ten Volk ein Prophet hervorgegangen ist, darf nicht als Rechtferti-gung fr einen sakral begrndeten Chauvinismus herhalten. Vor-trefflichkeit erwirbt man durch seinen Willen und sein Streben.

    Erneut sei darauf hingewiesen, da nach Aussage des Koranskein Volk existiert, aus dem kein Prophet hervorgegangen ist. Gotthat alle Vlker gerecht bedacht, als er seine Gesandten schickte.Wertet man die Zugehrigkeit eines Propheten zu einem Volk alsZeichen fr dessen Vorzglichkeit, so mu man sich darber imklaren sein, da aus jedem der Vlker ein oder mehrere Prophetenhervorgegangen sind. Araber sind unter diesem Gesichtspunktkeineswegs einzigartig. Und schlielich zeichnen die Aussagen berdie Araber im Koran berhaupt kein vorteilhaftes Bild von diesen.

    Zu behaupten, es sei eine religise Vorschrift, die Araber zu lieben: Weiles nicht mglich ist, ein solches Gebot aus dem Koran herzuleiten,muten sich die Verfechter des Arabismus etwas anderes einfallenlassen und machten, was sie in vergleichbaren Situationen stetsgemacht haben: Sie erfanden ein Hadith, eine berlieferung.

    Smtliche Aussagen zu einer bestimmten Art von Vorzglichkeitoder Heiligkeit der Araber oder der arabischen Gesellschaften inTexten, denen man das Siegel Hadith verliehen hat, sind nichts alsHirngespinste des Arabismus. Denn alle diese Aussagen widerspre-chen dem Koran ganz offensichtlich. Kurzum: alle diese Aussagenund Behauptungen sollte man getrost als Verleumdungen der Ver-treter der Ideologie des Arabismus gegen den Islam betrachten.

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  • Wer gelangt ins Paradies?

    Das Paradies in der Sprache der Religion die symbolische Be-zeichnung fr die ewige Glckseligkeit lt sich in unserer drei-dimensionalen Welt allenfalls allegorisch beschreiben. In Allego-rien, in Sinnbildern sprechen, sagt der Koran dazu. Das Paradiesist fr uns nicht etwas, von dem wir berichten oder das wir be-schreiben, sondern kann nur etwas sein, das wir versinnbildlichen(vgl. Sure 2, Vers 25). Folgendes gilt festzuhalten: Das Paradies istkein Ort, sondern ein Symbol. Wir knnen zwar unsere damit ver-bundenen Glaubensvorstellungen thematisieren, es zu definierenoder abzubilden steht jedoch nicht in unserer Macht. Solche, diedas Paradies wie ein 5-Sterne-Hotel beschreiben, offenbaren damitallenfalls ihre eigenen aberglubischen Vorstellungen oder sinn-liche Begierden, die ihre Triebseele sich ertrumt.

    Der Koran betrachtet das Paradies ganz und gar nicht als Ange-legenheit eines irgendwie verbrieften Rechts, sondern in Verbin-dung mit dem menschlichen Tun. Die Taten und das Streben desMenschen sind Voraussetzungen fr die Erlangung des Paradieses,verbriefen jedoch keinen Anspruch. Deshalb schilt der Koran jene,die das Paradies als das natrliche Recht der Angehrigen dereigenen Religionsgemeinschaft betrachten, und diese sich so inLgengebilden, Illusionen und Trugschlssen verfangen.

    Juden und Christen sind dem Koran nach die wichtigsten Ver-treter solch einer monopolistischen Auffassung vom Paradies (vgl.Sure 2, Vers 111 und Sure 5, Vers 18). Der Koran widerspricht demin der jdisch-christlichen Tradition speziell von der christlichenKirche ber Jahrhunderte hinweg propagierten Dogma, da esauerhalb der Kirche keine Erlsung geben knne, und erffnetdamit der Menschheit den Weg zur Erlsung durch eigenes Stre-ben und das Erbringen guter Taten. Dem Koran nach ist das Para-dies einzig und allein der Lohn fr Taten zum Wohle des Gutenund des Friedens (vgl. Sure 4, Vers 123; Sure 40, Vers 40 und Sure43, Vers 72).

    Verflschungen und erfundene Neuerungen

    Die Auffassung vom verbrieften Recht der Angehrigen einer bestimmtenReligionsgemeinschaft auf das Paradies: Das Paradies ist das Symbolder ewigen Erlsung, Lohn derer, die sich ewiges Leben und Un-sterblichkeit verdient haben. Der Koran benennt drei Bedingungen

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  • (nennen wir sie unentbehrliche Voraussetzungen fr die Erlan-gung des ewigen Lebens), die erfllt sein mssen, um diesen Lohnempfangen zu drfen: 1. Der Glaube an Gott. 2. Der Glaube an dasJenseits bzw. ein Leben nach dem Tode, also daran, da das Daseinnicht auf die Erde beschrnkt ist. 3. Seinen Beitrag zum Wohle desFriedens, des Guten und des Schnen geleistet zu haben.

    So steht es im Koran in Sure 2, Vers 62 und Sure 5, Vers 69 insehr klaren Worten niedergeschrieben. Die erwhnten Koranverselehren darber hinaus, da neben den Angehrigen der Buchreli-gionen, die diese Voraussetzungen erfllen, auch Andersglubigeewige Erlsung finden, wenn sie die Bedingungen erfllen. D. h.,die Angehrigen der semitischen Religionen haben kein Monopolauf das Paradies. Welcher Mensch auch immer so handelt, wie esgefordert ist, wird sich diesen Lohn verdienen.

    In der Terminologie des Korans wird dies mit anderen Wortenausgedrckt, nmlich, da jeder, der diese Welt verlt und keineVielgtterei betrieben hat, der also die Macht des Schpfers aner-kannt und diesem niemanden zur Seite gestellt hat, am Ende derZeiten errettet und ins Paradies eingehen wird. Mit deutlichenWorten benennt der Koran diese Wahrheit in Sure 4, Verse 48 und116: Siehe, Allah vergibt nicht, da man Ihm Gtter beigesellt,doch verzeiht Er im brigen, wem Er will.

    Zu behaupten, die Eintrittskarte ins Paradies knne neben Gott auchirgendein anderes menschliches Wesen ausstellen: Dies ist eine der Ab-surditten, mit denen der Koran aufrumt. Er gesteht keinem Men-schen auch nicht den Propheten die Erteilungsbefugnis fr denEintritt eines Menschen ins Paradies zu. Andernfalls wrde das,was wir oben in dieser Sache ber den Koran gesagt haben, keinenSinn ergeben. Ausschlaggebend sind in Sachen Paradies und ewigeErlsung dem Koran nach einzig und allein das Streben und dieTaten eines Menschen. Daraus schlieen wir, da der Glaube an deneinen oder anderen Propheten nicht zu den unentbehrlichen Vor-aussetzungen fr die Erlangung des ewigen Lebens und den Eintrittins Paradies gehrt. Die Glaubensbekenntnisse der semitischenReligionen sind Bekenntnisse zur Einheit Gottes und besagen, daes falsch ist, andere Gtter neben diesem zu haben. Religise Tradi-tion ist es gewesen, diese Glaubensbekenntnisse um den Nameneines Propheten zu erweitern. Der Koran wendet sich gegen dieseTraditionen, bei denen jeweils das Glaubensbekenntnis um denNamen des eigenen Propheten erweitert worden ist.

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  • In seinem Alltagsleben dem Weg eines Propheten zu folgen istdie freie Entscheidung jedes einzelnen. Man kann dies als eineVoraussetzung fr das Erlangen von Vollkommenheit ansehen,darf es jedoch nicht zu den unabdingbaren Voraussetzungen frdie Erlangung des ewigen Lebens zhlen. Letztere sind die in Sure2, Vers 62 und Sure 5, Vers 69 genannten Bedingungen. Wie ande-re Religionsgemeinschaften haben leider auch Muslime sich imVerlauf der Geschichte im Bezug auf die Erlangung des Paradieseses nicht nur dabei belassen, die Angehrigen der eigenen Reli-gionsgemeinschaft zu prferieren, sondern sie haben darber hin-aus den Propheten Muhammed fr ihr monopolistisches Verstnd-nis instrumentalisiert.

    Die Auffassung vom Paradies als Luxushotel: Dies ist eine der areligi-sen Vorstellungen, die sich aus einem egoistischen Paradiesver-stndnis speist: eine Geisteshaltung, nach der das Paradies soetwas wie der Vergngungsort sexbesessener Faulenzer ist. Esscheint, als liege darin der eigentliche Grund, warum Leute vondiesem Schlag nicht wollen, da auer ihnen noch andere ins Para-dies gelangen fi

    Es lt sich mit den Aussagen des Korans nicht vereinbaren, dasParadies als einen festen Ort zu definieren. Vers 133 der Sure 3und Vers 21 der Sure 57 beschreiben, da das Paradies ausgedehntwie der Himmel und die Erde ist. In der Verwendung dieser Me-tapher fr die Unendlichkeit des Paradieses liegt die zentrale Bot-schaft, das Paradies nicht als Ort, sondern als einen seelischenZustand zu begreifen. Dieser koranischen Wahrheit hat der grteislamische Denker des 20. Jahrhunderts, Muhammed Iqbal (gestor-ben 1938), einmal mit der Aussage Nachdruck verliehen: DasParadies ist kein Raum, kein Ort, sondern ein Seelenzustand.

    Wie der Begriff vom Heiligen Krieg verflscht wurde

    Das Wort Dschihad, das der politische Islam im Verlauf seiner Ge-schichte wie auch in unseren Tagen zur Rechtfertigung von Gewaltund Blutvergieen mibraucht, geht im Arabischen etymologisch aufdie Wurzel cehd zurck, ein Wort, das soviel bedeutet wie uersteAnstrengung aufwenden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Inder Gedankenwelt des Korans taucht dieser Begriff in drei Erschei-nungsformen auf, die sich alle von der Wurzel cehd ableiten lassen:

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  • 1. Mcahede: als Bezeichnung fr uerste Anstrengungen,die ein Mensch aufwendet, um innerliche Reinheit zu erlangen. Inder Mystik werden diese Anstrengungen auch als Innerer Dschi-had oder Groer Dschihad bezeichnet, und in beiden Fllengeht es um die Reinigung des Inneren, des Herzens und der Gesin-nung. Die islamischen Mystiker sehen im Kampf um die innereReinheit das, was den Menschen zum Menschen macht, und jenenKampf, der ihm Erfllung bringt.

    Der Koran enthlt die klare Aussage, da ein Individuum sei-nen in der Gesellschaft angestrebten Platz nicht wird einnehmenknnen, solange es sich nicht darum bemht, seine Gesinnung zundern und reinen Herzens zu werden (vgl. Sure 8, Vers 53 undSure 13, Vers 11). Das Individuum ist die Keimzelle der Gesell-schaft, der Welt und des Universums. Solange die erforderlichenVernderungen in diesem Kern nicht vollzogen worden sind, ge-hen die Hoffnungen auf Vernderungen in den anderen Gebietenins Leere.

    2. Itihad: Dieser Begriff steht fr die uersten Anstrengun-gen auf intellektuellem Gebiet und in der Wissenschaft (speziellauf dem Gebiet der Koranexegese) und heit soviel wie wissen-schaftliches Denken und Forschen unter Einsatz aller Krfte.Denker und Wissenschaftler, die dazu fhig sind, werden als M-tehid (Koran-Exeget) tituliert. Im Itihad liegt der Lebensquell derkoranischen Religion, in ihm liegt der Geist des Islams. Versiegtdieser Quell, so stirbt die koranische Religion.

    Der politische Islam, der die Religion zum Instrument politi-scher Interessen gemacht hat, sowie bestimmte Geistliche, die sichwillentlich oder unwissentlich von diesen Kreisen haben verein-nahmen lassen, haben eine geradezu teuflische Parole in die Weltgesetzt, um den uersten Anstrengungen auf dem Gebiet desIntellektuellen einen Riegel vorzuschieben und bedauerlicher-weise ist es ihnen gelungen, da sich die muslimischen Massenber Jahrhunderte hinweg mit diesem Schlagwort identifizierthaben. Sinngem bersetzt lautet das geflgelte Wort dieser Krei-se: In dieser Angelegenheit ist das letzte Wort gesprochen! DasTor der selbstndigen Urteilsfindung ist geschlossen, den altvor-deren Koran-Exegeten wird niemand mehr folgen.

    Die Muslime unserer Tage sind zum Kampf gegen diese despo-tische, sinnentstellende Weisung aufgerufen, zum Aufstand gegenalle, die dieser Tabuisierung und geistigen Erstarrung das Wortreden! Den Glubigen, sei gesagt, da dieser heilige Aufstand ein

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  • heilbringender Gottesdienst sein wird! Denn solange dieser Auf-stand sein Ziel nicht erreicht, knnen Muslime keine glcklicheWelt aufbauen.

    3. Dschihad: Dies ist die dritte Erscheinungsform des Begriffescehd und bezeichnet den Krieg, den zu fhren man gezwungen ist,wenn die Werte, die den Menschen zum Menschen machen, ver-letzt werden. uerste Anstrengungen in einer Ausnahmesitua-tion also, in der man falls notwendig nicht davor zurck-schrecken darf, das Unvermeidliche zu tun.

    Der Koran hlt den Krieg nicht fr gut, aber unter Umstndenfr legitim. Erfordern die Umstnde einen Krieg, so ist dieser eineunabdingbare Voraussetzung fr die berwindung von Hinder-nissen, die dem Menschen im Weg stehen. Die Kardinalproblema-tik besteht darin, richtig zu bestimmen, ob die Umstnde einenKrieg erzwingen oder nicht, und darin, den Krieg im Geiste desKorans zu fhren.

    Verflschungen und erfundene Neuerungen

    Der Begriff uerste Anstrengungen (cehd) wird auf die Bedeutung vonKrieg reduziert: Die arabische Omaijaden-Dynastie, die kurz nachMuhammeds Tod die Fhrung ber die Muslime an sich gerissenhatte, entkleidete den Begriff uerste Anstrengungen (cehd) vonden erstgenannten beiden Bedeutungen und verwendete den Be-griff nur noch im Sinne von Krieg. Weil der Begriff in seinenersten beiden Dimensionen vollkommen vernachlssigt wurde, wares ausgeschlossen, da er in seiner dritten Dimension im Sinnejener Werte wirksam werden konnte, die der Koran impliziert. DieKriege der arabischen Omaijaden-Dynastie, von dieser als Kriegezum Ruhme Gottes ausgelobt, waren daher nichts anderes alsprofane Schlachten um Land und das Sultanat. Die ersten dunklenFlecken, die das Antlitz des Islams vor der Geschichte verdunkelnsollten, gehen auf diese Kriege zurck. Der trkische MystikerIbrahim Kuadal (gestorben 1845) bezeichnete sie als mit demNamen Heiliger Krieg bemntelte Eroberungsfeldzge und be-trachtete sie als Abweichung vom Wege des Propheten (vgl. denAbschnitt Slk in: ztrk, Kuadal Ibrahim Halvet).

    Kuadal steht mit dieser Meinung nicht alleine da und erfhrtBesttigung aus der Generation der Weggefhrten des Propheten,von den ersten Muslimen, die das hretische Tun der Omaijaden

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  • aufs schmerzlichste durchlitten haben. (Zu Einzelheiten zu diesemThema und Nachweisen verweise ich auf meine Schrift Tasavvuf veTarkatlar.)

    Die Vertreter des arabischen Omaijaden-Sultanats haben sichnicht damit begngt, den Sinn des Begriffs von den uerstenAnstrengungen auf den Dschihad zu reduzieren, sondern instru-mentalisierten diesen Dschihad auch fr ihre eigene Herrschaft.Ihnen ging es einzig und allein darum, einzureien und zu ber-winden, was immer sich an Hindernissen ihrem Sultanat entgegen-stellte: Das erste Hindernis war die Familie des Propheten, diesogleich ihr Haupt gegen die Unterdrckung erhoben hatte. DieBrutalitt der arabischen Omaijaden richtete sich daher zunchstgegen diese. Brutal, mit einer Gewalt ohnegleichen, wurden dieNachkommen des Propheten vergiftet, hingemetzelt und vernich-tet. Damit nicht genug: Von der allerheiligsten Sttte des Islamsaus belegten sie sie fast ein Jahrhundert lang mit Flchen.

    Die politisch-instrumentalisierte Verwendung des Begriffs Dschihad:Die Sultanatsfrmmelei, die im Zuge der Gewaltherrschaft derarabischen Omaijaden-Dynastie in den Islam eingefhrt wordenist, war in der Geschichte Leitbild und leuchtendes Beispiel fr alleGier nach Herrschaft. Das Omaijaden-Sultanat ist der Referenz-punkt und das Vorbild fr den politischen Islam unserer Tage.Fast berall auf der Welt bedient sich die Sultanatsfrmmelei heutedes Slogans vom Gotteskrieg, beutet die ethischen Werte derMuslime aus und instrumentalisiert die religisen Bindungen derMassen fr ihre politischen Ziele.

    Als wre es ein Spiel mit dem Namen Betrug im Namen Al-lahs, weist der politische Islam dem Begriff Gotteskrieg heuteeine Schlsselrolle zu. Mit Untersttzung des Westens (Amerikasund Europas), der sich die Frderung eigener kurzfristiger politi-scher Interessen erhofft, konnte der politische Islam erstarken undhat da und dort begonnen, sich terroristischer Mittel zu bedienen.Es bleibt zu hoffen, da der Westen nach der Tragdie des 11.September zur Besinnung kommt wenn nicht diese Tragdie nurdazu inszeniert wurde, um einen Vorwand fr die Besetzung desNahen Ostens in die Hand zu bekommen.

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  • Von wem ergreifen Dschinnen Besitz?

    Die Bezeichnung Dschinn taucht im Koran an etwa 30 Stellen aufund bezeichnet ein unsichtbares Wesen. Vor dem Hintergrund derkoranischen Angaben zu den Dschinnen die meisten finden sichin der gleichnamigen Sure 72 lassen sich zwei aberglubischeVorstellungen und Verflschungen benennen:

    Zu glauben, da Dschinnen das Verborgene kennen: Der Koran sagtklar und deutlich, da die Dschinnen nicht das Jenseits kennen(vgl. Sure 34, Vers 14 und Sure 72, Vers 10).

    Der Irrglaube, die Dschinnen knnten den Menschen befallen: bergriffegeschehen allenfalls vermittels anderer Menschen. Niemand, der sichim Vollbesitz seiner geistigen Krfte befindet, braucht sich vor irgend-einer Bosheit der Dschinnen zu frchten (vgl. Sure 72, Vers 13). Waswir mit den Worten von Dmonen befallen bezeichnen, ist imGrunde nur das Wirken jener, die solche bergriffe vorschtzen, sichdie Phantasien der Menschen ber die Welt der Dmone zunutzemachen und diese damit in Wirrnis strzen. Wenn sich Menschen mitsolcherlei Einbildungen zum Schutz vor Dmonen dubiosen Zeitge-nossen anvertrauen, tun sie nichts anderes, als sich noch tiefer in ihrUnheil zu verstricken (vgl. Sure 72, Vers 6). Mit anderen Worten:Dschinnen berfallen keine Menschen, doch es gibt solche, dieDschinnen zum Vorwand nehmen, um Menschen auszubeuten. DerKoran warnt vor dieser zweiten Art von Besitzergreifung.

    Festigkeit im Glauben und der Erwerb solider Kenntnisse ver-meiden am besten, sich in Angstzustnde zu verstricken den Ver-stand zu verlieren. Wer sein Heil stattdessen bei Wunderdoktoren,in Amuletten oder anderem Hokuspokus sucht, wird solcherleiHeimsuchung nicht entgehen.

    Wie ist das Freitagsgebet vorzunehmen?

    Das Wort Dschuma, mit dem im Arabischen und im Trkischen derFreitag bezeichnet wird, ist vom Wort Dschem abgeleitet, das sovielwie sich versammeln bedeutet. Dschuma bezeichnet den sechstenTag, den man in vorislamischer Zeit Arbe genannt hat. Schon inder Bezeichnung kommt zum Ausdruck, da die Muslime an die-sem Wochentag an einem Ort gemeinsam beten.

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  • Im Koran kommt dieses Wort dementsprechend als Das Ver-sammeln (Dschumu'a) bezeichnenderweise in der Sure 62 vor,welche die Muslime zur Teilnahme am Freitagsgebet verpflichtetund die damit verbundenen religisen Vorschriften enthlt.

    Der Koran bestimmt den Freitag nicht zu einem Feiertag, son-dern zu einem Tag des gemeinschaftlichen Gottesdienstes. Mehrnoch, er fordert dazu auf, da ein jeder nach dem Gebet an seineArbeit zurckkehre. Man kann also unter Berufung auf den Koranzwar von einer freitglichen Pause fr das Gebet, jedoch nicht voneinem (arbeitsfreien) Feiertag sprechen.

    Im Koran wird nichts darber ausgesagt, wie das Freitagsgebet zuverrichten ist. Das bedeutet, da sich das Gebet nicht von den brigenRitualgebeten unterscheidet, aber, wie der Name schon sagt, kollektivin der Gemeinde zu vollziehen ist. Die im Rahmen des Freitagsgebetesverlesene Predigt (eine Ansprache an jene, die sich zum Gebet ver-sammelt haben), wird zwar in den rechtswissenschaftlichen Schriftenals kanonische Vorschrift bezeichnet, im Koran aber nicht erwhnt.Die Predigt im Gottesdienst am Freitag ist also nicht unbedingt gebo-ten, sondern eine freiwillige Angelegenheit.

    Verflschungen und erfundene Neuerungen

    Der Glaube, das Freitagsgebet mit mehr als zwei Reka (Gebetsabschnitte,in denen der Betende bestimmte Krperhaltungen einnimmt) vollziehenzu mssen: Der Prophet Muhammed hat das Freitagsgebet mit zweiReka vollzogen, der Koran macht hierzu keine Vorschriften. AlleGebetsabschnitte, die unter Verweis auf verschiedene Bezeichnun-gen und Begrndungen vor und nach den beiden vorgeschriebe-nen Abschnitten ergnzt werden, sind erfundene Neuerungen. Inder Trkei werden hinsichtlich des Ablaufes des Freitagsgebetesdie beiden folgenden erfundenen Neuerungen praktiziert: 1. Zweioder vier Reka vor dem eigentlichen Ritualgebet oder 2. zehn Rekaim Anschlu an das eigentliche Ritualgebet.

    Der Glaube, beim Freitagsgebet seien bestimmte Voraussetzungen zuerfllen, die weder im Koran noch in der Sunna vorgesehen sind: Alldiese Reglementierungen sind erfunden, sind Anweisungen ausder Feder islamischer Rechtsgelehrter, die zueinander im Wider-spruch stehen und in den Kpfen der Glubigen groes Chaosverursacht haben. Die beiden bedeutendsten Scheinregeln sind:

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  • 1. Die Behauptung, das Freitagsgebet drfe nur in staatlichanerkannten Moscheen vollzogen werden: Diese Bedingung habenPolitiker zur Kontrolle der Bevlkerung in die Welt gesetzt. Frdas Freitagsgebet ist kein Ort vorgeschrieben, schon gar nicht einestaatlich zertifizierte Moschee. Das Freitagsgebet wird in der Ge-meinde vollzogen, wie es der Name schon sagt. Es wird vollzogen,wo immer die Gemeinde zusammenkommt, sei es in der Moschee,zu Hause, am Arbeitsplatz, sei es auf dem freien Feld oder amStrand.

    Wieviele Gemeindeglieder sind zur Gemeindebildung notwen-dig? Es ist eine Grundregel des religisen Rechts, da mindestensdrei Personen anwesend sein mssen, um eine Gemeinde bildenzu knnen. Zahlenangaben in Hhe von zehn, zwanzig oder vier-zig, die von verschiedenen Rechtsgelehrten genannt werden, beru-hen auf eigenem Ermessen und sind aus religisen Quellen nichtzu belegen.

    2. Die Behauptung, ein religionsamtlich beauftragter Imammsse das Gebet leiten: So eine Regel existiert nicht. Der Islamlehnt eine Fhrerschaft im Gottesdienst ab. Wenn Muslime sichversammeln, um gemeinschaftlich das Gebet zu verrichten, whlensie aus ihrer Mitte denjenigen aus, den sie als Vorbeter fr am be-sten geeignet halten. Wenn unter ihnen jemand die Gabe besitzt,den Koran besonders gut zu rezitieren, werden sie diesen selbst-verstndlich vorziehen. Aber unabdingbare Bedingung ist diesnicht.

    In diesem Zusammenhang wird hufig auch die Predigt falschbewertet. Wie oben bereits erlutert, gehrt die Predigt nicht zuden Pflichtbestandteilen des Freitagsgebetes, sondern ist berlie-ferte religise Praxis. Alle von Predigern heute zur Schau gestell-ten zeremoniellen Darbietungen der Predigt in Form festgelegterIntonation, Gestik, bestimmter Bewegungsablufe und rezitierterGebete sind Erfindungen omaijadischer Provenienz, und es istunangebracht, die Predigt unter Verweis auf solcherlei Zeremoniellals gefhlsmige Angelegenheit zu betrachten.

    Festzuhalten bleibt, da Muslime beiderlei Geschlechts, wenndrei von ihnen zusammengefunden haben, das Freitagsgebet ver-richten knnen, wo immer sie sich befinden. Nichts zwingt siedazu, sich in einer bestimmten Moschee zu versammeln oder Auf-lufe an bestimmten Pltzen oder in bestimmten Straen zu ver-anstalten.

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  • Zu behaupten, da das Freitagsgebet nur Pflicht der Mnner sei, undFrauen am Verrichten des Freitagsgebetes zu hindern: Dies ist mit demIslam nicht zu vereinbaren. Der Koran gebietet das Freitagsgebetallen Glubigen ohne Ansehen des Geschlechtes. Alle religisenQuellen besagen bereinstimmend, da Mnner und Frauen zuMuhammeds Zeiten die rituelle Waschung am gleichen Ort, sogaraus der gleichen Wasserquelle vorgenommen und das Freitags-oder Feiertagsgebet ebenfalls am gleichen Ort vollzogen haben(vgl. z. B. Ibn Hemmm, 3/302). Die Diskriminierung von Frauengeschah erst in spteren Zeiten, als man mit der Begrndung,Frauen schafften Unruhe, deren Teilnahme an Freitags- und Feier-tagsgebeten verhindert hat. Heute begrndet man dies auch mitdem Vorwand der Platz in den Moscheen reiche doch schon frdie Mnner nicht aus, wenn nun auch noch die Frauen zum Frei-tags- und Feiertagsgebet kmen fi

    Dies ist ein typisches Beispiel fr ein areligises Argument zurRechtfertigung einer nicht-islamischen Praxis, dessen man sichnicht zu bedienen htte, wenn man das Freitagsgebet entsprechendden Vorgaben des Korans und der Sunna verrichten und weder be-stimmte Moscheen noch Vorbeter zur Bedingung machen wrde.Denn jeder Glubige kann das Freitagsgebet berall verrichten, wosich ein paar Leute versammeln sei es zu Haus