bericht über die 57. jahresversammlung der deutschen ornithologischen gesellschaft 1907

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122 Bericht fiber die 57. Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 1907. Verhandelt Berlin, Freitag, den 4. Oktober Abends 8 Ohr im hrchitekten-Vereinshause Wilhelmstr. 92I. hnwesend yon Mitgliedern: Fraulein Snethlage und die Herren: Kollibay, Schalow, Heck, Reichenow, Haase, v. Treskow, Neumann, Hartert, v. Quistorp, Jacobi, Helm, Deditius, v. Dallwitz, Ehmcke, Paeske, Schillings, Thienemann, Frh. v. Schweppenburg, KSnig, v. Lucanus, Gottschlag, Bringer, Voigt, F. Henrici, Hantzsch, Braun, Kuschel, Neunzig, le Roi, Graf Zedlitz, Krause, Schiller, Koske, Schnoeckel, Frh. v. Berlepsch, Dietrich. Als Giiste nahmen teil die Herren: Plate, K. Kothe, Hans Werther v. Quistorp, F. E. Stoll (Riga), Staudinger, A. Brauer, E. Vanhiiffen, H. Hocke, Herin. Grote, Erich Hoffmann, P. Kothe, Miethke, P. Krfiger, M. GStzsche (NykSbing a. Falster), G. Waeles, R. Priemol, Dr. Berger, Dr. Thfimmel (Braunschweig), E. Strese- mann, Ernst Nolda. Vorsitzender: Herr Heck, Schriftfrihrer die Herren K. Kothe und Haase. Herr Heck begrfifste die hnwesenden, sprach seinen Dank aus frir das zahlreiche Erscheinen und die Hoffnung, dafs die u der schSnen Wissenschaft zum Vorteile gereicben mSchten. Redner teilte hierauf mit, dafs der Gesellschaft durch den Tod entrissen worden sind: der Priisident der Gesellschaft, Herr Prof. Dr. Rud. Blasius, das Ehrenmitglied, Herr Prof. Alfr. Newton in Cambridge und das langj~ihrige Mitglied, Herr h. Grunack. Herr Heck hebt die Verdienste der Verstorbenen, insbesondere des so plStzlich geschiedenen Priisidenten um die Gesellschaft und die Wissenschaft hervor. Die Versammlung ehrt das hndenken der Verstorbenen durch Erheben yon den Pl:,ttzen. Herr Reich e n o w legt die Tagesordnung fest und fibermittelt schriftliche bezw. telegraphische Grrifse der Herren v. Tschusi, Wilh. Blasius, Nehrkorn, Borggreve, Heine, Reiser~ Graf Berlepsch, Heinroth u. Frau. Herr Reichenow schl~igt vor, zu stellvertretenden Vorsitzenden der Versammlung die Herren Schalow und Kollibay, zu Schriftfrihrern die Herren Haase und K. Kothe zu w~thlen. Die Versammlung gibt ihre Zustimmung. Nach ferneren gesch~tftlichen Mitteilungen durch den General- sekretiir erteilt der Vorsitzende Herrn Prof. Koenig das Wort: Herr hi. Koenig berichtet zun~ichst fiber eine Locustella luscinioides, die er aus der Rheinprovinz am 21. Juli 1904 erhielt und die im Vergleich mit ungarischen Stricken auf dem Riicken grauer ist. Dieser Vogel wurde in Krickenbeck, dem Besitztum des Grafen Schaesberg nahe der holliindischen Grenze durch Hans Freiherr v. Geyr-Schweppenburg entdeckt, weshalb der Vortragende

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Page 1: Bericht über die 57. Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 1907

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Bericht fiber die 57. Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 1907.

Verhandelt Berlin, Freitag, den 4. Oktober Abends 8 Ohr im hrchitekten-Vereinshause Wilhelmstr. 92I.

hnwesend yon Mitgliedern: Fraulein Snethlage und die Herren: Kollibay, Schalow, Heck, Reichenow, Haase, v. Treskow, Neumann, Hartert, v. Quistorp, Jacobi, Helm, Deditius, v. Dallwitz, Ehmcke, Paeske, Schillings, Thienemann, Frh. v. Schweppenburg, KSnig, v. Lucanus, Gottschlag, Bringer, Voigt, F. Henrici, Hantzsch, Braun, Kuschel, Neunzig, le Roi, Graf Zedlitz, Krause, Schiller, Koske, Schnoeckel, Frh. v. Berlepsch, Dietrich.

Als Giiste nahmen teil die Herren: Plate, K. Kothe, Hans Werther v. Quistorp, F. E. Stoll (Riga), Staudinger, A. Brauer, E. Vanhiiffen, H. Hocke, Herin. Grote, Erich Hoffmann, P. Kothe, Miethke, P. Krfiger, M. GStzsche (NykSbing a. Falster), G. Waeles, R. Priemol, Dr. Berger, Dr. Thfimmel (Braunschweig), E. Strese- mann, Ernst Nolda.

Vorsitzender: Herr Heck, Schriftfrihrer die Herren K. Kothe und Haase.

Herr H e c k begrfifste die hnwesenden, sprach seinen Dank aus frir das zahlreiche Erscheinen und die Hoffnung, dafs die u der schSnen Wissenschaft zum Vorteile gereicben mSchten.

Redner teilte hierauf mit, dafs der Gesellschaft durch den Tod entrissen worden sind: der Priisident der Gesellschaft, Herr Prof. Dr. Rud. Blas ius , das Ehrenmitglied, Herr Prof. Alfr. N e w t o n in Cambridge und das langj~ihrige Mitglied, Herr h. Grunack . Herr Heck hebt die Verdienste der Verstorbenen, insbesondere des so plStzlich geschiedenen Priisidenten um die Gesellschaft und die Wissenschaft hervor. Die Versammlung ehrt das hndenken der Verstorbenen durch Erheben yon den Pl:,ttzen.

Herr Re ich e n o w legt die Tagesordnung fest und fibermittelt schriftliche bezw. telegraphische Grrifse der Herren v. Tschusi, Wilh. Blasius, Nehrkorn, Borggreve, Heine, Reiser~ Graf Berlepsch, Heinroth u. Frau. Herr Reichenow schl~igt vor, zu stellvertretenden Vorsitzenden der Versammlung die Herren Schalow und Kollibay, zu Schriftfrihrern die Herren Haase und K. Kothe zu w~thlen. Die Versammlung gibt ihre Zustimmung.

Nach ferneren gesch~tftlichen Mitteilungen durch den General- sekretiir erteilt der Vorsitzende Herrn Prof. Koenig das Wort:

Herr hi. Koenig berichtet zun~ichst fiber eine Locustella luscinioides, die er aus der Rheinprovinz am 21. Juli 1904 erhielt und die im Vergleich mit ungarischen Stricken auf dem Riicken grauer ist. Dieser Vogel wurde in Krickenbeck, dem Besitztum des Grafen Schaesberg nahe der holliindischen Grenze durch Hans Freiherr v. Geyr-Schweppenburg entdeckt, weshalb der Vortragende

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diese Art subspecifisch fafst und sie zu Ehren des-Entdeckers triniir Zocustella luscinioides Geyri benennt.

Sodann schildert Hr. K o e n i g eine Reise in die arktischen Gew~isser im Sommer 1905, und eine wissenschaftliche Expedition nach der B~ireninsel und Spitzbergen im Sommer 1907, deren Schilderung hier im Wortlaut folgt:

Hochverehrte Herren! Im Sommer des Jahres 1905 unternahm ich nach einer

gliickiich iiberstandenen Operation mit meiner Frau eine sogen. Vergntigungsreise in die arktischen Gew~isser. Da ich nun einmal prinzipiell hie ohne Flinten, Scalpelle und hrsenikseife reise, brachte mir auch diese in der Tendenz nur auf die Touristen zugeschnittene Fahrt eine Summe grofser Forscherfreuden. Durfte ich doch die wunderbare arktische Vogelwelt zum ersten Male sehen und kennen lernen! W~hrend ich auf derselben fieifsig den Vater Heuglin studierte, lugte ich allseitig scharf aus und erblickte Springwale, Delphine und Seehunde, aber auch - - und das interessierte reich natiirlich am meisten - - eine ganz eigen- artige Vogelwelt. Wie war ich entziickt, als ich die langen Reihen der Lummen sah, die wie Perlenschntire hintereinander zogen, oder auf dem Wasser schwimmend dicht vor dem Buge unseres Dampferkolosses in die Tiefe tauchend verschwanden. Dem Kiele aber folgten die DreizehenmSwen, jene schaumgeborenen Kinder des Meeres selbst, im unaufhSrlichen hb- und Zufiiegen, huf- und Niederwallen. Am meisten jedoch, glaube ich, wird jedes huge gefesselt werden durch den wunderbaren Flug des Eissturmvogels. Ohne jegliche Scheu vor dem Mensehen und ohne Furcht -~or dem dahinschnaubenden Riesendampfer gleitet dieser Taucher der Liifte dicht an den Planken des Schiffes vorbei oder tiberfiiegt gar den Vorderbug, zum Greifen nahe. (3her die Wellen abet streicht er haib eulen-, halb schnepfenartig dahin und zwur so nahe, dafs man vermeint, er mtisse die Spitzen seiner Fittiche netzen und damit dem Meere verfallen, hber weit gefehlt: der Vogel kennt genau den hbstand zwischen sich und dem Wasser find die Muskulatur seinerVorderextremitiiten funktioniert so hervor- ragend, dafs man niemals auch nur ein Tippen der Schwingen auf der Wasserfiiiche wahrnehmen wird.

hber das Sehen allein gentigt dem Forscher bekanntlich nicht. Er mars die Gegenst~nde seiner Bewunderung mit der Hand ftihlen, fassen und ergreifen kiinnen! Geradezu entlastet kam ich mir daher vor, als der Dampfer im Bellsund yon Spitzbergen nach 2 t~igiger Fahrt im nSrdlichen Eismeer die hnker niederrasseln liefs und ich so die Spannnngen meiner Sinnesorgane auslSsen konnte.

Ich stieg in den Nachen und im Umsehen war derselbe ge- fiilit yon den begehrenswertesten u der hohen Arktis: Teisten und Lummen, den niedliehen Krabbentauchern, Eiderenten, aber auch Seeschwalben, DreizehenmSwen und EissturmvSgeln. Wet

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nie die Freuden empfunden hat, welche einem Forscher das Schiefsen und Erlangen neuer, bisher far ihn noch ungekannter Arten bringen, der freilich kann den Inbegriff der Herzenswallung nicht verstehen, -- derjenige aber, der selbst jene Freuden durch- kostet hat, der wird es begreifen kSnnen, in welchem Stadium des Gliickes und der Freude ich mich befand, als ich in meinem beutebeladenen Nachen zum Dampfer zur~ickkehrte. Nur knappe 6 Stunden waren for den Bellsund ausgeworfen, eine leider natiirlich viel zu kurze Zeitspanne, um die Reichtiimer dieses far dieYogelwelt so begiinstigten Fjordes auch nur einigermafsen erschSpfend kennen zu lernen. Und doch war es mir beschieden, kaum in 10 Minuten nach dem Betreten einer kleinen Insel daselbst einen fiir den ganzen Spitzbergen-Arehipel neuen Brutvogel festzustellen, n/imlich die Trauerente (Oedemia nigra). Bei meiner AnnKherung strich die Ente flatternd vom Neste, wurde dabei geschossen und der kostbare Fund eines frischen Geleges eingeheimst.

Neue und reiche Freuden brachte mir der 36-sttindige Aufent- halt in der Adventbai, den ich zun/~chst dazu benutzte, eine ganze Nacht, die in der Lichtfiille zu jenen Zeiten bekanntlich nahezu gleichwertig ist mit dem Tage, in dem Kahne auf dem Wasser zuzubringen. Ich schofs Dreizehen- und BtirgermeistermSwen, EissturmvSgel, Papageitaucher, Teisten und Dickschnabellummen, auch eine Reihe yon der langschw~inzigen RaubmSwe, sowie als Glanzobjekt der ganzen Reise eine wunderschSne Elfenbein- mSwe. Eine kurze Ruhe an Bord, -- dann weiter hinaus auf's Meer, aber auch art's Land und in die Berge. Viel zumuten durfte ich mir noch nicht -- da die Sch,ittwunde noch nicht geniigend vernarbt war - - aber ich fand doch allerlei SchSnes, so das allerdings stark bebriitete Gelege yore SeestrandlSufer (Tringa maritima) u. A. Es war spSt, als ich auf unser schwimmendes Hotel zuriickkehrte. Die Musikkapelle, welche so lustig vorher gespielt, hatte ihre Weisen 1/~ngst eingestellt, aber die vergniigte an 300 Personen starke Gesellschaft erging sich - - es ist un- glaublich zu sagen m die Herren im Smoking und weifsen Pantalons - - die Damen in hocheleganter decolletierter Toilette auf Deck, um die Mitternachtssonne zu geniefsen, die in ihrer ganzen Majest/~t yore Himmel niederstrahlte, als ob sie far uns bestellt worden w/~re.

So dankbar ich auch far die erlebten Jagd- und Forscher- freuden war, so wehmtitig war es mir doch zu Mute, als ich die schrille Pfeife des Kapit/~ns vernahm, welche die Abfahrt des Schiffes yon Spitzbergens Kiiste verkiindete. Ein grofser Herzens- wunsch griff in mir Platz: Spitzbergen wiederzusehen, wenn mSglich abet unter anderen VerhKltnissen, die reich mehr Herr meiner Zeit sein liefsen. Was ich damals gewiinscht, aber kaum zu fassen gewagt habe, hat sich mir in diesem Jahre glSnzend erfiillt. Ich konnte einen norwegischen Dampfer zu meiner eigenen Verfiigung erhalten, welcher mit grofser Sachkenntnis yon Herrn Ingenieur

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Bericht tiber die 57. Jahresversammlung 1907. 125

de Gisbert in Hamburg geschartert wurde. Dieser Dampfer ,,Erik Jarl" mit l~amen, d. b. Herzog, Erich gehSrte einer norwegischen Kiistendampfergesellschaft an und war fiir den Personenverkehr bestimmt. Er hat sich auf der ganzen Reise trotz seiner geringen Griifse (er hatte nur einige einhundertundsiebzig Tonnen Raum- inhalt) geradezu gliinzend bewiihrt, indem er nicht nur den oft sehr gefiihrlich werdenden Eisschollen wacker Stand hielt, sondern auch unter den schwierigsten Verh~iltnissen sich immer wieder yon seinen Wunden erholte und den auf der Riickreise einsetzenden, starken Sturm siegreich tiberwand, sodas er wegen seiner Leist- ungen sogar yon vielen Riesendampfern wirklich beneidet wurde. Beneidet aber konnte er mit Recht werden; war er doch der einzige in diesem Jahr (aufser den Waldampfern), welcher die ganze Westktiste Spitzbergens bis hinauf zur Moffeninsel besuchen und die zahlreichen Baien und Fjorde anlaufen konntei

Die Vorbereitungen zur Reise waren rasch getroffen, die Kisten bald gepackt. Das aus einigen 40 Collis bestehende Ge- p~ck ergab das respektable Gewicht yon weit tiber 2000 Kilo- gramm. Ich brachte diese ,,Kleinigkeit" persSntich nach Hamburg und liefs sie yon dort per Schiff weiter nach Drontheim verfrachten. Alles ging glatt yon Statten und als ich mit meinen Herren in Drontheim anlangte, war das GepSck zur Stelle.

t u f dem Schiffe sah ich reich umringt yon sehr lieben und sympathischen Menschen, die rasch in die dargebotene Hand, die Reise mitzumachen, eingeschIagen hatten. Da war zun~ichst ein Regierungsrat aus Dtisseldorf, ein alter lieber Jugendfreund, der bis ins Kleinste hinein bemtiht war, allen unsern Wtinschen Rechnung zu tragen und vor der Abreise meiner diesmal reich nicht begleitenden Frau versprechen mufste, sie zu ersetzen, so gut es eben ging. Dieses Versprechen hat er gl~tnzend gehalten. Nahm er mir doch in geradezu vornehmer Weise die kleinen hlltagssorgen ab, sodafs dadurch auch nicht der geringste Hauch yon Verdrufs und Unannehmlichkeit an reich herantrat. Da war ferner der Medicus, zwei Herren in deren hdern Ktinstlerblut rollte und deren Pinsel in meisterhafter Weise die gl~nzenden Bilder mit den magischen Beleuchtungseffekten fest- zuhalten suchten, da a u c h - last not least -- 2 Jiinger der Wissenschaft, welche die Begeisterung ftir das Hehre und ScbSne geradeso im Herzen trugen wie ich, und deren Wfinsche und Wollen sich mit der Energie und dem KSnnen voll paarten. Ihnen habe ich in erster Linie den gl~tnzenden Erfolg meiner Spitzbergenreise zu verdanken. Ffir die Bearbeitung der ge- schossenen VSgel standen 4 Pr~iparatoren zur Verftigung, die unermtidlich tiitig waren, aufserdem war da ein Btichsenmacher zur Instandhaltung sowie zum Eingreifen yon nStig werdenden Repa- raturen an unseren Gewehren. Aufser dem Kapit~n war Herr de Gisbert durch eine liebenswtirdige PersSnlichkeit vertreten; ferner batten wit bis TromsSe einen Kfistenlotsen an Bord, der

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yon dort ab wiederum durch einen sehr bew~ihrten Eislotsen ersetzt wurde. Auf meinen ganz besonderen Wunsch waren noch 2 Fangleute engagiert worden, yon denen der e i n e - ein Lappe

- - ein berufsm~ffsiger Kletterer aus den Vogelbergen Nor- wegens stammte und seine Sache auf der ganzen Reise vor- ztiglich machte. - -

~ach diesen persSnlichen Angaben gestatte ich mir denn zu dem eigentlichen, wissenschaftlichen Teile meines Vortrages iiberzugehen.

Schon in blorwegen selbst setzten nattirlich unsere ornitho- logischen Beobachtungen ein.

Bei einem Ausfluge in die herrliche Umgebung yon Christiania beobachteten wir Chrysomitris spinus, meist singend und balzend auf den hSchsten Fichtenspitzen, Muscica~a atricapilla, Parus borealis u. A.

In Drontheim kamen wir insofern einen Schritt weiter, als wir bei einem Besuche der herrlichen Lerfos-Wasserfiille bereits wertvolle Dunenjunge yon tJarus borealis und Turdus pilaris einsammeln konnten. Es wurden 35 Vogelarten beobachtet und notiert, n~imlich Chrysomitris spinus, eine Turdus merula, die offenbar dort nicht h~iufig zu sein scheint, ferner Fringilla monti- fringilla, ein ~ mit einer Rattpe im Schnabel, also wohl ftitternd - - eine Kolonie Cotile riparia und viele Cypselus apus. Musci- capa grisola und atrieapilla h~iufig, auch ~uticilla phoenicurus, Cinclus melanogaster, Anthus arboreus, Hirundo rustica und urbica, Sylvia hortensis und cinerea. _Numenius arcuatus.

Am 12. Juni abends bestiegen wir unseren ,,Erik Jarl" und dampften unmittelbar darauf ab. Dem Kiel des Schiffes folgten Silber- und SturmmSwen, Mantel- und HeringsmSwen. Als wir so bei wunderbar schiinem ruhigem Wetter in dem reizvollen Drontheimer-Fjord dahinfuhren, konnten wir uns nicht trennen yon dem hnblick der uns umgebenden landscha[tlichen Scenerie, zumal die Mitternachtssonne es gut mit uns meinte und unbe- schreiblich schSne Beleuchtungseffecte hervorrief. Mehr noch als diese fesselte uns jedoch der Anblick der nordischen Vogelwelt. Mit hetler Freude begrtifsten wir die ersten Eiderenten, deren schmucke Erpel unser ganzes Entzticken wachriefen. Wir sahen ferner Colymbus septentrionalis, vereinzelt Cepphus grylle, Graug~tnse - - (welcher Species angehSrig, konnten wir bei der fliichtigen Sicht nicht feststellen), Haematopus und einen Halia~tus albicilla, den ersten und letzten, welchen wir auf der ganzen Fahrt zu sehen Gelegenheit hatten. Delphine und Seehunde tauchten oft dicht vor unsrem Schiffe auf. Mergus serrator und _Phalacrocorax carbo sahen wit h~iufig, tags darauf auch graculus auf den Felsen- holmen in Mengen sitzen; Lestris parasitica einzeln.

Am 14. Juni ergStzten wir uns an einer Schar yon Sterna macrura und minuta, die stofstauchend einem bestimmten Wasser-

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striche folgten; wir begegneten den ersten Tordalken und Lummen und sahen neben einer grofsen Anzahl Staren auch 2 Kolkraben und einen SchoofOedemia /usca.

Am 15. waren wir in TromsSe, jener Stadt, welche bereits arktisches Gepr~ige in ihrem ganzen Wesen und Umfange zeigt. Eine Excursion auf die Insel und an den See yon Troms5e brachte eine kostbare Reihe ,con Nestern mit frischen Eiern yon Turdus pilaris, ein Nest mit Gelege yon T. iliacus mit brfitendem Vogel, den Herr v. Geyr in grSfster Geschicklichkeit mit der Hand gefangen hatte.

Nat~irlich wurde auch das Museum einer eingehenden Be- sichtigung unterzogen, dessen Conservator Herr Schneider und sein Assistent Paul Bjerkan uns darin herumzuf~ihren die Freund- lichkeit hatten. Wie gebannt, blieben vdr nile an einer pracht- vollen Gruppe arktischer, sehr starker und hochl~iufiger Ffichse aus Norwegen stehen. Im unteren SaMe war auch eine grSfsere Glasvitrine ffir die arktischen VSgel aufgestellt. Nat~irlich inter- essierten wir uns ffir die eingehende Durchsicht der Spitzbergen- Ornis am meisten. Da erblickten wir Lagopus hyperboreus, Sunder. in einem ~-lichen und Q-lichen Stficke und einen Strepsilas interpres im Hochzeitskleide, der - - wenn ich nicht irre - - yon Kolthoff auf Spitzbergen erlegt wurde.

In dem oberen Stockwerk ist die nordische Vogelsammlung nicht nur sehr reichhaltig, sondern auch sehr sauber und ~iber- sichtlich angeordnet und aufgestellt. Prachtvolle Suiten yon Colymbus arcticus und glacialis, alle nordischen MSwenarten bis auf Xema und l~hodostethia in den verschiedenen Stadien gut ausgestopft; auch die Tetraonengruppe ist reich vertreten und sehr hiibsch aufgestellt. An den kleineren VSgeln ist kein Mangel -- sie alle sind mit sehr viel M~ihe und Sorgfalt pr~,pariert. - - Mein ganzes Entzficken bildete eine herrliche Reihe prachtvoller Somateria Stelleri-Erpel, die alle im TromsSer Bezirk geschossen waren. Mehr noch als diese begeisterte reich ein erythristisches Gelege yon Larus argentatus. Dieses reizte mich so sehr, dafs ich dem Herrn Schneider 200 Kronen daftir bot. Es zuckte eigentfimlich um seine Mundwinkel, als ich ihm den anscheinend fiberhohen Preis daffir nannte, und schon wurde er schwankend, ob er mir die Eier nicht doch daffir abgeben sollte, als die zuf~llig da- zwischengeworfene Mitteilung, dafs diese Eier haufiger beim TromsSer Kaufmann Tomasen k~uflich zu haben sind, mich yon meinem Angebot Abstand nehmen liefs. Natfirlich suchten wir gleich diesen Biedermann auf, und siehe dal ein prachtvolles erythristisches Gelege mit noch 2 anderen Eiern vom vorigen Jahre lagen verstaubt in einer alten Cigarrenkiste. Als ich nach dem Preis fragte, melnte der Kaufmann, ich mfifste 4 Kronen far jedes Stfick zahlen und da ein Ei besch~idigt war, wollte er mir dasselbe nicht anrechnen. So machte es 16 Kronen aus.

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]Kit wichtiger ]Kiene knapste ich dem Braven noch 1 Krone ab und wickelte die kostbaren Eier unter leisem Gekicher meiner Herren vorsichtig in Watte. - - - -

Am 15. Juni mittags 2 Uhr verliefsen wir TromsSe und steuerten direct nach l~orden auf die Bareninsel los. Nach zweistiindiger Fahrt empfing uns die offene See, die so glatt und ruhig war, wie sie unser im Dienst ergrauter Eislotse bisher noch kaum gesehen hatte. Hatten wir doch in TromsSe eine Temperatur yon 260 R~aumur, wie sie in diesem Monat geradezu unmSglich ffir dort erscheint. Auf dem Dampfer hatten wir am 16. Juni auf hoherSee noch 140 Celsius. In der Nacht wetterleuchtete es mehrfach and ein leiser Donner grollte in der Ferne. Es war unheimlich schwfil ffir jene Breite! Im TromsSer Fjord tummel- ten sich vieleAlca torda, aberbeim Verlassen der Kiist'e verschwanden sie mehr und mehr und machten den Lummen Platz. Wir sahen die ersten Fulmarus und Larus glaucus, sonst t~issa, Mormon und Lestris parasitica.

,,Die Biireninsel ist verpackt in Eis und dichte Nebel um- wallen das Eiland. Hinzukommen ist unmSglich." So etwa lauteten die Aatworten, welche man uns in TromsSe auf unsere Fragestellung der heurigen Eisverh~ltnisse gab. kber wir liefsen uns dadurch nicht einschfichtern: wir sahen selbst zu und fanden zu unsrer grofsen Verwunderung, dafs grade das Gegen- teil der Fall war. Als die Umrisse der B~reniasel am hTachm. des 16. Juni sichtbar wurden, vermifsten wir - - natiirlich zu unsrer Freude -- das Packeis, und yon Nebel war erst recht nichts zu sehen. Wunderbar klar lag die Insel vor uns, umgeben yon einigen Eisschollen, auf denen BfirgermeistermSven und viele Lummen sal'sen. Das sah reizend aus, wir waren wie elektrisiert davon und konnten uns nicht trennen yon dem Anblick, den jede Minute in veriinderter Form unseren entzfickten Augen bot. Fieberhaft vibrierte uns das Blut in den Adern und nur die Tatsache, dais Mitternacht l~tngst vorfiber war und der ]Korgen uns frisch und kr~ftig begrfifsen mufste, liefs uns die erregten Nerven beschwichtigen und Ruhe zum neuen Tages- werke finden.

Bewamst und hochbestiefelt standen wir in aller Friihe auf Deck. Rasch verteilten wir uas in 2 Ruderboote und er- 5ffueten gleich nach unserer Abfahrt ein wahres Bombardement auf die uns entgegenkommenden Lummen und ]KSwen.

Uber die Lage und die geographischen Verh~ltnisse der Biireninsel will ich reich hier nicht weiter verbreiten, dagegen die dortige Vogelwelt namentlich vorffihren und die darfiber vor- liegenden Arbeiten einer Kritik unterziehen.

Swenander, der wohl die beste Arbeit fiber die Ornis der B~reninsel geliefert hat, z~hlt 16 BratvSgel auf, die ich als solche vollauf best~tigen kann.

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Bericht ~iber d4e 57. Jahresversammlung 1907~ 129

1. Plectophanai nivalis, (L:): Der Schneeammer ist a u f der B~reninSel bei weiteui nicht

so h~iufig wie auf Spi tzbergen. Wir schossen jedoch :eine genfigende Anzahl als Belegstiicke; Nester und-Gele~e: fanden wi r auf der B~reninsel nicht, sahen :abet die ~ M i t t e :Juni in;:voller Balz. Zeitweise, wahrscheinlich im ersten-Friihlifig'Und Herbst,. miissen grofse Schwiirme ~on Schneeammern: auf de~ B~reninsel verweilen~ da wit ihren Kot massenhaft~ auf-:dem Klippenmoos fanden,

2. Tringa striata, L: 1766 --- maritima, Gin. 1788 :ex.Briinn. 1st hiiufig "auf der B~reninsel. Es liegen Viigel und ein

guterhaltenes Gelege vor. Der ~Iageninbalt-wird noch'genau untersucht werden. Soviel ist aber gewifs, dafs der Seestrand- l~ufer v0rwiegend animalische Kost zu sich nimmt. D i e im Magen aufgefundenen Siifswasseralgea werden wohl nut zuf~illig dahineingelangt sein und wohl kaum seine eigentliche Nahrung ausmachen, wie RSmer und Schaudinn glauben. Das ist schon yon Swenander rectificiert worden.

3. Sterna macrura, Naum. Uberall, namentlich abet im Norden der Insel auf kleinen

Inselchen in Siifswasserseen briitend. Um Mitte Juli hatten sie durchweg noch frische Eier. Wir sammelten eine ganze Menge, Viele zu zweien, einige abet auch Zu je einem Ei im G e l e g e - drei Sttick im Gelege haben wir niemals gefunden.

4. Rissa tridactyla, (L,). Bei unserer Ankunft auf tier BRreninsel hatten die Drei-

zehenmiiwen durchweg Eier, aber auch schon kleine Dunenjunge. Das Gelege besteht meistens aus 2 Stfick, doch findet man mit- unter auch 1 El. Die Eier sind sehr charakteristisch-stumpf und unterliegen weitgehenden Variationen. Der ohrenbetRubende L~rm, den eine grSfsere Kolonie dieser VSgel hervorbringt, ist unbe- schreiblich, die hochrandigen Nester stehen dicht beieinander und werden yon den Besitzern auf's schiirfste verteidigt. Mitte Juli f~.nden wir schon erwachsene Junge in den Nestern, die natfirlich sorgf~iltig prapariert wurden. In den Kolonien sieht man nur.alte, geschlechtsreife Individuen, auch auf dem Meere werden nur ganz selten einj~ihrige Stiicke wahrgenommen.

5: Larus glaucus, Briinn. Wir haben die BfirgermeistermSwe auf der B~ireninsel als

h~iufigen Brutvogel kennen gelernt. Sie legt ihre aus Moosstticken locker gefertigten, umfangreichen Nester meist auf der HShe der Bergkanten, aber auch auf kleinen Inselchen an, -- und durchaus nicht selten nur einige Furs fiber dem Meeresspiegel auf nur wenig hSher gelegenen Klippen und ErdbSschungen. Swenander'-be '

Jo~m. f. Ore. LYI. Jahrg, Janua~ 19~. 9

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180 Berlcht aber die 57. Jahrosversammlung 1907.

zeichnet diese Beobachtung, welche bereits 1864 v o n d e r schwe- dischen Expedition und sodann in der Fauna Arctica yon R5mer & Schaudinn erw~hnt wird, als nicht zutreffend. Jedoch befindet sich Swenander darin im Irrtum. Wir haben eine ganze Reihe yon Nestern fast unmittelbar am Seestrande gefunden und daraus Eier und Dunenjunge genommen, die Zahl der Eier ist in der Regel 3, man findet jedoch auch sehr h~iufig 2. Ein einzi~es Mal fanden wir 4 Eier im Gelege, was wohl als grofse Seltenheit zu bezeichnen ist, um so mehr, als alle 4 angebrfitet waren. Die wunderhfibsch gettipfelten Dunenjungen sammelten wir in allen Stadien ein; auch lj~hrige und 2jahrige Exemplare schossen wit vereinzelt, namentlich im Russenhafen, wo wir grouse Scharen v0n BiirgermeistermSwen an Walfischkadavern antrafen.

6. Zestris parasitica, L. SchmarotzerraubmSwe. �9 Ist sehr h~ufig auf der Biireninsel. Im letzten Junidrittel scheint die Fortpflanzung einzusetzen. Bei unserem ersten Dort- sein fanden wit noch keine Eier, bei unserer Riickkehr hoch be- brfitete Eier und eben ausgefallene Dunenjunge. Wir erlegten auch die dunkele Form, die nur selten vorzukommen scheint, in mehreren Exemplaren.

7. _Fulmarus glacialis, L. D e r Eissturmvogel brtitet auf der ganzen Insel angesichts

des Meeres auf Schutthalden und an schroffen Felsh~ngen. Eine sehr grofse Kolonie befindet sich auf dem Gullfelsen, wo wir in kfirzester Frist viele Dutzend Eier sammelten. Hellweifse und dunkelgraue VSgel brttten dicht neben einander. Ich mSchte die hellen Stficke ffir ein hSheres hltersstadium halten und die dunkelgrauen als junge VSgel ansprechen. Er legt natfirlich stets nur 1 El, einmal fanden wir auch einen Vogel auf 2 Eiern brfitend an, :wovon jedoch 1 Ei faul war und wahrscheinlich yon einem anderen Vogel stammte, VSgel in den verschiedensten F~irbungs- stadien, Eier und Dunenjunge liegen in gro[ser Anzahl vor.

�9 8. Harelda glacialis, (L.). �9 :: Vom Nordhafen ausgehend, fanden wir auf einem kleinen Inselchen eines grSfseren Sfifswassersees mehrere Nester mit Eiern der Eisente und schossen auch die dazugehSrigen YSgel. Leider aber, haben wit kein vollst~ndiges Gelege gefunden, obschon die Eier sehr spiit (Mitte Juli) eingesammelt wurden. Viele Eisenten waren bereits in starker Mauser, sodafs sie nicht fliegen konnten. Die ~ o ~ waren in ihrem eigenartigen dunkelschwarzbraunen Hochzeitskleide. " 9: Somateria mollissima, (L.).

Im Norden der Insel auf 8tffswasserseen Brutvogel -- doch lange nicht so hiiufig wie in Spitzbergen. - - Es liegen VSgel u n d Eier yon dort vor.

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Bericht iiber die 57. J~ahresversammlung 1907: 131

10. Colymbus septentrionalis, (L.). Der rotkehlige Taucher daft als hiiufiger Brutvoge!: auf der

B~ireninsel bezeichnet werden. Wir fanden ihn an den 8fifswasser- seen im Norden, wo wir eine geniigende Anzahl VSgel und Eier einsammelten.

11. Cepphus Mandti, Licht. Die Grylllumme oder Teiste, wie 'sie in Norwegen allgemein

genannt wird, ist in dieser anscheinend gut ausgesprochenen Form auf der B~ireninseI nicht fiberm~ifsig h~ufig: Sie briitet in :Fels- spalten, die meist hochgelegen ein Zukommen zu dem zweier Gelege sehr erschweren.

12. Uria troile, (L.). 13. Uria rhingvia, Briinn, Malmgr.

14. Uria Bri~nnichii. hlle 3 Arten brtiten auf der B~reninsel. U. troile und

rhingvia mehr in der Tiefe, Brii,~nichii auf der HShe. Die Eier wurden aufs sorgfliltigste urtlich gesondert gesammelt. Da U. rhingvia niemals mit troile gepaart angetroffen wurde, halte ich erstere ffir eine gut abgeschlossene Subspecies yon troile. Die Dunenjungen yon Bri~nnichii unterscheiden sich gut yon troile und rhingvia.

15. Alca torda, L. Der Tordalk wird yon Keilhau bereits fiir die BSreninsei

angegeben, obgleich dies auf einem Irrtum beruhen dfirfte. Kolthoff ist der einzige, welcher 2 Exemplare dieses Vogels an der Bareninsei erbeutet hat. RSmer und Schaudinn berichten, dafs sie den Tordalken auf der B~ireninsel in nicht sehr grofser Anzahl beobachtet habeu, ,,wo er mit den Lummen und Teisten zusammen in den Felsspalten des Vogelberges brfiten soll." Auch schreiben sie ihm 2 Brutflecken 1) zu, w~thrend Uria Bri~nnichii nur einen hat, wonach die VSgel im Dunkeln naeh dem Geffihl bereits gut auseinander zuhalten seiea. Dagegen gebea RSmer u. 8chaudinn keinen Bericht fiber die daselbst erlegten Stficke. Und dies mufs uns mit Recht sehr stutzig machen. Wir sind der Meinung, dafs sich R. & Sch. mit dem Tordalken a u f - d e r B~ireninsel einfacb versehen haben. Es ist das so eine Sache mit der blofsen Angabe yon ev. gesehenen Vogelarten. 8ie berichten zwar, da~s sich der Tordalk yon der Lumme durch einen hSberen Schnabel mit weifsen Querb~tndern unterscheidet, und dafs er sich yore Fluge direkt kopffiber ins Wasser starze, w~thrend die Lummen sich nur mit dem Bauch auf die Wasserfl~che werfen und auf der-

1) In wie welt das richtig ist, kann ich vor der Hand nicht en~ scheiden, da mir Brutalken nicht zu H~nden gekommen sind. Es ware aber sehr auffallend, da der Tordalk .bekanntlich auch nur immer I Ei im Gelege hat. Der Vortragende.

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182 Bericht fiber die 57. Jaliresversammlung 1907.

selben eine Strecke weit hinsChnurren, ~ aber, aber -- wer btirgt mir ftir die Richtigkeit dieser Beobachtung, zumal RSmer & Schaudinn keineswegs als Fachornithologen gelten kSnnen. Wir haben uns bei dem zweimaligen Besuche der Insel die erdenk- lichste Mfihe gegeben, Tordalken aus den Lummenschw~rmen herauszuerkennen, doch ist uns dieses n i c h t gelungen. Und unseren Scharfblicken w~ire der Tordalk gewifs nich t entgangen. Wir mfissen es daher vor der Hand aufs allerentschiedenste bezweifeln, daCs der Tordalk ein B r u t v o g e l auf der B~reninsel ist. Dafs sich zuweilen einige Stficke dahin verfiiegen, ist gewifs nicht ausgeschlossen, der Beweis des Brfitens aber auf der B~tren- insel mufs ffir diese Art erst erbracht werden.

16. Mergulus alle, (L.). Der Krabbentaueher daft nicht als Massenbrutvogel ftir das

B~ireneiland angegeben werden. An den Klippen der Nordspitze briitet er vereinzelt - - am

14. Juli wurde ein Ei eingesammelt, das noch nicht tiberm~tfsig stark bebrtitet war, bis jetzt m. W. das einzige Ei, welches yon der B~ireninsel vorliegt.

17. Mormon fraterculus, (L.). Erbeuteten wir in mehreren Exemplaren auf der westlichen

und nordwestlichen Seite der B~ireninsel- we wir auch aus den tiefen Spalten und LSchern deren Eier erhielten. Auf Spitzbergen kommt durchweg die grofsschnfibliche Form (M. glacialis) vor, die indessen auch sehon an der B~treninsel beobachtet und ge- schossen w0rden ist.

Als zuf~illig nach der B~ireninsel versehlagen wurden bis jetzt folgende Vogelarten namhaft gemacht.

18. Loxia curvirostra, (L.) yon Malmgren beobachtet.

19. Strepsilas interpres, (L.). Ein Exemplar vom Chef der Expedition des deutschen See-

fischerei-Vereins unfern des Nordhafens erlegt.

�9 20. 1Vumenius phaeopus, (L.). Ein verirrtes Individuum wurde tot auf der B~ireninsel yon

der deutschen Expedition gefunden (1898).

21. Lestris pomalorhina, (L.). : Bereits yon Malmgren 1864 beobachtet, wurde yon Swenander

ein Sttick am 7. Juli erlegt, unfern des Kap Elisabeth (altes ~) .

22. Anser spec.? i ~ . Graug~inse sind mehrfach auf der B~ireninsel beobachtet worden.

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Bericht tiber die 57. Jahresversammlung 1907: 138

23. Bomateria s2ectabilis, (L.). Ebenfalls mehrfach beobachtet. Diese Liste kaun ich teilweise bestRtigen, teilweise sogar

erweitern. Ich selbst erlegte eine Lestris pomatorhina auf der Nord-

spitze, ferner sahen wir eine Graugans, yon der wir wohl vet- tauten m5chten, d~s es Anser brachyrhynchus gewesen ist, die vielleicht durch erhaltenen Schaden veranlagst wurde, yore Weiter- zuge nach Spitzbergen abzustehen. Von Somateria spectabilis schofs ich mehrere 8tticke im Ubergangskleide, auch beobachteten wit unverkennbar ein pr~chtiges adultes ~ im Fluge dicht an unserem Boote vorbeiziehend. Jedoch haben wir diese Art briitend nicht nachweisen kSnnen.

Erweitert wird die Anzahl der auf der B~reninseI beob- achteten VSgel durch folgende Arten:

24. Aegialites hiaticula, (L.). Es wurden 3 Stiick geschossen und zwar yon Herrn Dr. le

Roi, Baron v. Geyr und Regierungsrat Nolda. Die Testikel waren hochgesehwollen und der Eierstock gut entwickelt, sodafs die Annahme wohl berechtigt erscheint, dais der Halsbandregenpfeifer daselbst gebrtttet haben wttrde.

25. _Phalaropus fulicarius, (L.). Der breitschn~iblige Wassertreter wurde yon einem Mitgliede

meiner Expedition (Herrn Joseph Waeles) in 2 Exempl. geschossen und zwar an einem 8~ifswassertUmpel unweit des Nordhafens am 13. Juli. Am 14. schofs ich selbst 5 St~lck dieser fiir die B~ren- insel ganz neuen Art an einem yon dem gem Herrn bezeichneten Siifswassersee, woran er tags zuvor die VSgel gesehen hatte. Obschon ich die Eier trotz eifrigster Suche nicht fand, bin ich doch der festen Ansicht, dais diese Art ffir die B~reninsel als Brutvogel zu bezeichnen ist.

26. oedemia nigra, (L.). An der Nordwestseite sahen und erkannten wir deutlich

ein P~rehen dieser Art.

In der n~chsten Umgebung des von dem deutschen See- fischereiverein errichteten Blockhauses im Nordhafen fanden wir" am 13. und 14. Juli verschiedene Federn, die untrtiglich als traurige Uberreste folgender Arten deutlich zu erkennen waren. Die Tr~ger derselben sind wohl yon den im Blockhause sich" eingeriehtet habenden Ftichsen gerissen worden. Es sind:

27. Slurnus (vulgaris) ?. 28. Turdus merula, L. 29. Turdus iliacus, L.

Die zum Beweis mitgebraehten Federn k~nnen jederzeit an-: gesehen und nachgepriift werden. Um die Zahl 30 vollzumachen,:

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18~ Bericht fiber die 57. Jahresversammlung 1907.

kann ich berichten, da fs yon einer nach uns fortfahrenden Jagd- gesellschaftl) 3 Sttick Anas crecca, L. geschossen wurden, yon denen mii" ein Balg zur Priifung yon einem Mitgliede der Reise- gesellschaft freundlichst iibersandt wurde.

S p i t z b e r g e n . Ftir den Spitzbergen-Archipel ist eine stattliche Reihe nor-

discher Vogelarten angegeben, so z. B. von Herman Schalow, der mit bewunderungswiirdigem Fleirse und groher Sachkenntnis die Literatur dariiber zusammengestellt hat2), 50 Species. Indessen sind viele derselben :noch recht zweifelhaft, so dars noch deren Best~tigung erst abgewartet werden murs.

ROmer und Schaudinn fiihren in ihrer schOnen Arbeit (Fauna Arctica, Band I, Jena, Verlag yon Gustav Fischer 1900) 28 Arten auf, die aach wir best~tigen konnten.

Es sind dies:

1. Plectrophanes nivalis, (L.). Oberall Mufig, nicht selten hoch auf die Berge hinaufgehend.

Es wurde ein wertvolies Material yon BrutvOgeln, Nestern und Eiern zusammengebracht. In der letzten Junih~lfte setzte das Brutgeschtift ein.

2. Lagopus hyperboreus, Sunder. Die ftir Spitzbergen endemische und wie es scheint, gut

modificierte Form des Schneehuhnes ist yon uns mit grofsem Eifer gesucht worden. Obsehon wir auf den Inseln und auf Priaz Carl Vorland sehr h~ufig Spuren yore Schneehuhn fanden (vom Fuchs gerissene Winterstttcke und die Losung), haben wir diese ausgezeichnete Art doch nur ganz vereinzelt zu Gesieht bekommen. Diejenigen Stticke, welche wir in der hdventbai sahen, haben wir auch - - allerdings unter grofsen Anstrengungen - - geschossen - - es waren 3 ~ und 1 Q. Die ~ standen in roller Mauser, das sehr vergilbte und abgenutzte Gefieder gab dem sonst so schiinen Vogel ein sch~biges Ansehen. In der Sassenbai wurden yon 2 Mitgliedern unserer Gesellschaft ebenfalls einige Schnee- hiihner gesehen und zwar gegen Abend, nach denen wit am niichsten Morgen vergeblich suchten. Zu gewissen Zeiten (ira

1) Auf dem Dampfer Lofoten, eiue speciell auf Eisbaren gerichtete Jagdexpedition, ebenfaUs yon Herrn de Gisbert in Hamburg vorbereitet.

3) Die VOgel der Arktis yon Herman Schalow in Berlin. Erschieneu in ,,Fauna Arctica". Eine Z usammenstellung der arktischen Tierforme, mit besonderer Berficksichtigung des Spitzbergen-Gebietes auf Gruud der Ergebnisse der Deutschen Expedition in das NOrdliche Eismeer im Jahre 1898. Unter ~Iitwirkung zahlreicher Fachgenossen, herausgegeben yon Dr. Fritz ROmer in Frankfurt a./~. und Dr. Fritz Schaudinn in Berlin, Band IV, Lieferung 1. Verlag yon Gustav Fischer, Jena 1904.

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Bericht llber die 57. Jahresversammlung 1907. 135

ersten Frtihjahr und im Herbst) sollen die Sehneehiihner of t in grofsen Scharen die unteren GebirgsstScke besuchen, mtissen sich aber zur Brutzeit aufserordentlich verteilen und zwar weitschichtig im ganzen Revier, so dafs das Auffinden derselben mehr dem Zufall anhoimgegeben ist. Eine zerbrochene Eischale fand ich an der Gebirgsbasis yon Prinz Carl Vorland an der SQdspitze. Die Eier scheinen bis jetzt noch unbekannt zu sein. Obschon eine alpine taurus-Form, zeichnet sich das Schneehuhn Spitz: bergens durch Griifse und Stiirke sehr a u s .

3. Tringa striata, L. 1766 --- maritima, Gin. 1788 et Brfinn. Sehr hiiufig. Es wurden mehrere Gelege gesammelt.

4. Phalaropus fulicarius, L. Verbreitet, jedoch nicht tiberall. Die Eier fandea wir, ob-

schon wir uns mit grofser Mtihe der Suche widmeten, nicht. VSgel schossen wir in genfigender Anzahl.

5. !~umenius phaeopus, L. Von uns nicht beobachtet. Aufser dem einen yon RSmer

und Sehaudinn auf der Biireninsel tot gefundenen Stticke, wird ein Exemplar yon Cock erwiihnt, das auf der Axel Insel in der Van Mijenbai in West-Spitzbergen ebenfalls verendet, aufgefunden wurde.

6. Aegialites hiaticula, L. Ist neuerdings mehrfach beobachtet - - auch yon und

in der Sassenbai gesehen und geschossen worden.

7. Sterna macrura, Naum. Oberall an der Seekiiste und auf Inseln briitend.

8. Xema Sabinei, (Sab.). Von dieser seltenen, hocharktischen M5we sind 3 Sttick yon

RSmer und Schaudinn auf der Great Insel im N.-O. yon Spitz- bergen erbeutet worden, bis dahin die ersten yore Spitzbergen- gebiete sicher nachgewieseuen Exemplare. Wir fanden sie auf einer ganz yon Treibeis umgebenen Insel in der Kingabai zum ersten Mal als Brutvogel in Spitzbergeu. Herr v. Geyr entdeckte das Piirchen in hoher Luft, yon wo ich das ~ :durch eine verwundete Seeschwalbe herablockte und es dabei schofs. Am n~chsten Tage (7. VII. 07) erlegten wir auf derselben Stelle das Q. Gleichzeitig fand Herr Dr. le Roi die kostbaren Eier, 2 an der Zahl. Das dritte Ei hatte das Q legereif im Schlauch.

9. Pagophila eburnea, Gin. Die ElfenbeinmSwe wurde yon uns nur ganz vereinzelt

gesehen und zwar meistens im Treibeis. Sie scheint vorwiegend dem Osten und hohen Norden anzugehiiren.

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136 Bericht fibi~r die 57. Jaliresversammlung 1907~.

10. l~issa ~ridactyla,- (Linn~). H/iufiger Brutvogel im Spitzbergengebiet.

11. Larus gZaucus, BrUnn.

Die BOrgermeistermOve ist in Spitzbe,rgen zwar nicht se!ten, aber bei weitem nicht so h/iufig wie aof der B/~reninsel. ,Brfitet auf Holmen und auf den H0hen der Berge, w e l c h e steil zum Meere abfallen. W/ihrend wir die staffe!f0rmigen Terrassen tier Berge naeh G/~nsenestern absuchten, wurden wir h/iufig yon dieser MOwe attackiert. Ein ganz weifs:gef/irbtes StOck sch6rs'Herr v. Geyr auf einer kleinen Insel an Prinz Carl Vorland (Stidspitze). Das seltene Exemplar stellt eine im h0chsten Alter prononcierte Phase dar und ist keineswegs als ein Leucismus aufzufassen, da Ffifse (Ruder) und 8chnabel viel intensiver gef/~rbt v(aren, als bei den typischen Stricken. Bis jetzt sind m. W. n u r 2 derart ige Stfieke bekannt, die beide im finnischen Museum yon Helsingfors aufbewahrt werden und tiber die Palm~n berichtet hat (v. Nau- mann, II. Auflage, XI. Band, pag. 270).

�9 12. Lestris parasitica, (L.).

Die Schmarotzer-RaubmOwe kommt in der heIlbSuchigen Form auf dem ganzen Spitzbergen-Archipel sowohl auf dem Fest: lande, als auch ganz besonders auf den Inseln h~iufig vor. Zwei: real sahen wir auch die dunkele Phase. Ein dahingehSriger Vogel wurde yon mir auf einer Insel im Eisfjord erlegt. Diese Art ist ein iiberaus gef~ihrlicher Eierr~iuber auf den Holmen. Leider wurde nur ein frisches Gelege eingesammelt, dagegen eine reich- liehe hnzahl VSgel geschossen.

13. Lestris catarrhactes, (L.).

Die Riesenraubmiiwe wurde yon uns zweimal gesehen und deutlich erkannt (Van Keulenbai und Kingsbai).

14. Lestris pomatorhina, Temm.

Die SpatelraubmOwe wurde yon uns mit Sicherheit nicht beobaehtet.

15. l',estris longicaudus, (VieiU.) 1819.

In der hdventbai h~iufig, we mehrere Stticke geschossen wurden; 1 Stfick ~in der Sassenbai, sonst nur wahrend der Fahrt an Spitzbergens Kiiste beobaehtet.

16. Alca torda, L. Der Tordalk ist bisher m.W. veto Spitzbergengebiete nicht

nachgewiesen :worden! und mufs daher aus der Liste gestrichen werden.

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Boricht llber die 57. Jahrosvorsammlung t907. 187

17. Uria Brfinnichii, (Malmgr.).

Die Dickschnabellumme ist die einzige ihres Geschlechtes, welche auf Spitzbergen briitet. U. troile und U. rhingvia sind bis jetzt yon dort nicht bekannt geworden.

18. Ce~phus Mandti, (Licht.)

Die Eisteiste (C. grylle, L.) kommt in dieser anscheinend gut modificiertea Species iiberall im Spitzbergengebiete als Brut- vogel vor. Ihre feine wie ,,ziep, ziep" klingende Stimme ltifst sie an ihrer Brutstiitte hiiufig hiiren. Es halt recht schwer, zu den Eiern zu gelangen, die in Felsspalten tief verborgen sind.

19. Mergulus alle, (L.)

Der reizende Krabbentaucher briitet tiberall im W. Spitz, bergens unter FelsblScken und Stein~erSll. Viele Eier einge- sammelt zumal in der Magdalenenbai, we unztihlige VSgel briiten. Die Eier sind lichtmeergrtin und zeigen nicht, selten am stumpfen Pole braunrote Fleckenzeichnung. Dunenjunge erhielten wir nicht.

20. Mormon glacialis, Leach.

Iqur die grofsschn~blige Form (glacialis) kommt in Spitz- bergen briitend vet. Leider mifsgltickten die Versuche, zu den Eiern zu gelangen.

21. Colymbus septentrionalis, L. Ist an allen grSfseren Siifswasserseen Spitzbergens Brutvogel.

22. _Fulmarus glacialis, L. Der Eissturmvogel..wurde yon uns briitend auf Prinz Carl

Vorland beobachtet. Uber dem Wasser ist er gemein. Ein blendend weifses Sttick -- wahrscheinlich ein Albino -- strich dicht an unserem Schiffe in der Sassenbai vorbei und konnte zu meinem grSfsten Bedauern nicht erlegt werden.

23. Anser brachyrhynchus, Baill. Diese eigenartige Graugans wurde yon uns fiberall im W.

Spitzbergens auf den staffelfSrmigen Abstttzen der Berge als Brutvogel angetroffen, besonders haufig war sie in der Van Keulenbai, auf Prinz Carl Vorland und auf den Inseln in der Kingsbai. Wir sammelten 93 Eier und schossen viele V5gel.

24. Branta berniela, L. Die Ringelgans ist im Gegensatz zur Graugans Tieflandbriiter.

Wir fanden nur 3 volle Gelege auf der Forelands-Oie, die tibrigen waren bereits yon den rohen Robbenschl~igern genommen worden, sodafs die der Eier beraubten Paare in Scharen auf den beiden Inseln safsen. Dunenjunge und alte VSgel wurden eingesammelt.

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138 Berieht ~Iber die 57. Jahresversammlung 1907,

25. ,Branta leueopsis, (Bechst.) Die schSne Nonnen- oder Weifswangengans wurde von uns

in der Adventbai als Brutvogel konstatiert, wo sie in den unzu- g~nglichsten Felspartieen nistet. Wit hatten das Gliick, 2 volle Gelege, welche hoehbebrtitet waren, am 30. Juni zu sammeln und 5 VSgel zu schiefsen.

26. Somateria mollis~ima, L. Uberall auf den Inseln, seltener auf dem Festlande briitend.

Auf den Holmen, die geradezu nach dem massenhaften Briiten dieser VSgel Eiderholme benannt werden, wird den schSnen Enten sehr bSs nachgestellt. Es ist wahrhaft grauenerregend, wenn man an eine solche Wahlstatt kommt, wo Robbenschl~ger oder WalfKnger gehaust haben. Ganze Strecken sind dort mit den nutzlos ausgehobenen Eiern und mit den herrlichen VSgeln bedeckt, die der grenzenlosen Verrohung dieser Leute anheim- fallen mufsten.

27. Somateria spectabilis, (L.). Die Prachteiderente wurde bier und da yon uns gesehen und

erlegt. Als Brutvogel trafen wir sie nur in der Adventbai, wo wir so gliicklich waren, 2 Nester mit je 3 Eiern zu finden. Eben- dort machte ich eine Dublette auf 2 pr~ichtige Mannchen.

28. Harelda glacialis, L. Vereinzelt und nicht h~ufig beobachtet.

Zu dieser Liste kiime dann noch die yon mir 1905 aufge- fundene Oeidemia nigra als Brutvogel hinzu, ferner

1-'halaropus lobatus. (L.) den wir in einem P~rchen im Delta des Adventflusses erbeuteten und den ich dort als Brutvogel an- sprechen mSchte, -- sowie

Mareca penelope, (L.)welche wir in einem pr~ichtigen als Einzelente unter einem grofsen Schwarm yon gewShnlichen Eiderenten auf einer der Goose-Inseln in der Sassenbai antrafen, leider aber nicht schossen, und endlich

Scolopax rustieula, L. wie die Federreste bezeugen, die ich vor einem Fuchsbau in der Sassenbai fand. Dieser Fund diirfte einer der interessantesten sein, da Scolopax circumpolar m.W. iiberhaupt noch nicht nachgewiesen worden ist.

Nach diesen Mitteilungen durfte ich mit den Ergebnissen meiner sechswSchentlichen Spitzbergenfahrt sehr zufrieden sein. Gar zu leid hatte es uns getan, dafs wit der diesjRhrigen abnorm schweren Eisverh~iltnisse wegen nicht nach dem Osten hatten ge- langen kSnnen. Wie beneideten wir die Helgoland, der es im Jahre 1898 verg5nnt gewesen war, nach K5nig Karlland vorzu- dringen, ja sogar nach der Great Insel, die uns immer als ganz besonders besuchenswert vorgeschwebt hatte. Je 1/inger je mehr sahen wit ein, yon wie grofsem Gliick diese Expedition begiinstigt

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Bericht fiber die 57. Jahresversammlung 1907: 139

gewesen war, und fast wurde dieses Glfick bei uns zum Tages- gespr~ich angesichts unserer allm~ihlich zu Grabe getragenen Wtinsche und Hoffnungen. Was h~tten wir sonst da nicht noch hlles gefunden and gesammelt!!

Die Yersammlung folgte den husftihrungen des Vortragenden mit lebhaftem Interesse und spendete reichen Beifall.

Am Schlusse zeigte Redner eine grofse Reihe pr~iehtiger photographischer kufnahmen yon Landschafts- und Vogelbildern u. a. aus dem yon ibm besuchten Gebiete, welche die Versammlung ebenfalls aufserordentlich fesselten, und woffir sie dutch Beifall dankte.

Herr Heck sprach dem Redner den herzlichen Dank tier Versammlung aus und betonte, dafs sein Vortrag so verlockend gewirkt habe, dafs man gleich nach dem 1%rden reisen kfnnte.

Hierauf erhielt Herr S to l l das Wort zu einem Vortrage fiber einen husflug in Kurland. Der Vortragende besuchte am und im Rigaer Busen verschiedene Pl~tze und schildert das Vogel- leben daselbst. Trotz der Greuel der Yerwfistung in seiner baltischen Heimat sind dem Redner doch die weitgehensten Zu- gest~ndnisse seitens der Regierung gemacht worden, so dafs ibm beim Sammeln keinerlei Hindernisse bereitet wurden. Auch dieser Vortrag war yon photographischen Aufnahmen begleitet, die Land- schaftsbilder, Vogelnester u. a. zeigten.

Wegen der vorgerfickten Zeit wurde yon einer Diskussion hbstand genommen.

Herr H e c k schlofs die Versammlung mit einem Dank an Herrn Stoll fiir seinen interessanten Vortrag.

Sonnabend, 5. Oktober. Um 91/2 Uhr versammelten sich die Teilnehmer im Zoologischen

Garten~ um unter Leitung des Direktors Prof. H eck den ungemein reichen Tierbestand und die geschmackvollen hnlagen und Bauten zu besichtigen. Insbesondere fesselten w~ihrend des vierstfindigen Rundganges die reich besetzten Vogelhiiuser und Gehege, in denen viele auch in Museen noch seltene Spezies vorgeftihrt wurden und zu lebhaftenErfrterungen Veranlafsung gaben. Bei Besichtigung des Eulen-Hauses nahm Hr. R e i c h e n o w Gelegenheit, an einem von Herrn Prof. u aus hmani in Usambara (Deutsch-Ostafrika) dem Garten geschickten Uhu die Taufe zu vollziehen. Er nannte die neue Art Bubo vosseleri und gab folgende Diagnose:

Dem Bubo poensis sehr ~ihnlich, aber durch ockergelbbraunes Gesicht und grofse schwarzbraune Flecke auf den Seiten der u unterschieden; das aus weifsen Flecken gebildete Schulterband ist sehr deutlich.

Naeh dem Run dgange vereinigte die Mitglieder ein gemeinsames Mittagessen im Restaurant des zoologischen Gartens.

hbends fand eine zwanglose Zusammenkunft im Restaurant Rheingold statt.

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140 Bericht fiber die 57. Jahresversammlung 1907.

Sonntag, 6. 0kt0ber. Verhandelt Berlin im Zootogischen Museum, Invalidenstr. 43.

Anfang 91/: Uhr Vorm. Herr K o l l i b a y erSffnet die Sitzung und erteilt Herrn

Reichenow das Wort, der zfin~ichst die Wahl des Vorstandes beantragt und Herrn S c h a l o w als 1. Vorsitzenden, Herrn Kol l i - bay als 2. Vorsitzenden in Vorschlag bringt. :Herr Jacobi be- fiirwortet den Vorschlag und beantragt Wahl durch Zuruf, welchem Antrage Folge gegeben wird. Herr K o l l i b a y erkliirt sich rail Dank bereit, die Wahl anzunehmen, Herr Schalow ist noch nicht anwesend. Auch die Neuwahl des stellvertretenden Sekret~rs ist notwendig, da Herr Matschie wegen anderer Verpflichtungen verhindert ist, das Amt welter zu ffihren. Die Wahl f~tllt auf Herrn Heinroth, der schon l~ngere Zeit das Amt vertretungs- weise verwaltet hat. Aus dem Ausschurs scheiden die Herren Kollibay u n d Schalow, an ihre Stelle werden die Herren Heck und Parrot (Mfinchen) gewiihlt. Herr Reichenow dankt den aus- scheidenden Vorstandsmitgliedern, den Herren Heck und Matschie fiir ihre Mfihewaltung.

Sodann wird die Wahl des n~ichsten Versammlungsortes beraten. Herr Reichenow schl~igt vor, im niichsten Jahr in Rossitten zu tagen. Herr Thienemann ~iufsert sich freudig fiber diese Wahl und mSchte auch KSnigsberg mit einschliefsen. Herr Braun bringt Danzig in Vorschlag, w~ihrend Herr Henrici ffir KSnigsberg stimmt. Herr Reichenow halt es far zweckm~s beide Vor' schlage zu vereinigen und die Versammlung zum einen Teil in Danzig, zum andern in KSnigsberg zu halten mit einem Ausfiuge nach der Vogelwarte Rossitten. Der Vorschlag wird angenommen und dem Vorstand das Weitere anheimgestellt.

Herr Re i c hen o w weist auf das yon ihm gestiftete Orni- thologen-Album hin und bittet die Ornithologen, die darin noch nicht vertreten sind, um ihr Bildnis.

Hierauf hMt Herr T h ie n e m a n n einen liingeren Vortrag fiber Ergebnisse der Vogelwarte Rossitten. An der Hand einer Karte yon Europa, auf welcher die einzelnen Fundstellen ge- zeichneter Viigel eingetragen sind, weist er nach, dafs die Krahe (Corvus cornix), yon welcher Art die meisten Stficke his jetzt mit Ringen versehen worden sind, ihren Zug in breiter Front aus den russischen Ostseeprovinzen durch Norddeutschland bis ins nSrdliche Frankreich vollfrihrt, von welchem die westlichste Kr~he bis jetzt bekannt geworden ist. Wahrscheinlich brfiten diese Kr~ihen in den russischen Ostseeprovinzen. Nach den Beobach- tungen des Redners an gezeichneten Stricken ziehen die Kr~ihen denselben Weg zurfick.

Der Vortragende geht sodann zur Besprechung der Erfolge mit gezeichneten LaehmSwen fiber, die recht interessant sind. So sind z. B. zwei fast gleichzeitig aufgelassene mit Ringen ver- sehene Lachmiiwen fast zur gleichen Stunde bei Wien erbeutet

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Bericht fiber die 57. Jahresversammlung 190T- 141

worden. Die ~tufsersten' Fundstellen v0n LaChm5wen s ind bis jetzt die Rhonemfindung, die Pomfindung (5 Stfick), Spalato:(Dal- matien). S~imtliche gezeichnete LachmSwen sind bei; Rossitten geboren, denn es wurden nur junge Exemplare:zu diesem,Zweck eingefangen. Der Redner erw~hnt dann noch andere,hrtenr die mit Ringen versehen worden siad und die auch :interessante Resultate gezeitigt haben, und geht hierauf zur Besprechung eines neueren Versuches fiber, zur Zeichnung yon StSrchen. Der Vor- tragende hat selbst eine grofse Zahl junger StSrche im Neste mit Ringen versehen. Er schildert in humorvoller Weise die ver- sehiedenen Erlebnisse, die er dabei gehabt, welche die Heiterkeit der Versammlung hervorriefen, hebt andererseits aber auch hervor, dafs er fiberall das bereitwilligste Entgegenkommen gefunden b a b e . hber nicht nur selbst hat Redner StSrche gezeichnet, sondern er hat auch aadere in Ostpreufsen veranlafst, dies zu tun, und so sind fiber 1100 Storehringe bis jetzt ausgegeben worden. Die yon Herrn Reichenow ausgesprochene Vermutung, dafs die StSrche des 5stlichen und mittleren Europas im Herbst in siid- 5stlicher Richtung ziehen, um die Winterherberge in Ostafrika aufzusuchen (s. Journ. Orn. 1907 S. 169), ist durch einen neuen Fall best~tigt. Der Vortragende legt eine Anzahl Liiufe mit Ringen vor, darunter auch solche, die recht lance Zeit yon den betr. Individuen getragen worden sind und keinerlei Besch~digungea aufweisen. Eine Ausnahme machte allerdings ein Ring, den Larus fuscus getragen hat, der sehr abgeschliffen war, nach hnsieht des Redners eine Wirkung des Sandes.

Herr Ko l l i bay dankt Herrn Thienemann fiir seine inte- ressanten husffihrungen und gibt dem Wunsche Ausdruck, die Vogelwarte mSge materiell so gestellt werden, dafs sie ihren viel- seitigen Aufgaben yoU gerecht zu werden vermag.

Herr S cha low , der inzwischen ersehienen ist, spricht seinen Dank ffir die Wahl aus, welche er annimmt und im Sinne seiner Vorg~inger zu ffihren gelobt.

Herr Kollibay er5ffnet die Diskussion fiber den Vortrag des Herrn Thienemann. Herr Heck vermifst sfiddeutsche Fundstellen yon Corvus cornix, kein einziges Datum se i aus dieser Gegend, obgleich die Kr~the dort sehr h~ufig ist. Er empfiehlt sich, mit sfiddeatschen OrnithoIogen in Yerbindung zu setzen. Herr Koliiba)~ erinnert daran, dafs die Kr~he kein ausgesprochener Zugvogel ist und hMt es ffir wahrscheinlich, dafs man es vielfach mit an- s~issigen VSgeln zu tun haben werde, die nur auf einer Vergnfi- gungstur, nicht aber auf dem Zuge sich befinden. Herr Hartert spricht seine lebhafte Anerkennung fiber die Wirksamkeiten der "Vogelwarte aus. Redner empfiehlt, auch andere ZugvSgel aufser den StSrchen zu zeiehnen. Herr v. Lucanus h~ilt den Prozent- satz der zurfickgelieferten Kri~hen-Ringe fiir sehr hoch und spricht die Befiirchtung aus, dafs der Ring hinderlich sein kSnnte und die gezeichnetea Stficke so leichter eine Beute des Schtitzen werden.

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An ZimmervSgeln hat allerdings Redner die Beobachtung gemacht; dafs Ringe garnicht beachtet werden. Herr Hartert meint, der Ring sei dem Vogel nicht hinderlich, der Zug gehe mit elemen- tarer Gewalt weiter: huch Herr Heck bestatigt, dafs Yiigel des Zoologischen Gartens, die versuchsweise mit einem Ring versehen wurden, gar keine h'otiz davon nahmen. Freiherr v. Berlepsch erw~ihnt, dafs am Neste gefangene und gezeichnete VSgel so ver- wirrt waren, dafs sie nicht wiederkamen und clio Jungen ver- hungern liefsen. Redner empfiehlt die engen Ringe, damit sie die ViigeI beim Briiten nicht stiiren. Herr Thienemann erwidert, dafs man es in Rossitten ohne Zweifel mit ziehenden Krahen zu tun babe, nieht mit ziellos herumstreichenden, wie er au der Art des Fluges u. a. glaubt bestimmen zu kSnnen. Den Versuch mit kleineren VSgeln halt Redner ffir wenig aussichtsvoll. Der Ver- such mit Rotkehlchen habe versagt.

Sodann erh~ilt Herr B r a u n (Marienburg) das Wort zu einem Vortrage fiber den extranuptialen Gesang der Vi~gel (ausf0hrlicheres Referat am Schlusse dieses Heftes).

He r r v. Lucanus halt den Gesang als hnlockungsmittel far das Weibchen doch ffir bedeutender, als tier Redner annimmt, und erl~iutert dies an Beispielen. Redner unterscheidet automa- tische Gesange und Gesiinge die erst gelernt werden mfissen (Schlag). Ein Buchfink z. B., jung aus dem l~este genommen, bleibt ein Sttimper, wahrend der Weidenlaubsanger und sogar der Baumpieper ibre Gesange vollkommen reproduzierten, selbst wean sie jung aus dem Nest genommen wurden, DerRedner ist der Ansicht, dafs der Gesang yore Sexualleben nicht zu trennen sei.

Auch Herr Kollibay vertritt die hnsicht, dais der Gesang mit dem Sexualleben verbunden sei, wie ihn Beobachtungen am Girlitz belehrten. Es ~iufsern sich noch die Herren Stoll und v. Berlepsch zum gleichen Thema. Ersterer erwahnt, dafs er einen Hakengimpel und einen Buchfinken im Bauer gehabt habe und dafs der Buchfink den Gesang des Hakengimpels angenommen hatte. : Letzterer meint, dafs das Singen yon ZaunkSnig und Wasseramsel im Winter die hasicht, dais der Gesang sexualen Ursprungs sei, durchkreuzten. Dem widerspricht Herr v. Lueanus und bemerkt noch, dafs die indische Schamadrossel ffir den Kampfruf eine besondere Melodie habe.

Hierauf spricht Herr He lm fiber den Zug des Stars. Der Vortragende widerspricht d e r hnsicht Giitkes, dafs die jungen Stare vor den alten fortziehen. Er weist an einer grofsen Zahl yon Beobachtungen in Sachsen und auf mehreren Nordseeinseln nacb, dafs Junge und hlte gemischt bis Ende September und hnfang Oktober vereint sich hier aufhalten. (Siehe weiter unten).

:Nachdem Herr Kollibay dem Vortragenden gedankt, macht Herr Seha low noch auf einige Bficher aufmerksam, die er im Museumssaal ausgelegt hat, wo sie Interessenten besichtigen kSnnten. Ferner macht Herr Schalow auf Tierbilder aufmerksam, die nach

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der Mittagspause den auswiirtigenMitgliedern stereoskopisch vor- geftihrt werdea sollen. Die Bilder w~iren einzig in ihrer Art und sind yon Herrn Heinroth dem Redner tibergeben worden. Herr Heck bemerkt, dafs ein Amsterdamer Pr~iparator die Aufnahmen gemacht habe, sie h~itten den ersten Preis yon der Verlagshandlung Voigtl~inder erhalten.

Nach d e r Mittagspause photographierte Herr Stoll die Teil- nehmer der Jahresversammlung, welche auf der Museumstreppe sich gruppiert hatten (das Bild kann gegen Einsendung yon 70 Pf. in Briefmarken vom Generalsekret~ir bezogen werden), sodann zeigt Hei'r Schalow einigen Teilnehmern die vorerw~ihnten Bilder.

Um 3 Uhr beginnt Herr Hantzsch seinen .Vortrag , ,Ober das S t u d i u m der a r k t i s c h e n VSgel". Der Begriffder ark- tischen VSgel kann verschieden gefafst werden. Schalow be- handelt in seiner hrbeit tiber ,,Die VSgel der hrktis" Jena 1904, alle diejenigen hrten, die ira nSrdlichen Polarmeer und dessen Inselgebieten vorkommen; viele aadere nehmen die Grenze des Baumwuchses fiir abschliefsend an usw. Der Redner hiilt sich nicht an e ine bestimmte zoogeographische Grenzlinie, sondern versteht unter den arktischen VSgeln die hrten, d e r e n Ver- b r e i t u n g s z e n t r u m g e g e n w i i r t i g in a r k t i s c h e n G e b i e t e n l iegt . Die endgiiltige Feststellung der hierher gehSrigen Spezies ist keineswegs einfach, bedarf vielmehr bei manchen noch sorg- fii]tiger Untersuchung. Gewisse Gattungen und Arten, wie La- gopus, Acanthis (linaria), Hiero[alco (gyr[alco) gehSren zweifellos hierher und mtissen in all ihren Formen in Betracht gezogen werden, auch wenn solche weit siidlichere Gebiete (Hochgebirge) bewohnea. Bei anderen, wie Corvus corax, der zwar in sehr hohe Breiten vordringt, aber fast kosmopolitisch auftritt, ist es fraglich, wo deren Verbreitungszentrum zu suchen ist. Gewisse rein ark- tische hrten briiten verhiiltnism~tfsig weit nach Stiden hinab (z. B. Eratercula, Somateria), andere nicht rein arktische VSgel wieder gehen weit nach Norden hinauf, z. B. Saxicola oenanthe und Anas boschas. Es ist deshalb nach Ansicht des Redners nicht richtig, nach blofs Rufserlichen Gesichtspunkten diejenigen Vogelarten als arktische zu bezeichnen, deren Verbreitungsgebiet bis in die geographisch nSrdliche kalte Zone hineinreicht, umgekehrt solche auszuschalten, die, wenn auch in etwas anderen Formen, welt nach Siidea vordringen.

hufgabe des Studiums der arktischen VSgel wird nun zun~ichst sein, zu untersuchen, ob und inwieweit sich die hochnordischen Vertreter yon den sfidlicher wohnenden unterscheiden und im positiven Falle eine durch trin~re Benennung hervorgehobene Kennzeichnung eintreten zu lassen (Fratercula arctica arctica (L.) und F. a. glacialis Steph., Cepphus grylle grylle (L.) und C. g. mandril (Licht.).) Selbst Arten, die ursprtinglich kaum nordische gewesen sein dtirften, wie Saxicola oenanthe, haben sich sub- spezifisch ver~tndert, bier in S. o. leucorhoa (Gin.). Das Studium

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dieser Unterschiede ist noch keineswegs abgeschlossen, wie neuer- dings wieder die VerSffentlichungen fiber die Abtrennung der grSnl~ndischen Stockente (Anas boschas conboschas Brehm---A. b. spilogaster SchiSler) yon der mitteleurop~iischen zeigt. Die is- 1Rndischen Vertreter dieser Art scheinen fibrigens, soweit Redner B~ilge untersuchen konnte, mit der europRischen Form, die Labrador- vSgel, ja vielleicht die Amerikaner fiberhaupt, mit der grSnlt~ndischen fibereinzustimmen.

Beim Untersuchen und Vergieichen yon arktischen mit palii- arktischen oder nearktischen VSgeln sind yon vorn herein gewisse Gesichtspunkte zu berficksichtigen. Ganz abgesehen davon, dafs man natfirlich nur Brut-, nicht DuchzugvSgel der verschiedenen 0rtlichkeiten in derselben Entwicklung des Gefieders in Betracht ziehen wird, ist auf das Wohngebiet selbst Wert zu legen. Zeigt es sich, dab in einigen LRndern des Nordens gewisse Arten als StandvSgel im weiteren Sinne auch w~hrend des Winters verweilen, ist deren spezifische Verschiedenheit gegenfiber anderen Gebieten hSchst wahrscheinlich. Der Redner bespricht einzelne Gebiete in dieser Hinsicht. Die versehiedenartige Entwicklung atlantischer und pazifischer Formen ist natfirlich aufserdem zu berficksichtigen.

Die nordischen Formen erweisen sich gegenfiber sfidlicheren im allgemeinen als starker und widerstandsfiihiger (vergl. Frater- cula, Corvus corax, Acanthis linaria, Anas boschas, Lagopus in seinen StandvSgelformen etc., mitunter aber auch als schlanker, geschmeidiger und daher beweglicher (vergl. Branta canadensis canadensis und •. c. hutschinsii, Cepphus grylle grylle und C. g. mandtii).

Wohl zu beachten ist bei der Untersuchung von GrSfsen- verhiiltnissen die individuelle Schwankung, die sich besonders bei nordischen SeevSgeln in hohem Grade findet, und ihre ein- fache Erkliirung in klimatischen und bl'ahrungsverhiiltnissen hat (vergl. 2"ulmarus glacialis glacialis (L.) und F. g. minor Kj~rb.).

huch die stiirkere Ausblassung des Sommergefieders in den schnee- und eisbedeckten arktischen Gebieten gegenfiber milderen schneefreien Klimaten ist zu berticksichtigen. Sie zeigt sich bei manchen VSgeln, besonders MSwen, recht auff~llig und kann als Analogie zu den hochnordischen Lagopus-Individuen angesehen werden, bei denen besonders die weniger versteckt lebenden Miinnchen das weifse Winterkleid fiberhaupt selten vSllig verlieren.

Aufser derartigea Untersuchungen fiber etwaige subspezifische Versehiedenheiten arktischer und in siidlicheren Breiten wohnender Vogelarten, deren sorgfiiltige Kenntnis auch fiir die Beurteilung des Vogelzuges bedeutsam wird, ist es yon grofsem Interesse, die Biologie der nordischen VSge[ besser kennen zu lernen als bisher, zumal eine Menge dieser Arten als Durchzfigler und Winter- giiste nicht nur einem kleinen Kreise van Spezialornithologen~ sondern einem grofsen Teile der Beviilkerung iiberhaupt bekannt sind. Wie wenig wissen w i r fiber das Sommerleben vieler

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Strandl~iuferarten, z. B. Tringa canutus und subarquata oder Calidris arenaria, die als gewShnliche Giiste allj~hrlich unsere Meeresktisten aufsuchen. Das Studium ihres Brutgescbaftes, der Aufzucht der Jungen und dieser selbst, die Zugverh~iltnisse an den Sommerwohnpliitzen, sowie vieles andere, bedarf bei einer grofsen Reihe yon Arten gar sehr der hufklarung, und der Natur- forschung steht hier noch ein weites Feld often.

Nur in wenigen gtinstig gelegenen arktischen Gebieten, die schon verhaltnismafsig zeitig im Jahre eisfrei und ftir die Schiff- fahrt zuganglich werden, z. B. Spitzbergen, oder an solchen Ort- lichkeiten, wo griifsere Expeditionen l~ngere Jahre Aufenthalt genommen haben, oder wo dauernd gebildetere Weifse wohnen, wie in GrSnland, sind bisher sorgf~ltige und planmiifsige Unter- suchungen in dieser Beziehung angestellt worden, aus anderen Gebieten liegen zum grofsen Teil nur zufallige und nebenbei gesammelte Beobachtungen und Objekte vor, die noch dazu in der Hauptsache aus derselben Jahreszeit, den wenigen Sommer- monaten, stammen. Wie dfirftig aber auch derartiges Material ist, zeigt die Schwierigkeit, arktische Vogelb~ilge und Eier im Handel zu erwerben, und ein guter Tell dieser letzteren stammt noch dazu aus der Gefangenschaft oder ist, well yon Nicht- ornithologen gesammelt, ungeniigend identifiziert.

hlle diese, hier nur in Kfirze angedeuteten Grtinde ver- anlafsten den Vortragenden, dem Studium der arktischen kvifauna naher zu treteu. Die Leichti~keit desselben lie~t in der ver- h~iltnismiihig geringen Zahl der in Frage kommenden Spezies, die Schwierigkeit in dem Mangel an reichlichem, guten Material, der Unsicherheit der teilweise sehr alten Litteratur und den Hindernissen, die eigeneu Forschungen entgegenstehen, zumal solche nur dann planm~ifsig angestellt werden kSnnen, falls jahre- lange Tatigkeit, nicht nur wenige Sommermonate, diesen Gebieten gewidmet werden. Ftir gegenwartig besonders vielversprechende 0rtlichkeit in dieser Hinsicht halt Redner das sfidlichere Baffia- Land, doch machen sich vor einer Bereisung nurser sorgf~iltigen theoretischen u orbereitungen auch vielerlei praktische Erfahrangen nStig, ohne die eine effolgreiche Expedition zweifelhaft ware. Der Vortragende besuchte desbalb im Jahre 1906 das nord5st- lichste Labrador. Uber die ornithologischen Ergebnisse dieser Vorbereitungsreise wird in einer besonderen hrb~'it berichtet werden. Der Redner schildert deshalb diese Reise nur in Ktirze, hofft aber, dafs aus ihr eine spatere grSfsere Expedition zur Er- forschung der arktischen u hervorgehen wird.

Nachdem die Versammlung dem Redner ihren Beifall gezollt hatte, dankte Herr K011ibay demselben ftir den vortrefflichen Vortrag und wies darauf hin, das wer Schalow's ,,VSgel tier Arktis" gelesen habe, erkennen mtisse, wieviel in jenem Gebiete noch zu tun sei. Deshalb sei es sehr anzuerkennen, dafs Herr

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Hantzsch sich die Erforschung eines so wenig bekannten Landes vorgenommen habe.

:huch ~Herr Schalow gab seiner Freude dartiber husdruck, dafs' Herr Hantzsch gerade diese Gegenden besuchen will und 'empfiehlt die nachdrticklichste Untersttitzung zur Verwirklichung dieser Pl~tne, an deren erfolgreicber Durchffihrung bei der :yon Herrn Hantzsch bewiesenen Willensst~irke und Ausdauer nicht zu zweifeln sei. Auch geographiscbe Kreise mtisse man gewinnen.

Hiermit schliefst Herr Kollibay die Diskussion. Die Herren Scha- low, Reichenow und Kollibay ziehen ihre Vortriige wegen der vorge- rtickten Stunde zurtick. Zur Vorlage kommt noch eine Abhandlung des Herrn B u t u r l i n tiber die Verbreitung der VSgel in Nordost- Sibirien (wird spi~ter abgedruckt). Herr Kollibay dankt unter Zu- stimmung der Versammlung dem bisherigen Vorstande, insbesondere Herrn Reichenow ftir die Vorbereitung der so aufserordentlich erfolg- reich verlaufenen Jahresversammlung und schliefst die Sitzung:

K. Kothe . O. Haase.

~be r den ex t ranup t i a len Gesang und das Ph~tnomen des Spottens.

Referat yon F r i t z B r a u n tiber seinen am 6. X. 1907 gehaltenen Vortrag.

So viele sich auch Mtihe geben, die Aufgaben des Gesanges in dem Leben der VSgel zu finden, immer wieder kommen Leute, die, ohne sich irgendwie um das Ergebnis dieser Arbeit zu ktimmern, schlankweg behaupten: ,,Wir wollen yon dem Streben jener, die die Natur nur mit dem Verstande auffassen und allen Naturer- scheinungen grtibelnd entgegentreten, nichts wissen. Jene Forscher verstindigen sich an der SchSnheit der Natur, da war GSthe doch ein ganz andrer Mann. Hatte er nicht Recht, yon seinem S~tnger zu behaupten:

,,Ich singe, wie der Vogel singt, der in den Zweigen wohnet. Das Lied, das aus der Kehle dringt ist Lohn, der reichlich lohnet?"

Sie vergessen dabei ganz, dafs die Naturwissensehaft mit Begriffen und nicht mit Geftihlen arbeitet, dafs ihre hufgabe darin bestebt, diese Begriffe immer sch~trfer herauszuarbeiten und das Netz der kausaien Beziehungen, die sie verbinden, all- miihlich zu entwirren.

Unsere Kritiker handeln ~ihnlich wie ein Mann, der dem Botaniker sagen wollte: ,,Lafs ab, die Blumen danach zu ordnen, auf welcbe Weise sie befruchtet werden. Viel hSher als diese Lebensbeziehuagea steht mir tier Blumen SchSnheit." Wie jenem Manne, mtissen wir auch unseren Richtern antworten: ,,Gehet zu den Aestbetikern, bei den Naturforschern ist nicht euer Platz.