aufgaben und strukturen für die klinische krebsregistrierung

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Onkologe 2011 · 17:121–125 DOI 10.1007/s00761-010-1938-z Online publiziert: 26. Januar 2011 © Springer-Verlag 2011 F. Hofstädter · M. Klinkhammer-Schalke Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren und Kooperationsverbund  Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister, Berlin Aufgaben und Strukturen für die klinische Krebsregistrierung Leitthema Im Rahmen der Bemühungen um eine bessere Versorgung Krebskran- ker in den letzten Jahren (Nationa- ler Krebsplan, sektorenübergreifen- de Qualitätssicherung, Zentrums- bildung, Leitlinien) ist der Bedarf an einer Vereinheitlichung und Standar- disierung der Dokumentation deut- lich geworden. Insbesondere die Arbeit in den Gremien des Nationa- len Krebsplans hat auf nahezu al- len Arbeitsfeldern die Notwendig- keit unterstrichen, die Kommunika- tion der Leistungserbringer und die daraus folgende übergreifende Do- kumentation als eine führende Quer- schnittsaufgabe zu begreifen. Be- sonders bindend ist dieser innere Zu- sammenhang in der Arbeitsgruppe 2, die sich mit neuen Versorgungs- strukturen (Zentren und ihre Netz- werke), Leitlinien, psychosozialer Ver- sorgung und eben Krebsregistrie- rung beschäftigt. Diese Dynamik hat dazu geführt, dass das Zielepapier 8 („Es existiert eine aussagekräftige Qualitätsberichterstattung für Leis- tungserbringer, Entscheidungsträger und Patienten“; [1]) als erstes Ergeb- nis des Nationalen Krebsplans vorge- stellt werden (Nationale Krebskonfe- renz, Berlin 2009; [2]) und in die Um- setzung gebracht werden konnte. Gründe für den steigenden Bedarf an klinischer Krebsregistrierung Die wesentlichen Gründe für das zuneh- mende Interesse an einem Ausbau der kli- nischen Krebsregistrierung sind in diesem Heft genannt: Die Erstellung und Imple- mentierung hochwertiger S3-Leitlinien, die die wissenschaftliche Basis nicht nur für die Versorgung, sondern auch für de- ren Dokumentation und Qualitätssiche- rung darstellen, und neuartige Versor- gungsstrukturen (Zentren und ihre Netz- werke). Insgesamt hat sich darüber hin- aus die Versorgungsstruktur in der On- kologie entscheidend verändert: Der An- teil der multimodalen Behandlungskon- zepte hat sich erheblich vergrößert; kaum ein Patient befindet sich im Verlauf seiner Erkrankung in der Obhut nur einer Be- handlungseinrichtung (Praxis oder Kran- kenhaus). Außerdem wechselt er bei der Auseinandersetzung mit seiner Erkran- kung ständig die Sektoren des Gesund- heitssystems und seine dokumentierte „Krankengeschichte“, mit den für Doku- mentation und Qualitätssicherung rele- vanten Daten, wechseln mit, unterliegen aber jeweils anders gültigen Regeln. Das hat zu einem enormen Aufwand an Do- kumentationsarbeit bei den Leistungser- bringern geführt, dessen Nutzen für diese oftmals nicht erkennbar wird. Neben diesen Motiven vonseiten der Leistungserbringer sind aber noch weitere Gründe für das steigende Interesse an der Krebsregistrierung zu nennen, die in der rasanten Entwicklung der elektronischen Datenspeicherung und -kommunikation liegen. Diese bietet exzellente technische Möglichkeiten für die Einbindung der Krebsregistrierung in die Versorgungs- strukturen, andererseits fördert sie auch die Entwicklung von isolierten technisch geprägten Einzellösungen für bestimm- te Indikationen, die diese zwar kurzfristig zu lösen vermögen, jedoch ihrerseits zur Datenheterogenität beitragen. Aus diesen Gründen wird die Etablie- rung von vorgegebenen einheitlichen Re- geln für eine umfassende, den Patien- ten begleitende Dokumentation notwen- dig, die sowohl den Dateninhalt (Daten- satz) als auch die notwendigen Datenwe- ge beinhaltet. Dieses Konzept ist im Zie- lepapier 8 des Nationalen Krebsplans vor- gezeichnet. Was ist ein „klinisches Krebsregister“? Klinisch oder epidemiologisch oder kli- nisch und epidemiologisch? Die Aufga- ben klinischer und epidemiologischer Krebsregistrierung unterscheiden sich grundsätzlich: Epidemiologische Krebs- register versuchen die Häufigkeit und die Art von Krebserkrankungen in definier- ten Bevölkerungsgruppen zu erfassen [3]. Im Vordergrund des Interesses steht die Beobachtung des Einflusses exogener No- xen, der Auswirkungen von Früherken- nungsmaßnahmen und solchen der Prä- vention und insgesamt der zeitlichen Ver- änderungen derselben [4]. Im Gegensatz dazu versuchen klinische Register aus den einzelnen Krankheitsverläufen – Diagno- se, Therapie, Rehabilitation und Nach- sorge – ein Bild der aktuellen klinischen Versorgung aufzuzeigen, diese auf der Grundlage von Qualitätsindikatoren zu prüfen und Maßnahmen zu deren Ver- besserung anzuregen. 121 Der Onkologe 2 · 2011|

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Page 1: Aufgaben und Strukturen für die klinische Krebsregistrierung

Onkologe 2011 · 17:121–125DOI 10.1007/s00761-010-1938-zOnline publiziert: 26. Januar 2011© Springer-Verlag 2011

F. Hofstädter · M. Klinkhammer-SchalkeArbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren und Kooperationsverbund Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister, Berlin

Aufgaben und Strukturen für die klinische Krebsregistrierung

Leitthema

Im Rahmen der Bemühungen um eine bessere Versorgung Krebskran­ker in den letzten Jahren (Nationa­ler Krebsplan, sektorenübergreifen­de Qualitätssicherung, Zentrums­bildung, Leitlinien) ist der Bedarf an einer Vereinheitlichung und Standar­disierung der Dokumentation deut­lich geworden. Insbesondere die Arbeit in den Gremien des Nationa­len Krebsplans hat auf nahezu al­len Arbeitsfeldern die Notwendig­keit unterstrichen, die Kommunika­tion der Leistungserbringer und die daraus folgende übergreifende Do­kumentation als eine führende Quer­schnittsaufgabe zu begreifen. Be­sonders bindend ist dieser innere Zu­sammenhang in der Arbeitsgruppe 2, die sich mit neuen Versorgungs­strukturen (Zentren und ihre Netz­werke), Leitlinien, psychosozialer Ver­sorgung und eben Krebsregistrie­rung beschäftigt. Diese Dynamik hat dazu geführt, dass das Zielepapier 8 („Es existiert eine aussagekräftige Qualitätsberichterstattung für Leis­tungserbringer, Entscheidungsträger und Patienten“; [1]) als erstes Ergeb­nis des Nationalen Krebsplans vorge­stellt werden (Nationale Krebskonfe­renz, Berlin 2009; [2]) und in die Um­setzung gebracht werden konnte.

Gründe für den steigenden Bedarf an klinischer Krebsregistrierung

Die wesentlichen Gründe für das zuneh-mende Interesse an einem Ausbau der kli-

nischen Krebsregistrierung sind in diesem Heft genannt: Die Erstellung und Imple-mentierung hochwertiger S3-Leitlinien, die die wissenschaftliche Basis nicht nur für die Versorgung, sondern auch für de-ren Dokumentation und Qualitätssiche-rung darstellen, und neuartige Versor-gungsstrukturen (Zentren und ihre Netz-werke). Insgesamt hat sich darüber hin-aus die Versorgungsstruktur in der On-kologie entscheidend verändert: Der An-teil der multimodalen Behandlungskon-zepte hat sich erheblich vergrößert; kaum ein Patient befindet sich im Verlauf seiner Erkrankung in der Obhut nur einer Be-handlungseinrichtung (Praxis oder Kran-kenhaus). Außerdem wechselt er bei der Auseinandersetzung mit seiner Erkran-kung ständig die Sektoren des Gesund-heitssystems und seine dokumentierte „Krankengeschichte“, mit den für Doku-mentation und Qualitätssicherung rele-vanten Daten, wechseln mit, unterliegen aber jeweils anders gültigen Regeln. Das hat zu einem enormen Aufwand an Do-kumentationsarbeit bei den Leistungser-bringern geführt, dessen Nutzen für diese oftmals nicht erkennbar wird.

Neben diesen Motiven vonseiten der Leistungserbringer sind aber noch weitere Gründe für das steigende Interesse an der Krebsregistrierung zu nennen, die in der rasanten Entwicklung der elektronischen Datenspeicherung und -kommunikation liegen. Diese bietet exzellente technische Möglichkeiten für die Einbindung der Krebsregistrierung in die Versorgungs-strukturen, andererseits fördert sie auch die Entwicklung von isolierten technisch

geprägten Einzellösungen für bestimm-te Indikationen, die diese zwar kurzfristig zu lösen vermögen, jedoch ihrerseits zur Datenheterogenität beitragen.Aus diesen Gründen wird die Etablie-rung von vorgegebenen einheitlichen Re-geln für eine umfassende, den Patien-ten begleitende Dokumentation notwen-dig, die sowohl den Dateninhalt (Daten-satz) als auch die notwendigen Datenwe-ge beinhaltet. Dieses Konzept ist im Zie-lepapier 8 des Nationalen Krebsplans vor-gezeichnet.

Was ist ein „klinisches Krebsregister“?

Klinisch oder epidemiologisch oder kli-nisch und epidemiologisch? Die Aufga-ben klinischer und epidemiologischer Krebsregistrierung unterscheiden sich grundsätzlich: Epidemiologische Krebs-register versuchen die Häufigkeit und die Art von Krebserkrankungen in definier-ten Bevölkerungsgruppen zu erfassen [3]. Im Vordergrund des Interesses steht die Beobachtung des Einflusses exogener No-xen, der Auswirkungen von Früherken-nungsmaßnahmen und solchen der Prä-vention und insgesamt der zeitlichen Ver-änderungen derselben [4]. Im Gegensatz dazu versuchen klinische Register aus den einzelnen Krankheitsverläufen – Diagno-se, Therapie, Rehabilitation und Nach-sorge – ein Bild der aktuellen klinischen Versorgung aufzuzeigen, diese auf der Grundlage von Qualitätsindikatoren zu prüfen und Maßnahmen zu deren Ver-besserung anzuregen.

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„Klinische Krebsregistrierung“ ist daher keineswegs – wie die Bezeichnung etwas irreführend lautet und gelegentlich miss-verstanden wird – identisch mit „Kran-kenhausregister“, sondern begleitet den Patienten vom prästationären Bereich über die Krankenhausbehandlung in die Nachsorge [5].

>„Klinische Krebsregistrierung“ ist nicht identisch mit „Kranken­hausregister“

Ein zunehmender Anteil von Patienten wird außerdem ausschließlich ambulant versorgt. Insbesondere für die Bewertung des Ergebnisses des gesamten Prozesses ist die Erfassung der Nachsorgedaten un-erlässlich. Aufgrund der unterschiedli-chen Zielsetzung unterliegen die klinische und die epidemiologische Krebsregistrie-rung auch unterschiedlichen Normen. Diese Unterschiedlichkeiten sind aber kein Hinderungsgrund, die entsprechen-den Daten synergistisch zu nutzen und damit dem jeweiligen Leistungserbringer Doppeldokumentationen zu ersparen. Optimal fließen die Daten aus der „klini-schen“ Krebsregistrierung entsprechend aufbereitet und vollzählig in die epide-miologischen Landesregister ein und wer-

den von dort an die Dachdokumentation Krebs beim Robert-Koch-Institut geliefert (. Abb. 1). Auch die Datenwege im Rah-men der sektorenübergreifenden Quali-tätssicherung nach §137 a SGB V und die Dokumentation im Rahmen der Onkolo-gievereinbarung (§8) lassen sich in dieses Konzept einfügen. Voraussetzung für die-ses Konzept ist die Zuordnung von Ein-zugsgebieten durch die Länder, die die je-weiligen Versorgungsstrukturen mitbe-rücksichtigen. Dabei sind Mindestgrößen der jeweiligen Register zu beachten, um in einem ökonomisch vertretbaren Korri-dor arbeiten zu können. Die betriebswirt-schaftlichen Kennzahlen sind im Gut-achten zur Aufwand-Nutzen-Abschät-zung klinischer Krebsregister von der Prognos AG im Rahmen des Nationalen Krebsplans dargestellt [6]. Der zu erwar-tende Nutzen durch funktionsfähige, flä-chendeckende klinische Krebsregister für Leistungserbringer, Betroffene und Ent-scheidungsträger auf nationaler und inter-nationaler Ebene ist in diesem Gutachten ausführlich ausgearbeitet. Die Festlegung von Einzugsgebieten stellt neben dem ge-meinsam verwendeten Datensatz (s. u.) die Grundlage dar, um durch Datenaus-tausch dem Problem der Patientenmigra-tion gerecht zu werden.

Optimale Struktur zur Bewältigung dieser Aufgaben

Die komplexer gewordenen diagnosti-schen Verfahren und die zunehmend an-gewandte multimodale Therapie verlangt nach einer Zusammenführung der ein-zelnen Dokumente nach einem einheit-lich angewandten Datensatz. Diese Zu-sammenführung zu einer sektorenüber-greifenden Krankengeschichte, die auch die Basis für die weitere Versorgung des jeweiligen Patienten darstellt, muss in einem regional definierten Netzwerk ge-schehen, das die Daten aller Leistungser-bringer erfasst. Diese Daten werden auf Plausibilität geprüft und in der jeweils notwendigen Form (z. B. Landeskrebs-register) weitergeliefert. Sie stellen auch die Basis der Zertifizierungen der Organ-krebszentren und Onkologischen Zent-ren durch die Deutsche Krebsgesellschaft über Onkozert dar. Die zunehmende Pa-tientenmigration ist bei diesem Konzept berücksichtigt: Das einheitliche Format der Dokumentation ermöglicht den Aus-tausch von Daten zwischen den einzelnen Registern. Diese erbringen auch die Leis-tung der stetigen Aktualisierung des Vital-status der Patienten. Dieses Konzept wird in mehreren Bundesländern weitgehend

ca. 436. 000 Krebsneuerkrankungenpro Jahr, insgesamt etwa 3–4 Mio.

Zentrum fürKrebsregisterdaten (RKI)

BUND

FachunabhängigesInstitut (Aqua)

Epidemiologische und klinischeKrebsregistrierung

ADT/GEKID-Datensatz

Klinische Krebsregistrierung

CCCs Kliniken und Praxen

KREBSPATIENTEN

VERSORGER

REGIONEN

Organkrebszentren Pathologien

Andere EKR

Andere KKR

Je nach RegelungGesundheitsamtMeldebehörde

ADT/GEKID-Datensatz

LÄNDER

Abb. 1 9 Konzept der re-gional basierten, stufen-weise gegliederten, ein-heitlich klinisch-epide-miologischen Krebsregis-trierung. EKR Epidemiolo-gische Krebsregister, KKR  Klinische Krebsregister, CCC Comprehensive Can-cer Center, ADT Arbeits-gemeinschaft deutscher  Tumorzentren, GEKID Ge-sellschaft der epidemiolo-gischen Krebsregister

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Leitthema

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verwirklicht (Bayern, Brandenburg u. a.). In Bayern hat es in relativ kurzer Zeit zu einer Vollzähligkeit des epidemiologi-schen Landeskrebsregisters geführt. Vo-raussetzung ist allerdings die verbindli-che Festlegung von definierten Einzugs-gebieten, wie sie etwa in Bayern durch das Staatsministerium über die Verord-nung zur epidemiologischen Krebsregis-trierung erfolgt ist.

Ein weiterer Vorteil dieses integrativen Konzepts ist die Neutralität der Datensam-mel- und bearbeitungsstelle. Diese arbeitet nahe an der Versorgung und besitzt deren Vertrauen, ist aber von den einzelnen Leis-tungserbringern und deren Träger unab-hängig. Die Nähe zur Versorgungsstruk-tur ermöglicht Rückfragen zur Datenqua-lität und verbessert diese damit, die Trä-gerunabhängigkeit stattet die analysierten Daten mit der notwendigen Glaubwürdig-keit aus, die Öffentlichkeit, Entscheidungs-träger und Patienten erwarten.

Hindernisse

Die heute arbeitenden klinischen Krebs-register gehen ursprünglich auf eine In-itiative des Bundesgesundheitsministe-riums in den 1980er Jahren zurück. Von da an haben sie sich unterschiedlich oh-ne gesetzliche Verankerung durch Eigen-initiative weiterentwickelt und sind daher heute nicht in allen Regionen der Bundes-republik vertreten. Auch die aktiv in die Versorgung eingebundenen Krebsregister zeigen beträchtliche Heterogenität bezüg-lich ihrer Struktur und Funktion. In den letzten Jahren ist es gelungen, insbeson-dere durch die Arbeit des „Kooperations-verbundes Qualitätssicherung durch kli-nische Krebsregister(KoQK)“ und dessen Forum eine stabile und wirkungsvolle Ko-operation der Register zu erreichen. Dies hat auch zu einer engen und produktiven Zusammenarbeit mit den epidemiologi-schen Registern (GEKID e.V.) geführt.

Trotzdem stehen vor der Verwirkli-chung des ersten formulierten Ziels des Nationalen Krebsplans, der flächendecken-den Einführung klinischer Krebsregister, bedeutsame Barrieren, die nicht oder nur sehr eingeschränkt von den Registern, son-dern von den Entscheidungsträgern über-wunden werden können. Im Vordergrund stehen die fehlende gesetzliche Regelung

zur Finanzierung und Arbeitsweise der kli-nischen Register und daran anschließend die entsprechenden einheitlichen Bestim-mungen des Datenschutzes. Die Maßnahmen zu Überwindung die-ser Barrieren sind im Zielepapier 8 ge-nannt und veröffentlicht [1]. Als erster Schritt zur Umsetzung der erstpriorisier-ten Maßnahme wurde vom Bundesmi-nisterium für Gesundheit eine Aufwand-Nutzen-Abschätzung in Auftrag gegeben und von der Prognos AG durchgeführt. Dieses Gutachten stellt auf der Basis einer präzisen deutschlandweiten Analyse der Kosten fest, dass der zu betreibende Auf-wand durch den Nutzen gerechtfertigt wird und weist den Weg zu den weiteren Schritten der begonnenen Umsetzung [6]. Als ebenso komplex stellt sich die Reali-sierung der zweitpriorisierten Maßnahme dar: die Schaffung von einheitlichen Re-gelungen des Datenschutzes.

> Zielepapier 8 erläutert Maß­nahmen zur Überwindung dieser Barrieren

Die neuen Entwicklungen in der Onko-logie vonseiten der Leistungserbringer, Erkenntnisse der Forschung, aber auch hochwertige Leitlinien und Versorgungs-strukturen (Zentren und ihre Netzwerke) haben dem Konzept der Qualitätssiche-rung durch klinische Krebsregister neue und hohe Aktualität gebracht [7]. Trotz-dem muss man bei der begonnenen Um-setzung feststellen, dass die Kluft zwischen Forschung und Versorgung auf der einen Seite und den gesundheitspolitischen Ent-scheidungsträgern, trotz der engen Zusam-menarbeit im Nationalen Krebsplan, im-mer noch sehr tief ist. Aus naheliegenden Gründen dominiert die prioritäre Frage der Kosten, die Inhalte reihen sich dahin-ter. Außerdem wird die Umsetzung von als nutzenbringend erkannten Maßnahmen durch die sektorale Gliederung der Versor-gung mit ihren Normen erschwert, und die klinischen Krebsregister sind zwangsläufig in beiden Sektoren zu Hause.

Weg zur Lösung des Problems der Datenheterogenität

Die oben beschriebenen Haupthindernis-se für die flächendeckende Errichtung kli-

nischer Krebsregister, fehlende rechtliche Grundlagen zu deren Finanzierung sowie unzureichende und heterogene daten-schutzrechtliche Bestimmungen sind im Zielepapier 8 des Nationalen Krebs-plans beschrieben und Maßnahmen zu ihrer Überwindung aufgezeichnet. Diese Maßnahmen bedürfen der Anstrengung auf vielen Ebenen der Gesundheitspoli-tik und der Selbstverwaltung auf Bundes- und Länderebene und gehen weit über den Gestaltungsrahmen der Krebsregis-ter hinaus. Die Krebsregister (klinische und epidemiologische) haben aber lan-ge vor der Umsetzung der oben beschrie-benen Maßnahmen (Finanzierung und Datenschutz) Schritte eingeleitet, um die Redundanz und Heterogenität der Daten in der onkologischen Versorgung auf den Feldern zu reduzieren, auf denen sie auto-nom und in Abstimmung mit den onko-logischen Fachgesellschaften (z. B. Deut-sche Krebsgesellschaft) agieren können. So wurde der ADT-Basisdatensatz aktu-alisiert, präzise mit der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister (GE-KID) und der Arbeitsgemeinschaft Do-kumentation der onkologischen Spitzen-zentren (Comprehensive Cancer Center) konsentiert. Er wurde in die Erhebungs-bögen der Organkrebszentren und onko-logischen Zentren der Deutschen Krebs-gesellschaft und S3-Leitlinien eingebracht. Es erweist sich, dass dieser gemeinsame Basisdatensatz von ADT und GEKID die Mehrzahl der für die Zertifizierung er-forderlichen Daten abdeckt. Für fehlen-de Datenfelder wurden in enger Abstim-mung mit den jeweiligen Zertifizierungs- und Leitlinienkommissionen sowie den dahinterstehenden Fachgesellschaften für 4 Organtumoren (Brust-, Darm-, Lungen-krebs und malignes Melanom) in einem systematischen Delphi-Konsensusverfah-ren Zusatzmodule entwickelt und vom Lenkungsausschuss des KoQK verab-schiedet.

Auch mit dem im Rahmen der gesetzli-chen Qualitätssicherung nach §137 a SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragten AQUA-Institut bestehen en-ge Kooperationen in Bezug auf die Fest-legung der einzelnen Dokumentations-parameter mit dem erklärten Ziel, Dop-pel- und Mehrfachdokumentation in der Onkologie zu vermeiden. Auf Initiative

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Leitthema

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Zusammenfassung · Abstract

Onkologe 2011 · 17:121–125DOI 10.1007/s00761-010-1938-z© Springer-Verlag 2011

F. Hofstädter · M. Klinkhammer-Schalke

Aufgaben und Strukturen für die klinische Krebsregistrierung

ZusammenfassungDie zeitgemäße multimodale und sektoren-übergreifende onkologische Versorgung hat zusammen mit dem höheren Bedürfnis nach transparenter Qualität zu einer hohen Doku-mentationsbelastung der Leistungserbringer geführt, die den ursprünglichen Zielen der Qualitätssicherung entgegenwirkt. Daraus ist im Verbund mit der Implementierung von neuen Versorgungsstrukturen (Zentren und ihre Netzwerke) und hochwertigen Leitlinien eine starke Bewegung entstanden, die Doku-mentationsinhalte und -wege neu zu über-denken und zu harmonisieren. Eine zentrale Bedeutung nimmt dabei der Nationale Krebs-plan ein, der in seinem Zielepapier 8 den flä-chendeckenden Ausbau und Betrieb klini-scher Krebsregister fordert. Die strukturellen Voraussetzungen dafür sind in einem vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben Gutachten dargestellt.

SchlüsselwörterKrebsregister · Qualitätssicherung · Leitlinien · Zentren · Nationaler Krebsplan

Function and structures for the clinical cancer registries

AbstractThe current multimodal and transsectoral treatment in oncology combined with an in-creased need for transparent quality lead to an enormous workload in the field of doc-umentation. This fact together with the im-plementation of new structures (cancer cen-ters and their respective networks) and of ev-idence-based guidelines has resulted in a movement to consider the extent of the doc-umented items and the pathways of oncolog-ic documentation. The recent National Cancer Program plays a central role which, in the tar-get paper 8 proposes the further implemen-tation and routine function of clinical cancer registries. The respective structural implica-tions for this have recently been published in an expert assessment ordered by the Federal Ministry of Health.

KeywordsCancer registry · Quality control · Guide lines · Cancer center · National Cancer Program

der Deutschen Krebsgesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumor-zentren wurde außerdem eine Arbeits-gruppe mit dem Verband der Herstel-ler von IT-Lösungen im Gesundheitswe-sen (VHitG) gegründet, die an der Um-setzung des einheitlichen onkologischen Basisdatensatzes (ADT, GEKID, DKG, CCC), seiner organspezifischen Zusatz-module und der Einbindung der sekto-renüberschreitenden Qualitätssicherung durch das AQUA-Institut arbeitet.

Das Problem der Vielfalt der Do-kumentationsanforderung der einzel-nen Leistungssysteme wurde auch in der Steuerungsgruppe des Nationalen Krebs-plans erkannt und zu einem prioritären gemeinsamen Ziel der eingesetzten Quer-schnittsarbeitsgruppendokumentation er-klärt. Diese Arbeitsgruppe hat zum einen die Aufgabe die in den einzelnen Zielepa-pieren geforderten Dokumentationsnot-wendigkeiten zu bündeln und zu harmo-nisieren. Zum anderen wird zusammen mit den einzelnen Normengebern, der Deutschen Krebsgesellschaft, der Arbeits-gemeinschaft der wissenschaftlichen me-dizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und Leistungserbringern nach Lösungen für den Abbau redundanten Dokumenta-tionsaufwands durch Vermeidung mehr-facher Erfassung identischer Items und die verbindliche Etablierung einer ein-heitlichen Tumordokumentation gesucht. Zur Erfüllung dieser Aufgabe werden die Mitglieder der Querschnittsarbeitsgrup-pendokumentation Anfang 2011 einen Vorschlag erarbeiten,F  der den derzeitigen redundanten Do-

kumentationsaufwand darstellt,F  der Barrieren benennt, die einer Re-

duktion dieses Aufwands entgegen stehen,

F  der den durch eine einheitliche Tu-mordokumentation zu erwartenden Nutzen für Patienten, Leistungser-bringer und Leistungsträger aufzeigt,

F  der Maßnahmen beschreibt, die für die Etablierung einer einheitlichen Tumordokumentation von den je-weils zuständigen Institutionen durchgeführt werden müssen.

Durch den erklärten Willen aller Beteilig-ten und unter Teilnahme aller Normen-geber und Leistungsträger in der Onko-

logie kann dies die Lösung des Problems der Datenheterogenität hin zu einer neu-tralen, einheitlichen, validen, sektoren-übergreifenden, vollzähligen und voll-ständigen Erfassung und Bewertung der Behandlung eines Krebspatienten sein.

Fazit für die Praxis

F  Der zurzeit redundante Dokumenta-tionsaufwand sollte dargestellt wer-den.

F  Barrieren, die einer Reduktion dieses Aufwands entgegen stehen, sollten überwunden werden.

F  Eine einheitliche Tumordokumenta-tion sollte den zu erwartenden Nut-zen für Patienten, Leistungserbringer und Leistungsträger aufzeigen.

F  Eine einheitliche Tumordokumenta-tion sollte von den jeweils zuständi-gen Institutionen etabliert werden.

KorrespondenzadresseProf. Dr. F. HofstädterArbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren und Kooperationsverbund Qualitätssicherung durch klinische KrebsregisterStraße des 17. Juni 106–108, 10623 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

  1.  Bundesministerium für Gesundheit (2010) Natio-naler Krebsplan: Zielepapier zu Ziel 8. http://www.bmg.bund.de

  2.  Bundesministerium für Gesundheit (2009) Infor-mationspapier zur Nationalen Krebskonferenz. http://www.bmg.bund.de

  3.  Katalinic A, Hentschel S (2011) Epidemiologische Krebsregistrierung: Aufgaben und Strukturen. Der Onkologe

  4.  Altmann U, Garbe C, Hofstädter F, Katalinic A (2007) Klinische und epidemiologische Kebsregis-ter in Deutschland. Forum 22:28–29

  5.  Hofstädter F, Hölzel D (2008) Was leisten Tumorre-gister für die Qualitätssicherung in der Onkologie? Onkologe 14:1220–1233

  6.  Bundesministerium für Gesundheit (2010) Gutach-ten Aufwand-Nutzen-Abschätzung zum Ausbau und Betrieb bundesweit flächendeckender klini-scher Krebsregister. http://www.bmg.bund.de

  7.  Klinkhammer-Schalke M (2009) Kombination von medizinischen und hermeneutischen Ergebnissen in der Versorgungsforschung. Forum 5:37–44

125Der Onkologe 2 · 2011  |