benedikt xvi Über des prozess jesu

3
7/21/2019 Benedikt XVI Über Des Prozess Jesu http://slidepdf.com/reader/full/benedikt-xvi-ueber-des-prozess-jesu 1/3  Veröffentlicht auf domradio.de (http://www.domradio.de) Startseite > "Nicht 'das Volk' der Juden" Diese Seite drucken "Nicht 'das Volk' der Juden" Donnerstag, 3. März 2011 Papst Benedikt XVI. über den Prozess Jesu  Am 10. März erscheint der zweite Teil des auf drei Bände angelegten Werks "Jesus von Nazareth" von Papst Benedikt XVI. Er legt seine Darstellung der Gestalt Jesu in den Evangelien auch unter seinem bürgerlichen Namen Joseph Ratzinger und als Theologe vor und behandelt darin die Ereignisse vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Der Vatikan veröffentlichte am Mittwoch einige Passagen vorab, die die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) in eigener Übersetzung auszugsweise dokumentiert: 7. Kapitel: Der Prozess Jesu (...) Wer eigentlich waren genau die Ankläger? Wer hat auf die Verurteilung Jesu zum Tode bestanden? (...) Nach dem Evangelisten Johannes sind es einfach die "Juden". Aber dieser Ausdruck besagt im Johannes-Evangelium keinesfalls - wie der moderne Leser interpretieren könnte - das Volk von Israel als solches, noch weniger hat es einen "rassistischen" Charakter. Schließlich war Johannes, was seine Nationalität betrifft, Israelit, ebenso wie Jesus und all die Seinen. Die gesamte ursprüngliche Gemeinde bestand aus Juden. Bei Johannes hat dieser Ausdruck eine präzise und streng eingegrenzte Bedeutung: Er bezeichnet damit die Tempelaristokratie. So ist im vierten Evangelium der Kreis der Ankläger, die den Tod Jesu fordern, klar begrenzt: Es handelt sich, in der Tat, um die Tempelaristokratie, aber auch diese nicht ohne Ausnahme, wie der Hinweis auf Nikodemus zu verstehen gibt. Bei Markus erscheint im Kontext der Pessach-Amnestie (Barabbas oder Jesus) der Kreis der Ankläger erweitert: Es erscheint der "ochlos" und votiert für die Freilassung des Barabbas. "Ochlos" bedeutet einfach eine Menge von Menschen, die "Masse". Nicht selten hat das Wort einen negativen Beigeschmack im Sinn von "Pöbel". Auf jeden Fall ist damit nicht "das Volk" der Juden als

Upload: nic-sweet

Post on 04-Mar-2016

218 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Benedikt XVI Über Des Prozess Jesu

7/21/2019 Benedikt XVI Über Des Prozess Jesu

http://slidepdf.com/reader/full/benedikt-xvi-ueber-des-prozess-jesu 1/3

 Veröffentlicht auf domradio.de (http://www.domradio.de) Startseite > "Nicht 'das Volk' der Juden"

Diese Seite drucken

"Nicht 'das Volk' der Juden"

Donnerstag, 3. März 2011Papst Benedikt XVI. über den Prozess Jesu

 Am 10. März erscheint der zweite Teil des auf drei Bände angelegten

Werks "Jesus von Nazareth" von Papst Benedikt XVI. Er legt seineDarstellung der Gestalt Jesu in den Evangelien auch unter seinembürgerlichen Namen Joseph Ratzinger und als Theologe vor und behandeltdarin die Ereignisse vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. DerVatikan veröffentlichte am Mittwoch einige Passagen vorab, die dieKatholische Nachrichten-Agentur (KNA) in eigener Übersetzungauszugsweise dokumentiert:

7. Kapitel: Der Prozess Jesu

(...) Wer eigentlich waren genau die Ankläger? Wer hat auf dieVerurteilung Jesu zum Tode bestanden? (...) Nach dem EvangelistenJohannes sind es einfach die "Juden". Aber dieser Ausdruck besagt imJohannes-Evangelium keinesfalls - wie der moderne Leserinterpretieren könnte - das Volk von Israel als solches, nochweniger hat es einen "rassistischen" Charakter. Schließlich warJohannes, was seine Nationalität betrifft, Israelit, ebenso wieJesus und all die Seinen. Die gesamte ursprüngliche Gemeinde bestandaus Juden. Bei Johannes hat dieser Ausdruck eine präzise und strengeingegrenzte Bedeutung: Er bezeichnet damit die Tempelaristokratie.So ist im vierten Evangelium der Kreis der Ankläger, die den TodJesu fordern, klar begrenzt: Es handelt sich, in der Tat, um dieTempelaristokratie, aber auch diese nicht ohne Ausnahme, wie derHinweis auf Nikodemus zu verstehen gibt.

Bei Markus erscheint im Kontext der Pessach-Amnestie (Barabbas oderJesus) der Kreis der Ankläger erweitert: Es erscheint der "ochlos"und votiert für die Freilassung des Barabbas. "Ochlos" bedeuteteinfach eine Menge von Menschen, die "Masse".

Nicht selten hat das Wort einen negativen Beigeschmack im Sinn von"Pöbel". Auf jeden Fall ist damit nicht "das Volk" der Juden als

Page 2: Benedikt XVI Über Des Prozess Jesu

7/21/2019 Benedikt XVI Über Des Prozess Jesu

http://slidepdf.com/reader/full/benedikt-xvi-ueber-des-prozess-jesu 2/3

solches gemeint. (...) Was diese "Masse" betrifft, handelt es sichum die Unterstützer des Barabbas, die für die Amnestie mobilisiertwurden. Da er sich gegen die römische Herrschaft wandte, konntenseine Unterstützer natürlich mit einer bestimmten Zahl vonSympathisanten rechnen. Es waren also die Anhänger des Barabbasanwesend, die "Masse", während die Anhänger Jesus sich aus Angstverborgen hielten. Daher war die Stimme des Volkes, auf die dasrömische Recht gründete, einseitig präsent.

Bei Matthäus (27,25) findet man eine Ausweitung des "ochlos" vonMarkus, die in ihren Konsequenzen fatal ist, und die stattdessen vom"ganzen Volk" spricht, und ihm die Forderung nach der KreuzigungJesu zuschreibt. Damit äußert Matthäus sicher keine historischeTatsache: Wie hätte das ganze Volk in einem Moment versammelt sein

können, um den Tod Jesu zu fordern? Die historische Realitäterscheint in gesicherter Weise bei Johannes und Markus. (...)

Was ist Wahrheit? Die Frage des Pragmatikers, oberflächlich miteiner gewissen Skepsis gestellt, ist eine sehr ernste Frage, in dereffektiv das Geschick der Menschheit auf dem Spiel steht. (...)

"Für die Wahrheit Zeugnis geben" bedeutet, Gott und seinen Willenden Interessen der Welt und ihren Mächten gegenüber hervorzuheben.Gott ist das Maß des Seins. In diesem Sinn ist die Wahrheit der

echte "König", der allen Dingen ihr Licht und ihre Großartigkeitgibt. Wir können auch sagen, Zeugnis für die Wahrheit zu gebenbedeutet, von Gott als der kreativen Vernunft ausgehend dieSchöpfung zu dechiffrieren und ihre Wahrheit in einer Weisezugänglich zu machen, dass sie Maß und orientierendes Kriterium inder Welt des Menschen sein kann - die den Großen und Mächtigen dieMacht der Wahrheit, das gemeinsame Recht, das Recht der Wahrheitentgegensetzt.

Sagen wir es ruhig: Das Nicht-Erlöstsein der Welt besteht genau indieser Nicht-Dechiffierbarkeit der Schöpfung, in derNicht-Erkennbarkeit der Wahrheit, eine Situation, die dannunvermeidlich zur Herrschaft des Pragmatismus führt. Und das danndazu beiträgt, dass die Macht der Starken zum Gott der Welt wird.

 An dieser Stelle sind wir als moderne Menschen versucht zu sagen:"Dank der Wissenschaft ist für uns die Schöpfung dechiffrierbargeworden." (...) In der Tat, in der großartigen Mathematik derSchöpfung, die wir heute im genetischen Code des Menschen lesen

können, verstehen wir die Sprache Gottes. Aber leider nicht dieganze Sprache. Die funktionale Wahrheit über ihn selbst ist sichtbargeworden. Aber die Wahrheit über ihn selbst - wer er ist, woher er

Page 3: Benedikt XVI Über Des Prozess Jesu

7/21/2019 Benedikt XVI Über Des Prozess Jesu

http://slidepdf.com/reader/full/benedikt-xvi-ueber-des-prozess-jesu 3/3

kommt, was der Zweck seiner Existenz ist, was das Gute oder das Böseist - die kann man leider auf diese Weise nicht lesen. Mit demwachsenden Bewusstsein der funktionalen Wahrheit scheint vielmehreine wachsende Erblindung für "die Wahrheit" selbst Hand in Hand zugehen - für die Frage nach dem, was unsere echte Realität und unserechter Zweck ist. (...)

5. Kapitel: Das Letzte Abendmahl

 Aber was war nun tatsächlich das Letzte Abendmahl Jesu? Und wiegelangte man zum zweifellos alten Konzept des Pessach-Charakters?(...) Jesus wusste um seinen bevorstehenden Tod. Er wusste, dass ernicht mehr das Pessach essen würde. In diesem klaren Bewusstsein luder seine Jünger zu einem letzten Mahl von ganz besonderem Charakter

ein, zu einem Mahl, das nicht zu irgendeinem bestimmten jüdischenCharakter gehörte, sondern das sein Abschied war, in dem er etwasNeues gab: er schenkte sich selbst als wahres Lamm, indem er so s ei n Pessach begründete. (...)

Eine Sache ist bedeutend in dieser gesamten Tradition: DasWesentliche dieses Abschiedsmahles war nicht das antike Pascha,sondern das Neue, das Jesus in diesem Kontext realisierte. Auch wenndieses Zusammensein Jesu mit den Zwölfen kein Pessach-Mahl nach denrituellen jüdischen Vorschriften war, so wurde im Rückblick der

innere Zusammenhang mit dem Tod und der Auferstehung Jesu deutlich:Es war das Pessach Jesu. Er hat Pessach gefeiert und er hat esgleichzeitig nicht gefeiert: die alten Riten konnten nichtpraktiziert werden; denn als ihr Moment kam, war Jesus schon tot. Aber er hat sich selbst geschenkt, und so hat er mit ihnen wirklichPessach gefeiert. In diesem Sinn wurde das alte nicht geleugnet,sondern wurde so zu seinem vollen Sinn gebracht. (...)

Quell-URL: http://www.domradio.de/themen/judentum/2011-03-03/papst-benedikt-

xvi-ueber-den-prozess-jesu