archivar 02 2008 internet

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AR CHI VAR 02 61. Jahrgang G 4914 Mai 2008 Heft Herausgeber Landesarchiv Nordrhein-Westfalen VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. Zeitschrift für Archivwesen Kulturgutschutz in Deutschland Zwischen Benutzung und Nutzungssperre Das Verwaltungsverfahren bei Schutzfristverkürzungen Archivische Anforderungen bei der Einführung eines Dokumenten-Management-Systems bzw. eines Vorgangsbearbeitungs-Systems Das „Württembergische Urkundenbuch online“ Zeitschrift für Archivwesen ARCHIVAR 02 61. Jahrgang Mai 2008

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Zeitschrift für Archivwesen

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Page 1: Archivar 02 2008 Internet

ARCHIVAR

0261. Jahrgang G 4914

Mai 2008 Heft

Herausgeber Landesarchiv Nordrhein-Westfalen VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V.

Zeitschrift für Archivwesen

Kulturgutschutz in Deutschland

Zwischen Benutzung und Nutzungssperre

Das Verwaltungsverfahren beiSchutzfristverkürzungen

Archivische Anforderungen bei der Einführungeines Dokumenten-Management-Systems bzw.eines Vorgangsbearbeitungs-Systems

Das „Württembergische Urkundenbuch online“Zei

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INHALT

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

EDITORIAL 115

AUFSÄTZE 116

Kulturgutschutz in Deutschland 116Zwischen Benutzung und Nutzungssperre 124Das Verwaltungsverfahren bei Schutzfristverkürzungen 133Archivische Anforderungen bei der Einführung eines Dokumenten-Management-Systems bzw. eines Vorgangsbearbeitungs-Systems 138Das „Württembergische Urkundenbuch online“ 145

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS 152

Ein Archiv vom Kopf auf die Füße stellen . Erweiterter Archivbau des HistorischenArchivs des Erzbistums Köln . Zwischen Aufklärung, Revolution und Restauration ·Filmarchives online . Rahmenvereinbarung mit den Statstischen Ämtern . NeuesWerkzeug zur maschinellen Freigabe von Findmitteln im Internet . Das BückeburgerVerfahren zur Massenentsäuerung von Archivgut . Natürliche Klimatisierung inArchivmagazinen . Arbeitsschutz in Archiven und Bibliotheken . DigitaleLangzeitarchivierung verstehen und anwenden . Schnelles und gezieltesRecherchieren . Fachlicher Austausch Baden-Württembergischer und RumänischerArchivare . Conference Internationale de la Table Ronde des Archives (CITRA) ·Delegation der BStU beim IPN in Warschau

LITERATURBERICHTE 177

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW 191

Sorge um die Sonstigen 191Unbekannte Quellen: „Massenakten“ des 20. Jahrhunderts 200

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA 201

Internationale Tagung der Archivarsverbände 201Viel Engagement und gut Resonanz beim 4. Tag der Archive 2008 20378. Deutscher Archivtag 2008 in Erfurt 203Satzung des VdA - Verband deutscher Archivarinnen und Archivare 205

PERSONALNACHRICHTEN 209

KURZINFORMATIONEN, UND VERSCHIEDENES 212

VORSCHAU/IMPRESSUM 214

Page 3: Archivar 02 2008 Internet

Liebe LLeserinnen uund LLeser, lliebe KKolleginnen uund KKollegen,

im Editorial zu Heft 1 hatten wir Sie um Rückmeldungen zum „neuen“ Archivar gebeten. Dass so viele unsererLeserinnen und Leser dieser Aufforderung nachgekommen sind, hat uns positiv überrascht. Die zahlreichen Zu-schriften und Gespräche zeigen, dass der Archivar in der fachinternen Öffentlichkeit als zentrale, spartenübergreifen-de Fachzeitschrift wahrgenommen und akzeptiert wird.

Die Bandbreite der Reaktionen von großer Zustimmung bis zu grundsätzlicher Ablehnung war dagegen wenigerüberraschend: Eine deutliche Veränderung im Lay-out provoziert natürlich auch eindeutige Stellungnahmen. DerBeirat wird die eingegangenen konstruktiven Anregungen in seiner nächsten turnusmäßigen Sitzung besprechen undnach Möglichkeit im Rahmen des neuen Layouts umsetzen. Einzelne Anpassungen (z. B. Größe der Fußnoten undder Überschriften) erfolgten schon für die aktuelle Ausgabe.

Doch nun zum Inhalt des Hefts, das jetzt in dem für die zweite Ausgabe des Jahres vorgesehenen, pastellfarbenenLay-out vor Ihnen liegt: Schwerpunktthema in Heft 2 sind „Rechtsfragen im Archivwesen“. Für viele Kolleginnenund Kollegen vielleicht eine etwas trockene Materie, die aber nichtsdestotrotz im archivischen Alltag eine immergrößere Rolle spielt. Archivarinnen und Archivare werden in ihrer beruflichen Praxis mit zahlreichen Rechtsfragenkonfrontiert, die nicht nur dem engeren archivgesetzlichen Bereich zuzuordnen sind, sondern auch andere Rechts-kreise berühren.

Zu diesen anderen archivrelevanten Rechtsbereichen zählt z.B. der Kulturgutschutz: Irmgard Mummenthey stellt inihrem Beitrag die Änderungen vor, die sich aus der Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens von 1970 ergeben.Stephan Dusil beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit urheberrechtlichen Fragen, die sich in Zusammenhang mit derArchivierung, Nutzung und Veröffentlichung von Fotos stellen. Archivarinnen und Archivare müssen sich nichtzuletzt auch mit Fragen des Verwaltungsverfahrensrechts beschäftigen, wie Jenny Kotte in ihrem Beitrag über dasVerwaltungsverfahren bei Schutzfristverkürzungen zeigt. Einen engen Bezug zum Schwerpunktthema des Hefts hatauch der Aufsatz von Christoph Schmidt in den Mitteilungen und Beiträgen des Landesarchivs NRW. Ausgehend vonden Regelungen des nordrhein-westfälischen Archivgesetzes beschäftigt er sich mit der Archivierung von Unterlagenjuristischer Personen des öffentlichen Rechts und zeigt dabei ein Themenfeld auf, das in zukünftigen Novellierungender Archivgesetze überarbeitet werden sollte.

Wir hoffen, dass sowohl das Schwerpunktthema als auch die übrigen Berichte und aktuellen Nachrichten aus derArchivwelt Ihr Interesse finden. Zum Schluss noch ein Tipp: Schauen Sie doch auch mal wieder ins Internet unterwww.archive.nrw.de/archivar/: Der Archivar erscheint mittlerweile auch im Netz in neuem Outfit.

Herzlichst, Barbara Hoen, Robert Kretzschmar, Wilfried Reininghaus,

Ulrich Soénius, Martina Wiech, Klaus Wisotzky

EDITORIAL

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

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von Irmgard Mummenthey

KULTURGUTSCHUTZ INDEUTSCHLAND

NEUER SCHWUNG DURCH DIERATIFIZIERUNG DES UNESCO-ÜBEREINKOMMENS VON 1970?

dessen Ausfuhr für das nationale kulturelle Erbe einen merklichenVerlust bedeuten würde (Artikel 5 b), zu führen. In Deutschlandsind dies die Verzeichnisse national wertvollen Kulturgutes undnational wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschenKulturgutes gegen Abwanderung (Kulturgutschutzgesetz).Weitere hervorzuhebende Aspekte:– Die Einfuhr, Ausfuhr oder Übereignung von Kulturgut gelten als

rechtswidrig, wenn sie im Widerspruch zu den Bestimmungenstehen, die von den Vertragsstaaten auf Grund des Übereinkom-mens angenommen worden sind (Artikel 3).

– Wird illegal ausgeführtes Kulturgut im Ausland gutgläubig erwor-ben, ist eine Entschädigung vorgesehen3 (Artikel 7 b ii).

DIE UMSETZUNG IN DEUTSCHLAND

Das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 14. November 1970 überMaßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigenEinfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 20. April20074 ist schlicht ein Vertragsgesetz.5 Artikel 2 Absatz 2 diesesGesetzes weist darauf hin, dass der Tag, an dem das Übereinkom-men für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundes-gesetzblatt bekannt zu machen ist. Dieser Termin ist abhängig vomZeitpunkt der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde beim General-direktor der UNESCO.Die eigentliche Umsetzung des Übereinkommens erfolgt durch dasGesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14.November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütungder rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kultur-gut vom 18. Mai 2007.6 Dies ist ein so genanntes Artikel-Gesetz:

Artikel 1umfasst die Neufassung des Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zumVerbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr undÜbereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe vonunrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrach-

Rund zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung wird in Deutsch-land das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbotund zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Über-eignung von Kulturgut vom 14. November 1970 (im folgenden Text:UNESCO-Übereinkommen oder Übereinkommen) umgesetzt.Dieser Beitrag will die Auswirkungen insbesondere auf öffentlichesArchivgut aufzeigen. Da das Übereinkommen und andere hiervorzustellende Grundlagen in der Regel von Kulturgut sprechen, seidarauf hingewiesen, dass dieser Begriff immer auch Archivgutumfasst, sofern nichts Besonderes bemerkt ist. Kirchliches Kulturgutbzw. Archivgut bleibt aus der Sicht der Verfasserin unberücksichtigt.

DAS UNESCO-ÜBEREINKOMMEN

Das Übereinkommen wurde von der Generalkonferenz der Organi-sation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft undKultur1 am 14. November 1970 in Paris angenommen. Es gilt in denMitgliedsstaaten der UNESCO nicht unmittelbar, sondern bedarfder Ratifikation bzw. Annahme und der Hinterlegung einer entspre-chenden Urkunde beim Generaldirektor der UNESCO. Die rechtswidrige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kultur-gut, so stellt das Übereinkommen in Artikel 2 fest, ist eine derHauptursachen für die Verluste am kulturellen Erbe der jeweiligenUrsprungsländer.2 Die internationale Zusammenarbeit gilt als „einesder wirksamsten Mittel“, dem zu begegnen. Insofern ergeben sich fürdie einzelnen Vertragsstaaten Rechte und Pflichten gegenüber denübrigen Vertragsstaaten. Gemäß Artikel 1 gilt als Kulturgut im Sinne des Übereinkommensdas aus religiösen oder weltlichen Gründen „als für Archäologie,Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaftbesonders bedeutsam bezeichnete Gut“, welches zu bestimmtenKategorien gehört. Eine dieser Kategorien bilden Archive, einschließ-lich Phono-, Foto- und Filmarchive. Die Formulierung „als … beson-ders bedeutsam bezeichnet“ schließt aus, dass alles Archivgut alsKulturgut durch das Übereinkommen erfasst ist. In der Tat fordert das Übereinkommen die Vertragsstaaten auf, einVerzeichnis des bedeutsamen öffentlichen und privaten Kulturgutes,

AUFSÄTZE

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1 United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization2 In seiner Botschaft vom 21. November 2001 über die UNESCO-Konventi-

on und das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer(KGTG) stellte der Schweizerische Bundesrat fest, dass der „illegale Kul-turgütertransfer, welcher dem Kulturerbe schwere und oft irreversibleSchäden zufügt“, vielerorts vom organisierten Verbrechen übernommenworden sei und mit dem Drogen- und Waffenhandel „an der Spitze der un-rechtmässigen Handelsgeschäfte“ stehe (S. 536), www.bak.admin.ch/bak/themen/kulturguetertransfer/01104/index.html?lang=de (Abruf: 23.Januar 2008).

3 Das Fehlen einer Entschädigungsregelung im Hamburgischen Archivgesetzfür den gutgläubigen Erwerber wurde vom OVG Münster thematisiert, alses im Falle des Stempels des IV. Hamburgischen Staatssiegels zu entschei-den hatte (Urteil vom 25. Februar 1993, 20 A 1289/91, in NJW 40 (1993), S.2635-2637, hier: S. 2636). Zum Fall selbst vgl. Hans Wilhelm Eckardt, Sta-tionen eines Stempels. Anmerkungen zum IV. Hamburgischen Staatssiegel(Vorträge und Aufsätze, Heft 31, hrsg. Verein für Hamburgische Geschich-te), Hamburg 1995. Die vor allem in dieser Frage als Ergänzung angesehene UNIDROIT Con-vention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects vom 24. Juni 1995hat Deutschland nicht ratifiziert (vgl. zu den Motiven die Begründung zumEntwurf des Ausführungsgesetzes, Deutscher Bundestag, Drucksache16/1371 vom 4. Mai 2006, S. 13 f.).

4 BGBl. Teil II, S. 626.5 Zur Rechtsnatur des UNESCO-Übereinkommens und dessen Inhalt im De-

tail vgl. Ernst-Rainer Hönes, Die UNESCO-Konvention über Maßnahmenzum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr undÜbereignung von Kulturgut vom 14. November 1970, in: BayVBl. 6 (2006),S. 165-173.

6 BGBl. Teil I, S. 757.7 Vgl. http://erc.unesco.org/cp/convention.asp?KO=13039&language=E (Ab-

ruf: 24. Januar 2008). 20 Mitgliedsstaaten der EU haben auch das UNES-CO-Übereinkommen ratifiziert. Zu den Motiven für die Ratifizierung vgl.Begründung zum Entwurf des Vertragsgesetzes, Deutscher Bundestag,Drucksache 16/1372 vom 4. Mai 2006, S. 18 f.

8 Amtsblatt Nr. L 74 vom 27. März 1993, S. 74, zuletzt geändert durch Richt-linie 2001/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni2001 (Amtsblatt Nr. L 187 vom 10.7.2001, S. 43).

9 BGBl. Teil I S. 3162.

Artikel 5 schließlich regelt das Inkrafttreten und Außerkrafttreten. Teile desAusführungsgesetzes, so die Änderung des Kulturgutschutzgesetzes,treten am Tage nach der Verkündung in Kraft, die übrigen Teile, wiebereits erwähnt, abhängig von der Hinterlegung der Ratifikationsur-kunde.Im Mittelpunkt der weiteren Betrachtung sollen das Kulturgut-schutzgesetz und das Kulturgüterrückgabegesetz stehen.

KULTURGUTSCHUTZGESETZ

Sinn und Zweck des Gesetzes werden deutlich, wenn man sich denvollständigen Titel vor Augen führt: Gesetz zum Schutz deutschenKulturgutes gegen Abwanderung. Der Abwanderungsschutz wirderreicht durch die Eintragung in die Verzeichnisse national wertvol-len Kulturgutes und national wertvoller Archive. Das Kulturgutschutzgesetz ist von seiner Systematik her unüber-sichtlich und die einzelnen Verfahrensschritte deshalb nicht immerklar erkennbar, was erfahrungsgemäß zu Missverständnissen beiallen Beteiligten führen kann. Abschnitt 1 (§§ 1-9) beschäftigt sich mit „Kunstwerken und anderemKulturgut“ (darunter Bibliotheksgut), Abschnitt 2 (§§ 10-15) mitdem Archivgut. Von Abschnitt 2 wird in Teilen auf Vorschriften inAbschnitt 1 verwiesen. Dabei lohnt sich ein genaues Hinschauen. Sofehlen die Verweise auf § 7 (Löschung aus dem Verzeichnis) und § 6

ten Kulturgütern (Kulturgüterrückgabegesetz). Die Rechte undPflichten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, gelten somit gegen-über allen EU-Mitgliedsstaaten, unabhängig davon, ob sie Vertrags-staaten des UNESCO-Übereinkommens sind. Sie gelten zudemgegenüber allen übrigen Vertragsstaaten. 115 Staaten haben dasÜbereinkommen ratifiziert. Nummer 1 auf der Liste der Vertrags-staaten ist Ecuador (1971), Deutschland bildet zur Zeit mit derNummer 115 das Schlusslicht (2007).7

Da das Kulturgüterrückgabegesetz auch der Umsetzung der Richt-linie 93/7/EWG des Rates8 dient, soll an dieser Stelle kurz daraufeingegangen werden:Kulturgut im Sinne dieser Richtlinie ist solches, welches als „natio-nales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäolo-gischem Wert“ eingestuft wurde und unter eine der im Anhang derRichtlinie genannten Kategorien fällt. Unter diesen Kategorienwerden unter der Nummer 11 „Archive aller Art, mit Archivalien, dieälter sind als 50 Jahre, auf allen Trägern“ benannt. Die Richtlinieselbst soll auch Kulturgut erfassen, das zwar nicht unter eine derKategorien fällt, aber zu öffentlichen Sammlungen gehört, die imBestandsverzeichnis beispielsweise von Archiven aufgeführt sind(Artikel 1).Sie geht von folgenden – teilweise aus dem UNESCO-Übereinkom-men schon bekannten – Prinzipien aus:– Die Ausfuhr aus einem Mitgliedstaat gilt als rechtswidrig, wenn sie

seinen Bestimmungen widerspricht (Artikel 1).– Die Frage des Eigentums nach der Rückgabe richtet sich nach dem

Recht des Mitgliedstaates, aus dem das Kulturgut stammt (Artikel12).

– Ein gutgläubiger Erwerber kann einen Anspruch auf Entschädi-gung haben (Artikel 9).

Das ältere Kulturgüterrückgabegesetz vom 15. Oktober 19989 dienteder Umsetzung dieser Richtlinie. Es erfasste ebenfalls nur dasjenigeKultur- und Archivgut, welches in die Verzeichnisse national wert-vollen Kulturgutes und national wertvoller Archive eingetragen istbzw. für das das Verfahren zur Eintragung eingeleitet und öffentlichbekannt gemacht war. Zu diesem Zeitpunkt war aber Kultur- undArchivgut in öffentlichem Eigentum nicht eintragungsfähig, konntealso niemals Gegenstand eines Rückgabeanspruchs gegenübereinem anderen Mitgliedstaat der EU werden.

Artikel 2 umfasst die Änderung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kultur-gutes gegen Abwanderung (Kulturgutschutzgesetz), die nun dieEintragungsfähigkeit von Kultur- und Archivgut in öffentlichemEigentum mit sich bringt. Das Gesetz stammt ursprünglich aus demJahr 1955.

Artikel 3 ändert die Gewerbeordnung im Hinblick auf die Aufgaben derGewerbeaufsicht, soweit es um die Aufzeichnungspflichten desHandels im Sinne des § 18 Kulturgüterrückgabegesetz geht. Indiesem Zusammenhang ist auch Artikel 4a – Einschränkung desGrundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung – zu sehen.

Artikel 4 umfasst das Gesetz zur Ausführung der Konvention vom 14. Mai1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, welchesdie Rückgabe von Kulturgut, das während eines bewaffneten Kon-flikts aus dem betroffenen Staat in die Bundesrepublik Deutschlandverbracht oder von ihm hier deponiert wurde, regelt.

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Verfahrensschritt

Anstoß des Verfahrens

a) bei Archivgut in privatem Eigentum

– durch Antrag

– durch die oberste Landesbehörde von Amts

wegen

– durch Antrag des BKM

b) bei Archivgut in öffentlichem Eigentum

– durch die oberste Landesbehörde von Amts

wegen

– auf Grund einer Anmeldung des Eigentümers

Die oberste Landesbehörde leitet die Eintragung

ein und macht dies öffentlich bekannt.20

Die oberste Landesbehörde beruft und hört

einen Sachverständigenausschuss.21

Die oberste Landesbehörde hört das Bundesarchiv.

(Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dies nur

nach der Anhörung des Sachverständigenaus-

schusses geschehen darf.)

Die oberste Landesbehörde entscheidet über die

Eintragung und macht diese öffentlich bekannt.

Die Entscheidung wird zudem den Eigentümern

oder Besitzern sowie dem BKM und ggf. dem

Bundesarchiv mitgeteilt. Das Archivgut wird in

das Verzeichnis national wertvoller Archive des

betreffenden Bundeslandes eingetragen. Der BKM

übernimmt die Eintragung in das Gesamtver-

zeichnis.

Rechtsgrundlage

§ 11 Absatz 2 i. V. m. § 3 Kulturgutschutzgesetz

und Rechtsverordnungen in den Ländern, die das

Antragsrecht regeln19, § 18 Absatz 2 Kulturgut-

schutzgesetz

§ 11 Absatz 2 i. V. m. § 4 Kulturgutschutzgesetz

§ 11 Absatz 2 i. V. m. § 2 Absatz 2 Kulturgutschutz-

gesetz

§ 11 Absatz 3 Kulturgutschutzgesetz

§§ 11 Absatz 1, 13 Absatz 1, 18 Absatz 2 Satz 2

Kulturgutschutzgesetz, § 13 Absatz 2 i. V. m. § 6

Absatz 2 Kulturgutschutzgesetz

Bemerkungen

Hat ein Archiv auf Grund einer Rechtsverord-

nung z. B. bei einem privaten Nachlass kein

Antragsrecht, könnte das Archiv gleichwohl die

oberste Landesbehörde anstoßen, von Amts

wegen tätig zu werden.

Der BKM hat ein Antragsrecht zur Wahrung

eines gemeindeutschen Interesses.

Es besteht ein absolutes Ausfuhrverbot.

Der Ausschuss besteht aus fünf Sachverständigen,

wobei Fachleute aus verschiedenen Bereichen zu

berücksichtigen sind.

Das Bundesarchiv ist zu hören bei Archivgut, das

sich auf die Geschichte der Bundesrepublik

Deutschland, der zonalen Verwaltungsorgane, des

Deutschen Reiches, Preußens, des Norddeutschen

Bundes und des Deutschen Bundes bezieht.

Da die Einleitung öffentlich bekannt wurde,

sollte in jedem Fall auch eine Negativentschei-

dung öffentlich bekannt gemacht werden.

Anderenfalls geht z. B. der Zoll weiterhin von

einem Ausfuhrverbot aus.

Die Ausfuhr eingetragenen Archivgutes unterliegt

einem Genehmigungsvorbehalt.

Absatz 1 (öffentliche Bekanntmachung der Eintragung).10 Leiderwurde es versäumt, anlässlich der Umsetzung des UNESCO-Über-einkommens hier ein wenig Ordnung zu schaffen und eine Anpas-sung an das moderne Verwaltungsverfahrensrecht vorzunehmen.Es gibt in jedem Bundesland je ein Verzeichnis national wertvollenKulturgutes und ein Verzeichnis national wertvoller Archive. Ausdiesen bildet der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenhei-ten der Kultur und der Medien (BKM) ein Gesamtverzeichnis11 (§ 6Absatz 2 Kulturgutschutzgesetz). Zuständig für die Eintragung inden Ländern sind die obersten Landesbehörden, also in der Regeldie für Kultur zuständigen Ministerien (§ 2 Abs. 1 Kulturgutschutz-gesetz). Dabei kommt es auf Grund von Absprachen darauf an, wosich das Archivgut gerade befindet.12

a) Voraussetzungen für die Eintragung Gemäß § 10 Absatz 1 Kulturgutschutzgesetz werden „Archive,archivalische Sammlungen, Nachlässe und Briefsammlungen mitwesentlicher Bedeutung für die deutsche politische, Kultur- undWirtschaftsgeschichte13“ in ein Verzeichnis national wertvollerArchive eingetragen. Archivgut im Sinne des Gesetzes sind außerSchriftstücken aller Art auch Karten, Pläne, Siegel, Bild-, Film- undTonmaterial (§ 10 Absatz 2 Kulturgutschutzgesetz).Die Formulierung in § 10 Absatz 1 Kulturgutschutzgesetz beinhaltet

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AUFSÄTZE

unbestimmte Rechtsbegriffe und lässt einen nicht oder nur einge-schränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum vermuten. Mit Blickauf Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz werden „Freiräume“ der Ver-waltung jedoch zunehmend in Frage gestellt.14 Die Feststellung derobersten Landesbehörde, dass Archivgut die Voraussetzungen des§ 10 Absatz 1 Kulturgutschutzgesetz erfüllt, wird wohl uneinge-schränkt der gerichtlichen Überprüfung unterliegen.15

Während bisher in einigen Bundesländern zahlreiche Archive (vorallem Familienarchive) eingetragen sind, gibt es in anderen, so inHamburg, noch gar keinen Eintrag im Verzeichnis national wertvol-ler Archive.16 Eine uneinheitliche Eintragungspraxis ist in der Öf-fentlichkeit schwer zu vermitteln.17 Insofern wären einheitliche undin der Praxis greifbare Kriterien für die Eintragung zu entwickeln.18

b) VerfahrenDie Verfahrensschritte – von der „Idee“, Archivgut einzutragen bishin zur Eintragung – stellen sich wie folgt dar:

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10 Gemäß § 13 Absatz 1 Kulturgutschutzgesetz ist die Eintragung von Archiv-gut dem Besitzer und Eigentümer lediglich „mitzuteilen“. Das dürfte ausder Sicht des Verwaltungsverfahrensrechts nicht mehr ausreichen und istauch widersinnig, da die Einleitung der Eintragung öffentlich bekannt zumachen ist (§ 11 Absatz 2 i.V.m. § 4 Absatz 2 Kulturgutschutzgesetz). Ins-gesamt wäre eine Klarstellung wünschenswert gewesen, wonach die Ein-tragung an sich den Verwaltungsakt darstellt (vgl. hierzu Hans JoachimKnack, Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 8. Auflage Köln u. a. O.2004, Rn. 62 zu § 35).

11 Zuletzt abgedruckt im Bundesanzeiger Nr. 97a vom 28. Mai 1999.12 Der Wortlaut in § 10 Absatz 1 Kulturgutschutzgesetz legt dagegen nahe, dass

sich die Zuständigkeit danach richtet, wo sich das Archivgut bei Inkraft-treten des Gesetzes befunden hat. Das ist schlicht nicht praktikabel.

13 Detailliert zu den Merkmalen Norbert Bernsdorff, Andreas Kleine-Tebbe,Kulturgutschutz in Deutschland. Ein Kommentar, Köln u.a.O. 1996, Rn. 1ff. zu § 10. Auch wenn der Katalog vom Wortlaut her abschließend ist, sollz.B. die Rechtsgeschichte nicht ausgeschlossen sein (ebd., Rn. 14 zu § 10).

14 Zur allgemeinen Entwicklung vgl. Hartmut Maurer, Allgemeines Verwal-tungsrecht, 16. Auflage, München 2006, S. 132 ff. Zum unbestimmtenRechtsbegriff in § 1 Absatz 1 Kulturgutschutzgesetz vgl. Bodo Pieroth,Außenhandelsbeschränkungen für Kunstgegenstände, in NJW 22 (1990), S.1385-1390, hier: S. 1388. Dort Verweis auf das Urteil des VGH Mannheimvom 14. März 1986 (5 S 1804/85), in: NJW 23 (1987), S. 1440-1442. Vgl. auchnicht rechtskräftiges Urteil des VG Hannover vom 9. Juni 1989 (6 A 69/87),in: NwVZ-RR 11/12 (1991), S. 643-645, hier: S. 644. Zum verwandten Bereichder Denkmalwürdigkeit vgl. Olaf Otting, Wann ist ein Bauwerk ein Denk-mal? In: DS 5 (2004), S. 132-134, hier: S. 133.

15 VGH Mannheim, wie Anmerkung 14, S. 1440. 16 Der Stempel des IV. Hamburgischen Staatssiegels wurde, da er sich zum

Zeitpunkt der Eintragung in Nordrhein-Westfalen befand, dort unter derNummer 1046 in das Verzeichnis national wertvoller Archive aufgenommen.

17 Vgl. Kerstin Odendahl, Kulturgüterschutz. Entwicklung. Struktur undDogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, Tübingen 2005, S.647 f.

18 Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs in § 1 Absatz 1 Kulturgut-schutzgesetz, der sich auf Kunstwerke und anderes Kulturgut bezieht, liegtein – allerdings ebenfalls sehr allgemein gehaltener – Kriterienkatalog derKultusministerkonferenz vor (abgedruckt bei Bernsdorff/Kleine-Tebbe, wieAnmerkung 13, Rn. 10 zu § 1). Ein neuerer Entwurf (Stand: 27. Februar2004) ist abrufbar unter www.kmk.org/doc/publ/kulturgueter.doc (Abruf:30. Januar 2008).

19 Beispielsweise für Hamburg: Verordnung über das Antragsrecht gemäߧ§ 3 und 11 des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwan-derung vom 7. Oktober 1958 (HmbGVBl. I, S. 363). Danach sind die Eigentü-mer und Besitzer des privaten Archivgutes antragsberechtigt.

20 Die Rechtsnatur der Einleitung ist nach Bernsdorff/Kleine-Tebbe umstrit-ten (wie Anmerkung 13, Rn. 10 zu § 3). Es stellt sich die Frage, ob sie be-reits einen Verwaltungsakt oder lediglich den Auftakt zu einem Vorverfah-ren darstellt. Nur gegen einen Verwaltungsakt wäre der Widerspruchmöglich.

21 Bernsdorff/Kleine-Tebbe gehen davon aus, dass die Behörde an die Ent-scheidung des Sachverständigenausschusses nicht gebunden ist (wie An-merkung 13, Rn. 81 zu § 1). Das VG Hannover stellte fest, dass die Behör-de „weder an eine positive noch an eine negative Stellungnahme desSachverständigenausschusses gebunden (ist), obwohl dieser wegen dergroßen Meinungsvielfalt ein großes Gewicht zukommt, das sicherlich nurin besonders gelagerten Fällen ein Abweichen erlaubt“ (VG Hannover, wieAnmerkung 14, S. 644). Eine Klarstellung im Gesetz zu grundlegenden Ge-schäftsordnungsbestimmungen, darunter zur Dauer der Amtszeit, wäre inder Praxis hilfreich.

c) Folgen der Eintragung Wenn Archivgut, sei es in privatem oder in öffentlichem Eigentum,in das Verzeichnis national wertvoller Archive eingetragen ist, so hatdies Folgen:

AusfuhrDie Ausfuhr bedarf der Genehmigung. Zuständig hierfür ist derBKM, der vor seiner Entscheidung einen von ihm zu berufendenSachverständigenausschuss hört (§§ 12 i. V. m. § 5 Absatz 2 Kultur-gutschutzgesetz). Wer Verhandlungen über die Ausfuhr von eingetra-genem Archivgut führt oder vermittelt (z. B. zum Zwecke der Aus-stellung), muss dies dem BKM unverzüglich mitteilen (§ 14 Absatz 1Kulturgutschutzgesetz).

Steuern, LastenausgleichDas eingetragene Archivgut wird nach besonderer gesetzlicherRegelung bei der Heranziehung zu Steuern und zum Lastenaus-gleich begünstigt (§ 1 Absatz 3 Kulturgutschutzgesetz).

OrtswechselDer Besitzer und ggf. der Eigentümer haben der obersten Landes-behörde gegenüber die Pflicht zur Mitteilung, wenn sie das Archiv-gut innerhalb Deutschlands an einen anderen Ort bringen wollen(§ 14 Absatz 2 i. V. m. § 9 Absätze 1 und 2 Kulturgutschutzgesetz).Wird das Archivgut in ein anderes Bundesland verbracht, wird esdort in das Verzeichnis national wertvoller Archive übernommen(§ 14 Absatz 2 i. V. m. § 9 Absatz 3 Kulturgutschutzgesetz). Verpflich-tungen auf Grund bestehender internationaler Verträge bleibenjedoch unberührt (§ 15 Kulturgutschutzgesetz).

BestandsschutzDer Besitzer und ggf. der Eigentümer müssen der obersten Landes-behörde auch den Umstand mitteilen, dass das Archivgut verlustiggegangen oder beschädigt wurde (§ 14 Absatz 2 i. V. m. § 9 Absätze 1und 2 Kulturgutschutzgesetz). Das Kulturgutschutzgesetz bringtjedoch selbst keinerlei Bestandsschutz mit sich. Diesen können nurdie Denkmalschutzgesetze der Länder bieten, sofern sie denn dieEintragung des in Rede stehenden Archivgutes in die Denkmallistezulassen. Beispielsweise erlaubt in Hamburg § 2 Denkmalschutzge-setz die Eintragung von beweglichen Sachen oder Teile von ihnen.Ohne Genehmigung dürfen die beweglichen Denkmäler nichtvernichtet, wiederhergestellt, erheblich ausgebessert oder sonstverändert werden. Sie dürfen auch nicht aus dem Geltungsbereichdes Gesetzes heraus verbracht werden (§ 10 Absatz 1 Denkmal-schutzgesetz). In Hessen ist dagegen die Eintragung von Archivgutausgeschlossen (vgl. § 9 Absätze 2 und 3 Denkmalschutzgesetz).

EigentumDie Eintragung in das Verzeichnis national wertvoller Archive hatkeine Auswirkungen auf die Frage des Eigentums. Wird zum Bei-spiel privates Archivgut eingetragen, so könnte es später durchaus aneinen Liebhaber im Ausland verkauft werden – lediglich die Ausfuhrsteht unter Genehmigungsvorbehalt. Selbst für eingetragenes öffent-liches Archivgut gibt es keine weitergehenden Regelungen wie zumBeispiel den Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nach Abhanden-kommen (vgl. unten die Regelung in der Schweiz).

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AUFSÄTZE

KULTURGÜTERRÜCKGABEGESETZ

1. Kulturgut aus der Bundesrepublik Deutschlandim Ausland

a) Voraussetzungen für den Rückgabeanspruch Geschütztes deutsches Kulturgut im Sinne dieses Gesetzes ist nursolches, welches in die Verzeichnisse national wertvollen Kulturgutesoder national wertvoller Archive eingetragen ist oder für das dieEintragung eingeleitet und diese Einleitung öffentlich bekanntgemacht wurde (§ 1 Absatz 3 Kulturgüterrückgabegesetz). Illegalausgeführt ist deutsches Kulturgut im Sinne dieser Vorschrift alsonur, – wenn dies nach der Einleitung der Eintragung und vor der Ent-

scheidung über die Eintragung geschieht,– wenn dies nach der Eintragung geschieht und der BKM die Aus-

fuhr nicht genehmigt hat. Ein Veräußerungsverbot allein wie dies z. B. in § 14 HessischesArchivgesetz verankert ist, begründet weder einen Abwanderungs-schutz noch einen Rückgabeanspruch nach dem Kulturgüterrückga-begesetz.

b) Folgen für nicht eingetragenes Kulturgut Kulturgut, welches die Voraussetzungen des § 1 Absatz 3 Kulturgü-terrückgabegesetz nicht erfüllt, setzt die Mechanismen des UNES-CO-Übereinkommens bzw. der Richtlinie 93/7/EWG nicht in

Bewegung. Es kann nicht Gegenstand eines Anspruchs auf Rückga-be aus diesen Bestimmungen gegen einen anderen EU-Mitgliedstaatbzw. einen anderen Vertragsstaat werden. Dies dürfte überwiegendfür das öffentliche Archivgut gelten. Wird dieses zum Beispielgestohlen und gelangt, weil die Grenze so nah und die Plastiktüte sounscheinbar ist, ins Ausland und wird dann auf einem Flohmarktverkauft, so kann der „Rechtsanwendungsvorgang kompliziert“22

werden: Das Internationale Privatrecht eines Staates entscheidet,welches Recht zur Anwendung kommt.23 Käme beispielsweise derCodice Civile Italiano zum Zuge, so wäre das betroffene Archiv imNachteil, da Artikel 1153 den gutgläubigen Erwerb gestohlenerSachen kennt.24 Auch in der Schweiz wäre der gutgläubige Erwerbgestohlener Sachen grundsätzlich möglich.25

c) Folgen für eingetragenes Kulturgut Eine Folge des UNESCO-Übereinkommens und der Richtlinie93/7/EWG ist jedoch, dass für das oben erwähnte Diebesgut, wennes die Voraussetzungen des § 1 Absatz 3 Kulturgüterrückgabegesetzerfüllen würde, also eingetragen wäre, die Eigentumsfrage nach derRückgabe auf Grund der deutschen Sachvorschriften zu klären wäre(§ 5 Kulturgüterrückgabegesetz). Danach ist ein gutgläubiger Er-werb von gestohlenen Sachen zunächst nicht möglich (§ 935 Absatz1 BGB). Eine Ausnahme bilden Sachen, die im Wege öffentlicherVersteigerung veräußert werden (§ 935 Absatz 2 BGB).26

In Mitgliedsstaaten der Europäischen Union macht das betroffeneBundesland im Benehmen mit dem BKM zunächst seinen Rückga-

Grundlage

Kulturgutschutzgesetz

Kulturgüterrückgabegesetz

Verordnung (EWG) 3911/92 des

Rates vom 9. Dezember 1992 über

die Ausfuhr von Kulturgütern

Verordnung (EWG) Nr. 752/93 der

Kommission vom 30. März 1993 zur

Durchführung der Verordnung

(EWG) Nr. 3911/92 des Rates

Geltungsbereich

Archivgut u.a. in privatem und

öffentlichem Eigentum

Archivgut, welches in das Verzeich-

nis national wertvoller Archive

eingetragen ist (oder: Eintragung

eingeleitet und öffentlich bekannt

gemacht)

Archive aller Art, mit Archivalien,

die älter sind als 50 Jahre, auf allen

Trägern; wertunabhängig

wie Verordnung (EWG) Nr. 3911/92

Ziel

Eintragung in ein Verzeichnis

national wertvoller Archive

Rückgabe nach illegaler Ausfuhr in

EU-Mitgliedsstaaten und Vertrags-

staaten des UNESCO-Übereinkom-

mens

Regelung der Ausfuhr aus dem EU-

Gebiet

Regelung des Antragsverfahrens

Bemerkungen

– vorausschauender Schutz vor

Abwanderung ins Ausland

– kein Bestandsschutz

– Ausführung der Richtlinie

93/7/EWG des Rates vom 15. März

1993 und des UNESCO-Überein-

kommens

– Erleichterung der Ermittlungen

vor Ort

– Anwendung deutschen Sachen-

rechts bei der Klärung der Eigen-

tumsfrage

– Ausfuhrgenehmigung kann nur

für Archivgut, welches in ein

Verzeichnis national wertvoller

Archive eingetragen ist (oder:

Eintragung eingeleitet und

öffentlich bekannt gemacht)

versagt werden

Abwanderungsschutz für Archivgut – eine Übersicht

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ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

22 Heinz-Peter Mansel, Die Bedeutung des internationalen Privatrechts in Be-zug auf das Herausgabeverlangen des Eigentümers bei abhanden gekom-menen Kulturgütern, in: Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüter-schutz (Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste,Band 5) Magdeburg 2007, S. 129-175, hier: S. 132.

23 Das deutsche Internationale Privatrecht ist im Einführungsgesetz zumBGB (EGBGB) geregelt. Gemäß Artikel 43 Absatz 1 EGBGB unterliegenRechte an einer Sache zunächst dem Recht des Staates, in dem sich die Sa-che befindet.

24 Vgl. Haimo Schack, Kunst und Recht. Bildende Kunst, Architektur, Designund Fotografie im deutschen und internationalen Recht (Schriften zumKunstrecht, Band 1, hrsg. von Haimo Schack und Karsten Schmidt), Köln2004, Rn. 488.

25 Vgl. Schack, wie Anmerkung 24, Rn. 489; Botschaft, wie Anmerkung 2, S.602-604.

26 Vgl. im Detail Dirk Looschelders, Der zivilrechtliche Herausgabeanspruchdes Eigentümers auf Rückgabe von abhanden gekommenen Kulturgüternnach deutschem Recht, in: Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgü-terschutz (Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutver-luste, Band 5) Magdeburg 2007, S. 103-127.

27 In beiden Fällen ist es ein öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch (Be-gründung zum Ausführungsgesetz, wie Anmerkung 4, S. 17).

28 Stand: 3. Mai 2005, Amtliche Sammlung des Bundesrechts (AS) 2005, 1869;Systematische Sammlung des Bundesrechts (SR) 444.1.

29 Stand: 1. Mai 2007, AS 2005, 1883; SR 444.11.30 Wie Anmerkung 2, S. 579. 31 Vgl. beispielsweise die Vereinbarung zwischen dem Schweizerischen Bun-

desrat und der Regierung der Republik Italien über die Einfuhr und dieRückführung von Kulturgut (abgeschlossen am 20. Oktober 2006, nochnicht in Kraft getreten), www.bak.admin.ch/bak/themen/kulturgueter-transfer/01104/index.html?lang=de (Abruf: 25. Januar 2008). Mit Deutsch-land wurde eine solche Vereinbarung noch nicht geschlossen.

32 Das Kulturgüterrückgabegesetz kennt bestimmte Fristen, innerhalb dererdie Einstufung oder – im Falle der übrigen Vertragsstaaten – die Bezeich-nung vorgenommen und der Rückgabeanspruch geltend gemacht werdenmüssen. Der Übersichtlichkeit wegen bleiben sie hier unberücksichtigt.

33 Wie Anmerkung 2, S. 577. Offensichtlich auf Grund der mit dem Ausfuhr-verbot verbundenen Beschränkung des Eigentums sieht beispielsweise derKanton Bern deshalb einen schriftlichen Vertrag mit dem Eigentümer vor.

beanspruch in dem jeweiligen Mitgliedstaat gerichtlich und außer-gerichtlich geltend (§ 3 Kulturgüterrückgabegesetz). Bei den übrigenVertragsstaaten wird der Rückgabeanspruch auf diplomatischemWege geltend gemacht (§ 4 Kulturgüterrückgabegesetz).27

In Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens bzw. der Richtlinie93/7/EWG haben die anderen Staaten jeweils ihr eigenes Regelwerkgeschaffen. So sind in der Schweiz das Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 (Stand:3. Mai 2005) über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG)28

und die Verordnung vom 13. April 2005 über den internationalenKulturgütertransfer29 in Kraft getreten. Wenn also das gestohleneArchivgut in ein deutsches Verzeichnis national wertvoller Archiveeingetragen wäre und in der Schweiz auftauchen würde, könnte dieBundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 9 KGTG den Besitzer inder Schweiz auf Rückgabe verklagen. Wie bereits erwähnt, gälte nachder Rückgabe für die möglicherweise noch zu klärende Eigentums-frage das deutsche Recht. Artikel 7 KGTG sieht bilaterale Verträgeder Schweiz mit den übrigen Vertragsstaaten vor.30 Diese beinhaltenergänzende Beratungs- und Unterstützungsleistungen31 und laufenauf ein ähnliches Verfahren hinaus, wie es nachstehend für denumgekehrten Fall beschrieben ist.

2. Kulturgut aus den anderen Staaten in Deutsch-land

a) Voraussetzungen für den Rückgabeanspruch (§ 6Kulturgüterrückgabegesetz)Das Kulturgut ist auf Ersuchen eines EU-Mitgliedstaates zurückzu-geben, wenn– es nach dem 31. Dezember 1992 unrechtmäßig aus seinem Hoheits-

gebiet in das Bundesgebiet verbracht wurde32,– es als „nationales Kulturgut“ öffentlich eingestuft oder die Einstu-

fung eingeleitet und öffentlich bekannt gemacht wurde,– es unter eine der im Anhang der Richtlinie 93/7/EWG genannten

Kategorien (diese erfassen Archivgut) fällt oder als Teil eineröffentlichen Sammlung in ein Bestandsverzeichnis z. B. einesArchivs eingetragen ist. Diese Sammlung oder die Einrichtung, zuder sie gehört, muss einer öffentlichen Einrichtung gleichstehen.

Den übrigen Vertragstaaten ist Kulturgut auf ihr Ersuchen hinzurückzugeben, wenn– es nach dem 26. April 2007 unrechtmäßig aus ihrem Hoheitsgebiet

verbracht wurde,– es von dem ersuchenden Vertragsstaat aus religiösen oder weltli-

chen Gründe als für die Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte,Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders bedeutsam bezeich-net wurde oder ein Verfahren zur Bezeichnung eingeleitet undöffentlich bekannt gemacht wurde,

– es sich zudem um einen Gegenstand einer der in Artikel 1 desUNESCO-Übereinkommens genannten Kategorien, darunterArchivgut, handelt.

In der Schweiz werden beispielsweise Kulturgüter im Eigentum desBundes, die von wesentlicher Bedeutung für das kulturelle Erbesind, im Bundesverzeichnis eingetragen (Artikel 3 Satz 1 KGTG).Damit ist die Ausfuhr verboten. Zudem bewirkt die Eintragung, dassdas Kulturgut weder ersessen noch gutgläubig erworben werdenkann und dass ein Herausgabeanspruch nicht verjährt (Artikel 3Satz 2 KGTG). Die Kantone können eigene Verzeichnisse führen(Artikel 4 KGTG), in denen sie in eingeschränktem Maße auchKulturgut in Privateigentum aufnehmen können.33

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ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

AUFSÄTZE

b) Verfahren (§§ 8, 10, 12, 13, 16, 17, 22 Kulturgü-terrückgabegesetz)

Der Staat, aus dessen Hoheitsgebiet Kulturgut illegal ausgeführtwurde, kann in Deutschland Nachforschungen nach diesem Kultur-gut beantragen. Zuständig sind die Zentralstellen34 der Länder, in derFreien und Hansestadt Hamburg ist dies die Kulturbehörde. Siehaben auch die Aufgabe, eine Überprüfung durch die Behörden desersuchenden Staates zu erleichtern und Maßnahmen zu erlassen, dieverhindern, dass das Kulturgut dem Rückgabeverfahren entzogenwird. Soweit es um die EU-Mitgliedstaaten geht, nehmen die Zen-tralstellen auch die Rolle eines Vermittlers zwischen dem Eigentü-mer oder Besitzer und dem ersuchenden Staat wahr.Das Gesetz berücksichtigt auch den Fall, dass Kulturgut sozusagenunvermutet irgendwo auftaucht: Besteht der dringende Verdacht,dass es unrechtmäßig aus einem EU-Mitgliedstaat oder einemanderen Vertragsstaat nach Deutschland verbracht wurde, hat diefür das jeweilige Bundesland zuständige Zentralstelle die Anhaltungzu veranlassen. Die Anhaltung bewirkt, dass das Kulturgut nur mitschriftlicher Genehmigung der Zentralstelle an andere Personenoder Einrichtungen weitergegeben werden darf. Es ist zudem verbo-ten, das Kulturgut aus Deutschland auszuführen und es so demRückgabeverfahren zu entziehen.Die Zentralstelle unterrichtet den betroffenen EU-Mitgliedstaatdirekt. Die übrigen Vertragsstaaten werden auf diplomatischemWege – also unter Einschaltung des Auswärtigen Amtes – unterrich-tet.Bei diesem Verfahren wird es regelmäßig zu einer Zusammenarbeitmit dem Zoll kommen. Wenn dieser bei einer Kontrolle am Flugha-fen auf bestimmtes Kulturgut aufmerksam wird, wird er die Zentral-stelle kontaktieren. Auf der anderen Seite kann die Zentralstelle denZoll informieren, wenn ein Ersuchen vorliegt. Die Hauptzollämterund Zollfahndungsämter sind auch für Ermittlungen zuständig,wenn der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat im Sinneder §§ 20 und 21 Kulturgüterrückgabegesetz35 besteht.Soweit es um die tatsächliche Rückgabe geht, kann sie der ersuchen-

de Staat im Wege gütlicher Einigung oder auf dem verwaltungsge-richtlichem Rechtswege geltend machen. Das Eigentumsrecht be-stimmt sich nach erfolgter Rückgabe nach den Sachvorschriften desersuchenden Staates. Hat derjenige, der aktuell Besitzer des Kultur-gutes ist, dieses in gutem Glauben erworben, so hat er gegenüberdem ersuchenden Staat ggf. Anspruch auf eine angemessene Ent-schädigung.

Verordnung (EWG) 3911/92 des Rates vom 9. De-zember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern36

Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle auch kurz auf dieseVerordnung eingegangen werden, da sich mittelbar Auswirkungenauf Grund der Änderung des Kulturgutschutzgesetzes ergeben.Die Verordnung gilt in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar. JedeAusfuhr aus der Europäischen Union von Kulturgut, das unter dieKategorien im Anhang fällt und den Wertgrenzen entspricht, musszuvor von der zuständigen Behörde37 genehmigt werden. Die Katego-rien und Wertgrenzen entsprechen denen in der oben bereits er-wähnten Richtlinie 93/7/EWG des Rates. Archivgut ist also erfasst. Die Ausfuhrgenehmigung kann gemäß Artikel 2 Absatz 2 nur dannverweigert werden, wenn das Archivgut in das Verzeichnis nationalwertvoller Archive eingetragen oder die Eintragung eingeleitet undöffentlich bekannt gemacht ist. Hier böte sich bei privatem und –das ist neu – rein theoretisch auch bei öffentlichem Archivgut, dasnoch nicht eingetragen ist und z. B. nach einem Verkauf vor derAusfuhr steht, die Chance, schnellstens die Einleitung anzugehenund damit die Abwanderung zu verhindern. Das aber wäre insbe-sondere dann problematisch, wenn die Bedeutung des Archivgutesvorher bekannt war, der Käufer im Ausland aber vorher gar keineAnhaltspunkte dafür hatte, dass er mit einem Ausfuhrverbot bzw.Genehmigungsvorbehalt rechnen muss. Auch dieser Aspekt solltedazu anregen, die Verzeichnisse national wertvollen Kulturgutes undnational wertvoller Archive vorausschauend zu „füllen“.

wirkt sich aus auf

Kulturgutschutzgesetz– Abwanderungsschutz durch Eintragung in ein Verzeich-

nis national wertvollen Archivgutes

Kulturgüterrückgabegesetz– Rückgabeverfahren nach illegaler Ausfuhr für eingetra-

genes Archivgut

Verordnung (EWG) 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern– Möglichkeit der Anhaltung eingetragenen Archivgutes

vor der beabsichtigten legalen Ausfuhr

wirkt sich nicht aus auf

Archivgesetze des Bundes und der Länder– Veräußerungsverbot nur dort, wo ausdrücklich festge-

halten

Denkmalschutzgesetze der Länder– Bestandsschutz nur dort möglich, wo Archivgut durch

den Wortlaut erfasst

BGB– nach Abhandenkommen gutgläubiger Erwerb in einer

öffentlichen Versteigerung möglich (§ 935 Abs. 2 BGB)– Verjährung des Herausgabeanspruchs möglich (§ 197

Abs. 1 BGB)– Ersitzung ggf. möglich (§ 937 BGB)

Das UNESCO-Übereinkommen

Wirkung des UNESCO-Übereinkommens auf öffentliches Archivgut

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Irmgard MummentheyFreie und Hansestadt HamburgKulturbehörde (Amt Staatsarchiv)Referat Grundsatzangelegenheiten des Archivwesens und desKulturgutschutzes Kattunbleiche 1922041 HamburgTel. 040-428 31 3115, Fax 040-428 31 3104E-Mail: [email protected] [email protected]

SCHLUSSBEWERTUNG

Das UNESCO-Übereinkommen hat keine Auswirkungen auf dieArchivgesetze des Bundes und der Länder sowie auf die Denkmal-schutzgesetze der Länder. Die einzige wirkliche Neuerung ist derUmstand, dass Kulturgut und Archivgut in öffentlichem Eigentumnun in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes oder nationalwertvoller Archive aufgenommen38 und damit den Schutzmechanis-men des Kulturgüterrückgabegesetzes unterworfen werden kann.Ein grundlegender Wandel39 ist jedoch erneut ausgeblieben. Anlässlich der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens istdurch die öffentliche Diskussion jedoch Bewegung in das Thema„Kulturgutschutz“ gekommen, somit neuer Schwung entstanden,den Archive gemeinsam mit Bibliotheken und Museen nutzenkönnten. Ziel muss die Harmonisierung der verschiedenen Aspektevon Kulturgutschutz und damit die Schließung von Schutzlücken imInland sein.40

Postskriptum:Das UNESCO - Übereinkommen ist nunmehr am 29. Februar2008 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten(BGBl. II, S. 235). ■

THE PROTECTION OF CULTURAL PROPERTY INGERMANY. GETTING THINGS GOING BY RATIFYING THECONVENTION ON THE MEANS OF PROHIBITING ANDPREVENTING THE ILLICIT IMPORT, EXPORT ANDTRANSFER OF OWNERSHIP OF CULTURAL PROPERTY?

Germany is the 115th state to ratify the Convention. While putting theemphasis on archives, the article discusses the consequences and maygive a general idea on German and EU export regulations. Thechance has been missed to harmonize the wide range of Germanregulations on the protection of cultural property. To give an example:Though it may be illegal to export a certain object, it may not beforbidden to destroy it. However, archives, museums and libraries maytake advantage of the fact that the Convention has caused a discussi-on in public. Combining their efforts, they may strike while the iron isstill hot and give the impetus for further improvements.

34 Leider benutzt das Kulturgüterrückgabegesetz offensichtlich für dieselbeStelle mehrere Begriffe. So gibt es die „für die Rückgabe zuständigenBehörden“ (§ 8 Absatz 2), die „zuständige Zentralstelle“ (§ 8 Absatz 3) unddie „zuständige Stelle“ (§ 8 Absatz 4).

35 Eine Straftat begeht, wer angehaltenes Kulturgut ausführt, beschädigtoder zerstört. Eine Ordnungswidrigkeit kann bei einem Verstoß gegen dieAufzeichnungspflichten im Handel nach § 18 Kulturgüterrückgabegesetzvorliegen.

36 Amtsblatt Nr. L 395 vom 31. Dezember 1992, S. 1, zuletzt geändert durch Ve-ordnung (EG) des Rates vom 14. April 2003 (Amtsblatt Nr. L 122 vom 16.Mai 2003, S. 1). Das Antragsverfahren ist geregelt in der Verordnung (EWG)Nr. 752/93 der Kommission vom 30. März 1993 (Amtsblatt L 77 vom 31.März 1993, S. 24; zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 656/2004 derKommission vom 7. April 2004, Amtsblatt Nr. L 104 vom 8. April 2004, S.50).

37 Ein nicht mehr ganz aktuelles Verzeichnis der zuständigen Behörden ist ab-gedruckt in Kerstin Odendahl (Hrsg.) Kulturgüterrecht, Baden-Baden 2006,S. 232 ff.

38 Dies wird von der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ nach-drücklich empfohlen (vgl. Schlussbericht, Deutscher Bundestag, Drucksa-che 16/7000 vom 11. Dezember 2007, S. 122, 129).

39 Udo Schäfer, Kulturgutschutz im Wandel, Der Archivar 3 (1999), Sp. 233-240.

40 Vgl. vor allem die vorgeschlagenen Lösungswege bei Schäfer (wie Anmer-kung 39); Sophie-Charlotte Lenski, Kulturgüterschutz durch Widmung öf-fentlichen Kulturguts, in: KUR 6 (2007), S. 142-144; insbesondere S. 408 ff.;Julia El-Bitar, Der Schutz von Kulturgut als res extra commercium inFrankreich: Ein Vorbild für Deutschland? In: Im Labyrinth des Rechts?Wege zum Kulturgüterschutz (Veröffentlichungen der Koordinierungsstel-le für Kulturgutverluste, Band 5) Magdeburg 2007, S. 175-207; Odendahl,wie Anmerkung 17, insbesondere: S. 649 ff.

Page 12: Archivar 02 2008 Internet

Fotografien stellen in Archivbeständen keine Seltenheit dar: Siekönnen als selbständiger Bestand den Archiven übergeben wordensein, sie können auch als Beigabe in Akten ablieferungen enthaltensein. Einen Sonderfall bilden die reinen Foto archive, die ihr Sammel-gebiet auf dieses Material begrenzt haben. Bei dem Umgang mit inArchiven aufbewahrten Fotos2 stellen sich verschiedene Rechtsfra-gen, insbesondere sind urheberrechtliche Fragen im alltäglichenUmgang mit Archivgut von Relevanz. Ein kleiner Beispielsfall soll indiese Problematik einführen. Der Archiv benutzer, ein Kunsthistori-ker, will für eine wissenschaftliche Arbeit mehrere im Archiv aufbe-wahrte Fotos zweier zeitgleicher Fotografen vorgelegt erhal ten, umsie unter kunsthistorischen Aspekten zu untersuchen. Dürfen ihmdie urheberrechtlich geschützten Fotos ohne Zustimmung desBerechtigten vorgelegt werden? Und: Darf der Kunsthistoriker eineReproduktion dieser Fotos erhalten? Und wie stellt sich die Rechtsla-ge dar, wenn er diese Reproduktion später in einem eigenen Buchnutzen, sprich abdrucken möchte? Der erste Teil des Aufsatzes beschäftigt sich mit den in dieser Benut-zungskonstellation möglichen Rechtsfragen (I.). Nach einer Ein-führung in den Aufbau und die Systematik des Urhebergesetzes (I. 1.)können Antworten auf die aufgeworfenen Fragen versucht werden(I. 2. a) – c)). Der zweite Teil (II.) ist einem bislang kaum beachteten,zumindest eher selten behandeltem Komplex gewidmet: Währendbei den Überlegungen zum urheberrechtlichen Schutz (Teil I.)vorausgesetzt ist, dass ein Nutzungsrecht an den Fotos nicht be steht,so dass nur die Dreierkonstellation Urheber – Archiv – Nutzer zubeachten ist, er geben sich weitere Fragen, wenn die die Fotos ablie-fernde Stelle (Behörde) an den Fotos ein Nutzungsrecht innegehabthatte. In rechtlicher Hinsicht ist daher nach dem Übergang desNutzungsrechts, das der abliefernden Behörde zustand, auf das dieAkten aufbewahrende Archiv zu fragen.

ZWISCHEN BENUTZUNGUND NUTZUNGSSPERRE

ZUM URHEBERRECHTLICHENSCHUTZ VON ARCHIVIERTENFOTOGRAFIEN1

Von Stephan Dusil

I. ÜBERLEGUNGEN ZUM URHEBERRECHT-LICHEN SCHUTZ

1. Aufbau und Systematik des Urhebergesetzes Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen ist das im Januar 2008in Kraft getretene novellierte Urhebergesetz (UrhG)3, das nebenMusik und Literatur auch Fotografien schützt.4 Das Urhebergesetzunterscheidet zwischen Lichtbildwerken und Lichtbildern. UnterLichtbildwerken sind Fotos zu verstehen, in denen die künstlerischeAuffassung und Gestaltungskraft des Foto grafen durch die Wahl desMotivs, durch die Arbeit mit Licht und Schatten, durch Retuschie-rungen sowie durch Montagen und ähnliches Ausdruck gefundenhaben.5 Ihr Schutz erfolgt über § 2 I Nr. 5 UrhG. Solange eine eigenegei stige Schöpfung vorliegt, ist auch die „kleine Münze“ geschützt.6

Dahingegen bilden Lichtbilder die Wirklichkeit ab, teilen aber nichtsmit, was über die Abbildung des Objekts hinaus ginge.7 Sie sindkeine persönlichen geistigen Leistungen, vielmehr nichtkünstleri-sche Fotografien, insbesondere die im Gewer bebetrieb routinemäßighergestellten Abbildungen. Der Leistungs schutz dieser Lichtbildererfolgt nach § 72 UrhG. Da der Schutz von Lichtbildwerken wieLichtbildern seit dem 1. Juli 1995 an genähert ist, gelten die folgendenÜberlegungen für Lichtbilder wie Lichtbildwerke.8 Unterschiedeergeben sich indes bei der Schutzdauer: Diese beläuft sich auf 70Jahre nach dem Tod des Urhebers bei Lichtbildwerken, auf 50 Jahrenach Erscheinen bei Lichtbildern (§ 72 III UrhG).9 Geschützt ist derjeweilige Urheber der Foto grafien, also derjenige, der die Fotosangefertigt hat10.Diesem Urheber gewährt das Gesetz „Urheberpersönlichkeitsrech-te“ (§§ 12 – 14 UrhG) – er kann also über die Veröffentlichung seinesWerkes selbst entscheiden oder die Entstellung untersagen – sowie

AUFSÄTZE

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

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Page 13: Archivar 02 2008 Internet

1 Für Diskussionen und Anmerkungen danke ich Dr. Udo Schäfer sowie Dr.Holger Hestermeyer, LL.M., Dr. Britta Heymann und Dr. Stefan Zimmer-mann, LL.M.

2 Die folgenden Überlegungen lassen sich selbstverständlich auf anderes, ur-heberrechtlich geschütztes Archivgut wie Chroniken und Manuskripteübertragen.

3 Urhebergesetz vom 9. September 1965, geändert durch Art. 1 des Gesetzeszur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom10.9.2003 (BGBl. I S. 1774, ber. BGBl. 2004 I S. 312) und durch Art. 1 des Zwei-ten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaftvom 26.10.2007 (BGBl. I, S. 2513).

4 Aus archivischer Sicht zum Urhebergesetz: Mark Alexander Steinert, Ur-heber und andere Schutzrechte an Bildern im Archiv, in: Archivpflege inWestfalen-Lippe 67, 2007, S. 54-57; Martha Caspers, Fotorecht – Die Nut-zung von Fotografien unter rechtlichen Aspekten, in: Archivpflege in West-falen und Lippe, hg. v. Westfälischem Archivamt, Heft 47, April 1998, S. 4-12; Reinhard Heydenreuter, Urheberrechtliche Probleme beiReproduktionen im Archivbereich, in: Archive und Gesellschaft. Referatedes 66. Deutschen Archivtags (Der Archivar, Beiband 1), Siegburg 1996, S.251-261; Reinhard Heydenreuter, Urheberrecht und Archivwesen, in: DerArchivar 41, 1988, Sp. 397-408; Siegfried Dörffeldt, Das neue Urheberrechtund seine Bedeutung für das Archivwesen, in: Der Archivar 21, 1968, Sp. 215-230 sowie Gerhard Pfennig, Archive und Urheberrecht, in: Archiv-Nach-richten Niedersachsen 6/2002, S. 42-52. Spezielle Aspekte des Bibliotheks-wesens behandeln Gabriele Beger, Urheberrecht für Bibliothekare, 2. Aufl.,

München 2007 sowie Thomas Dreier, Urheberrechtsreform und Bibliotheks-praxis, in: Rechtsinformation, Urheberrecht, Informationskompetenz. Ge-meinsame Tagung der Arbeitsgemeinschaft der juristischen BibliothekenAjBD und der APBB vom 12.-14. Juni 2003 in Karlsruhe, hg. von der Arbeits-gemeinschaft der Parlaments- und Behördenbibliotheken, Arbeitsheft Nr.54, Dezember 2003, S. 35-49.

5 Manfred Rehbinder, Urheberrecht, 14. Aufl., München 2006, Rn 198; Gun-da Dreyer, in: Gunda Dreyer / Jost Kotthoff / Astrid Meckel (Hg.), Heidel-berger Kommentar zum Urheberrecht, Heidelberg 2004, § 2 Rn 242.

6 Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5), Rn 198; Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff/ Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 2 Rn 240. Grundsätzlich auch Hai-mo Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 3. Aufl., Tübingen 2005,Rn 152 ff.

7 Astrid Meckel, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5),§ 72 Rn 7; Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5), Rn 836; Martin Vogel,in: Ulrich Loewenheim (Hg.), Handbuch des Urheberrechts, München 2003,§ 37 Rn 8 ff.

8 Vgl. zur Geschichte: Kai Vinck, in: Friedrich Karl Fromm / Wilhelm Nor-demann, Urheberrecht, 9. Aufl., Stuttgart 1998, § 2 Rn 74; Meckel, in: Drey-er / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 72 Rn 2 ff.).

9 Diese 50-Jahres-Frist be ginnt regelmäßig mit dem Erscheinen des Lichtbil-des oder mit der ersten erlaubten öffentlichen Wiedergabe. Ist das Licht-bild nicht erschienen oder erlaubterweise veröffentlicht wor den, so beginntder Lauf der Frist mit der Herstellung (§ 72 III UrhG; Meckel, in: Dreyer/ Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 72 Rn 1, 16; HermannKroitzsch, in: Philipp Möhring / Käte Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl.,München 2000, § 72 Rn 13 f.; Martin Vogel, in: Gerhard Schricker (Hg.),Urheberrecht, 3. Aufl., München 2006, § 72 Rn 37). Der inhaltliche Schutzder Lichtbildwerke wie Lichtbilder ist indes soweit angeglichen, dass sichnur bei Einzelfragen Unterschiede feststellen las sen. So gilt der Grundsatzdes Urheberrechts, das der Schutzumfang von der Eigenart des Werkes ab-hängt, auch bei Lichtbildern. Verletzt wird der Schutz der Lichtbilder alsonur bei originalgetreuer Übernahme oder bei einer kaum modifizierten Ver-vielfältigung (BGH GRUR 1967, 315 ff. – skai cubana –; Vogel, in: Schricker,Urheberrecht (wie Anm. 9), § 72 Rn 26; Meckel, in: Dreyer / Kotthoff /Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 72 Rn 10). Jedoch können sich beidem Beeinträchtigungsverbot des § 14 UrhG im Einzelfall Modifikationenergeben (vertieft bei Meckel, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht(wie Anm. 5), § 72 Rn 13; grds. auch Vogel, in: Schricker, Urheberrecht (wieAnm. 9), § 72 Rn 24 ff.; Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5), Rn 836; Kro-itzsch, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsgesetz (wie Anm. 9), § 72Rn 5 ff.; Vogel, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wie Anm.7), § 37 Rn 14 ff.). Zudem sind Unterschiede bei Auslandsbezug und Rechts-verletzungen vor 1995 zu konstatieren (Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff /Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 2 Rn 241 sowie Jost Kotthoff, in: Drey-er / Kotthof / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 124).

10 § 7 UrhG: „Urheber ist der Schöpfer des Werkes.”11 Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wie Anm. 7),

§ 19 Rn 1 ff. sowie § 20 und § 21; Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5),Rn 294 ff., Rn 317 ff.

12 Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5), Rn 321.13 Hierzu Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5), Rn 338 ff., Rn 341 ff.14 Zu den Schranken des § 53 a.F.: Schack, Urheber- und Urhebervertrags-

recht (wie Anm. 6), Rn 494 ff.; Stefan Lüft, in: Artur-Axel Wandtke / Win-fried Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 2. Aufl., München2006, § 53 Rn 8 ff.; Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urhe-berrechts (wie Anm. 7), § 31 Rn 16 ff.

15 Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wie Anm. 7),§ 31 Rn 20 ff.; Dreyer, in: Dreyer, Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm.5), § 53 Rn 14; vgl. Ute Decker, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsge-setz (wie Anm. 9), § 53 Rn 12 f.

16 BGH ZUM 1978, 344; OLG Frankfurt ZUM 1994, 438-441, 440; Loewen-heim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wie Anm. 7), § 31Rn 22; aA Wilhelm Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht(wie Anm. 8), § 53 Rn 3: 3 Exemplare.

17 Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wie Anm. 7),§ 31 Rn 25.

18 Decker, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsgesetz (wie Anm. 9), § 53Rn 21 f. Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts(wie Anm. 7), § 31 Rn 27; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht(wie Anm. 9), § 53 Rn 22. Wissenschaft ist dabei verstanden als metho-disch-systematisches Streben nach Erkenntnis, so Rehbinder, Urheber-recht (wie Anm. 5), Rn 444; Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urhe-berrecht (wie Anm. 5), § 53 Rn 44.

„Verwertungsrechte“ (§§ 15 ff. UrhG). Neben dem allgemeinenVerwertungsrecht in § 15 UrhG bietet das Urhebergesetz einenKatalog einzelner besonderer Verwertungsrechte sowie Ver -gütungsansprüche11. Das Gesetz nennt, um das Recht der körperli-chen Verbreitung zu schützen, das Vervielfältigungsrecht (§§ 15 IZiff. 1, 16 UrhG), die Über tragung des Werkes auf Bild- und Tonträ-ger (§§ 16 II UrhG) sowie das Recht der Verbreitung (§§ 15 I Ziff. 2,17 UrhG)12 und der Ausstellung (§§ 15 I Ziff. 3, 18 UrhG). DieseRechte, die die körperliche Verbreitung schützen, werden in ersterLinie für Fotografien einschlägig sein. Nur der Vollständigkeithalber seien die Rechte der unkörperliche Verbreitung (in Form desVortrags- (§§ 15 II 2 Ziff. 1, 19 I UrhG), Aufführungs- (§ 19 II UrhG),Vorführungs- (§ 19 IV UrhG) und Senderechts (§§ 15 II 2 Ziff. 3, 20UrhG)) sowie das Recht zur Umgestaltung und Bearbeitung (Über-setzungs-, Dramatisierungs-, In strumentalisations- und Verfil-mungsrecht13) genannt.Diesen Schutz gewährt das Urhebergesetz jedoch nicht schranken-los. Die Ein schränkungen sind in den §§ 44a ff. UrhG und insbe-sondere in dem 2003 und 2007 neugefassten § 53 UrhG normiert14.Nach § 53 I UrhG sind zum privaten Gebrauch „einzelne“Vervielfälti gungen gestattet. Privat ist ein Gebrauch dann, wenn errein persönlichen Interessen und Bedürfnissen, also außerberufli-chen und außererwerbswirtschaftlichen Zwecken dient.15 Zu diesemprivaten Gebrauch zählt auch die Reproduktion der im Archivaufbewahrten Fotos mit eigenen Mitteln (bspw. mit einem eigenenFotoapparat) oder durch Dritte (wie beispiels weise durch die Repro-duktionsstelle des Archivs). Die Grenze von „einzelnen Exem plaren“hat die Rechtsprechung mit sieben Exemplaren konkretisiert.16

§ 53 II UrhG normiert die weiteren Ausnahmen vom Schutzrechtdes Urhebers, näm lich wissenschaftliche und archivische sowiedidaktische und sonstige Zwecke. Gegenüber dem „privaten Ge-brauch“ des § 53 I UrhG ist der „eigene Gebrauch“ des § 53 IIUrhG als Oberbegriff insofern weiter, als dass er unter Umständenauch Ver vielfältigungen zu beruflichen und erwerbswirtschaftlichenZwecken umfasst, solange sie für eine eigene Verwendung gedachtsind und eine Weitergabe an Dritte nicht erfolgt.17

In diesem Sinne räumt § 53 II 1 Nr. 1 UrhG wissenschaftlichenZwecken eine Schrankenfunktion ein.18 So sind für einzelne Wissen-schaftler wie für Forschergruppen bis zu sieben Reproduktionenmöglich. Einschränkend stellt jedoch § 53 II 1 Nr. 1 UrhG heraus,

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a) Liegt in dem Vorlegen der urheberrechtlich ge-schützten Fotos schon ein Verstoß gegen dasUrheberrecht?

Denkbar wäre ein Verstoß gegen das Veröffentlichungsrecht des § 12UrhG, einem Urheberpersönlichkeitsrecht, sowie Verstöße gegen dasAusstellungs- und Verbreitungsrecht (§ 18, § 17 UrhG).Zunächst zum Veröffentlichungsrecht. § 12 UrhG gewährt demUrheber das Recht, selbst zu entscheiden, ob und wann ein Werkerstmals „veröffentlicht“ wird. Ein Werk ist im Sinne des § 6 I UrhGdann veröffentlicht, „wenn es mit Zustimmung des Berechtigten derÖffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist“. Sollte der Urheberseine Fotos beispielsweise im Rahmen einer Vernissage oder Ausstel-lung schon „veröffentlicht“ haben, so ist sein (Erst)Veröffentli-chungsrecht erschöpft.Anders liegt der Fall, wenn der Fotograf seine Bilder noch nichtpräsentiert hat, sondern diese direkt in das Archiv gelangt sind. Einearchivmäßige Aufbewahrung stelle jedenfalls dann keine „Veröffent-lichung“ im Sinne des § 6 I UrhG dar, wenn ein Zugang nur beiNachweis eines besonderen Interesses gewährt werde, hat das OLGZweibrücken entschieden28. Da nach Rechtsprechung und Teilen derLiteratur der Begriff der „Öffentlichkeit“ in den §§ 6, 12 und 15 IIIUrhG identisch auszulegen ist29, steht zu vermuten, dass auch dieEinsicht, die nur aufgrund Nachweises eines besonderen Interesseserfolgen kann, keine „öffentliche“ ist; damit läge auch kein Verstoßgegen § 12 I UrhG vor.Ob dahingegen die archivmäßige Aufbewahrung und Zugänglich-machung ohne Nachweis eines besonderen Interesses eine Veröffent-lichung darstellt, ist richterlich noch nicht entschieden. Dafürspricht, dass für eine Veröffentlichung die Zugänglichmachung fürdie Allgemeinheit ausreicht; es genügt also, dass der Urheber dieMöglichkeit schafft, dass die Allgemeinheit das Werk wahrnimmt30.In diesem Sinne ist eine Veröffentlichung durch eine Aufbewahrungim Archiv zu vermuten, zumal der Urheber diese Fotos ja regelmäßigmit der Intention der Zugänglichmachung abgeliefert haben wirdund seine Zustimmung daher zu vermuten ist (oder vielleicht sogarim Depositalvertrag ausdrücklich erklärt ist)31. Möchte man alsArchivar jedoch sicher gehen und jedes Risiko vermeiden, so sollteeine Veröffentlichung durch archivmäßige Aufbewahrung nichtleichtfertig unterstellt werden mit der Folge, dass die Vorlage eineVerletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts darstellt. (Etwasanderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die die Fotos Betrach-tenden untereinander oder zum Veranstalter verbunden sind (§ 15III UrhG)32. Eine Schulklasse oder ein Archivreferendarkurs könntedie Fotos daher betrachten, ohne dass eine „Veröffentlichung“vorläge.)Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein schon veröffentlich-tes oder erschienenes Foto ohne Verstoß gegen § 12 UrhG vorgelegtwerden kann. Gleiches gilt für nicht veröffentlichte Fotos mit Nut-zungsbeschränkungen. Zwar steht zu vermuten, dass in der archi-vmäßigen Verwahrung ohne Nutzungsbeschränkungen eine Veröf-fentlichung liegt, jedoch sollten, sofern nicht die Umstände für eineVeröffentlichung sprechen, solche Fotos nicht vorgelegt werden.Paralleles gilt für das Ausstellungsrecht des § 18 UrhG, das demUrheber eines unveröffentlichten Werkes das erstmalige Ausstel-lungsrecht – und damit eine Erstveröffentlichung – einräumt. EineKollision mit § 18 UrhG stellt sich bei veröffentlichten Fotos, nichtund eine Vorlage der unveröffentlichten Aufnahmen nur bei beson-derem Interesse stellt keine „Öffentlichkeit“ dar. Bei einer Verwah-rung ohne Nutzungsbeschränkungen sollte jedoch zur Vorsicht eine

dass einzelne Vervielfältigungen nur gemacht werden können, wennsie „geboten“ sind. Diese Gebotenheit wäre zwar dann nicht gege-ben, wenn es ohne größeren Aufwand möglich wäre, die urheber-rechtlich geschützten Werke zu kaufen oder auszuleihen, aber dieswird bei Archivstücken gerade nicht der Fall sein19. Für diese Gebo-tenheit kommt dem wissenschaftlichen Benutzer eine Einschät-zungsprärogative zu, die, sollte sie sich später als falsch herausstel-len, ohne Einfluss auf die urheberrechtliche Erlaubnis verbleibt.Sollte der Kunsthistoriker unseres Ausgangsbeispiels die Portraitfo-tos doch nicht benötigen, so bleibt dies für die urheberrechtlicheErlaubnis der Reproduktionen ohne Belang20. Zusätzlich zur Gebo-tenheit dürfen die Vervielfältigungen keinen gewerblichen Zweckendienen21.Das Urhebergesetz privilegiert in § 53 II 1 Nr. 2 UrhG auch archivi-sche Zwecke. Wenn als Vorlage ein eigenes Werkstück verwendetwird und die Vervielfältigung „geboten“ ist, dürfen einzelneVervielfältigungen hergestellt werden. So kann eine Bibliothekbeispielsweise Bestände auf Mikrofilm aufnehmen, um sie vorBränden zu schützen22.Problematischer ist indes, ob ein Archiv zur Schonung der Originalehäufig nachgefragte Bestände auf Film, Fiche oder digital reprodu-zieren kann, um ein weiteres „Archiv“ anzulegen. Kernproblem istdabei die Auslegung des Begriffs „Archivs“ in § 53 II 1 Nr. 2 UrhG.Grundsätzlich umfasst das „Archiv“ nur eigene, hausinterne Archi-ve, die zur Benutzung durch Dritte nicht bestimmt sind23. Bei kom-munalen oder staatlichen Archiven besteht indes ein Benutzungsan-spruch, der ja gerade durch Vorlage der Reproduktion erfüllt werdensoll. Stellt man jedoch entscheidend darauf ab, dass bei einer sol-chen Reproduktion allein die Bestandssicherung im Vordergrundsteht24, um den in den Archivgesetzen verankerten staatlichen Auf-trag des Aufbewahrens und Bereithaltens von Archivgut auchzukünftig erfüllen zu können, nicht aber eine Verwertung desWerkes, so sollte der Begriff des „Archivs“ in § 53 II 1 Nr. 2 UrhGauch auf reproduzierte Bestände öffentlich zugänglicher Archiveerstreckt werden. Derzeit erscheint es jedoch als fraglich, ob dieReproduktion zur späteren Vorlage noch vom Archivprivileg gedecktist.Für den Fall, dass die Reproduktion als zulässig erachtet werdenkann, so sind ihre Voraussetzungen durch die Neufassung des § 53UrhG in den Jahren 2003 und 2007 insofern eingeschränkt, als dasses sich um Vervielfältigungen auf Papier25 oder eine ausschließlicheanaloge Nutzung oder – bei digitalen Vervielfältigungen – um eineohne jeden wirtschaftlichen oder Erwerbszweck durchgeführteVervielfältigung handeln muss (§ 53 II 2 Nr. 1 – 3 UrhG)26. Zudemmuss das Archiv, so die Klarstellung in dem 2007 novelliertenUrhebergesetz, im Falle der digitalen Reproduktion im öffentlichenInteresse tätig sein. An diesen letzten Voraussetzungen sollten dieArchivreproduktionen jedenfalls nicht scheitern: Ein kommunalesoder staatliches Archiv besitzt regelmäßig kein kommerziellesInteresse und zudem ist es im öffentlichen Interesse tätig27. Obsolche Reproduktionen jedoch derzeit überhaupt vom Archivprivilegdes § 53 II 1 Nr. 2 UrhG gedeckt sind, ist nicht sicher.

2. Rechtsfragen der BenutzungMit diesen Überlegungen zur Gesetzeslage lassen sich die zu Anfanggestellten Fragen beantworten.

AUFSÄTZE

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19 Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wie Anm. 7),§ 31 Rn 27; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 53Rn 23.

20 Vgl. Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 53 Rn 23.21 Diese Eingrenzung ist erst mit der Änderung des Urhebergesetzes 2007 ein-

gefügt worden (BGBl. I, S. 2514 r. Sp.).22 So die amtliche Begründung, BT-Drs. IV/270, S. 73.23 BGH GRUR 1997, 459, 461 – CB-Infobank I – ; Loewenheim, in: Loewen-

heim, Handbuch des Urheberrechts (wie Anm. 7), § 31 Rn 29 sowie Hei-mo Schack, Dürfen öffentliche Einrichtungen elektronische Archive anle-gen? Zur geplanten Neufassung des § 53 Abs. 2 UrhG im Lichte desDrei-Stufen-Tests, in: Archiv für Presserecht 2003, S. 1-8.

24 Vgl. BGHZ 140,183 - 193,190 f. = GRUR1999, 325 - 327, 326 – elektronischePressearchive – .

25 Der Vervielfältigung auf Papier sind in § 53 II 2 Nr. 1 UrhG gleichgestelltVervielfältigungen auf einem “ähnlichen Träger mittels beliebiger fotome-chanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung”.

26 Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 53 Rn60 ff.

27 Die Privilegierung des Archivs reicht soweit, dass auch Noten, ganzeBücher oder Zeitschriften kopiert werden können (§ 53 IV UrhG). Die wei-teren Schranken des § 53 II UrhG werden bei Fotografien ohne Bedeutungbleiben. § 53 II 1 Nr. 3 UrhG ermöglicht eine Vervielfältigung für Informa-tionszwecke wie zur Unterrichtung über Tagesfragen, sofern es sich umdurch Funk gesendete Werk handelt. § 53 II 1 Nr. 4 a) UrhG sieht vor, dassfür berufliche oder gewerbliche Zwecke kleine Teile eines erschienenen Wer-kes oder einzelne Beiträge (wie Lichtbilder), die in Zeitungen oder Zeit-schriften publiziert sind, vervielfältigt werden können. Gleiches gilt für seitmindestens zwei Jahren vergriffene Werke (§ 53 II 1 Nr. 4 b) UrhG), die infotomechanischer oder analoger Form vervielfältigt werden (§ 53 II 3 iVmII 2 Nr.1 und Nr. 2 UrhG) (vgl. Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5), Rn448; Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wieAnm. 7), § 31 Rn 33f; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm.9), § 53 Rn 30 ff.; Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wieAnm. 5), § 53 Rn 75; Decker, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsgesetz(wie Anm. 9), § 53 Rn 28 ff.). Die Beschränkung auf “einzelne”, bis zu sie-ben Vervielfältigungsstücke greift dann allerdings nicht, wenn die Repro-duktion für den Schulunterricht oder für Prüfungszwecke erfolgt. KleineTeile eines Werkes oder einzelne in Zeitschriften oder Zeitungen er-schienene Beiträge können so in Klassenstärke vervielfältigt werden(§ 53 III UrhG, novelliert 2007) (Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5), Rn449; Decker, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsgesetz (wie Anm. 9), §53 Rn 34 ff.).

28 OLG Zweibrücken GRUR 1997, 363 / 364 – Jüdische Friedhöfe – (hierzuReinhard Heydenreuter, Das Urheberrecht im Archiv und das Recht amBild, in: Forum Heimatforschung. Ziele – Wege – Ergebnisse (Vom Umgangmit Bildern. Erforschung, Verwertung und Archivierung von Bildquellen.Referate der 6. Tagung ober- und niederbayerischer Heimatforscher,17. Ok-tober 1998), Heft 4, München 1999, S. 21-32, S. 24 f.); Katzenberger, in:Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 6 Rn 14. So schon Kurt Schiefler,Veröffentlichung und Erscheinen nach dem neuen Urheberrechtsgesetz, in:Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht 48, 1966, S. 81-102, S.87 und Willy Hoffmann, Die Veröffentlichung und das Erscheinen, in: Ar-chiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht 14, 1941, S. 351-365, hier.S. 353 f.

29 Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff /Meckel,Urheberrecht(wie Anm. 5), § 6 Rn 6.30 Malte Marquardt, in: Wandtke / Bullinger, Praxiskommentar (wie Anm.14),

§ 6 Rn 5.31 Zur sog. Zweckübertragungslehre siehe unten II.1. Zur Klarstellung könn-

te in Depositalverträge eine entsprechende Klausel aufgenommen werden.32 Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff /Meckel,Urheberrecht(wie Anm. 5), §6 Rn 9 f.33 Eine „Ausstellung“ liegt schon dann vor, wenn das Werk jedermann frei zu-

gänglich ist, vgl. Gernot Schulze, in: Thomas Dreier / Gernot Schulze, Ur-heberrechtsgesetz, 2. Aufl., München 2006, § 18 Rn 11.

34 Vgl. Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wieAnm. 7), § 20 Rn 33 ff.; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm.9), § 17 Rn 35 ff.; Vinck, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht (wie Anm.8), § 17 Rn 8 ff.; grds. auch Ulrich Joos, Die Erschöpfungslehre im Urhe-berrecht: Eine Untersuchung zu Rechtsinhalt und Aufspaltbarkeit des Ur-heberrechts mit vergleichenden Hinweisen auf Warenzeichenrecht, Pa-tentrecht und Sortenschutz (Urheberrechtliche Abhandlungen desMax-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Ur-heber- und Wettbewerbsrecht 26), München 1991.

35 OLG Düsseldorf GRUR 1983, 760, 761; Loewenheim, in: Schricker, Urhe-berrecht (wie Anm. 9), § 17 Rn 7; Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel,Urheberrecht (wie Anm. 5), § 17 Rn 5.

36 Hermann Kroitzsch, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsgesetz (wieAnm. 9), § 17 Rn 12, ebenso wie hier Beger, Urheberrecht (wie Anm. 4),S. 62 f.

37 BGH GRUR 1991, 316, 317; Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch desUrheberrechts (wie Anm. 7), § 20 Rn 25. Zum Teil stellt die Literatur dar-auf ab, dass eine Weitergabe an Freunde oder Verwandte oder in sonstigerWeise an Private mit persönlicher Beziehung keine Weitergabe an die Öf-fentlichkeit darstellt (Vinck, in Fromm / Nordemann, Urheberrecht (wieAnm. 8), § 17 Rn 2; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm.9), § 17 Rn 12f; Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts(wie Anm. 7), § 20 Rn 25), doch wird diese Eingrenzung im Archivalltagkeine Rolle spielen.

38 BGH GRUR 1987, 37, 38; KG GRUR 1996, 968, 969; Loewenheim, in:Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 17 Rn 12.

39 KG GRUR 1996, 968.

Vorlage nicht erfolgen, da dann eine Ausstellung vorliegen könnte.33

Die Frage nach dem Verstoß gegen das Verbreitungsrecht baut aufdiesen Überlegungen auf, betrifft aber nicht die Frage der Erstveröf-fentlichung, sondern der Verbreitung, also der Weitergabe an dieÖffentlichkeit. Da unveröffentlichte Werke schon wegen des Erstver-öffentlichungsrecht des § 12 UrhG nicht vorgelegt werden sollten,stellt sich die Frage nach einer Kollision mit § 17 UrhG nur beischon veröffentlichten / erschienenen Fotos oder bei unveröffentlich-ten Fotos, die nur bei Nachweis eines besonderen Interesses vorge-legt werden. Ein Verstoß gegen § 17 UrhG kann ausgeschlossenwerden, wenn das Verbreitungsrecht des Urhebers bereits„erschöpft“ ist (§ 17 II UrhG). „Erschöpfung“ in diesem Sinne liegtvor, wenn Werkstücke mit Zustimmung des Berechtigten – also desFotografen – in den Verkehr gebracht worden sind, er selbst bei-spielsweise Abzüge verkauft hat.34 Ob eine Erschöpfung schoneingetreten ist, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Bei Zweifelnim Archivalltag wird man – zur Sicherheit – gegen die Annahmeeiner schon durch den Urheber erfolgten Verbreitung und einerdamit einhergehenden Erschöpfung seines Verbreitungsrechts undzugunsten des urheberrechtlichen Schutzes entscheiden wollen.Wenn eine Verbreitung im Wege der Veräußerung seitens des Urhe-bers nicht vorliegt, also noch keine Erschöpfung vorliegt, ist dieRechtslage schwieriger zu beurteilen.Das Urhebergesetz versteht in § 17 I UrhG unter „Verbreiten“ dasAnbieten des Werkes der Öffentlichkeit oder das Inverkehrbringen.Unter Anbieten ist jede Aufforderung zum Eigentums- und Besitzer-werb des Werkstücks zu verstehen.35 Dabei kommt es auf den inten-dierten Besitzwechsel an, so dass ein reines Ausstellen für ein Anbie-ten nicht ausreicht.36 Eine solche, wenn auch atypische Form des„Ausstellens“ liegt im Fall der Archivnutzung vor, denn kein Archivwird an einem Besitzwechsel geschweige denn an einem Erwerb desStückes durch den Archivnutzer interessiert sein. Eine Verbrei-tungshandlung in Form des Anbietens liegt daher bei der Vorlage imLesesaal nicht vor. Schwieriger stellt es sich bei der zweiten Alternati-ve, nämlich dem Inverkehrbringen, dar. Ein Inverkehrbringen istschon dann anzunehmen, wenn Werkstücke aus einer internenBetriebssphäre der Öffentlichkeit zugeführt werden.37 Dies kanndurch Veräußern, Vermieten oder Verleihen geschehen, ausreichendist jedenfalls die Besitzüberlassung.38 Das Kammergericht Berlin hatin diesem Sinne entschieden, dass schon das bloße Ausstellen vonurheberrechtlich geschützten Möbeln in Hotelzimmern eine Verbrei-tungshandlung im Sinne des § 17 I UrhG darstellt, schließlicherhielten die Gäste wenn auch keinen Alleinbesitz, so doch Mitbesitzan den Möbeln.39 Überträgt man nun die vom Kammergerichtaufgestellten Grundsätze auf den Fall der Archivbenutzung, so stellt

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b) Darf der Benutzer die Fotos reproduzieren(lassen)?

Ob der Archivbenutzer die ihm rechtmäßig vorgelegten Fotos repro-duzieren kann, ist eine Frage, auf die § 16 und § 53 UrhG Antwortgibt. Das Vervielfältigungsrecht des § 16 I UrhG schützt das Rechtdes Urhebers, „Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen,gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahrenund in welcher Zahl“, wobei auch hier zwischen veröffentlichten /erschienenen und nicht veröffentlichten / nicht erschienenen Werkenzu differenzieren ist.Ist das Werk bereits veröffentlicht oder erschienen, so kann sich derNutzer auf § 53 I oder II UrhG berufen. Im Fall der Veröffentlichungkönnen Vervielfältigungen für den privaten Gebrauch des § 53 IUrhG entweder unentgeltlich oder auf fotomechanischem Wegegemacht werden (§ 53 I 2 UrhG).47 Unerheblich ist die eingesetzteTechnik, solange die Reproduktion auf Papier oder Papierähnlichemerfolgt.48 Eine Unentgeltlichkeit liegt auch im Falle einer Gebühren-oder Entgelterhebung vor, solange diese die Kostendeckung nichtüberschreiten.49 Soweit ein Archiv die Reproduktionen nicht selbstvornimmt, sondern an fremde Gesellschaften weitergibt, wird esdarauf zu achten haben, dass diese Gesellschaft keinen Gewinndamit erzielt. Ob eine umfassende Umlegung der Kosten (Anschaf-fungs- und Reparaturkosten, Arbeitskosten, Miete, u.ä.) von demBegriff der Unentgeltlichkeit gedeckt ist, ist umstritten und nochnicht geklärt.50 Jedenfalls begründet die Umlage von Materialkostendoch wohl noch keine Entgeltlichkeit.51 Bei einer nur fotomechani-schen Reproduktion, also beispielsweise bei einem Kopierer, giltdiese Eingrenzung nicht – hier ist eine Entgeltlichkeit möglich.Gesetzgeberischer Grund hierfür war die Überlegung, dass Kopier-geräte so teuer seien, dass sie nur in Bibliotheken oder Copyshopsvorgehalten werden könnten.52 Solange die Reproduktion unentgelt-lich geschieht, kann sie auch digital erfolgen – für den privatenGebrauch könnte nach § 53 I UrhG also auch eine CD erstelltwerden.53

Für den sonstigen eigenen Gebrauch des § 53 II UrhG, insbesonderefür den wissenschaftlichen Zweck des § 53 II 1 Nr. 1 UrhG, wäre derFall hingegen anders zu beurteilen. Der wissenschaftlich arbeitendeKunsthistoriker des Ausgangsbeispiels kann nach § 53 II 1 Nr. 1UrhG einzelne Reproduktionen erhalten, ohne dass § 53 II 2 oder 3UrhG weitere Einschränkungen vorsehen. Eine – auch digitale –Reproduktion der Fotos könnte folglich sogar entgeltlich geschehen.Daraus folgt, dass der Nutzer mit wissenschaftlichem Zweck fürseine CD über die tatsächlichen Kosten hinaus zur Zahlung angehal-ten werden könnte, während das Archiv sie dem zum privaten Ge-brauch Nutzendem nur unentgeltlich überlassen könnte. Da der Be-griff der Unentgeltlichkeit jedoch die Kostendeckung einschließt,wird sich in der Praxis diese gesetzliche Differenzierung kaum aus-wirken.Sollten die Fotos indes noch nicht veröffentlicht sein, so wird dieHerausgabe einer Reproduktion eine Verbreitungshandlung darstel-len und damit gegen § 17 UrhG verstoßen, da für ein Inverkehrbrin-gen nämlich schon jede auch nur vorübergehende Besitzüberlassungeines einzelnen Vervielfältigungsexemplares genügt. Zudem wird inder Überlassung von Reproduktionen an den Nutzer auch eineVeröffentlichung im Sinne des § 12 UrhG liegen.54

Zusammenfassend: Sind die Fotos noch nicht veröffentlicht (weil diedurch den Urheber noch nicht veröffentlichten Fotos entwederNutzungsbeschränkungen unterliegen oder man in der Verwahrungim Archiv keine Veröffentlichung sehen will), sollten dem Benutzerkeine Reproduktionen mitgegeben werden. Sollten die Fotos indes

sich die Frage, ob der Benutzer überhaupt Besitzer im zivilrecht-lichen Sinne der ihm vorgelegten Archivalien ist. (Unmittelbarer)Besitz würde dann vorliegen, wenn er die vom Verkehr anerkanntetatsächliche Sachherrschaft erlangt hätte.40 Ausfluss dieser Sachherr-schaft wäre die in § 1006 I 1 BGB vermutete Eigentümerstellung desBesitzers. Allein diese (wenn auch widerlegbare) gesetzliche Vermu-tung spricht gegen die Annahme, der Archivbenutzer könnte unmit-telbarer Besitzer der ihm vorgelegten Archivstücke sein. Wohl eher istder Archivbenutzer als Besitzdiener zu qualifizieren. Eine Besitzdien-erschaft liegt nach der Legaldefinition des § 855 BGB dann vor,wenn jemand die tatsächliche Gewalt für einen anderen in der Weiseausübt, dass er den Weisungen des anderen Folge zu leisten hat.Entscheidend ist für das Vorliegen einer Besitzdienerschaft dieWeisungsgebundenheit, die so stark sein muss, dass zu erwartensteht, der Besitzdiener werde jede Weisung hinsichtlich der Sacheausführen.41 Gerade dies ist im Verhältnis von Archivar und Benutzerzu vermuten: Den Weisungen der Lesesaalaufsicht hinsichtlich desUmgangs mit dem Archivgut (Bleistiftbenutzung, Tragen von Hand-schuhen, Benutzung von Buchstützen, Rückgabe von Archivaliausw.) wird der Archivbenutzer schon im eigenen Interesse regel-mäßig Folge leisten. Auch der von der Rechtsprechung gefordertenErkennbarkeit des Abhängigkeitsverhältnisses ist durch die engeräumliche Begrenzung der Benutzung Genüge getan. Somit ist derArchivbenutzer nur als Besitzdiener anzusehen, der selbst keinenBesitz an dem Archivgut erhält. Dies spricht dagegen, in der Vorlageurheberrechtlich geschützten Archivguts eine Besitzüberlassung unddamit ein Inverkehrbringen im Sinne des § 17 I UrhG zu sehen.42

Dieses – am Wortlaut begründete – Ergebnis lässt sich mit Überle-gungen zu Sinn und Zweck des § 17 I UrhG untermauern, dennauch der Grund dieser Regelung spricht gegen eine Verbreitungs-handlung durch Vorlage urheberrechtlich geschützter Fotos imLesesaal. Das Kammergericht Berlin hat angemerkt, der Begriff des„Inverkehrbringens“ dürfe nicht „engherzig an dem Maßstab derBGB-Bestimmungen über den Besitz gemessen werden“43. Vielmehrsei der Begriff dem Schutzziel des Urheberrechts entsprechendauszulegen. Das Kammergericht hat nun für die Hotelmöblierungausgeführt, die schöpferische Leistung des Einzelnen würde durchGebrauchsüberlassung an die Allgemeinheit ausgenutzt und dasHotel gewinne an Prestige und Renommee und könne auch dieÜbernachtungspreise dementsprechend gestalten.44 Ein solcherInteressenszusammenhang, vor dem das Urhebergesetz den Berech-tigten schützen will, liegt im Falle der archivischen Nutzung indesgerade nicht vor. Weder schmücken der Bestand von urheberrecht-lich geschützten Werken und die in den Werken verkörperte geistigeLeistung das Archiv noch zieht es daraus Gewinn. Somit stellt auchnach Sinn und Zweck des § 17 I UrhG das Vorlegen von Lichtbild-werken und Lichtbildern kein Inverkehrbringen und damit keinVerbreiten dar.45 Weder nach grammatischer Auslegung noch nachSinn und Zweck des § 17 I UrhG liegt in der Vorlage urheberrecht-lich geschützter Fotos an Archivbenutzer eine Verbreitung und damiteinen Verstoß gegen eine durch das Urhebergesetz geschützte Hand-lung vor.46

Im Ergebnis wird der Kunsthistoriker des Ausgangsbeispiels dieschon veröffentlichten/erschienenen oder die unveröffentlichtenFotos mit Nutzungsbeschränkungen im Lesesaal einsehen können.Unterstellt, dass in der archivmäßigen Verwahrung ohne Nutzungs-beschränkung eine Veröffentlichung liegt, so können auch dieseFotos vorgelegt werden; sicherer scheint es jedoch, diese Fotos nichtvorzulegen.

AUFSÄTZE

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40 Vgl. BGHZ 27, 360, 363; Palandt-Bassenge, BGB, 67. Aufl., München 2008,Überbl. v. § 854, Rn 1.

41 Münchener Kommentar-Joost, BGB, 4. Aufl., München 2004, § 855 Rn 5.

42 Zum gleichen Ergebnis kommen für Bibliotheksbestände: Klaus Peters, Dasdritte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes, in: Bibliotheksdienst29, 1995, 1828-1832: Präsensbenutzung keine Verbreitungshandlung, Aus-leihe von Medien schon.

43 KG GRUR 1996, 968, 970.44 KG GRUR 1996, 968, 970.45 Der BGH GRUR1972,141,141 – Konzertveranstalter – hat eine Verbreitung

im Sinne des § 17 UrhG durch Noten, die vor dem Konzert eines auslän-dischen Orchesters von einem Orchestermitglied verteilt und nachher wie-der eingesammelt wurden, deswegen verneint, weil die Noten keinem neu-en Personenkreis zugänglich gemacht wurden. Vielmehr befanden sie sichseit dem Zeitpunkt der Einreise im Besitz des damals russischen Orchesters.Vgl. Kurt Runge, Konzertveranstaltung und Notenrecht, in: GRUR 1972,120-122.

46 So im Ergebnis auch Reinhard Heydenreuter, Die rechtlichen Grundlagendes Archivwesens, in: Der Archivar 32,1979, Sp.157-170, Sp.167; anders Hey-denreuter, Urheberrecht und Archivwesen (wie Anm. 4), Sp. 404; vgl.BGHZ 144, 232-242, 238 ff.

47 § 53 I 2 UrhG: „Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungs-stücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgelt-lich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähn-lichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder andererVerfahren mit ähnlicher Wirkung handelt.”

48 Bundestagsdrucksache 15/38, S. 20; vgl. die Begründung Bundestagsdrucksache 15/837, S. 30.

49 Bundestagsdrucksache 15/38, S. 20 f.; Loewenheim, in: Loewenheim, Hand-buch des Urheberrechts (wie Anm. 7), § 31 Rn 23.

50 Bundestagsdrucksache 15/38, S. 20 f. gibt keine genaueren Hinweise auf dasVerständnis des Gesetzgebers von dem Begriff der ,Kostendeckung’. Für eineumfassende Umlagemöglichkeit: Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5),Rn 442; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 53Rn 16; Lüft, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht (wie Anm. 14), § 53Rn 19; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz (wie Anm. 33), § 53Rn 16; differenzierend Ute Decker, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechts-gesetz (wie Anm. 9), § 53 Rn 16: Materialkosten begründen noch keine Ent-geltlichkeit, die Umlage des Arbeitslohns hingegen schon; ähnlich Dreyer,in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 53 Rn 29; nochenger Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht (wie Anm. 8),§ 53 Rn 2. Zum Verständnis der Unentgeltlichkeit des neuen § 35 I 2 UrhGhilft auch die bislang ergangene Rechtsprechung (OLG München, Urteilvom 20.3.03, 29 U 5494/02; LG München, Urteil vom 19.5.2005, 7 O 5829/05;OLG Köln, Urteil vom 9.9.2005, 6 U 90/05; LG Leipzig vom 12.5.2006, 5 O4391/05; LG Braunschweig vom 7. Juni 2006, 9 O 869/06) nicht weiter(Stand: April 2008).

51 So das KG Berlin, Urteil vom 19.2.1999, 5 U 6835/97 und die herrschendeLiteratur (wie Anm. 50).

52 Bundestagsdrucksache 15/1066, S. 2.53 Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wie Anm. 7),

§ 31 Rn 23; vgl. Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wieAnm. 5), § 53 Rn 29 sowie Decker, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechts-gesetz (wie Anm. 9), § 53 Rn 10 f. Der in das Gesetzgebungsverfahren ein-gebrachte Vorschlag, digitale Vervielfältigungen grundsätzlich zu verbieten,ist nicht verabschiedet worden (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1066, S. 1).

54 Vgl. Adolf Dietz, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wieAnm. 7), § 16 Rn 1ff.; Kroitzsch, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsge-setz (wie Anm. 9), § 12 Rn 8 ff.

55 Vgl. Decker, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsgesetz (wie Anm. 9),§ 53 Rn 54; Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts(wie Anm. 7), § 31 Rn 51 f.

56 Vgl. Heydenreuter, Urheberrecht im Archiv und das Recht am Bild (wieAnm. 28), S. 29; Alexander F. J. Freys, Rechte Dritter am Archivgut, in: Ar-chivpflege in Westfalen und Lippe, hg. v.Westfälischem Archivamt, Heft 37,April 1993, S. 8-13, S. 11.

57 Die Grenze dessen, was das Gesetz unter „einzelnen Werken“ versteht, istnur schwer zu bestimmen und orientiert sich an dem Gesamtschaffen desUrhebers; vgl. Schricker, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 51Rn 35 mit Hinweis auf BGHZ 50, 147– Kandinsky I – (69 Werke) und wei-tere Rechtsprechung; Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht(wie Anm. 5), § 51 Rn 27 ff.

58 Vgl. Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5),§ 51 Rn 30 ff.

59 Schricker, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 51 Rn 45; Dreyer, in:Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 51 Rn 37.

schon veröffentlicht und die Voraussetzungen des § 53 I oder IIUrhG erfüllt sein, so bestehen keine Bedenken, Reproduktionenanzufertigen und diese dem Benutzer mitzugeben. Der auswärtigeKunsthistoriker unseres Ausgangsfalles könnte in dieser Konstella-tion für seine wissenschaftliche Arbeit Reproduktionen der Fotosmitnehmen und an seinem Heimatort auswerten.

c) Darf der Benutzer die Fotos veröffentlichen?Allein: Der Kunsthistoriker wird die Portraitfotos nicht ohne weite-res abdrucken können. Dem steht wiederum das Urheberrechtentgegen: Die Verwertung und Vervielfältigung obliegt allein demUrheber. Der § 53 VI 1 UrhG stellt eindeutig fest: „Die Vervielfälti-gungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiederga-ben benutzt werden.“ Die durch privilegierte Vervielfältigung ent-standenen Werkstücke dürfen somit grundsätzlich nicht der Öffent-lichkeit zugeführt und zu weiteren urheberrechtsrelevanten Hand-lungen benutzt werden.55

Nur ausnahmsweise sind „Groß-“ bzw. „Kleinzitate“ von veröffent-lichten Werken nach dem 2007 novellierten § 51 UrhG möglich.56

Ein nach § 51, 2 Nr. 1 UrhG zulässiges Großzitat der Fotografienwäre dann gegeben, wenn der Autor in sein wissenschaftliches Werkzur Illustration und Verdeutlichung einzelne bereits veröffentlichteFotos aufnehmen würde57. Unter dieser Voraussetzung wird derKunsthistoriker unseres Ausgangsfalls zur Verdeutlichung seinerThesen vereinzelt bereits veröffentlichte Fotografien reproduzierendürfen – wenn er sich denn in seiner Publikation mit ihnen ausein-andersetzt und sie nicht nur als „Dekor“ und Schmuck benutzt.58

Eine Veröffentlichung der Fotos wäre auch unter dem Aspekt desKleinzitats möglich. Ein Kleinzitat nach § 51, 2 Nr. 2 UrhG isteigentlich eine auf einen Teil des Werkes beschränkte Veröffentli-chung – in diesem Fall also auf einen Ausschnitt des Fotos – , jedochliegt in Erweiterung des Wortlauts ein Kleinzitat auch dann vor,wenn bei Bildwerken das gesamte Foto benutzt wird (sog. großesKleinzitat / kleines Großzitat).59 Voraussetzung für ein Kleinzitat istjedoch, dass das Foto in einem selbständigen Sprachwerk aufgeführtwird und bereits veröffentlicht ist, also „mit Zustimmung desBerechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist“ (§ 6I UrhG). Wenn die Voraussetzungen eines Zitats nach § 51 UrhGvorliegen und insbesondere das Werk schon „veröffentlicht“ ist (wasbei unveröffentlichtem Archivgut mit Nutzungsbeschränkungennicht der Fall ist und bei unveröffentlichtem Archivgut ohne Nut-zungsbeschränkungen eher zweifelhaft ist), steht einem Abdruck derFotos nichts entgegen.Zu guter Letzt hat derjenige, der Fotos abdrucken möchte, das Rechtam eigenen Bild zu beachten. Er muss grundsätzlich die Einwilli-gung des Abgebildeten einholen und benötigt im Falle des Todes dieEinwilligung der Angehörigen bis zehn Jahre nach dem Todeszeit-punkt (§ 22 KunstUrhG). Ausnahmsweise können Fotografien auchohne Einwilligung verbreitet werden, nämlich dann, wenn derAbgebildete der Zeitgeschichte angehört (§ 23 I Nr. 1 KunstUrhG),die Personen als Beiwerk zu einer Landschaft oder einer sonstigenÖrtlichkeit erscheinen (§ 23 I Nr. 2 KunstUrhG), es sich um Bildervon Versammlungen oder Aufzügen (§ 23 I Nr. 3 KunstUrhG) oderum Bildnisse handelt, „die nicht auf Bestellung angefertigt sind,sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesseder Kunst dient“ (§ 23 I Nr. 4 KunstUrhG). Bei einer „relativen

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die Nutzung für Werbemaßnahmen erlaubt sein soll, jedoch keinedarüber hinausgehende Verwendung. In anderen Fällen mag diesauch anders zu beurteilen sein, nämlich dann, wenn der Zweck deszwischen Urheber (Fotograf) und Nutzer (Behörde) geschlossenenVertrags eine weitere, umfangreichere Nutzung beinhaltet. Indes:Dass vom Übertragungszweck eine Nutzung auch durch das Archivgewollt ist, erscheint zwar nicht ausgeschlossen, doch wird dies denAusnahmefall darstellen. Eine solche Übertragung des Nutzungs-rechts bedarf nämlich der Zustimmung des Urhebers, § 35 I 1,§ 34 I 1 UrhG.64 Zwar darf diese Zustimmung nicht wider Treu undGlauben verweigert werden (§ 35 II, § 34 I 2 UrhG), doch müsstebei einer Verweigerung zuvor auf Zustimmung geklagt und notfallsdie Zustimmung durch Urteil ersetzt werden, § 894 ZPO65 – für diearchivische Praxis eine eher fernliegende Vorstellung. Im Zweifelwird der Berufsfotograf, der aufgrund Werkvertrags tätig wird, derBehörde in Ermangelung einer vertraglichen Vereinbarung nur eineinfaches Nutzungsrecht einräumen und der Weiterübertragungdieses Nutzungsrechts nicht schon im vorhinein zustimmen.Diese Überlegungen lassen sich auf die Nutzungsrechte an Lichtbil-dern übertragen, die ein Mitarbeiter einer Behörde angefertigt hat.Hierzu sieht § 43 UrhG die prinzipielle Anwendung der Vorschrif-ten zur Einräumung und Übertragung von Nutzungsrechten vor,soweit sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oderDienstverhältnisses nichts anderes ergibt. Sowohl der Angestellte alsauch der Beamte fallen unter § 43 UrhG.66 Im gewählten Beispielsfallerscheint auch unproblematisch, dass das Lichtbild in „Erfüllungder Verpflichtungen aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis“ ge-schaffen wurde.67 Zwar mag dies in anderen Fällen schwieriger zubeurteilen sein; für die Bestimmung der Verpflichtung aus einemArbeitsverhältnis ist – falls es an einer vertraglichen Regelungmangelt – auf die betriebliche Funktion des Arbeitnehmers, seinBerufsbild und die Verwendbarkeit des Werkes für den Arbeitgeberabzustellen. Dabei ist eine an den objektiven Umständen angemesse-ne Auslegung vorzunehmen.68 Entsprechendes gilt für die Werkeeines Beamten, die dieser in Erfüllung seiner Dienstpflicht erstellthat.69 Soweit keine ausdrückliche Einräumung eines Nutzungsrechtsim jeweiligen Arbeits- oder Dienstvertrag ausgesprochen ist, ist voneiner stillschweigenden Einräumung eines ausschließlichen Nut-zungsrechts auszugehen.70

Darüber hinaus beinhaltet der Arbeits- oder Dienstvertrag auch einestillschweigende Zustimmung des Urhebers zur Weiterübertragungvon Nutzungsrechten oder zur Einräumung abgeleiteter Nutzungs-rechte. Entscheidend für die Beurteilung der Reichweite der Einräu-mung von Nutzungsrechten ist nämlich unter Zuhilfenahme derZweckübertragungslehre der betriebliche oder dienstliche Zweck.71

An dieser Stelle spielt nun die gesetzliche Pflicht zur Anbietung undAblieferung herein, die die Landesarchivgesetze – beispielsweise § 3HmbArchG – statuieren. Denn betrieblicher oder dienstlicherZweck der Akte ist zwar vorrangig die Bewältigung der Aufgabender laufenden Verwaltung, doch ist die Akte zugleich darauf ange-legt, später Archivgut zu werden. Dieser Widmungsinhalt der Akteist bei der Anwendung der Zweckübertragungslehre im VerhältnisAngestellter/Beamter – Behörde zu berücksichtigen. Dieser Vertragimpliziert nicht nur die Einräumung eines ausschließlichen Nut-zungsrechts, sondern zugleich die Einwilligung in die Übertragungdes Nutzungsrechts auf das Archiv – jedenfalls solange, wie Anbie-tung und Ablieferung an ein Archiv Ausfluss gesetzlicher Vorschrif-ten sind.Die Übertragung des Nutzungsrechts setzt als Verfügung über einRecht eine Einigung voraus.72 Diese wird zwischen Behörde und

Person der Zeitgeschichte“ darf eine Veröffentlichung auch ohneEinwilligung erfolgen, wenn sie im Zusammenhang mit dem zeitge-schichtlichen Vorgang steht. Der Kunsthistoriker, die die Portraitfo-tografien als Zitat veröffentlichen will, muss daher, nachdem er dievorherigen juristischen Hürden überwunden hat, zudem das Per-sönlichkeitsrecht der Abgebildeten wahren.

II. SONDERFALL: NUTZUNGSRECHTEEINER BEHÖRDE

Soweit zur Behandlung des Einführungsbeispiels, das in die Proble-matik urheberrechtlich geschützter Fotos einführen soll. Die Rechts-lage verkompliziert sich, wenn zu Urheber, Archiv und Benutzernoch eine Behörde tritt, die zuvor Nutzungsrechte erlangt hatte.Auch dies kann ein Fall – gewählt ist ein Beispiel aus der Freien undHansestadt Hamburg – verdeutlichen: Die Kulturbehörde der StadtHamburg lässt von einem Berufsfotografen Segelschiffe im Hafenfotografieren, um diese Aufnahmen für die Werbung zum Hafenge-burtstag zu benutzen (Lichtbildwerke).60 Die Behörde hat an denFotos ein von dem Urheber eingeräumtes Nutzungsrecht erlangt.Einige Jahre nach der Veranstaltung gibt die Kulturbehörde die Aktemit den Fotos in das Staatsarchiv. Kann das Staatsarchiv nun überdiese Fotos verfügen und beispielsweise den weiteren Abdruck„genehmigen“? Juristisch formuliert: Hat das Staatsarchiv eineigenes oder ein abgeleitetes Nutzungsrecht erlangt? Ein parallelerFall lässt sich nicht nur für Lichtbildwerke, sondern auch für Licht-bilder leicht erdenken: Ein Mitarbeiter der Hamburger „Behörde fürStadtentwicklung und Umwelt“ (BSU) hat Fotos von einem „umge-kippten“ Teich angefertigt, um die Umweltverschmutzung durcheine nahegelegene Fabrik zu dokumentieren. Nach Abschluss desVorgangs gelangt die Akte ins Archiv. Kann das Archiv das Fotoveröffentlichen (lassen), wenn die Umweltbehörde ein Nutzungs-recht an dem Lichtbild erlangt hat? Bei der Beantwortung dieserFragen sind eine urheberrechtliche (1.) und eine verwaltungsrechtli-che (2.) Dimension zu beachten.

1. Urheberrechtliche BetrachtungNutzungsrechte an urheberrechtlich geschützten Werken lassen sichnach der deutschen Ausformung des Urheberrechts entweder alsausschließliche oder als einfache Nutzungsrechte ausgestalten. Einausschließliches Nutzungsrecht hindert jeden anderen, alsogrundsätzlich auch den Urheber selbst, an der Nutzung seinesWerkes (§ 31 III UrhG).61 Dahingegen gewährt ein einfaches Nut-zungsrecht nur die Möglichkeit, das Werk in der vertraglich verein-barten Weise zu nutzen, ohne dass es einen Ausschluss der Nutzungdurch Dritte umfasst (§ 31 II UrhG).62 Ob nun ein einfaches oder einausschließliches Nutzungsrecht bei der Bereitstellung der Hafenfotosgewollt war, kann allein die Auslegung des Werkvertrags ergeben.Sofern eine ausdrückliche vertragliche Regelung geschlossen wurde,ist diese bindend. Für den Fall, dass keine vertragliche Vereinbarungvorliegt, kann für die Ermittlung des Umfangs des der Behördeeingeräumten Nutzungsrechts ein Grundsatz des deutschen Urhe-berrechts herangezogen werden, der in § 31 V UrhG seinen positiv-rechtlichen Niederschlag gefunden hat. § 31 V UrhG normiert, dassim Zweifel Nutzungsrechte nur in dem Umfang eingeräumt sind, dieder Vertragszweck unbedingt erfordert (sog. Zweckübertragungs-regel).63 Der Urheber überträgt also nicht mehr Rechte, als für denjeweiligen (Vertrags-)Zweck erforderlich sind. Im Falle des Hambur-ger Fotografen könnte dies einen Hinweis darauf geben, dass zwar

AUFSÄTZE

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60 Die Zustimmung der Schiffseigentümer sei unterstellt.61 Kotthoff, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 31

Rn 98 ff.; Loewenheim / Jan Bernd Nordemann, in: Loewenheim, Hand-buch des Urheberrechts (wie Anm. 7), § 25 Rn 3 ff.; Überblick: Schack, Ur-heber- und Urhebervertragsrecht (wie Anm. 6), Rn. 539 ff.; Kotthoff, in:Dreyer / Kotthoff / Meckel, Urheberrecht (wie Anm. 5), § 31 Rn 1 ff.

62 Loewenheim / Nordemann, in: Loewenheim, Handbuch des Urheber-rechts (wie Anm. 7), § 25 Rn 7 f.

63 Loewenheim / Nordemann, in: Loewenheim, Handbuch des Urheber-rechts (wie Anm. 7), § 26 Rn 43 f.

64 Vgl. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht (wie Anm. 6), Rn 554 ff.65 Vgl. Sabine Rojahn, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 43 Rn

10 ff.66 Dieter Leuze, Urheberrechte im Beamtenverhältnis, in: Zeitschrift für Be-

amtenrecht 1997, 37-45; Rojahn, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9),§ 43 Rn 11f., Rn 19 f. Vinck, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht (wieAnm. 8), § 43 Rn 2; grds. auch Rehbinder, Urheberrecht (wie Anm. 5), Rn623 ff., Rn 636 ff. Anders bei Hochschullehrern, vgl. BGHZ 112, 243-258,252 f. – Grabungsmaterialien –.

67 Vgl. Rojahn, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 43 Rn 21 ff.; hier-zu Leuze, Urheberrechte (wie Anm. 66), S. 41 ff. sowie Hans-Peter Mathis,Der Arbeitnehmer als Urheber. Die Auslegung und Problematik des § 43UrhG, Frankfurt am Main / Bern u.a.1988 (Europäische Hochschulschrif-ten Reihe II, Band 687), S. 11 ff.

68 Rojahn, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 43 Rn 22 ff.; Vinck, in:Fromm / Nordemann, Urheberrecht (wie Anm. 8), § 43 Rn 3; vgl. OLGNürnberg ZUM 1999, 656–658, 657.

69 Rojahn, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 43 Rn 28 ff.70 Rojahn, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 43 Rn 40, Rn 45 ff.;

Vinck, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht (wie Anm. 8), § 43 Rn 3.Vgl.ebenso Dörffeldt, Das neue Urheberrecht (wie Anm. 4), Sp. 222.

71 Leuze, Urheberrechte (wie Anm. 66), S. 45.72 Die Verfügung erfolgt nach § 398 BGB und kann ohne Beachtung einer be-

stimmten Schriftform, also konkludent, erfolgen, vgl. Loewenheim / JanBernd Nordemann, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts (wieAnm. 7), § 28 Rn 3.

73 So auch Dörffeldt, Das neue Urheberrecht (wie Anm. 4), Sp. 226, der jedochkeine konstruktive Begründung liefert, und im Ergebnis so auch Freys, Rech-te Dritter am Archivgut (wie Anm. 56), S. 10.

74 Vgl. Rojahn, in: Schricker, Urheberrecht (wie Anm. 9), § 43 Rn 12, die un-ter Arbeitnehmer denjenigen nicht versteht, der nur aufgrund Werkvertragsgebunden ist, sowie Vinck, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht (wieAnm. 8), § 43 Rn 2.

75 Udo Schäfer, Kulturgutschutz im Wandel?, in: Der Archivar 52,1999, S. 233- 240, S. 236; grundsätzlich Hans-Jürgen Papier, Recht der öffentlichen Sa-chen, 3. Aufl., Berlin / New York 1998, S. 2 ff., S. 34 ff.; Ernst Pappermann/ Rolf-Peter Löhr / Wolfgang Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, Mün-chen 1987, S. 1 ff.; Ulrich Häde, Das Recht der öffentlichen Sachen, in: Jus1993, S. 112-119, S. 118.

76 Schäfer, Kulturgutschutz (wie Anm. 75), S. 236; grundsätzlich dazu Papier,Recht der öffentlichen Sachen (wie Anm. 75), S. 27 ff.; Häde, Recht der öf-fentlichen Sachen (wie Anm. 75), S.117 f. Das VG Köln NJW1991, S. 2584 ff.,S. 2585 hat im Hamburger Stadtsiegelfall offen gelassen, ob das Siegel auchnach der Archivierung noch als öffentliche Sache im Verwaltungsgebrauchanzusehen sei oder eine öffentliche Sache im Anstaltsgebrauch sei; auf je-den Fall sei das Siegel auch nach der Archivierung eine öffentliche Sachegeblieben, wenn sich auch die Widmung geändert habe. Zum HamburgerStadtsiegelfall die weiteren verwaltungsrechtlichen Entscheidungen OVGMünster, NJW 1993, 2635-2637 sowie BVerwG NJW 1994, 144-145.

77 Zur Widmung Peter Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff der öffentli-chen Sachen. Zur Identität des Rechts der öffentlichen Sachen als Rechts-gebiet, Berlin 1994, S. 30: Die Widmung sei der „Kreationsakt der öffentli-chen Sache“. Das VG Köln NJW 1991, S. 2584 ff., 2585 – HamburgerStadtsiegelfall – geht von einer Umwidmung des Archivguts zu einem an-deren öffentlichen Zweck aus, im entschiedenen Hamburger Stadtsiegelfallnämlich zur Überprüfung der Echtheit von Urkunden.

78 Vgl. Axer, Widmung (wie Anm. 77), S. 34 f.79 Vgl. Paul Stelkens / Ulrich Stelkens, in: Paul Stelkens / Heinz Joachim Bonk

/ Michael Sachs, VwVfG, 5. Aufl., München 1998, § 35 Rn 117.

Archiv – jeweils vertreten durch die Mitarbeiter – konkludent imZeitpunkt der Ablieferung geschlossen. An Lichtbildern, die vonBehördenmitarbeitern erstellt wurden und im Rahmen einer Behör-denablieferung aufgrund gesetzlicher Pflicht in das Archiv gelangen,erhält das jeweilige Archiv ein ausschließliches Nutzungsrecht.73

Die Trennlinie zwischen den beiden skizzierten Fällen verläuftentlang der vertraglichen Beziehung Urheber – Behörde, nicht je-doch entlang der Differenzierung Lichtbildwerk – Lichtbild.Während bei einer arbeits- oder dienstvertraglichen Beziehung eineEinräumung des ausschließlichen Nutzungsrechts und die Zustim-mung zur Übertragung dieses Rechts gewollt sind, impliziert einewerkvertragliche Grundlage im Zweifel nur die Einräumung eineseinfachen Nutzungsrechts.74 Entsprechend hat die Beurteilung beieinem Lichtbildwerk eines Behördenmitarbeiters (nämlich Einräu-mung eines ausschließlichen Nutzungsrechts und Zustimmung zurÜbertragung) und dem Lichtbild eines werkvertraglichen Gebunde-nen (Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts) zu erfolgen.

2. Verwaltungsrechtliche BetrachtungDieses Ergebnis, das durch Auslegung und Anwendung der urheber-rechtlichen Grundsätze gewonnen wurde, deckt sich mit verwal-tungsrechtlichen Überlegungen zu dem rechtlichen Schicksal derAkte im Übergang von einer Behörde zum Archiv. Ursprünglich sindAkten, die von einer Behörde geführt werden, öffentliche Sachen imVerwaltungsgebrauch.75 Als öffentlich wird eine Sache dann bezeich-net, wenn ihr eine Gemeinwohlfunktion zukommt, sie für öffentli-che Zwecke in Dienst gestellt wurde und eine Widmung durchGesetz oder Verwaltungsakt vorliegt. Die für eine öffentliche Sachenotwendige Widmung ist im Anlegen und Führen der Akten in derVerwaltungsbehörde zu sehen. Nach der Abgabe an das Staatsarchivbefinden sich die Akten jedoch nicht mehr im Verwaltungsgebrauch,sondern im Anstaltsgebrauch.76 Es ist dabei unerheblich, ob bei derÜbergabe an das Archiv eine Umwidmung oder eine Entwidmungals actus contrarius und Neuwidmung erfolgt, denn auf jeden Fallist die ursprüngliche Widmung der Akten zugunsten einer neuenverändert.77 Diese Um- oder Neuwidmung erfolgt bei der Abliefe-rung durch – jedenfalls konkludente – Allgemeinverfügung imSinne des § 35, 2 VwVfG, die einen Unterfall eines Verwaltungsaktesdarstellt. Diese Widmung ist bis zur Indienststellung (Realakt) deröffentlichen Sache schwebend unwirksam, doch liegt spätestens inder Bereitstellung der Akten für den Benutzer eine Indienststellung.Ab diesem Zeitpunkt entfaltet die – bis dahin schwebend unwirksa-me – Widmung ihre Rechtswirkung.78 Die Akten sind dann öffentli-che Sachen im Anstaltsgebrauch.Die Unterscheidung zwischen einer öffentlichen Sache im Verwal-tungs- und derjenigen im Anstaltsgebrauch ist für die Benutzungentscheidend, denn eine Sache im Verwaltungsgebrauch ist von derAllgemeinheit grundsätzlich nicht zu benutzen, wohingegen beieiner öffentlichen Sache im Anstaltsgebrauch eine Nutzung durchdie Allgemeinheit möglich ist, wenn es auch einer vorherigen Zulas-sung bedarf.79 So ist im Fall des Archivs durch Stellung und positiverBescheidung eines Benutzungsantrags die Einsicht in die Aktenmöglich.Bei dem Übergang des urheberrechtlichen Nutzungsrechts könnteman versucht sein, entscheidend auf den Umfang der neuen Wid-mung abzustellen; für die Auslegung der Widmung könnten dann

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Dr. Stephan Dusil, M.A.Knickweg 1722303 HamburgTel. 040-6965 8628E-Mail: [email protected]

BETWEEN USE AND RESTRICTIVE USE. REMARKS ONTHE INTELLECTUAL PROPERTY RIGHTS OF PHOTOS INPUBLIC RECORD OFFICES

The article focuses on the rights of use of photos which are archivedin public record offices. Therefore, it deals with the relevant legislationin Germany, in particular, the Law of Intellectual Property (Urheber-rechtsgesetz), and outlines its principles. In addition, it concentrates onthe question of whether the examination of the photos by users, thereproduction for internal use or the replication for external use,infringes the intellectual property rights of the author. Finally, thearticle addresses the question of whether the rights of use, which apublic authority held due to a contract with the author, pass onto thepublic record office.

80 BArchG vom 6. Januar 1988 (BGBl. I, S. 62), zuletzt geändert durch § 13 Abs.2 des Informationsfreiheitsgesetzes vom 5. September 2005 (BGBl. I, S. 2722).

81 Hamburgisches Archivgesetzes (HmbArchG) vom 21. Januar 1991(HmbGVBl. S. 7), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juni 2005(HmbGVBl. S. 233, S. 239).

82 § 1 BArchG: „Das Archivgut des Bundes ist durch das Bundesarchiv auf Dau-er zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten.“

83 § 1 I 1 HmbArchG: „Das Staatsarchiv hat die Aufgaben, Unterlagen der Ver-fassungsorgane, Gerichte, Behörden und sonstigen Stellen der Freien undHansestadt Hamburg und der ihrer Aufsicht unterstehenden juristischenPersonen des öffentlichen Rechts auf ihre Archivwürdigkeit zu bewertenund die als archivwürdig festgestellten Teile als Archivgut zu übernehmen,zu verwahren, zu erhalten, zu erschließen und für die Benutzung bereitzu-stellen (Archivierung) sowie auszuwerten.“

84 Heydenreuter, Urheberrecht und Archivwesen (wie Anm. 4), Sp. 404.85 Eher zweifelnd Heydenreuter, Urheberrecht und Archivwesen (wie Anm. 4),

Sp. 404.

den Behörde als ursprünglichem Besteller an den Lichtbildern /Lichtbildwerken, so erhält das Archiv weder ein eigenes noch einabgeleitetes Nutzungsrecht. Ein von dem Besteller abgeleitetesNutzungsrecht ist regelmäßig mangels Zustimmung des Urhebersausgeschlossen; eine sonstige Einräumung eines Nutzungsrechtswird von dem Willen des Urhebers nicht getragen sein. Anders imFall von Lichtbildern / Lichtbildwerken, die von einem Behörden-mitarbeiter im Rahmen seiner Arbeits- oder Diensttätigkeit angefer-tigt wurden: Der jeweilige Arbeits- oder Dienstvertrag ist im Fallefehlender anderer Vereinbarung so auszulegen, dass ausschließlicheNutzungsrechte eingeräumt und die Zustimmung zur Übertragunggegeben werden. Durch die konkludente Einigung bei der Akten-übergabe werden diese Rechte auf das Archiv übertragen, welchesdie Lichtbildwerke / Lichtbilder nutzen kann. Das Archiv könntealso dem Nutzer, der das Foto des verschmutzten Teichs in seinemeigenen Buch verwenden möchte, eine Genehmigung zum Abdruckerteilen. Das anlässlich des Hafengeburtstags entstandene Foto mitSegelbooten kann das Archiv jedoch bis zum Ablauf der 70-Jahres-Frist nicht nutzen; es wird vielmehr darauf zu achten haben, dieverschiedenen Rechte des Urhebers zu schützen. ■

die jeweiligen Archivgesetze herangezogen werden. Zwar enthältweder das Bundesarchivgesetz80 noch das Hamburger Archivgesetz81

eine ausdrückliche Regelung, doch ist aus den jeweils durch dasGesetz umrissenen Aufgaben der Archive auf die Widmung desArchivguts zu schließen. So hat das Bundesarchiv die Aufgabe,Archivgut „auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissen-schaftlich zu verwerten82.“ Das Hamburgische Archivgesetz sprichtdavon, das Archivgut „zu übernehmen, zu verwahren, zu erhalten,zu erschließen und für die Benutzung bereitzustellen (Archivierung)sowie auszuwerten83.“ Die Widmung des Archivguts zur öffentlichenSache im Anstaltsgebrauch zielt also auf die Benutzung und –wissenschaftliche – Auswertung. Die Akten als Archivgut dienenvornehmlich dem Zweck der Dokumentation und stellen ein Objektder Forschung dar.84 Insofern könnte man annehmen, dass durch dieUmwidmung Nutzungsrechte erlöschen.Dagegen sprechen jedoch zwei Überlegungen. Bei den Überlegungenzum Verwaltungsrecht ist erstens zu berücksichtigen, dass die Aktezwar primär historischen Zwecken dient, jedoch weiterhin von derBehörde ausgeliehen werden kann (sog. Behördenausleihe) unddann wieder von Bedeutung in der laufenden Verwaltung ist. Derursprüngliche Zweck der Akte ist somit in den Hintergrund getre-ten, aber doch nicht völlig aufgehoben – ebenso wie der historischeZweck der Akte von ihrer Anlage an ‚in nuce‘ vorhanden ist; Aktensind daraufhin angelegt, später einmal Archivgut zu werden.Zweitens – und dies ist entscheidend – sind verwaltungsrechtlicheWidmung von Akten und urheberrechtliche Nutzungsrechte zuein-ander prinzipiell abstrakt. Weder erlischt der urheberrechtlicheSchutz von Lichtbildwerken durch die Widmung – sie werden alsonicht „gemeinfrei“ –, noch erlöschen bestehende Nutzungsrechte anden jeweiligen Werken. Durch die Umwidmung und den Übergangvon einer öffentlichen Sache im Verwaltungs- zu einer solchen imAnstaltsgebrauch erlöschen die bestehenden Nutzungsrechte nicht,vielmehr gehen sie von der jeweils abliefernden Behörde auf dasArchiv über, sofern die Übergabe der Akten als konkludente Eini-gung zu verstehen ist. Dies wird immer dann der Fall sein, wennausschließliche Nutzungsrechte der Behörde bestehen und einekonkludente Zustimmung des Urhebers zur Übertragung vorliegt.85

Nutzungsrechte an Lichtbildern / Lichtbildwerken, die von Mitar-beitern einer Behörde im Rahmen ihrer Arbeits- oder Dienstverträgegefertigt wurden, werden damit auf das Archiv übertragen.

III. FAZIT

Zusammenfassend bedeutet dies für den Umgang mit urheberrecht-lich geschützten Lichtbildwerken und Lichtbildern: Entscheidendfür den Umgang im Archiv mit urheberrechtlich geschützten Fotosist die Differenzierung in veröffentlichte / erschienene und unveröf-fentlichte / nicht erschienene Fotos. Veröffentlichte / erschieneneFotos können vorgelegt werden, sie können reproduziert und alsZitat (aber nur als Zitat!) verwertet werden. Anders bei unveröffent-lichten Fotos: Erkennt man in der archivmäßigen Verwahrung ohneNutzungsbeschränkung keine Veröffentlichung (was der Beurteilungdes Einzelfalls unterliegt; häufig mag jedoch eine Veröffentlichungbejaht werden), so sollten diese Fotos bis zum Ende der urheber-rechtlichen Frist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers wedervorgelegt werden noch können sie reproduziert oder zitiert werden.Unveröffentlichte Fotos mit Nutzungsbeschränkungen dürften zwarvorgelegt, aber weder reproduziert noch zitiert werden.Bestand ein – im Zweifel einfaches – Nutzungsrecht der abliefern-

AUFSÄTZE

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DAS VERWALTUNGSVERFAHRENBEI SCHUTZFRISTVERKÜRZUNGENvon Jenny Kotte

Es ist den öffentlichen Archiven nicht selbst überlassen, auf welcheArt und Weise sie Schutzfristen1 verkürzen oder nicht verkürzen. AlsTeile der Verwaltung2 sind öffentliche Archive an die Verwaltungs-verfahrensgesetze (VwVfG)3 gebunden. Diese Gesetze bestimmen,wie Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen,diese Aufgaben durchzuführen haben. § 9 VwVfG definiert dasVerwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes als „die nach außenwirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Vorausset-zungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes […]gerichtet ist ...“Dieser Beitrag will das Verwaltungsverfahren öffentlicher Archive4

bei der Verkürzung von Schutzfristen beschreiben. Dieses spezielleVerwaltungsverfahren ist ein sogenanntes nicht-förmliches5 Verwal-tungsverfahren, zielt auf den Erlass eines Verwaltungsaktes6 ab undwird auf Antrag angestoßen.Bei jedem Verwaltungsverfahren laufen hintereinander vier Schritteab:

1. SACHVERHALTSERMITTLUNG

Für die Verkürzung von Schutzfristen ist in den Benutzungsordnun-gen in aller Regel ein schriftliches Antragsverfahren vorgesehen.7 DerSchriftform würde auch die Übermittelung des Antrags per Faxgenügen.8 Das Archiv kann die Verwendung eines bestimmtenAntragsformulars9 verlangen, wenn dadurch die Antragstellung nichtunzumutbar erschwert wird.10 Ob allerdings ein Antrag nur abge-lehnt werden kann, weil ein bestimmtes Formular nicht oder unvoll-ständig ausgefüllt wurde, „ist eine andere Frage“11 und wohl eher zuverneinen. Durch die Antragstellung wird jedenfalls das Verwal-tungsverfahren offiziell angestoßen.12 Es ist dann Aufgabe desArchivs, die entscheidungserheblichen Fakten zusammenzutragen.In der Regel muss geklärt werden, wer zu welchem Zweck fürwelches Archivgut die Verkürzung von welchen Schutzfristen bean-tragt.13 Nur ein vollständig festgestellter und zutreffender Sachverhaltführt zu einer sachgerechten, rechtmäßigen und zweckmäßigenEntscheidung.14 Art und Umfang der Ermittlungen bestimmt dabeidas Archiv..15 Dabei ist es nicht an die Angaben des Antragstellersgebunden, sondern kann zusätzliche Untersuchungen vornehmen.Die Frage, ob der Antragsteller verpflichtet ist, an der Ermittlung desSachverhalts mitzuwirken, ist eher zu verneinen. Nach § 26 Abs. 2

1 „Frist vor der Öffnung von Verwaltungsunterlagen für eine allgemeine Be-nutzung, festgelegt in Archivgesetzen oder Benutzungsordnungen.“ – De-finition nach Angelika Menne-Haritz, Schlüsselbegriffe der Archivtermino-logie. Lehrmaterialien für das Fach Archivwissenschaft,Veröffentlichungender Archivschule Marburg, Nr. 20, 2. Auflage, Marburg 1999.

2 Die 16 Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Landesbehörden und der unter der Auf-

sicht der Länder stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts.Das Bundes-VwVfG gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeitder Bundesbehörden sowie für die bundesunmittelbaren Körperschaften,Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts.

3 Die Landes-VwVfGe sind nahezu identisch mit dem Bundes-VwVfG. Auspraktischen Gründen wird in diesem Beitrag das Bundes-VwVfG alsGrundlage herangezogen.

4 Die Zuständigkeit für die Verkürzung der Schutzfristen liegt überwiegendbei den Landesarchivdirektionen bzw. sonstigen Landesarchivverwaltungen,vgl. Bartholomäus Manegold, Archivrecht. Die Archivierungspflicht öffent-licher Stellen und das Archivzugangsrecht des historischen Forschers imLicht der Forschungsfreiheitsverbürgung des Art. 5 Abs. 3 GG, Berlin 2002,S. 311. In diesem Beitrag soll das Staatsarchiv Hamburg, ein Amt der Kul-turbehörde, als Beispiel dienen. Es ist für den Erlass der Verwaltungsakteüber die Verkürzung von Schutzfristen selbst zuständig.

5 In nicht-förmlichen Verwaltungsverfahren gelten „nur“ die allgemeinen Vor-schriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 9 - 62 VwVfG).

6 Ein Verwaltungsakt liegt gemäß § 35 S.1 VwVfG vor, wenn eine Maßnah-me hoheitlich ist, von einer Behörde ausgeht, einen Einzelfall auf dem Ge-biet des öffentlichen Rechts regelt und auf eine unmittelbare Rechtswirkungnach außen abzielt. Dies ist bei der Entscheidung über die Verkürzung vonSchutzfristen gegeben, vgl. zum Beispiel Petra Nau, VerfassungsrechtlicheAnforderungen an Archivgesetze des Bundes und der Länder (Arbeitspa-piere des Lorenz-von-Stein-Instituts, Heft 52), Kiel 2000, S. 39.

7 Vgl. z. B. § 3 S.1Verordnung der Landesregierung über die Benutzung desLandesarchivs Baden-Württemberg (Landesarchivbenutzungsordnung –LArchBO): „Eine Verkürzung der Sperrfristen wird vom Nutzer bei der dasbetreffende Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs schrift-lich beantragt.“

8 Das Schriftformerfordernis dient vor allem der Rechtssicherheit. Diese wirdauch gewahrt, wenn auf dem Fax nur die kopierte Unterschrift vorhandenist, da an der Ernsthaftigkeit der Willenserklärung dann keine Zweifel be-stehen könne. Zur Zulässigkeit der Übermittlung fristwahrender Schriftsät-ze per Telefax vgl. Kammerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom01.08.1996 (1 BvR 121/95), in: NJW 1996, 2857.

9 Die Befugnis, Formulare für die Antragstellung vorzuschreiben, kann ausdem allgemeinen Organisationsrecht des Archivs abgeleitet werden. IhreRechtfertigung finden Formulare auch in der Erreichung einer gleich-mäßigeren Arbeitsweise und in der Beschleunigung des Bearbeitungspro-zesses, vgl. Paul Stelkens, Heinz Joachim Bonk, Micheal Sachs,Verwaltungs-verfahrensgesetz. Kommentar, 6. Auflage, München 2001, Rn. 13 f. zu § 10.

10 Vgl. Hans Joachim Knack,Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 8. Auf-lage, Köln u.a.O. 2004, Rn. 15 zu § 22.

11 Vgl. Knack, wie Anm. 10, Rn. 4 zu § 10.12 Vgl. § 22 Nr. 1 i.V.m. § 9 VwVfG.13 Zur Verkürzbarkeit von Schutzfristen vgl. beispielsweise Siegfried Becker,

Klaus Oldenhage, Bundesarchivgesetz. Handkommentar, 1. Auflage,Baden-Baden 2006, Rn. 57 ff. zu § 5 BArchG; Udo Schäfer, Sackgasse – ZurÜbermittlung personenbezogener Daten aus Archivgut vor Ablauf derSchutz- oder Sperrfristen, in: Archive und Forschung. Referate des 73.Deutschen Archivtags 2002 in Trier, hrsg. vom VdA, Redaktion Robert Kretz-schmar, Siegburg 2003 (Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archiv-wesen, Beiband 8), S. 181-194; Manegold, wie Anm. 4, S. 254 ff.; Nau, wieAnm. 6, S. 275 ff.

14 Grundlage ist der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 24 VwVfG, vgl. Hart-mut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht,16. Auflage, München 2006, S.492 f.

15 Anhaltspunkte sind beispielsweise die Schwere der Rechtsfolge oder dieWahrscheinlichkeit eines anschließenden Rechtsstreits.

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3.1 Allgemeines

3.1.1 Sprache§ 23 VwVfG legt Deutsch als Amtssprache fest.23 Diese Regelung giltfür alle Verfahrensschritte, die im Zusammenhang mit dem Verwal-tungsverfahren stehen. Das heißt, der zu erstellende Bescheid musszwingend in deutscher Sprache abgefasst werden. Darüber hinausmuss aber zum Beispiel auch die Beratung nach § 25 VwVfG indeutscher Sprache stattfinden. Wird ein Antrag in einer ausländi-schen Sprache gestellt, soll das Archiv nach § 23 Abs. 2 Satz 1 unver-züglich die Vorlage einer Übersetzung verlangen. Ein guter Bescheidist zudem verständlich formuliert.

3.1.2 BearbeitungsdauerHäufig wird an das Archiv die Forderung nach einer sehr kurzfristi-gen Bearbeitung von Schutzfristenverkürzungsanträgen gestellt. Wieoben dargelegt wurde, ist jeder Verwaltungsakt eine Entscheidungim Einzelfall, die naturgemäß hinreichend Zeit für die Sachverhalts-ermittlung und rechtliche Überprüfung benötigt. Das Archiv istnach § 10 VwVfG aber auch verpflichtet, das Verwaltungsverfahreneinfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. „Zügig“ heißt dabei,ohne unnötige oder vermeidbare Zeitverzögerung.24 Bei längererVerzögerung der Entscheidung über einen Antrag auf Schutzfristver-kürzung droht die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO. Allerdings istdie Anwendung dieses Instruments erst zulässig, wenn seit derAntragstellung mehr als drei Monate verstrichen sind.

3.2 BescheidkopfZwingende Bestandteile im Bescheidkopf sind die erlassende Behör-de25 und der Name sowie die Anschrift des Adressaten26. Adressat istderjenige, für den der Verwaltungsakt inhaltlich bestimmt ist. InAntragsverfahren ist der Adressat identisch mit dem Antragsteller.27

Dies können grundsätzlich auch mehrere Personen sein.28

Außerdem sollten – wie in jedem nach außen gerichteten Schriftver-kehr – das Akten- bzw. Geschäftszeichen, der Name, die Durchwahlund die E-Mail-Adresse des Sachbearbeiters, das Datum, ein Betreffsowie eine Anrede verwendet werden. Beispiel eines Bescheidkopfs:

3.3 TenorDer Tenor sollte am Anfang platziert werden, da er die eigentlicheEntscheidung beinhaltet und somit das Herzstück des Bescheidesist. Hier werden jedoch weder Rechtsgrundlagen noch Begründun-gen aufgeführt, um den Tenor leichter lesbar zu gestalten. Darüber

VwVfG sollen die Beteiligten mitwirken. Die Soll-Vorschrift ist mitkeiner unmittelbaren Sanktion verbunden.16 Das Archiv bleibtfolglich auch bei Schweigen oder Untätigkeit des Antragstellers zurAufklärung des Sachverhalts – im Rahmen des Möglichen undZumutbaren – verpflichtet.17 Vielleicht könnte aber auch vomAntragsteller erwartet werden, nachzuweisen, dass die Voraussetzun-gen zum Erlass des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes vorlie-gen.18 Wirkt der Antragsteller bei der Sachverhaltsermittlung näm-lich nicht mit, muss er auch die eventuellen negativen Folgen inKauf nehmen.Beabsichtigt das Archiv nach ersten Sachverhaltsermittlungen denAntrag abzulehnen, sollte dem Antragsteller gemäß § 28 Abs. 1VwVfG vor Erlass des ablehnenden Bescheides Gelegenheit gegebenwerden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zuäußern bzw. weitere entscheidungs-relevante Fakten vorzutragen.Das Archiv kann sich danach sicherer sein, eine sachgerechte Ent-scheidung zu treffen. § 28 Abs.1 VwVfG bestimmt nicht, wie dieAnhörung zu geschehen hat. Der Antragsteller kann sich folglichschriftlich oder mündlich äußern. Am Ende der Sachverhaltsermitt-lung entschließt sich der Bearbeiter für eine bestimmte Entschei-dung.Wird bei der Sachverhaltsermittlung festgestellt, dass die Archivgut-einheiten keinen Schutzfristen mehr unterliegen, erlässt das Archivkeinen Verwaltungsakt. Hierfür mangelt es allein schon daran, dasskeine Rechte oder Pflichten begründet, aufgehoben oder festgestelltwerden.19 Das Archiv teilt dem Antragsteller lediglich per einfachemSchreiben das Ergebnis der Sachverhaltsermittlung mit. Auch wennam Ende kein Verwaltungsakt erlassen wird, handelt es sich um einVerwaltungsverfahren i. S. v. § 9 VwVfG, weil lediglich die Richtung(und nicht das Ergebnis) der Verwaltungstätigkeit ausschlaggebendist.20

2. RECHTLICHE ÜBERPRÜFUNG

Alle beabsichtigten Entscheidungen müssen dann einer umfassen-den Rechtsprüfung unterzogen werden.21 Folgende Fragen solltenzumindest kurz gestellt werden:Wurden die in den §§ 9 bis 30 VwVfG enthaltenen Verfahrens-grundsätze – insbesondere keine Mitwirkung ausgeschlossener oderbefangener Personen, Angebot einer Anhörung sowie BeteiligungDrittbetroffener – eingehalten?Entspricht die zum Ausdruck kommende Regelung den rechtlichenAnforderungen: Stimmt die Entscheidung mit dem einschlägigenArchivgesetz überein? Wurde das Ermessen korrekt ausgeübt? Sinddie Auflagen verhältnismäßig?

3. ERSTELLUNG DES BESCHEIDES

Die Entscheidung über die Verkürzung von Schutzfristen kann demAntragsteller grundsätzlich auch mündlich mitgeteilt werden.22 Eswird jedoch meist die Schriftform gewählt, um für beide Seitenmehr Rechtssicherheit zu erreichen und eine ordnungsgemäßeRechtsbehelfsbelehrung vornehmen zu können. Die schriftlicheMitteilung einer Verwaltungsentscheidung an einen Bürger nenntman Bescheid. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt ist der Begriff„Bescheid“ nicht gesetzlich definiert. Jedoch zeigt die Bezeichnungder Mitteilung als „Bescheid“ den hoheitlichen Regelungswillen desArchivs und trägt zur Rechtsklarheit bei.

AUFSÄTZE

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hinaus gilt für den Tenor das Erfordernis der Bestimmtheit nach§ 37 Abs. 1 VwVfG. Das bedeutet, der Adressat muss eindeutigerkennen können, was von ihm verlangt wird bzw. was er tun darf.Beispiel eines Tenors:„Das Staatsarchiv verkürzt die Schutzfristen für die Archivguteinheit[Signatur] zu [Benutzungszweck].“Diese Hauptentscheidung kann unter den Voraussetzungen von § 36VwVfG durch Nebenbestimmungen ergänzt oder beschränkt wer-den. Dies ist eine wichtige Möglichkeit, um eventuell vorhandeneBedenken, die einer uneingeschränkten Genehmigung entgegenste-hen, zu beseitigen und somit den Zugang zum Archivgut doch nochzu ermöglichen. Für die Bescheide des Staatsarchivs Hamburg ergibtsich die Ermächtigungsgrundlage für die Erteilung von Nebenbe-stimmungen aus § 36 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 5 Abs. 4 S. 3 HmbAr-chG. Demnach sind die schutzwürdigen Interessen Betroffener oderDritter durch geeignete Maßnahmen angemessen zu berücksichti-gen.Die Auflage ist bei der Verkürzung von Schutzfristen wohl die ammeisten geeignete Art der Nebenbestimmung.29 Durch die Auflagewird der Adressat des begünstigenden Verwaltungsaktes zu einembestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet. Ein typi-sches Beispiel ist die Anonymisierungspflicht.30 Grundsätzlich sinddie Auflagen der jeweiligen Gefährdungslage und dem konkretenForschungsinteresse anzupassen.31

Beispiel für die Verbindung der Hauptentscheidung mit Auflagen:„Die Verkürzung der Schutzfristen wird verbunden mit folgendenAuflagen:Die aus den gesperrten Archivguteinheiten erhobenen Angabendürfen nur zu dem Benutzungszweck benutzt werden, zu dem dieSchutzfristen verkürzt worden sind. Sie dürfen nicht an Dritteweitergegeben werden und sind vor unbefugter Kenntnisnahmedurch Dritte zu schützen.Die aus den gesperrten Archivguteinheiten erhobenen Angabendürfen auch nur zu dem Benutzungszweck veröffentlicht werden, zudem die Schutzfristen verkürzt worden sind. Die aus den gesperrtenArchivguteinheiten erhobenen Einzelangaben über persönliche undsachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicherPersonen dürfen nur in anonymisierter Form veröffentlicht werden.Die Pflicht zur Anonymisierung gilt nicht für Einzelangaben zuPersonen der Zeitgeschichte, zu Amts- oder Funktionsträgern inAusübung ihres Amtes oder ihrer Funktion und zu Personen, dienachweislich vor mehr als 10 Jahren verstorben sind.Die aus den gesperrten Archivguteinheiten erhobenen Einzelanga-ben zu natürlichen Personen sind zu anonymisieren, sobald es nachdem Benutzungszweck möglich ist. Bis zur Anonymisierung sind dieMerkmale, mit denen Einzelangaben bestimmten oder bestimmba-ren natürlichen Personen zugeordnet werden können, gesondert zuspeichern. Sie dürfen mit Einzelangaben nur zusammengeführtwerden, soweit der Benutzungszweck es erfordert. Diese Pflichtengelten nicht für Einzelangaben zu Personen der Zeitgeschichte, zuAmts- oder Funktionsträgern in Ausübung ihres Amtes oder ihrerFunktion und zu Personen, die nachweislich vor mehr als 10 Jahrenverstorben sind.Die Verkürzung der Schutzfristen begründet keinen Anspruchdarauf, aus den gesperrten Archivguteinheiten Reproduktionen zubeziehen, zu benutzen und zu veröffentlichen sowie ganze Schrift-stücke als Edition zu veröffentlichen.“

16 Vgl. Knack, wie Anm. 10, Rn. 36 zu § 26.17 Vgl. Maurer, wie Anm. 14, S. 503 f.18 Etwas nachdrücklicher Becker/ Oldenhage, wie Anm.13, Rn. 69 zu § 5 BAr-

chG: Im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes des § 24 VwVfG kann dasArchiv den Antragsteller aufgeben, sich an den Ermittlungen zu beteiligen.

19 Das Vorliegen einer Regelung ist Merkmal eines Verwaltungsaktes i. S. v.§ 35 S. 1 VwVfG.

20 Vgl. Knack, wie Anm. 10, Rn. 14 zu § 9.21 Vgl. Maurer, wie Anm. 14, S. 246 ff.22 Vgl. § 37 Abs. 2 VwVfG.23 Zum Recht der Sorben auf Gebrauch ihrer Sprache vgl. Stelkens/ Bonk/

Sachs, wie Anm. 9, Rn. 59 ff. zu § 23.24 Vgl. Knack, wie Anm. 10, Rn. 7 zu § 10.25 Vgl. § 37 Abs. 3 VwVfG.26 Vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG.27 Vgl. Stelkens/ Bonk/ Sachs, wie Anm. 9, Rn.17 zu § 22.28 Umstritten ist das Vorgehen, wenn eine Verwaltungseinheit, die zum sel-

ben Rechtsträger wie das Archiv gehört, einen Antrag auf Schutzfristenver-kürzung stellt. Im Falle eines Widerspruchs gegen den Verwaltungsakt wäreder Beklagte und der Kläger ein und dieselbe Stelle (sog. Insichprozess). InHamburg erlässt das Staatsarchiv aus diesem Grund üblicherweise keineVerwaltungsakte gegenüber anderen hamburgischen Behörden.

29 Vgl. Michael Klein, Die Benutzung von eingeschränkt zugänglichen Archi-valien – Archivgesetzliche Bestimmungen und praktische Anwendung, in:Archivpflege in Westfalen und Lippe 58, 2003, S. 3.

30 Für weitere mögliche Nebenbestimmungen vgl. Manegold, wie Anm. 4,S. 314 f.

31 Vgl. Manegold, wie Anm. 4, S. 313.32 Vgl. Knack, wie Anm. 10, Rn. 29 zu § 39.33 Vgl. Knack, wie Anm. 10, Rn. 26 zu § 39.34 Vgl. Becker/ Oldenhage, wie Anm. 13, BArchG, Rn. 13 zu § 3 BArchBV.35 Vgl. § 39 Abs. 1 S. 3 VwVfG.36 Vgl. Knack, wie Anm. 10, Rn. 25 zu § 39.

3.4 BegründungHier müssen die Haupt- und Nebenentscheidung(en) des Tenorsbegründet werden. Dabei soll auf den konkreten Fall eingegangenund nicht nur eine „formelhafte, nichtssagende allgemeine Darstel-lung bzw. … bloße Wiederholung des Gesetzestextes“32 angeführtwerden.Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG ist das Archiv gehalten, die wesentli-chen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die es zuseiner Entscheidung bewogen hat. Unter die tatsächlichen Gründefallen alle entscheidungserheblichen Tatsachen und der nach §§ 24und 26 VwVfG ermittelte Sachverhalt. Unter den rechtlichen Grün-den versteht man die Nennung der Rechtsgrundlage, der Tatbe-standsvoraussetzungen (ggf. inkl. ihrer Definition), die Subsumtionund die Rechtsfolgeanwendung. Hat der Antragsteller ein Argumentvorgebracht, das der Auffassung des Archivs widerspricht, sollte inder Begründung darauf eingegangen und das Argument entkräftetwerden.33 Bei Ermessensentscheidungen, die bei der Schutzfristver-kürzung immer vorliegen34, soll die Abwägung des Für und Wider,einschließlich der Erwägung zur Verhältnismäßigkeit einen großenAnteil in der Begründung einnehmen35. Der Verwaltungsakt istumso sorgfältiger zu begründen, umso schwerwiegender der mit ihmverfügte Eingriff ist36, z.B. bei Ablehnung der Schutzfristenverkür-zung.Beispiel für die Begründung eines begünstigenden Verwaltungsaktes:„Ihr Forschungsvorhaben bezieht sich auf den oben genanntenBenutzungszweck. Zur Durchführung dieses Forschungsvorhabensbeantragten Sie am [Datum] die Verkürzung der in Rede stehendenArchivguteinheiten. Die Notwendigkeit der Einsichtnahme habenSie dargelegt.

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Die in Rede stehenden Archivguteinheiten unterliegen noch der 30-jährigen Schutzfrist nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HamburgischesArchivgesetz (HmbArchG). Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 HmbArchGkönnen die Schutzfristen für einzelne Benutzungen oder Teile vonArchivgut verkürzt werden, soweit nicht besondere Gründe aus § 5Abs. 5 HmbArchG entgegenstehen. Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2HmbArchG ist die Benutzung einzuschränken oder zu versagen,wenn Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interes-sen Dritter beeinträchtigt werden. Diese schutzwürdigen Interessenwerden durch die oben genannten Auflagen, mit denen die Benut-zung eingeschränkt wird, angemessen berücksichtigt.“Beispiel für die Begründung eines belastenden Verwaltungsaktes:„ […] Die Verkürzung der Schutzfristen für bestimmtes Archivgut istimmer dann notwendig, wenn das Ziel der Benutzung auf andereWeise nicht erreicht werden kann. Die Adressen ehemaliger Mit-schüler können auch über das Telefonbuch oder eine einfacheMelderegisterauskunft ermittelt werden. Zudem können die Namendurch die Schaltung von Zeitungsannoncen oder in diversen Inter-netplattformen, die für diese Zwecke bestehen, ermittelt werden.Daher ist die Verkürzung der Schutzfristen für die in Rede stehendenArchivguteinheiten nicht notwendig. Selbst wenn die Notwendigkeitder Verkürzung der Schutzfristen bejaht werden würde, müsstenzudem die schutzwürdigen Interessen Betroffener oder Dritter durchgeeignete Maßnahmen angemessen berücksichtigt werden.Schutzwürdige Interessen Betroffener können zum Beispiel sein dasRecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbin-dung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) und das Recht in Ruhe gelassenzu werden (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 03.03.2004 (1BvR 2378/98), in: NJW 2004, 999). Es ist durchaus vorstellbar, dasseinige Personen nicht möchten, dass ihr Name und ihre Adresseehemaligen Mitschülern bekannt wird. Maßnahmen, die dieschutzwürdigen Interessen Betroffener oder Dritter berücksichtigenwürden – z. B. die Vorlage anonymisierter Kopien – machen beiIhrem Benutzungsvorhaben keinen Sinn. Folglich kann nur die30-jährige allgemeine Schutzfrist verkürzt werden, jedoch nicht die90-jährige Schutzfrist.“Die Begründung versetzt den Antragsteller in die Lage, die Recht-mäßigkeit des Verwaltungsaktes und die Chancen eines Rechtsmit-tels zu beurteilen. Bei der Überprüfung in einem Rechtsmittelverfah-ren kann die Widerspruchsbehörde oder das Verwaltungsgericht mitHilfe der Begründung feststellen, von welcher Grundlage undwelchen Erwägungen das Archiv ausgegangen ist.37

3.5 Bescheidschluss

3.5.1 RechtsbehelfsbelehrungDer Empfänger eines Bescheides sollte über seine Möglichkeiten,gegen diesen Bescheid vorzugehen, informiert werden. Eine Rechts-

behelfsbelehrung ist, außer bei Bundesbehörden, nicht vorgeschrie-ben. Die Folge einer fehlenden, fehlerhaften oder unvollständigenRechtsbehelfsbelehrung ist jedoch, dass für die Widerspruchseinle-gung ein ganzes Jahr lang Zeit ist.38 Bei Vornahme einer korrektenRechtsbehelfsbelehrung endet die Frist bereits nach einem Monat.39

Um die Bestandskraft des Verwaltungsaktes zum frühestmöglichenZeitpunkt herbeizuführen, sollte daher immer eine korrekte Rechts-behelfsbelehrung erfolgen. Letztendlich ist damit für beide SeitenRechtssicherheit verbunden.Selbst wenn die Schutzfristen in vollem Umfang verkürzt werden,sollte auf eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht verzichtet werden, daauch diese Bescheide in aller Regel belastende Elemente für denAdressaten (z. B. eine Anonymisierungsauflage) enthalten.Die Rechtsbehelfsbelehrung gehört nicht zur Begründung. Sie solltestets nach dem Begründungsteil platziert und mit einer eigenenÜberschrift, z. B. „Rechtsbehelfsbelehrung“ oder „Ihre Rechte“,versehen werden.Beispiel für eine Rechtsbehelfsbelehrung:„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Be-kanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift bei der Kulturbehörde– Staatsarchiv, Kattunbleiche 19, 22041 Hamburg, Widersprucheingelegt werden.“

3.5.2 AbschlussHier ist der Platz für Hinweise und eine Grußformel. Zwingenderforderlich ist die Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behör-denleiters, seines Vertreters oder Beauftragten.40

4. BEKANNTGABE

Das Verwaltungsverfahren endet mit der Bekanntgabe41 des Verwal-tungsaktes bzw. mit dessen Ablehnung. Erst mit seiner Bekanntgabewird der Verwaltungsakt wirksam.42 Im Normalfall wird die einfa-che, nicht förmliche Bekanntgabe durch Übermittlung mit einfa-chem Brief durch die Post43 gewählt. Mit dem dritten Tag nachAufgabe zur Post gilt der Verwaltungsakt dann als bekannt gegeben.Eine andere Möglichkeit für die Bekanntgabe eines schriftlichenVerwaltungsaktes ist die Aushändigung des Bescheides durch einenBehördenbediensteten.44

Grundsätzlich ist der Verwaltungsakt jedem bekannt zu geben, fürden er bestimmt ist oder der von ihm betroffen45 wird46. In der Regelerfolgt die Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller. Verwaltungs-akte über die Verkürzung von Schutzfristen haben jedoch stetsbelastende Drittwirkung47. Ein besonders eindeutiges Beispielhierfür liegt vor, wenn Antragsteller A die Personalakte des lebendenB einsehen möchte. B ist Betroffener sowohl im Sinne des Verwal-tungsverfahrens als auch der Archivgesetze. Dem B sollte in diesem

AUFSÄTZE

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37 Vgl. Maurer, wie Anm. 14, S. 248.38 Vgl. § 58 Abs. 2 VwGO.39 Vgl. § 70 Abs. 1 VwGO.40 Vgl. § 37 Abs. 3 VwVfG.41 Einer anderen Auffassung nach ist das Verwaltungsverfahren erst mit der

Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes beendet, vgl. Knack, wie Anm. 10,Rn. 31 zu § 9.

42 Vgl. § 43 Abs. 1 VwVfG.43 Vgl. § 41 Abs. 2 VwVfG.44 Vgl. § 41 Abs. 5 i.V.m. § 5 VwZG.45 Betroffener im Sinne des Verwaltungsverfahrens ist, wer durch den Verwal-

tungsakt in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt wird, vgl.Knack, wie Anm. 10, Rn. 9 zu § 41.

46 Vgl. § 41 Abs. 1 VwVfG.47 Verwaltungsakte mit Drittwirkung haben nicht nur für den Adressaten, son-

dern auch für Dritte rechtliche Auswirkungen, vgl. Maurer, wie Anm. 14, S.219.

48 Das Antragsformular ist die Anlage 2 zur Verwaltungsvorschrift über dieBenutzung von Archivgut im Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Ham-burg (Benutzungsordnung) vom 1. Juni 2004 (Mitteilungen für die Verwal-tung Nr. 6 vom 30. Juni 2004, S. 73).

49 Vgl. Knack, wie Anm. 10, Rn. 7 zu § 41.

Jenny KotteStaatsarchiv der Freien und Hansestadt HamburgGrundsatzangelegenheiten des Archivwesens und des Kulturgut-schutzesKattunbleiche 19, 22041 HamburgTel. 040-428-31-3108, Fax 040-428-31-3201E-Mail: [email protected]

Fall, wenn er eindeutig identifizierbar und „greifbar“ ist, der Verwal-tungsakt ebenfalls bekanntgegeben werden, damit auch ihm gegenü-ber die Frist zur Einlegung von Rechtsmitteln zu laufen beginnenkann.Neben dem Antragsteller und den Belasteten kommen als Betroffeneim Sinne des Verwaltungsverfahrens auch die Mitarbeiter desAntragstellers in Betracht. Im Antragsformular48 des StaatsarchivsHamburg ist ein Feld auszufüllen, bei dem der Antragsteller ange-ben soll, mit welchen Personen er an dem Forschungsvorhabenzusammenarbeitet. Während des Verwaltungsverfahrens vertritt derAntragsteller die anderen Personen dann als Bevollmächtigter i. S. v.§ 14 VwVfG. Es genügt in dem Falle, den Verwaltungsakt nur demBevollmächtigten bekannt zu geben.49 Beispiel für eine Verpflichtungdes Bevollmächtigten:Die Benutzung der Archivguteinheiten erfolgt durch Sie oder [Mitar-beiter/in]. Soweit im Laufe der Recherchen Mitarbeiter oder Mitar-beiterinnen hinzukommen oder ausscheiden, ist dies dem Staatsar-chiv – bei neuen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen vor Aufnahmeder Benutzung – schriftlich anzuzeigen.Ein vollständiger Musterbescheid in digitaler Form kann unter derE-Mail-Adresse [email protected] angefordertwerden. ■

HOW TO PERMIT OR REFUSE THE ACCESS TO CLOSEDFILESAccording to the Archives Acts files that refer to an individual may beused only after a certain period of time. However, those who want touse these files for e.g. academic reasons may apply for access beforethat period has run out. Public archives then have to decide whetherto permit access or not. The whole process – from claiming accessuntil the final decision – follows the rules set by administrativeprocedure acts (Verwaltungsverfahrensgesetze). Public archivestherefore can’t completely do what they want. The author describeshow these rules are put into practice by the Hamburg State Archives.

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ARCHIVISCHE ANFORDERUNGENBEI DER EINFÜHRUNG EINESDOKUMENTEN-MANAGEMENT-SYSTEMS BZW. EINESVORGANGSBEARBEITUNGS-SYSTEMS*

1. RECHTLICHE GRUNDLAGEN

Die Archivgesetze des Bundes und der Länder legen fest, dass alleUnterlagen, die bei öffentlichen Stellen im Zuge der Aufgabenerfül-lung erwachsen sind und nicht mehr benötigt werden, den jeweilszuständigen Archiven anzubieten sind.1 Dazu zählen ausdrücklichauch in digitaler Form vorliegende Unterlagen. Das Verfahren für dieAussonderung von digitalen Unterlagen ist in der Regel analog zurherkömmlichen Schriftgutaussonderung durch Vorschriften festge-legt. Als Beispiel kann hier die Richtlinie für das Bearbeiten undVerwalten von Schriftgut (Akten und Dokumenten) in Bundesminis-terien (RegR) (GMBl. 2001, S. 469), § 21 und Anlage 8 genanntwerden.Als Vorbild und Muster für die detaillierte Regelung der Aussonde-rung von digitalen Akten dient das Domea-Konzept.2 Die Beratungs-funktion der Archive für die Schriftgutverwaltungen der abgeben-den Behörden ist in Archivgesetzen, kommunalen Satzungen undDienstanweisungen für Stadtarchive festgeschrieben.Die Mitwirkung des Archivs bereits im Frühstadium einer System-einführung ist zwingend erforderlich, um die Unterlagen in einemelektronischen System dauerhaft zugänglich und interpretierbar zuhalten sowie eine systematische Aussonderung zu ermöglichen. Diefrühzeitige Beteiligung des Archivs ist außerdem für die Erfüllunggesetzlicher Anforderungen hinsichtlich der Revisionssicherheit undDauerhaftigkeit der Unterlagen unerlässlich. Eine Nichtbeteiligungdes Archivs führt darüber hinaus zu erheblichen Mehrkosten, wenngesetzliche Anforderungen nachträglich, das heißt nach der Ein-führung eines Systems, realisiert werden müssen.

2. ORGANISATORISCHEVORAUSSETZUNGEN

Die auf dem Markt angebotenen elektronischen Systeme werden inder Regel nach ihrem Unterstützungsansatz unterschieden in Doku-menten-Management-Systeme (DMS) und Vorgangsbearbeitungs-Systeme (Workflow-Management-Systeme, VBS).3

Bei Dokumenten-Management-Systemen (DMS) stehen die Doku-

mente, ihre Bearbeitung und ihre Verwaltung im Mittelpunkt derBetrachtung. Die Systeme unterstützen daher vor allem das „Retrie-val“, also den gezielten Zugriff und das Finden von Unterlagen, undwerden günstigenfalls durch eine leistungsstarke Registraturkompo-nente oder durch ein Registratursystem gesteuert. Die Schwäche vonDokumenten-Management-Systemen liegt aus archivischer Sicht vorallem in einem häufig mangelhaften Nachweis von Bearbeitungs-schritten. Gegenstand der klassischen Vorgangsbearbeitungs-Syste-me (VBS) sind einerseits Vorgänge im Sinne von geregelten Abfolgenvon Arbeitsschritten, andererseits das bei diesen zusammenhängen-den Arbeitssequenzen entstehende Schriftgut. Der Unterstützungs-ansatz zielt auf die Automatisierung der einzelnen Teilfunktionenund die Steuerung des Informations- und Arbeitsflusses. Im Mittel-punkt eines klassischen Vorgangsbearbeitungs-Systems steht daherdie „Workflow-Engine“, deren Grundidee darin besteht, Arbeitsab-läufe zu modellieren und simulieren, bevor sie mit einer Ablauf-steuerungskomponente ausgeführt werden können. Aus archivischerSicht weisen die klassischen Vorgangsbearbeitungs-Systeme oftSchwächen bei der registraturmäßigen Ablage von Schriftgut auf –eine Registraturkomponente fehlt gelegentlich sogar völlig.

Beide Begriffe werden von Software-Herstellern und IT-Fachleutenoft unterschiedslos verwandt. Eine Reihe von marktgängigen Syste-men verbinden Funktionalitäten beider Systemarchitekturen mitdem Ziel, IT-gestützte Vorgangsbearbeitung und Dokumentenmana-gement in ganzheitlicher Perspektive realisieren zu können. EineAnalyse eines konkreten Systems nach dessen Unterstützungsansatzist jedoch erforderlich, um die spezifischen Probleme konkreterelektronischer Systeme erkennen zu können. Die Erfüllung derarchivischen Anforderungen sind stets einzeln nachzuweisen. DieDOMEA-Zertifizierung von elektronischen Systemen bietet nur dieGewähr dafür, dass die archivischen Anforderungen in ausreichen-dem Maße erfüllt werden können: Die konkreten Anforderungensind aber jeweils im Einführungsprojekt in das Soll-Konzept aufzu-nehmen und die Realisierung zu überprüfen.Ausgangspunkt für eine effiziente und wirtschaftliche Schriftgutver-waltung und Vorgangsbearbeitung sind die Grundsätze des Lebens-zyklus-Konzepts (Life Cycle), wonach ein Vorgang in seiner gesamtenLaufzeit vom Beginn der Bearbeitung bis zur Aussonderung ganz-

von Christoph Popp, Harald Stockert, Michael Wettengel

AUFSÄTZE

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heitlich betrachtet werden muss. Kosten und Ineffizienzen fallenimmer dann an, wenn bei der Vorgangsbearbeitung Brüche entste-hen, seien es Medienbrüche, Formatwechsel, Brüche bei den Meta-daten oder nicht geregelte Übergänge der Aufbewahrung.Grundlage für die erfolgreiche Einführung eines DMS/VBS ist einegeordnete Schriftgutverwaltung. Die hier vorhandenen Defizite sindvor Einführung einer IT-gestützten Vorgangsbearbeitung zu analy-sieren und zu beheben. Vorhandene Defizite im Bereich der Schrift-gutverwaltung werden durch die Einführung elektronischer Systemenicht beseitigt, sondern verstärkt. Der Erfolg eines DMS/VBS hängtganz wesentlich davon ab, dass zuvor die organisatorischen Voraus-setzungen, ganz besonders im Bereich der Schriftgutverwaltung,erfüllt wurden.Die Qualitätsmaßstäbe für gute Schriftgutverwaltung werden in derinternationalen Norm „DIN ISO 15489-1 – Information und Doku-mentation: Schriftgutverwaltung“ festgelegt. Sie betont die Verant-wortung der Leitungsebene für die Schriftgutverwaltung. Führungs-kräfte in Unternehmen und Behörden sollten künftig daran gemes-sen werden, wie es um die Schriftgutverwaltung und die Informati-onsressourcen ihrer Organisationen bestellt ist. Die grundlegendenInstrumente einer geordneten Schriftgutverwaltung (Dienstanwei-sung, Aktenplan, Aufbewahrungsfristen, Registratur- und Aktenord-nung) müssen vorhanden sein und praktiziert werden.Speziell bei der Integration von elektronisch erzeugten Unterlagen isteine gründliche Schulung der Mitarbeiter auch in der Praxis derSchriftgutverwaltung unerlässlich.

3. ARCHIVISCHE ANFORDERUNGEN

Aufbauend auf einer geordneten Schriftgutverwaltung müssenbereits bei der Einführung eines DMS/VBS Vorkehrungen getroffenwerden, um eine spätere Aussonderung bzw. Übernahme der digita-len Unterlagen, deren Bewertung, (Langzeit-)Archivierung sowieinterne wie externe Benutzung zu gewährleisten. Dies greift teilweisein die Systemarchitektur mit ein, weshalb von Anfang an entspre-chende Schnittstellen und Prozesse entworfen und implementiertwerden müssen, um hohe Folgekosten zu vermeiden.

a) AussonderungAnders als bei Papierakten unterliegt die elektronische Akte keinerphysischen Begrenzung; theoretisch kann ihre Laufzeit unbegrenztsein, es käme dann nicht mehr zu einem Abschluss der Akte. Darü-ber hinaus ist eine regelmäßige Aussonderung wichtig, da dieÜbersichtlichkeit von Akten und Vorgängen in einem elektronischenVorgangsbearbeitungssystem in der Masse leicht verloren gehenkann. Basis der Aussonderung sind daher sachliche oder zeitlicheAktenschnitte (d. h. eine gewisse Anzahl von Vorgängen), die übereine Schnittstelle aus dem laufenden System exportiert werden. Voneiner Übernahme von Einzelvorgängen oder gar Einzeldokumentensollte abgesehen werden, unbenommen der technischen Möglich-keit, in Ausnahmefällen auch solche als archivwürdig zu überneh-men.Im Regelfall erfolgt die Aussonderung ans Archiv von einer elektro-nischen (Alt-)Registratur aus, die im idealen Fall möglichst zentralfür alle Dienststellen zuständig sein sollte. Es sind regelmäßigeAussonderungen möglichst automatisiert festzusetzen; empfohlenwird eine Aussonderung nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen.Für die Übergabe der digitalen Unterlagen ist ein sicherer Übertra-

gungsweg auf Datenträgern oder über Datenleitungen zu gewährlei-sten.Die Aussonderung wird in einem elektronischen Listenprotokoll mitAufführung des ausgesonderten Schriftguts festgehalten, die derabliefernden Stelle zur Verfügung gestellt wird.Sonderfall Zwischenarchiv: Eine weitere Möglichkeit für die System-architektur ist die Einrichtung eines elektronischen Zwischenar-chivs. Dieses bietet den frühzeitigen Zugriff des Archivs auf nichtmehr laufende Unterlagen. Mit der zdA-Verfügung eines Vorgangswird das Archiv verantwortlich für die Unterlagen. Diese bleiben imlaufenden System, jedoch haben die Dienststellen nur noch lesen-den, jedoch nicht mehr schreibenden Zugriff. Spätestens mit Ablaufder Aufbewahrungsfrist erfolgt die Bewertung und anschließendeelektronische Endarchivierung (d. h. ein Export der Daten) in einseparates Archivsystem.

b) BewertungAngesichts der Heterogenität und der Masse der Dokumente undVorgänge sollte die Bewertung grundsätzlich auf der Ebene vonAktenplaneinträgen durchgeführt werden. Ausnahmen sind lediglichbei massenhaftem Einzelfallschriftgut zum Zweck einer statistischenoder auswahlorientierten Samplebildung vorzusehen, die auch aufVorgangsebene stattfinden kann.Durch eine Verknüpfung von Aktenzeichen mit einer Bewertungs-vorentscheidung (Archivieren / Vernichten / Prüfen) im elektronischgeführten Aktenverzeichnis (Aktendatei) der abgebenden Stelle kanndie Bewertung teilweise automatisiert werden. Mit Hilfe einessolchen so genannten Bewertungskatalogs wird die Bewertung insvorarchivische Feld verschoben. Die Einstellung, Überwachung undFortschreibung des Bewertungskatalogs obliegt dem Archiv imBenehmen mit der jeweiligen Dienststelle. Die Umsetzung derBewertung kann im Zuge der Aussonderung automatisiert erfolgenoder aber auch erst im Archiv angestoßen werden. Die Bewertungder Vorgänge mit Aktenzeichen, die als prüfenswert vorbewertetwurden, geschieht manuell durch das Archiv. Dazu benötigt dasArchiv einen Lese- und ggf. Schreibzugang zu den Daten.

* Diese Empfehlung der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Kul-turausschuss des Deutschen Städtetags (BKK) wurde von Dr. Stockert undDr. Popp (Stadtarchiv Mannheim – ISG) entworfen, von Dr. Wettengel(Stadtarchiv Ulm) überarbeitet, in mehreren Redaktionssitzungen disku-tiert und abschließend im EDV-Ausschuss der BKK und von der BKK am24./25. September 2007 als Empfehlung angenommen; die Billigung durchden Kulturausschuss des Deutschen Städtetags erfolgte am 18./19. Oktober2007.Der Beitrag steht im Extranet des Deutschen Städtetags (www.staedtetag.de)und auf der Homepage der BKK (www.bundeskonferenz-kommunalarchi-ve.de) zum Download zur Verfügung.

1 Archivgesetze des Bundes und der Länder. Diese können über Suchmaschi-nen im Internet leicht recherchiert werden.

2 Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informati-onstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt) (Hrsg.): DOMEA-Konzept –Organisationskonzept 2.0. Erweiterungsmodul zum Organisationskonzept2.0: Aussonderung und Archivierung elektronischer Akten (Schriftenreiheder KBSt, Bd. 66), Berlin 2004.

3 Vgl. zum Folgenden grundlegend Andreas Engel: IT-gestützte Vorgangsbe-arbeitung in der öffentlichen Verwaltung. Fachliche Grundlagen, Zielarchi-tektur und Empfehlungen zur organisatorischen Einführung, in: KlausLenk/Roland Traunmüller (Hrsg.): Öffentliche Verwaltung und Informati-onstechnik, Heidelberg 1999, S. 143-176.

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Für die Durchführung der Bewertung empfiehlt sich die Einrich-tung einer eigenen Prozessinstanz unabhängig vom Archivsystem.Nur in dieser Instanz soll eine Löschung von Daten möglich sein.Über die kassierten Vorgänge ist automatisiert eine Kassationslistezu erstellen.

c) MetadatenBei der Definition der Aussonderungsschnittstelle ist ein Metadaten-katalog festzusetzen. Es sollen Metadaten zu den Akten bzw. Akten-schnitten transferiert werden wie auch zu den Vorgängen undEinzeldokumenten. Hierbei sind neben den üblichen inhaltlichenRegistraturangaben auch Informationen zur Provenienz der Objekte,zu ihrer Entstehung und Verarbeitung im DMS/VBS wie auch zuihrem technischen Aufbau (technische Primärdaten) zu berücksichti-gen. Empfehlenswert ist die Erstellung eines Katalogs in Anlehnungan den Metadatenkatalog des DOMEA-Aussonderungskonzeptsund die Beachtung einschlägiger Normen.4

Bei der Einbindung von Fachverfahren ist darauf hinzuwirken, dassderen archivrelevante Metadaten in das DMS übernommen werden.

d) AuthentizitätDie Authentizität elektronischer Unterlagen wird im laufendenSystem durch organisatorische Festlegungen („Revisionssicherheit“)sowie in besonderen Fällen durch digitale Signaturen erzielt. ImZuge der Übernahme der elektronischen Unterlagen durch dasArchiv muss deren Authentizität gewährleistet sein.Revisionssicherheit wird unabhängig von den Speichermedien überorganisatorische Festlegungen (z. B. Prozessüberwachung und-protokollierung) erreicht. Revisionssicherheit ist kein Merkmal vonSpeichermedien.Digitale Signaturen verlieren nach einem bestimmten Zeitablauf (imRegelfall nach fünf Jahren5) ihre Beweiskraft. Während der laufen-den Aufbewahrungsfrist hat die Registratur / das Zwischenarchivdarauf zu achten, dass digitale Signaturen nicht ihre Gültigkeitverlieren und ggf. neu signiert werden. Vor der Übernahme insEndarchiv nach Ablauf der Frist sollte die Signatur geprüft, be-stätigt, protokolliert und anschließend aufgelöst werden. Wegen deshohen Folgeaufwandes für die Pflege digitaler Signaturen und derenungeklärten Archivierungs-Eigenschaften ist nach derzeitigem Standvon einer Langzeitarchivierung digitaler Signaturen abzusehen.

e) EinsichtnahmeDie externe wie interne Benutzung darf nicht in einem laufendenSystem erfolgen. Es ist zu gewährleisten, dass dem Benutzer nur dieelektronischen Unterlagen zugänglich gemacht werden, an derenNutzung er ein berechtigtes Interesse hat. Hierbei sind die Bestim-mungen der Archivgesetze, des Datenschutzes sowie gegebenenfallsder Informationsfreiheitsgesetze zu berücksichtigen. Empfohlen wirddaher die Bereitstellung einer elektronischen Aktenportion alsBenutzerkopie an einem separaten PC; die Daten werden nach derBenutzung gelöscht. Gegebenenfalls können Daten als Ausdruckoder Datei überlassen werden.

f) Langzeitarchivierung –Verfahren und Infrastruktur

Die Langzeitarchivierung verfolgt das Ziel, die Integrität und Au-thentizität der übernommenen elektronischen Unterlagen dauerhaftzu gewährleisten und sie lesbar und verfügbar zu halten. Entspre-chend sind auch in diesem Bereich die organisatorischen Vorgabenzur Revisionssicherheit einzuhalten. Eine Löschung oder inhaltliche

Veränderung der Daten darf nicht möglich sein. Eine konzeptionelleVorgehensweise zur Sicherstellung der dauerhaften Erhaltung undVerfügbarkeit der elektronischen Unterlagen wird daher empfohlen.Sie sollte in einer klaren Handlungsanleitung für alle Beteiligtenmünden und alle Bereiche erfassen.Für die physische Bewahrung der elektronischen Unterlagen ist einegeeignete Infrastruktur erforderlich. Angaben zu Servern, Netzwerk-en, Übertragungswegen und -formaten sowie Speichermedien sindwegen des schnellen technischen Wandels in dieser Empfehlungnicht sinnvoll. Jedes Archivierungs- und Sicherungskonzept sollte imengen Benehmen mit der zuständigen DV-Organisation erstelltwerden.6

Grundsätzlich sollten elektronische Archivalien im Hauptspeicher-format auf räumlich und physikalisch getrennten Speichermedienredundant, mindestens doppelt gesichert werden. Bei allen derzeiterhältlichen digitalen Datenträgern müssen die Daten nach einigenJahren erneut auf neue Speichermedien umkopiert werden. DieUmkopierintervalle sollten deutlich unterhalb der minimalenHaltbarkeit der Datenträger liegen. Die Herstellerangaben sindhierbei nicht verlässlich, vielmehr sollten Erfahrungen andererArchive eingeholt werden. Die Kopiervorgänge sollten protokolliert(z. B. Kopier-Datum, Datei-Namen, evt. Datenträger-Bezeichnung,Datenumfang, evt. Fehler) und kontrolliert werden (z. B. mittelscompare-Läufen, die prüfen, ob der Kopiervorgang auch technischkorrekt durchgeführt wurde). Das Archivsystem sollte die Einhal-tung der Kopier-Routinen überwachen und unterstützen.Falls ein Archiv nicht selbst über die erforderliche technische Infra-struktur verfügt, sollten Möglichkeiten der Kooperation zwischenArchiven oder mit Rechenzentren bzw. Forschungseinrichtungengeprüft werden.

g) SpeicherformateEine Festlegung von Speicherformaten ist schwierig, da diese demtechnischen Wandel unterworfen sind. Gewählt werden solltenFormate und Komprimierungsverfahren, die standardisiert, weitverbreitet und plattformunabhängig sind. Keinesfalls darf die For-matwahl zur Abhängigkeit von bestimmten Systemen oder garHerstellern führen. Grundsätzlich sollte sich ein Archiv auf be-stimmte Speicherformate festlegen, die als Vorgabe an die abgeben-den Stellen weitergeleitet werden. Es ist Sache der abgebendenStellen, die abzugebenden elektronischen Unterlagen spätestens zudiesem Zeitpunkt in das Archivformat zu bringen.Folgende Anforderungen sollten die gewählten Formate erfüllen:– Wiedergabe der Primärinformationen (Inhalte) Sicherung der

Kontextinformationen (Informationen über den Entstehungs-und Bearbeitungszusammenhang sowie Vernetzungen undBezüge)

– Wiedergabe der ursprünglichen Präsentation (auch farblich).Nach gegenwärtigem technischen Stand hat sich für die Speicherungvon Primärinformationen von dokumentenstrukturierten Informa-tionen (elektronische Schriftstücke) das TIF-Format (Komprimie-rung nach CCITT Gruppe 4 - abgekürzt: G4) oder PDF/A bewährt.Für die Speicherung von Metadaten wird ein klarschriftlesbaresASCII (CSV-)-Format empfohlen, das ggf. zusammen mit den (TIFF-oder PDF/A-)Dokumenten in eine XML-Struktur eingebunden seinkann.Die verwendeten Archivformate müssen im Rahmen einer archivi-schen Migrationsstrategie regelmäßig auf ihre Integrität und Lesbar-keit hin überprüft und gegebenenfalls in ein neueres Format über-führt werden.

AUFSÄTZE

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4. AUSGEWÄHLTE LITERATUR

a) Standards und Normen:– DOMEA-Konzept – Organisationskonzept 2.1. Dokumentenma-

nagement und elektronische Archivierung im IT-gestütztenGeschäftsgang (Schriftenreihe der KBSt. Bd. 61), November 2005.

– DOMEA-Konzept – Organisationskonzept 2.0 – Erweitungsmo-dul Aussonderung und Archivierung elektronischer Akten(Schriftenreihe der KBSt. Bd. 66), Oktober 2004.

– DIN ISO 15489-1, Information und Dokumentation – Schriftgut-verwaltung – Teil 1: Allgemeines, Berlin 2002.

– DIN ISO/TR 15489-2, Information und Dokumentation –Schriftgutverwaltung – Teil 2: Richtlinien, Berlin 2004.

– ISO/TS 23081, Information and Documentation – Records Mana-gement Processes – Metadata for Records – Part 1: Principles2006.

– ISO/TS 23081, Information and Documentation – Records Mana-gement Processes – Metadata for records – Part 2: Conceptualand Implementation Issues 2007.

b) Überblicke und Leitlinien– Schriftgutverwaltung auf dem Weg zum digitalen Dokument

(KGSt-Bericht Nr. 3/2002), Köln 2002.– Beagrie, Neil / Jones, Maggie: Preservation Management of

Digital Materials. A Handbook (British Library), London 2001.– Dollar, Charles M.: Authentic Electronic Records: Strategies for

Long-Term Access, Chicago 1999.– Feeney, Mary (Hrsg.): Digital Culture: Maximising the nation’s

investment (National Preservation Office), London 1999.– Generalsekretariat der Europäischen Kommission (Hrsg.):

Leitlinien für den Umgang mit elektronischen Informationen.Maschinenlesbare Daten und elektronische Dokumente, aktuali-sierte und erweiterte Auflage, Luxemburg 1998. (= INSAR. Eu-ropäische Archivnachrichten, Beilage III / 1997).

– International Council on Archives (ICA): Guide für ManagingElectronic Records from an Archival Perspective, Paris 1997.

– International Council on Archives/Committee on Current Re-cords in an Electronic Environment: Electronic Records: AWorkbook for Archivists (ICA Studies 16), Paris 2005.

– Ksoll-Marcon, Margit, Standards für Dokumentenmanagement-systeme in der bayerischen Staatsverwaltung, in: Archive imgesellschaftlichen Reformprozess. Referate des 74. DeutschenArchivtages 2003 in Chemnitz (Der Archivar, Beiband 9), Sieg-burg 2004, S. 109-115.

– Knaack, Ildiko, Handbuch IT-gestützte Vorgangsbearbeitung inder öffentlichen Verwaltung. Grundlagen und IT-organisatori-sche Gestaltung des Einführungsprozesses, Baden-Baden 2003.

– Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut(Akten und Dokumenten) in Bundesministerien (RegR) (GMBl.2001, S. 469); auch unter dem Titel „Registraturrichtlinie für dasBearbeiten und Verwaltung von Schriftgut (Akten und Doku-menten) in Bundesministerien“ von der Stabsstelle ModernerStaat – Moderne Verwaltung im Bundesministerium des Innern2001 veröffentlicht.

– Zink, Robert, Handreichung der Bundeskonferenz der Kommu-nalarchive beim Deutschen Städtetag zur Archivierung undNutzung digitaler Unterlagen in Kommunalarchiven, in: DerArchivar 55 (2002), Sp. 16-18.

c) Einzelfragen– Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung (AWV)

(Hrsg.): Sicherheit, Haltbarkeit und Beschaffenheit optischerSpeichermedien, (AWV-Schrift 06 595) Eschborn, 2. Auflage2004.

– AWV (Hrsg.): Speichern, Sichern und Archivieren auf Bandtech-nologien. Eine aktuelle Übersicht zu Sicherheit, Haltbarkeit undBeschaffenheit, (AWV-Schrift 06 614) Eschborn 2003.

– Burkard, Ulrike: Langzeitaufbewahrung digitaler Unterlagen ausArchiven und Bibliotheken. Aktuelle Probleme und Lösungsvor-schläge, Jülich 2007.

– Kommunale Schriftgutverwaltung. Anlage: Aufbewahrungsfris-ten, (KGSt-Bericht Nr. 16b) Köln 1990.

– Ostermann, Raphael: Potentielle Dateiformate zur Langzeitarchi-vierung von Dokumenten unter Berücksichtigung von Primär-und Metainformationen, in: M. Wettengel (Hrsg.): DigitaleHerausforderungen für Archive, Koblenz 1999, S. 25-35.

– Rathje, Ulf: Technisches Konzept für die Datenarchivierung imBundesarchiv, in: Der Archivar Jg. 55, (2002), H. 2, S. 117-120.

– Rohde-Enslin, Stefan (nestor/Institut für Museumskunde): Nichtvon Dauer. Kleiner Ratgeber für die Bewahrung digitaler Datenin Museen (nestor-ratgeber 1), Berlin 2004.

– Schwalm, Steffen: Ganzheitliche elektronische Schriftgutverwal-tung – Anforderungen der Prozessoptimierung. In: Der Archivar60 (2007), S. 250–252.

– Digitales Verwalten – Digitales Archivieren. 8. Tagung des Arbeits-kreises „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“am 27. und 28. April 2004 im Staatsarchiv Hamburg, hrsg. v.Rainer Hering und Udo Schäfer (Veröffentlichungen aus demStaatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg Bd. 19), Ham-burg 2004.

– Wettengel, Michael: Die Auswirkungen der Informationstechno-logie auf die Überlieferungsbildung in Archiven und die Ge-schichtsschreibung des 20. Jahrhunderts, in: Arbido, 16 (2001),Nr. 2, S. 28-31.

d) Link-Liste– Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für

Informationstechnik in der Bundesverwaltung im Bundesminis-terium des Innern www.kbst.bund.de.

– IT-Grundschutzkataloge, hrsg. v. Bundesamt für Sicherheit in derInformationstechnik (BSI), Berlin 2005.www.bsi.bund.de/gshb/downloads/index.htm

– Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung(Köln) www.kgst.de.

– ArchiSafe – Projekt zur Langzeitarchivierung www.archisafe.de.– nestor, Kompetenznetzwerk Langzeitarchivierung www.langzeit-

archivierung.de.

4 Vgl. DOMEA-Konzept – Organisationskonzept 2.0. Erweiterungsmodul(wie Anm. 2), Kap. 7: Metadatenkatalog; ISO/TS 23081, Information andDocumentation – Records Management Processes – Metadata for Records– Part 1: Principles, 2006.

5 Signaturverordnung vom 16. November 2001 (BGBl. I S. 3074), geändertdurch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. Januar 2005 (BGBl. I S. 2), § 14 Abs. 3.

6 Vgl. Handreichung zur Archivierung und Nutzung digitaler Daten. In: DerArchivar 55 (2002), S.16–18, als Download: www.bundeskonferenz-kommu-nalarchive.de.

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5. GLOSSAR

Das Glossar wurde überarbeitet in Anlehnung an DOMEA-Organi-sationskonzept 2.0, Oktober 2004, und der DIN ISO 15489-1.

Akte = geordnete Zusammenstellung von Dokumenten und Vorgän-gen, die bei der Erledigung einer Sache entstehen, mit eigenemAktenzeichen und eigener Inhaltsbezeichnung (=Aktentitel).Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns = Elementares Prin-zip einer rechtsstaatlichen Verwaltung. Der Stand einer Sache mussjederzeit aus den Akten vollständig ersichtlich sein. Die Aktenmäßig-keit ist wesentliche Voraussetzung für Nachvollziehbarkeit undTransparenz des Verwaltungshandelns. Festgelegt u. a. in der Ge-meinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vom26. Juli 2000. Moderner Staat – Moderne Verwaltung. Hrsg. vomBundesministerium des Innern, Berlin 2000, § 12 (2).Aktenplan = Wichtigstes Instrument für die Verwaltung vonSchriftgut. Aufgabenbezogenes mehrstufiges Ordnungssystem mithierarchischer Gliederung für das Bilden und Kennzeichnen vonAkten und das Zuordnen von Schriftstücken. Voraussetzung für dasFühren elektronischer Akten, da der Aktenbezug die einzig revisi-onssichere Ablagestruktur darstellt.Aktiver Datenbestand = Häufig genutzte Daten, die für einenDirektzugriff in der Behörde vorgehalten werden müssen und aufdie ein unmittelbarer Zugriff erfolgen kann.Altregistratur = Einrichtung, in die Schriftgut zurückgelegt werdenkann, auf das nicht mehr oder nur gelegentlich zurückgegriffenwird. Digitale Altregistraturen / Zwischenarchive enthalten Vorgängezwischen der z.d.A. -Verfügung und der Aussonderung.Archivieren = Unter Archivierung wird im Zusammenhang mit derIT-gestützten Vorgangsbearbeitung häufig die Ablage und dasWiederbeschaffen von Informationen verstanden. Archivierung imarchivrechtlichen Sinne bedeutet die Übernahme, Erschließung,dauerhafte Sicherung und Nutzung von Schrift- bzw. Archivgut.Elektronische Akten, Vorgänge und Dokumente sind Unterlagen imSinne der Archivgesetze und müssen daher den Archiven in geeigne-ter Form angeboten werden.Archivsystem = Archivsysteme dienen zur revisionssicheren,unveränderbaren Speicherung von Informationen. ElektronischeArchivsysteme gehen von einem ähnlichen Ansatz aus wie dieklassischen Dokumenten-Management-Systeme.Aufbewahrungsfrist = Festlegung, wie lange ein Vorgang nach derzdA-Verfügung innerhalb der aktenführenden Stelle / der Altregis-tratur / dem Zwischenarchiv aufzubewahren ist. Im Anschlussdaran erfolgt die Bewertung und ggf. die Kassation.Aussonderung = Verlagerung von abschließend bearbeitetemSchriftgut in die Altregistratur / das Zwischenarchiv / das zuständi-ge Archiv.Authentizität von Unterlagen = Bei authentischem Schriftgutlässt sich nachweisen, dass es das ist, was es zu sein vorgibt, tatsäch-lich von demjenigen erstellt oder übermittelt wurde, der vorgibt eserstellt oder übermittelt zu haben, und zur angegebenen Zeittatsächlich erstellt oder übermittelt wurde.Bearbeitungs- und Protokollinformationen = Informationen, dieden Bearbeitungsablauf widerspiegeln; Bearbeitungsinformationenwie Vermerke und Verfügungen werden dabei von Bearbeitern imZuge der Vorgangsbearbeitung angelegt, während Protokollinforma-tionen vom System automatisch generiert werden.Dokumentenmanagement = Erfassung, Bearbeitung, Verwaltung

und Speicherung von Dokumenten unter Sicherstellung von Genau-igkeit, Performance, Sicherheit und Zuverlässigkeit unabhängig vonSpeicherort und -format.Geschäftsgang = Der vorgeschriebene Verfahrensgang bei dergeschäftlichen Behandlung von Geschäftvorfällen/Vorgängen.Gesteuert durch Verfügungen.Integrität von Unterlagen = Die Eigenschaft von Schriftgut,vollständig und unverändert zu sein.Konvertierung = Prozess der Formatumwandlung von Dateien,auch Migration genannt.Langzeitarchivierung = In Abgrenzung zum IT-geprägten „Archi-vierungs“-Begriff alle Maßnahmen, die auf den dauerhaften Erhaltund Nutzung von Unterlagen zielen. Dazu gehört die Sicherstellungder Verwendung von migrationsfähigen Dateiformaten und Daten-trägern sowie eine Strategie zur Migration.Metadaten = Daten zur Beschreibung von Kontext, Inhalt undStruktur von Schriftgut und zu seiner Verwaltung. Zu den Metada-ten gehören Registraturangaben wie Behördenname, Aktenzeichen,Aktentitel, Einsender, Bearbeiter, Erstelldatum, Eingangsdatum etc.Bearbeitungs- und Protokollinformationen sowie technische Anga-ben zu den Daten werden ebenfalls zu den Metadaten gezählt.Migration = Übertragung von Daten von einer Systemplattform aufeine andere unter Wahrung der Authentizität, Integrität, Zuverlässig-keit und Benutzbarkeit als Strategie zur Langzeitarchivierung untersich verändernden technischen Rahmenbedingungen.Registratur = Organisationseinheit, in der das Schriftgut verwaltetwird.Revisionssicherheit = Veränderungen an den Daten könnenjederzeit nachvollzogen werden. Der Zustand der Daten muss zujedem Zeitpunkt rekonstruierbar sein, die Änderung von Datensät-zen muss jederzeit nachgewiesen werden können einschließlichZeitpunkt und ändernde Person.Strukturierter/Unstrukturierter Prozess = Bei strukturiertenProzessen sind die wesentlichen Prozess-Schritte (Beteiligte Bearbei-ter – Bearbeitungswege – Ergebnis der Bearbeitung) vorher be-stimmbar. Bei unstrukturierten Prozessen ergeben sich während derBearbeitung Veränderungen, sie werden deshalb ad-hoc vom jeweili-gen Bearbeiter durch Verfügungen gesteuert.Vorgang = Der Vorgang als Kernbegriff der Schriftgutverwaltungund -bearbeitung kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden:a) Vorgang in der Objektsicht als Gesamtheit der eine bestimmteSachbearbeitung betreffenden Dokumente; b) Vorgang in der Pro-zess-Sicht als kleinste Einheit einer Verwaltungsmaßnahme in derErledigung der Aufgaben einer Behörde. Dabei steht der Ablauf unddie einzelnen Schritte im Vordergrund.

ANLAGE: BEISPIELE AUS DER PRAXIS

a) Stadtarchiv Mannheim - DMS: DOMEA7

Hintergrund der DMS-Einführung in Mannheim war die Grund-satzentscheidung der Stadtverwaltung, ein einheitliches DMS- undArchivierungssystem für die Stadt aufzubauen. Im Rahmen einesAuswahlprojektes, an dem das Stadtarchiv beteiligt war, wurde dasProdukt DOMEA® (damals SER, heute OpenText) ausgewählt undin Pilotbereichen eingeführt. 2006 wurde DOMEA auch im Stadtar-chiv mit rund 20 Mitarbeitern produktiv gesetzt; seit dieser Zeitwerden alle Vorgänge papierarm bearbeitet.Die technische Ausstattung des Stadtarchivs besteht derzeit ausStandard-PCs mit 1024 MB Arbeitsspeicher (Stand 2007). Das

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Programm DOMEA wird betrieben auf städtischen Linux-Servernmit einer 100 Mbit starken Netzwerkverbindung. Als Speichermedi-um steht für sämtliche ans DMS angeschlossene Dienststellen eingespiegeltes Storage Area Network (SAN) mit derzeit 100 GB zurVerfügung. Die Speicherung auf WORMs wurde als unpraktikabelund unwirtschaftlich abgelehnt. Darüber hinaus wird ein eigenerArchivserver (IXOS) zur Endarchivierung betrieben.Standardmäßig unterstützt werden alle Formate des Office-Pakets,pdf, rtf/html als E-Mail-Format und die Bildformate jpg und tif. EinImport von Musik- und Videoformaten ist derzeit nicht vorgesehen.Entscheidende Faktoren der Einführungsphase waren die Beteili-gung von Gesamtpersonalrat, örtlichem Personalrat, Landesdaten-schutzbeauftragtem sowie dem Rechnungsprüfungsamt. Im Fall desStadtarchivs konnte auf eine funktionierende papiergestützte Vor-gangsbearbeitung zurückgegriffen werden. Der Aktenplan war erstwenige Jahre zuvor aktualisiert worden; für elektronisch vorhandeneDokumente war eine Elektronische Parallelregistratur (ELPAR)aufgebaut worden, aus der rund 18.000 Dokumente als Altdaten insDMS übernommen werden konnten.Das Schulungskonzept der Mitarbeiter sah eine halbtägige Grundla-genschulung des Produkts DOMEA vor, an die – zeitlich versetzt –eine ebenfalls halbtägige Schulung der vorher ermittelten Arbeitsab-läufe in den jeweiligen Arbeitsgruppen bzw. Teams anschloss. Indivi-duelle Defizite und Probleme, gerade bei den Basiskomponenten wieOutlook und Office-Programmen, wurden durch individuelleBegleitung behoben. Das Angebot zu individueller Problemlösungist eine Daueraufgabe. Über das Programm und die wichtigstenEinstellungen und Vereinbarungen informierte ein selbst erstellter„Leitfaden“ zur Vorgangsbearbeitung in DOMEA.Je nach PC-Vertrautheit und Komplexität der Vorgänge war bei denMitarbeitern nach sechs bis acht Wochen die elektronische Vor-gangsbearbeitung zur Selbstverständlichkeit geworden. Problemebereitete jedoch zum einen eine Zwischenkomponente – die Verbin-dung von DOMEA als Client mit dem städtischen E-Mailprogrammerwies sich als Schwachstelle und führte anfangs zu häufigen System-abstürzen und entsprechender Demotivation; zum anderen Scan-einstellungs-Schwierigkeiten beim Massenscannen.Bei der Vorgangsbearbeitung stehen neben Prozessen, bei denen derGewinn an Zeit und Übersichtlichkeit sofort wahrnehmbar war,auch solche, bei denen der Übergang von der Papier- zur elektroni-schen Akte zu Änderungen der Arbeitsgewohnheiten und -abläufeführt. Da ein DMS zur konsequenteren Systematik bei der Vorgangs-bearbeitung zwingt, war in der Anfangsphase besonders auf dieEinhaltung der vereinbarten Arbeitsweise zu achten.Mit der zdA-Verfügung werden die Vorgänge ohne Systembruch indas Zwischenarchiv überführt. Diese Überführung ist ausschließlichein Wechsel der Rechte an den Vorgängen. Die Bewertung erfolgt jenach Einstellung automatisch oder manuell. Hier optimiert eineigens programmiertes Bewertungsmodul die Abläufe. Auch derZeitpunkt Endarchivierung – d. h. die Aussonderung auf den Archi-vserver – richtet sich nach differenzierten Voreinstellungen. Entspre-chend wird bei den zdA-verfügten Vorgängen je nach Format unter-schiedlich nach festgelegten Fristen eine Vertiffung vorgenommen,um Verluste durch Formatwechsel zu vermeiden.Derzeit (1.9.2007) umfasst der aktive Datenbestand im DMS derStadt über 210.000 Vorgänge (davon rund 6.000 vom Stadtarchiv) mitrund 400.000 Dokumenten. Hiervon befinden sich rund 80 Prozentim digitalen Zwischenarchiv. Das derzeitige Speichervolumen beträgt50 GB.

b) LWL-Archivamt für Westfalen: DMS-Auswahl und-Einführung bei den „Kommunalen Versorgungs-kassen für Westfalen-Lippe“

Die Versorgungskassen stellen die Altersversorgung der kommuna-len Beamtinnen und Beamten aus Westfalen-Lippe sicher, wickelndie gesetzlichen Beihilfen für diese Arbeitnehmer im Krankheitsfallab und bieten darüber hinaus Versorgungs-Dienstleistungen für imöffentlichen Dienst Beschäftigte an. Das anfallende Schriftgutbesteht zu 95 % aus Massenakten, die nach dem Nachnamen derVersicherten organisiert sind. Der klassische Sachaktenbereich istdementsprechend klein.Um eine schnellere und effizientere Bearbeitung der zum Teil für dieBetroffenen dringenden Aufgaben der kvw zu gewährleisten, wurdeschon um die Jahrtausendwende mit dem Gedanken gespielt, einDMS – damals das vom Bundesverwaltungsamt entwickelte FAVO-RIT – einzuführen. Aufgrund von Verzögerungen bei der Entwick-lung dieses Produkts, entschied man sich, stattdessen zunächst einmodernes und mächtiges Vorgangsbearbeitungssystem namensOPAL zu entwickeln und einzuführen. In einem zweiten Schrittsollte mit Hilfe eines DMS die elektronische Archivierung undRecherche umgesetzt werden.Im ersten Planungsabschnitt (ab Okt. 2005) ging es darum, einer-seits das Vorgehen für die stufenweise DMS-Einführung zu ent-wickeln und die Projektziele genau zu beschreiben. Eine grobeZeitplanung und die Meilensteine der DMS-Einführung musstenfestgesetzt werden. Begleitet wurde diese erste Phase durch dieBeratungsfirma Kampffmeyer Project Consult, die gleichzeitig auchbei der vorbereitenden Schulung der Belegschaft mitwirkte. Um diePlanungen mit belastbaren Daten zu unterfüttern, wurden umfang-reiche Ist-Analysen des konventionellen Schriftguts und der Arbeits-vorgänge durchgeführt. Aufgrund der Befunde wurde unter Mitar-beit aller Fachabteilungen und des Archivamts ein umfangreicherKriterienkatalog mit fast 1.000 Einzelpositionen für die Ausschrei-bung entwickelt, der zur Auswahl eines geeigneten Produkts aberauch als eine Art Leistungsbeschreibung für das ausgewählte Pro-dukt dienen sollte. 50 Kriterien des Katalogs blieben übrig, diebesonders wichtig für eine geordnete Aktenführung, die revisionssi-chere Speicherung oder eine vollständige Aussonderung erschienen.Sie betrafen vor allem Fragen zur technischen Archivierung, demDatenschutz, der Datensicherheit und -migration, des RecordsManagement und der Compliance, d. h. der Unterstützung dergängigen Standards und Normen.Im Rahmen einer Bieterkonferenz (am 29.8.06) und von drei Monatespäter stattfindenden Bietergesprächen mit den noch im Rennenbefindlichen Anbietern und Integratoren, die für die Anpassung desDMS-Produkts an die lokalen Gegebenheiten und die Schulungenzuständig sind, konnte sich das System d.3 der Firma d.velop und T-Systems als Systemintegrator durchsetzen. Der Startschuss für dieProdukteinführung fiel am 13.2.07.

7 Harald Stockert: Zwischenarchive als strategische Chance im digitalen Zeit-alter. Vortrag auf dem 74. Deutschen Archivtag 2003 in Chemnitz, in: DerArchivar, Beiband 9: Archive im gesellschaftlichen Reformprozess, S. 189-199. Christoph Popp: DMS-Einführung in einer Kommunalverwaltung: Ar-chivische Beteiligung und Erfahrungen. Vortrag auf der 8. Tagung des Ar-beitskreises „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ 2004in Hamburg: in: Rainer Hering, Udo Schäfer (Hg.): Digitales Verwalten -digitales Archivieren. Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freienund Hansestadt Hamburg, 19, 2004, S. 201-210.

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Weitere Einflussmöglichkeiten des Archivs boten sich bei der Erstel-lung des Aktenplans und der archivischen Vorbewertung der enthal-tenen Aktenplanpositionen sowie bei der Definition der Aussonde-rungsschnittstelle im Feinkonzept des Projekts.Als bisheriges Fazit kann man aus dem Verfahren folgende Schlüsseziehen:1. Das Gelingen einer DMS-Einführung wird am stärksten durchschlechte Vorbereitung der einführenden Organisation oder unzurei-chende Anpassung des Systems an die bestehende IT-Infrastrukturgefährdet. Es sollte deshalb ausreichend Zeit für eine Zielbestim-mung und die Analyse der Verwaltungsabläufe, der eingesetztenFachanwendungen und der vorhandenen Papierablage eingeplantwerden.2. Aus dieser Analyse sollte ein möglichst umfassender Anforde-rungskatalog entwickelt werden, der Technik und Fachlichkeitberücksichtigt. Nur so wird die Integration der bestehenden Fachan-wendungen gelingen und potentielle Anbieter in der Lage sein,seriöse Angebote abzugeben. Offenheit bei der Ausschreibung zahltsich sowohl finanziell wie vom Ergebnis her aus.3. Archivarinnen und Archivare müssen sich auf eine für sie fremdeFachsprache und Problemstellung einlassen: Der einführendenInstitution geht es um die Beschleunigung der Verwaltungstätigkeit,die uns in ihren Einzelheiten nicht immer 100%ig vor Augen steht.Authentizität, Nachvollziehbarkeit und Wiederauffindbarkeit dienendiesem Hauptziel – und sind gleichzeitig auch von archivischemInteresse. Da IT-Fachleute in logischen Strukturen denken, sind siedie natürlichen Verbündeten für eine geordnete Schriftgutverwal-tung. Klar vorgetragenen Argumenten und Problemen werden sie inder Regel offen gegenüber stehen, wenn das Archiv nicht als To-talblockierer jeden Fortschritts auftritt. Widerstand gegen hausweitegeordnete Aktenpläne ist eher aus den Fachabteilungen zu erwarten,die vorwiegend mit Handakten bzw. Sacharbeiterablage gearbeitethaben. Behörden und Ämter mit Zentralregistraturen sind dagegeneher an die Ablage nach Plan gewöhnt. ■

Dr. Christoph PoppStadtarchiv Mannheim - Institut für StadtgeschichteCollini-CenterPostfach 10 00 3568 133 MannheimTel. 0621-293-7481, Fax 0621-293-7476E-Mail: [email protected]

ARCHIVAL REQUIREMENTS FOR DOCUMENT MANAGE-MENT AND WORKFLOW SYSTEMS. RECOMMENDATIONSOF THE FEDERAL CONFERENCE OF LOCAL ARCHIVES ATTHE CONGRESS OF MUNICIPALITIES

Based on the definitions and literature, the recommendations coverlegal, organizational and archival requirements for implementation ofdocument management and workflow systems in municipal agenciesand offices. They give guidance for the implementation of such sy-stems in municipal archives and facilitate appraisal and archiving ofelectronic records. Important aspects such as appraisal and dispositi-on, metadata and authenticity as well as access, permanent retentionand digital formats are discussed in that context. The recommendati-ons underline the urgent necessity of good recordkeeping and of anearly involvement of archives at the design stage of electronic systems.The final chapters present practical examples.

AUFSÄTZE

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DAS „WÜRTTEMBERGISCHEURKUNDENBUCH ONLINE“1

Die Anfänge des „Wirtembergischen Urkundenbuchs“2 gehen aufLudwig Uhland zurück, der in der Sitzung der Kammer der Abge-ordneten vom 30. August 1833 von den Archivaren verlangte, dasihrer Obhut anvertraute Quellenmaterial in einer Urkundensamm-lung zugänglich zu machen.3 Die Kammer der Abgeordneten sicher-te daraufhin die Finanzierung des Projekts und beauftragte mit derDurchführung das Königliche Staatsarchiv in Stuttgart.In enger Anlehnung an den Diplomataplan der „MonumentaGermaniae Historica“ sollten die württembergischen Urkunden vonihrem frühesten Vorkommen bis zum Jahr 1313, dem TodesjahrKaiser Heinrichs VII., chronologisch geordnet und möglichst voll-zählig gedruckt werden. Volle 64 Jahre sollte es schließlich dauern,bis in Band 11 das Jahr 1300 erreicht war.4 Insgesamt wurden von1849 bis 1913 6.148 Urkunden aus mehr als 500 Jahren zusammenge-tragen, ein Fundus, der im deutschen Südwesten seinesgleichensucht, sowohl was die Menge des Materials als auch was die Qua-lität der Edition anbetrifft.Es handelt sich nämlich keineswegs, wie in der Literatur immerwieder behauptet wird, nur um die Urkunden, die im „württember-gischen Landesarchiv“5 lagern, sondern von Anfang an sollten alledie Urkunden aufgenommen werden, „in welchen in Beziehung aufirgend einen Bestandtheil des Landes in seinem heutigen Umfang –gemeint ist das Königreich Württemberg – eine (rechtliche) Bezie-hung sich findet“. 1.325 Urkunden lagern noch heute außerhalb derAbteilungen des baden-württembergischen Landesarchivs. Diezusammengetragene Fülle von Quellen zwang die wechselndenBearbeiter6 zu mehrfacher Änderung der Editionsgrundsätze, wiedies auch bei anderen Urkundenprojekten der Fall war, die vielfachJahrhundertunternehmen sind.Der besondere Wert des „Württembergischen Urkundenbuchs“ liegtdarin, dass hier nicht nur Königs- und Kaiserurkunden vertretensind, sondern auch Bischofsurkunden und Privaturkunden andererAussteller. In der Mehrzahl der Fälle bietet es noch die heute maß-gebliche Edition. Außerdem umfasst das Werk das gesamte Gebietdes durch die napoleonische „Flurbereinigung“ geschaffenen König-reichs Württemberg. Es versteht sich von selbst, dass das Urkunden-buch auch in Nachbarregionen wie etwa das Elsass, Baden, Bayernund Hessen ausstrahlt. Das erklärt die zentrale Bedeutung, die dem„Wirtembergischen Urkundenbuch“ bis heute für die Erforschungder südwestdeutschen Landesgeschichte zukommt.

von Maria Magdalena Rückert, Sigrid Schieber und Peter Rückert

1 Vgl. auch M. M. Rückert / N.Wurthmann, Das „Württembergische Urkun-denbuch Online“ im Netzwerk digitaler Urkundenpräsentationen, in: Ar-chiv für Diplomatik 53 (2007) (im Druck).

2 Wirtembergisches Urkundenbuch, hg. von dem Königlichen Staatsarchivin Stuttgart, Bd. 1-11, 1849-1913 (Kurz: WUB).

3 Sitzung der Abgeordneten vom 30. August 1833. Protokolle, S.17 ff. Vgl. zurGeschichte des Wirtembergischen Urkundenbuchs ausführlicher F. Pietsch,Der Weg und Stand der Urbareditionen in Baden-Württemberg, in: ZWLG18 (1959), S. 317-354, hier S. 320 ff., und R. Kretzschmar, Zögerlicher Prag-matismus ohne Vision. Das württembergische Archivwesen nach 1800, in:Umbruch und Aufbruch. Das Archivwesen nach 1800 in Süddeutschlandund im Rheinland. Tagung zum 200-jährigen Bestehen des Generallandes-archivs Karlsruhe am 18./19. September 2003 in Karlsruhe, hg. von V. Rö-del (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A,20), Stuttgart 2005, S. 215-280, hier S. 246 ff. Zur Geschichte des Württem-bergischen Landtags, Ludwig Uhland und der Abgeordnetenkammer sie-he jetzt auch P. Rückert (Bearb.), Landschaft, Land und Leute. Politische Par-tizipation in Württemberg 1457 bis 2007, Begleitbuch und Katalog zurAusstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, HauptstaatsarchivStuttgart, und des Landtags von Baden-Württemberg, Stuttgart 2007, hiervor allem S. 163-165.

4 Auf eine Fortführung bis zum Jahr 1313 wurde angesichts der großen An-zahl der Urkunden unter Hinweis auf von der Württembergischen Kom-mission für Landeskunde herausgegebene Territorialurkundenbücher ver-zichtet. Hatte Band 1 die Zeitspanne von 680 bis 1137 abgedeckt, so bot Band11 mehr als doppelt so viele Urkunden aus dem Zeitraum von nur vier Jah-ren (1297 bis 1300).Vgl. dazu Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd.11,Vor-wort, S. VII ff.

5 Vgl. dazu jetzt auch G. Vogeler, Vom Nutz und Frommen digitaler Urkun-deneditionen, in: Archiv für Diplomatik 52 (2006), S. 449-466, hier S. 461.So Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. 1, Vorrede, S. V.

6 Verantwortlich für die Bände 1-3 zeichnet Heinrich Eduard Kausler, für dieBände 4-7 Christoph Friedrich Stälin und schließlich für die Bände 8-11 Eu-gen Schneider unter Mitarbeit von Gebhard Mehring.

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DIGITALISIERUNG UNDPROJEKTORGANISATION

Noch vor Projektbeginn stand die Entscheidung fest, im „Württem-bergischen Urkundenbuch Online“7 nicht nur Images der herkömm-lichen Druckseiten zu präsentieren, sondern die gesamten Informa-tionen in der digitalen Benutzung für Volltextrecherchen und geziel-te Feldsuchen verfügbar zu machen. Die Texte der 6.148 Urkundenund Regesten des elfbändigen Druckwerks wurden daher im Jahr2005 von einem Dienstleistungsunternehmen manuell in einer MS-Access®-Datenbank erfasst. Für die Darstellung der Sonderzeichenwurden Umschreibungen vereinbart, die Fußnoten wurden in XMLausgezeichnet. Für die weitere redaktionelle Bearbeitung wurden dieDaten in die oracle®-basierte Verzeichnungssoftware scopeArchiv®

importiert, die im Landesarchiv Baden-Württemberg allgemein alsProduktivsystem für die Verzeichnung von Archivgut eingesetztwird.8

Auf diesem Textcorpus aufbauend startete im Mai 2006 das von derStiftung Kulturgut Baden-Württemberg für die Dauer von zehnMonaten finanzierte Projekt zur technischen und inhaltlichen

Überarbeitung. Die Federführung des abteilungsübergreifendenProjektes lag bei der für archivische Fachprogramme und Bildungs-arbeit zuständigen Abteilung 2, in der eine Projektstelle für dieVerknüpfung der Erschließungsdaten mit dem Ortsthesaurus„Siedlungen in Baden-Württemberg“ eingerichtet wurde. ZweiMitarbeiter einer weiteren Projektstelle im Hauptstaatsarchiv Stutt-gart (Abteilung 7) übernahmen die redaktionelle und inhaltlicheÜberarbeitung. Die Mitarbeiter des Referats Information und Kom-munikation (Abteilung 1) waren für die technische Betreuung desBackends, die Planung der darauf aufbauenden Online-Anwendungund die Vergabe des Auftrags für die Programmierung dieser An-wendung zuständig.

REDAKTIONELLE UND INHALTLICHEARBEITEN

Wichtigste Projektziele der redaktionellen und inhaltlichen Überar-beitung waren zum einen die Verbesserung des Erschließungszu-stands der Einzelurkunden und deren Recherchemöglichkeiten,

Abb. 1 Startseite des WUB Online

AUFSÄTZE

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sowohl für die Benutzung als auch für den archivischen Denkmal-schutz. Zum anderen sollte eine Arbeitsgrundlage geschaffen wer-den, um das „Württembergische Urkundenbuch Online“ mitanderen digitalen Urkunden-Präsentationen zu vernetzen. Für beideZiele waren Vorarbeiten notwendig.Zunächst wurden die „Zusätze und Verbesserungen“ der gedrucktenVersion manuell in die Anmerkungen zum jeweiligen Urkunden-bzw. Regestentext aufgenommen. In diesen Zusätzen am Ende einesjeden der elf Bände werden detaillierte Aktualisierungen zu Urkun-den aus allen vorangegangenen Bänden vorgenommen. Diese rei-chen von der Korrektur einzelner Druckfehler über zusätzlicheLiteraturhinweise bis zu Belegen für wiederentdeckte Originale.Außerdem hatte man bei der Digitalisierung des Textcorpus dieinhaltlichen Anmerkungen bewusst ausgenommen. Im Gegensatz zuden textkritischen Anmerkungen umfassen die inhaltlichen Anmer-kungen sehr unterschiedliche und im Verlauf der Bände wechselndeInformationen: Dazu gehören sowohl historische Ortserklärungenals auch Angaben zur Datierung und zu Ausstellern oder im Einzel-fall (in den ersten drei Bänden) sogar textkritische Hinweise. Die mitZiffern gekennzeichneten Anmerkungen konnten daher nichtungeprüft in die Datenbank des „Württembergischen Urkunden-buchs Online“ übernommen werden, sondern bedurften einerkritischen Überarbeitung und dann manuellen Eingabe im Rahmendes Projekts.Weitere Aktualisierungen und Verbesserungen wurden aus derKartei übernommen, die im Hauptstaatsarchiv Stuttgart seit Er-scheinen des letzten Druckbandes des „Württembergischen Urkun-denbuchs“ im Jahre 1913 gepflegt wird. Sie enthält zahlreicheNachträge vor allem zu Provenienzen, Datierungskorrekturen undergänzenden Überlieferungsbelegen. Die Kartei weist schließlich 416zusätzliche Urkunden mit Bezug auf das Königreich Württembergnach, die seit der Publikation des letzten Bandes des Württembergi-schen Urkundenbuchs als Originale oder Abschriften gefundenwurden. Im „Württembergischen Urkundenbuch Online“ wurdefür diese Nachträge ein virtueller zwölfter Band angelegt und dieUrkunden wurden als Regesten verzeichnet. Damit ist der Gesamt-bestand des Urkundenbuchs von zuvor 6.148 auf nun 6.564 Nach-weise gewachsen.Auch der Wechsel des Informationsträgers erforderte zusätzlicheredaktionelle Tätigkeiten. Das gedruckte „Württembergische Urkun-denbuch“ arbeitet regelmäßig mit internen Verweisen, die sichinsbesondere bei stereotypen Formulierungen im Urkundentext undbei wiederkehrenden Literaturangaben auf vorangegangene Urkun-dennummern beziehen. Hierfür wurden nun die Möglichkeiten desdigitalen Mediums genutzt: Innerhalb der Datenbank wurdendiejenigen Urkundennummern, deren Angaben sich aufeinanderbeziehen, miteinander verlinkt. Der Benutzer kann eine korrespon-dierende Nummer nun bequem über „Verwandte Urkunde“ direktansteuern, statt sie durch das weiterhin mögliche digitale „Blättern“zu suchen.Auch der Informationsgehalt der älteren Editions- und Literatur-nachweise wurde aktualisiert. Die ersten Herausgeber des Urkun-denbuchs griffen vor 100 bis 150 Jahren einerseits auf einen ver-gleichsweise schmalen Literaturkanon, andererseits auf das Exper-tenwissen der zeitgenössischen Mediävisten zurück, die mit derNennung des Nachnamens eines Herausgebers oder Autors selbst-verständlich einen bestimmten Werktitel assoziierten. Davon kannfür viele der heutigen Benutzer nicht mehr ausgegangen werden. Beider Bearbeitung des Urkundenbuchs für die Online-Präsentationwurden daher die stark und uneinheitlich verkürzten Editions- und

Literaturverweise durch standardisierte Siglen ersetzt, die in einemhinterlegten, bislang fehlenden Literaturverzeichnis zum vollständi-gen Titel aufgelöst werden können.Außerdem wurde der moderne Forschungsstand berücksichtigt, diewichtigsten neuen Titel zu Urkunden- und Regesteneditionen sowiezur Literatur wurden erfasst und die sich daraus ergebenden Hin-weise auf wiederentdeckte Originale oder neu erwiesene Fälschun-gen unter Angabe der Belegstelle aufgenommen. Während sich diealten Titel im „Württembergischen Urkundenbuch“ unsystematischim Bereich der Formalbeschreibung finden, wurden sie für dieOnline-Präsentation ebenso wie die neuen Titel auf einheitlicheWeise in den Datenbankfeldern „Editionen“, „publizierte Regesten“und „Literatur“ zusammengeführt. Der Forschungsstand kann dankdes flexiblen Erschließungsmodells fortlaufend aktualisiert werden– Korrekturen und Ergänzungen, die sich aus der Forschung vonArchiv- und Datenbankbenutzern ergeben, können vom zuständigenBearbeiter im Landesarchiv Baden-Württemberg über die Projekt-laufzeit hinaus entgegen genommen und eingearbeitet werden.Schließlich wurden die heutigen Lagerorte der Urkunden nachge-wiesen. In einem ersten Durchgang wurden aus der Nachweiskarteiim Hauptstaatsarchiv die Archivsignaturen für die Urkunden inner-halb der Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und des Staatsar-chivs Ludwigsburg in der scopeArchiv®-Datenbank ergänzt; dabeihandelt es sich um 3.842 Urkunden im Hauptstaatsarchiv Stuttgartund 654 Urkunden im Staatsarchiv Ludwigsburg. Im Anschlusswurden auch die Lagerorte, Archivsignaturen und Provenienzen derübrigen 2.068 Urkunden systematisch identifiziert. 743 dieserUrkunden befinden sich an den baden-württembergischen Standor-ten Generallandesarchiv Karlsruhe (565 Stück), Hohenlohe-Zentral-archiv Neuenstein (141 Stück) sowie Staatsarchiv Sigmaringen (37Stück). Für diese derzeit also insgesamt 5.239 Urkunden, die sich inden Abteilungen des Landesarchivs befinden, wird es möglich sein,den Lagerort einschließlich der Signatur online abzufragen und dieUrkunden mit der neuen Bestellverwaltung direkt online zu bestel-len. Bei den Urkunden, die außerhalb des Landesarchivs lagern, wirddie Möglichkeit zur Abfrage der Signatur laufend ergänzt.

VERKNÜPFUNG MIT DEMORTSTHESAURUS „SIEDLUNGEN INBADEN-WÜRTTEMBERG“

In der Zeit der Verwaltungsreform der 70er Jahre entstand in Baden-Württemberg in der Tradition der Oberamtsbeschreibungen des 19.Jahrhunderts die amtliche Landesbeschreibung9. Der Registerband

7 Vgl. jetzt www.wubonline.de.8 Vgl.Th. Fritz, Ein geschlossenes System für die archivischen Kernaufgaben.

Einführung von MIDOSA21 abgeschlossen, in: Archivnachrichten 33(2006), S. 21 f. und Th. Fritz / Th. Fricke / G. Maier, Ein einheitliches IT-System von der Überlieferungsbildung bis zur Online-Bestellung – Mido-sa 21 im Landesarchiv Baden-Württemberg, in: Der Archivar 60, 3 (2007),S. 221-228.

9 Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen undGemeinden, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, 8Bde. Stuttgart 1974-1983. Vgl. zur Geschichte der Landesbeschreibung: Re-gionalforschung in der Landesverwaltung. Die Landesbeschreibung in Ba-den-Württemberg. Ansatz, Leistung und Perspektiven, hg. von E. Reinhard(Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A, 6),Stuttgart 1995.

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dieses acht Bände umfassenden Beschreibungswerkes bietet einenhierarchisch nach Wohnplatz, Teilort, Gemeinde und Kreiszu-gehörigkeit strukturierten Ortsindex. Dieser Index, der auch Wüs-tungen und Burgen umfasst, wurde nun mit dem Standardindex desbaden-württembergischen Landesvermessungsamtes kombiniert, indem alle aktuell in den Kartenwerken des Vermessungsamtes aufge-führten Wohnplätze eingetragen sind. Entstanden ist eine relationaleDatenbank, die ebenfalls in die Verzeichnungssoftware scopeAr-chiv® eingebunden wurde und dem Landesarchiv nun als Thesau-rus „Siedlungen in Baden-Württemberg“ bei Erschließungsarbeitenzur Verfügung steht. In der Normdatenbank ist jede einzelne Sied-lung mit Zusatzinformationen versehen, und zwar mit geographi-schen Koordinaten10 und mit dem Gemeindeschlüssel, einer Kennzif-fer des Statistischen Landesamts, die für die Wohnplätze um Ablei-tungen erweitert ist. Das ermöglicht die hierarchische Zuordnungder Siedlungen zu einem Regierungsbezirk, einem Landkreis odereiner Gemeinde innerhalb der aktuellen Verwaltungsgliederung. Beider digitalen Neuauflage des Württembergischen Urkundenbuchswurden die normierten Ortsangaben aus diesem Thesaurus manuellmit den Datensätzen der einzelnen Urkunden verknüpft. Erfasstwurden dabei nicht nur die Ausstellungsorte, sondern alle Orte, diein den Urkundentexten genannt werden.Mit der auf dieser Verknüpfung aufbauenden spezifischen „Ortssu-che“ wird den Benutzern ein völlig neues Angebot gemacht11. Diebisher sehr aufwendige Recherche nach Orten, die sich auf Einzelin-

dizes in 11 Bänden erstreckte, wird nun durch eine spezifischeOrtsrecherche ersetzt.12 Sie ermöglicht es, sowohl nach einzelnenOrten in einer alphabetischen Liste zu suchen als auch – bei Ortenin Baden-Württemberg – eine strukturierte Suche vorzunehmen.In der WUB-Online-Anwendung erscheinen alle in einer Urkundegenannten Orte als Ortsindex am Ende des Stückes (vgl. Abb. 2 und3).13 Diese Liste enthält zur besseren Identifizierung auch Informa-tionen über die Gemeinde- und Kreiszugehörigkeit eines Ortes.Durch die Verknüpfung mit dem hierarchisch strukturierten Indexkann außerdem nach Urkunden aus einer bestimmten Region, auseinem Kreis oder einer Gemeinde gesucht werden. Die Benutzerkönnen sich beispielsweise alle Urkunden anzeigen lassen, die eineheutige Gemeinde betreffen, oder sich durch die Verknüpfung mitder Zeitsuche die Urkunden anzeigen lassen, die vor 1100 im Land-kreis Esslingen ausgestellt wurden. Durch die hinterlegten geogra-phischen Koordinaten ist zudem die Voraussetzung dafür gegeben,die gewonnenen Informationen in einem weiteren Schritt onlinekartographisch umzusetzen.Geplant ist auch, aus dem durch den Ortsthesaurus erschlossenen„Württembergischen Urkundenbuchs Online“ die nachgewiesenenErsterwähnungen von Orten auszulesen und diese innerhalb desInternetangebots des baden-württembergischen Landesarchivsweiter nutzbar zu machen.

Abb. 2 und 3: HTML-Ansicht der Urkunde WUB III, Nr. 848 mit Ortsliste

AUFSÄTZE

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10 Gemeint sind die Koordinaten Hochwert/Rechtswert nach Gauss/Krüger.11 Dass hier Neuland betreten wird, zeigt bereits ein Vergleich mit anderen di-

gitalen Urkundenbüchern. Vgl. die Zusammenstellungen etwa bei P. Sah-le, Urkunden-Editionen im Internet. Einführung und Überblick, in: Archivfür Diplomatik 52 (2006), S. 429-449, und bei J. Sarnowsky, Digitale Urkun-denbücher zur mittelalterlichen Geschichte, in: Forschung in der digitalenWelt. Sicherung, Erschließung und Aufbereitung von Wissensbeständen.Tagung des Staatsarchivs Hamburg und des Zentrums „Geisteswissenschaf-ten in der digitalen Welt“ an der Universität Hamburg am 10. und 11. April2006, hg. von R. Hering/J. Sarnowsky/Chr. Schäfer/U. Schäfer (Veröffentli-chungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, 20),Hamburg 2006, S. 93-107.

12 Band 4 umfasste sogar zwei Indizes, da der Anhang ein eigenes Orts- undPersonenregister erhielt.

13 Hier handelt es sich um eine Urkunde für Kloster Adelberg, Hauptstaats-archiv Stuttgart H 51 U 67.

Hilfe von LaTeX erstellt, dabei wurden geeignete Sonderzeichengebildet.Die vollständigen Literaturangaben, die von den Bearbeiterinnenund Bearbeitern in einer separaten Tabelle geführt wurden, werdendurch einen Texterkennungsmechanismus der jeweils vorkommen-den Sigle zugeordnet und ebenfalls in einem Tooltip dargestellt(Abb. 5). In der pdf-Ansicht erscheinen die vollständigen Literatur-angaben, so dass auch mit einem Ausdruck bequem weitergearbeitetwerden kann. Die Fußnoten, die zum Teil bei der Dateneingabeübernommen, zum Teil von den einzelnen Bearbeiterinnen undBearbeitern unter Verwendung von Namenskürzeln neu hinzugefügt

PROGRAMMIERUNG DER WUB-ANWENDUNG

Für die Benutzung des Württembergischen Urkundenbuchs Onlinewurde eine eigene Anwendung in PHP programmiert, die auf dieDaten in einer MySQL-Datenbank zugreift. Die MySQL-Datenbankwird über die gleiche Schnittstelle aus der scopeArchiv®-Datenbankerstellt, die auch für die Online-Findbücher des Landesarchivsverwendet wird. Da eine Urkundenedition jedoch nach einer ande-ren Gestaltung verlangt und außerdem neuartige Suchmöglichkeitenintegriert wurden, konnte für die Publikation des WUB nicht aufdie Darstellung der Findbücher des Landesarchivs zurückgegriffenwerden (vgl. Abb. 2).Das WUB-Online bietet in der Einzeltrefferansicht die vollständigenErschließungsangaben zu einer Urkunde sowohl als HTML-Ansichtwie auch als druckfähiges PDF. Beide lehnen sich vom Layout her andas gewohnte Bild der gedruckten Version an. Die Darstellung derSonderzeichen – übergeschriebene Buchstaben etc. – war einebesondere Herausforderung. Da gebräuchliche browserfähige Zei-chensätze die entsprechenden Sonderzeichen nicht enthalten, wur-den die Sonderzeichen in ihrer Umschreibung abgebildet, dabeijedoch jeweils das korrekte Zeichen als Graphik hinterlegt. DieSonderzeichen werden nun in einem Tooltip beim „Überfahren“ desZeichens korrekt dargestellt (Abb. 4). Die pdf-Darstellung wurde mit

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Stücke ergänzt wurden.16 Die „Vorbildlichkeit“ dieser „StuttgarterErfindung“ wird gerade in Fachkreisen betont17 und unterstützt denAnspruch auf einen Ausbau des digitalen Bildangebots. Für ausge-wählte Urkunden ist auf diese Weise sogar die synoptische Anzeigevon Abbildung und Transkription möglich. Da die Daten zu beidenAnwendungen im Verzeichnungssystem scopeArchiv® des Landes-archivs vorgehalten und gepflegt werden, ist die Datensicherheit undMigration gewährleistet.Auch für das „Württembergische Urkundenbuch Online“ solltezunächst eine tragfähige digitale Textgrundlage geschaffen werden,die in weiteren Erschließungsstufen optimiert werden kann. Künftigsollen nicht nur Abbildungen der Urkunden und Siegel die Trans-kriptionen ergänzen, es ist auch geplant, weitere Erschließungsdatenzu ergänzen. So gestattete es der enge Zeitrahmen des Projekts nicht,die alten Siegelbeschreibungen anhand der Originale erneut zuüberprüfen – eine wünschenswerte Arbeit, deren Ergebnisse späterjederzeit in die Online-Präsentation integriert werden können. Aberauch der ständige Zuwachs an Wissen kann nun zeitnah abgebildetwerden, weitere Korrekturen können fortlaufend vorgenommen undnachträglich aufgefundene Urkundennachweise schnell und unkom-pliziert online publiziert werden.Die Einzelnachweise von „Urkundenbuch“ und „Regesten“ sindaußerdem zum einen übergreifend gemeinsam recherchierbar, zumanderen können sie künftig auch mit anderen digitalen Urkunden-Präsentationen vernetzt werden. Bereits jetzt sind in die Datenbankdes „Württembergischen Urkundenbuchs Online“ Verweise aufandere Online-Findbücher des Landesarchivs Baden-Württembergeingefügt. Ausgehend von der weitgehenden digitalen Verfügbarkeitder württembergischen Urkunden des 9. bis 15. Jahrhunderts ist eszum Beispiel nur mehr ein kleiner Schritt, um ein Online-Findbuchder Kaiser- und Königsurkunden des Hauptstaatsarchivs Stuttgartvirtuell zu generieren. Diese sind hier von Karl dem Großen bis zumEnde der Regierungszeit Kaiser Sigismunds 1437 seit dem 19. Jahr-hundert im sogenannten Kaiserselekt (= Bestand H 51) vereint. DerBestand umfasst 1.410 Urkunden und ist durch eine summarischeListe bislang nur überaus dürftig erschlossen. Bereits seit mehrerenJahrzehnten war eine Kartei mit Regesten in Vorbereitung, dieallerdings nicht fortgeführt wurde.18 Das virtuelle Online-Findmit-tel, das nun anhand der Bestandssignatur (H 51) die entsprechendenKaiser- und Königsurkunden auswählen und geschlossen bietenkann, erfüllt also ein langjähriges Desiderat der Erschließungsarbei-ten im Hauptstaatsarchiv so weitgehend, dass hier bald auch dieübrigen mittelalterlichen Kaiser- und Königsurkunden mit über-schaubarem Aufwand integriert werden können.Die darauf folgenden Erschließungs- und Präsentationsschritte

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AUFSÄTZE

wurden, werden für die Anwendung ausgelesen und korrekt durch-nummeriert dargestellt. Eine Zuordnung zwischen Fußnotenzeichenund Fußnote erlaubt außerdem das Springen zwischen Text undFußnote.Die Anwendung sollte den Benutzern die gewohnten Funktionalitä-ten bieten und darüber hinaus Möglichkeiten der Recherche, die esim gedruckten Urkundenbuch nicht gibt. Daher kann man weiter-hin in dem Urkundenbuch blättern – und dies nicht nur in derbisherigen Reihenfolge nach Bänden, Urkundennummer undNachträgen, sondern auch streng chronologisch. Dadurch tauchendie Nachträge, die sich in der gedruckten Version in jedem der elfBände befinden können, an der chronologisch richtigen Stelle auf.Hinzu kommen jedoch differenzierte Suchmöglichkeiten. Die„einfache Suche“ bietet eine Volltextrecherche über die wesentlichenDatenfelder mit der Möglichkeit einer zeitlichen Einschränkung. Die„Expertensuche“ erlaubt eine differenzierte Suche in einzelnenFeldern, zum Beispiel nur nach dem Ausstellungsort oder nur imKopfregest. Bei der Ortssuche ist es durch die Verknüpfung mit demhierarchisch gegliederten Ortsthesaurus möglich, nach Urkunden zueinzelnen Wohnplätzen, Gemeinden, Kreisen oder Regierungsbezir-ken zu suchen.

FLEXIBLE ERSCHLIEßUNG UNDVERNETZUNG

Aus der flexiblen Erschließung ergeben sich zusätzliche Funktiona-litäten der digitalen Online-Präsentation gegenüber dem konventio-nellen Druck des Urkundenbuchs. Vor dem Projekt WUB-Onlinewurden im Landesarchiv bereits die „Württembergischen Regesten“(www.landesarchiv-bw.de/hstasA602) digital nutzbar gemacht.14 Sieweisen den Selektbestand A 602 des Hauptstaatsarchivs Stuttgart inRegestenform nach. Dabei handelt es sich um etwa 15.900 Doku-mente des altwürttembergischen Archivs aus der Zeit zwischen 1301und 1500.15 Auch die Württembergischen Regesten wurden zunächstin einer Datenbank erfasst. Daraus entwickelten sich seither beein-druckende Möglichkeiten, denn nach und nach wurden bestimmteBereiche neu erschlossen: Zu den Regesten können die Archivbenut-zer heute durchgängig knappe Formalbeschreibungen und teilweiseauch umfassende Angaben zu den äußeren Merkmalen finden. Füretliche Stücke wurden bereits Transkriptionen der Urkundentexteergänzt. Im Einzelfall finden sich dazu auch noch die entsprechen-den Übersetzungen. Vor allem aber sind mittlerweile zahlreicheImages zu Urkunden und Siegeln in die Datenbank integriert, diefür eine Großzahl besonders prominenter und häufig nachgefragter

Abb. 4: Auflösung von Sonderzeichen Abb. 5: Auflösung der Literatursiglen

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ergeben sich nach dem Dargestellten von selbst: Gerade die Kaiser-und Königsurkunden sollten in der digitalen Präsentation um ihreImages (zunächst in Auswahl) ergänzt werden. Der fortgeführteAusbau des WUB-Online wird bei diesen Bilddaten beginnen, dieparallel zu den erweiterten Beschreibungsdaten nach und nachaufgefüllt werden sollten. Die Aktualisierung der Informationen zueinem Einzelstück unter Einarbeitung neuer Editionen und Litera-tur erscheint ja gerade bei den Herrscher- und Papsturkunden alsprominent und sinnvoll. In konkreter Vorbereitung ist daher bereitsdie Verlinkung mit den digitalen „Monumenta Germaniae Histori-ca“ (dMGH)19 und den „Regesta Imperii Online“20. Der Aufbau einesgrößeren digitalen Urkundennetzwerks ist in der Zukunft unterVoraussetzung der Stabilität der URLs möglich. In digitaler Formstößt damit auch das Wachsen des „Württembergischen Urkunden-buchs“ nicht länger auf Grenzen und bietet neue Dimensionen fürdie Präsentation von Urkunden und ihre Erforschung weit überWürttemberg hinaus. ■

THE CHARTERS OF WÜRTTEMBERG ONLINE

The Charters of Württemberg contain about 6.500 Württemberg-related charters from the 8th to the 13th century and therefore areone of the most important sources for research on the medievalhistory of southwest Germany. The Charters, available as an editionfrom the 19th and early 20th century and consisting of 11 volumes,are made available to the general public in the form of a digital newedition “Württembergisches Urkundenbuch Online”. The texts areprocessed in the Oracle-based archive database scope-Archiv anddynamically generated from a MySQL database for online presenta-tion. In addition to structure-oriented searches for volumes, place anddate of issue this allows users to also perform a full text or advancedsearch. The data are linked to the structured thesaurus of places“Siedlungen in Baden-Württemberg”. For the online presentation thecurrent status of research was updated at charter level and thestorage location (incl. reference number) was confirmed. The chartersare also linked to other individual entries to the online finding aids ofthe Baden-Württemberg State Archive. This means that the Chartersof Württemberg like the Regesta of Württemberg (www.landesarchiv-bw.de/hstasA602) are now part of a context of virtual textual traditi-on that can be linked to other online databases like for example theRegesta Imperi Online and the dMGH.

Dr. Maria Magdalena RückertLandesarchiv Baden-WürttembergOlgastraße 80, 70182 StuttgartTel. 0711/212-4242, Fax 0711/212-4244E-Mail: [email protected]

14 Vgl. dazu die Druckausgabe: Württembergische Regesten von 1301 bis 1500,Bd. I: Altwürttemberg, Teil 1, hg. vom K. Haus- und Staatsarchiv in Stutt-gart, Stuttgart 1916,Teil 2, hg. vom Württembergischen Staatsarchiv in Stutt-gart, Stuttgart 1927, Teil 3, hg. vom Württembergischen Hauptstaatsarchivin Stuttgart, Stuttgart 1940.

15 Vgl. zum Online-Projekt P. Rückert, Die Datenbank der „Württembergi-schen Regesten“ im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Geschichte und digitalePerspektive, in: Der Archivar 53 (2000), S. 137-140; P. Rückert, Die „Würt-tembergischen Regesten“ als Online-Publikation. Digitale Perspektiven ei-ner flexiblen Erschließung, in: Archivisches Arbeiten im Umbruch. Vorträ-ge des Kolloquiums der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württembergam 26. und 27. November 2002 im Staatsarchiv Ludwigsburg aus Anlass derVerabschiedung von Herrn Professor Dr. Gerhard Taddey, hg. von N. Hof-mann/St. Molitor, Stuttgart 2004, S. 45-51, sowie P. Rückert /Th. Fricke, Ur-kunden im Netz. Erschließung und Online-Präsentation der „Württember-gischen Regesten“, in: Kulturgut aus Archiven, Bibliotheken und Museenim Internet. Neue Ansätze und Techniken, hg. von G. Maier/Th. Fricke(Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A, 17),Stuttgart 2004, S. 147-162.

16 Vgl. ausführlicher dazu Rückert, Die Württembergischen Regesten als On-line-Publikation, S. 46-48.

17 Vgl. Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440-1493) nach Archiven und Biblio-theken geordnet, hg. von H. Koller, P.-J. Heinig und A. Niederstätter, Heft23: Die Urkunden und Briefe aus dem Landesarchiv Baden-Württemberg,Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand A 602: Württembergische Rege-sten, bearb. von P.-J. Heinig, Wien/Weimar/Köln 2007, S. 31.

18 Vgl. Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart: Sonder-bestände, bearbeitet von H.-M. Maurer, Stuttgart 1980, S. 116.

19 Vgl. www.dmgh.de.20 Vgl. www.regesta-imperii.de.

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ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

DAS NIEDERSÄCHSISCHE LANDESARCHIV– STAATSARCHIV OSNABRÜCK WURDEUMGEBAUT

Das Staatsarchiv Osnabrück ist unter den sieben Staatsarchiven desNiedersächsischen Landesarchivs ein Haus mittlerer Größe, zustän-dig für den Bereich des ehemaligen Regierungsbezirks Osnabrückund die Ausbildung für den gehobenen und höheren Archivdienst.Das Staatsarchiv bewahrt zur Zeit rund 8 lfd km Archivgut, verfügtüber eine Dienstbibliothek mit 60.000 Bänden und beherbergtaußerdem den Verein für Geschichte und Landeskunde von Osna-brück mit einer 20.000 Bände umfassenden Bibliothek. ArchivischeFachaufgaben, Ausbildung und Restaurierung werden auf 20 Plan-stellen durchgeführt, hinzu kommen zurzeit drei Stellen auf Grundvon arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Gut 700 Benutzerinnenund Benutzer suchen das Archiv jährlich an etwa 2.000 Benutzerta-gen auf. Die größte Gruppe wird von den wissenschaftlichen Benut-zern gestellt, gefolgt von heimat- und familiengeschichtlichen For-schern.Das Staatsarchiv befindet sich seit 1917 an der Schlossstr. 29 inOsnabrück und beherbergt neben dem staatlichen Archivgut zahl-reiche Deposita, darunter auch das Archiv der Stadt Osnabrück.Anfänglich bestand es aus einem Verwaltungsgebäude und einemMagazinbau. In den 1980er Jahren wurde ein zweites Magazinangebaut, so dass sich das Archiv gegenwärtig als dreigliedrigerGebäudekomplex darstellt. Nachdem das ursprüngliche Verwal-tungsgebäude am 26. September 1944 durch einen schweren Bom-bentreffer zerstört worden war, musste der Archivbetrieb zehn Jahreim Provisorium ausharren, bevor am 7. Oktober 1955 ein neuesVerwaltungsgebäude mit Benutzersaal eingeweiht werden konnte.Dieses Gebäude galt nach damaligen Kriterien als modern, ent-sprach aber schon seit langem nicht mehr den Anforderungen eineskundenorientierten Dienstbetriebes.Von der heute bei Archivbauplanungen selbstverständlichen Tren-nung von Öffentlichkeits-, Verwaltungs- und Magazinbereich fandsich in dem klassischen 50er-Jahre-Aufriss wie schon beim Vorgän-gerbau keine Spur. Im Gegenteil ließ die Raumaufteilung die klareUnterscheidung von Verwaltungsbereich und öffentlich zugängli-chen Räumen vermissen. Unveränderlicher Mittelpunkt des unterDenkmalschutz stehenden Gebäudes war und ist die repräsentativeHalle in Erd- und Obergeschoss, die von einer großzügigen gewen-delten Treppe und einer großen Fensterfront geprägt wird. Währendim Erdgeschoss die Anmeldung und einige Diensträume unterge-bracht waren, lag der Lesesaal in der oberen Etage, d. h. die Benutzerhatten den Weg über die Treppe zu nehmen, um nach der Durchque-rung der oberen Halle in den Lesesaal zu gelangen. Dabei verirrtensie sich gelegentlich und landeten unvermutet in den Diensträumender Archivare im Obergeschoss. Gehbehinderten Benutzern oder

Rollstuhlfahrern war nur mittels des Magazinaufzuges weiter zuhelfen. Bereits die Treppe vor dem Eingang des Archivs konnte einunüberwindliches Hindernis darstellen.Die Einrichtung wies zwar eine gediegene Patina auf, die vieleBenutzer als passend für ein Archiv empfanden. So waren die Ein-bauten im Lesesaal und der Aufsicht in den bis in die 80er Jahrebeliebten Brauntönen gehalten. Die Gleichsetzung von Archiven undaltmodischer Atmosphäre mit der zwangsläufigen Schlussfolgerung,diese wäre unbedingt zu erhalten, entspricht jedoch nicht demSelbstverständnis des Niedersächsischen Landesarchivs als einerzwar die Vergangenheit bewahrenden, aber in der Gegenwart veror-teten und der Zukunft zugewandten Institution.Abgesehen aber von den Äußerlichkeiten gab es auch handfestepraktische Gründe für eine Modernisierung. Das beste Beispiel warder Lesesaal: Tische und Stühle waren nicht ergonomisch aufeinan-der abgestimmt – manche Benutzerin brachte sich ein Kissen mit –und die in den 90er Jahren nachgerüsteten Steckdosenleisten für dieNotebooks teilten die beiden Tischreihen noch einmal und verstärk-ten das Manko der zu kleinen Tischflächen mit einer „Größe“ von80 x 80 cm. Da mit diesem Platzangebot nicht auszukommen war,verfügte der Lesesaal faktisch nur über 12 statt der offiziell 24Arbeitplätze. An eine Benutzung schon nur mittelgroßer Karten warauf Grund der über die Tischplattenhöhe hinausragenden Steckdo-senleisten nicht mehr zu denken.Erste Umbauten hatte es bereits in den 1980er Jahren gegeben. Sowurde der damalige Ausstellungsraum aufgegeben und in ein Büro,das Findbuchzimmer und den technischen Benutzerraum umge-wandelt. In diesem Zusammenhang wurde auch der direkt imLesesaal untergebrachte Aufsichtstresen von einem aus einembenachbarten Raum entstandenen Aufsichtsbereich mit einer ver-glasten Front abgelöst. Dieser erhielt jedoch nur einen eng bemesse-nen Arbeitsplatz. Von hier aus waren sowohl der Lesesaal als auchder technische Benutzerraum, mit Mikrofiche-Lesegerät und Reader-printer ausgestattet, zu betreuen. Dies konnte zu im Grunde unhalt-baren Situationen führen, in denen die aufsichtführende Kraft vonallen Seiten beansprucht wurde. Auch das Herbeiholen der Find-bücher aus dem separaten Findbuchraum ließ eine ungestörteAufsichtssituation nicht zu.Was sich zunehmend als weiterer Mangel herausstellte, war einfehlender zusätzlicher Raum für Gruppenarbeit. EntsprechendeAnfragen aus Schulen und Universitäten mussten in der Regelabschlägig beschieden werden. Genau hierin besteht aber einewesentliche Aufgabe der Staatsarchive: im Rahmen der historischenBildungsarbeit an die Arbeit mit archivalischen Quellen heranzu-führen und so zukünftige Archivbenutzer zu gewinnen.Das Fazit: um modernen Anforderungen zu entsprechen, musste dasStaatsarchiv im Benutzerbereich bedarfsgerecht umgestaltet werden,wobei insbesondere Lösungen für den behindertengerechten Zugangzu schaffen waren. Alle Öffentlichkeitsbereiche sollten ergonomisch

EIN ARCHIV VOM KOPF AUF DIEFÜßE STELLEN

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im Hallenbereich untergebracht werden – wirkten sich zunehmendauf die Stimmung aus. Mehrfach zog der Lesesaal in Provisorien,Anfang 2007 musste dann doch für einige Zeit geschlossen werden.Für „Härtefälle“ wurde jedoch stets ein Ausweg gesucht und einPlatz in den Dienstzimmern der Archivare oder der Dienstbibliothekgefunden.In Anbetracht der fortgeschrittenen Jahreszeit verlief der Einbaueinbruchshemmender Fenster mit Isolierverglasung nicht ohneBeeinträchtigungen, machte sich aber im Vergleich mit den alten,Straßenlärm hinein- und Heizungswärme hinauslassenden Holzfens-tern sofort positiv bemerkbar. Per aspera ad astra galt auch fürUmbau und Modernisierung der Sanitäranlagen. Ein neuer, sehrerfreulicher Aspekt für den internen Dienstbetrieb war der Einbaueiner Teeküche mit einer kleinen Ecke zum Frühstücken, die schonaus Arbeitsschutzgründen für die Beschäftigten in der Restaurie-rungswerkstatt, aber auch an anderen Arbeitsplätzen unbedingterforderlich geworden war.Im April 2007, kurz vor Ostern, war dann endlich alles überstanden.Das Staatsarchiv zeigt ein völlig neues Innenleben. Nach demUmbau befinden sich die öffentlich zugänglichen Räume aus-schließlich im Erdgeschoss. Der helle Benutzersaal, auf der gleichenGrundfläche direkt unter dem ehemaligen gelegen, hat durch eine

und zweckmäßig ausgestattet werden. Das Archiv zielte darauf ab,sich als offenes Haus ohne Hemmschwelle zu präsentieren, wasdurch eine weitestgehende Transparenz in den Öffentlichkeitsberei-chen deutlich gemacht werden sollte.Hierzu waren der gesamte Öffentlichkeitsbereich in das Erdge-schoss, Diensträume und Verwaltung in das Obergeschoss zuverlagern und aus dem vorhandenen Raumangebot ein zusätzlicherRaum für Tagungen und Gruppenarbeit zu gewinnen. Das Archivsollte also quasi vom Kopf auf die Füße gestellt werden.Dieses Konzept wurde in Abstimmung mit dem zuständigen Staatli-chen Baumanagement Osnabrück-Emsland und der Denkmalpflegeumgesetzt. Die Realisierung konnte beginnen, als durch günstigeUmstände rund 450.000 € an Baumitteln zur Verfügung standen.Mit Planung und Realisierung wurde ein Architektenbüro beauf-tragt.Im September 2006 begann der Umbau bei weiter laufendemDienstbetrieb. Das Staatsarchiv hatte sich zum Ziel gesetzt, dieBenutzung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Dies erwiessich im Verlauf der folgenden sieben Monate oft als harte Bela-stungsprobe für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für dieBenutzer. Lärm, Staub und zunehmende Enge – das Mobiliar ausden umzubauenden und zu renovierenden Räumen musste zum Teil

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Blick von der Aufsicht in den Lesesaal (Foto: NLA – Staatsarchiv Osnabrück)

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Die Leiterin des Staatsarchivs Osnabrück, Dr. BirgitKehne, (links) und der Präsident des NiedersächsischenLandesarchivs Dr. Bernd Kappelhoff (rechts im Bild)überreichen dem niedersächsischen MinisterpräsidentenChristian Wulff den Nachdruck einer Karte des HochstiftsOsnabrück. In der Mitte der Oberbürgermeister der StadtOsnabrück, Boris Pistorius.Foto: NLA – Staatsarchiv Osnabrück

Gesperrte Findbücher sind an anderer Stelle untergebracht. Dieseräumliche Trennung wurde auch von den aufsichtführenden Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern begrüßt, da sie Verwechslungen oderunbeabsichtigte Ausgabe solcher Findmittel, wie es in einem Ausbil-dungsarchiv schon einmal vorkommen kann, verhindert.Die Benutzung der verfilmten Zeitungen und Archivalien wird nunvom angrenzenden Anmeldungsbereich aus betreut und hat Raumdazu gewonnen. Eine technische Neuerung in der Anmeldung, derLesesaalaufsicht und am Arbeitsplatz der Benutzersaalreferentin istein Videoüberwachungssystem mit Monitoren, die die drei Benut-zerräume und den Eingangsbereich erfassen. So kann sich das in derBenutzerbetreuung eingesetzte Personal zeitweise problemlos gegen-seitig vertreten. Die eingesetzte Software lässt sich an weiterenArbeitsplätzen installieren, auch im Obergeschoss könnte so einÜberblick über den Benutzerbereich im Erdgeschoss gewonnenwerden.Als „Highlight“ gilt der Tagungs- und Gruppenraum, in deminterne und externe dienstliche Veranstaltungen ebenso wie Ein-führungen in die Archivarbeit, Seminare mit Aktenstudium undkleine Tagungen stattfinden. Von Beginn an wurde dieser Raum gutgenutzt, so dass die Führung eines Belegungsplanes erforderlich ist.Der Öffentlichkeitsarbeit des Archivs ist dieser Raum ebenso dien-lich, da während Archivführungen hier die Präsentation ausgewähl-ter Quellen stattfinden kann.Nach dem Umbau waren einige Arbeitsabläufe anders zu organisie-ren und Zuständigkeiten neu zu verteilen. Die Benutzerbetreuungliegt nun auf zwei verschiedenen Stellen, je nachdem, ob verfilmteUnterlagen oder Archivgut im Original benutzt werden, was sichdeutlich als Verbesserung bemerkbar macht. Die Beratung durch dieAufsicht gestaltet sich in beiden Fällen reibungsloser. Zugleich sinddie Arbeitsplätze nun besser für Verzeichnungsarbeiten ausgestattet,die hier neben der Unterstützung der Benutzer durchgeführt wer-den. In der Regel liegt die faktische Genehmigung der Benutzeran-träge zur Vereinfachung des Ablaufs bei der Mitarbeiterin, diehauptsächlich für den Lesesaal zuständig ist. Die Archivleitung hatdiesen Vorgang delegiert und wird bei Bedarf hinzugezogen.Der Außenbereich hat sich ebenfalls verändert. Ein neu angelegterWeg, der vom Behindertenparkplatz zum zusätzlichen behinderten-

Doppelglastür eine Sichtverbindung zur Eingangshalle erhalten.Zum Vorschein gekommen sind an der Stirnseite bereits vorhandene,aber vorher verdeckte bis auf den Boden reichende Fenster, die guteLichtverhältnisse schaffen und den Lesesaalbetrieb mit der Außen-welt in Verbindung bringen Auch die Eingangstüren zur Aufsichtund zur Anmeldung sind verglast. Das Prinzip der Transparenz isthier gelungen umgesetzt worden. „Sehen und Gesehenwerden“ giltnun auch für Archivbenutzer.Neue Tische und frei schwingende Stühle bieten an jedem der 16Arbeitsplätze im Lesesaal und den vier Plätzen im technischenBenutzerraum ausreichend Platz für bequemes Arbeiten. Die Steck-dosen für die Notebooks sind in Bodentanks an den Arbeitsplätzenzu finden.An Stelle des alten Nadelfilz-Teppichbodens wurde für die Mehrzahlder Räume ein heller Kautschuk-Bodenbelag gewählt, der im Benut-zersaal und im Tagungsraum mit einem blauen Fries ergänzt wirdund die obere Halle im Anschluss an die dunkle Steintreppe blaumit einem hellen Fries zur Geltung bringt. Dieser Boden lässt sichleicht pflegen und garantiert ein staubfreieres Raumklima. DieFarbgebung der Wände wurde von gelb-braun auf weiß-lichtgrauund die Holzoptik von Eiche auf Schweizer Birne umgestellt. BeiStühlen, Regalen und Boden taucht immer wieder Blau als farblichesElement auf. Ein neues Lichtkonzept mit Leuchtkörpern an Wän-den und Decken erhellt die Halle auch an dunklen Tagen.Der Aufsichtsbereich hat eine große Arbeitsplatte erhalten. Eine inder Leitfarbe Blau gehaltene schmale Theke trennt diesen Arbeits-platz von dem Durchgang in den Benutzerraum. In der Anmeldungist ein Bildschirm-Arbeitsplatz mit Ablageflächen eingerichtetworden. Er wird von einer geschwungenen blauen Theke abge-schlossen, an der die Benutzer die Benutzeranträge und die erstenErklärungen erhalten.Auf einen separaten Findbuchraum wurde verzichtet. Findbücherohne Sperrfristen und Genehmigungsvorbehalte sind im Lesesaalaufgestellt und so im direkten Zugriff der Benutzerinnen undBenutzer. Die Rückordnung übernimmt allerdings das Archivperso-nal. Zwei Bildschirmterminals ermöglichen die Recherche in denelektronisch verzeichneten Beständen über AIDA-Online und in derBibliotheksdatenbank.

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ERWEITERTER ARCHIVBAU DESHISTORISCHEN ARCHIVS DESERZBISTUMS KÖLN

benszeugnis der Kirche zu dienen, und so ist unser Archiv keinLuxus und kein antiquarisches Hobby, es ist vielmehr dem Grund-auftrag der Kirche gewidmet.“An den feierlichen liturgischen Kern der Veranstaltung, die Segnungder Räume, schlossen sich eine Schriftlesung und das Fürbittgebetum den Schutz Gottes und den Frieden in der Welt an. Die Weiheschloss mit dem gemeinsamen „Großer Gott wir loben Dich“.Für das Architekturbüro Orend, Köln, sprach Architekt BerndErkens. Er dankte und übergab den Bau seiner Nutzung. Der Vorsit-

gerechten Eingang führt, hat vom Schloßwall aus eine andere Sichtauf das Staatsarchiv geschaffen. Die Wegbeleuchtung strahlt in derdunklen Jahreszeit auch das Gebäude an und rückt es so in einLicht, das Aufmerksamkeit erregt. Eine im Rahmen einer früherenBaumaßnahme als „Kunst am Bau“ dem Staatsarchiv zugeeignetesKeramik-Skulptur in Form einer aus Aktenordnern gebildeten Eulehat vor diesem Eingang einen neuen Standplatz erhalten, an dem sieweitaus besser als zuvor zur Geltung kommt.Am 22. Juni 2007 konnte das Staatsarchiv in Anwesenheit desniedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und zahlrei-cher Gäste aus Politik und Verwaltung feierlich wiedereröffnetwerden. Der Ministerpräsident wies bei dieser Gelegenheit auf diewichtige Funktion des Niedersächsischen Landesarchivs für dieLandes- und Regionalgeschichte hin.

Mit dem Umbau sind längst nicht alle Raum-Probleme des Staatsar-chivs gelöst, aber für den öffentlichen Aufgabenbereich ist ein großerFortschritt erzielt worden. Der Standortvorteil des Staatsarchivsdirekt in der Nachbarschaft der Universität kann nun voll ausge-schöpft werden. Zudem kann man an der gestiegenen Nachfragenach Archivführungen von Seiten der zu betreuenden Behörden,aber auch von anderen Institutionen ein gesteigertes Interessefeststellen. Der Umbau hat nicht nur räumliche Vorteile gebracht, erhat sich als wichtiger Faktor in der Öffentlichkeitsarbeit erwiesen.Und die Reaktionen der Benutzer? Zu 99,9 % positiv und besser! ■

Birgit Kehne, Osnabrück

Feierliche Einweihung des Historischen Archivsdes Erzbistums Köln mit Kardinal Meisner

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Nach 2-jähriger Bauzeit fand am 8. Oktober 2007 in Köln die Ein-weihung des Historischen Archivs des Erzbistums statt. Dem Archivsteht jetzt ein moderner Lesesaal mit 20 Benutzerplätzen sowie einneues Tiefmagazin für rund 15 Regalkilometer zur Verfügung.Bei der Feierstunde, die mit großer festlicher Intensität in einemnoch nicht mit Regalen bestückten Magazinraum stattfand, warengut 200 Gäste anwesend, dabei u. a. die Präsidenten des Bundesar-chivs sowie des Landesarchivs NRW.Der Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, wies auf denWert des Archivs als Gedächtnis des Erzbistums Köln hin, dem diezentrale Lage, u. a. in unmittelbarer Nähe des ErzbischöflichenHauses, angemessen sei. Das Archiv, eine wissenschaftliche Einrich-tung, deren Bestände bis zurück ins 10. Jahrhundert reichen, habeeine die Glaubenspraxis sichernde und klärende Funktion. SeineArbeit sei immer der Wahrheitssuche verpflicht. Für die Erhaltungder kostbaren Bestände bedürfe es geeigneter Räume, um das Erbeunversehrt an die Zukunft weiterzugeben. Vor dem Hintergrund derSparmaßnahmen im Erzbistum Köln sei ein Funktionsbau entstan-den, der in idealer Weise Anforderungen des Archivguts, der Mitar-beiter und der Nutzer des Lesesaals gerecht werde; zukunftsfähigund wirtschaftlich. „Die Kirche braucht zur Gestaltung der Gegen-wart das Wissen um die Vergangenheit, um der Zukunft sachlich inechter Weise zu dienen. Für jeden Menschen ist die Erinnerung, wiewir seit dem Hl. Augustinus wissen, eine zentrale Bedeutung seinerIdentität. Dies gilt nicht nur für das Individuum, sondern auch fürdie Memoria der Gemeinschaft der Kirche. Die kirchlichen Archivesind daher nicht nur Erinnerungsstätten der kirchlichen Gemein-den, sondern auch Kulturfaktoren für die Neuevangelisierung. DasArchiv hat daher die Aufgabe, durch die Wissenschaft dem Glau-

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zende des Bundeskonferenz der kirchlichen Archive in Deutschland,Dr. Herbert Wurster (Passau) wies in seinem Grußwort auf dasüberdiözesane Engagement Kölns für die katholischen Kirchenarchi-ve hin, aber auch auf die nun folgenden Herausforderungen derArchivarbeit; ihre Aufgabe sei es, den Menschen heute auf eine sieansprechende Weise einen Zugang zu einem wahren und überzeu-genden Bild vom Gang unserer Kirche mit den Menschen durch dieZeit zu eröffnen. Für den Vorstand des VdA und gleichzeitig archivi-scher Nachbar im kollegialen Verbund der Kölner Archive sprach Dr.Ulrich Soénius (Stiftung Rhein.-Westf. Wirtschaftsarchiv); er unter-strich u. a. die Rolle der Archivare als Vermittler von Informationenfür die Wissensgesellschaft. Aus Sicht der privaten Archivbenutzerund der Forschung betonte Prof. Dr. Wilhelm Janssen (Düsseldorf)die essentielle Funktion der im Kölner Bistumsarchiv tätigen fach-lich und wissenschaftlich ausgewiesene Archivare und damit denprofessionellen wie benutzerfreundlichen Betrieb des verkehrsgüns-tig gelegenen Hauses.Über „den neuen Archivbau – seine Genese, sein Wachsen und seineFunktionen“ sprach schließlich der Archivdirektor aus der Nutzer-sicht; hier die wichtigsten Akzente: Mit Rücksicht auf die Klimatisie-rung und zur Erhaltung des angestammten Standorts in der Innen-stadt wurde im Innenhof hinter dem Archiv in Form von dreiTiefgeschossen ein Magazin mit einer Nettogeschossfläche von zus.

2.250 qm für ca. 15 Regalkilometer errichtet. Der Bau lehnt sichklimatechnisch an das sog. „Kasseler Modell“ (vorgebaute Innen-wände mit inliegenden dünnen Heizröhrchen zur Ausschaltung desAußenwandeffektes) an. Anders als in Kassel bietet der Bau mehr anTechnik; die Luftwechselrate ist freier regelbar, so dass es praktischkeine betriebliche Reglementierung für die Arbeit im Magazin gibtund akute klimatische Probleme leicht ausgeglichen werden könn-ten. Als Löschmittel für den Brandfall ist das neu auf dem Marktbefindliche Gas „Novec 1230“ eingesetzt. Binnen 10 Sekundenentzieht es durch Kühlung der Luft der Flamme die nötige Wärmeund ist dabei gesundheitlich unbedenklich. Das bis 14 Meter unterNiveau reichende Magazin wurde angesichts neuester Grundwasser-gutachten (ein alle 500 Jahre einmal auf 12,50 Meter über Normalsteigender Rheinpegel) als Stahlbetonbau in rundum abgeschlosse-ner U-Boot-Bauweise ausgeführt. Gegen ein eventuelles Überlaufenvon Druckwasser aus dem Altbau oder von der Straße ins Tiefmaga-zin schützen schwere, fallweise zu schließende Wasserschotten. DieBausumme, inkl. der Sanierung des Verwaltungsbaus, betrug 7,9Mio. €.An die Feier, die die Mezzo-Sopranistin Maria Jonas, Köln, mitDrehleier und Flöten-Begleitung musikalisch gestaltete, schlossensich die Besichtigung des Hauses sowie ein Empfang in den verschie-denen Räumlichkeiten an. ■

Ulrich Helbach, Köln

Blick in den Lesesaal (Foto R. Boecker)

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DIE ARCHIVE DER FREIHERREN VONTÜRCKHEIM

Im Frühsommer 2007 hinterlegten die Freiherren von Türckheimeinen weiteren Teil ihrer Archivalien im Generallandesarchiv Karls-ruhe – ein Anlass, das Profil dieser Überlieferung in deren überre-gionalen Bedeutung nachzuzeichnen.Der Straßburger Elite gelang es mehrfach, hohe Ämter in der Stadtzu besetzen und gleichzeitig über Grundherrschaften beiderseits desRheins in den ritterschaftlich korporierten Adel einzutreten. DieBankiers- und Kaufmannsfamilie von Türckheim zählte spät, abererfolgreich zu dieser Gruppe, die sich in städtischem Selbstbewusst-sein zugleich als Repräsentanten der aufgeklärten Gesellschaft imAncien Régime verstand. Johann von Türckheim (1749–1824) – derLeitname Johann gehört zu jeder Generation und macht die Unter-scheidung nicht immer leicht – war Straßburger Ammeister undVertreter der Stadt in der französischen Nationalversammlung 1789.1775 hatte er eine Philantropische Gesellschaft gegründet. Alsführender Kopf der Freimaurer programmierte er Riten und Zieledes Ordens und korrespondierte in dieser Republik der Geisterintensiv mit Brüdern in Lyon und Holland, in der Schweiz wie inganz Süddeutschland; die Namen seiner Korrespondenzpartnerverraten, auf welchem Niveau dieser Austausch stattfand: Willemozin Lyon, Burckhardt, Merian und Sarasin in Basel, Escher undLavater in Zürich, Metzler in Frankfurt am Main – die Reihe ließesich stattlich fortsetzen. Selbstverständlich war auch der Kontakt mitGelehrten, da Johann von Türckheim selbst juristisch und historischpublizierte; der Nachlass des elsässischen Historikers Philipp AndréGrandidier gelangte so mit dem ersten Teil des Türckheim-Archivs1893 ins Generallandesarchiv.In der Nationalversammlung agierte Türckheim eher als Vertreterder besonderen Rechte seiner Stadt und des Elsass als des Adels,beide Rollen waren freilich zum Scheitern verurteilt. Er zog sich alsAbgeordneter zurück und verließ auch die Stadt: Die beiden Welten,städtische Mitherrschaft und adliges Landleben, brachen auseinan-der. Lebenszentrum wurde der Besitz in der Ortenau, Johann wurdebald wieder führend einbezogen in die Politik des reichsfreien Adelsgegenüber territorialen Großnachbarn, den Reichskreisen und denkriegführenden Mächten in den Koalitionskriegen. Da die Registra-tur des Ritterkantons jeweils wanderte und dabei gelegentlich auchliegen blieb, bilden Teile daraus seit 1893 ein weiteres, beträchtlichesQuantum des Familienarchivs von Türckheim im Generallandesar-chiv.Mit dem endgültigen Übertritt in den Landadel erhielt der Dienstan den Höfen neue Bedeutung. Johanns Bruder Bernhard vonTürckheim (1752–1831; er kehrte ins Elsass zurück und begründetedie Linie Türckheim-Truttenhausen) wurde während der napoleoni-schen Ära badischer Finanzminister, Johann selbst vertrat diesächsischen Häuser und Hessen-Kassel beim Fränkischen Kreis undwurde – wohl auch aus der Verbindung als Freimaurer – Minister in

Darmstadt und Gesandter des Landgrafen in Regensburg; beimWiener Kongress unterzeichnete er für das Großherzogtum Hessendie Schlussakte. Die nächste Generation blieb in hessischen undsächsischen Diensten, natürlicher Bezugspunkt wurde aber doch derKarlsruher Hof, an dem Johanns Sohn Johann (1778–1847) alsMinister des Großherzoglichen Hauses und des Auswärtigen in derschwierigen Phase zwischen Restauration und Aufbruch nach 1830wirkte; dass er dabei wie schon sein Vater eine führende Rolle in denMediatisierungskonflikten zwischen Krone und Adel, dann zwi-schen Erster und Zweiter Kammer des badischen Landtags ein-nahm, schloss sich nicht aus. Auch für dessen Sohn war das politi-sche Engagement vorgegeben. Baron Hans von Türckheim (1814–1892) vertrat in den Jahren vor der Reichsgründung die badischenInteressen als Gesandter in Berlin, danach als badischer Vertreter imBundesrat.Bei der Übernahme des dritten Teils des Türckheim-Archivs – desFamilienarchivs in Altdorf – waren diese mitteleuropäischen Bezügezunächst nur undeutlich erkennbar; zu ungeordnet, zu sehr vongrundherrschaftlicher Verwaltung überlagert schien der Bestand,um mehr als diesen nicht unwichtigen, aber doch auch begrenztenRaum in der Ortenau quellenmäßig zu öffnen. Das erwies sich alsTäuschung. Die intensive Korrespondenz von Vätern, Söhnen undVettern zwischen Darmstadt, Regensburg, Wien, Nürnberg, Freiburgim Breisgau und Karlsruhe führt in den Jahrzehnten von Umbruch,Standesverlust und Staatenbildung in eine Welt angespannterBeobachtung, in der neben Resignation auch immer neue politischeKonzepte selbstverständlich waren; der Anteil Dritter an diesemgeistigen Austausch – wie etwa des Wetzlarer Juristen Wilhelm Buff,„Lottes“ Bruder – ist nicht gering. Da die von Türckheim auchSammler waren, repräsentierte eine bedeutende – nach dem ErstenWeltkrieg leider verstreute – Bibliothek1 den europäischen Geist imadligen Landleben; erhaltene „Autographen“ des 15.–18. Jahrhun-derts sind beispielhaft für das archivische Treibgut der Zeit.Die grundherrschaftliche Überlieferung über den Besitz in derOrtenau und im Unterelsass macht zwar den größeren Teil aus, isthier aber nicht näher vorzustellen; sie unterscheidet sich allenfallsdadurch von anderen Adelsarchiven, dass die von Türckheim ja alsstädtische Aufsteiger die Bühne des Reichsadels erst im späten 18.Jahrhundert betreten hatten und Herrschaften übernahmen, dieschon vorher mehrfache und rasche Besitzerwechsel erlebt hatten;diese Fluktuations- und Mobilitätsphänomene geraten in der „klas-sischen“ adligen Herrschafts- und Familiengeschichte manchmalaus dem Blick. Für eine reichsritterschaftliche Herrschaft nichtungewöhnlich ist dagegen die relativ umfangreiche Überlieferung zuden Schutzjuden in Altdorf.Wie bei allen Linienarchiven sind Überlieferungsgrenzen kaum klarzu ziehen. Die Türckheim-Archive in Altdorf und im nahen Mahl-berg wurden zwar 1907 noch getrennt inventarisiert2, bezogen sichaber doch fast ununterscheidbar aufeinander; später scheint dasMahlberger Archiv nach Altdorf übernommen worden zu sein. ImAltdorfer Archiv finden sich auch nicht wenige Unterlagen zur

ZWISCHEN AUFKLÄRUNG,REVOLUTION UND RESTAURATION

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diplomatischen Irrläufern aus dem badischen Ministerium desAuswärtigen –, verwundert bei so weiten Aktionsradien nicht. Derganze Mikrokosmos des Altdorfer Archivs wird sich erst bei einerNeuerschließung öffnen. Vorerst ist der Bestand über ein Kurzver-zeichnis, in das die Inventare von 1907 eingegangen sind, nutzbar. ■

Konrad Krimm, Karlsruhe

1 Vgl. S. Martin Fraenkel, Eine kostbare Büchersammlung großentheils ausder Bibliothek Türckheim (Versteigerung 60, 11. und 12. Mai 1926), Berlino. J.

2 Vgl. die (unzuverlässigen) Inventare von H. Neu in den Mitteilungen derBadischen Historischen Kommission 29 (1907) S. m41–46 (Mahlberg) undS. m49–82 (Altdorf).

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elsässischen Herrschaft Kalenberg bei Lützelstein/Le Petit Pierre, dieman eher im Truttenhauser Archivteil (heute hinterlegt im Univer-sitätsarchiv Straßburg) suchen würde. Dass auch Dienstakten ausden laufenden Geschäften in das Familienarchiv geraten sind – voneinem Straßburger Einwohner- und Steuerverzeichnis von 1726 überdie erwähnten Amtsbuchserien der Ortenauer Ritterschaft bis zu

EIN VERBUNDKATALOG FÜRAUSGEWÄHLTE BESTÄNDEEUROPÄISCHER FILMARCHIVE

Nutzer von Filmarchiven in Deutschland und Europa stehen immerwieder vor der Herausforderung einer unübersichtlichen Landschaftder audiovisuellen Überlieferung. Eine am Provenienzprinziporientierte Überlieferungsbildung, wie sie in Staatsarchiven prakti-ziert wird, ist der Mehrzahl der Filmarchive und Kinemathekenfremd. Dieser Zustand ist insofern archivhistorisch begründet, alsdie Mehrheit der Filmarchive ihre Existenz und ihre Bestände eherdem Wirken und der Eigeninitiative engagierter Sammlerpersönlich-keiten als dem professionellen Archivieren verdanken.1

Darüber hinaus haben viele Filmarchive ihre Bestandsübersichtenbis heute nicht oder nur in Auszügen veröffentlicht, vor allem nichtin elektronischer Form. Wer den Lagerort eines historischen Filmdo-kuments ermitteln möchte oder nach spezifischem Bildmaterialsucht, ist häufig auf die mühsame und zeitaufwändige Auswertungvon Anmerkungsapparaten filmhistorischer Veröffentlichungensowie den Rat eingeweihter Spezialisten angewiesen. Ein Grundhierfür ist unter anderem im Fehlen gemeinsamer semantischer undtechnischer Standards zu sehen: Standards und Regeln, die denAustausch von Bestandsinformationen sowie institutionenübergrei-fende Recherchewerkzeuge erst ermöglichen. Für Verbundkataloge,wie von den Bibliotheken bereits umfassend realisiert, fehlte denFilmarchiven deshalb lange das geeignete Instumentarium.Eine Ausnahme bildete bisher das von der US-amerikanischenAssociation of Moving Image Archivists (AMIA) initiierte ProjektMoving Image Collections (MIC)2, das Bestandsinformationenmehrerer nordamerikanischer Film- und Medienarchive über einInternetportal frei zugänglich gemacht hat.Diesem Mangel in Europa Abhilfe zu schaffen ist das Ziel des vomMEDIA Plus Programm der EU unterstützten Projekts MIDAS(Moving Image Database for Access and Re-Use of European FilmCollections). Im Rahmen von MIDAS entwickelt das Deutsche

FILMARCHIVES ONLINE

Filminstitut in Zusammenarbeit mit 17 weiteren europäischenFilminstitutionen das Internetportal filmarchives online3. MIDASwurde im Januar 2006 gestartet und ging im Februar 2007 mit denBeständen von zunächst fünf Institutionen online. Derzeit bietetfilmarchives online die Möglichkeit zur Recherche in den Bestands-verzeichnissen von acht europäischen Filmarchiven4. Bis zum Endeder EU-Förderung im Januar 2009 sollen Bestandsübersichten voninsgesamt 18 Archiven aus zwölf europäischen Staaten über filmar-chives online verfügbar sein.

Beständefilmarchives online konzentriert sich auf für die Wiederverwendung(„Re-use“) in anderen Medienproduktionen geeignete Filmdoku-mente. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt deshalb auf nichtfiktiona-lem Material. Vertreten sind also vor allem Dokumentarfilme,Wochenschauen, Kulturfilme, Industrie- und Werbefilme, aber auchAmateuraufnahmen. Dies bedeutet, dass sich die verzeichnetenFilmdokumente im Besitz des Archivs befinden sollten. Ist das nichtder Fall, sollte das Archiv entsprechende Vereinbarungen mit denInhabern der Verwertungs- und Urheberrechte getroffen haben, diedie Wiederverwendung der Inhalte durch Dritte ermöglichen. Deman einer Verwertung des Filmmaterials interessierten Nutzer solltedas Archiv den Kontakt zum Rechteinhaber möglichst direkt vermit-teln können.Der filmarchives online Katalog verzeichnet gegenwärtig gut 10.000Filmtitel, die in über 16.000 Kopien vorliegen.5 Darunter befindensich unter anderem Sammlungen britischer Wochenschauen undAktualitäten des British Film Institute (Mitchell & Kenyon Collec-tion, ca. 1899-1913 und Topical Budget, 1911-1931), der Cineteca diBologna (Corona Cinematografia-Sammlung,1945-1997) und desTschechischen Nationalen Filmarchivs (Filmdokumente zur Ge-schichte der Tschechoslowakei sowie über Prag und weitere tschechi-sche und slowakische Städte). Die über filmarchives online zugängli-chen Bestandsübersichten werden gegenwärtig schrittweise erwei-tert.6

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Erschließung und VerzeichnungIn den europäischen Filmarchiven kommen im Grunde schon seit jeher unterschiedliche Erschließungs- und Katalogisierungsregeln zurAnwendung. Institutsinterne Erschließungsrichtlinien ohne odernur unter teilweiser Berücksichtigung von Standards aus dem BAM-Bereich bilden eher die Regel als die Ausnahme. Die aktuell gültigejüngste Ausgabe der FIAF Cataloguing Rules7 datiert von 1991 undatmet noch den Geist der Zettelkataloge; eine Revision ist gegenwär-tig in Arbeit. Koordiniert durch DIN und DIF arbeiten zurzeitmehrere Institute an der Verwirklichung eines europäischen Stan-dardisierungsauftrags zur Normung von elektronisch erfasstenFilmbeschreibungen (CEN BT/TF 179: Cinematographic Works).Ein erster Teil des Standards liegt aktuell in einer Entwurfsfassung(prEN 15744) vor; die Fertigstellung des zweiten Teils ist für 2009vorgesehen.8

Für das MIDAS-Projekt bedeutete dies, dass strukturell wie seman-tisch heterogene Quelldaten in einem gemeinsamen Index zusam-mengeführt werden mussten. Für jeden zu integrierenden Katalogwerden deshalb individuelle Transformationsregeln erarbeitet und inForm individuell angepasster Importfilter implementiert. Umhierbei den Aufwand vor allem der semantischen Datentransforma-tion im Rahmen des Vertretbaren zu halten, werden bei der Einspei-sung neuer Katalogdaten nur solche Datenelemente vereinheitlicht,deren Homogenität für die Suche unabdingbar ist und deren Verein-heitlichung mit automatischen Verfahren realisiert werden kann.Unverändert aus den Quelldaten übernommen wurden die Angabenzu Filmtitel, Rechteinhaber, Namen von Produktionsbeteiligten oderdargestellten Personen, Firmennamen, Drehorten sowie Schlagwör-ter und Inhaltsbeschreibungen. In eine einheitliche Form übertragenwurden Angaben zu Produktionsjahr, Herkunftsland, Sprache,Herkunftsarchiv, Kopien- und Originallänge sowie Spieldauer. FürAngaben zu Ton, Farbigkeit, Trägermaterial, Filmformat, Bildformatund Kopientyp wurden nur die gängigsten und für die Suche rele-vantesten Ausprägungen in eine einheitliche Form übertragen.Sonderfälle werden hier unverändert aus den Quelldaten übernom-men.Inhaltsbeschreibungen stehen in der Regel in ihrer jeweiligen Ori-ginalsprache sowie in englischer Übersetzung zur Verfügung. Artund Umfang der Inhaltsbeschreibungen reichen von der Kurzbe-schreibung über die längere Synopse bis hin zum detailliertenEinstellungsprotokoll. Die in filmarchives online nachgewiesenenBestände sind nicht durchgehend verschlagwortet. Wo vorhanden,sind Schlagwörter in den meisten Fällen ebenfalls in ihrer jeweiligenOriginalsprache und in englischer Übersetzung verfügbar. EineVereinheitlichung der Verschlagwortung findet nicht statt.filmarchives online ermöglicht die Suche in den Verzeichniskategori-en Titel, Person, Produktionsfirma, Inhaltsbeschreibung, Schlagwortund Drehort. Sie lässt sich auf einen bestimmten Produktionszeit-raum sowie nach den Kategorien Ton, Farbigkeit, Filmformat,Bildformat, Filmmaterial und Kopientyp einschränken.9

Datenhaltung und SchnittstellenNach einer Analyse der Ausgangslage wurde vom ursprünglichanvisierten Ziel einer verteilten Datenhaltung und Suche abgerückt.Die nicht in allen Fällen gegebene online-Verfügbarkeit der Katalo-ge, deren strukturelle und semantische Heterogenität und zu be-fürchtende mangelnde Performance und Skalierbarkeit sprachengegen einen verteilten Ansatz.Als Grundanforderung wurde den Archiven lediglich zur Aufgabegemacht, Katalogdaten in XML zur Verfügung zu stellen. Die Trans-

formation der nativen Quellformate in das MIDAS-Schema wurdevom Deutschen Filminstitut in Kooperation mit einem technischenDienstleister10 übernommen. Mit der Implementierung individuellangepasster Importfilter wurde folglich für jedes teilnehmendeArchiv eine individuelle Importschnittstelle eingerichtet. Sobaldimplementiert, kann jedes Teilnehmerarchiv weitere Datensätzedirekt aufladen. Der XML-Datenupload erfolgt vom lokalen Inter-netzugang des jeweiligen Archivs mittels http und wird vom lokalenBearbeiter manuell angestoßen. Aufgeladene Daten können über einBearbeitungsinterface im zentralen Index nachbearbeitet werden.Um in Zukunft weitere Archive ohne die zeit- und kostenintensiveDatentransformation integrieren zu können, werden gegenwärtigImportschnittstellen für in MARC-XM11 und Dublin Core12 gelieferteDaten entwickelt. Für beide Formate werden zugleich Exportschnitt-stellen aus filmarchives online bereitgestellt. Eine Exportfunktionzur Bereitstellung von Daten aus filmarchives online im MIDAS-XML Format ist bereits implementiert.13

Das MIDAS-Schema orientiert sich im Wesentlichen an den Functio-nal Requirements for Bibliographic Records (FRBR) der IFLA14. ImVergleich zum „Original“-FRBR wurde aber auf die Entität „Expres-sion“ verzichtet, da sich die Merkmale eines Filmwerkes im vorlie-genden Anwendungsfall von denen der filmischen Expression nichtunterscheiden.

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1 Beispielhaft genannt seien der Regisseur und Drehbuchautor GerhardLamprecht, dessen Sammlung die Basis der Deutschen Kinemathek (Ber-lin) bildete, sowie der Gründer der Cinémathèque Française, Henri Lang-lois.

2 http://mic.imtc.gatech.edu/3 www.filmarchives-online.eu.4 Stand: Februar 2008. Projektpartner aus Deutschland sind DEFA-Stiftung

(Berlin), Bundesarchiv-Filmarchiv, Deutsche Kinemathek und IWF Wissenund Medien (Göttingen). Eine Übersicht über die beteiligten Archive be-findet sich auf www.filmarchives-online.eu/partner.

5 Stand: Februar 2008.6 Eine aktualisierte Übersicht der Sammlungen und Bestände bietet

www.filmarchives-online.eu/about/bestandsbeschreibungen.7 Fédération Internationale des Archives du Film (FIAF). Compiled and ed.

by Harriet W. Harrison for the FIAF Cataloguing Commission, The FIAFcataloguing rules for film archives, München/ London/ New York/ Paris,1991.

8 Weitere Informationen und Aktuelles auf: http://www.filmstandards.org.9 Generell gilt, dass nicht jedes Teilnehmerarchiv sämtliche für die Suche re-

levanten Felder bestückt. Eine Übersicht über die Bestückung der Felderbietet die „Hilfe“-Sektion von filmarchives online.

10 Satz-Rechen-Zentrum, Berlin. www.srz.de.11 Im Anwendungsprofil für Bewegtbilder der U.S. Library of Congress. Vgl.

Archival Moving Image Materials: A Cataloging Manual, 2nd Edition.Washington DC: Library of Congress, 2000.

12 Dublin Core Metadata Terms im Anwendungsprofil (DCAP) für EN 15744des Europäischen Normungsinstituts CEN. Gegenwärtig in Vorbereitungdurch CEN BT/TF 179.

13 Als Namespace URI für das MIDAS-XML Schema dient www.filmstan-dards.org/midas/fw-view/1.0. Eine Dokumentation des Schemas ist einseh-bar unter www.filmstandards.org/midas/fwview/1.0/midas_fw_view.xsd.html.

14 www.ifla.org/VII/s13/frbr/frbr.pdf.

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RAHMENVEREINBARUNG MIT DENSTATISTISCHEN ÄMTERN

Im Dezember 2007 wurde die letzte der dreißig nötigen Unterschrif-ten unter die „Vereinbarung über Anbietung und Übergabe digitalerDatenmaterialien“ zwischen den Statistischen Ämtern von Bundund Ländern und den für Bundes- und Landesstatistik zuständigenArchiven gesetzt.Damit wurde erstmals ein koordiniertes Vorgehen bei der Sicherungelektronischer Überlieferung vereinbart. Vorausgegangen warenzweijährige Verhandlungen zwischen der ARK AG ElektronischeSysteme in Justiz und Verwaltung im Auftrag der ARK und derArbeitsgruppe Archivierung des Statistischen Verbundes.Mit wenigen Ausnahmen sind bisher von den Archiven keine statisti-schen Einzeldaten elektronisch übernommen worden. Das liegtdaran, dass zum einen viele Statistische Ämter die Daten für ihreForschungsdatenzentren zunächst selbst weiter nutzen wollten und

dass zum anderen viele Archive sich bisher mangels einer geeignetenInfrastruktur zur Archivierung elektronischer Unterlagen auf dieÜbernahme der publizierten Auswertungen beschränkt haben.Inzwischen ist es aber bereits in erheblichem Umfang zu Datenver-lusten gekommen, weil die Daten entweder bereits gelöscht wurdenoder aber wegen fehlender Dokumentation nicht mehr interpretier-bar sind. Da die Statistischen Ämter ihr Vorgehen bei der Aufbewah-rung nicht koordiniert haben, ist davon auszugehen, dass eineRekonstruktion der statistischen Einzeldaten für das gesamte Bun-desgebiet wohl nur noch für sehr wenige Statistiken möglich seinwird. Der Statistische Verbund will dies zukünftig ändern und mitso genannten gemeinsamen Archivierungsplänen den Erhalt derDaten während der Aufbewahrungsfristen und die Anbietung undÜbergabe der Daten an die Archive sicherstellen.

15 Weitere Informationen zu den Voraussetzungen einer Teilnahme auf:www.filmarchives-online.eu/contribute-1-de.

– Besitzt Ihr Archiv die Nutzungs- und Verwertungsrechte an denInhalten? Falls dies nicht der Fall ist: Kann der Kontakt zumRechteinhaber auf Nutzeranfrage direkt vermittelt werden? Istsowohl die nichtkommerzielle als auch die kommerzielle Nutzungder Inhalte grundsätzlich möglich?

– Steht ein Ansprechpartner zur Verfügung, der Nutzeranfragenbearbeiten kann?

– Liegen die relationalen Katalogdaten in einem serialisiertenAustauschformat (XML) vor? Enthält die XML-Datei sämtliche zureindeutigen Identifizierung von Entitäten notwendigen Daten-bankschlüssel (IDs)? Kann eine Schemadefinition (XSD) mitgelie-fert werden?

– Sind Inhaltsbeschreibungen (Synopsen, Sequenzprotokolle o. Ä.)und/oder Schlagwörter in deutscher und englischer Sprachevorhanden und im Exportformat berücksichtigt?

Werden diese Fragen sämtlich mit „Ja“ beantwortet, so ist dieTeilnahme des betreffenden Filmarchivs beziehungsweise der Film-abteilung des Archivs mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich. ■

Georg Eckes, Frankfurt am Main

Weiterentwicklung bis Januar 2009Bis zum Projektende im Januar 2009 werden die MARC- und DC-Schnittstellen bereitgestellt sowie weitere Archive angebunden. Zielist es, die Integration der Bestandsverzeichnisse aller 18 im Konsorti-um vertretenen Archive bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen zuhaben.Darüber hinaus wird filmarchives online den angeschlossenenFilmarchiven die Möglichkeit bieten, neben den Katalogdaten auchScreenshots der Filme in den zentralen Index zu laden. Diese werdenschließlich neben den bereits verfügbaren Textinformationen eben-falls im Webinterface von filmarchives online dargestellt.

Anforderungen an weitere VerbundpartnerDer filmarchives online Katalog steht weiteren Archiven offen.Interessenten sind eingeladen, sich an das Deutsche Filminstitut alsKoordinator von MIDAS und Host von filmarchives online zuwenden.15 Vor einer Kontaktaufnahme ist es jedoch sinnvoll, diefolgenden Fragen vorab zu klären:– Sind alle verzeichneten Filme vorhanden, verfügbar und benutz-

bar?– Handelt es sich bei den Inhalten in erster Linie um nichtfiktiona-

les Material beziehungsweise um Inhalte, die im Rahmen derWiederverwendung (re-use) in anderen Medienproduktionen –z. B. Dokumentationen, Reportagen, Werbung etc. – von Interessesein können?

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Abgesehen von den bereits eingetretenen Datenverlusten gibt es fürdie Archive weitere zwingende Gründe, sich zukünftig um dieArchivierung der Einzeldaten zu bemühen: Die bisherige Publika-tionspraxis der Statistischen Ämter wird nicht fortgeführt werden.An die Stelle publizierter Auswertungen treten mehr und mehrdynamisch generierte Informationsangebote, die sich die Nutzernach eigenen Fragestellungen selbst zusammenstellen können.Die Überlieferung des Statistischen Bundesamtes im Bundesarchivkann keinen adäquaten Ersatz für die Überlieferungsbildung derLänder bieten. Auf Bundesebene liegen nur aggregierte Auswertun-gen vor, da die Länder nicht die vollständigen Einzeldaten an dasStatistische Bundesamt geben. Zum Beispiel werden bei vielenStatistiken die Ergebnisse vor der Übergabe auf Kreisebene zusam-mengefasst, während die Einzeldaten der Gemeinde bei den Statisti-schen Landesämtern verbleiben.Die jetzt geschlossene Vereinbarung regelt das Verfahren zur Anbie-tung und Übernahme von Daten der Amtlichen Statistik im Sinnedes Bundesstatistikgesetzes. Dabei handelt es sich um derzeit etwa300 verschiedene Statistiken, die im Auftrag des Statistischen Bun-desamtes dezentral von den Statistischen Landesämtern erhobenund aufbereitet werden. Hinzu kommen etwa 50 weitere Bundessta-

tistiken, die direkt vom Statistischen Bundesamt erhoben werden.Das Ziel der Vereinbarung ist es, ein bundesweit einheitlichesVerfahren der Anbietung und Übernahme von Statistikdaten zuetablieren. Ein solches Verfahren ist die Voraussetzung für einekoordinierte Überlieferungsbildung im Bereich der AmtlichenStatistik, die es künftigen Nutzern erlaubt, Einzeldaten repräsentati-ver Statistiken für das gesamte Bundesgebiet auszuwerten.Eine Aufarbeitung von Altdaten in größerem Stil ist von den Statisti-schen Ämtern nicht geplant. Es wird jedoch eine Inventur der nochvorhandenen Datenmaterialien stattfinden. Alle Daten, die nochinterpretierbar sind und zu denen noch Datensatzbeschreibungenexistieren, werden den zuständigen Archiven angeboten.Die Vereinbarung regelt die Verfahrensweise bei der Anbietung undÜbergabe und trifft keine inhaltlichen Festlegungen, welche Statisti-ken übernommen werden. Hierzu erstellt eine eigene Arbeitsgruppeder ARK einen Bewertungskatalog für die Amtliche Statistik, derMitte 2008 fertiggestellt werden soll.Abgesehen von den Altdaten werden erste Übernahmen erst ab 2018anstehen. Die Vereinbarung dient daher zunächst dem Zweck,Bewusstsein für die Anbietepflicht und die Belange der Archive zuschaffen und damit ab sofort weitere Datenverluste zu verhindern. ■

Andrea Hänger, Koblenz

NEUES WERKZEUG ZURMASCHINELLEN FREIGABE VONFINDMITTELN IM INTERNET

ProblemstellungDas Landesarchiv Baden-Württemberg hat in den letzten Jahren dieOnline-Bereitstellung von archivischen Findmitteln zu einemSchwerpunkt erklärt. Dies ist auch in die Digitalisierungsstrategie(vgl. Archivar 1/2008, S. 15–20) eingeflossen. So ist seit 2003 die Zahlder elektronischen Findmittel exponentiell angestiegen. Waren bis2003 in MIDOSA95 Daten für rund 600.000 Titelaufnahmen er-schlossen worden, so sind diese inzwischen auf 1,6 Millionen ange-wachsen. Die neu hinzukommenden Daten stammen aus derlaufenden Erschließung bzw. der Migration aus älteren Systemen(MIDOSA alt) oder aus Spezialanwendungen (dBase/Access).Mit der Einführung von MIDOSA21, das heißt scopeArchiv in

Verbindung mit dem Online-Findmittelsystem OLF21, im Jahr 2005wurde die Möglichkeit der unmittelbaren Präsentation von Er-schließungsergebnissen via Internet eröffnet. Damit wurde aller-dings ein schon zuvor bestehendes Problem in aller Schärfe offen-bar: Was geschieht mit Angaben in Findmitteln, die zum Zeitpunktder Erschließung noch gesperrt sind – und nicht im Internet präsen-tiert werden –, nach Ablauf der Sperrfrist?Die Sperrfrist wurde und wird auch künftig im Zuge derErschließung bestimmt. Durch eine Markierung innerhalb derErfassungsmasken des Programms scopeArchiv wird dabei festge-legt, ob ein Datensatz für die Internetrecherche freigegeben ist. Ist ernicht freigegeben, kann er nur im Intranet der jeweiligen Archivab-

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überprüft, ob im jeweiligen Erschließungsdatensatz ein Todesdatumvorliegt. Wenn entsprechende Daten vorhanden sind, wird dasDatum auf den 31.12. des eingetragenen Jahres „verschoben“. Zudiesem Datum werden dann entsprechend der gewählten Berech-nungsvariante 10 Jahre und ein Tag addiert. Das ergibt das Referenz-datum, das dann kleiner als das aktuelle Datum sein muss.Wenn keine Daten zum Tod einer Person vorhanden sind, wirdanschließend überprüft, ob ein Geburtsdatum vorliegt. Das Verfalls-datum der Schutzfrist wird dann analog dem Todesdatum durchAddition der oben angegebenen Zeiträume berechnet. Da Todesda-ten vielfach nicht verfügbar sind, ist dies fast der Regelfall. Bei denFristen, die zum Geburtsdatum geprüft werden, wurde daher vonden in der oben genannten Handreichung für möglich gehaltenenFristen die längste verwendet. Diese Frist von 110 Jahren nachGeburt bedeutet, dass sichergestellt ist, dass keine Informationen zulebenden Personen im Internet greifbar sind (im Januar 2008 warder älteste Bürger Baden-Württembergs 107 Jahre alt). Gleichzeitigmuss sich aber ein Nutzer darüber im Klaren sein, dass im internenSystem des Archivs – zum Beispiel bei der Vor-Ort-Recherche imFindmittel – Erschließungsdaten zu Personen zugänglich seinkönnen, deren Geburtsdatum über 90 Jahre, aber weniger als 110Jahre zurückliegt. Diese Akten sind zwar für die Nutzung zugäng-lich, aber nicht über das Internet recherchierbar, da nicht ausge-schlossen werden kann, dass diese Personen noch leben. Neben denLebensdaten als personenbezogenes Element ist für eine Freigabenoch die Laufzeit der Akte zu beachten. Hier ist bei Von-Bis-Anga-ben stets der größere (jüngere) der beiden Datenwerte zu beachten.Auch hier wird zur Ermittlung des Verfallsdatums wie oben be-schrieben verfahren.Die Freigabe einer Verzeichnungseinheit erfolgt dann, wenn entwe-der das Todesdatum oder das Geburtsdatum eine abgelaufene

teilung eingesehen werden. Die Freigabefestlegung kann auf derEbene des Bestands, der Bestandsgliederung oder Archivalieneinheiterfolgen. Da aber die zu diesem Zeitpunkt gesperrten Angabenaufgrund der Ressourcenknappheit nicht regelmäßig und systema-tisch auf den Ablauf der Sperrfristen hin überprüft werden können,bedeutete dies bislang, dass Informationen nicht der öffentlichenRecherche zur Verfügung stehen, obwohl sie vorhanden sind undhierfür auch verwendet werden dürfen. Der unmittelbare Anstoß fürdie Entwicklung eines maschinellen Werkzeugs zur Ermittlungabgelaufener Sperrfristen ergab sich aus dem Wunsch, die intensivnachgefragten Spruchkammerbestände der Abteilung StaatsarchivLudwigsburg mit rund 500.000 personenbezogen Titelaufnahmenauf Sperrfristen zu überprüfen, um die „freien“ Datensätze über dasInternet recherchierbar zu machen. Die schiere Datenmenge führtedie Unmöglichkeit einer händischen Überprüfung auf Ablauf vonSperrfristen noch einmal besonders deutlich vor Augen.Ziel war ein automatisiertes Verfahren, um „freie“ Archivalieneinhei-ten zu ermitteln, die zum Zeitpunkt der Erschließung noch gesperrtwaren. Vordringlich erschien ein Werkzeug, das auf personenbezoge-ne Titelaufnahmen anwendbar ist.Eine wesentliche Voraussetzung, um Sperrfristen maschinell nach-rechnen zu lassen und somit automatisierte Freigaben für dieÖffentlichkeit nach ihrem Ablauf zu ermöglichen, bieten die Rege-lungen der Archivgesetze. Weitere Grundlage ist die Handreichung„Bereitstellung elektronischer Findmittel in öffentlich zugänglichenNetzen“ der Archivreferentenkonferenz des Bundes und der Ländervon 2007. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht immer nurum die Freigabe von Einzelangaben in archivischen Findmitteln undnicht um die Präsentation von Archivgut selbst. Das neue Werkzeugdes Landesarchivs Baden-Württemberg wurde von der Firma scopesolutions in Basel entwickelt und ist eine Erweiterung des Standard-produkts scopeArchiv, das im Landesarchiv als Produktivsystem zurErschließung, Indexierung, Lagerorts- und Beständeverwaltungsowie zur Erfassung von Ablieferungen eingesetzt wird. Die dorterfassten Daten werden über das eigenentwickelte Online-Findmit-telsystem (OLF21) für die Präsentation im Internet aufbereitet.

BerechnungsmodusUm den unterschiedlichen Sperrfristen, denen Archivgut unterliegenkann, Rechnung tragen zu können, wurde der Einsatz des neuenWerkzeugs auf Bestände begrenzt. Es können also nicht ganzeBeständeserien oder gar das komplette Archiv in einem Arbeitsgangbearbeitet werden. Daher muss als erster Schritt im Verfahren dieArt der Sperrung des personenbezogenen Archivguts im Bestandbestimmt und damit das entsprechende Unterprogramm gewähltwerden. Die Wahlmöglichkeiten zeigt die unten aufgeführte Tabellean.Die Auswahl hat zur Folge, dass unterschiedliche Sperrfristen alsBerechnungsgrundlage herangezogen werden. Die logische Strukturder Berechnung bleibt aber immer die gleiche. Zunächst wird

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ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

Landesarchivgesetz Baden-Württemberg § 6 Landesarchivgesetz § 6 a Abs. 1 Archivgut Landesarchivgesetz § 6 a Abs. 2 Archivgutunter Regeln des Bundesarchivgesetzes unter Rechtsvorschriften des Bundes über

Geheimhaltung

Todesdatum + 10 Jahre Todesdatum + 10 Jahre Todesdatum + 10 Jahre

Geburtsdatum + 110 Jahre Geburtsdatum + 140 Jahre Geburtsdatum + 140 Jahre

Entstehungszeitraum + 30 Jahre Entstehungszeitraum + 30 Jahre Entstehungszeitraum + 60 Jahre

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ERGEBNISSE EINER LÄNGERFRISTIGENWIRKUNGSKONTROLLE

Vor etwa 30 Jahren wurde die Entwicklung von maschinellenVerfahren zur Entsäuerung modernen Papiers in Angriff genom-men. Die Bemühungen waren erfolgreich. Mehrere Verfahren sindbis zur Produktionsreife gediehen.1 Darunter nimmt das „Bückebur-ger Verfahren“ eine hervorragende Stellung ein. Über die Langzeit-wirkung der Behandlung nach diesem Verfahren soll hier ein vorläu-figer, erster Bericht erstattet werden.2

Das Staatsarchiv Bückeburg hatte ein Verfahren zur Massenentsäue-rung von losen Blättern im wässrigen Medium (nach dem sog.

DAS BÜCKEBURGER VERFAHRENZUR MASSENENTSÄUERUNG VONARCHIVGUT

die geänderten Verzeichnungseinheiten aufgelistet werden. DerAnwender kann den jeweiligen Lauf und damit den bearbeitetenBestand auswählen. Pro Lauf werden der Titel der geändertenTitelaufnahme und der Bestand dokumentiert. Das Datum derAusführung und der Name des Bearbeiters werden ebenfalls ange-zeigt. Das Protokoll kann ausgedruckt werden.

Zurücksetzen von freigegebenen Verzeichnungs-einheitenSollten für die Freigabe relevante Erkenntnisse (vor allem das Todes-datum) nach der Freigabe bekannt oder eine fehlerhafter Datener-fassung festgestellt werden, die eine erneute Sperrung eines Daten-satzes nötig machen, ist dafür eine Routine vorbereitet. Der Anwen-der kann einen oder mehrere Einträge innerhalb der Liste markie-ren, um entweder eine einzelne selektierte Verzeichnungseinheitoder den ganzen Lauf zurückzusetzen. Damit wird die Freigabewieder rückgängig gemacht.

ZusammenfassungDie Möglichkeiten der Reversion und Protokollierung bieten demverantwortlichen Bearbeiter ein hohes Maß an Kontrolle und Sicher-heit, da jederzeit Rechenschaft gegeben werden kann, warum imEinzelfall eine Information öffentlich zugänglich ist und sich zudemeine irrtümliche Freigabe wieder korrigieren lässt.Es bestehen derzeit Planungen, die Funktionalität auch auf Sachak-ten anwendbar zu machen. Dort würden Schutzfristen nur auf Basisder Laufzeit berechnet werden können. ■

Thomas Fritz, Stuttgart

Schutzfrist ergeben und zusätzlich auch die Laufzeit eine abgelaufe-ne Schutzfrist aufweist. Es muss im Erschließungsdatensatz also einLebensdatum angegeben sein und das berechnete Referenzdatumkleiner als das aktuelle Datum sein UND es muss immer ein Entste-hungszeitraum genannt sein und das zugehörige Referenzdatumebenfalls kleiner als das aktuelle Datum sein. Erst und nur indiesem Fall wird die Verzeichnungseinheit freigegeben, das heißt fürden Export in das Internet via OLF21 freigegeben.

AusführungsprotokollDie maschinell vorgenommenen Freigaben sind reversibel. DasWerkzeug bietet für diesen Zweck ein Ausführungsprotokoll, in dem

1 Die Literatur zum Thema ist inzwischen kaum noch zu überschauen. Ei-nen Überblick über die Verfahren bietet Gerhard Banik: Mass Deacidifi-cation Technology in Germany and its Quality Control, in: Restaurator 26(2005), S. 63-75. Zur Einführung eignet sich auch heute noch (obwohl ineinzelnen Teilen von der Entwicklung überholt): Wolfgang Bender: DieMassenentsäuerung von Archivgut als ein Mittel der Bestandserhaltung, in:Der Archivar 54 (2001), S. 297-301.

2 Der vorliegende Bericht schließt an Forderungen an, die bei der interna-tionalen Tagung der European Commission on Preservation and Access(ECPA) am 18./19. Oktober 2000 erhoben wurden. Dazu gehörte die Frageder nach der Langzeitwirkung der Behandlung; vgl.: Massenentsäuerungin der Praxis – Bericht über eine internationale Konferenz in Bückeburg vonHubert Höing, in: Der Archivar 54 (2001), S. 150.

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„Bückeburger Verfahren“) entwickelt.3 Der Probebetrieb der Pilotan-lage, die von der Papiertechnischen Stiftung in München für dasStaatsarchiv Bückeburg seit 1987 konstruiert und errichtet wordenwar, wurde im Juli 1996 nach zweijähriger Dauer beendet. DieAnlage samt Know-how wurde an die Firma Hans Neschen GmbHübergeben. Auf dieser Basis hat Firma Neschen eine produktions-fähige Anlage gebaut und bietet seither die Dienstleistung „Konser-vierung modernen Archivgutes nach dem Bückeburger Verfahren“auf dem freien Markt an.4 Auch das Niedersächsische Landesarchivnimmt diese Dienstleistung gegen entsprechendes Entgelt in An-spruch.Bei der Weiterentwicklung kooperierte die Firma Neschen immerwieder mit dem Staatsarchiv Bückeburg, so dass der Bezug zurPraxis gewahrt blieb. Seine theoretischen Erkenntnisse und prakti-schen Erfahrungen im Bereich der Restaurierung und Konservie-rung von Archivalien, namentlich aus der manuellen Entsäuerunggroßformatiger Karten und Pläne ebenso wie seine Erfahrungen aufdem Gebiet der archivischen Aufgabenverwaltung kamen derWeiterentwicklung im verfahrenstechnischen Sinne zugute. Konkretwurde z. B. die Erkenntnis, dass Fixierung, Pufferung und Leimungstatt in drei Bädern in einem einzigen Bad erreicht werden können,im Staatsarchiv bei der händischen Restaurierung großformatigerKarten gewonnen.5 Die Maßnahme führte zu einer erheblichenRationalisierung des Verfahrens ebenso wie zu einer Verbesserungder Fixierung der Schreibstoffe. Eine wesentliche Verbesserungerfuhr auch das Transportsystem. Die Blätter werden nun nichtmehr in metallenen Käfigen hängend, sondern zwischen zweiEndlos-Sieben bzw. über Bürstenrollen sicher durch die Anlagegeführt. In der Hauptsache ist das Verfahren von heute jedochidentisch mit dem der Pilotanlage.

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ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

künstlich galtert, gemessen 1995

Im Rahmen des Qualitätsmanagements finden regelmäßig Kontrol-len der Wirksamkeit statt. Dies geschieht dadurch, dass in festgeleg-ten Zeitabständen standardisierte Testpapiere, die sauer sein müs-sen, durch die Anlage laufen und anschließend auf ihre optischenund haptischen, vor allem aber auf ihre chemischen (pH-Wert,Alkalireserve) und physikalischen Eigenschaften (Bruchkraft nachFalzung) geprüft werden.6

Die längerfristige Wirksamkeit der Behandlung konnte bisher nurdurch künstliche Alterung der Papiere gemessen werden. Die künst-liche Alterung simuliert in einem genormten, beschleunigten Verfah-ren7 den Alterungsprozess, indem die Probanden stufenweise einigeTage einer erhöhten Temperatur und einer erhöhten Luftfeuchtigkeitausgesetzt werden. Die je nach Aufbewahrungsbedingungen ver-schiedenen, komplexen Vorgänge bei der natürlichen Alterungkönnen bei der künstlichen Alterung indessen kaum umfassendnachgebildet werden. Es ist demnach unverzichtbar, die langfristigeWirkung der Behandlung in der Realität zu prüfen. Da die Anfängeder maschinellen Behandlung nach dem „Bückeburger Verfahren“ins Jahr 1994 zurückreichen8, ist der Zeitpunkt gekommen, an demauch eine Prüfung der längerfristigen Wirksamkeit nach natürlicherAlterung möglich wird.Im Jahr 1995 wurde die Wirksamkeit des Konservierungsverfahrensin einem umfangreichen Untersuchungsprogramm durch dasStaatsarchiv Bückeburg und verschiedene unabhängige Institutionenüberprüft. Die Prüfungsverfahren entsprachen den üblichen Nor-men. Behandelte und unbehandelte Probanden wurden jeweilschemisch auf ihren pH-Wert und die alkalische Reserve sowiemechanisch auf Bruchkraft, Bruchkraft nach Falzung und Dehnunguntersucht. Die Ergebnisse der Behandlung entsprachen in allenPunkten den selbst gesteckten Zielen.9

Tabelle 110

natürlich gealtert, gemessen 2007

pH-Wert

alkalische-Reservein mol/kgt

alkalischeReserve in% CaCO3

0 Tage 12 Tage 24 Tage 48 Tage 12 Jahre

unbehandelt behandelt unbehandelt behandelt unbehandelt behandelt unbehandelt behandelt unbehandelt behandelt

4,5 10,7 4,3 9,9 4,3 9,7 4,1 9,1 3,8 9,5

/// 0,48 /// 0,37 /// 0,37 /// 0,29 /// 0,4

/// 2,41 /// 1,83 /// 1,86 /// 1,46 /// 1,95

Papier Nr. 20

Ein Teil der Probanden wurde durch Feuchtwärmebehandlungjeweils künstlich gealtert (12, 24 und 48 Tage bei 80° C und 65 %rF), um ihn mit Probanden ohne zusätzliche Alterung (0 Tage)vergleichen zu können. Dies geschah in der begründeten Annahme,dass sich der Zersetzungsprozess der Säure zwar unterbrechen, aberauf Dauer nicht aufhalten lässt. Tatsächlich sank auch der pH-Wertder behandelten Papierproben nach 48 Tagen beschleunigter Alte-rung in signifikantem Ausmaß.Tabelle 1 zeigt, dass das im Jahr 1995 untersuchte Papier Nr. 20, einholzhaltiges Zeitungsdruckpapier, DIN A 4, mit saurer Leimung(Bundesanzeiger 1951), im unbehandelten Zustand eindeutig sauerwar. Im Verlauf der künstlichen Alterung sank der pH-Wert von

ursprünglich 4,5 über 4,3 auf 4,1 nach 48 Tagen künstlicher Alterung.Durch die Behandlung mit Magnesiumhydrogencarbonat (Bücke-burger Verfahren) stieg der pH-Wert bis weit in den basischenBereich auf 10,7 und sank im Verlauf der künstlichen Alterung aufeinen pH-Wert von 9,1. Das gleiche kann bei der alkalischen Reservebeobachtet werden: Im unbehandelten Zustand ist sie nicht vorhan-den, sie steigt nach der Behandlung auf 0,48 mol/kg bzw. 2,4 %CaCO3 und sinkt im Verlauf der künstlichen Alterung über 0,37mol/kg bzw. 1,8 % CaCO3 auf 0,29 mol/kg bzw. 1,4 % CaCO3.Eine vergleichbare Untersuchung ist im Juni 2007 erfolgt. DasStaatsarchiv in Bückeburg hat der Firma Neschen Probanden desPapiers Nr. 20 aus dem oben erwähnten Untersuchungsprogramm,

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3 Die ersten Überlegungen begannen bereits 1976. Über die Entwicklungsge-schichte informieren im Übrigen: Brigitte Poschmann: Konzeption und Baueiner Konservierungsanlage für Archivalien, in: Der Archivar 44 (1991), Sp.74-77; Ludwig Angerpointner u. a.: Entwicklung und Bau einer Konservie-rungsanlage für blattweises Archivgut aus modernen Papieren, in: Papersof the Conference on Book and Paper Conservation, Budapest 1992, S.138-151; Hubert Höing: Das Bückeburger Einzelblattverfahren zur Massenkon-servierung von Archivalien, in: Der Archivar 48 (1995), Sp. 99-102; HubertHöing: Die Konservierungsanlage im Niedersächsischen Staatsarchiv inBückeburg – Bericht über den Probebetrieb und seine Ergebnisse, in: DerArchivar 50 (1997), Sp. 71-82; und Wilfried Feindt u. a.: Papierkonservie-rung nach dem Bückeburger Verfahren, Anlagenvariante und naturwissen-schaftliche Ergebnisse, in: Restauro 104 (1998), S. 120-125.

4 In den Räumen des Bundesarchivs in Berlin-Hoppegarten ist seit 2001 einegroße Anlage (Typenbezeichnung: CoMa3) im Einsatz. Zwei etwas kleine-re Anlagen (Typenbezeichnung: CoMa4 und CoMa5) sind seit 2004 in denRäumen des Rheinischen Archiv- und Museumsamts in Brauweiler in Be-trieb. Für eine kleinere bzw. dezentrale Anwendung wurde im Jahr 2002 eineKleinanlage (Typenbezeichnung: C 900 bzw. C 900 2) konstruiert, die in-zwischen weltweit verbreitet ist. Vgl. Marcus Stumpf: Massenentsäuerungim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Erfahrungen mit dem Neschen-Verfahren, in: Der Archivar 60 (2007), S. 112-118 mit weiterer Literatur.

5 Großformatige Karten und Pläne werden, da sie nicht maschinell behan-delt werden können und besondere Sorgfalt verlangen, weiterhin in der Re-staurierungswerkstatt des Staatsarchivs Bückeburg manuell entsäuert undrestauriert. Seit mehreren Jahren werden dementsprechend etwa 1.000Karten/Jahr vornehmlich aus der Agrarstrukturverwaltung bearbeitet. Dienotwendige Entsäuerungsflüssigkeit wird von der Firma Neschen bezogen.

6 Vgl. neuerdings: Empfehlungen zur Prüfung des Behandlungserfolgs vonEntsäuerungsverfahren für säurehaltige Druck- und Schreibpapiere, in: Rai-ner Hofmann und Hans-Jörg Wiesner: Bestandserhaltung in Archivenund Bibliotheken (Hg.: DIN Deutsches Institut für Normung e. V.), Berlinu. a. 2007, S. 9-32.

7 Nach DIN ISO 5630-3.Vgl. Hofmann und Wiesner: Bestandserhaltung (wieAnm. 6), S. 231-235. Eine Aussage darüber, wieweit sich Tage künstlicher Al-terung und Jahre natürlicher Alterung entsprechen, ist nicht möglich. - Diein DIN ISO 9706 : 1995 unter Anhang C.1.c genannten Vorbehalte gegenü-ber der beschleunigten Alterung finden hier durchaus eine Bestätigung.„Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass Untersuchungen unter den Be-dingungen der beschleunigten Alterung gegebenenfalls ein sehr hilfreichesVerfahren im geeigneten Fall sein können…“ (ebd.).

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8 Der archivfachliche Probebetrieb (unter den Bedingungen eines Produkti-onsbetriebs) der Anlage wurde 1994 bis 1995 durchgeführt. Die Übergabean die Firma Neschen und damit die eigentliche Produktion erfolgt seit1996.

9 Die Prüfung der mechanische Eigenschaften (Bruchkraft und Bruchdeh-nung, Bruchkraft nach Falzung, Durchreißwiderstand), der chemischen Ei-genschaften (pH-Wert, alkalische Reserve) und der optischen Eigenschaf-ten (Reflexionsfaktor und Gelbwert des Papiers) wurde von derBundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin vor-genommen. Darüber hinaus wurde eine (zerstörungsfreie) Untersuchungder Verteilung der vorhandenen chemischen Elemente auf der Oberflächeund im Querschnitt der Prüfpapiere mit Hilfe von Elektronenstrahl-Mikro-sonden durch das Institut für Chemie der Universität Osnabrück (Dr. BerndGather) durchgeführt. Vgl. dazu: Höing: Die Konservierungsanlage (wieAnm. 3), Sp. 71-82; und Feindt u. a.: Papierkonservierung (wie Anm. 3), S.120-125.

10 Die Messungen 1995 wurden von der BAM (wie Anm. 9), die Messungen2007 wurden von der Papiertechnischen Stiftung (PTS) Heidenau durch-geführt (PTS-Prüfbericht 27 979). In den Tabellen sind hier jeweils nur dieMittelwerte angegeben worden.

11 Die behandelten und unbehandelten Papierproben wurden während dergesamten Zeitdauer jeweils in säurefreiem Karton in einem nicht klimati-sierten Magazin aufbewahrt.

12 Die DIN ISO 9706 : 1995 nennt als erforderliche Eigenschaften (neben denFestigkeitseigenschaften) eine Alkalireserve, die mindestens 0,4 mol Säureje kg entspricht (Im Falle, dass Calciumcarbonat verwendet wurde, um dieAlkalireserve zu bilden, sind die Anforderungen erfüllt, wenn das Papierpro kg etwa 20 g CaCO3 [=2,0 % CaCO3] enthält) und einen pH-Wert desKaltwasserextraktes, der zwischen 7,5 und 10 liegt. Vgl. Hofmann undWiesner: Bestandserhaltung (wie Anm. 6), S. 33-39; ferner Rainer Hofmann:Pflichtenheft für die Massenentsäuerung von Archivgut. Zusammenstellunggrundsätzlicher Anforderungen, in: Verwahren, Sichern, Erhalten. Hand-reichungen zur Bestandserhaltung in Archiven, hg. v. Mario Glauert undSabine Ruhnau, Potsdam 2005, S.193-205 (Veröffentlichungen der branden-burgischen Landesfachstelle für Archive und öffentliche Bibliotheken, Bd.1).

13 Die Tatsache, dass die Werte niedriger sind als bei den Proben aus 1994/5,ist zu begrüßen, weil ein pH-Wert > 10 eher unerwünscht ist. Allgemeinwird seit der Anwendung des Einbadverfahrens ein niedrigerer pH-Wertgemessen als in dem Dreierbad, das in der Pilotphase angewandt wurde.

und zwar im unbehandelten Zustand und im 1994 behandeltenZustand, zur Verfügung gestellt mit der Absicht, sie durch diePapiertechnische Stiftung Heidenau auf ihre chemischen undphysikalischen Eigenschaften untersuchen zu lassen. Die Probandenwurden nach ISO 6588 (Kaltextrakt) auf ihren pH-Wert und nachISO 10716 auf ihre Alkalireserve geprüft. Das Ergebnis der Prüfungnach zwölf Jahren natürlicher Alterung11 im Jahr 2007 ist in denbeiden rechten Spalten der Tabelle 1 (neben den Ergebnissen derPrüfung von 1995) festgehalten worden. Der pH-Wert des unbehan-delten Papiers ist von 4,5 im Jahr 1995 auf 3,8 im Jahr 2007 gesun-ken.12 Aber auch der pH-Wert des behandelten Papiers sank von 10,7im Jahr 1995 auf 9,5 im Jahr 2007; er blieb jedoch deutlich imalkalischen Bereich. Das gleiche gilt für die Wirkung hinsichtlich deralkalischen Reserve (Puffer): das behandelte Papier liegt auch nachzwölf Jahren im alkalischen Bereich. Die weitere Beobachtung wirdzeigen, ob sich längerfristig die Abnahme des pH-Wertes linearfortsetzt, oder ob sich die Abnahme, wie vermutet werden kann, inZukunft verlangsamt.Um die Aussagekraft dieses Ergebnisses zu stützen, wurden weiterePapiere, die in den Jahren 1998 (Formulare aus dem Jahr 1948) und

2002 (Formulare aus dem Jahr 1945) im Einbadverfahren behandeltworden waren, auf ihren pH-Wert und die alkalische Reserve ge-prüft. Der pH-Wert der unbehandelten Papiere ist nicht bekannt. Dasie jedoch aus der unmittelbaren Nachkriegszeit stammen, darf ohneFrage davon ausgegangen werden, dass der pH-Wert der unbehan-delten Papiere eindeutig im sauren Bereich lag. Jetzt liegt der pH-Wert der Papierproben, die im Jahr 1998 behandelt worden sind, bei8,6, die Alkalireserve bei 0,3 mol/kg bzw. 1,25 % CaCO3, der pH-Wert der Papierproben, die im Jahr 2002 behandelt worden sind,liegt jetzt bei 9,5, die Alkalireserve bei 0,3 mol/kg bzw. 1,25 % CaCO3.Die gemessenen Werte sind demnach auch heute – einige Jahre nachder Behandlung – noch ideal.13 Dadurch wird die nachhaltige Wir-kung der Neutralisation nach dem „Bückeburger Verfahren“ be-stätigt.Auch die Festigkeitseigenschaften wurden zwölf Jahre nach derBehandlung erneut geprüft, und zwar jeweils an den unbehandeltenund an den behandelten Proben des oben beschriebenen Papiers Nr.20. Das Ergebnis ist in der Tabelle 2 aufgelistet.Aus den Zahlen geht hervor, dass die am unbehandelten Papiergemessenen Festigkeitswerte durch die Behandlung in fast allen

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Punkten stark ansteigen, im Zusammenhang mit der künstlichenAlterung jedoch stark abfallen. Das gilt sowohl für die unbehandel-ten wie auch die behandelten Papierproben. Immerhin sind imAllgemeinen die Werte der behandelten Papierproben, die (bei derBruchkraft nach Falzung nach 48 Tagen künstlicher Alterung) bis zu47,8 % zurückgehen, relativ besser als die der unbehandelten, die (inderselben Kategorie) sogar bis zu 80 % zurückgehen. Nach 48-tägiger Alterung stehen die behandelten Papierproben in jedergemessenen Kategorie um ein Vielfaches besser da als die unbehan-delten.Erwartungsgemäß sind auch nach der natürlichen Alterung diegemessenen Festigkeitswerte i.d.R. um einige Prozentpunkte gesun-ken. Entscheidend ist jedoch der Vergleich zwischen den Werten derbehandelten und unbehandelten Proben. Demnach sind die Werteder behandelten Proben zwischen dem 1,25- und dem 1,7-fachenhöher als die der unbehandelten Proben.Um die Aussagekraft dieses Ergebnisses zu stützen, wurden die o. a.Papiere, die in den Jahren 1998 (Formulare aus dem Jahr 1948) und

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ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

Formular von 1948, Formular von 1945,behandelt 1998, behandelt 2002,gemessen 2007 gemessen 2007

Bruchkraft [N]längs 45,36 32,13quer 19,63 18,03

Dehnung beinormalemZugversuch [%]

längs 1,11 0,9quer 1,62 1,41

Bruchkraft nachFalz [N]

längs 38,48 21,54quer 17,76 14,16

14 Die Messungen 1995 wurden von der BAM (wie Anm. 9), die Messungen2007 wurden von der PTS Heidenau durchgeführt. N = Newton (1 N = 1kg·m/s²).

15 Die Messungen wurden von der PTS Heidenau durchgeführt.16 Vgl. Hofmann: Pflichtenheft (wie Anm. 12), S. 200. Die aufwendige Unter-

suchung mit dem Rasterelektronenmikroskop (REM) wurde im Rahmendes Untersuchungsprogramms von 1995 durchgeführt, hier jedoch nichtwiederholt.

17 Dank gebührt den Herren Wolfgang Karras und Ernst Koetsier für ihre An-regungen und Hinweise.

Tabelle 315

2002 (Formulare aus dem Jahr 1945) im Einbadverfahren behandeltworden waren, auch auf ihre Festigkeitseigenschaften geprüft.Prüfungsergebnisse von Vergleichsproben unbehandelter Papiereliegen nicht vor. Da die Probanden jedoch aus der unmittelbarenNachkriegszeit stammen, darf davon ausgegangen werden, dass dieunbehandelten Papiere ähnliche, wenn nicht schlechtere Festigkeits-werte hatten als das o. a. Papier Nr. 20.In beiden Fällen sind die Werte der Bruchkraft und der Bruchkraftnach Falzung erfreulich hoch, was als eine Folge der Behandlungnach dem „Bückeburger Verfahren“ anzusehen ist. Warum die Werteder Bruchdehnung nicht höher sind als bei Papier 20 im unbehan-delten Zustand, bedarf einer Erklärung, die nicht auf der Hand liegt.Als Ergebnis der Kontrolle der längerfristigen Wirksamkeit16 des„Bückeburger Verfahrens“ bleibt also festzuhalten, dass die wichtig-sten Ziele einer konservatorischen Behandlung erreicht werden. DerpH-Wert wird in den basischen Bereich gehoben und eine alkalischeReserve eingebracht. Die durch die Behandlung erreichten Wertebleiben über einen längeren Zeitraum wirksam. Die Festigkeit desPapiers wird durch die Behandlung signifikant erhöht; der durchdie Behandlung erzielte Festigkeitsgewinn bleibt auch nach natürli-cher Alterung von zwölf Jahren erhalten und liegt signifikant höherals die Werte des unbehandelten Vergleichspapiers.Die Untersuchung hat im Übrigen gezeigt, wie wichtig die Kontrolleder längerfristigen Wirksamkeit ist.17 Mit Spannung darf den Unter-suchungen des Jahres 2019 entgegengesehen werden. ■

Hubert Höing, Bückeburg

Tabelle 214

künstlich galtert, gemessen 1995 natürlich gealtert, gemessen 2007

Bruchkraft in N

Bruchdehnung

in mm

Bruchkraft nach

definierter

Falzung in N

0 Tage 12 Tage 24 Tage 48 Tage 12 Jahre

unbehandelt behandelt unbehandelt behandelt unbehandelt behandelt unbehandelt behandelt unbehandelt behandelt

20,7 24,1 16,3 21,2 15,4 20 12,0 19,8 13,57 23,39längs

quer 11,3 11,3 9,3 10,9 8,5 10,3 7,6 10,9 9,03 14,52

1,2 1,5 1 1,2 0,8 1 0,8 1 0,56 0,77längs

quer 1,9 1,7 1,5 1,4 1,4 1,4 1,1 1,4 0,88 1,13

18 20,5 12,2 9,7 8,5 9,8 3,6 9,4 10,41 15,17längs

quer 10,3 10,4 8,3 6,5 6,3 5,9 2,8 6,7 6,97 8,75

Papier Nr. 20

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ARBEITSSCHUTZ IN ARCHIVENUND BIBLIOTHEKENSCHIMMELPILZE UND STÄUBEALS GESUNDHEITSRISIKO

Am 14. November 2007 fand in der Württembergischen Landesbi-bliothek Stuttgart eine mit 75 Teilnehmern gut besuchte Arbeits-schutz-Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Schimmelpilze undStäube als Gesundheitsrisiko“ statt, die gemeinsam mit dem Lan-

desarchiv Baden-Württemberg und dem RegierungspräsidiumStuttgart – Landesgesundheitsamt organisiert worden war. Anlasswar der Abschluss eines mehrjährigen Projekts des Landesgesund-heitsamts, das in Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv Baden-

NATÜRLICHE KLIMATISIERUNG INARCHIVMAGAZINEN

10 JAHRE KASSELER MODELL

Die Geschichte vom Archivbau in Kassel ist eine Erfolgsstory.1 „ImAnfang war der Archivkarton“ – frei nach dem Alten Testament„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Moses 1.1) bzw. nachdem Beginn des Johannes-Evangeliums im Neuen Testament: „ImAnfang war das Wort“ – sind die Anfänge des LandeskirchlichenArchivs untrennbar mit den Planungen des Archivbaus seit 1993verbunden. Der einzelne Archivkarton (27,5 cm x 39 cm x 12 cm), indem archivwürdige Unterlagen aufbewahrt werden, war bei denBauplanungen das Maß aller Dinge. Um ihn herum wurde derpuristische Magazinneubau mit seinem genial einfachen „low-tech“Klimakonzept entwickelt und schließlich gebaut.Das „Tagebuch Archivbau“ berichtet von den Planungen seit 1993,vom Beginn der Bauarbeiten 1995, von der Einweihung 1997 unddem Umzug des Archivgutes 1998. Baufotos, Grundriss und Ansichtwie das Schema der natürlichen Klimatisierung der Magazineergänzen das Tagebuch, das seinerzeit in drei Fortsetzungen 1995,1996 und 1997 im Rundbrief, herausgegeben vom Verband kirchli-cher Archive in der EKD, erschienen ist.Bereits die Baustelle wurde 1996 mehrfach von der Fachwelt besich-tigt – bis heute wurden 67 Archivbaubesichtigungen von interessier-ten Archivaren, Architekten und Ingenieuren angefragt und durchge-führt. Wir haben „feste Kunden“ wie etwa das PredigerseminarHofgeismar, das seine FEA, die Fortbildungen für Pfarrer, alle zweiJahre im Landeskirchlichen Archiv durchführt, oder das Landesar-chiv NRW Staats- und Personenstandsarchiv Detmold, das regel-mäßig seine Referendare schickt und solche, die selbst einen Archiv-bau planen und gern praktische Erfahrungen im Vorfeld sammelnwollen wie etwa das Bundesarchiv Berlin oder das Archiv GrünesGedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.32 Fach-Anfragen zum Archivbau sind seit 1997 zudem ausführlichbeantwortet worden. Angefragt haben u. a. das ErzbischöflicheArchiv Freiburg, das Historische Archiv Krupp, der Landschaftsver-

band Rheinland, die Generaldirektion der staatlichen ArchiveBayerns, das Bundesamt für Bauwesen in Berlin, die ArchivschuleMarburg, die Archivberatungsstelle Thüringen und zwei Ingenieur-büros aus der Schweiz. Alle haben ausführliche Antworten erhalten,und alle haben das „Archivbauplakat“ bekommen, das 1998 entstan-den ist, anschaulich über die Bauphasen und das Klimamodell inden Magazinen informiert und inzwischen vergriffen ist.Über das „Kasseler Modell“ ist publiziert und berichtet worden – eswurde u. a. 1998 auf dem 69. Deutschen Archivtag in Münstervorgestellt und auf einer Fachtagung der ArchivberatungsstelleThüringen 2002 in Bad Blankenburg.Auch die Bausumme an sich konnte bemerkenswert niedrig gehaltenwerden: für umgerechnet eine halbe Million € konnten die Verwal-tungsräume umgebaut werden und für 1,8 Millionen € wurde einvoll ausgestatteter Magazinneubau realisiert (200,– € pro Regalmeterbzw. 1.295,- € pro Quadratmeter).Den Baukosten stehen zudem nicht unerhebliche Mieteinnahmengegenüber. In den Jahren 1998 bis 2005 konnten voll ausgestattete,leer stehende Magazinräume an das Staatsarchiv Marburg vermietetwerden und seit 2000 ist die Evangelische Kreditgenossenschaft e.G.in Kassel unser Mieter. Rund zehn Prozent der Bausumme von 2,3Millionen € sind als Mieteinnahmen inzwischen wieder hereinge-kommen.Last but not least ist von zwei Nachbauten des „Kasseler Modellszur natürlichen Klimatisierung“ zu berichten. In Freiburg wurde2002 der Neubau des Erzbischöflichen Archivs eingeweiht und imOktober 2007 wurde in Köln der Neubau des Historischen Archivsdes Erzbistums Köln eingeweiht. ■

Bettina Wischhöfer, Kassel

1 Zum 10-jährigen „Jubiläum“ des Kasseler Archivbaus ist folgende Broschü-re erschienen: Bettina Wischhöfer, Natürliche Klimatisierung in Archivma-gazinen – 10 Jahre Kasseler Modell (Schriften & Medien des Landeskirch-lichen Archivs Kassel 23), Kassel 2007, 82 Seiten, ISBN 978-3-939017-04-3,€ 8,90

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Württemberg – Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheks-gut (IfE) in Ludwigsburg „Belastung und Beanspruchung vonBeschäftigten in Archiven und Bibliotheken durch Schimmelpilzeund Milben“ untersucht hat.Der Leiter der Württembergischen Landesbibliothek Dr. HannsjörgKowark und der Präsident des Landesarchivs Professor Dr. RobertKretzschmar konnten neben Archivaren, Bibliothekaren, Restaurato-ren und Verwaltungsfachleuten aus dem Landesarchiv und den demLandesrestaurierungsprogramm angeschlossenen wissenschaftli-chen Bibliotheken und Universitätsarchiven auch Kommunalarchi-vare, Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte begrüßen.Die Veranstaltung war als Fortsetzung der bereits 2003 im Haupt-staatsarchiv Stuttgart durchgeführten Einführungsveranstaltungzum Thema Arbeitsschutz für einen ähnlichen Teilnehmerkreiskonzipiert. Damals waren die neuen Technischen Regeln für Biologi-sche Arbeitsstoffe TRBA 240 („Schutzmaßnahmen bei Tätigkeitenmit mikrobiell kontaminiertem Archivgut“) und die Checkliste desbaden-württembergischen Landesgesundheitsamts zur Biostoffver-ordnung vorgestellt worden.Den Reigen der Beiträge eröffnete der Lungenfacharzt Professor Dr.Rainer Dierkesmann (Stuttgart) mit einer einführenden Darstellungvon „Erkrankungen der Atemwege durch schimmelpilzhaltigeStäube“. Dr. Peter Bittighofer vom Landesgesundheitsamt gab einenÜberblick über die sehr vielfältigen Berufe, bei denen ein Kontakt zuSchimmelpilzen besteht. Die einzige Professorin für Mikrobiologiean einem deutschen Restaurierungs-Studiengang, Professor Dr.Karin Petersen (Hochschule für angewandte Wissenschaft undKunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen) berichtete über dieneuesten Forschungsergebnisse zur Schimmelbekämpfung anSchriftgut. Dr. Christel Grüner (Landesgesundheitsamt), die Leiterindes Kooperationsprojekts, stellte den Abschlussbericht der gemeinsa-

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ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

men Studie vor, in der 110 Beschäftigte von baden-württembergi-schen Archiven und Bibliotheken im Vergleich zu einer Kontroll-gruppe von 109 Personen arbeitsmedizinisch untersucht wordenwaren. Die Studie ergab für die Archiv- und Bibliotheksmitarbeitersignifikant häufigere Befunde von Hautrötungen und Ekzemen,insbesondere an Händen und Unterarmen, sowie leicht verminderteLungenfunktionswerte. Verantwortlich sind allergische Reaktionenund toxische Reizungen durch Stäube. Überraschend waren dieErgebnisse der IgE-Antikörper-Bestimmungen, also die Messung derim Körper gebildeten Antiallergene: Es stellte sich heraus, dass dieMitarbeiter eine verstärktere, und zwar recht hohe Sensibilisierunggegen Hausstaub- und Vorratsmilben ausbilden als die Kontroll-gruppe, während gegen Schimmelpilze keine auffälligen Reaktionenbeobachtet wurden. Die gesundheitliche Belastung der Arbeitneh-mer ist also offenbar auf eine generell erhöhte Staubbelastungzurückzuführen, weniger auf speziell schimmelpilzhaltige Stäube.Dies hat Folgen für die Arbeitsschutz-Maßnahmen in Archiven undBibliotheken: Das Hauptaugenmerk sollte auf die Staubminimie-rung am Arbeitsplatz gelegt werden, weniger auf Desinfektions- oderSterilisationsmaßnahmen an einzelnen Objekten, da Schimmelpilz-infektionen unter den hier untersuchten Bedingungen nachweislichkeine Rolle spielen.Diese für die tägliche Berufspraxis wichtigen, bisher im Detail sonoch nicht erarbeiteten Erkenntnisse wurden in den neuen Empfeh-lungen der Archivreferentenkonferenz (ARK) zur Schimmelvorsorgeund -bekämpfung in Archiven (siehe auch „Der Archivar“ 4 (2007)S. 329-336) bereits berücksichtigt, die Dr. Anna Haberditzl vomLudwigsburger IfE abschließend erläuterte.Sowohl die Ergebnisse der Belastungsstudie als auch die ARK-Empfehlungen sind über die Homepage des Landesarchivs Baden-Württemberg unter www.la-bw.de abrufbar. ■

Anna Haberditzl, Ludwigsburg

DIGITALELANGZEITARCHIVIERUNGVERSTEHEN UND ANWENDEN

NESTOR/DPE WINTER SCHOOL 2007

Der Webauftritt des Deutschen Bundestages1 ist als Teil der Darstel-lung des parlamentarischen Geschehens ein wichtiges digitalesDokument der Zeitgeschichte. Die Änderungsfrequenz ist allerdingshoch, insbesondere in Wahljahren, was die Festlegung geeigneterZeitpunkte für die Anfertigung eines Snapshots schwierig macht.Dies ist nur eine der Schwierigkeiten, mit denen sich Archivare beider Langzeitarchivierung digitaler Daten (dLZA) auseinandersetzenmüssen.2

Dieses und andere „Praktische Anwendungsfelder der digitalen

Langzeitarchivierung“ waren namensgebend für die vom nestor -Kompetenznetzwerk Langzeitarchivierung und Langzeitverfügbar-keit digitaler Ressourcen für Deutschland3 und von DigitalPreserva-tionEurope (DPE)4 ausgerichtete Winter School, die vom 11. bis 15.

1 www.bundestag.de.2 Vgl. dazu: Ullmann, Angela und Rösler, Steven: Archivierung von Netzres-

sourcen des Deutschen Bundestages. Version 2.0. Veröffentlichungen ausdem Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages. Dezember 2007. Onli-ne unter: www.bundestag.de/wissen/archiv/oeffent/arch_netz_klein2.pdf.

3 www.langzeitarchivierung.de.4 http://digitalpreservationeurope.eu.

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November 2007 in Gernrode/Harz stattfand.5 42 Teilnehmer undReferenten aus Archiven, Bibliotheken und anderen Berufsfeldernversammelten sich in klösterlicher Abgeschiedenheit des Cyriakus-heims6, um Neues zu lernen und Erfahrungen auszutauschen.Besonders die bunte Mischung aus Praktikern und Studenten sorgtebei der Veranstaltung für ein angenehmes Klima und angeregteDiskussionen. Dass es sich bei der Hälfte der Teilnehmer schon umAbsolventen der Spring School 20077 im März handelte, zeigteeinerseits den Erfolg des gewählten Konzeptes, andererseits dengroßen Bedarf an Wissensvermittlung auf diesem Gebiet.Das Projekt nestor erkennt diese gestiegene Nachfrage in demBereich der Fort-, Weiter- und Ausbildung und hat ein erstes Kon-zept zur Umsetzung entwickelt. Ein Memorandum of Understan-ding (MoU)8, das zwischen nestor9 und verschiedenen europäischenHochschulen10 geschlossen wurde, schafft einen formellen Rahmenfür die Zusammenarbeit. Unter anderem entstehen in dieser Koope-ration E-Tutorials zum Thema dLZA.Einen weiteren Schwerpunkt stellt das „nestor Handbuch: Einekleine Enzyklopädie der digitalen Langzeitarchivierung“11 dar, daszurzeit in einer ersten Version vorliegt. Dieses Handbuch verstehtsich selbst als Living Document und wird fortlaufend bearbeitet undaktualisiert.Neben diesen Aktivitäten werden außerdem Veranstaltungen ange-boten, die den Teilnehmern die Arbeit mit der dLZA vermitteln. Wiedie Schools treffen auch eintägige Seminare und Workshops auf einreges Interesse bei den mit der digitalen Langzeitarchivierungbefassten Mitarbeitern von Archiven, Bibliotheken, Museen undanderen Informationseinrichtungen sowie Studenten verschiedenerHochschulen.Die Schools orientieren sich an dem Konzept der erfolgreichenDELOS Summer Schools12 und sind in verschiedene thematischeLektionen untergliedert. Diese werden mit dem Vortrag eines Exper-ten13 eingeleitet, im Anschluss haben die Teilnehmer die Möglich-keit, sich an Hand eines praktischen Beispiels in Kleingruppen mitden Inhalten der Lektion zu beschäftigen. Die Ergebnisse aus diesenSitzungen werden anschließend im Plenum vorgestellt und disku-tiert. Durch diese Struktur wird den Teilnehmern die aktive Beteili-gung am Thema ermöglicht und bei den zahlreichen Gruppenge-sprächen entstehen interessante und konstruktive Problemlösungen.Die nestor Winter School 2007 begann mit einer allgemeinen Ein-führung in die digitale Langzeitarchivierung, sowohl in theoretischerals auch in praktischer Hinsicht. Hierbei ging es einerseits umwesentliche Problemstellungen der digitalen Langzeitarchivierung:die Datensicherung im privaten Bereich, Ursachen für Datenverlustesowie Software-Inkompatibilitäten, als auch die verschiedenenSichten auf den Gegenstandsbereich der Digitalen Langzeitarchivie-rung (objektbezogene/nationale bzw. länderspezifische Perspektive).Der Referent stellte Arten und Eigenschaften von Formaten vor,erläuterte die Notwendigkeit einer Orientierung an Standards undbehandelte Kriterien für die Ermittlung geeigneter Formate für dieLangzeitarchivierung. Darüber hinaus wurde das Open ArchivalInformation System (OAIS), ein Referenzmodell für den Betrieb einesdigitalen Langzeitarchivs, welches als eine internationale Norm (ISO14721)14 vorliegt, vorgestellt. Dafür wurde ein Funktionsmodell, dasdie Aufgaben und Arbeitsabläufe in einem OAIS-konformem Archivbeschreibt, dargestellt.Die Notwendigkeit der Vertrauenswürdigkeit von Institutionen, diedigitale Objekte langzeitarchivieren, war ebenfalls Thema der WinterSchool 2007. Das Ziel, Objekte so zu erhalten, dass sie zu einemspäteren Zeitpunkt immer noch aussagefähig sind, d. h. dass ihre

Echtheit, ihr Ursprung und ihre Kerneigenschaften (Authentizitätund Integrität) unversehrt bleiben, sind Kriterien, die an die einzel-nen Institutionen gestellt werden. Die Kriterien, die verschiedeneInstitutionen entwickelt haben, wurden im Rahmen eines Vortragsvorgestellt. Insbesondere wurde dabei auf den nestor „Kriterienkata-log“15 eingegangen. Die eingeladenen Experten stellten die bestehen-den Archiv-Systeme kopal16, das System des Bundesarchivs17 undPortico18/ LOCKSS19 vor.Ein weiterer Themenschwerpunkt der Winter School 2007 warenKonzepte und Herausforderungen an die Webarchivierung. Hierbeiwurden die Prinzipien und Kernherausforderungen des Webarchi-vierung erläutert sowie derzeit bestehende Initiativen (z. B.: InternetArchive20, Pandora21) und die zum Einsatz kommenden Tools(Sammlung von Daten aus dem Web, Crawling/ Harvesting vs.Submission, etc.) vorgestellt. Die damit verbundenen Herausforde-rungen wurden vom Archiv des Deutschen Bundestages22 beispiel-haft erläutert.Die letzte Lektion behandelte Themen zu Preservation Planning undbefasste sich mit dem PLATO Tool23, das im Rahmen von DELOSund PLANETS entwickelt wurde. Dieses Tool unterstützt die Durch-führung und Dokumentation entsprechender Experimente. ImRahmen dieses Vortrages wurde ein auf der Nutzwertanalyse basie-rendes Vorgehensmodell zur Planung und Evaluierung von dLZA-Strategien vorgestellt. Dieses erlaubt, nachvollziehbare, begründeteund dokumentierte Entscheidungen über die geeigneten Strategienfür die Langzeitarchivierung für eine bestimmte Aufgabenstellungzu treffen.Im Rahmen einer durchaus kontroversen Podiumsdiskussion wurdedie Notwendigkeit der stärkeren Verzahnung der Ausbildungsgängebzw. die Schaffung eines gemeinsamen Studienganges dLZA erör-tert.Die nächste DPE/nestor School wird vom 16. bis zum 20. Juni 2008in Staufen/Breisgau stattfinden.24 Bei der Planung zur diesjährigenVeranstaltung wurde darauf geachtet, dass der Tagungsort auch ausSüddeutschland, aus der Schweiz und aus Österreich gut für dieTeilnehmer zu erreichen ist. Das bewährte Konzept mit Lektionenund praktischen Übungen bleibt erhalten, neu eingeführt wird eineZweiteilung: Montag bis Mittwochmittag wird eine Einführung indie dLZA stattfinden. Nach einem allgemeinen Überblick werdendie Themen Metadaten und Standards im Kontext der Archivierungbesprochen. Andere Themen sind File Formats/ Significant Pro-perties, OAIS, Zertifizierung und Auswahlkriterien. Mittwochmittagbis Freitag findet ein Aufbauworkshop zu Speichertechnologien undStrategien der dLZA statt. Fragen nach der Haltbarkeit von Datenträ-gern sollen genauso besprochen werden wie Verfahren zum Refres-hing. Abschließend wird sich eine Lektion mit dem PreservationPlanning beschäftigen. Durch diese Zweiteilung besteht für fortge-schrittene Teilnehmer die Möglichkeit, erst zur zweiten Wochenhälf-te mit einzusteigen. ■

Carmen Kehrberg/Nils Lindenberg/Daniel Metje, Göttingen

5 http://nestor.sub.uni-goettingen.de/winter_school_2007/index.php.6 Das Cyriakusheim in Gernrode nutzt die Räumlichkeiten des ehemaligen

Cyriakusstifts.7 http://nestor.sub.uni-goettingen.de/spring_school_2007/index.php.8 http://nestor.sub.uni-goettingen.de/education/mou.pdf.9 Vertreten durch die Georg-August-Universität Göttingen – Ausführende

Stelle: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.10 Archivschule Marburg; Fachhochschule Köln; Fachhochschule Potsdam;

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH); Hochschu-

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ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

NEUE SUCHMASCHINE INNERHALB DESONLINE-FINDMITTELSYSTEMS DESLANDESARCHIVS BADEN-WÜRTTEMBERG

Google steht für bequemes und zeitsparendes Suchen im Internetund ist jedem Internetnutzer heute ein Begriff. Seit Anfang desJahres 2008 verfügt nun das Landesarchiv Baden-Württemberg übereine Suchmaschine, die Google sehr ähnelt, was die Grundfunktio-nalität betrifft, und auf der Lucene-Technologie basiert. Lucene isteine Open-Source-Java-Bibliothek mit deren Hilfe Text-Indizeserzeugt werden, das heißt Texte in Indexlisten aufgespalten unddurchsucht werden können. Äußerst performante Volltextsuchenüber Texte beliebigen Ausgangsformats sind mithilfe von Luceneimplementierbar. Die Engine sucht nicht einfach nach Zeichenfol-gen, sondern wortorientiert: Wenn also zum Beispiel das Wort„Schule“ als Suchbegriff eingegeben wird, findet sie auch die Einträ-ge mit den Wörtern „Schüler“, „Schülerinnen“ und „Schulen“. DieErgebnisliste wird standardmäßig nach Relevanz der einzelnenSuchergebniseinträge sortiert.

Die Lucene-Volltextsuchmaschine des Landesarchivs Baden-Würt-temberg durchsucht den gesamten Datenpool des Online-Findmit-telsystems, in dem Online-Beständeübersichten und Online-Find-bücher aller sechs Archivabteilungen bereitgestellt werden.Das neue Recherchewerkzeug ist schnell und komfortabel undwurde in seiner Funktionalität den Bedürfnissen des Archivs undder Archivnutzer optimal angepasst. Die Suchergebnisanzeige zumBeispiel ist wesentlich differenzierter als bei Google, sodass beijedem gefundenen Eintrag genau erkennbar ist, an welcher Stelle derarchivischen Systematik dieser angesiedelt ist. Der komplette Inhaltdes Eintrags kann schnell in einem Zusatzfenster eingesehen wer-den.Der Nutzer kann seine Suche nachträglich verfeinern, indem er derSuchanfrage weitere Begriffe hinzufügt. Er kann auch auf frühereSuchergebnisse zurückgreifen. Er kann Archivalieneinheiten in seineLesezeichenliste oder direkt in den Bestellkorb übernehmen usw.Der Hilfetext zur Anwendung enthält weitere Informationen zurFunktionalität des neuen Rechercheinstruments. URL:www.landesarchiv-bw.de/olfsuche. ■

Thomas Fricke, Stuttgart

SCHNELLES UND GEZIELTESRECHERCHIEREN

le für Technik und Wirtschaft Chur; Institut für Bibliotheks- und Informa-tionswissenschaft (IBI) an der Humboldt-Universität zu Berlin; TechnischeUniversität Wien.

11 http://nestor.sub.uni-goettingen.de/handbuch/index.php.12 Vgl. bspw. die DELOS Summer School 2007 (www.dpc.delos. info/ss07/).13 Experten bei der nestor/DPE Winter School 2007: Frank M. Bischoff, Kar-

sten Huth, Gert Klein, Jens Ludwig, Heike Neuroth, Achim Oßwald, An-dreas Rauber, Regine Scheffel, Niklaus Stettler, Stefan Strathmann, AngelaUllmann.

14 Der vollständige Standard ist unter http://public.ccsds.org/publications/ar-chive/650x0b1.pdf zu finden.

15 http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0008-2006060710.

16 http://kopal.langzeitarchivierung.de/ – vgl. auch Altenhöhner, Reinhard:„kopal – ein kooperatives Archivsystem für die Langzeitarchivierung digi-taler Objekte“.

17 www.bundesarchiv.de/aktuelles/fachinformation/00054/index.html.18 www.portico.org.19 www.lockss.org/lockss/home.20 www.archive.org.21 www.nla.gov.au/policy/plan/pandora.html.22 www.bundestag.de/wissen/archiv/index.html.23 www.ifs.tuwien.ac.at/dp/plato/index.html.24 Infos und Anmeldung unter: http://nestor.sub.uni-goettingen.de/summer_

school_2008.

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SYMPOSIUM „FOTOGRAFISCHE BESTÄNDE,KONSERVIERUNG, ERSCHLIEßUNG UNDNUTZUNG – RUMÄNIEN UNDDEUTSCHLAND, 1920–1950“

Die vom Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskun-de in Tübingen und dem Landesarchiv Baden-Württemberg –Staatsarchiv Freiburg konzipierte Fotoausstellung „Brechungen.Willy Pragher: Rumänische Bildräume 1924–1944“ ist nach ihrerErstpräsentation im Juli 2007 auf eine lange Wanderschaft gegan-gen, die nach den derzeitigen Planungen erst Mitte 2009 ihrenAbschluss finden wird. An zahlreichen Stationen im In- und Aus-land wird die Wanderausstellung, zu der ein umfangreicher Begleit-band1 erschienen ist, zu sehen sein. In der rumänischen HauptstadtBukarest konnte die Ausstellung vom 13. bis 30. September imNationalmuseum des Dorfs „Dimitrie Gusti“ präsentiert werden.Mehr als 10.000 Besucher nutzten die Gelegenheit, die historischenAufnahmen Praghers zu sehen, die mit Sympathie und dennochoffenem Blick ein Land und seine Menschen durchleuchten, seinehistorische und topografische Vielfalt, das Neben- und Miteinanderseiner Ethnien und Konfessionen, aber auch das Spannungsverhält-nis von Tradition und Moderne und nicht zuletzt die politischenUmbrüche der Zwischenkriegs- und Kriegszeit dokumentieren.Mit dem 1. Januar 2007 und dem Beitritt Rumäniens und Bulgarienszur Europäischen Union ist der europäische Integrationsprozess ineine neue Phase eingetreten. Der Donauraum ist nach Europazurückgekehrt und mit ihm das Bewusstsein von den vielfältigen,historisch gewachsenen kulturellen, politischen wie wirtschaftlichenBeziehungen, die die Länder entlang des Flusslaufs miteinanderverbinden – vom Ursprung im baden-württembergischen Schwarz-wald bis zur Mündung ins Schwarze Meer im rumänischen Donau-delta.Baden-Württemberg hat früh erkannt, welche Bedeutung die Zu-sammenarbeit mit den Staaten Südosteuropas für unser Land besitztund beispielhafte Aktivitäten für ein Gelingen des europäischenIntegrationsprozesses entfaltet. Bereits seit dem Jahr 2002 bestehteine offizielle Zusammenarbeit im Kulturbereich zwischen Rumäni-en und dem Land Baden-Württemberg, aus der sich viele gemeinsa-me und grenzüberschreitende Projekte im Kunst-, Kultur- undMusikbereich entwickelt haben.Die Pragher-Ausstellung, die noch an mehreren Orten in Rumäniengezeigt werden wird, ist das jüngste Glied in der beeindruckendenReihe baden-württembergisch–rumänischer Kulturaustauschveran-staltungen. Sie führt eine breite Öffentlichkeit in Rumänien wie imdeutschsprachigen Raum auf eine überraschende Entdeckungsreisein die Vergangenheit, indem sie Stereotypen unserer Wahrnehmungaufbricht, sie infrage stellt und damit Anstoß gibt zu einer Identität

stiftenden Auseinandersetzung mit und über den neuen Partner inder europäischen Völkerfamilie.Sie ist zugleich ein gelungenes Beispiel, wie sich aus einem Präsenta-tionsprojekt ein grenzüberschreitender wissenschaftlicher Diskursentwickeln kann und ein Forum des Austauschs entsteht, auf demfachliche Probleme und Lösungsansätze aus unterschiedlichenPerspektiven vorgestellt, betrachtet und diskutiert werden.Dies war die Absicht eines archivwissenschaftlichen Symposiums,das gemeinsam vom rumänischen Kulturministerium, dem rumäni-schen Nationalarchiv und dem Landesarchiv Baden-Württembergam 25. September 2007 im Museum des rumänischen Dorfs inBukarest veranstaltet wurde. Mit dem Thema „Erhaltung,Erschließung und Präsentation fotografischer Quellen. Beispiele ausBaden-Württemberg und Rumänien“ griff es dabei einen Komplexauf, der zunehmende Bedeutung in den historischen Disziplinen wieauch der Archivwissenschaft gewinnt. Fanden Abbildungen langeZeit als bloße Illustrationen Verwendung im wissenschaftlich-historischen Diskurs, ist heute – auch unter dem Einfluss bedeuten-der Fotoausstellungen in der Vergangenheit – der eigenständigeQuellenwert von Fotografien und anderen medialen Darstellungs-formen vollkommen unbestritten. Die Vermittlung der Wirklichkeitgeschieht medial – wir können es täglich erleben; was wir von derWelt wissen, wissen wir über die Medien und die von ihnen trans-portierten Inhalte.Dies stellt die professionellen Manager des Gedächtnisses unsererGesellschaft, die Archivarinnen und Archivare, vor neue Herausfor-derungen. Zu den Aufgaben der Überlieferungssicherung, derErschließung und Zugänglichmachung der traditionellenGeschichtsquellen kommt die Aufgabe der Überlieferungssicherungmedialer Quellen hinzu.Eröffnet wurde das Symposium durch die Leiterin des NationalenDorfmuseums Frau Professor Dr. Paula Popoiu. Grußworte sprachender Staatssekretär im Ministerium des Innern und der Verwaltungs-reform Dr. Marin Patuleanu, der Generaldirektor des Kulturministe-riums Dr. Stefan Nitulescu und der Staatssekretär im Ministeriumfür Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Würt-temberg Dr. Dietrich Birk. Alle drei begrüßten einhellig diese ge-meinsame Initiative, ermunterten die beiden Archivverwaltungen zuweiterer fachlicher Zusammenarbeit und gegenseitigem Austauschund sicherten ihre Unterstützung für derartige Aktivitäten zu.Das Symposium wurde Professor Dr. Costin Fenesan vom rumäni-schen Nationalarchiv in gekonnter Weise moderiert. Dr. OttmarTrasca von der Universität Cluj-Napola (Klausenburg) hielt denEröffnungsvortrag, der sich mit den rumänisch-deutschen Beziehun-

FACHLICHER AUSTAUSCHBADEN-WÜRTTEMBERGISCHERUND RUMÄNISCHER ARCHIVARE

1 Kurt Hochstuhl und Josef Wolf (Bearb.): Brechungen. Willy Pragher:Rumänische Bildräume 1924–1944. Jan Thorbecke Verlag Stuttgart 2007.

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gen in der Kriegszeit befasste. Im Fokus seines Beitrags standen dieSS- und Polizeiattachés bei der reichsdeutschen Botschaft in Buka-rest, die ihre jeweils eigene Note in diesen Bereich einbrachten, ohneallerdings den vorgegebenen Rahmen auszudehnen oder gar zusprengen.Im Anschluss daran sprach Wolf Buchmann, ehemaliger Abteilungs-präsident des Bundesarchivs, über den „Wert und die Bedeutung derFotografie als Geschichtsquelle“. In der Diskussion um die Authen-tizität von Fotografien plädierte Buchmann für die Anwendung derMethoden der klassischen historischen Hilfswissenschaften fürschriftliche Quellen auf das audiovisuelle Material, wobei derProvenienz der Unterlagen zentrale Bedeutung zukommt. Vor jederAuswertung von fotografischen Quellen müsste der Kontext ihrerEntstehung, ihrer Nutzung und ihrer Überlieferungsgeschichteerhellt werden. Mit Handlungsanleitungen für die Sicherung vonFotografien als Quelle schloss der Vortrag, der auf großes Interessevonseiten der rumänischen Kolleginnen und Kollegen stieß.Der Beitrag „Blick nach Südosten. Bildsammlungen deutscherRumänienfotografen, 1918–1944“ von Josef Wolf vom Institut fürdonauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingenwidmete sich den Fotografen und Bildjournalisten, die das Rumäni-en-Bild in der deutschen Öffentlichkeit der Zwischenkriegszeitprägten, und fragte nach dem Verbleib ihres fotografischen Werks.Im Mittelpunkt standen Fotokünstler wie Kurt Hielscher, ErichRetzlaff und Willy Pragher, die in den großen Illustrierten veröffent-lichten und durch Sammel- und Fotobildbände hervorgetreten sind.Das verstärkte fotografische Interesse an Rumänien seit den ausge-henden 1930er-Jahren wurde in engem Zusammenhang mit derExpansionspolitik des Deutschen Reichs betrachtet. Vor allem nachdem Kriegseintritt Rumäniens sollte Bildpropaganda helfen, denverbündeten Staat enger an das „Reich“ zu binden. Dies wurde amWerk von Berufsfotografen wie Korbinian Lechner, Liese Purper undErika Schmachtenberger, aber auch Willy Pragher veranschaulicht.

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Staatssekretär Dr. Dietrich Birk bei der Besichtigung derAusstellung in Bukarest (von links: Dr. Kurt Hochstuhl,Joachim Uhlmann vom Ministerium für Wissenschaft,Forschung und Kunst Baden-Württemberg,Professor Dr. König vom rumänischen Kulturministerium,Martin Rill vom Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm,Heinz Baumann vom Landesarchiv Baden-Württemberg,Staatssekretär Dr. Dietrich Birk).Aufnahme: Landesarchiv StAF

Neben Daten zur Berufstätigkeit und den thematischen und fo-toästhetischen Merkmalen ihres fotografischen Werks und ihrerRumänien-Bilder wurde auf Bildsammlungen und Dokumentati-onsbestände in deutschen Archiven hingewiesen, die Bilder derbetreffenden Fotografen verwahren.Das Online-Fotoinventar des Landesarchivs Baden-Württembergstellte Professor Dr. Konrad Krimm vom Landesarchiv Baden-Württemberg – Generallandesarchiv Karlsruhe vor. Das Inventarpräsentiert die Fotobestände und -teilbestände der Staatsarchive ineiner eigenen, auf das ganze Land bezogenen Systematik und ver-knüpft sie zugleich mit den Online-Beständeübersichten der einzel-nen Häuser. Auch wenn das Online-Fotoinventar nach außen, in dieÖffentlichkeit seine Wirkung entfalten soll, darf der „interne“Zugewinn bei der Erstellung des Inventars, bei der Beschreibung derBestände, ihrer Geschichte und ihres konservatorischen Zustandsnicht gering geschätzt werden.Dr. Christoph Strauß vom Landesarchiv Baden-Württemberg –Staatsarchiv Freiburg gab einen Einblick in die Erschließung derfotografischen Sammlungen des Archivs. In seinem Vortrag skizzier-te er die Bedingungen, unter denen Bildbestände als Quellen zunutzen sind. Neben der Zusammenführung von Bildern und ihrerKontextualisierung hinsichtlich Entstehungszweck, -zeitpunkt undAuftraggeber, werden heute neue Anforderungen an deren Präsenta-tion gestellt. Die ubiquitäre Zugänglichkeit und die sofortige Verfüg-barkeit der Bildquellen sind dabei Qualitätsmerkmale, die auch dieNutzung und damit die Verwendung der Bilder im öffentlichenRaum wesentlich beeinflussen. Am Beispiel der FotosammlungPragher demonstrierte Strauß den aufeinander abgestimmtenWorkflow von Konservierung, Erschließung und Online-Präsentati-on. Zu Recht verwies er auf die vielfältigen Nutzungsperspektiven,die sich aufgrund der leichten Zugänglichkeit der Bilder für unter-schiedliche Projekte im Medienbereich und Bereich der archivischenBildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ergeben haben.

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Der Leiter der Kreisdirektion Brasov des Nationalarchivs Dr. Bog-dan-Florin Popovici berichtete anschließend seine Erfahrungen beider Erschließung der Glasplattensammlung des Kreisarchivs Brasov.Die mehrere Tausend Platten umfassende, bis ins 19. Jahrhundertzurückreichende Sammlung wurde von ihm mit einer eigenenDatenbankanwendung inhaltlich und formal beschreibend erschlos-sen. Da diese nicht den nunmehr geltenden Standards für denAustausch von fotografischen Erschließungsdaten entspricht, fehltdieser Insellösung die Anbindung an die mediale Welt.Ana Plesia von der Rumänischen Nationalbibliothek, Dr. PaulinaPopoiu vom Museum des rumänischen Dorfs „Dimitrie Gusti“ undLaura Niculescu vom rumänischen Nationalarchiv stellten dieFotosammlungen ihrer Häuser vor. Alle verfügen über große Samm-lungen, die vielfältige Aufschlüsse zur Geschichte Rumäniens, seinerhistorischen Räume und Ethnien geben, die aber noch weitgehendeiner zeitgemäßen Erschließung harren.In der sehr lebhaften Diskussion, die sich auch mit dem Fälschenvon Fotos und damit mit Fragen der Quellenkritik befasste, standendie Probleme der Erschließung und der Digitalisierung von Fotobe-

ständen im Vordergrund. Deutlich artikulierten die rumänischenKolleginnen und Kollegen ihren Wunsch, den mit dem Symposiumbegonnenen fachlichen Austausch auf die Ebene der praktischenArchivarbeit auszudehnen. Praktika, gemeinsame Workshops undweitere Fortbildungsveranstaltungen wurden dabei als wünschens-wert genannt. Der Präsident des Landesarchivs Baden-WürttembergProfessor Dr. Robert Kretzschmar hatte bereits anlässlich der Eröff-nung der Pragher-Ausstellung im September 2007 im rumänischenNationalarchiv Gespräche über Grundlagen und Möglichkeiten desAusbaus der archivfachlichen Beziehungen geführt und die Bereit-schaft des Landesarchivs dafür signalisiert.Die Chancen stehen also gut, dass das erste rumänisch–baden-württembergische Archivsymposium Auftakt einer intensivenZusammenarbeit zwischen den beiden Kulturgut verwahrendenInstitutionen war, die damit ihren Teil zur kulturellen Zusammenar-beit der beiden Länder auf europäischer Ebene leisten. ■

Kurt Hochstuhl, Freiburg im Breisgau

CONFÉRENCE INTERNATIONALEDE LA TABLE RONDE DESARCHIVES (CITRA)40. TAGUNG 2007 IN QUÉBEC (KANADA)

Einmal im Jahr, zumeist im November, versammeln sich Archivarin-nen und Archivare aus aller Welt an immer wechselnden Orten zursog. CITRA, die vom Internationalen Archivrat (ICA) veranstaltetwird. Traf man sich im Jahr 2006 im warmen Curacao, fand dieTagung 2007 im kühlen Kanada, in der Stadt Québec statt. „Amrunden Tisch“ kommen neben den ICA-Funktionären die Leitungender Nationalarchive und als zweitgrößte Gruppe Vertreterinnen undVertreter der Archivverbände zusammen, insgesamt etwa 250 bis 300Teilnehmende, die ca. 65 bis 70 Staaten repräsentieren.Die Tagung steht immer unter einem Rahmenthema. Die Veranstal-tung einer Fachtagung mit dem Ziel, archivische Themen internatio-nal diskutieren zu können, ist jedoch nicht der einzige Zweck.Vielmehr geht es auch darum, ein regelmäßiges Forum für dieFunktionäre und die Mitglieder des ICA zu haben, dessen Ge-schäftsstelle in Paris sitzt. Einen Weltverband mit ca. 1.400 institutio-nellen Mitgliedern in 190 Staaten sowie 200 persönlichen Mitglie-dern zu lenken, ist eine große Herausforderung, wenn man vorallem auch die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in deneinzelnen Mitgliedsstaaten bedenkt. Während Archivarinnen undArchivare in den reichen Industrieländern beispielsweise Konzeptezur Archivierung digitaler Informationen entwickeln, dominiert inmanchen afrikanischen Ländern die absolute Mangelverwaltungden Arbeitsalltag. Der Wert des persönlichen Erfahrungsaustausches

am Rande einer solchen Tagung kann nicht hoch genug eingeschätztwerden. Vor allem Kolleginnen und Kollegen aus ärmeren Ländernsind an einem regen fachlichen Austausch interessiert, aber auch anAustauschprogrammen, die ihnen Auslandsaufenthalte mit vielfälti-gen Archivbesuchen ermöglichen. Spezielle Archivausbildungenmüssen z.T. im Ausland absolviert werden, was jedoch nur durchfinanzielle Unterstützung reicher Industriestaaten möglich ist.Weltpolitik scheint sich auch in diesem überschaubaren Kreiswiderzuspiegeln. So verlor die scheinbar weit entfernte Tagespolitik,die zumeist die erste Seite der Tageszeitung beherrscht, ihre Distanz,als ich die israelische Kollegin fragte, warum sie 2005 nicht an derTagung in Abu Dhabi teilgenommen hat: Niemand konnte undwollte in dem arabischen Land für ihre Sicherheit sorgen.Das jährliche Rahmenthema für die Tagung muss aufgrund derstark differierenden Ausgangsbedingungen in den Teilnehmerstaatennaturgemäß weit gefasst sein. Die Auswahl des Rahmenthemas fürdie Tagung in Québec „Cooperation to Preserve Diversity“ (Koope-ration zur Wahrung der Vielfalt) stand in enger Verbindung zumGastgeberland Kanada. Im Mittelpunkt der kanadischen Beiträgeder ersten Arbeitssitzung stand die institutionelle Zusammenlegungvon Bibliothek und Archiv. Aufgrund der besonderen politischenKonstellation zwischen Kanada und der mit großer Selbstständigkeitausgestatteten Provinz Québec erfolgte 2004 die Zusammenlegungvon Nationalbibliothek und Nationalarchiv des Staates Kanadaunter Leitung von Ian Wilson und 2006 die Vereinigung der beidenInstitutionen der Provinz Québec unter Leitung von Lise Bisonnette.

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aufdrängen musste, ob es überhaupt noch etwas gibt, was dieDisziplinen Archiv, Bibliothek und Museum im Hinblick auf Auftragund Aufgabenwahrnehmung unterscheidet! Bei der CITRA ist esüblich, dass die Arbeitsergebnisse gegen Ende der Fachtagung inForm von allgemeinen Resolutionen zusammengefasst werden.Hierzu gibt es jeweils von Veranstalterseite einen Vorentwurf. Dieserwird dann im Plenum so lange diskutiert, bis eine allseits einver-nehmliche englische und französische Formulierung gefunden ist.Der Resolutionsentwurf zur Kooperation zwischen Archiven, Biblio-theken und Museen ruft zur Zusammenarbeit auf, aus Effizienz-gründen und im Sinne einer besseren Kundenorientierung. DerVorschlag der Vertreterin des Bundesarchivs, Angelika Menne-Haritz, die bei der Kooperation die Spezifika der einzelnen Diszipli-nen gewahrt wissen will, wurde rasch angenommen. Dieser Aspektfand in den einzelnen Redebeiträgen zu wenig Beachtung. Ob es sichdabei um eine spezifische deutsche Sichtweise handelt – andereStaaten differenzieren hier möglicherweise weniger – bleibt dahinge-stellt.Anknüpfend an die erste Arbeitssitzung sollten in der dritten undletzten Arbeitssitzung Perspektiven einer Kooperation zwischenArchiven, Bibliotheken und Museen aufgezeigt werden. John VanOudenaren (Library of Congress, Washington) präsentierte dasProjekt „World Digital Library“ (www.worlddigitallibrary.org), PerryMoree (Koninklijke Bibliotheek, NL) die “European Digital Libra-ry” (www.theeuropeanlibrary.org). Beide Projekte stellen einenInformationspool zur Verfügung, der sich aus verschiedenstenQuellen speist, Bibliotheksgut, aber auch Archivgut. Beide Projektefaszinieren in ihrer Konzeption, aus archivfachlicher Sicht kommenjedoch Bedenken auf, wenn Archivgut ohne weitere Kontextinforma-tionen in einen bunt gemischten Quellenpool gestellt wird, bei demman sich auch die Frage stellt, welche Auswahlkriterien zugrundegestellt werden. Perry Moree, der sich immer sehr für eine engereKooperation zwischen Archiven und Bibliotheken eingesetzt hat,bringt es auf eine einfache Formel: Benutzerinnen und Benutzerwollen Zugang zu Quellen haben, egal woher sie kommen. Unddiesen Zugang finden sie über ein solches Portal. Werden Archive imMedienzeitalter überhaupt noch in der Lage sein, Benutzerinnenund Benutzer von dem Vorteil einer strukturierten Archivrechercheetwa in Archivportalen zu überzeugen? Spätestens an diesem Punktmacht es wieder Sinn, im Zuge der Kooperation mit anderen Spar-ten, auf archivspezifische Verfahrensweisen zu verweisen, die Archi-valien nun einmal mit sich bringen.Bei aller Diskussion über spartenübergreifende Kooperationenverwundert es allerdings, dass der kanadische Archivarsverband undder Verband der Provinz Québec kaum Kontakte miteinanderpflegen. Zu groß ist immer noch die Kluft zwischen der französisch-sprachigen Provinz Québec und dem englischsprachigen Kanada!Die zweite Sitzung thematisierte eine andere Form der Kooperation,nämlich die zwischen Archiven und Registraturbildnern zur Verbes-serung des Informationsmanagements. Praxisnahe Erfahrungsbe-richte aus Deutschland (Angelika Menne-Haritz), Frankreich (Marti-ne de Boisdeffre), den USA (Michael Kurtz) und Malaysia (SidekJamil) thematisierten insbesondere die Modernisierung der Verwal-tung durch elektronische Aktenverwaltungssysteme unter Einbezie-hung der Archive.Seit Jahren werden Forderungen nach Reformen seitens der Mitglie-der, vor allem der Vertreterinnen und Vertreter der Archivfachver-bänden (Section of professional associations – SPA), innerhalb desICA laut. Eine stärkere Einbeziehung der Mitglieder in Fachdiskus-

Wilson und Bissonnette warben mit den Vorteilen einer solchenZusammenlegung, indem sie besonders die Kundenfreundlichkeiteiner solchen Einrichtung und insgesamt eine Neuorientierung mitdem Ziel einer Breitenwirkung unter Ausnutzung moderner Kom-munikationstechnologie hervorhoben. Zu diesem Konzept gehörenauch Vermarktungsstrategien, die Streuung modern gestalteterWerbemittel, ein Weg, der in Deutschland nur sehr allmählichbeschritten wird. Allerdings wurde aus den Erfahrungsberichtenauch deutlich, dass nicht nur fachliche Argumente für die Fusionsprachen, sondern auch Rationalisierungsgründe maßgeblich für dieEntscheidung waren.Zu Wort kamen auch Vertreterinnen und Vertreter von Museen undBibliotheken, so etwa der Niederländer Sjoerd Koopman von derInternational Federation of Library Associations and Institutions(IFLA), das bibliothekarische Pendant zum ICA, eine starke Vereini-gung, die weltweit mehr als 1 Million Bibliotheken und 690.000Bibliothekarinnen und Bibliothekare vertritt, und hinter der nachseinen Angaben ca. 1,1 Billionen Nutzende stehen. Er hob die Bedeu-tung der Bibliotheken für die weltweite Verbreitung von Wissen undInformation hervor, betonte jedoch gleichzeitig auch die Notwendig-keit der Kooperation von Bibliotheken und Archiven. Sina Ah Poe,Geschäftsführerin der Pacific Islands Museums Association inSamoa, berichtete über den Aufbau eines historischen Museums fürSamoa. Parallel dazu lief ein weiteres Projekt mit dem Ziel, einNationalarchiv aufzubauen, das jedoch mit erheblichen Schwierig-keiten behaftet war. Obwohl erste Aktivitäten bereits 2001 begannen,als in der Bibliothek Räume zur Aufbewahrung von Archivgut zurVerfügung gestellt worden waren, ist das Archiv bis heute noch nichtoffiziell eröffnet. Die Schwierigkeiten, die sich dem Projekt in denWeg stellten, waren vielfältiger Art: fehlende Unterstützung, Raum-not, der hohe Anteil an mündlicher Überlieferung und die Vielspra-chigkeit der Quellen.Das Thema der spartenübergreifenden Kooperation im Zuge vonProjekten oder gar institutionell organisierte Zusammenlegungenbestimmte die erste Arbeitssitzung. Gute Gründe wurden genannt,etwa ähnliche Zielsetzungen bei der Wahrung des kulturellen Erbesund seiner Vermittlung in der Öffentlichkeit. Es blieb teilweisejedoch ein ungutes Gefühl, da manche Aussagen doch sehr pauschalformuliert waren und sich aufgrund der Darstellungsweise die Frage

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Erfahrungsaustausch am Rande einer Exkursion

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sionen soll im Rahmen der CITRA dadurch erzielt werden, dassDiskussionszirkel zu archivischen Schwerpunktthemen angebotenwerden. Die Diskussion in der Gruppe „Welche Kompetenzenbenötigt der Archivar / die Archivarin von heute?“ wurde sehrengagiert geführt. Verständnisschwierigkeiten sind nicht immer aufeinen mangelnden französischen oder englischen Vokabelschatzzurück zu führen. Vielmehr fehlt leider häufig das Wissen über dieVerhältnisse vor Ort, über politische Verhältnisse, darüber, wieVerwaltung arbeitet etc. Nach mehrstündiger Diskussion undausbleibender Einigung musste leider festgestellt werden, dassallgemeinverbindliche Thesen aufgrund der mehr als unterschiedli-chen Verhältnisse in den einzelnen Staaten nicht formuliert werdenkonnten. Die Vertreterinnen und Vertreter wurden vielmehr aufge-fordert, in ihren Ländern eine Berufsbilddiskussion anzustoßen. EinKurzbericht über die Ansätze der Berufsbilddiskussion, die inner-halb des VdA derzeit in Deutschland geführt wird, wurde mitgroßem Interesse und der Bitte um Austausch aufgenommen.Am Ende der Tagung steht regelmäßig die Generalversammlung, inder Deutschland im vergangenen Jahr durch Angelika Menne-Haritz(Bundesarchiv), Manfred von Boetticher (alternierender Länderver-treter) und Katharina Tiemann (VdA) vertreten wurde. Dauerthe-men sind seit Jahren die Reformierung des ICA und die Finanzen.Die Modernisierung der Homepage (www.ica.org), die nicht nur derVerbandsdarstellung dienen soll, sondern auch die Fachdiskussiondurch bessere Information und Bereitstellung von Arbeitspapierenanregen soll, ist ebenfalls immer wieder Thema. 2008 scheidet derlangjährige Generalsekretär Joan van Albada aus. Zu seinem Nach-folger wurde bereits David Leitch bestimmt.In 2008 lädt der ICA nicht zur CITRA ein, da vom 21. bis 27. Juli2008 der 16. Internationale Archivkongress in Kuala Lumpur (Malay-sia) unter dem Rahmenthema „Archives, Governance and Develop-ment – Mapping Future Society“ stattfindet, der erstmalig auch voneinem internationalen Tag der Archive flankiert sein soll. In Québecwurde auch bereits die Einladung zum 17. Kongress ausgesprochen.Die australischen Archivarinnen und Archivare erwarten IhreKolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt vom 19. bis 25. August2012 in Brisbane. ■

Katharina Tiemann, Münster

Regierungsviertel von Québec

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Auch der zeitliche Rahmen ist weiter gefasst. Der Aufarbeitungsauf-trag umfasst nicht nur die Nachkriegszeit, sondern setzt bereits imJahr 1939 ein und bezieht damit auch die von deutschen und sowjet-ischen Stellen während der Besatzungszeit verübten Verbrechen mitein. So finden sich in den Archiven des IPN auch Bestände deutscherDienststellen der Okkupationszeit (SD, Gestapo, KZ-Verwaltungen,etc.) sowie der sowjetischen Einrichtungen. Die Überlieferung hatzurzeit einen Umfang von ca. 87 km.Während am ersten Besuchstag Struktur, gesetzlicher Rahmen,Aufgaben und Arbeitsweise in verschiedenen Präsentationen vorge-stellt wurden, bot der zweite Tag einen der knappen Zeit geschulde-ten sehr gerafften, aber dennoch außerordentlich informativenEinblick in die verschiedenen Überlieferungen und archivischenArbeitsprozesse beim IPN. Dieses verfügt über moderne Magazinge-bäude und sehr gute IT-Ausstattung. So kommen bspw. auch ausdem kriminalpolizeilichen Ermittlungswesen bekannte Technologi-en zur Analyse schwer lesbarer oder gezielt unbrauchbar gemachterDokumente und Karteikarten zum Einsatz. Um die Auswertung derUnterlagen zu beschleunigen, werden derzeit in einem Großprojektdie zentralen Karteien digitalisiert; die Hälfte, ca. 800 lfm mit 3,2Mio. Datensätzen zu 1,3 Mio. Personen, liegen als Digitalisate vor. Zuerwähnen ist das auffällig junge, sehr motivierte Team (Altersdurch-schnitt bei 35 Jahren). Beachtenswert sind schließlich mehrereQuelleneditionen, die in Zusammenarbeit mit der Ukraine undRussland in einer zweisprachigen Ausgabe realisiert wurden.Die Reise wurde von allen Teilnehmern als sehr interessant, fachlichbereichernd und lebendiger Ausdruck der deutsch-polnischenFreundschaft empfunden. Die Organisation durch die Gastgeberwar vorbildlich, die Atmosphäre war ausgesprochen herzlich undzuvorkommend. Zwischen den Beteiligten wurde daher die Intensi-vierung der Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustausches derArchivbereiche vereinbart. ■

Karsten Jedlitschka, Berlin

1 Ausführliche Informationen zu Struktur, Aufgabe und Geschichte unterwww.ipn.gov.pl.

Am 22./23. November 2007 besuchte eine Delegation der Bundesbe-auftragen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes derehemaligen DDR (BStU) das „Instytut Pamie,ci Naradowej“ – IPN(Institut für Nationales Gedenken) in Warschau. Der Reise war einBesuch einer Gruppe von Archivaren aus Warschau bei der BStU imJuni dieses Jahres vorausgegangen. Insgesamt 21 Mitarbeiter aus derBerliner Zentrale und den Außenstellen in Frankfurt/Oder undLeipzig gewannen einen sehr informativen Einblick in die Arbeit desPolnischen Partnerinstituts, mit dem die BStU seit einigen Jahren inKontakt steht und im Jahr 2005 einen Kooperationsvertrag geschlos-sen hat. Das IPN, im Jahr 1998 durch Errichtungsgesetz begründetund seit 2000 aufgebaut, hat in den vergangenen Jahren einenwichtigen Beitrag zur Erforschung der kommunistischen Vergangen-heit Polens und seines ehemaligen Geheimdienstes sowie der straf-rechtlichen Aufarbeitung der in jenen Jahrzehnten begangenenVerbrechen geleistet.1 Sowohl bei der Ausarbeitung der gesetzlichenGrundlagen als auch bei der organisatorischen Umsetzung hat dieBStU eine wichtige Vorbildfunktion gehabt. Entsprechend verfügtauch das IPN neben der Zentrale über Außenstellen, die sich derBearbeitung auf regionaler Ebene widmen. Allerdings gibt es auchbedeutende Unterschiede. So nimmt das IPN selbst staatsanwaltli-che Aufgaben war, etwa 100 Staatsanwälte mit historischer Zusatz-ausbildung führen aus dem Institut heraus ihre Ermittlungen. Auchim Bereich der Archivbestände gibt es wichtige Unterschiede. ImGegensatz zur BStU, die nach dem Ende der DDR das in großenTeilen vollständige Schriftgut – Archiv wie currente Registratur –des Staatssicherheitsdienstes der DDR übernahm, verblieben inPolen die entsprechenden Unterlagen bei den Geheimdiensten undmilitärischen Einrichtungen. Erst mit dem Aufbau des IPN wurdenab 2000 die einschlägigen Bestände übernommen, auch jetzt nochkommen stetig neue Abgaben hinzu. Da die Behörden ausreichendZeit für Auswahl und Vernichtung hatten, bestehen in der Überliefe-rung in bestimmten Bereichen große Lücken, wie beispielsweise zurÜberwachung der Solidarnosc in den 1980er Jahren. Schätzungengehen vom Verlust von bis zu 50 % der operativen Unterlagen aus. Inmanchen Distrikten ist die komplette Überlieferung vernichtetworden, wie etwa in Breslau. Dafür ist der Archivierungsauftrag desIPN weiter gefasst als bei der BStU. Es werden alle thematischeinschlägigen Akten übernommen, also nicht nur aus dem Bereichder Geheimdienste, sondern auch aus dem Ministerium des Innern,von Polizei und Grenzschutz, aus dem Verteidigungsministerium,von militärischen Einrichtungen (Generalstab, Abwehrdienste,Militärgerichte, paramilitärische Organisationen), aus dem Justizmi-nisterium (v. a. Gefängnis- und Gerichtsakten), sowie Unterlagen derStaatsanwaltschaften. Darüber hinaus werden Nachlässe archiviert.

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ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

DELEGATION DER BSTU BEIM IPNIN WARSCHAU

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ARCHEIONHrsg. von der Naczelna Dyrekcja Archiwów Panstwowych[Generaldirektion der polnischen Staatsarchive]. Bde. 105(2003), 106 (2003), 107 (2004), 108 (2005). ISSN 0066-6041

Der Band 105 (2003) von Archeion behandelt Aspekte der Archivars-ausbildung in Polen. Damit soll nach den einleitenden Bemerkungender Generaldirektorin der polnischen Staatsarchive, Daria Nale,cz,die Diskussion zu diesem für das beginnende 21. Jahrhundertzentralen Problem unter den Vertretern der wissenschaftlichenOrganisationen wie auch des Ministeriums für Erziehung angeregtwerden. Am Anfang steht die Frage, ob die Archivistik eine neueoder alte Disziplin der Wissenschaft ist. Dahinter verbirgt sich derStreitpunkt, ob die Archivwissenschaft weiterhin ein Spezialbereichdes historischen Studiums bleiben oder eine eigene Disziplin wie dieBibliothekswissenschaft oder Informatik werden soll. Hier wird derzweiten Option als der fortschrittlicheren und offeneren für dieAufgaben der Zukunft der Vorzug gegeben, weil sie den künftigenArchivaren die Chance bietet, an der globalen Debatte über dieBelange ihres Faches teilzunehmen. Um diesen Weg erfolgreich zubeschreiten, müssen die Studenten die Wahlmöglichkeit haben,darüber zu entscheiden, ob sie Historiker mit archivalischer Speziali-sierung oder Archivare mit der Spezialisierung im Records Manage-ment sein wollen. Eine vom kanadischen Professor Carol Couturein 70 Ländern durchgeführte Fragebogenaktion zu diesem Themahat ergeben, dass sich die Mehrheit der Befragten für die zweiteVariante ausgesprochen hat. In Polen steht indes bei aller Aufge-schlossenheit gegenüber den Problemen der Zukunft die unter-schiedliche Archivarsausbildung an den einzelnen Universitäteneiner raschen Verwirklichung dieses Vorhabens im Weg. In denJahren 1951 bis 1961 bildete nur die Thorner Universität Archivare inPolen aus. Danach folgten Breslau, Danzig, Lublin, Posen, Kattowitz,Warschau und Krakau als Ausbildungsstätten für diese Disziplin.Erst am Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Einrichtung einerSpezialdisziplin der Archivistik in Verbindung mit den Erfordernis-sen des Records Managements immer dringender postuliert, was aufdem polnischen Archivtag 2002 in Stettin zur Diskussion überfolgende drei Optionen führte: 1. Beibehaltung des Status quo, d. h.die Behandlung des Archivwesens im Bereich der historischenWissenschaften, 2. zwei Spezialisierungen innerhalb des Instituts fürGeschichte, von denen die eine die traditionelle Arbeit an histori-schen Beständen und die andere die Moderne, d. h. elektronischeDokumentationsverwaltung im Rahmen der Informationssystemedes Records Management betrifft, 3. Bestreitung der Verbindungenzwischen Archivwissenschaft und Geschichte und Errichtung einerübergreifenden Universitätsstruktur unter Einbeziehung unter-schiedlicher Fachrichtungen wie des Bibliothekswesens und derInformatik. Die Befürworter eines interdisziplinären Modells derArchivarsausbildung in Polen stellen die Vorteile einer breiterenInformation der Studenten zu den künftigen Belangen und Aufga-ben ihres Faches heraus, die die benachbarten Disziplinen mitberühren und eine engere Verbindung zwischen der praktischenTätigkeit und theoretischen Reflexion erfordern. Im akademischenJahr 2001/2002 gab es 11 Hochschulen in Polen, die etwa 1.200Studenten im Spezialbereich Archivistik ausbildeten und dafür 24Professoren und 46 Doktoren als Lehrpersonal einsetzten. An derSpitze lag die Universität Thorn mit 314 Studenten, gefolgt von denHochschulen in Breslau und Lublin. Erwähnenswert ist, dass nunauch private Akademien wie die in Wloclawek Archivare ausbilden.Das archivalische Spezialstudium an den einzelnen Universitäten

weist aufgrund unterschiedlicher Unterrichtsschwerpunkte erhebli-che Schwankungen in der Studiendauer (Thorn und Lublin 10,Breslau 6, Danzig 4 Semester) auf. Eine radikale Veränderung in derArchivarsausbildung bedeutete die Einführung eines besonderenLehrgangs in Archivwissenschaft und Records Management an derThorner Universität, der den zeitlichen Umfang des dortigen Fach-studiums auf insgesamt 900 Stunden erweiterte. Weitere Artikel desBandes befassen sich mit der wachsenden Bedeutung von Doku-mentenmanagement und elektronischer Archivierung für diezukünftigen Aufgaben der polnischen Archivare, der Erfassung undAufbewahrung ephemerischer Dokumente wie Theaterzettel, Plakateund Flugblätter in den Archiven und mit den Problemen der Bewah-rung des digitalen Erbes. Erstmalig werden in dieser Nummer vonArcheion die im Jahr 2002 von der Generaldirektion der Staatsarchi-ve in Warschau erlassenen zentralen Anordnungen und Entschei-dungen abgedruckt, darunter die Bestimmung zur Einrichtung vonBehördenarchiven in staatlichen Organisationseinheiten und sol-chen der territorialen Selbstverwaltung.Das Zentralthema des Bandes 106 (2003) ist die Rückgabe vonKulturgütern. Die Analyse von Verträgen und ihre Ausführung inden letzten 150 Jahren lassen den Schluss zu, dass territoriale Abtre-tungen und die Auflösung eines multinationalen Staates die Not-wendigkeit zur Ergreifung bestimmter Maßnahmen im Bereich deskulturellen Erbes begründet haben. Einer der frühesten Belege dafürist der österreichisch-italienische Friedensvertrag von 1866, der fürden Austausch von Kulturgütern das Kriterium der territorialenBindung festgesetzt hat. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkriegkam es zu weiteren Aufteilungen oder Abgaben von Kulturgütern,wobei der Grundsatz der Staatensukzession zunehmend an Bedeu-tung gewann. Nach polnischer Auffassung bedeutet dieses Prinzip,dass die Kulturgüter eines an einen anderen Staat abgetretenenGebiets in dessen Besitz übergehen, wobei zwischen den Begriffen„Repatriation“ und „Restitution“ unterschieden werden muss. Sobedeutet der Erstere die Rückkehr kultureller Güter zur „Patria“, d.h. zum Heimatland, auf dem Weg von Verträgen bei Staatensukzes-sionen und Gebietsabtretungen, während „Restitution“ die Rückga-be geraubter Kriegsbeute an den rechtmäßigen Besitzer beinhaltet.In Bezug auf die Wiener UN-Konvention von 1983 über die Folgenvon Staatensukzessionen für das kulturelle Erbe der davon betroffe-nen Länder, die bisher nicht umgesetzt worden ist, formuliert diepolnische Seite die These der territorialen Pertinenz oder Provenienzvon Kulturgütern nach dem Grundsatz „Quod est in territorio, estetiam de territorio“. Bei der Veränderung staatlicher Grenzen teilendie Archive das Schicksal ihres Verwahrungsortes und gehörendessen neuem Besitzer. Archivalien, die Territorien beiderseits derneuen Grenze betreffen, verbleiben dem Staat, auf dessem Gebiet sieverwahrt werden. In einigen Fällen ist auch der gemeinsame Besitzsolcher Archivalien oder ihre Rückgabe an den vormaligen Besitzermöglich, wenn sie eine engere Bindung an dessen Gebiet als an dasdes Nachfolgestaates haben, auf dessen Territorium sich ihr neuerVerwahrungsort befindet. Alle in der Vergangenheit aus den abgetre-tenen Gebieten weggeführten Archivalien sind zurückzugeben,wobei der Zeitpunkt keine Rolle spielt. Ein weiterer Artikel schildertdas Schicksal von drei slavischen Bibliotheken, der Turgenjev-,Ukrainischen und Polnischen Bibliothek in Paris, deren kostbareSchätze im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten konfis-ziert und bei Kriegsende von den Russen in die Sowjetunion ver-bracht worden sind. Von besonderem Interesse sind die Ausführun-gen über das Schicksal polnischen Archivguts in den östlichenGebieten der Zweiten Republik (1939-1945) [Gemeint ist damit der

LITERATURBERICHTE

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portal entwickelt, das unter ap.gov.pl die Verbindung zu anderenStaatsarchiven herstellt. Daneben findet sich eine Liste von Bestän-den einzelner Staatsarchive, die im Internet dem Geschichtsunter-richt zugänglich gemacht werden. Das Programm und die Perspekti-ven einer polnischen virtuellen Wissenschaftsbibliothek wie auchdie Problematik von Computersprachen zur Nachforschung inArchivbeständen sind weitere Beispiele für die Vielfalt der hierbehandelten Themen. Beachtung verdienen auch die Ausführungenüber neue Richtungen der Archivarsausbildung im elektronischenZeitalter. Hinweise zu Polonica in der kanadischen Nationalbiblio-thek, im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg und im ukrainischenBezirksarchiv Iwano-Frankowsk runden den informativen Band ab.Das Generalthema von Band 108 (2005) ist einem weiteren zentralenBereich des Archivwesens, der Konservierung von Schriftgut gewid-met. Zunächst werden neue Tendenzen zur Sicherung und Erhal-tung von Archivbeständen beleuchtet. Im letzten Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts kam es hier vor allem wegen der zunehmenden Kostenzu einem radikalen Umdenken. Anstelle des bisherigen Kriteriums,in erster Linie wertvolle Dokumente zu schützen, richtete man nundas Augenmerk auf die Bewahrung ganzer Bestände vor dem dro-henden Zerfall. Ein wirksames Instrument zur Verhinderung diesesProzesses ist die Massenentsäuerung von Schriftgut aus der Zeitnach 1850, das stark holzhaltig ist und durch Zugabe säurehaltigerSubstanzen sich allmählich selbst zersetzt. Zuerst wurden in derWarschauer Nationalbibliothek und in der Krakauer JagiellonischenBibliothek Entsäuerungsanlagen der Firma Neschen installiert. InKürze sollen zur Verwendung für die polnischen Staatsarchivederartige Anlagen in Warschau, Gdingen und Kattowitz eingerichtetwerden. Des Weiteren wird an die Produktion des sogenannten„archivalischen Papiers“ gedacht, das sich durch höchste Festigkeitund Lebensdauer auszeichnet und der Norm PN-ISO 11108 ent-spricht. Im Folgenden werden die Ziele und Aufgaben des langjähri-gen Regierungsprogramms der Massenentsäuerung bedrohterpolnischer Bibliotheks- und Archivbestände beschrieben. Es siehtdie Errichtung zentraler Laboratorien für Studien zum Papierzerfall,die Schulung von Chemikern, die Untersuchung mikrobiologischerProbleme und die Vernetzung von Entsäuerungsanlagen im ganzenLand vor. Von dem von der Warschauer Generaldirektion entwickel-ten Programm „Säurehaltiges Papier“ sind von den 38 gestelltenAufgaben bereits 13 erfüllt, 12 befinden sich in der Bearbeitung und13 sind noch nicht in Angriff genommen worden. Ein nach derStanford-Methode durchgeführtes Pilotprojekt im Archiv der Haupt-stadt Warschau hat ergeben, dass die Papierqualität von 30 Prozentder dortigen Bestände gut und von 40 Prozent schlecht ist. Analysenim Staatsarchiv Allenstein ergaben für 50 Prozent gute und befriedi-gende Ergebnisse, etwa 20 Prozent bedürfen einer konservatorischenBehandlung, und 30 Prozent können wegen ihres schlechten Zustan-des den Benutzern überhaupt nicht vorgelegt werden. Ein zweiterthematischer Block behandelt die Konservierung von Fotografiennach dem Programm SEPIA, die Katalogisierung fotografischerSammlungen, die fotografische Technologie aus dem 19. und begin-nenden 20. Jahrhundert sowie Konservierungsprobleme im Digitali-sierungsprozess historischer Fotografien. Im Bereich der breitge-fächerten Themenpalette des Bandes finden sich auch Hinweise aufinternationale Standards zur Sicherung audiovisueller Materialien,Auswahlkriterien bei den zur Konservierung bestimmten Archivali-en im Staatsarchiv Allenstein, die Beschreibung der Konservierungund Restaurierung einer mittelalterlichen Handschrift im Staatsar-chiv Thorn, die Vorstellung des Internetforums iFAR zum Informati-onsaustausch unter den polnischen Archivaren sowie eine Würdi-

nach dem Ersten Weltkrieg wiedererstandene polnische Staat]. Aufder Grundlage russischer Quellen, vor allem des Archivhauptamtesdes NKWD, konnten zahlreiche polnische Archivalien ausfindiggemacht werden, die auf das Gebiet der Sowjetunion geschafftwurden und sich jetzt in russischen, weißrussischen und ukraini-schen Archiven befinden. In diesen Unterlagen fanden sich auchAufschlüsse über die infolge der Kriegshandlungen 1941 bis 1944vernichteten polnischen Akten. Besonders schwer traf es die Stadtund den Bezirk Lemberg, wo ein großer Teil des Archivguts bereits1939 von den Sowjets zerstört wurde, während die Deutschenumfangreiche wertvolle Bestände verlagerten, die später gleichfallsder Vernichtung anheim fielen. Der Beitrag über die polnischenKulturgutverluste in den Kriegen mit Schweden im 17. und 18.Jahrhundert und die späteren Bemühungen um ihre Wiedererlan-gung belegen, dass es auch schon in früheren Zeiten Raub vonBibliotheken und Archiven im breiten Maßstab gegeben hat. Sokonfiszierten die Schweden 1626/27 Büchersammlungen preußischerund ermländischer Städte, wovon Braunsberg und Frauenburgbesonders betroffen waren, und teilten die Beute auf zahlreicheLagerungsorte in ihrem Heimatland auf. Noch ärger hausten sie inden beiden folgenden Kriegen in den Ländern der Krone Polen,wofür die Wegführung ganzer Bibliotheken und Archive aus Heils-berg, Frauenburg, Warschau und Posen ein Beispiel ist. Obwohl der1660 geschlossene Friede von Oliva die Schweden zur Rückgabe dergeraubten Kulturgüter an Polen verpflichtete, hielten sie sich nichtdaran. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts konnten 100.000Polonica in schwedischen Beständen verfilmt werden, während diewertvollen Originale nicht herausgegeben wurden. Der Blick auf dieArchive in der Ukraine und in Weißrussland ist ein Zeugnis für daswachsende Interesse der polnischen Archivare am Archivwesen inihren östlichen Nachbarländern, mit denen Polen in der Vergangen-heit häufig eng verbunden gewesen ist. Von Bedeutung für deutscheHistoriker und Familienforscher ist der 2002 in Kielce erschieneneInformator der katholischen Kirchenarchive in Polen. Die ausführli-che Besprechung der neuesten Nummern von „Der Archivar“ undder „Archivalischen Zeitschrift“ lässt ein steigendes Interesse derpolnischen Seite an den Veränderungen im deutschen Archivwesenerkennen.Band 107 (2004) behandelt den vielschichtigen Bereich der „Infor-matisierung“, ein Begriff, der im 21. Jahrhundert zunehmend anBedeutung gewinnt. Die Veränderungen im kommunikativen Um-feld bewirken, dass nicht nur die Archivare die Archive gestalten,sondern auch die Rolle der Aktenproduzenten, Archivbenutzer undInformatiker immer ernster zu nehmen ist. Insgesamt 19 Autorendieses thematischen Blocks befassen sich mit dem Anteil der Archivean der Gestaltung der künftigen globalisierten Informationsgesell-schaft und vermitteln Hinweise zu weltweiten Initiativen, die demSchutz des elektronischen Erbes dienen. Gleichfalls beschreiben sieStandards und Formate, die bei der Digitalisierung von Archivalienverwendet werden, und nennen die damit verbundenen rechtlichenFallen. Von Interesse sind der aktuelle Stand der Informatisierungder polnischen Archive sowie das archivalische Vorfeld, auf dem daselektronische Dokument entsteht. Seit 1998 sind alle polnischenStaatsarchive und ihre Gebietsabteilungen mit Computern ausgerüs-tet und verfügen sämtlich seit 2003 über einen Zugang zum Inter-net. Zunehmend werden standardisierte Datenbanken entwickelt,die in allen Archiven Anwendung finden. Unter IZA sind Inventarevon archivalischen Fonds, unter SCRINIUM Dokumente der altpol-nischen Zeit und unter PRADZIAD Bevölkerungsregister in Archiv-materialen erfasst. Die Warschauer Generaldirektion hat ein Mini-

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ARCHITEKTUR + WETTBEWERBE (AW) 209Bibliotheken und Archive. Libraries and Archives.März/March 2007. Karl H. Krämer Verlag, Stuttgart 2007.73 S.,zahlr. Abb., brosch. 19,50€.ISBN978-3-7828-3209-0

Die Zeitschrift „Architektur und Wettbewerb“ ist wahrscheinlichden meisten Lesern des „Archivar“ kein Begriff. Als Verlagsobjektwidmet sich die Zeitschrift in regelmäßigen Abständen gebündeltBauobjekten nach Sachgebieten. Erstmals tauchen Archive im Titeleines Einzelheftes auf, nachdem vorher Museen und Bibliotheken(Heft Nr. 179, S. 202) thematisiert worden waren. Der jetzige Titel isttrügerisch, denn Bibliotheken dominieren im Heft. Bei den vorge-stellten Objekten handelt es sich um Archive nur im Falle desDiözesanarchivs Fulda, dem regionalen Dokumentationszentrum inMadrid (einschließlich Stadtarchiv) und den drei preisgekröntenEntwürfen des Wettbewerbs für den Neubau des zweiten Bauab-schnitts des Brandenburgischen Landeshauptarchivs in Potsdam. Inallen Fällen werden architektonische Beschreibungen der Bautenund ihre städteplanerische Einbindung mit Wertungen aus Sicht derRedaktion veröffentlicht. Zur Illustration dienen Außen- und Innen-fotos, Skizzen sowie Grundrisse der wichtigsten Bauteile. WährendFulda zwischen historischen Bauten des 9. bis 20. Jahrhundertssteht, wurde das Madrider Gebäude, das auch eine Regionalbiblio-thek umfasst, auf dem Gelände einer früheren Brauerei gebaut.Spektakulär sind die doppelten Vorhangfassaden und die Um-schließung der ehemaligen Brauerei. Den Bewertungen der dreiEntwürfe für Potsdam durch die Jury geht ein Auszug aus derWettbewerbsaufgabe voran. Dabei werden auch funktionale Fragenbehandelt, z.B. die Arbeitsabläufe und die Lösungen für die Maga-zinteile. Auch aus archivischer Sicht lohnt es sich, die Beschreibun-gen der z. T. spektakulären Bibliotheksneubauten (von Des Moi-

ARCHIVALISCHE ZEITSCHRIFT88. Band. Hermann Rumschöttel zum 65. Geburtstag.Festschrift. Hrsg. von Gerhard Hetzer und Bodo Uhl.Böhlau Verlag, Köln – Weimar – Wien 2006. 2 Bände insg.1165 S., geb. 94,90 €. ISBN 978-3-412-91606-0

Am 26. August 2006 hat der langjährige Generaldirektor der Staatli-chen Archive Bayerns, Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, sein 65.Lebensjahr vollendet. Anlass genug, Hermann Rumschöttel eineFestschrift zu widmen, die, so die Herausgeber, weder ein Abschieds-geschenk noch eine abschließende Bilanz seines Berufslebens seinwill, sondern die Schwerpunkte eines erfüllten Arbeitslebens inBezug auf die Tätigkeit als Archivar und als Historiker beleuchtensowie auf die zahlreichen Netzwerke hinweisen soll, in denen Her-mann Rumschöttel tätig ist und die er zum Teil selbst mit aufgebauthat (S. V-VI). Als Abschiedsgeschenk wäre die Festschrift tatsächlichverfrüht erschienen, da sich der Jubilar bis Februar 2008 im aktivenDienst befand und somit in seiner weit vorausschauenden Artvielleicht nur den verbeamteten Berufskolleginnen und -kollegenvorlebt, was angekündigte Änderungen des Beamtenrechts zukünftigzur Regel machen sollen und was für die Angestellten schon be-schlossen ist.62 Autorinnen und Autoren haben Beiträge zur Festschrift fürHermann Rumschöttel geliefert, die damit, um wieder die Herausge-

nes/USA bis zur Chinesischen Nationalbibliothek in Peking) zuregistrieren. Alle realisierten Bauprojekte laden ein, sie zu besuchen.Das Element Glas fehlt fast nirgendwo. Alle Gebäude werden alsBegegnungsstätten definiert. Sie haben deshalb Cafés und manch-mal sogar Shopping Malls und Theater unter ihren Dächern. In derHitliste des Rezensenten nimmt das Informations-, Kommunikati-ons- und Medienzentrum [ursprünglich Bibliothek der TU] inCottbus Platz 1 ein. Der 2004 realisierte Entwurf von Herzog & deMeuron, Basel, löst die eckigen Formen auf und setzt stattdessen aufdie fließende Verbindung von drei Türmen, die nach außen wie einemaurische Festung in Spanien, im Inneren aber beinahe schwereloswirken. So lehren es die Fotos im zu besprechenden Heft. Diese undandere Lösungen dürften bei künftigen Bauvorhaben auch aufLösungen für Archive ausstrahlen, denn öffentliche Bauträgerwerden sich solchem Charme kaum entziehen können. Für Archiveund die für sie Verantwortlichen bedeutet dies eine Herausforderung– und eine Chance. Sie dürfen sich nicht mehr nur darauf beschrän-ken, die Funktionalitäten sicherzustellen. Vielmehr werden sie sicheinlassen müssen auf die Kombination von Funktionalitäten, Städte-planung und Architektur und dies verbinden mit Leitideen, die aufÖffnung zielen. Ursula Kleefisch-Jobst, Kuratorin im DeutschenArchitekturmuseum, stellt – bezogen auf Bibliotheken – solcheÜberlegungen in ihrem Einleitungsessay „Bibliotheksbauten für das21. Jahrhundert“ an und betont, dass Bibliotheken heute nicht nur„Wissensspeicher“, sondern Orte der Aneignung der Informationmit Erlebnischarakter sind.

Wilfried Reininghaus, Senden

gung des eine standardisierte Methode der Beschreibung vonArchivalien beinhaltenden Systems ISAD, das den Archivaren denweltweiten Austausch von Informationen ermöglicht. Von eherarchivgeschichtlichem Interesse sind die Beiträge über die Kanzleiund das Archiv der Landbotenstube des Sejm zur Zeit des polni-schen Novemberaufstandes (1830-1832), die Kanzlei des Kreisstaro-sten von Petrikau (1919-1939) und über Polonica aus dem WienerParlamentsarchiv (1861-1918). Die Chronik am Schluss des Bandesverzeichnet an Ereignissen u. a. die Verlängerung des zwischen derWarschauer Generaldirektion und dem Bundesarchiv geschlossenenAbkommens über Nachforschungen zu ehemaligen Zwangsarbeiternnichtpolnischer Nationalität, die Entwicklung einer Konzeptionzum Wiederaufbau des königlichen Schlosses in Posen, die Präsenta-tion des Konzepts eines virtuellen Archivs für Pommerellen undKujawien durch den Direktor des Thorner Staatsarchivs, die Organi-sation einer gesamtpolnischen Zusammenkunft aller Studenten fürArchivistik in Allenstein und den Aufenthalt des Stettiner ArchivarsPawel Gut im Berliner Geheimen Staatsarchiv, wo er Studien überAktenbildungsprozesse in Pommern vor 1945 durchgeführt hat.

Stefan Hartmann, Berlin

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pektiven der Beziehung nach dem Ersten Weltkrieg“ historischeAspekte beleuchten.Neben vielen Beiträgen zur bayerischen Landesgeschichte gestatteneine Reihe archivfachlicher Artikel Einblicke in die Arbeit derbayerischen Staatsarchive. Hier behandeln zum Beispiel MargitKsoll-Marcon „eGovernment in Bayern – eine neue Grundlage fürdie Schriftgutverwaltung in Bayern und die Rolle der Archive“,Stefan Nöth „Die Wiederherstellung des Geheimen Archivs inBayreuth (GAB). Ein Arbeitsbericht“, Gerhard Rechter „Das Staats-archiv Nürnberg 2006. Zielplanung und Positionierung eines Ar-chivs in seiner Region – Versuch eines Überblicks“ und Bodo Uhl„Aktenaussonderung und Verwaltungsvereinfachung. Zur Entste-hung der bayerischen Aussonderungsbekanntmachung von 1932“typische Arbeitsfelder von (öffentlichen) Archiven im Spannungsfeldder eigenen Positionierung im Bezug zu anderen Zweigen derVerwaltung, der Diskussion und Durchsetzung des Provenienzprin-zips sowie Fragen des Einsatzes moderner Managementmethoden inArchiven. Unabhängig vom eindeutig regionalen Bezug erhält auchder Nicht-Bayer durchaus Anregungen für die eigene Arbeit imArchiv.Hingewiesen sei noch auf wenige Beiträge von Hermann Rumschöt-tels Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus der Konferenz der Archiv-referenten bzw. Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und derLänder, die Themen behandelt, die stärker in das Bewusstsein derKolleginnen und Kollegen treten sollten. Ulrike Höroldt wendet sichmit „Eine besondere Herausforderung für Archive und Archivare.Zur Foto-, Film- und Tonträgerüberlieferung im LandeshauptarchivSachsen-Anhalt“ Archivgut zu, das in der Regel noch immer stief-mütterlich behandelt wird. Eng mit einem Teilbereich von UlrikeHöroldts Ausführungen verzahnt, jedoch vom Standpunkt derAuswertung aus betrachtet, beschäftigt sich Ludwig Linsmayer mit„Visuelles Gedächtnis der Zukunft: Zum Bedeutungsgewinn foto-grafischer Quellen in Geschichtswissenschaft und Archiven.“ RobertKretzschmar weist mit „Handlungsebenen bei der archivischenBewertung. Strategische Überlegungen zur Optimierung der Über-lieferungsbildung“ auf archivübergreifende Aspekte, die Rolle vonArchivierungsmodellen und auf die Bedeutung von inhaltlichenWertmaßstäben für die Überlieferungsbildung hin. Udo Schäferbehandelt ein Grundsatzproblem der Entwicklung des Archivrechts:„Rechtsvielfalt und Rechtseinheit in Europa. Zum Einfluss deseuropäischen Rechts auf das nationale Archivwesen“ und HartmutWeber warnt mit „Von bleibendem Wert. Gedanken zur Stabilisie-rung von Wissen in den Archiven“ vor den Folgen für unsere Gesell-schaft, wenn es nicht gelingt, Informationen und Wissen in denArchiven auf Dauer nutzbar zu halten.Zusammenfassend ist den Herausgebern zusammen mit den Auto-rinnen und Autoren tatsächlich gelungen, einen bunten Straußzusammenzustellen, der des Jubilars würdig ist und an dem nichtnur Hermann Rumschöttel seine Freude haben dürfte.

Uwe Schaper, Berlin

ber in ihrem Geleitwort zu zitieren, tatsächlich in der Vielfalt derbehandelten archivwissenschaftlichen und historischen Themen ein„buntes Florilegium“ darstellt (S. VI-VII). Die Vielfalt wird abergleichzeitig für eine Strukturierung der Festschrift nach sachlichenGesichtspunkten zum Problem, denn die Beiträge entziehen sich inihren unterschiedlichsten Fragestellungen auch nach intensivenÜberlegungen einer halbwegs ausgewogenen Zusammenführungunter Oberbegriffen. Die auf den ersten Blick fragwürdige Entschei-dung für eine Reihung der Beiträge nach dem Alphabet der Autoren-namen wird damit tatsächlich zum einzigen möglichen und zugleichbeherrschenden Strukturelement der Festschrift. Sie erscheintgerechtfertigt, denn die Reihung weist auch darauf hin, mit welchenverschiedenartigen Problemfeldern sich Archivarinnen und Archiva-re im Laufe ihres Berufslebens teilweise unvermittelt auseinanderset-zen müssen und es hat darüber hinaus durchaus seinen Reiz, dasInhaltsverzeichnis einmal komplett durchzuschauen. Der Benutzerder Festschrift kann diese Form der inhaltlichen Gestaltung zwei-felsfrei akzeptieren, denn über eine gelungene bibliothekarischeTitelaufnahme, mit der standardisiert selbstverständlich auch dieeinzelnen Beiträge erfasst werden, ist eine bequeme Recherche nacheinzelnen Fragestellungen möglich.Von den 62 Autorinnen und Autoren sind 47 Archivarinnen resp.Archivare (die bayerischen Kommunalarchive sind leider nichtvertreten – warum auch immer) und von den verbleibenden 15können ca. zwei Drittel dem Hochschulbereich zugerechnet werden.Wer nun aufgrund der Profession der Autoren ein Übergewicht beider Behandlung archivwissenschaftlicher Fragestellungen erwartethätte, wird überrascht sein, dass sich nur 23 Beiträge mit archivfach-lichen Fragen im weitesten Sinne befassen, in 38 Beiträgen aberhistorische Themenfelder abgehandelt werden. Auf die hier imHintergrund stehende Diskussion um die Definition des „Histori-ker-Archivars“ sei an dieser Stelle nur kurz hingewiesen.Eine absolute, aber für das Verständnis der Arbeitsaufgaben derbenachbarten Berufsgruppe interessante Ausnahme bildet derArtikel von Rolf Griebel zur „Bayerische[n] LandesbibliothekOnline“. Ebenso wie Rolf Griebel mit seinen Ausführungen zubibliotheksfachlichen Problemen bleibt der geschichtsphilosophi-sche und bemerkenswerte Aufsatz von Horst Möller „HistorischesErinnern und nationale Identität“ im Kontext der Festschrift allein-stehend.Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass 14 ausländische Autorenan dieser Festschrift mitgewirkt haben, deren Artikel auf der einenSeite hochinteressante Einblicke in Probleme verschiedener Arbeits-felder ausländischer Archive geben und die sich auf der anderenSeite mit historischen Fragestellungen innerhalb ihres Landes, aberauch in Beziehung zum Verhältnis zu den Nachbarn auseinanderset-zen. Beispielhaft seien genannt Vácslav Babri`cka mit seinen archiv-theoretisch hoch stehenden Ausführungen zu „Prinzipien in dertschechischen und slowakischen Archivkunde“, Hubert Grasser, dermit „Das Provenienzprinzip bei den Verhandlungen über Archivezwischen Österreich und Italien nach dem Ersten Weltkrieg“ zurDurchsetzung archivischer Grundprinzipien im Rahmen einesschwierigen politischen Neuordnungsprozesses schreibt und Ger-hart Marckhgott, der mit „Wissensräume im Archiv. Überlegungenzur Zukunft archivischer Erschließung“ ein zentrales Problem ausder Sicht des Direktors des Landesarchivs Linz behandelt sowieDragan Matic und Richard Schober, die mit ihren Artikeln „DieDeutschen und Slowenen in Krain in der Zeit der Verfassungsära derHabsburgermonarchie“ und „Tirol und das Deutsche Reich. Pers-

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LITERATURBERICHTE

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DIGITALE BILDER UND FILME IM ARCHIVMarketing und Vermarktung. Vorträge des 66. Südwest-deutschen Archivtags am 24. Juni 2006 in Karlsruhe-Durlach. Eine Publikation des Landesarchivs Baden-Württemberg. Hrsg. von Michael Wettengel. Verlag W.Kohlhammer, Stuttgart 2007. 114 S., zahlr. Abb., kart.12,50 €. ISBN 978-3-17-019916-3

Vier Honigbienen sitzen über weißen Waben. Ein symbolträchtigesBild für die Zielrichtung der nun gedruckt vorliegenden Vorträge des66. Südwestdeutschen Archivtags 20061 : Welchen „Honig“ könnenArchive aus ihren audiovisuellen Beständen „saugen“? Oder präzi-ser: wie lassen sich digitale Bilder und Filme aus und gegebenenfallsauch von Archiven vermarkten?Die Chancen für Archive stehen gut, profitieren sie doch auch vondem verstärkten Interesse von Wissenschaft, Medien und Öffentlich-keit an audiovisuellen Quellen2.Ein sehr praktisches und durchaus erfolgreiches Beispiel für erfolg-reiches Marketing zeigt Ulrich Nieß vom Stadtarchiv Mannheim –Institut für Stadtgeschichte mit einer DVD „Mannheimer Filmschät-ze 1907-1957“. Um diese DVD realisieren zu können, seien einigevorhandene Strukturen zu modifizieren und neue Wege zu beschrei-ten gewesen: die Digitalisierung und das Marketing wurden voneinem eigens gegründeten Förderverein übernommen. Dieser erwarbzusätzliche Filme, leistete Lizenzgebühren an andere Rechteinhaber,sorgte für eine professionelle Produktion der DVD und sorgte u. a.mit einer Werbeplakataktion im gesamten Stadtgebiet für dasnotwendige Marketing. Nieß weist dabei auch auf einen erfreulichenNebeneffekt der DVD-Produktion hin: in Folge der gesteigertenBekanntheit des Archivs wüssten nun mehr Besitzer historischenaudiovisuellen Materials, an wen sie dieses Material abgeben kön-nen. Hoffnungsfroh blickt Nieß in die Zukunft, ist er doch über-

Detlef Döring beschreibt die öffentlichen Bibliotheken in Leipzig im18. Jahrhundert, Emmanuelle Chapron die in Florenz im gleichenJahrhundert. Marie Drut-Hours vergleicht die Bibliotheken vonZweibrücken und Trier nach 1750. Wijnand W. Mijnhardt stellt dieArchive von zumeist niederländischen Buchhändlern als Quellenzur Bibliotheksgeschichte vor. Das Zusammenspiel von Rezensionenin den Göttinger Gelehrten Anzeigen und der dortigen Bibliothekenist Thema des Beitrags von Martin Gierl. Der Band schließt mitmethodologischen Anmerkungen von Patrick Joyce über liberaleZugangsbedingungen zu Bibliotheken (im englischen Original „ThePolitics of the Liberal Archive“) zwischen dem mittleren 19. Jahrhun-dert und dem Zeitalter des World Wide Web. Er bringt Archive imheutigen Verständnis in eine Verbindung mit dem klassischenZeitalter des Liberalismus in England und rundet damit einen Bandab, dessen Lektüre auch Archivarinnen und Archivare bereichernwird, selbst wenn sie für ihren beruflichen Alltag nur mittelbarNutzen daraus ziehen werden. Die Einbeziehung französischer,amerikanischer, niederländischer und englischer Beispiele erweitertzusätzlich den Horizont.

Wilfried Reininghaus, Senden

BIBLIOTHEK ALS ARCHIVHrsg. von Hans Erich Bödeker und Anne Saada. Vanden-hoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 313 S., 15 Abb., geb.47,90 €. ISBN 978-3-525-35869-6 (Veröffentlichungendes Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 221)

Im öffentlichen Bewusstsein werden Archive und Bibliotheken oftmiteinander verwechselt. Im beruflichen Alltag rücken beide Ge-dächtnis-Institutionen enger aneinander, man denke nur an Nestor,die Plattform zur Langzeitarchivierung. Wenn nun das Max-Planck-Institut einen Band mit diesem Titel herausgibt, dann darf er mitInteresse auch aus dem Bereich der Archive rechnen. Der einleitendeAufsatz der beiden Herausgeber präzisiert das Anliegen der Veran-stalter des internationalen Kolloquiums 2003 in Göttingen, dessenVorträge hier im Druck vorgelegt werden. Bibliotheksarchive sollenals Quelle der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte ausgewertetwerden. Schon zu Beginn der Einleitung (S. 12) wird aber deutlich,dass „Archiv“ in einem doppelten Sinne gebraucht wird. Bibliothe-ken werden in einem weiten Sinn nach Foucault „als Repositoriendes Wissens“ und „als Sammelorte von Schrift, Text und Buch“verstanden. „Bibliothek als Archiv“ will die bestehende Bibliotheks-geschichte erweitern. Dabei werden Bibliotheksarchive als Quelleausfindig gemacht. Dies ist der zweite, engere Archiv-Begriff, derhinterlegt ist. Was sind Bibliotheksarchive? Die Herausgeber sind,wegen ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Ausrichtung, nicht unbe-dingt an einem Beitrag zur Typologie der Archive interessiert, dochlässt das reiche Material des Buches eine eindeutige Klassifizierungzu. Es handelt sich um die Registraturen und das Verwaltungs-schriftgut, das Bibliotheken als wissenschaftliche Einrichtungenschaffen. „Bibliotheksarchive“ gehörten im VdA in die Fachgruppe 8.Die einzelnen Beispiele verdienen Aufmerksamkeit, weil die Organi-sation des Wissens durch die Jahrhunderte verfolgt wird. ChristianeBerkvens-Stevelinck stellt die 1575 gegründete Universitätsbibliothekvon Leiden als von Humanisten geprägte Institution vor. Dembereits im 19. Jahrhundert sogenannten Bibliotheksarchiv entnimmtsie Grundsätze der Akquisition, der Erhaltung und Nutzung derBestände. Ähnlich die Auswertung des Göttinger Bibliotheksarchivsseit 1737 durch Anne Saada, die Bucherwerb und Zugang zu denBüchern behandelt. Helmut Rohlfing stellt dann dieses GöttingerArchiv in seinen Anfängen vor, indem er die leitenden Prinzipienseines ersten Findbuchs von 1804 sowie der späteren Verzeichnungdurch Alfred Hessel in den 1920er Jahren vergleichend untersucht.Einen Vergleich, diesmal zwischen Göttingen und der Bibliothek inCorvey, strebt auch Graham Jefcoate an. Auf dem knappen Raumverbleibt es bei oberflächlichen Bemerkungen, zumal im Fall Cor-veys die Vorleistungen der Fürstabtei vernachlässigt werden. ThomasKnoles gibt einen Überblick über Sammlungen in der Bibliothek derAmerican Antiquarian Society in Worcester (Mass.). Sie entstandbald nach 1800, um die Zeit der Unabhängigkeit zu dokumentieren.Auf die Institutionengeschichte folgen vier Beiträge, die der Klassifi-kation gewidmet sind. Yann Potin geht der Inventarisation derBibliothek des französischen Königs im Louvre im späten 14. Jahr-hundert nach. Raymond-Josué Seckel wendet die Fragestellungenvon Foucaults Archäologie des Wissens auf Klassifikationsmodelledes 18. Jahrhunderts an. Auch Ulrich Johannes Schneider greift aufFoucaults „Dispositiv“ zurück, um die Ordnungen in der Bibliothekvon Herzog August von Braunschweig-Lüneburg (1579-1666) zuerklären. Lise Devreux beschreibt knapp die Methoden zur Klassifi-kation der deutschsprachigen Bücher der Pariser Nationalbibliothek.Der dritte und letzte Block gilt den Funktionen der Bibliotheken.

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sehsender R.TV. Von 1957 bis 1966 wurden in Karlsruhe 94 monatli-che Filmschauen zu lokalen Ereignissen produziert, der „KarlsruherMonatsspiegel“. Seit Herbst 2005 strahlte der Sender an jedemSamstag jeweils eine Folge des „Karlsruher Monatsspiegels“ aus undfinanzierte dafür die Digitalisierung und Erschließung der Filme.Das Institut für Stadtgeschichte wiederum schaltet im Sender Wer-beblöcke. Die produzierten Folgen werden von einer Firma vertrie-ben, die Einnahmen aus dem Verkauf darf das Stadtarchiv zweckge-bunden für weitere Bestandsdigitalisierungen verwenden.Vor der Online-Stellung müssen allerdings vielfältige Rechtsfragengeklärt werden, die Hanns-Peter Frentz vom Bildarchiv PreußischerKulturbesitz fundiert umreißt. Nicht ohne Grund ist sein Beitragder längste in der Publikation, lauern in dem unübersichtlichenGeflecht aus Urheber-, Nutzungs-, Eigentums- und Persönlichkeits-rechten doch Fallstricke mit bisweilen schmerzlichen finanziellenFolgen. Unbedingt beachten sollte jedes Archiv die „Checkliste fürBildarchive“ (S. 65) und die „Literaturempfehlungen“3.Bei allen notwendigen und auch sinnvollen Investitionen im Hin-blick auf Einnahmesteigerungen darf gleichwohl der Kulturauftragvon Archiven nicht aus dem Blick geraten. Dieser Auftrag führtdazu, dass auch kommerziell kaum vermarktbares audiovisuellesMaterial in Archiven bewahrt und für eine Benutzung erschlossenwird. Diese „Demokratiekosten“ führen zwangsläufig dazu, dassArchive der öffentlichen Hand nicht zu Profitcentern werden kön-nen, auch wenn unbedingt alle Möglichkeiten genutzt werdensollten, gerade kommerzielle Nutzer für einen Teil der durchausbedeutenden Kosten für Erschließung, Digitalisierung und Bereit-stellung zur Kasse zu bitten.Honig saugen können Archive also nur dann aus ihren Schätzen,wenn vorhandene Verwaltungsregelungen entrümpelt, Rechtefragenpenibel beachtet, audiovisuelles Material qualitätvoll digitalisiertund über Datenbanken mit möglichst großem Kundenkreis angebo-ten und die Nutzung möglichst automatisiert abgerechnet wird.Eine enorme Herausforderung, auch für fleißige „Bienen“.

Oliver Sander, Koblenz

1 Abb. S. 872 Gerhard Paul: Von der historischen Bildkunde zur Visual History, in: Ger-

hard Paul (Hg.): Visual History. Ein Studienbuch. Göttingen 2006, S. 7-36.3 Die Lage wird durch das „Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts

in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007“, BGBL 2007 Teil INr. 54, S. 2513-2522 (www.bmj.bund.de/files/-/2547/bgbl_urheberrecht.pdf)und die „Richtlinie 2006/116/EG des EU-Parlaments und des Rates v.12.12.2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter ver-wandter Schutzrechte (kodifizierte Fassung), Amtsblatt Nr. L 372 v.27.12.2006, S. 12-18“ nicht übersichtlicher.

zeugt, dass Archive – so sie denn erst mal mit „gut erschlossenenFilmbeständen in den entsprechenden Datenbanken im Internetvertreten seien –, ihre Investitionen summa summarum fast wiedereinspielen werden“ (S. 30).So optimistisch ist Peter Clerici von der Ringier Dokumentation Bild(RDB) nicht mehr. Zwar postuliert er in seinem Beitrag „Bilderver-kauf in wirtschaftlich schwierigen Zeiten“ den „steinige(n) Weg vomCost- zum Profit-Center“, erläuterte aber auf Nachfrage (Diskus-sionsprotokoll, S. 109) dass die von ihm vertretene RDB auf einenKostendeckungsgrad aus externen Einnahmen von gerade einmal 50Prozent komme. Dabei dient die RGB einerseits als interner Dienst-leister für die verschiedenen Sparten des Verlagshauses Ringier,andererseits als Bildagentur für externe Kunden. Hervorzuheben istClericis Hinweis auf die Krise der Bildagenturen und deren Zusam-menschlüsse: es reiche nicht mehr, quasi als Einzelkämpfer Bilderonline zu stellen und ggf. sogar über automatisierte Zahlungsverfah-ren abzurechnen: erst über große Verbünde und ein umfassendesServiceangebot werde tatsächlich eine stattliche Kundenzahl er-reicht. In Konsequenz für Archive heißt dies, dass Digitalisieren undOnline-Bereitstellung allein nicht reicht, insbesondere wenn Archiveauf Pressekunden spekulieren.Dass diese ganz besondere Anforderungen in Bezug auf die Schnel-ligkeit des Bildzugangs stellen, macht Christof Strauß deutlich(„Macht der Bilder – Ohnmacht der Archive? Erschließung undVermarktung von Bildbeständen im Staatsarchiv Freiburg“). Vorallem vorhandene Vorschriften (Benutzungsanträge) verhindertenoftmals eine schnelle Verfügbarmachung. Die angedachte Kooperati-on mit einem professionellen Partner solle also unbedingt weiterbetrieben und realisiert werden. Eher konventionelle Marketingmaß-nahmen, wie Ausstellung und Publikation von Bildbänden über denPressefotografen Willy Pragher, dessen Nachlass das StaatsarchivFreiburg besitzt, hätten hingegen keinen „wirklichen vermarktungs-technischen Durchbruch“ dargestellt.Die Beschreibung des Nachlass Pragher ist auch Bestandteil des vonKonrad Krimm vorgestellten Inventars der Fotobestände im Landes-archiv Baden-Württemberg, das damit vergleichsweise konventionel-le Wege geht. In drei tektonischen Gruppen „Fotografen, Ateliers“,„Sammlungen“ (also Fotobestände von Behörden, Vereinen, Firmenoder adeligen und bürgerlichen Sammlern), „Archivische Sammlun-gen“ werden die anfänglich 150 ausgewählten Fotobestände mitkurzen Beschreibungen, maximal vier Fotos und – wenn vorhanden– einem Findbuch mit Digitalisaten verlinkt.Als Kooperationspartner aus dem Bereich der öffentlichen Handempfiehlt Susanne Pacher das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (LMZ) und stellt die drei Säulen der Mediendistribu-tion „Fotoarchiv“, „Online-Katalog“ und den „Server für schulischeArbeiten mit Medien“ (Sesam) vor. Kreis- und Stadtarchive könntensich beteiligen und – offenbar zu Sonderkonditionen – das LMZ alsDienstleister in Fragen von Bildrecherchen, Digitalisierung, Bildres-taurierungen und hochwertigen Abzügen nutzen. Für Archive dürfteaber problematisch sein, dass zwar für Schulen das Angebot kosten-frei ist, aber offenbar keine explizite Vermarktung mit einer Gewinn-beteiligung vorgesehen ist, da Aufgabe des LMZ sei, „die Versorgungder Schulen im Land mit Medien sicherzustellen“. Auch ist nur eineeinfache Volltextsuche verfügbar und es sind nur kursorische Text-angaben sichtbar. Weitergehende Bildinformationen befinden sichim IPTC-Header.Einen Kooperationspartner anderer Art stellt Ernst Otto Bräunchein seinem Beitrag über „Karlsruhe im Film. Digitalisierung undVermarktung von Filmebeständen“ vor, nämlich den lokalen Fern-

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LITERATURBERICHTE

VERNE HARRIS, ARCHIVES AND JUSTICE: A SOUTHAFRICAN PERSPECTIVEWith a foreword by Terry Cook. The Society of AmericanArchivists, Chicago 2007. 447 S., Paperback. 56.- US-$.ISBN 1-931666-18-0

Wer die Entwicklung des südafrikanischen Archivwesens, seinerDiskurse und herausragenden Ereignisse seit 1990 nachvollziehenwill, wird beim Literaturstudium immer wieder auf Publikationeneines Autors zurückgreifen (müssen): Verne Harris.

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„Verne gives us the poetry and music of a new archive, and so manyrich arguments for freeing ourselves from constraining shibbolethsso that archives may be transformed for justice. In the new archive,ever opening, never fixed or closed, respecting story, inviting multi-ple stories, people in society will in turn be freer from meta-narrati-ves of power“ (S. XXVIII).Die Textsammlung ist in fünf thematische Abschnitte unterteilt. Imersten Abschnitt „Discources“ wird eine Auswahl von Themen, dieGegenstand der Diskurse rund um die Archive sind, angerissen. Dieausgewählten Texte belegen seine intensive Beschäftigung mit denWerken von Jacques Derrida. Die Texte im zweiten Abschnitt „Nar-ratives“ geben – so formuliert es Harris selbst – Einblick in Ge-schichten, die Archivare mit der Ausübung ausgewählter archivari-scher Tätigkeiten erzählen. Er stellt seine Sicht auf die internationalgeführte Bewertungsdiskussion dar und entwickelt sieben Thesenzur archivischen Bewertung. Der Umgang mit elektronischen Aktenwird als Herausforderung für die Archivare beschrieben. Das „Re-cord-keeping Paradigma“, Verzeichnungsstrategien und Standardswerden ebenfalls thematisiert. Auf Besonderheiten der südafrikani-schen Situation wird in entsprechenden Unter-Abschnitten hinge-wiesen.Abschnitt III „Politics and Ethics“ beleuchtet die besondere Verant-wortung der Archivare bei der Wahrung der Menschenrechte undstellt die Frage nach der Identität südafrikanischer Archivare. DerAbschnitt beginnt mit einem Artikel über die Transformationsphasezwischen 1990 und 1996.1 Durch die Wiedereingliederung Südafrikasin die internationale Staatengemeinschaft wurden die südafrikani-schen Archivare mit der Diskussion über geeignete Methoden desrecord-keeping zur Wahrung der Bürgerrechte konfrontiert. DieArbeit der Archivare soll Transparenz, Verantwortlichkeit, Informati-onsfreiheit garantieren und zugleich die Bewahrung der Privatsphäreermöglichen. Der Dialog darüber, was es bedeutet (bedeuten kann),ein afrikanischer Archivar zu sein2, stellt einen Zusammenhangzwischen den Begriffen Archiv(e) – Identität – Ort her. Die Politikdes „record-making“ wird im abschließenden Artikel als Weg zurGerechtigkeit durch die Einbeziehung des „Anderen“ beschrieben.Dem Kampf um den freien Zugang zu Informationen und demUmgang mit Erinnerung und Vergessen im Kontext mit Aktenver-nichtungen im Zeitraum 1990-1994 sowie der Arbeit der Wahrheits-und Versöhnungskommission (TRC) ist Abschnitt IV „Pasts andSecrets“ gewidmet.Der abschließende Abschnitt V „Actualities“ gibt in 16 Zeitungsarti-keln aus dem Zeitraum 2002-2004 über den Stand der Bemühungenzur Verwirklichung der Empfehlungen der Wahrheits- und Versöh-nungskommission (TRC) hinsichtlich des Umgangs mit den Akten,die aus der Arbeit dieser Kommission entstanden sind, sowie derÜberführung von Akten von Behörden des Apartheid-Systems (v. a.militärische Akten und Unterlagen des Nachrichtendienstes) in dieObhut des Nationalarchivs, Auskunft. Diese kürzeren Artikel sollendie Herausbildung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für Archivefördern.„Archives and Justice“ stellt die Frage der Gerechtigkeit im südafri-kanischen Kontext. Nach dem Ende der Apartheid wurde und wirddurch die Einbeziehung der „Anderen“, deren Erinnerungen bislangkeinen Eingang in Archive gefunden haben, Gerechtigkeit geschaf-fen. Kein Wunder also, dass das Buch zur Pflichtlektüre des archiv-wissenschaftlichen Moduls im Studiengang „Heritage Studies“ ander Universität von Witwatersrand zählt.

Christine Gohsmann, Berlin

Verne Harris ist seit mehr als 20 Jahren in Südafrika als Archivar,überwiegend in leitender Funktion, tätig. Nach dem Sieg über dasApartheid-System übertrug man ihm als anerkanntem Fachmann,Apartheid-Gegner und Unterstützer des Afrikanischen Nationalkon-gresses (ANC) 1994 die Verantwortung für die Ausarbeitung dergesetzlichen Grundlagen für die Schaffung eines Nationalarchivs(National Archives of South Africa Act 43 of 1996). Mit Inkrafttretendes Gesetzes wurde er dessen stellvertretender Direktor. Als „keyarchival voice“ war er an der Untersuchung illegaler Aktenvernich-tungen des Sicherheitsapparates des Apartheid-Regimes beteiligt.Die Hinterlassenschaften der Wahrheits- und Versöhnungskommis-sion (Truth and Reconciliation Commission TRC – tätig von 1996bis 1998 –) brachten Harris mit dem Philosophen Jacques Derrida(1930-2004) in Kontakt. Eine Begegnung, von der er sich in der Folgesehr inspirieren ließ.V. Harris nahm Einfluss auf die Ausarbeitung des Informationsfrei-heitsgesetzes (Promotion of Access to Information Act 2 of 2000),dessen Durchsetzung er nach dem Ausscheiden aus dem Nationalar-chiv im Frühjahr 2001 einen Großteil seiner Kraft widmete. AlsDirektor des Südafrikanischen Historischen Archivs, einer NGO zurVerwirklichung der Menschenrechte, leitete er die Zusammen-führung und Zugänglichmachung von Dokumenten, die den Kampfgegen das Apartheid-Regime dokumentieren. Seit Juni 2004 ist er fürdie Nelson Mandela Stiftung als Projektmanager des „NelsonMandela Centre of Memory“ tätig. An der Universität von Witwa-tersrand (Johannesburg) hat Harris seit Ende der 1990er Jahre einenLehrauftrag inne und bietet Postgraduierten-Kurse an. Neben seinenFachtexten hat er u. a. auch zwei viel beachtete Romane veröffent-licht.Verne Harris hat nun mit „Archives and Justice“ eine Sammlungvon 20 Aufsätzen und 16 Zeitungsartikeln, die er zwischen 1994 und2005 veröffentlicht hat (in einigen Fällen in Co-Autorschaft mitKollegen), vorgelegt. Seine Betrachtungen gehen weit über densüdafrikanischen (Archiv-)Kontext hinaus. Sie sind geprägt vomWiderstand gegen die Beschränktheit professioneller Diskurse. Erplädiert für eine Bezugnahme auf breite, öffentliche Diskussionen –die Einbeziehung des „Anderen“. In der Einleitung (S. 2) beklagt er,dass den archivfachlichen Diskursen die „Kraft der Fantasie, derLeidenschaft, des Geheimnisvollen und der Wunder“ fehlt. DenMangel an Poesie in den Darstellungen fachlicher Themen machtVerne Harris verantwortlich für die vorherrschende Abstraktheit(„Trockenheit“) der Texte und Diskussionsbeiträge. Mit seinenTexten beweist er, dass es möglich ist, abgeleitet aus der archivari-schen Tätigkeit, komplexe gesellschaftliche Fragestellungen aufzu-werfen. Virtuos beherrscht er die poetischen Mittel, um das aufge-worfene Thema in seiner Komplexität und zugleich im konkretenKontext zu betrachten. Beispielhaft hierfür sei der Artikel „On(Archival) Odyssey(s)“ (S. 23-37) genannt.Nach eigener Aussage hat Harris das Ende der Apartheid als Befrei-ung aus einer „Zwangsjacke“ empfunden, da mit der vorhergehen-den politischen und kulturellen Isolierung Südafrikas auch dieArchivare isoliert waren. Ihnen war eine aktive Teilnahme an inter-nationalen Archivdiskursen versagt. Die in diesem Buch zusammen-gestellten Arbeiten sind nach eigener Einschätzung Ausdruck seinesWiderstandes gegen Beschränktheiten jeglicher Art.Harris’ Begegnung mit Terry Cook im Jahre 1994 gab seiner Denkartund Herangehensweise völlig neue Impulse – sie verbindet seit demeine enge Freundschaft. In dem sehr persönlich gehaltenen Vorwortnimmt T. Cook Bezug auf Verne Harris’ Leidenschaft für Musik,speziell für den Jazz, und gibt folgende Einschätzung:

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Vielleicht der bekannteste Bestand des westfälischen Kirchenarchivsist die Sammlung zu Kurt Gerstein (1905-1945), der als bekennenderChrist und SS-Offizier zu den umstrittensten Gestalten des deut-schen Widerstands zählt. Matthias Rickling schildert deren histori-sche Aufbereitung mittels Publikationen und Ausstellungen sowiedie Zusammenarbeit mit dem Regisseur Costa-Gavras und verschie-denen Fernsehsendern. Es handelt sich hier um eine „echte Herzens-angelegenheit“ Heys (S. 320), die auch die Außenwahrnehmung deslandeskirchlichen Archivs positiv beeinflusst hat. Leider fällt indiesem Beitrag der Duktus gegenüber dem „Meister“ (S. 328) etwasdistanzlos aus.Der Verlag hat dem Buch eine sehr ansprechende Gestaltung ange-deihen lassen. Ein charmantes Detail bilden hierbei die Cartoonsvon Volker Reiche mit den jedem Strizz-Leser vertrauten possierli-chen Tierchen Bernd und Lilo des Firmenarchivars Berres, die jedesKapitel einleiten. Dies spricht – mit Blick auf den Vornamen desJubilars – für dessen von den Herausgebern vorausgesetztes Maß anSelbstironie. Der abschließende dritte Teil ist betitelt mit „Einblicke,Ausblicke und die Person“. So plädiert Markus Köster für dieverstärkte historische Beschäftigung mit dem Medium Spielfilm,gleichfalls ein Anliegen, zu dem Hey mehrere Beiträge veröffentlichthat. Joachim Radkau würdigt Heys langjähriges Engagement für dieRettung der Überlieferung der Kirchenarchive in Siebenbürgen. EinInterview mit seinem Mitarbeiter und Nachfolger im Amt desArchivleiters Jens Murken aus dem Jahr 2003 veranschaulicht dieSchwerpunktsetzungen in der archivischen Alltagsarbeit und istauch jenseits des kirchlichen Kontextes von spartenübergreifendemInteresse. Dass zum Ausklang der Festschrift neben der obligatori-schen Bibliographie auch die „Ahnentafel“ des Archivars publiziertwird, ist zumindest für den Rezensenten ein Novum.

Stefan Flesch, Düsseldorf

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LITERATURBERICHTE

KIRCHENARCHIV MIT ZUKUNFTFestschrift für Bernd Hey zum 65. Geburtstag. Hrsg. vonClaudia Brack, Johannes Burkardt, Wolfgang Güntherund Jens Murken. Verlag für Regionalgeschichte, Biele-feld 2007. 416 S., 50 s/w Abb., 1 farb. Abb., geb. 29,- €.ISBN 978-3-89534-700-9 (Schriften des Landeskirchli-chen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen,Bd. 10)

Prof. Bernd Hey hat das Archiv der westfälischen Landeskirche inBielefeld seit 1985 geleitet. Anlässlich seines Eintritts in den Ruhe-stand am 31. Mai 2007 konnten ihm Mitarbeiter, Kollegen undSchüler einen Sammelband mit 30 Beiträgen überreichen, die in dreithematische Abschnitte unterteilt sind und so die wissenschaftlichenInteressenlagen Heys widerspiegeln. Es handelt sich keineswegs umdie Negligeance des Rheinländers gegenüber den Belangen derwestfälischen Landesgeschichte, wenn hier nicht näher auf diezahlreichen regional- und kirchengeschichtlichen Studien des erstenTeils eingegangen werden kann (S. 15-199). Der breite zeitlicheRahmen spannt sich von dem Beitrag Reinhard Vogelsangs über diePrivilegien der Stadt Bielefeld 1647-1666 bis hin zu den Folgen derAnsiedlung von Opelwerk und Ruhruniversität in Bochum Anfangder 1960er Jahre für die dortige evangelische Ortsgemeinde (Wolf-gang Werbeck).Der zweite Abschnitt ist betitelt „Archiv, Kirche und Pädagogik“.Mit der Gründung des Kirchenbuchamtes Hannover 1935 nimmtsich Hans Otte eines klassischen Themas kirchenarchivischerZeitgeschichte an. Ausgangspunkt ist die zu konstatierende Konkur-renz der Archive auf familienkundlichem Gebiet während der NS-Zeit. Gegenüber dem als „Sippenkanzlei“ firmierenden Stadtarchivlegte sich auch die neue kirchliche Dienststelle diesen schmücken-den Titel zu. Im Unterschied zum berüchtigten Berliner Pendantwurde in Hannover zwar keine Kartei der „Judenstämmigen“angelegt, Otte warnt aber vor leichtfertiger Zuschreibung des Wider-standsetiketts: Widerspruch wurde nur da laut, wo es um dieInteressen und Ansprüche der eigenen Institution ging (S. 243).Unter dem Titel „Vom Nutzen und Nachteil kirchlicher Archive fürdie Verkündigung der Kirche“ beabsichtigt Martin Stiewe – sehr freinach Nietzsche – eine theologische Evaluierung des kirchlichenArchivwesens. Er kommt zu dem Schluss, dass es sowohl vor Fried-rich Schleiermacher als auch vor dem gegenüber der Kirchenge-schichte so kritischen Auge von Karl Barth bestehen könne. ClaudiaBrack gibt einen praxisorientierten Überblick über die landeskirchli-che Archivpflege in den Kirchengemeinden und Kirchenkreisen. Fürdie „pädagogische Öffnung“ kirchlicher Archive plädiert der Beitragvon Gabriele Stüber. Hierbei seien „alle Handlungsfelder des Archivsauf ihre archivpädagogische Tragfähigkeit zu prüfen“ (S. 272), umdie vielzitierten „Verkrustungen im Archivbereich aufzubrechen“ (S.277). Thematisch im Anschluss hierzu stehen die Beiträge vonBettina Wischhöfer zum „Lernort Archiv“ sowie von Bärbel Thauüber die Angebote historischer Bildungsarbeit am Johannesstift inBielefeld.

WERNER MORITZ, KLEINE SCHRIFTENHrsg. von Sabine Happ und Klaus Nippert. verlag regio-nalkultur,Ubstadt-Weiher 2007. 232 S.,10Abb.,geb.24,- €. ISBN 978-3-89735-498-2

Seine Laufbahn führte Werner Moritz in das Staatsarchiv Marburg,die Archivschule Marburg und schließlich als Leiter in das Univer-sitätsarchiv Heidelberg. In seiner Person verbanden sich so immerarchivische Praxis und Ausbildung sowie die damit fast zwangsläu-fig verbundene theoretische Reflexion über die archivische Arbeit.Die Festschrift, in der zu seinem 60. Geburtstag nun ein Teil seinerkleineren Schriften wieder neu zugänglich gemacht wurde, zeugtnicht nur inhaltlich von den Stationen des Berufslebens, sondern sieist auch in ihren archivwissenschaftlichen Teilen nach wie vor mitGewinn als Beitrag zu aktuellen Debatten zu verstehen.Dem Rezensent wurde die Aufgabe gestellt, die historischen Beiträgenur zu streifen, um den Fokus auf den archivischen Teil zu legen.Moritz’ Aufsätze über das Hospital der Hl. Elisabeth in Marburgund das Hospitalwesen des 13. Jahrhunderts, über Jacob Grimm,über das Frauenstudium in Heidelberg, über studentische Diszipli-narangelegenheiten und die Universität Heidelberg während der NS-Zeit lassen sich allerdings auch im Lichte der archivischen Berufs-

1 „Redefining Archives in South Africa“ (S. 173-202).2 Archives, Identity, and Place : A Dialogue on What It (Might) Mean(s) to

be an African Archivist (Verne Harris and Sello Hatang) (S. 215-235).

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PRESERVING THE DIGITAL HERITAGEPrinciples and policies. Edited by Yola de Lusenet andVincent Wintermans. Netherlands National Commissionfor UNESCO and European Commission on Preservationand Access 2007. 55 S., geh. 40,- €. ISBN 978-90-6984-523-4

Die Bewahrung des digitalen Kulturerbes stellt sich als neue undzusätzliche Aufgabe den Archiven (oder weiter gefasst: den Gedächt-nisorganisationen) in aller Welt dar. Behörden und ihre Verwaltun-gen passen sich den technischen Entwicklungen an. Sukzessive wirddie papiergebundene Schriftgutverwaltung digitalisiert und somitzum E-Government. Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschungentstehen zunehmend nur noch digital. Digitale Kommunikations-techniken ermöglichen neue Formen des wissenschaftlichen Arbei-tens und erleichtern den weltweiten Zugang zu wissenschaftlichenErgebnissen. Der rasante technische Wandel führt zum schnellenVeralten von Datenträgern und Datenformaten und damit zu einer

bedeutendsten leitet. Seine Ausführungen zu den Aufgaben undPerspektiven des Heidelberger Universitätsarchivs aus dem Jahr 2003sind deshalb nicht unbedingt zu verallgemeinern, denn den meistenHochschularchiven fehlt die bis in das Mittelalter zurückreichendeÜberlieferung und Tradition. Er geht aus von Bestrebungen desbaden-württembergischen Landesrechnungshofs 1997/98, einem Teilder Universitäten des Landes vorzuschreiben, kein eigenes Archiv zubetreiben, sondern ihre Unterlagen einem Staatsarchiv anzubieten.Dieses Vorhaben konnte u. a. auf Moritz’ Betreiben verhindertwerden, der dem Rektor der Universität Heidelberg die entscheiden-den Argumente lieferte. Insbesondere der Verweis auf die „Promemoria-Funktion“ (S. 209) von Archiven bei der Identitätsstiftungihres Trägers sowie bei dessen allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit zeigtdeutlich auf, wie wenig sinnvoll die Empfehlungen des Rechnungs-hofs waren.Im abschließenden Beitrag aus dem Jahr 2006, der sich der Situationaller Universitätsarchive in den alten Bundesländern zuwendet, zeigter erneut die hohe Bedeutung eines eigenen Archivs für Hochschu-len auf, verschweigt aber auch nicht die Probleme, die sich in derPraxis immer wieder ergeben. Zwar sah gerade das letzte Jahrzehnteine ganze Reihe von Archivneugründungen, jedoch leiden vieleUniversitätsarchive – hier ist wohl hinzuzufügen: wie viele andereArchive auch – unter Personalmangel, unsachgemäßer Unterbrin-gung, Unterfinanzierung und einer ungünstigen organisatorischenEinbindung in das Gefüge der Hochschule. Vielfach fehlt diesenauch nur eine rudimentär ausgeprägte Schriftgutverwaltung, vonAbgabelisten oder gar der tatsächlichen Umsetzung einer Anbie-tungspflicht ist nur selten die Rede. Trotz aller Fortschritte und allerProfessionalisierung, die im Universitätsarchivbereich festzustellensind, kann man sich Moritz’ Schlussappell nur anschließen: Um daskulturelle Erbe zu sichern, ist ein Umdenken der Leitungsgremienhin zu mehr Übernahme von Verantwortung und zu einer ausrei-chenden Finanzierung wenigstens der Pflichtaufgaben erforderlich –und auch hier werden sich wohl auch die Archivarinnen und Archi-vare anderer Sparten anschließen können.

Max Plassmann, Düsseldorf

bilddebatten lesen. Sie sind nämlich nicht im Elfenbeinturm einersich selbst genügsamen Wissenschaft entstanden, sondern sie sindunmittelbar aus der Wahrnehmung archivischer Kernaufgabenerwachsen, so im Falle der Grimm-Beiträge aus der Erschließungdes Grimm’schen Nachlassteils in Marburg, die von Moritz geleitetund durchgeführt wurde – über dieses Projekt wird unter archivi-schen Gesichtspunkten in einem eigenen Beitrag berichtet. DiePräsentation der dabei gewonnenen Erkenntnisse in Form histori-scher Beiträge ist nicht nur als Teil der Öffentlichkeitsarbeit desjeweiligen Archivs und seines Trägers anzusehen, sondern auch alsBaustein bei der notwendigen Vermittlung und Verbreitung vonsolchen Informationen über Bestände, die wegen ihrer Komplexitätnur schwer über Online-Datenbanken zu verbreiten sind.Die Frage, was einen Archivar eigentlich ausmacht und wie seinBerufsfeld zu definieren ist, beschäftigt Moritz in zwei Aufsätzen ausden Jahren 1997 und 1998, die nach wie vor Aktualität für sichbeanspruchen können, auch wenn die Identitäts- und Berufsbilddis-kussion dieser Zeit mittlerweile eher vor Erschöpfung als durchFinden eines Konsenses eingeschlafen ist. Moritz verweist auf dieUmstände, die die Findung einer einheitlichen Identität in der Taterschweren: die Heterogenität der Archivlandschaft insgesamt undder durch verschiedene Ausbildungsgänge sowie Seiteneinsteigertumungleiche Hintergrund der Arbeit. Ein kaum lösbares Grundpro-blem ist dabei das Modell des Archivar-Generalisten, der insbeson-dere in kleineren Archiven alles machen und können muss, dabeiaber in manchen Bereichen – etwa dem der elektronischen Unterla-gen – die notwendige Spezialisierung nicht erreichen kann. Geradeam Beispiel des „Computer-Archivars“ (S. 183) kann Moritz deutlichmachen, wie sehr der Versuch, der neuen Herausforderung zubegegnen, indem man die notwendigen Kenntnisse zum Teil desallgemeinen Berufsbilds erklärt und ihre Beherrschung von jederund jedem fordert, zur Überforderung sowohl des Berufsbilds alsauch der meisten Archivare führen würde. Vernünftig, aber nochnicht wirklich umgesetzt, ist daher Moritz’ Plädoyer für eine Spezia-lisierung innerhalb des Berufsstandes und ein daraus entstehendesarbeitsteiliges Berufsbild, das den Idealtyp des Generalisten ablösensollte, der heute mittelalterliche Siegel beschreibt, um morgen Datenaus einem Umweltinformationssystem zu sichern.Eher konkret liest sich der Beitrag zu „Geschichte und Entwick-lungstendenzen der archivischen Beständeverwaltung“, in dem esvor allem um die Frage geht, wie eine zeitgemäße und kostengünsti-ge Lagerung des Archivguts im Magazin aussehen sollte. Traditionellwurde vielfach eine – wie Moritz zu Recht herausstreicht: unzutref-fende – Verbindung zwischen Lagerordnung und Provenienzprinzipgesehen, d. h. die Lagerung sollte die Tektonik abbilden. Was jedochin einem toten Archiv noch angehen mag, führt in einem lebendenmit andauerndem Beständewachstum zu personalintensiven Rück-und Umräumaktionen. Die Lösung vom Gedanken einer Verbin-dung zwischen Lagerort und Tektonik, die Reduzierung von Lücken,die auf Verdacht für Zuwachs freigehalten werden müssen, dieLagerung nach ökonomischen Prinzipien (etwa einen vielgenutztenBestand nicht im hintersten Magazinteil zu lagern, um die Wege beider Aushebung zu reduzieren) und schließlich die Nutzung der EDVfür eine Lagerortsverwaltung, die theoretisch auch ein chaotischesBild am Regal kompensieren kann, sind hier sinnvolle Strategien –wenn auch letzteres durchaus kontraproduktiv wirken kann, etwawenn wirklich geplant wird, einen vielgenutzten Bestand in beque-mer Reichweite des Magazindienstes aufzustellen.Den Abschluss des Bandes bilden zwei Beiträge zu den Universitäts-archiven in Deutschland, von denen Moritz zweifellos eines der

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Informationsflut nicht nur exponentiell ansteigen lassen, sie habensie auch individualisiert. „Social Media“ heißt sein Ausdruck für diekollektive Produktion und Nutzung von Informationen, derenHalbwertzeit noch kürzer ist als diejenige von Websites, die aberunweigerlich das aktuelle Geschehen nicht nur dokumentieren,sondern auch beeinflussen werden. Die Archivierung von Blogs,Wikis, Chat-Räumen, Spielen, usw. sichert nicht nur Zeugnisse deraktuellen Online-Kommunikationswege, sondern spiegelt sozialeProzesse wider, so dass die einzelnen Daten auch für Archive interes-sant sind.David Bearman (Archives and Museum Informatics) weist in seinemBeitrag auf die Verbindung von Auswahl und Langzeitarchivierunghin. Bearman beobachtet bei der derzeitigen Archivierungspraxisvon digitalem Archivgut der Gedächtnisorganisationen ein unwirt-schaftliches, erfolgloses und wirkungsloses Handeln, weil sie nochnicht in der Lage sind, den aktuellen Anforderungen konkreteKonzepte entgegenzustellen. Archive, Museen und Bibliothekensollen sich stärker darauf konzentrieren, das Archivgut der Öffent-lichkeit zugänglich zu machen. Seine Vorschläge beziehen denkooperativen Aufbau eines Archivierungssystems genauso mit einwie das Schaffen von verlässlichen Standards oder die Erstellungvon vertrauenswürdigen Kriterien bei der Archivierung.Am Ende betont auch John Mackenzie Owen (Universität vonAmsterdam) den archivischen Wert der unterschiedlichen Kulturenund die veränderten Rollen der traditionellen Gedächtnisanstalten.Diese Institute müssen ihre Schwerpunkte von der analogen zurdigitalen Welt noch meistern, wobei dies noch nicht genug sei.Webseiten sind dynamisch, wechselwirkend und zersplittert. AlsErgänzung der Gedächtnisorganisationen plädiert Mackenzie Owenfür eine neue Form der Einrichtung, die speziell für die Bewertungund Archivierung von Webseiten verantwortlich ist.Der Verdienst dieses Bandes liegt vor allem in dem Schwerpunkt, dieRelevanz der digitalen Langzeitarchivierung für politische Entschei-dungsträger deutlich zu machen und in einen internationalenKontext zu stellen. Als eine der wenigen Studien auf diesem Gebietgibt der Band weiterführende Anregungen, den gesellschaftspoliti-schen Stellenwert, den die Gedächtnisorganisationen für die Bewah-rung des digitalen Erbes besitzen, in der politischen Landschafthinreichend zu kommunizieren und noch stärker als bisher auf dieAgenda der politisch Verantwortlichen zu bringen. Gerade hinsicht-lich der großen Bedeutung der digitalen Langzeitarchivierung wirddies zunehmend nur durch gezielte Kommunikation mit verantwort-lichen Politikern möglich sein.

Mathias Jehn, Frankfurt am Main

1 nestor hat im Mai 2006 in einem „Memorandum zur Langzeitverfügbar-keit digitaler Informationen in Deutschland“ (www.langzeitarchivierung.de/downloads/memo2006.pdf) Empfehlungen veröffentlicht, wie zukunftso-rientierte und Erfolg versprechende Rahmenbedingungen für die Erhaltungdes digitalen Erbes in Deutschland geschaffen werden könnten. Das Me-morandum steht zum download bereit unter: www.langzeitarchivierung.de/modules.php?op=modload&name=PagEd&file=index&page_id=2.

Gefährdung der gespeicherten Informationen. Das führt zu neuenAnforderungen und Problemen, denen Archivare gegenüberstehen.Die besonderen Eigenschaften digitaler Objekte erfordern besondereStrategien und Übereinkünfte für die Langzeitarchivierung.Die European Commission on Preservation and Access (ECPA) hatnun einen Bericht veröffentlicht, der einige Beiträge einer Konferenzder Nationalbibliothek der Niederlande und der InformationSociety Division des UNESCO Sekretariats am 4. und 5. November2005 in Den Haag zusammenfasst. Der Bericht ist für 40 Euro (exkl.Porto) beim Sekretariat der ECPA bestellbar oder über die Internet-seite der ECPA als pdf-Datei abrufbar.Die vier Beiträge spiegeln das weit reichende Themenfeld der digita-len Langzeitarchivierung für das kulturelle Erbe wider und bietenpraktische Lösungsansätze für seine Bewahrung an. Um die digitaleLangzeitarchivierung stärker auf die Agenda von politisch relevantenFunktionsträgern zu bringen, stellt Abdelaziz Abid (UNESCO,information society division) zunächst die vielfältigen Aktivitätender UNESCO vor, die laut seiner Agenda den Zugang zu digitalemErbe für alle Völker verbessern und sicherstellen wollen. Die Band-breite und die Möglichkeiten solcher Richtlinien sind in einem sichrasant entwickelnden und bereits überaus komplexen Feld natürlichbeschränkt. Um Personen und Organisationen, die mit der Bewah-rung des digitalen Erbes betraut sind, zu unterstützen, wurden vonder UNESCO Prinzipien formuliert, die als eine Art Checklistefungieren können. Diese wurden auf der 29. Generalversammlungder UNESCO im Oktober 2003 als „Charta on the Preservation ofthe Digital Heritage“ verabschiedet. Eine Vielzahl von Aktivitätenauf nationaler und internationaler Ebene wurde durch dieses Doku-ment und andere UNESCO-Aktivitäten wie Konsultationen und dieEntwicklung praktischer Handreichungen maßgeblich beeinflusst.Die wichtigsten Zielgruppen sind neben den Archiven, Bibliothekenund Museen kulturelle Einrichtungen, Forschungseinrichtungen,Datenarchive, Verlagshäuser, gesellschaftliche Gruppen oder andereAkteure im Bereich digitales Erbe mit einer langen Tradition imSammeln und der Erhaltung des kulturellen Erbes – in Form vonDokumenten, Aufzeichnungen, Publikationen, Manuskripten,Landkarten, Kunstwerken, Bildern, Musikaufnahmen, bewegtenBildern, kulturellen Objekten sowie wissenschaftlichen und statisti-schen Informationen. Angesprochen werden aber auch Akteure, diebislang kaum Erfahrungen mit dem Sammeln und dem Bewahrensolcher Objekte hatten.Abid beschreibt in seinem Beitrag konkrete Maßnahmen, die vonder Staatengemeinschaft gefordert werden, wenn es um die Wahr-nehmung von Verantwortlichkeiten geht: Koordinierung der Maß-nahmen auf nationaler Ebene, Anregung zur arbeitsteiligen Über-nahme von Verantwortung für die Archivierung, Zusammenarbeitzwischen Urhebern sowie Produzenten und Gedächtnisorganisatio-nen, Stärkung von Forschung und Entwicklung auf dem Anwen-dungsgebiet. Die Bedeutung partnerschaftlicher Zusammenarbeitauf nationaler und internationaler Ebene und die Einrichtung vonAus- und Fortbildungsprogrammen werden hervorgehoben. Die inder UNESCO-Charta formulierten Grundsätze sind auch bei nestorin das „Memorandum zur Langzeitverfügbarkeit digitaler Informa-tionen in Deutschland“ eingeflossen.1

Auf die neuen archivischen Herausforderungen im audiovisuellenBereich weist auch der Kulturwissenschaftler William Uricchio(Massachusetts Institute for Technology und Universität Utrecht)hin. Die allgemeine Verfügbarkeit relativ komplexer technischerMittel zur Herstellung multimedialer Informationen und die fastunbegrenzten Verbreitungsmöglichkeiten haben Uricchio zufolge die

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ULRICH S. SOÉNIUS, ZUKUNFT IM SINN – VERGANGEN-HEIT IN DEN AKTEN100 Jahre Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zuKöln. Selbstverlag Stiftung Rheinisch-WestfälischesWirtschaftsarchiv zu Köln, Köln 2006. 221 S., zahlr. Abb.,geb. 10,- €. ISBN 3-933035-42-7 (Schriften zur rheinisch-westfälischen Wirtschaftsgeschichte, Bd. 45)

Was liegt näher als eine Jubiläumsschrift, wenn das älteste deutscheWirtschaftsarchiv auf sein hundertjähriges Bestehen zurückblickenkann? Ulrich S. Soénius, geschäftsführender Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs (RWWA), hat diese Verpflichtungsozusagen im Alleingang angenommen und eine Archivgeschichtedieser bedeutenden Institution verfasst.Soénius kündigt im Vorwort eine „ehrliche(r) Darstellung“ an.Dieser Anspruch wird, um ein Fazit vorwegzunehmen, mit Bravoureingelöst.Die Entstehung des RWWA verdankt sich – als eine Art glücklicherFügung – der Allianz verschiedener Interessenlagen, die sich ausdem Wunsch des rheinischen Wirtschaftsbürgertums und derdortigen Handelskammern nach ihrer historischen Selbstdarstel-

Kommentierung der Texte bei. Hier leistet die Edition aus Rhein-land-Pfalz Vorbildliches. Kaum ein Tagesordnungspunkt der Proto-kolle bleibt ohne Hinweise auf weitere Protokolle, auf ergänzendeQuellen aus der Überlieferung der Ressorts und auf einschlägigeForschungsliteratur. Auch Personennamen, die in den Protokollenvielfältig begegnen, werden durch kurze biographische Angaben undgegebenenfalls Literaturhinweise erläutert. Die dürren Ergebnispro-tokolle, die für sich genommen politische Probleme und Lösungs-ansätze nur grob skizzieren, erhalten auf diese Weise durch dieLeistung des Bearbeiters Walter Rummel einen informatorischenMehrwert, der an allen Stellen Wege zur vertieften Recherche undAuseinandersetzung mit den Themen eröffnet.Wenn es überhaupt etwas an dieser umfassend und sorgfältiggearbeiteten Edition zu kritisieren gibt, dann ist es die Publikations-form. Die Edition der Protokolle des Ministerrats von Rheinland-Pfalz, jedenfalls ihr erster Band, erscheint noch traditionell als Buch.Wahrscheinlich erklärt sich diese Entscheidung für das Medium desBuches nicht zuletzt auch aus der (langen) Entstehungsgeschichteder Edition. Der Zweck der Edition, die keine erzählende Darstel-lung, sondern ein Nachschlagewerk zur Landesgeschichte bietet,hätte eine andere, nämlich elektronische Publikationsform nahege-legt. Im Medium der elektronischen Edition hätten Querverweisefür den Leser komfortabler realisiert und die Recherche ohne größe-ren editorischen Zusatzaufwand wesentlich erleichtert werdenkönnen. Es bleibt zu hoffen, dass Bearbeiter und Herausgeber ihreEntscheidung für die Publikationsform noch einmal überdenkenund zukünftig neben dem Buch auch eine digitale Version anbietenwerden. Kein Zweifel besteht allerdings, dass auch schon in dervorliegenden Form die Edition mit ihren umfangreichen Personen-,Sach- und Ortsindizes ein unentbehrliches Hilfsmittel für dielandesgeschichtliche Forschung darstellt, das hoffentlich bald schoneine Fortsetzung erfährt.

Andreas Pilger, Düsseldorf

DIE PROTOKOLLE DES MINISTERRATS VONRHEINLAND-PFALZProvisorische Regierung Boden und Erste RegierungAltmeier. 1.-109. Ministerratssitzung (2.12.1946-29.12.1948). Bearb. von Walter Rummel. Verlag der Lan-desarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Koblenz 2007. 964S., geb. 50,- €. ISBN 978-3-931014-73-8 (Veröffentlichun-gen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Son-derreihe Ministerratsprotokolle, Bd. 1. Veröffentlichun-gen der Kommission des Landtages für die Geschichtedes Landes Rheinland-Pfalz, Bd. 27)

Pünktlich zum sechzigsten Landesjubiläum hat die Landesarchivver-waltung Rheinland-Pfalz den ersten Band ihrer Edition der Minister-ratsprotokolle vorgelegt. Rheinland-Pfalz folgt damit dem Vorbilddes Bundes und anderer Länder, die seit den 1980er Jahren ihreKabinettsprotokolle in wissenschaftlichen Editionen der Öffentlich-keit zugänglich machen. Der erste Band der neuen Edition umfasstdie Tätigkeit der provisorischen Regierung Wilhelm Boden und derersten Regierung Peter Altmeier von Dezember 1946 bis Dezember1948. Fragen des Zuschnitts, der Verwaltung sowie des wirtschaftli-chen und gesellschaftlichen Wiederaufbaus des neu gegründetenLandes standen damals im Mittelpunkt der politischen Beratungendes Ministerrats. Dass die Edition zu diesen großen Themen derLandesgeschichte unmittelbar neue Erkenntnisse beisteuert, wäreeine unangemessene Erwartung. Wie in anderen Bundesländern, soist auch in Rheinland-Pfalz die Gründungsgeschichte und Frühzeitdes Landes bereits gut erforscht. Insbesondere die Publikationen vonRainer Hudemann, Peter Brommer, Heinrich Küppers und UlrichSpringorum haben den Prozess der Landesgründung und des Ver-waltungsaufbaus in Rheinland-Pfalz bereits in gründlicher undumfassender Weise nachgezeichnet. Rainer Möhler hat zudem eineumfangreiche Studie zur Entnazifizierung vorgelegt und die Unter-suchungen von Karl-Heinz Rothenberger und Marie-France Lud-mann-Obier zur Ernährungslage und zur Demontagepolitik habeneinen wesentlichen Beitrag zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte derersten Nachkriegsjahre geleistet. Die Ministerratsprotokolle könnendas Bild der Forschung nur abrunden; an einigen Stellen können siees mit Details vertiefen. Allerdings liegt es im Wesen der Quelle, dassdie Details nicht immer in gleichem Maße bedeutsam sind. Wichti-ges steht neben Unwichtigem, die Bemühungen um eine Verbesse-rung der Versorgungslage und der Flüchtlingssituation neben Fragendes Beamtenrechts und der Beschaffungspolitik für die Landesregie-rung. Wichtiger als die Einzelinformationen ist daher die Tatsache,dass mit der Edition eine Quelle erschlossen wird, die in ihrerDichte und Konzentration das „Rückgrat des Schriftgutes derLandesregierung“ (Heinz-Günther Borck) bildet. Der Quellenwert,der sich mit der „herausragende[n] Perspektive“ (Kurt Beck) derzentralen politischen Steuerungsinstanz auf Landesebene verbindet,liegt nicht in der erschöpfenden Auseinandersetzung mit Einzelthe-men, sondern in der Konzentration auf wesentliche Strukturmerk-male, die für das Wesen einer landesgeschichtlichen Epoche konsti-tutiv sind. In ihrer Eigenschaft als „Kern der primären Quellen zurpolitischen Historie eines Landes“ (Walter Rummel) gewährleistendie Ministerratsprotokolle Zugänglichkeit. Das Editionsprojekt stehtdamit im Dienste einer originär archivischen Aufgabe und istdeshalb zu Recht bei der Landesarchivverwaltung angesiedeltworden. Die Ministerratsprotokolle können wie ein Wegweiser bzw.Register zu den zentralen Themen der Landesgeschichte genutztwerden. Vielleicht mehr noch als die Protokolle selbst trägt dazu die

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Universität zu Köln ernannt und übernahm 1997 als alleinige Direk-torin die Leitung des RWWA. In jüngster Zeit zeichnet sich einerneuter Bedeutungswandel ab, indem der amtierende DirektorUlrich S. Soénius als Geschäftsführer der IHK Köln in Personalunionden Geschäftsbereich Standortpolitik, Verkehr und Wissensmanage-ment verantwortet.Die künftige Arbeit des RWWA beschreibt S. vor dem Hintergrundder archivgesetzlichen Verpflichtung, die Bestände der Industrie-und Handelskammern zu sichern. Angesichts übervoller Magazinre-gale kann in Zukunft wohl nur der Anspruch lauten, nicht mehr alleUnternehmen und Wirtschaftsbranchen des Archivsprengels zudokumentieren, sondern repräsentative „Querschnitte“ zu bilden.Auch die Neubewertung von Beständen dürfte dabei kein Tabu sein.Die vom Verfasser aufgezeigten Perspektiven – weitere Wirtschaftsar-chive gründen, neue Wege des Marketings beschreiten, mehr Selbst-bewusstsein zeigen – sind in ihrer Essenz wegweisend über alleArchivsparten hinweg.Soénius, der das RWWA seit seinen studentischen Tagen kennt,bewältigt die Stofffülle mit großer Souveränität. Eine etwas vertie-fende Untersuchung hätte der Passus verdient, dass das RWWA inder Zeit des Nationalsozialismus von der IHK zu „zahlreichenSondergutachten“ herangezogen wurde (S. 74). Eher knapp wirdauch die Frage behandelt, warum in den vierziger Jahren in Westfa-len ein eigenes Wirtschaftsarchiv entstand. Dessen ungeachtet hat S.eine fundierte, informative, dabei gut lesbare Darstellung geschrie-ben. Der ausführliche Anhang mit seinem Bestandsverzeichnismacht die Publikation zu einem wichtigen Hilfsmittel für Fachkolle-gen und Benutzer. Diese Geschichte des RWWA ist ein Vorbild fürandere Wirtschafts- und Unternehmensarchive, die ähnliche Schrif-ten planen.

Detlef Krause, Frankfurt am Main

lung, der Unterstützung durch die Kölner Handelshochschule, derAufgeschlossenheit des Kölner Stadtarchivs sowie einer stärkerenHinwendung der Geschichtswissenschaft zu wirtschaftshistorischenFragestellungen zusammensetzten. Gleichzeitige, konkurrierendewirtschaftsarchivische Bestrebungen im benachbarten Düsseldorfdürften zudem eine beschleunigende Wirkung als Katalysatorgehabt haben.S. hat das Forscherglück, dass er das Gründungsdatum des RWWAum ein Jahr früher datieren kann als bislang angenommen, denn dieKölner Stadtverordnetenversammlung, die aufgrund eines städti-schen Zuschusses zustimmungsberechtigt war, genehmigte bereitsam 14. Dezember 1906 die Statuten des neu geschaffenen Wirt-schaftsarchivs.In den über hundert Jahren seines Bestehens hat sich das RWWA zueiner renommierten und weithin bekannten Institution mit einemeigenen Profil entwickelt. Der Verfasser zeichnet akribisch dievielfältigen Aspekte dieser Erfolgsstory nach. Er schildert denWandel der rechtlichen Verhältnisse bis hin zur Umfirmierung desRWWA als Stiftung zum Jahresbeginn 2000; er charakterisiertdarüber hinaus die leitenden Persönlichkeiten, er schildert Personal-ausstattung, Nutzerzahlen sowie Magazinbauten und behandelt dienicht unwichtige Frage der Finanzierung des Archivs. In diesemKapitel findet sich auch der Hinweis auf finanzielle Schwierigkeiten,die den Ausschlag gaben, dass das RWWA 1933 zu einer eigenenAbteilung der Kölner Industrie- und Handelskammer wurde.Breiten Raum nimmt naturgemäß die archivische Öffentlichkeitsar-beit ein, die in der Summe eine beeindruckende Fülle von Aktivitä-ten ergibt. Dabei ist es dem RWWA stets gelungen, sowohl denBedürfnissen der westdeutschen Industrie- und Handelskammernals den Archivträgern wie auch den wirtschaftshistorischen undarchivfachlichen Erwartungen einer interessierten Allgemeinheitgerecht zu werden. Als herausragende Beispiele seien hier nur diebeiden Bände „Zwei Jahrtausende Kölner Wirtschaft“ und dieSchriftenreihe zur rheinisch-westfälischen Wirtschaftsgeschichtegenannt.Darüber hinaus skizziert S. die klassischen Mittel der PR-Arbeit wieVorträge, Ausstellungen, Archiv-Führungen und Tagungen. Ebensowerden die vielfältigen Aufgaben in der Archivpflege, der Beratungvon Unternehmen bei der Einrichtung von Wirtschaftsarchiven,sowie bei der Übernahme gefährdeter Bestände dargelegt. BesondereVerdienste haben sich die Vertreter des RWWA durch die Förderungdes (wirtschafts-)archivischen Nachwuchses sowie durch ihr Enga-gement in Fachverbänden erworben, wie etwa in den Gremien derVereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare (VdW) und im VdA -Verband deutscher Archivarinnen und Archivare.S. umschreibt selbstbewusst das Verständnis des RWWA als „Motordes Wirtschaftsarchivwesens in Deutschland“. Zu den Erfolgsfakto-ren des RWWA zählen gewiss eine starke Verankerung und Unter-stützung in Köln, die stets geschickte Einbindung verschiedenerInstitutionen, insbesondere der rheinisch-westfälischen Industrie-und Handelskammern, aber auch der Wissenschaften. Das RWWAhat immer eine enge Bindung zur Kölner Universität gepflegt; sowaren die Professoren Ludwig Beutin, Hermann Kellenbenz undFriedrich-Wilhelm Henning zugleich auch wissenschaftliche Direk-toren des RWWA. Der Autor verschweigt nicht, dass dem Wirt-schaftsarchiv durch diese Nähe auch die Gefahr drohte, unter derLeitung von Bruno Kuske zu einem reinen Forschungsinstitut„abzusinken“. Umgekehrt konnte sich das RWWA aber auch eman-zipieren und selbst befruchtend auf die universitäre Lehre einwir-ken. Klara von Eyll wurde 1992 zur Honorarprofessorin an der

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LITERATURBERICHTE

PETER M. TOEBAK, RECORDS MANAGEMENTEin Handbuch. hier + jetzt, Verlag für Kultur und Ge-schichte GmbH, Baden 2007. 605 S., kart. 48,80 €. ISBN978-3-03919-059-1

Wer sich mit IT-gestützter Vorgangsbearbeitung sowie der Archivie-rung elektronischer Unterlagen auseinandersetzt, kennt die damitverbundenen Probleme und Schwierigkeiten. Das Verständnis fürgeltende Grundsätze einer fachgerechten Aktenführung, wie bspw.die richtige Verwendung von Geschäftsverfügungen oder die Wah-rung der Aktenvollständigkeit, ist häufig nur noch teilweise vorhan-den. Eine ganzheitliche elektronische Schriftgutverwaltung bildeteinen wesentlichen Erfolgsfaktor zur Nutzung der Kostenvorteile,zur Sicherung der Rechtssicherheit elektronischer Bearbeitung sowiedes digitalen Erbes in DMS-Projekten. Zudem gestalten sich dasVerständnis zwischen Systemanbieter und Anwender sowie dieAdaptierung der Erkenntnisse internationaler Projekte aufgrund derunterschiedlichen Begrifflichkeit als schwierig.Das Werk von Peter M. Toebak bietet hier konkrete Lösungswege.Der Autor benutzt gezielt die englisch-amerikanische Terminologie,bspw. record und Records Management, die auch im DMS- undECM-Umfeld maßgeblich ist und plädiert für deren (angepasste)

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DIE URKUNDEN DES REICHSSTIFTS OBERMARCHTALRegesten 1171-1797. Hrsg. von Wolfgang Schürle undVolker Trugenberger. Bearb. von Hans-Martin Maurerund Alois Seiler. Red.: Sabine Meyer. Edition Isele, Kon-stanz 2005. 703 S., 46 Abb., geb. 40,- € (DocumentaSuevica, Quellen zur Regionalgeschichte zwischenSchwarzwald, Alb und Bodensee, Bd. 5)

Die Herausgabe von Urkundenbüchern gehört normalerweise leidernicht mehr unbedingt zu den Schwerpunkten innerhalb der Publi-kationstätigkeit von Archivverwaltungen. Umso mehr ist hervorzu-heben, dass sich die baden-württembergische Archivverwaltungauch in den letzten Jahren in ihrer Reihe „Inventare der nichtstaatli-chen Archive in Baden-Württemberg“ mit der Veröffentlichungmehrerer Urkundenbücher engagiert hat, die den reichen Fundusvon Adelsarchiven in diesem Land weiter erschließen helfen: Andieser Stelle seien nur die Urkundenregesten der Archive der Freiher-ren von Ow (2004) und der Freiherren von Mentzingen (2007)genannt. Stärkere Zurückhaltung hat man sich aber schon seit jeherauch in Baden-Württemberg bei der Veröffentlichung von Urkun-denregesten aus Beständen in den eigenen Archiven auferlegt. DasErscheinen von zwei derartigen Urkundenbüchern in der Reihe„Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg“ innerhalb eines Jahres, wie es 2000 geschehen ist(Urkunden der Grafschaft Virneburg im Staatsarchiv Wertheim undder Benediktinerabtei Gottesaue im Generallandesarchiv Karlsruhe),muss deswegen als Ausnahmefall gelten. Seitdem ist in dieser Reiheauch kein weiteres Urkundenbuch mehr erschienen.So verdankt auch das jetzt vorliegende Urkundenbuch des Prämons-tratenserstifts Obermarchtal (an der Donau zwischen Ulm undSigmaringen) sein Erscheinen in erster Linie privatwirtschaftlichemEngagement. Die Reihe „Documenta Suevica“ ist ein Bestandteil derseit Langem betriebenen Kulturförderung der OberschwäbischenElektrizitätswerke (OEW), eines Zweckverbandes von neun Land-kreisen im südöstlichen Baden-Württemberg, der als Hauptaktionärdes „Energieriesen“ EnBW zurzeit wohl nicht mit einer finanziellenMangelsituation zu kämpfen hat. Die großzügige Förderung hat nundie Herausgabe eines Werkes ermöglicht, dessen Anfänge immerhinschon fast fünfzig Jahre zurückliegen. Bereits im Jahr 1959 hat Hans-Martin Maurer, damals am Anfang seiner Laufbahn als Archivasses-sor am Staatsarchiv Sigmaringen (später von 1979 bis 1994 Leiter desHauptstaatsarchivs Stuttgart) mit der Regestierung des MarchtalerUrkundenbestandes in Sigmaringen begonnen. Diese Arbeit schlosser endgültig erst 1984 in Stuttgart ab (einen Teil der Urkunden hatteAlois Seiler, später Leiter des Staatsarchivs Ludwigsburg, regestiert).Nun begann Wilfried Schöntag, der damalige Leiter des Staatsar-chivs Sigmaringen, mit der Redaktion für die Drucklegung, dochverhinderte seine Berufung zum Präsidenten der baden-württem-bergischen Landesarchivdirektion im Jahr 1993 den Abschluss. Dankder Förderung durch die Stiftung Kulturgut des Landes Baden-Württemberg konnte im Jahr 2003 die Würzburger HistorikerinSabine Meyer mit der Endredaktion für die Drucklegung und derErstellung des Registers beauftragt werden, die dann auch noch dieMarchtaler Urkunden im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im FürstThurn und Taxis Zentralarchiv Regensburg mit einbeziehen konnte,allerdings überwiegend nur auf die dortigen Findmittel gestützt, wasdazu führt, dass die Regesten dieser Urkunden weniger ausführlichsind als die der Sigmaringer Urkunden. Auch die urkundlicheÜberlieferung der im Staatsarchiv Sigmaringen vorhandenen Kopial-bücher musste leider unberücksichtigt bleiben.

Übernahme in der deutschsprachigen Welt. TerminologischeSchwierigkeiten wären damit ausgeräumt. Hervorzuheben sind dievon Toebak geprägten Termini Daten-Records und Unterlagen-Records, die eine eindeutige Trennung zwischen dokument- undnicht-dokumentbasierten Aufzeichnungen ermöglichen. Wünschens-wert wären klarere Definitionen und eine Matrix gewesen, welchedie verschiedenen Termini der anglo-amerikanischen Begriffsweltdenen der schweizerischen, deutschen und österreichischen gegen-überstellt.1 Im Buch erfolgt nur eine Umsetzung in die schweizeri-sche Begrifflichkeit, was beim Leser ein tieferes Verständnis derMaterie voraussetzt.Der Autor weist eindrucksvoll die gesamtorganisatorische Bedeu-tung des Records Managements als Herzstück einer Organisationund Grundlage von Effizienz und Effektivität von Geschäftsprozes-sen nach. Records Management ermöglicht eine strukturierteInformationsverarbeitung. Das Buch beschreibt die Anforderungenan das Records Management aus prozessualer und organisatorischerSicht, orientiert am Lebenszyklusmodell. Grundlegende Säulenbilden, in neuer Begrifflichkeit, eine ganzheitliche, am Geschäfts-gang (Prozess) ausgerichtete Schriftgutverwaltung, die Bildungvollständiger Akten, die Registrierung aktenrelevanten Schriftguts,die Nutzung eines Aktenplans sowie die strukturierte Erfassung vonMetadaten zur Nachvollziehbarkeit der Entstehungsprozesse unddamit der Rechtssicherheit. Eine Abgrenzung von nicht registrier-würdigem Schriftgut erfolgt explizit nicht, da dadurch große Teileausgespart blieben. Gleichzeitig werden die Bedeutung einer frühzei-tigen, an der Federführung orientierten (Vor-)Bewertung, auf Akten-planebene hervorgehoben und verschiedene Bewertungsmodelle füralle Record-Typen vorgestellt. Die Einbeziehung informationswis-senschaftlicher Inhalte ermöglicht die Nutzung von Synergien, so u.a. der Referenzierung zur Vermeidung von Aktenredundanz. Nebenfunktionalen und technischen Anforderungen an Records-Manage-ment-Systeme werden Bedingungen an die elektronische Archivie-rung beschrieben. In allen Ausführungen werden die Erkenntnisseaktueller internationaler Standards, Normen, Best Practices expliziteinbezogen. Verwiesen sei hier auf das umfangreiche Literaturver-zeichnis. Die Integration elementarer Grundsätze der klassischenSchriftgutverwaltung und Archivierung als zwingende Anforderun-gen an die elektronische Bearbeitung in Verwaltung und Unterneh-men hebt den scheinbaren Widerspruch zwischen Schriftgutverwal-tung und Records Management auf. Durch die Einbeziehung derBetriebswirtschaft anhand konkreter Kennzahlen sowie der Manage-mentlehre in die Betrachtungen kann die entscheidende Bedeutungdes Records Management für eine effiziente Gesamtorganisationauch der fachlich nicht zwingend informierten Entscheiderebenevon Verwaltung und Unternehmen nachvollziehbar vermitteltwerden. Gerade der interdisziplinäre Ansatz macht das Buch zumStandardwerk.

Steffen Schwalm, Berlin

1 Vgl. hierzu auch: Stumpe, Simone: DLM. Document-Lifecycle-Managementim internationalen Vergleich. Diplomarbeit an der Fachhochschule Potsdam,Potsdam 2007 (Vergleich deutscher Standards und Terminologie mit inter-nationalen Standards und deren Begrifflichkeit).

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Privilegien im 15. Jahrhundert, schließlich die Verleihung der Hoch-gerichtsbarkeit durch Kaiser Maximilian I. im Jahr 1518 stärkten diepolitische Stellung des Stifts, das zudem seit 1491 auf den Reichsta-gen vertreten und damit Reichsstand war. Im kirchlichen Bereichwurde der Aufstieg deutlich an der Erhebung zur Abtei 1441 und ander Verleihung der Pontifikalien an den Abt 1609.Mit der Säkularisation 1802/03 fiel das Stift an den Fürsten vonThurn und Taxis, der damit auch das Stiftsarchiv übernahm. Infolgeder Mediatisierung 1806, durch die Obermarchtal unter die Landes-hoheit des Königreichs Württemberg kam, wurden 1826 etwa 300Urkunden ans Stuttgarter Staatsarchiv abgegeben, wo sie heute denBestand B 475 bilden. Aus dem Restbestand wurden 1848 weitere 439Urkunden ans Hauptarchiv des Fürsten von Thurn und Taxis nachRegensburg abgeliefert, der in Obermarchtal verbliebene Restgelangte schließlich 1952 als Thurn und Taxis’sches Depositum insStaatsarchiv Sigmaringen.In der urkundlichen Überlieferung spiegeln sich neben den Bezie-hungen des Stifts zur Reichsstadt Biberach in hohem Maß auchdiejenigen zu den benachbarten österreichischen LandstädtenEhingen und Munderkingen wider. Auch Genealogen finden indiesem Buch reiches Material, so etwa eine ganze Anzahl von Bele-gen aus dem 16. Jahrhundert für die Ehinger und MunderkingerBürgerfamilie Schlecker, deren Nachkommen heute durch ihreDrogeriemärkte bundesweiten Bekanntheitsgrad erlangt haben.Illustriert wird der auch handwerklich sehr ansprechend gestalteteBand durch größtenteils farbige Fotos von Siegeln und Urkundenaus dem Bestand sowie von Kirchen, sonstigen Gebäuden undarchitektonischen Details aus dem Umkreis des ehemaligen Stifts,die vor allem einen guten Eindruck von dessen kultureller Blütezeitim Barock vermitteln.

Franz Maier, Speyer

Insgesamt umfasst das Werk 2073 durchnummerierte Regesten,wobei eine Anzahl von Nummern allerdings nicht belegt ist, da sicherst bei der Endredaktion herausgestellt hat, dass manche Urkundenin den bisherigen Findmitteln mit falschen Datierungen nachgewie-sen waren. Diese wurden dann nachträglich unter dem richtigenDatum als a-Nummer einsortiert. Die Ortsnamen in den Regestensind entsprechend dem heutigen Sprachgebrauch modernisiert, mitder alten Schreibweise in Klammern dahinter. Siegelbeschreibungenhat nur Hans-Martin Maurer bei den von ihm regestierten 1.342Urkunden angefertigt, in den übrigen Fällen ist dies unterblieben.Die Formalbeschreibungen sind nicht, wie sonst üblich, unterhalbder Regestentexte abgedruckt, sondern in einer eigenen Spaltedaneben am Buchfalz, was eine ungewöhnliche, aber durchausansprechende Lösung darstellt. Das Gleiche gilt für die Idee, diejeni-gen Urkunden, die in Sigmaringen nicht als eigene Bestelleinheitenüberliefert sind, durch Graudruck auch optisch von den übrigenRegesten abzuheben.Die Reihe der Regesten beginnt mit der Schenkung der KircheMarchtal an den Prämonstratenserorden durch Pfalzgraf Hugo vonTübingen im Jahr 1171. Die Vorgeschichte mit einer kurzlebigenersten Klostergründung im 8. Jahrhundert, gefolgt von einer Burg,die im 10. Jahrhundert Sitz der Herzöge von Schwaben war, undeinem 993 von denselben dort gegründeten Kanonikerstift wird inder Einleitung kurz dargestellt. Der ursprüngliche Doppelstift-Charakter änderte sich im Jahr 1273 mit dem Verbot der Aufnahmevon Chorfrauen. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts konnteMarchtal sich aus der Vogtei der Pfalzgrafen von Tübingen befreienund wurde Eigenstift des Bistums Konstanz. Im 14. Jahrhundertorientierte sich das Stift mehr in Richtung der Reichsstadt Biberach,wo das Stift 1387 das Bürgerrecht erwarb. Mehrere königliche

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LITERATURBERICHTE

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SORGE UM DIE SONSTIGEN

ZUR ARCHIVIERUNG VONUNTERLAGEN JURISTISCHERPERSONEN DES ÖFFENTLICHENRECHTS IN NRW UND ANDERSWO

der mit einigen Varianten auch in den Archivgesetzen der anderenBundesländer verankert ist, immer dann als potentiell problema-tisch, wenn die Archivierung entsprechender Unterlagen durch einenanderen Rechtsträger als die JPÖR selbst vorgenommen wird. Diemeisten in den Archivgesetzen hierzu verankerten Regelungen sindbemerkenswert knapp, auf mehrere Abschnitte und Paragraphenverteilt angeordnet und in einigen Fällen sogar uneindeutig formu-liert. So können sich in nahezu allen Phasen des Archivierungspro-zesses rechtliche Fragen ergeben, deren Beantwortung den imNormalfall nicht mit der Qualifikation eines Verwaltungsjuristenagierenden Archivar vor ernsthafte Schwierigkeiten stellen kann.Im Folgenden kann und soll freilich nicht der Versuch unternom-men werden, eine erschöpfende, länder- wie archivspartenübergrei-fende archivrechtliche Gesamtdarstellung zu diesem Fragekomplexzu bieten. Insbesondere bleiben die meisten der Fragen ausgeklam-mert, die mit der Archivierung von Unterlagen der Gebietskörper-schaften in Kommunalarchiven zusammenhängen oder die andereetablierte Formen der „Eigenarchivierung“ der JPÖR (z. B. in Hoch-schularchiven) betreffen. Die vorliegenden Überlegungen konzentrie-ren sich vielmehr auf die so genannten „Sonstigen“ und verfolgendas Ziel, die wichtigsten im Prozess der Archivierung zwischen einersolchen JPÖR und einem Archiv außerhalb der Trägerschaft desRegistraturbildners möglichen Unklarheiten und Problemfelderaufzuzeigen, archivrechtliche Interpretationshilfen zu bieten undeinige archivpraktische Lösungsansätze vorzuschlagen. Der Fokusder Darstellung liegt dabei auf den entsprechenden Verhältnissen inNordrhein-Westfalen, an denen sich ein Großteil der genanntenUnklarheiten und Problemfelder anschaulich illustrieren lassen unddie eine gute Vergleichsgrundlage für die Regelungen und Sachstän-de der anderen Länder bieten. Die Gliederung des Textes folgt nach

EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG

Unter den im Archivgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen genann-ten Registraturbildnern, die Gegenstand archivischen Handelnswerden können, nehmen die juristischen Personen des öffentlichenRechts (JPÖR) eine besondere Stellung ein. Sie bewegen sich inmehrfacher Hinsicht zwischen den Schriftgut produzierendenOrganen der unmittelbaren Landesverwaltung auf der einen undden juristischen und natürlichen Personen des Privatrechts auf deranderen Seite. Handelt es sich bei der Archivierung von Unterlagender unmittelbaren Staatsverwaltung um ein durch das Archivgesetzklar vorstrukturiertes „In-sich-Geschäft“ zwischen ein und demsel-ben Eigentümer und Besitzer, so stellt die Archivierung von Unterla-gen einer Privatperson im Regelfall ein frei verhandelbares Geschäftzwischen zwei selbstständigen Rechtssubjekten dar. Die Archivie-rung von Unterlagen von JPÖR enthält archivrechtlich gesehenElemente aus beiden Bereichen. Auf der einen Seite hat der Gesetz-geber nämlich dem Charakter der JPÖR als Organe der mittelbarenStaatsverwaltung Rechnung getragen, indem er eine archivische„Grundsicherung“ der dort entstehenden Unterlagen gesetzlichfestgeschrieben hat.1 Diese Grundsicherung umfasst, wie noch imWeiteren zu zeigen sein wird, vor allem die gesetzliche Festschrei-bung einer generellen Archivierungspflicht und die Sicherstellungder öffentlichen Zugänglichkeit der archivierten Unterlagen. Auf deranderen Seite berücksichtigt das nordrhein-westfälische Archivgesetzgleichzeitig auch den speziellen Charakter der JPÖR als eigeneRechtssubjekte, was unter anderem (wie ebenfalls noch zu zeigensein wird) durch die Option der Eigenarchivierung oder der freienArchivwahl, die Wahrung von Eigentumsrechten sowie ein weitrei-chendes Mitgestaltungsrecht bei der Klärung von Kosten- undfachlichen Einzelfragen zum Ausdruck kommt.In der archivischen Praxis erweist sich dieser Doppelcharakter derJPÖR zwischen Staatsverwaltung und rechtlicher Selbständigkeit,

1 Das Interesse an dieser Grundsicherung resultiert aus der anerkannt ho-hen Bedeutung der JPÖR für die öffentliche Verwaltung und Aufgabener-füllung. Vgl. hierzu: Petra Nau: Verfassungsrechtliche Anforderungen anArchivgesetze des Bundes und der Länder, Kiel 2000, S. 166.

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Kassenzahnärztlichen Vereinigungen), sowie die auf den Rechtenund Pflichten zum Grund- oder wirtschaftlichem Eigentum basie-renden Realkörperschaften, wie etwa die Industrie- und Handels-kammern, die Wald-, Jagd- und Fischereigenossenschaften oder dieWasserverbände.Die zweitgrößte Gruppe unter den JPÖR bilden die Anstalten desöffentlichen Rechts. Anders als die öffentlich-rechtlichen Körper-schaften haben diese Anstalten keine Mitglieder, sondern Benutzer.Unter den öffentlich-rechtlichen Anstalten mit eigener Rechtspersön-lichkeit sind vor allem einige Banken (Deutsche Bundesbank,Sparkassen) sowie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vongrößerer Bedeutung. In Nordrhein-Westfalen handelt es sich dabeium den Westdeutschen Rundfunk sowie die Landesanstalt fürMedien.Die dritte und zahlenmäßig kleinste Gruppe der JPÖR bilden dieStiftungen des öffentlichen Rechts. Bei diesen Einrichtungen handeltes sich im Kern um rechtlich verselbständigte Vermögensmassen, diezur Erfüllung eines bestimmten, vom Stifter vorgegebenen Zweckeseingesetzt werden. Der bei öffentlich-rechtlichen Stiftungen domi-nierende gemeinnützige Stiftungszweck wird bei der Begründungder Stiftung durch einen eigenen Hoheitsakt festgelegt. Den unter-schiedlichen Stiftungszwecken entsprechend gibt es öffentlich-rechtliche Stiftungen ganz unterschiedlicher Größe und Ausrich-tung. Das Spektrum reicht hier von Bund-Länder-übergreifendenGroßinstitutionen wie der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ überdie als Stiftung organisierten Hochschulen (z. B. Universität Göttin-gen, Tierärztliche Hochschule Hannover) bis hin zu rein lokalagierenden Stiftungen. In Nordrhein-Westfalen ist das Spektrum anöffentlich-rechtlichen Stiftungen sehr gering; es umfasst derzeitlediglich vier Einrichtungen mit eher örtlich bis regionaler Ausrich-tung. Dabei handelt es sich um die „Stiftung Wohlfahrtspflege“, den„Kölner Gymnasial- und Stiftungsfond“, das „Damenstift Lipp-stadt“ sowie die „Vereinigten Stifte Geseke-Keppel“.7

Unabhängig von ihrer inneren Verfassung und Aufgabenstruktursind allen JPÖR die Ziele und Rahmenbedingungen ihres öffentli-chen Handelns von der Legislative vorgegeben. Innerhalb diesesRahmens jedoch können die JPÖR weitgehend frei agieren. Sie sindberechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Regelung ihrer inter-nen Angelegenheiten Satzungen mit materiellem Rechtscharakter zuerlassen und, soweit ihnen diese vom Gesetzgeber zugewiesenwurden, weitere hoheitliche Rechte auszuüben, wie etwa Beamtener-nennungen oder die Erhebung von Abgaben. Das hieraus erwachse-ne hohe Maß an Autonomie, das den JPÖR zukommt, kennzeichnetdiese als Staatsorgane sui generis und prägt häufig auch ihr selbstbe-wusst nach außen vermitteltes Eigenverständnis.

DIE ARCHIVRECHTLICHENZUSTÄNDIGKEITSREGELUNGEN FÜRUNTERLAGEN DER JPÖR

Die archivische Zuständigkeit für Unterlagen von JPÖR bemisst sichgrundsätzlich danach, ob es sich bei einer JPÖR um eine bundesun-mittelbare, eine landesunmittelbare oder um eine einer Kommunezugehörige Einrichtung handelt.Für Unterlagen von bundesunmittelbaren JPÖR ist die archivischeZuständigkeit im Bundesarchivgesetz eindeutig festgelegt. In § 2 (1)BArchG werden „die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstal-ten und Stiftungen des öffentlichen Rechts“ analog zu allen anderen

einer definitorischen Darstellung zum historisch gewachsenenCharakter und zum rechtlichen Status der JPÖR dem üblichen(zeitlichen) Ablauf eines Archivierungsprozesses: von der Bestim-mung der archivischen Zuständigkeit über die Anbietung, Bewer-tung und Übernahme bis hin zur Aufbewahrung, Erschließung,Restaurierung und Benutzung. Den Abschluss der vorliegendenÜberlegungen bildet dann ein kurzer kritischer Ausblick auf die bisdahin herausgearbeiteten Problemlagen und stellt den in diesemKontext vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen eingeschlagenenLösungsweg vor.

JURISTISCHE PERSONEN DES ÖFFENT-LICHEN RECHTS

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind Organe der mittel-baren Staatsverwaltung, die auf bundes- oder landesgesetzlicherGrundlage eingerichtet und mit der selbständigen Erledigungstaatlicher Aufgaben im Sinne des Selbstverwaltungsprinzips be-traut werden. Als juristische Personen haben sie den Charakter vonhandlungsfähigen Rechtssubjekten, das heißt, sie sind selbständigagierende Träger von Rechten und Pflichten.2 Dem entsprechendbeschränkt sich die Aufsicht des Staates gegenüber den JPÖR außerbei der Wahrnehmung von Auftragsangelegenheiten auf die allge-meine Rechtsaufsicht. Einer staatlichen Fachaufsicht unterliegen dieJPÖR im Regelfall nicht.3

Ihre historischen Wurzeln haben die JPÖR einerseits in den vielfälti-gen, seit dem Mittelalter gewachsenen Autonomie- oder Mitbestim-mungstraditionen einzelner Einrichtungen und Bevölkerungsgrup-pen (Universitäten, Städte, Zünfte etc.), andererseits im neuzeitlichenKonzept der Selbstverwaltung im modernen Staatsgefüge. Im Kon-text der allgegenwärtigen Debatte um eine „Verschlankung“ staatli-cher Verwaltung kommt der Stärkung der Selbstverwaltung derzeiteine gesteigerte Bedeutung zu. So ist es ein erklärtes Ziel der Lan-desregierung Nordrhein-Westfalens, „eine politische Kultur derSelbstbestimmung, der Selbständigkeit und des Vertrauens“ zuschaffen und den „Grundsatz der Subsidiarität“ zu stärken.4 Einesolche Stärkung wird dabei in erster Linie durch die Übertragungstaatlicher Aufgaben auf die Kommunen oder aber durch Privatisie-rungen angestrebt, doch gibt es auch Ansätze, das Prinzip derSelbstverwaltung durch Kompetenzerweiterungen, durch Neuein-richtung oder durch Umstrukturierung der sonstigen JPÖR zufördern. Das Verwaltungsmodell JPÖR ist somit hoch aktuell.Gemäß ihrer inneren Verfassung und Aufgabenstruktur unterschei-det man drei Gruppen von JPÖR: Körperschaften, Anstalten undStiftungen.5

Die größte Gruppe unter diesen drei Organisationsformen bildendie Körperschaften. Diese sind mitgliedschaftlich organisiert, beste-hen aber organisatorisch unabhängig vom Wechsel ihrer Mitglieder.Die wichtigsten Körperschaften des öffentlichen Rechts sind dieGebietskörperschaften, die Kreise, Städte und Gemeinden. ZurVerdeutlichung der Größenordnung: In Nordrhein-Westfalen gibt esderzeit 23 kreisfreie Städte sowie 373 kreiszugehörige Städte undGemeinden in insgesamt 31 Kreisen.6 Eine zweite bedeutende Grup-pe machen die Personalkörperschaften aus, zu denen ein Teil derberufsständischen Kammern, die meisten öffentlichen Hochschulenund einige Sozialversicherungsträger, wie etwa die AllgemeinenOrtskrankenkassen, zählen. Neben den Gebiets- und Personalkör-perschaften gibt es noch die Gruppe der Verbandskörperschaften,denen ausschließlich juristische Personen angehören (z. B. die

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGEDES LANDESARCHIVS NRW

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bestehen vor allem im Hinblick auf die Festlegung der Reichweitedes Wettbewerbsschutzes.17 Die Tatsache, dass die genannten Institu-tionen sich außerhalb des Regelungskreises der Archivgesetze bewe-gen, führt freilich nicht zwangsläufig dazu, dass eine Archivierung

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Organen des Bundes dem Zuständigkeitsbereich des Bundesarchivszugewiesen. Die archivische Gleichbehandlung von JPÖR und densonstigen Organen des Staates, die von der Landesgesetzgebung indieser Form nicht aufgegriffen wurde, erfolgt analog zum einheitli-chen Behördenbegriff des Verwaltungsverfahrensgesetzes (§ 1 (4)).8

Eine abweichende Zuständigkeitsregelung sieht das Bundesarchivge-setz nur für nachgeordnete Stellen bundesunmittelbarer JPÖR vor,deren örtliche Zuständigkeit sich nicht auf den gesamten Geltungs-bereich des Gesetzes erstreckt. Diese Stellen werden (die Zustim-mung der zuständigen Obersten Bundesbehörde vorausgesetzt) denSprengeln der jeweiligen Landesarchive zugeordnet (§ 2 (3) BAr-chG).9 Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Regelungen, dieeinzelne JPÖR betreffen könnten, werden im BArchG nicht gemacht.Den Regelungen des BArchG entsprechend, enthalten die Archivge-setze der Länder Vorschriften, die eine Schriftgutübernahme vonBundes-JPÖR ermöglichen. In Nordrhein-Westfalen handelt es sichdabei um § 12 (1) ArchivG NW.10

Komplexer und vielfältiger geregelt als die Zuständigkeit für Unterla-gen von bundesunmittelbaren JPÖR sind die Zuständigkeiten fürUnterlagen landesunmittelbarer Körperschaften, Anstalten undStiftungen. Hier sind drei Gruppen von JPÖR zu unterscheiden: 1.die Gebietskörperschaften sowie die diesen nahestehende Verbands-körperschaften mit kommunalem Aufgabenzuschnitt, 2. JPÖRaußerhalb des Geltungsbereichs der Archivgesetze und 3. alle übri-gen JPÖR.11

Im Hinblick auf die Unterlagen der Gebietskörperschaften12 enthältdas Archivgesetz Nordrhein-Westfalens keine unmittelbare Festle-gung der archivischen Zuständigkeit. § 10 ArchivG NW schreibtlediglich vor, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände in eigenerZuständigkeit für eine Archivierung Sorge zu tragen haben und dasssie dieser Aufgabe durch Unterhaltung eigener Archive, durchUnterhaltung von Gemeinschaftseinrichtungen oder aber durchÜbergabe des Archivgutes an andere qualifizierte öffentliche Archivenachkommen können. Diese Regelung entspricht im Kern derZuständigkeitsfestlegung auch der anderen Flächenländer, dieallesamt die Aufgabe der Archivierung den Gebietskörperschaftenals eine weisungsfreie Pflichtaufgabe, mithin als eine Aufgabe derSelbstverwaltung, zuschreiben.13 Eine Archivierung kommunalerUnterlagen im Landesarchiv ist in Nordrhein-Westfalen nichtausdrücklich vorgesehen, wird aber durch die generelle Öffnungs-klausel in § 1 (2) ArchivG NW für Archivgut nicht-staatlicherProvenienz auch nicht vollkommen ausgeschlossen.14

Bei der zweiten Gruppe landesunmittelbarer JPÖR, für die gesonder-te Zuständigkeitsregelungen gelten, handelt es sich um Institutionen,die auf Grund ihrer speziellen Funktion im Staatsaufbau und ihresTätigkeitsspektrums vom Anwendungsbereich der Archivgesetzegenerell ausgenommen sind. In Nordrhein-Westfalen handelt es sichdabei gemäß § 13 (1) ArchivG NW zunächst um die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, die aus grundgesetzlichenErwägungen aus dem Geltungsbereich des Archivgesetzes ausge-klammert sind.15 Hinzu kommen öffentlich-rechtliche Unternehmenmit eigener Rechtspersönlichkeit, die am Wettbewerb teilnehmen,deren Zusammenschlüsse sowie öffentlich-rechtliche Rundfunk-und Medienanstalten. Sind erstere (wie etwa die meisten Sparkassenund Sparkassenverbände) aus wettbewerbsrechtlichen Gründen voneiner Archivierungspflicht befreit, so werden letztere mit Bezug aufArtikel 5 des Grundgesetzes (Grundrecht auf freie Meinungsäuße-rung, Pressefreiheit) aus dem Geltungsbereich der Archivgesetzeausgenommen.16 Auch in diesem Bereich sind die meisten Archivge-setze der Länder homogen strukturiert; kleinere Unterschiede

2 Vgl.: Gerhard Köbler: Juristisches Wörterbuch,12. Aufl. München 2003, S.537 (Artikel „Person“).

3 Für NRW vgl.: Landesorganisationsgesetz NRW, §§ 18-21.4 Koalitionsvertrag von CDU und FDP zur Bildung einer neuen Landesre-

gierung in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 20.6.2006, auf:<www.im.nrw.de./vm/doks/koalitionsvereinbarung.pdf> (Stand: 1.3.2008).

5 Vgl. hierzu: Martin Burgi: Verwaltungsorganisationsrecht, in: Hans-UweErichsen / Dirk Ehlers (Hg.): Allgemeines Verwaltungsrecht,13. Aufl., Ber-lin 2006, S. 213-284, hier: S. 238-240; Hartmut Maurer: Allgemeines Verwal-tungsrecht, 16. Aufl., München 2006, S. 600-625 (mit weiteren Literaturan-gaben).

6 Vgl. Statistisches Jahrbuch NRW 2007, Düsseldorf 2007, S. 28-31.7 Vgl. Behördenliste LAV NRW 2007 (Sachstand: 31.7.2007), Registratur LAV

NRW AZ 1410-007, Bd. 1 (unveröffentlicht).8 Vgl. Siegfried Becker / Klaus Oldenhage: Bundesarchivgesetz. Handkom-

mentar, Baden-Baden 2006, S. 29-30.9 In der Praxis der Landesarchive fallen derzeit vor allem die Regionaldirek-

tionen und die Einzelagenturen der Agentur für Arbeit unter diese Rege-lung.

10 § 12 (1) ArchivG NW ist auch im Kontext von § 1 (2) ArchivG NW zu se-hen, der es dem Landesarchiv generell erlaubt, „Archivgut anderer Herkunft[als von Stellen des Landes, C.S.] zu übernehmen, an dessen Verwahrung,Erschließung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht.“

11 Diese Dreigliedrigkeit spiegelt sich auch in der systematischen Verortungder verschiedenen Gruppen von JPÖR in den meisten Archivgesetzen wi-der. Eine Ausnahme stellt dabei das Niedersächsische Archivgesetz dar, dasalle drei Gruppen in einem Paragraphen abhandelt (§ 7 NArchG).

12 Darunter fallen hier die Gemeinden (einschließlich der Kreise und kreis-freien Städte) sowie die Landschaftsverbände (§ 10 (1) ArchivG NW). Inden Archivgesetzen der anderen Länder umfasst der Begriff (je nach Orga-nisation der Selbstverwaltung) auch Ämter, Bezirke und Verbandkörper-schaften, die kommunale Aufgaben wahrnehmen, wie etwa kommunaleZweckverbände.

13 Die Archivgesetze der Länder Berlin und Hamburg enthalten mangels Be-darf keine entsprechenden Vorschriften. Das Bremer Archivgesetz enthälteine Sonderregelung für die Stadtgemeinde Bremerhaven (§ 9 BremAr-chivG). Vgl. hierzu allgemein: Nau 2000, S. 167-171.

14 Auch diese Regelung findet in den meisten anderen Archivgesetzen der Län-der ihre Entsprechungen. Abweichend hiervon geht das LandesarchivgesetzBaden Württemberg grundsätzlich von einer Eigenarchivierung der Kom-munen aus (§ 7 (1) LArchG BaWü). In Bayern wie auch in Thüringen ent-fällt die Option der Archivierung in einem Gemeinschaftsarchiv oder in ei-ner nicht-staatlichen Einrichtung (Art. 13 (1)-(2) BayArchivG; § 4 (1)-(2)ThürArchivG). In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind dieKreisarchive verpflichtet, Archivgut von kreisangehörigen Gemeinden zuübernehmen, die keine andere Archivierungsoption nutzen oder nutzenkönnen (§ 16 (3) BbgArchivG; § 12 (3) LArchivG M-V). Das sächsische Ar-chivrecht sieht keine Archivierung im Sächsischen Staatsarchiv vor (§ 13(1)-(2) SächsArchivG).

15 Die Ausnahme der Religionsgemeinschaften aus dem Geltungsbereich derArchivgesetze resultiert aus Art.137 der Weimarer Reichsverfassung in Ver-bindung mit Art 140 des Grundgesetzes (Selbstbestimmungsrecht der Re-ligionsgemeinschaften), die öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaftender staatlichen Aufsicht entziehen.Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf desArchivG NW, Drucksache 10/3372 des Landtags Nordrhein-Westfalen vom27.6.1988, S.23; Nau 2000, S. 174-176.

16 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des ArchivG NW, Drucksache 10/3372des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 27.6.1988, S.23; Nau 2000, S.171-174.

17 So werden Zweckverbände, deren Zweck in einer Teilnahme am wirt-schaftlichen Wettbewerb besteht, in den Archivgesetzen der Länder Hessen(§ 20 HArchivG), Sachsen-Anhalt (§ 1 (2) ArchG LSA), Schleswig-Holstein(§ 2 (2) ArchivG SH) und Thüringen (§ 20 ThürArchivG) ebenfalls vomGeltungsbereich der Gesetze ausgenommen. In Bayern wird die Gültigkeitdes Archivgesetzes für die Zweckverbände hingegen ausdrücklich betont(Art. 16 BayArchivG).

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ihrer Unterlagen in einem öffentlichen Archiv ausgeschlossen ist. Diebetreffenden Institutionen können lediglich nach Ablauf etwaigergesetzlicher Aufbewahrungsfristen in eigener Zuständigkeit darüberentscheiden, was mit ihren Unterlagen geschehen soll. Für dieArchive führt dies dazu, dass eine Archivierung von Unterlagen vonJPÖR, die nicht den Regelungen der Archivgesetze unterliegen,praktisch einer Archivierung von Unterlagen von Privatpersonengleichzusetzen ist.Für die dritte in den Archivgesetzen der Länder thematisierte Grup-pe, nämlich die der „sonstigen“ landesunmittelbaren JPÖR, sindzwei Modelle zu unterscheiden, die in der Praxis allerdings zuähnlichen Ergebnissen führen. Das eine sieht die Eigenarchivierunginnerhalb der JPÖR als Regelfall und die Anbietung an ein Landes-bzw. Staatsarchiv als Ausnahme vor (z. B. in Baden-Württemberg).Das andere Modell zielt im Grundsatz auf eine Archivierung ineinem staatlichen Archiv, lässt jedoch eine Eigenarchivierung durchden Registraturbildner zu (z. B. in Hessen und Sachsen). Zudembieten einige Archivgesetze den betreffenden JPÖR die zusätzlicheOption an, ihr Archivgut in einer Gemeinschaftseinrichtung odereinem nichtstaatlichen externen Archiv unterzubringen18, wobei einesolche Eigen- bzw. externe Fremdarchivierung in einigen Fällen vonder Zustimmung einer staatlichen Stelle abhängig gemacht wird.19

In Nordrhein-Westfalen ist die Archivierung von JPÖR-Schriftgutim Landesarchiv ausdrücklich nur als „Auffanglösung“ vorgesehen,die eine ansonsten möglicherweise drohende „Zersplitterung“ oderVernichtung historisch wertvollen Materials verhindern soll.20 EineAnbietungspflicht dem Landesarchiv gegenüber besteht gemäß § 3(6) nur, wenn die betreffende JPÖR keine Eigen- oder externeFremdarchivierung betreiben möchte. Eine solche Eigen- oderFremdarchivierung setzt allerdings die ausreichende fachlicheQualifikation der archivierenden Einrichtung sowie die Einhaltungder gesetzlichen Mindeststandards im Hinblick auf die Zugangsbe-dingungen für das Archivgut voraus.21 In dieser mit den Regelungenfür die Gebietskörperschaften vergleichbaren „Optionslösung“spiegelt sich der staatliche Respekt vor der Eigenständigkeit derJPÖR wider, während sie zugleich dem Landesarchiv die Rolle eines„Auffangarchivs“ zuweist.Explizite Regelungen zur archivischen Zuständigkeit von JPÖR inkommunaler Trägerschaft enthält das Archivgesetz Nordrhein-Westfalens wie die meisten anderen Archivgesetze nicht. Lediglich inBaden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen gibt es entspre-chende Vorschriften, die kommunale Stiftungen ausdrücklich derGruppe der Gebietskörperschaften zuordnen und die archivischeZuständigkeit für die hier anfallenden Unterlagen analog zu diesenregeln.22 Auch wenn die Archivgesetze der anderen Bundesländer aufentsprechende Vorschriften verzichten, sind wegen der genuinenNähe kommunaler Stiftungen mit eigener Rechtspersönlichkeit zumRechts- und Aufgabenkreis der Gebietskörperschaften entsprechen-de Zuständigkeitsregelungen auch dort als gegeben anzunehmen.

ANBIETUNG

Eng verzahnt mit der rechtlichen Frage nach der archivischenZuständigkeit für die Unterlagen der JPÖR ist die Problematik derAnbietungspflicht und ihrer archivpraktischen Durchsetzbarkeit.Wie bereits dargestellt, ist es den landesunmittelbaren JPÖR inNordrhein-Westfalen (wie auch in den anderen Ländern) im Rah-men der gesetzlichen Vorgaben freigestellt, die für sie passendeArchivierungsoption auszuwählen. Nach dieser Auswahl sind die

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGEDES LANDESARCHIVS NRW

JPÖR jedoch grundsätzlich dazu verpflichtet, alle Unterlagen, die siezur Erledigung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigen, dem dann fürsie verbindlich zuständigen Archiv anzubieten. Die festgelegtenModalitäten der Anbietung gleichen dabei denen für Unterlagen vonStellen der unmittelbaren Staatsverwaltung. Trotz der Eindeutigkeitdieser Regelungen ist die Durchsetzbarkeit der Anbietungspflichtvielfach ein archivpraktisches Problem. Der Grund dafür liegtweniger in der allgemein schwierigen Vermittel- und Durchsetzbar-keit der Archivierungspflicht23 als vielmehr in der praktisch kaumdurchführbaren Verifikation der tatsächlichen archivischen Zustän-digkeitsverhältnisse. Besonders für die jeweiligen Staatsarchive,denen ja im Regelfall die Rolle eines „Auffangarchivs“ zukommt, istes häufig nicht möglich, Angaben über eine angebliche Eigenarchi-vierung zu überprüfen. Auch eine Kontrolle der gesetzlich vorge-schriebenen Qualitätsstandards, die eine Eigenarchivierung in denmeisten Fällen ja erst rechtfertigen würden, ist kaum möglich.Zur Verdeutlichung der aufgezeigten Problematik sei an dieser Stelleauf die Ergebnisse mehrerer in Nordrhein-Westfalen durchgeführterErhebungen hingewiesen, die den Stand der Archivierung bei denpotentiell an das Landesarchiv anbietungspflichtigen landesunmit-telbaren JPÖR (ohne Gebietskörperschaften) zum Gegenstandhatten.24 Von den im Jahr 2007 insgesamt 7625 in Frage kommendenJPÖR im Sprengel des Landesarchivs hatten bis zu diesem Zeitpunktinsgesamt elf ihr Schriftgut den Staatsarchiven angeboten und auchübergeben. 20 JPÖR (vorwiegend die Industrie- und Handelskam-mern sowie die Handwerkskammern) kamen ihrer Archivierungs-pflicht durch Abgabe an ein nicht-staatliches (Wirtschafts-)Archivnach. In allen anderen Fällen wurde eine Eigenarchivierung angege-ben oder es konnten bislang keine klaren Angaben über den Standder Archivierung erhoben worden. Angesichts der archivrechtlichvorgegebenen, vor allem für den Personalbereich hohen Qualitätsan-forderungen an eine Eigenarchivierung26 erscheint die Aussage dieserJPÖR, man betreibe eine gesetzeskonforme Archivierung in eigenerVerantwortung, als fragwürdig. Eine direkte Möglichkeit, die ent-sprechenden Angaben zu überprüfen, steht dem Landesarchiv NRWfreilich nicht zur Verfügung. Staatliche Kontrollen, ob eine JPÖRihrer gesetzlich vorgeschriebenen Anbietungspflicht in angemesse-ner Weise nachkommt und ob eine angebliche Eigenarchivierungdie gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards erfüllt, sind nur ineinigen Archivgesetzen der Länder vorgesehen.27 In Nordrhein-Westfalen ist dies jedoch nicht der Fall. Eine in der Praxis notwendi-ge Kontrolle von Angaben der JPÖR zu Art und Modalitäten derArchivierung ließe sich in Nordrhein-Westfalen wie auch in derMehrzahl der anderen Bundesländer nur mit Hilfe der allgemeinenDienstaufsicht durchsetzen. Die praktischen Erfolgsaussichten fürein Staats- oder Landesarchiv, auf dem meist ressortübergreifendenDienstwege eine adäquate selbständige Archivierung nachhaltiganzustoßen oder aber die gesetzliche Anbietungspflicht einer nichtselbst archivierenden JPÖR durchzusetzen, sollten freilich nichtallzu optimistisch eingeschätzt werden.

BEWERTUNG

Die archivische Bewertungskompetenz für angebotene Unterlagender JPÖR ist in den Archivgesetzen des Bundes und der Länderunterschiedlich deutlich verankert. Ausdrücklich festgelegt ist sie imBundesarchivgesetz, da dieses JPÖR grundsätzlich den anderenOrganen der Staatsverwaltung gleichstellt.28 In den Archivgesetzender Länder sind zwei Regelungsgruppen zu unterscheiden. In der

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ersten, größeren Gruppe ergibt sich die Zuschreibung der Bewer-tungskompetenz unmittelbar aus den expliziten Verknüpfungenzwischen der gesetzlichen Aufgabendefinition „Bewertung“ als Teildes Archivierungsauftrages an die öffentlichen Archive und derAnbietungsverpflichtung der JPÖR.29 In der zweiten, kleinerenGruppe30 gibt es eine solche Verknüpfung dem Wortlaut nach nicht.Sie erschließt sich erst aus dem Kontext der Gesamtnorm, was in derPraxis durchaus zu Verständnis- und Interpretationsschwierigkeitenführen kann.Im Archivgesetz Nordrhein-Westfalens erfolgt die Zuweisung derarchivischen Bewertungskompetenz an das Landesarchiv (bzw.analog an das zuständige externe Archiv) auf diesem indirektenWege. Die Aufgabe der Bewertung, die in § 1 (1) ArchivG NWdefiniert ist, gilt dem Wortlaut nach zunächst nur für „Unterlagenvon Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes“, zudenen die JPÖR nicht ohne weiteres zu zählen sind. Ein direkterVerweis auf diesen Passus fehlt in den sich anschließenden Regelun-gen zur Archivierung von Unterlagen der JPÖR. Dort heißt eslediglich: „Juristische Personen des öffentlichen Rechts [...] [die nachden genannten Kriterien anbietungspflichtig sind, C.S.] bietenUnterlagen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigtwerden, dem Landesarchiv zur Übernahme an. [...] Das Landesar-chiv kann das angebotene Archivgut übernehmen […]“. Zwar sindunter „Archivgut“ hier in Analogie zu § 2 (1) ArchivG NW dieangebotenen Unterlagen zu verstehen, die als archivwürdig bewertetwurden, doch lässt das Gesetz dem Wortlaut nach offen, wer überdie Archivwürdigkeit eigentlich zu befinden hat. Da auch die Be-gründung des Gesetzentwurfes hier keine explizite Interpretations-hilfe bietet31, lässt sich die tatsächliche Zuschreibung der Bewer-tungskompetenz für die betroffenen Archive nur aus dem sonstigenanerkannten Aufgabenkanon der Archive ableiten: Im Umgang mitUnterlagen von Stellen der unmittelbaren Landesverwaltung wird(wie bereits angeführt) Bewertung als eine der grundsätzlichen undzentralen Aufgaben des Landesarchivs festgeschrieben. Es erscheintunwahrscheinlich, dass dieser Kernbestand fachlicher Kompetenzenim Falle der JPÖR ohne eine explizite Regelung eingeschränktwerden soll. Das Landesarchiv NRW geht daher davon aus, dassauch für angebotene Unterlagen der JPÖR die ausschließlicheBewertungskompetenz beim LAV respektive bei den anderen zustän-digen Archiven liegt.32 Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache,dass die Formulierung im Gesetzestext in diesem Punkt bedauerns-wert unpräzise ist und in der archivischen Praxis durchaus Fragennach einem Mitspracherecht der Registraturbildner bei der Feststel-lung von Archivwürdigkeit provozieren könnte.Eng mit den Regelungen zur Verortung der Bewertungskompetenzim Archivierungsprozess verbunden ist die Frage, wie weitreichenddie Bewertungsfreiheiten der zuständigen öffentlichen Archivereichen und wo ihre Grenzen liegen. Der allgemeine Begriff derArchivwürdigkeit von Unterlagen wird in den Archivgesetzen desBundes und der Länder weitgehend homogen verstanden. In Nord-rhein-Westfalen ist er in § 2 (2) Satz 1 ArchivG NW wie folgt formu-liert: „Archivwürdig sind Unterlagen, die für Wissenschaft oder

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18 Vgl. § 8 (1) LArchG BaWü; Art. 14 Bay ArchivG; § 1 (4) ArchGB; § 4 (4)in Verbindung mit § 4 (1) BbgArchivG; § 10 BremArchivG; § 3 (7) in Ver-bindung mit § 3 (1) HmbArchG; § 5 HArchivG; § 13 in Verbindung mit§ 12 LArchivG M-V; § 3 (6) ArchivG NW; § 7 (1) NArchG; § 2 LArchGRP; § 16 in Verbindung mit § 7 (3) SArchG; § 15 SächsArchivG; § 12 Ar-chG-LSA; § 16 ArchivG SH; § 5 ThürArchivG.

19 Weitere Unterschiede bestehen zudem darin, ob die Gemeinschaftseinrich-tungen bzw. das zuständige Archiv öffentlich-rechtlich organisiert sein mussoder ob auch ein Zusammenschluss mit einer privatrechtlich organisiertenEinrichtung möglich ist.

20 Dem entsprechend heißt es in der Begründung zu § 3 (6) des Nordrhein-Westfälischen Archivgesetzes: „Absatz 6 [der die Modalitäten der Archivie-rung von Unterlagen der JPÖR regelt, C.S.] ist als Auffangregelung gedachtund soll sicherstellen, dass abgabereife und archivwürdige Unterlagen die-ser Stellen nicht vernichtet oder zersplittert, sondern dem zuständigen staat-lichen Archiv zur Übernahme angeboten werden, sofern die genannten Stel-len über kein eigenes Archiv verfügen, das archivfachlichen Anforderungengenügt.“ (Begründung zum Gesetzentwurf des ArchivG NW, Drucksache10/3372 des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 27.6.1988, S. 16).

21 Entsprechende Regelungen enthalten auch die meisten anderen Archivge-setze der Länder. Einzig die Archivgesetze Bayerns, Mecklenburg-Vorpom-merns, Niedersachsens, des Saarlands sowie Sachsen-Anhalts enthalten kei-ne bzw. nur sehr allgemeine entsprechende Richtlinien.

22 Vgl. § 7 (4) LArchG BaWü, § 2 (2) LArchG RP sowie § 13 (1) SächsArchivG.23 Diese allgemeine Problematik ist nicht spezifisch für JPÖR, sondern betrifft

in gleichem Maße auch alle anderen anbietungspflichtigen Stellen derStaatsverwaltung. Vgl. hierzu: Rainer Polley: „Oft büßt das Gute ein, werBessres sucht“ - Bestandsaufnahmne und Gedanken zum aktuellen Standder Archivgesetzgebung in Deutschland, in: ders. (Hg.): Archivgesetzgebungin Deutschland - Ungeklärte Rechtsfragen und neue Herausforderungen.Beiträge des 7. Archivwissenschaftlichen Kolloquiums der ArchivschuleMarburg, Marburg 2003, S. 17-37, hier v.a. S. 23-29.

24 Vgl. Registratur LAV NRW AZ 21-1417-03_001 sowie AZ 21-1417-03_003 (un-veröffentlicht).

25 Quelle: Behördenliste LAV NRW 2007 (Sachstand: 31.7.2007), RegistraturLAV NRW AZ 1410-007, Bd. 1 (unveröffentlicht). Nicht in dieser Zahl ent-halten sind die zahlreichen Wald-, Waldwirtschafts-, Jagd- und Fischerei-genossenschaften sowie die als JPÖR organisierten Hochschulen des Lan-des.

26 Vgl. § 3 (6) Satz 6 ArchivG NW.27 In Baden-Württemberg ist das Landesarchiv berechtigt festzustellen, ob bei

einer Archivierung in einem nicht-staatlichen Archiv die archivrechtlich fest-gelegten Qualitätsstandards eingehalten werden (§ 8 (1) LArchG BaWü).In Brandenburg obliegt eine entsprechende Kontrolle „der obersten Archiv-behörde im Benehmen mit dem Archivträger“ (§ 4 (4) BbgArchivG). In Bre-men stellt der für Kultur zuständige Senator im Einvernehmen mit den Auf-sichtsbehörden fest, ob das archivierende nicht-staatliche Archiv diegesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt (§ 10 (1) BremArchivG). InRheinland-Pfalz muss die Einrichtung nicht-kommunaler JPÖR-Archivevom Kultusminister genehmigt werden. Genehmigte Archive unterstehendann der direkten Fachaufsicht des Landeshauptarchivs (§ 2 (3) LArchGRP). Im Saarland bedarf die Einrichtung von Hochschularchiven keiner Ge-nehmigung, ansonsten ist für eigene Archive von JPÖR die Genehmigungdes Ministerpräsidenten erforderlich (§ 16 SArchG). In Sachsen schließlichunterstehen entsprechende Archive (mit Ausnahme von Kommunal- undHochschularchiven) der Fachaufsicht des Sächsischen Staatsarchivs (§ 15SächsArchivG).

28 Vgl. § 3 BArchG. Die Bewertungskompetenz für nachgeordnete Stellen vonbundesunmittelbaren JPÖR mit regionalem Aufgabenzuschnitt durch diejeweils zuständigen Landes- bzw. Staatsarchive ergibt sich aus § 2 (3)BArchG (Anbietungspflicht) in Verbindung mit den entsprechenden Auf-gabenbeschreibungen in den Landesarchivgesetzen.

29 Zu dieser ersten Gruppe gehören die Archivgesetze Berlins (§ 2 (1) in Ver-bindung mit § 1 (4) und § 4 (1) ArchGB), Brandenburgs (§ 3 (1) in Ver-bindung mit § 4 (4) BbgArchivG), Hamburgs (§ 3 (1) in Verbindung mit§ 1 (1) HmbArchG), Hessens (§ 11 (1) in Verbindung mit § 5 (1) HArchivG),Mecklenburg-Vorpommerns (§ 5 (1) in Verbindung mit § 6 (1) und § 2 (2)LArchivG M-V), von Rheinland-Pfalz (§ 8 (1) in Verbindung mit § 7 (1)LArchG RP), Sachsens (§ 5 (4) in Verbindung mit § 15 SächsArchivG), Sach-sen-Anhalts (§ 7 (1) in Verbindung mit § 2 (59 und § 12 (1) ArchG LSA),Schleswig-Holsteins (§ 7 (1) in Verbindung mit 16 (1) und § 6 (1) ArchivGSH) sowie Thüringens (§ 12 (1) in Verbindung mit § 5 ThürArchivG).

30 Diese umfasst alle nicht zuvor aufgeführten Länder.31 Dort heißt es nur: „Das staatliche Archiv kann die angebotenen und als ar-

chivwürdig bewerteten Unterlagen übernehmen und archivisch betreuen.“(Drucksache 10/3372 des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 27.6.1988, S.16).

32 Vgl. auch: Nau 2000, S. 166.

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Forschung, für Gesetzgebung, Regierung, Verwaltung oder Recht-sprechung oder zur Sicherung berechtigter Belange Betroffener oderDritter von bleibendem Wert sind.“ Ergänzt wird diese erste Defini-tion um eine in § 2 (2) Satz 3 ArchivG NW verankerte Regelung fürUnterlagen, die „nach anderen Vorschriften dauernd aufzubewahrensind“, welche automatisch als archivwürdig gelten. Im Hinblick aufUnterlagen der JPÖR ist damit für das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen jedoch keine automatische Archivierungspflicht verbun-den, da in diesem Fall (anders als bei Unterlagen der unmittelbarenLandesverwaltung) archivwürdige Unterlagen nur übernommenwerden können (und nicht müssen). In § 3 (6) ArchivG NW heißt esdazu: „Das Landesarchiv kann [Hervorhebung durch den Autor, C.S.]das angebotene Archivgut übernehmen, verwahren, erhalten, er-schließen und allgemein nutzbar machen.“ Aus der in § 1 (1) Ar-chivG NW verankerten allgemeinen Aufgabendefinition des Landes-archivs, das eine ausnahmslose Archivierung archivwürdiger Unter-lagen der unmittelbaren Landesverwaltung vorsieht, sind die Unter-lagen der JPÖR bewusst ausgeklammert. Die Archivierung archi-vwürdiger JPÖR-Unterlagen bleibt somit in Nordrhein-Westfalenfür das „Auffangarchiv“ auch für dauerhaft aufzubewahrendeUnterlagen rein optional.Das in Nordrhein-Westfalen auf diesem Wege gelöste Problem desUmgangs mit dauerhaft aufzubewahrenden Unterlagen der JPÖRund der damit verbundenen Frage nach den Grenzen der archivi-schen Bewertungskompetenz wird in den übrigen Bundesländernmeist anders und insgesamt sehr unterschiedlich geregelt. Dies hatzum einen seine Ursache darin, dass nicht in allen Archivgesetzender Länder dauerhaft aufzubewahrende Unterlagen automatisch alsarchivwürdig definiert werden33, zum anderen darin, dass sich dieVorschriften zur Archivierungspflicht der Archive im Hinblick aufarchivwürdige Unterlagen der JPÖR von Land zu Land unterschei-den.34 In der archivischen Praxis führt diese Regelungsvielfalt dazu,dass der archivfachliche wie auch der archivpolitische Ermessens-spielraum im Umgang mit angebotenen JPÖR-Unterlagen von einerexpliziten Archivierungsverpflichtung und einer Ausklammerungbestimmter Unterlagengruppen aus der archivischen Bewertungs-kompetenz bis hin zur vollständigen Freiwilligkeit in der Archivie-rung durch Staats- und Landesarchive reicht. Ob gerade diese letzteRegelungsvariante der ursprünglichen Intention der Gesetzgeber,eine „Auffanglösung“ zu schaffen, tatsächlich gerecht wird, magdahin gestellt bleiben. Für die betroffenen Archive schafft sie zumin-dest einen Gestaltungsspielraum, der archivpolitisch viele Optionenoffen lässt und der archivfachlich einer Abstimmung und Ausgestal-tung des eigenen Überlieferungsprofils dienlich sein dürfte.

ÜBERNAHME

Die zentrale archivrechtliche Frage, die mit der Übergabe bewerteterUnterlagen der JPÖR an das zuständige Archiv verknüpft ist, ist dienach den von diesem Zeitpunkt an bestehenden Eigentumsverhält-nissen am Archivgut. Dass bis zur Übernahme durch das Archiv diejeweilige JPÖR Eigentümerin der bei ihr entstandenen Unterlagenist, ist trotz der archivrechtlich verankerten Anbietungspflicht undder Bewertungskompetenz der Archive unstrittig. Im Augenblick derÜbernahme von Unterlagen als Archivgut erfährt das Schriftgutjedoch zum einen eine funktionale Umwidmung (von Registratur-gut zu Archivgut), zum anderen einen Besitzwechsel (von der JPÖRzum Archiv), mit dem Einschränkungen des Nutzungs- und Verfü-gungsrechts für die abgebende Stelle verbunden sind. Ob dem

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entsprechend mit dem Besitzwechsel gleichzeitig auch ein Eigen-tumswechsel stattfinden soll, ist in den Archivgesetzen von Bundund Ländern in unterschiedlicher Eindeutigkeit geregelt. Archiv-praktisch sind diese Regelungen jedoch für die weiteren Schritte derArchivierung von großer Bedeutung, da sich nach ihnen die Spiel-räume für eine mögliche (vertragliche) Mitwirkung der JPÖR amweiteren Archivierungsprozess bemessen.Eindeutig zu Gunsten des Archives geregelt ist die Eigentumsfragebei der Übernahme archivwürdiger Unterlagen bundesunmittelbarerJPÖR durch das Bundesarchiv. Analog zu Unterlagen von Stellen derunmittelbaren Bundesverwaltung werden auch Unterlagen der JPÖR„als Archivgut des Bundes“ übergeben und gehen daher zum Zeit-punkt der Übergabe in das Eigentum des Bundes über (§ 2 (1)BArchG). Dem entsprechend ist auch bei einer gesetzeskonformdurchgeführten Übernahme von Unterlagen nachgeordneter Stellenvon Bundes-JPÖR durch Landes- oder Staatsarchive davon auszuge-hen, dass der Eigentümer des Archivgutes der Bund wird und bleibt.Wegen der umfangreichen „normativen Grundausstattung“35, diediesem Archivgut durch die Regelungen des Bundesarchivgesetzesmit auf den Weg gegeben wird, wird in der seit Jahrzehnten geübtenarchivischen Praxis zwischen Bundesstellen, Bundesarchiv und denStaats- und Landesarchiven im Normalfall auf eine weitere vertrag-liche Fixierung der entstehenden Rechtsverhältnisse verzichtet.36

Die Eigentumsverhältnisse am Archivgut landesunmittelbarer JPÖRwerden in Nordrhein-Westfalen archivrechtlich nicht ausdrücklichthematisiert. In § 3 (6) Satz 4 ArchivG NW wird lediglich festge-schrieben, dass bei der Übernahme „ein Rücknahmerecht für denFall vereinbart werden [kann], dass die übergebende Stelle einArchiv, das archivfachlichen Anforderungen genügt, einrichtet undunterhält.“ Auch wenn diese Regelung in gewisser Weise daraufhindeutet, dass der Gesetzgeber vom Regelfall einer Eigentumsüber-tragung im Zuge des Archivierungsprozesses ausgegangen ist37,erscheint der Schluss, angesichts fehlender explizit geäußerterEigentumsvorbehalte liege hier automatisch eine „stille Enteignung“der JPÖR vor, wenig überzeugend und ist zudem eigentumsrechtlichbedenklich. Zudem ist Günther zuzustimmen, der anmerkt, der„Respekt vor der Eigenständigkeit der nichtstaatlichen Rechtsträger“gebiete es, „die Aktenabgabe an das Land [respektive an ein anderesexternes Archiv, C.S.] nicht als bloße Exekution einer ohnehinunmittelbar durchzusetzende Abgabepflicht zu vollziehen, sondernihnen bei der Begründung und Ausgestaltung ihrer rechtlichenBeziehungen zum Archivträger ein selbständiges Mitwirkungsrechteinzuräumen.“38 Das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen geht dementsprechend davon aus, dass mit einer Abgabe von JPÖR-Schriftgutan das zuständige Archiv keine automatische Eigentumsübertragungverbunden ist.Im Ergebnis ähnlich sind die Regelungen in den anderen Bundeslän-dern, und obwohl auch hier nur ein kleiner Teil der Gesetzgeber dasEigentumsrecht der abgebenden Stellen am Archivgut ausdrücklichbetont, ist insgesamt davon auszugehen, dass das Eigentumsrechtflächendeckend zunächst bei den abgebenden JPÖR verbleibt.39

Archivpraktisch bedeutet dies, dass einer Archivgutübernahme voneiner landesunmittelbaren JPÖR in ein externes Archiv immer einevertragliche Regelung zur Klärung der Eigentumsverhältnisse zuGrunde liegen sollte. Da beide Vertragspartner öffentlich-rechtlicheRechtssubjekte sind und der Gegenstand des Vertrages, nämlich dieErfüllung der gesetzlich vorgegebenen Anbietung und Übernahme,einen öffentlich-rechtlichen Charakter hat, ist auch der Vertragöffentlich-rechtlicher Natur.40 Im Gegensatz zum privatrechtlichenVertrag, für dessen Gültigkeit nur sehr geringe formale Vorausset-

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lungsfreiheit der JPÖR in Kostendingen kaum dazu geeignet, dieohnehin oftmals schwache Position der öffentlichen „Auffangarchi-ve“ substantiell zu stärken. Beseitigen lässt sich dieses Dilemma fürdie Archivverwaltungen freilich nur im Kontext der allgemeinenGebührenpolitik des jeweiligen Bundeslandes. In Nordrhein-Westfa-len strebt das Landesarchiv daher eine Berücksichtigung archivischerDienstleistungen für JPÖR im Zuge der nächsten Revision seinerGebührenordnung an. Bis entsprechende untergesetzliche Regelun-gen jedoch flächendeckend vorhanden sind, wären die betroffenenArchive gut beraten, auf die Gestaltung von Depositalverträgen füröffentlich-rechtliche Registraturbildner nicht weniger Sorgfalt zuverwenden als für die privatrechtlicher Deponenten. Ansonstendroht spätestens im Falle der Rückführung von Archivalien an dieabgebenden Stelle, die (wie gezeigt) in einigen Archivgesetzen expli-zit zugelassen wird, ein massiver Verlust von im Vorfeld investiertenArbeitsleistungen.

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zungen erfüllt sein müssen, ist der öffentlich-rechtliche Vertraggrundsätzlich an die Schriftform gebunden. Zudem unterliegt ereinigen weiteren speziellen Regelungen der §§ 54-62 des Verwal-tungsverfahrensgesetzes, das die formale wie inhaltliche Gestaltungentsprechender Kontrakte genau vorschreibt.41 Aus dieser Rechtslageergibt sich archivpraktisch die Notwendigkeit, die Vertragsgestaltungfür Unterlagenübernahmen den Anforderungen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages anzupassen. Ein für einen Deponenten odereinen Schenker des Privatrechts verwendetes Vertragsformular lässtsich nämlich möglicherweise nicht ohne Weiteres für eine anbie-tungs- und abgabeverpflichtete JPÖR verwenden, ohne die Gültig-keit des geschlossenen Vertrages von vornherein in Frage zu stellen.

AUFBEWAHRUNG, ERSCHLIEßUNG UNDRESTAURIERUNG

Die Archivierungsschritte der Aufbewahrung, Erschließung undRestaurierung, die sich an die Anbietung, Bewertung und Übernah-me des Archivgutes von JPÖR anschließen, sind archivrechtlichgesehen vergleichsweise unkompliziert, archivpraktisch jedoch nichtunbedingt einfach zu handhaben. Dabei bemisst sich der Hand-lungsspielraum der zuständigen Archive primär an den spätestensbei der Übernahme festgelegten Eigentumsverhältnissen am Archiv-gut. Nur an die allgemeinen Vorgaben des jeweiligen Archivgesetzesgebunden sind dabei die Archive, die Archivgut von einer anbie-tungspflichtigen bundesunmittelbaren JPÖR übernommen habenoder die sich mit einer anbietenden JPÖR auf eine Eigentumsüber-tragung geeinigt haben. Art und Umfang der nun notwendigenArbeitsschritte muss mit dem Registraturbildner in diesen Fällennicht notwendigerweise abgestimmt werden.Etwas komplexer ist der Sachverhalt bei Archivgut, das ohne einenWechsel des Eigentümers von einer JPÖR in einem externen Archivhinterlegt wurde. Anders als zur Frage der Benutzung enthalten hierdie Archivgesetze der Länder keine besonderen Regelungen zurdauerhaften Unterbringung des Archivgutes, seiner Erschließungund Restaurierung. In Nordrhein-Westfalen findet sich lediglich inder Begründung zum Gesetzentwurf ein Hinweis darauf, dass die„Modalitäten der Übernahme [...], der Erschließung und Nutzung[...] vertraglich geregelt werden [können]“42 – eine Anmerkung, dievor dem Hintergrund des anzunehmenden Eigentumsvorbehalts zuGunsten der abgebenden Stelle wohl als obiter dictum zu werten ist.In der archivischen Praxis führt diese sehr geringe Regelungsdichtedazu, dass der Verhandlungsspielraum zwischen anbietungspflichti-ger JPÖR und zuständigem Archiv sehr groß ist. Aus Sicht derArchive mag sich dies vor allem bei der Regelung von individuell zuklärenden Detailfragen als vorteilhaft erweisen, es eröffnet denabgebenden Stellen jedoch gleichzeitig Ansatzpunkte, die in denArchivgesetzen festgelegten Standards für öffentliches Archivgut aufvertraglicher Basis zu unterlaufen. Die mangels fehlender rechtlicherVorgaben starke Verhandlungsposition der JPÖR wirft dabei für dieArchivierungsschritte „Aufbewahrung“, „Erschließung“ und „Re-staurierung“ vor allem die Frage auf, wer die entstehenden Kostender Archivierung zu tragen hat. Dort, wo diese Frage nicht auf derEbene der Gebührenordnung geklärt wird (wie z. B. in Nordrhein-Westfalen), bleibt die Kostenverteilung selbst für die als „Auffangar-chive“ fungierenden Staats- und Landesarchive frei auszuhandeln,obwohl in vielen Ländern (wie dargestellt) eine faktische Archivie-rungspflicht bei gleichzeitiger Wahrung der ursprünglichen Eigen-tumsverhältnisse besteht. Archivpolitisch gesehen ist diese Verhand-

33 Entsprechende Bestimmungen enthalten nur die Archivgesetze Baden-Württembergs, Berlins, Hamburgs, Hessens, von Rheinland-Pfalz, des Saar-lands, Schleswig-Holsteins und Thüringens: § 2 (2) LArchG BaWü; § 3 (2)ArchGB; § 2 (2) HmbArchG; § 1 (4) HArchivG; § 1 (1) LArchG RP; § 2(2) SArchG; § 3 (3) ArchivG SH; § 1 (2) ThürArchivG.

34 Eine ausdrücklich auf die JPÖR bezogene Archivierungspflicht für ange-botene archivwürdige Unterlagen enthält nur das Archivgesetz Schleswig-Holsteins (§ 16 (1) ArchivG SH). In Berlin (§ 1 (4) ArchivGB) ist eine ent-sprechende Übernahme durch Vereinbarung sicherzustellen. Eine indirektüber die allgemeinen Aufgabenbeschreibungen für öffentliche Archive ab-zuleitende Archivierungspflicht besteht für die Archive der Länder Bayern,Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz,Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Im Gegensatz dazu sinddie staatlichen Archive in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vor-pommern (wie in Nordrhein-Westfalen) grundsätzlich nicht verpflichtet,angebotene archivwürdige Unterlagen von JPÖR zu übernehmen. Ihr Ar-chivierungsauftrag ist eindeutig als „Kann“-Regelung formuliert (§ 8 (1)LArchG BaWü; § 13 in Verbindung mit § 12 (2) LArchivG M-V).

35 Günther 1996, S. 41.36 Vgl. Günther 1996, S. 40-43.37 Die Begründung zum Gesetzentwurf schafft hier leider keine Klarheit; vgl.:

Drucksache 10/3372 des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 27.6.1988,S. 16.

38 Günther 1996, S. 46.39 Vgl. Art.14 (2) BayArchivG; § 15 SächsArchivG; § 5 (1) HArchivG. Die hier

gewählte Formulierung, dass die anbietungspflichtigen JPÖR ihre Unter-lagen „zur Verwahrung“ anbieten, ist als impliziter Eigentumsvorbehalt zudeuten. In den Archivgesetzen Brandenburgs (§ 16 (3) BbgArchivG) undvon Rheinland-Pfalz (§ 2 (2) LArchG RP) ist ein Eigentumsvorbehalt derabgebenden Stellen nur für Gebietskörperschaften verankert, während füralle anderen JPÖR eine explizite Regelung fehlt. Eine Klärung der Eigen-tumsfrage auf der Grundlage eines Vertrages sehen die Archivgesetze Ber-lins (§ 1 (4) ArchgB), Niedersachsens (§ 3 (6) NArchG), des Saarlandes (§7 (3) SArchG), Sachsen-Anhalts (§ 5 (1) ArchG-LSA) sowie Schleswig-Hol-steins (§ 16 (1) ArchivG SH) vor. Die Archivgesetze der Länder Baden-Würt-temberg (§ 8 (1) LArchG BaWü) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 13 inVerbindung mit § 12 (3) LArchivG MV) schreiben ein Rückgaberecht wiein Nordrhein-Westfalen fest, sehen aber keine entsprechende vertraglicheRegelung vor. Die Archivgesetze der Länder Bremen, Hamburg, und Thürin-gen schließlich enthalten zur Frage der Eigentumsübertragung keine Re-gelungen.

40 Auf diesen Umstand wird im Schleswig-Holsteinischen Archivgesetz (§ 16(1) ArchivG SH) explizit hingewiesen; vgl. auch: Günther 1996, S. 47.

41 Vgl. Ferdinand Kopp / Ulrich Ramsauer: Verwaltungsverfahrensgesetz.Kommentar, 10. Aufl., München 2008, S. 1078-1182; Herbert Grziwotz: Ver-tragsgestaltung im öffentlichen Recht, München 2002.

42 Begründung zum Gesetzentwurf des ArchivG NW, Drucksache 10/3372 desLandtags Nordrhein-Westfalen vom 27.6.1988, S.16.

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BENUTZUNG

Im Hinblick auf die Benutzung von Archivgut juristischer Personendes öffentlichen Rechts stellt sich vor allem die Frage, auf welcherRechtsgrundlage eine Benutzung erfolgt und ob es für JPÖR-Schrift-gut besondere Vorschriften oder individuelle Gestaltungsspielräumegibt. Einfach und eindeutig sind hier einmal mehr die Regelungenfür das Archivgut bundesunmittelbarer JPÖR, da das Bundesarchiv-gesetz (wie gezeigt) nicht zwischen dem Schriftgut bundesunmittel-barer und bundesmittelbarer Stellen differenziert. In allen anderenFällen ist der faktisch bestehende Zusammenhang zwischen dengesetzlichen Nutzungsregelungen für Archivalien aus der unmittel-baren Staatsverwaltung und den Modalitäten der Nutzung vonArchivgut der JPÖR nicht ganz so offensichtlich, und oft genug gibtes eine aus der juristischen Selbständigkeit der anbietungspflichti-gen Stellen erwachsene Tendenz, Sonderwege zu suchen und zubeschreiten. So auch in Nordrhein-Westfalen. In allen bislangzwischen „sonstigen“ JPÖR und dem Landesarchiv abgeschlossenenHinterlegungsverträgen werden Fragen der Benutzung thematisiert,wobei auf Wunsch der abgebenden Stellen sehr unterschiedlicheRegelungen getroffen wurden. Ganz unabhängig davon, ob einVertrag vor oder nach Inkrafttreten des nordrhein-westfälischenArchivgesetzes abgeschlossen wurde, reicht die Spannbreite hier vomgenerellen Ausschluss nicht-wissenschaftlicher Benutzer über ver-schiedene Stufen der Mitwirkung am Genehmigungsverfahren bishin zu einem Zustimmungsvorbehalt bei der Verkürzung vonSperrfristen. In einigen Fällen wird zudem die Nutzung durch dieabgebende Stelle geregelt. Nur für einen Depositalbestand sind dieim Archivgesetz enthaltenen Benutzungsbestimmungen uneinge-schränkt vertraglich festgeschrieben.43

Wie positioniert sich nun das nordrhein-westfälische Archivgesetzzu Nutzungsvereinbarungen, die ganz offensichtlich darauf abzielen,die Zugänglichkeit des Archivgutes einzuschränken oder aber dieNutzung einer zusätzlichen Kontrolle durch die abgebende Stelle zuunterwerfen? Formal wird hier zunächst zwischen Regelungen fürdie Staats- und Landesarchive auf der einen und für JPÖR-eigenebzw. externe dritte Archive auf der anderen Seite differenziert. ImHinblick auf die JPÖR-eigenen sowie die externen dritten Archiveverweisen § 11 und § 3 (6) ArchivG NW ausdrücklich auf dieGültigkeit der Nutzungsregelungen für staatliches Archivgut. ImHinblick auf das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen gelten dieseNutzungsregelungen ebenso, allein ihre archivrechtliche Veranke-rung ist anders ausgestaltet. Sie erschließt sich zum einen über denUmweg der Definition von „Archivgut“ und der Fundierung derallgemeinen Nutzungsregelungen auf diesem Begriff44, zum anderendurch die Berechtigung des Landesarchivs, Archivgut von JPÖR imSinne des Archivgesetzes „allgemein nutzbar“ zu machen.45 Eswiderspräche zudem der inneren Struktur des Gesetzes, wenn fürJPÖR-interne oder externe dritte Archive die Nutzungsregelungenfür staatliches Archivgut gelten sollten, diese für JPÖR-Schriftgut instaatlichen Archiven jedoch verhandelbar wären.Da entsprechende Regelungen auch in den anderen Landesarchivge-setzen enthalten sind46, bleibt im Ergebnis zu konstatieren, dass dieNutzungsregelungen für JPÖR-Schriftgut flächendeckend denallgemeinen Nutzungsbedingungen für anderes öffentliches Archiv-gut entsprechen. In der archivischen Praxis trägt diese Einheitlich-keit der Benutzungsregelungen zweifelsohne dazu bei, Transparenz,Rechtssicherheit und Kundenfreundlichkeit in Benutzungsverfahrenzu erhöhen. Zudem erleichtert sie die Aushandlung von Deposital-

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und auch Schenkungsverträgen zwischen Archiven und JPÖR, dadurch die gesetzliche Festschreibung fachlicher wie datenschutz-rechtlicher Standards auf diesem Gebiet ein potentiell konfliktträch-tiger Verhandlungsgegenstand von vornherein dem Gestaltungsfrei-raum der Vertragspartner entzogen wird. Auf der anderen Seitetragen die in den meisten Archivgesetzen über mehrere Paragraphenverstreuten und nur über zum Teil mehrere Querverweise nachzu-vollziehenden Regelungen wenig dazu bei, bereits auf den ersten,archivrechtlich ungeschulten Blick für klare Verhältnisse zu sorgen.47

Dies kann sich besonders in der Verhandlung mit solchen JPÖR alsnachteilig auswirken, die sich in vorarchivgesetzlicher Zeit regel-mäßig bestimmte Privilegien für die Benutzung ihres Archivgutesvertraglich zusichern ließen und deren neue Verträge nun denarchivgesetzlichen Gegebenheiten anzupassen sind.

AUSBLICK

Die Archivierung von Unterlagen der „sonstigen“ juristischenPersonen des öffentlichen Rechts birgt, wie dargestellt, einige archiv-rechtliche Fragen und archivpraktische Schwierigkeiten in sich. Diemeisten dieser Fragen und Schwierigkeiten sind dabei länderüber-greifender Natur, denn jenseits aller Unterschiede in Detailfragensind die Archivgesetze der Länder in ihren wesentlichen Regelungsa-spekten homogen. Sie schreiben den JPÖR eine kaum kontrollierba-re Archivierungspflicht und den Staats- bzw. Landesarchiven zumin-dest die Funktion von „Auffangarchiven“ zu. Sie lassen mehr oderminder explizit die vor der Archivierung bestehenden Eigentumsver-hältnisse unangetastet, verzichten auf detaillierte Regelungen zurGestaltung von Hinterlegungsverträgen und lassen die Frage derÜbernahme von Archivierungskosten offen. Weitgehend einheitlichgeregelt sind auch die Festschreibung der (unterschiedlich weitreichenden) Bewertungskompetenzen für die zuständigen Archivesowie die Anwendung der Nutzungsregelungen von sonstigemöffentlichen Archivgut. Allerdings erschließen sich gerade die beidenzuletzt genannten Normierungen in vielen Archivgesetzen derLänder erst mit Hilfe von Querverweisen und über Definitionsket-ten.Strukturell gesehen wird anhand dieser Gemengelage aus normati-ver Strenge und weitem Verhandlungsspielraum deutlich, dass dieGesetzgeber der Länder zwar einerseits darauf abzielten, die notwen-digen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Überlieferung derJPÖR überhaupt sichern zu können, andererseits aber bemühtwaren, die rechtliche Eigenständigkeit der JPÖR so weit wie möglichzu berücksichtigen. Im Ergebnis hat dies zu einigen Unklarheitenund Regelungslücken geführt, die einen zum Teil breiten Interpreta-tionsspielraum zulassen und letztlich ein Ungleichgewicht derEinflussmöglichkeiten zwischen Archiv und Registraturbildner imArchivierungsprozess bedingen. Als besonders problematisch erweistsich diese strukturelle Inkonsequenz für die in der Regel als „Auf-fangarchive“ fungierenden Staats- und Landesarchive, denen sub-stantiell mehr Pflichten als Rechte zugeschrieben werden.In Nordrhein-Westfalen wurden diese strukturelle Schieflage unddie damit verbundenen finanziellen Belastungen für die Landeskas-se bereits vor einiger Zeit von Seiten der Landesregierung wahrge-nommen. In einem Kabinettsbeschluss vom 28.5.2002 wurde daherdie für die Archive zuständige oberste Landesbehörde beauftragt,den betreffenden Passus des Archivgesetzes nach den folgendenAlternativen zu ändern: 1. Archivierung von JPÖR-Unterlagen durchdas LAV nur noch gegen kostendeckendes Entgelt oder 2. Selbstver-

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pflichtung der JPÖR zur Archivierung mit Nutzungszugang entspre-chend den Regelungen des ArchivG NW.48 Um dieser Richtungsent-scheidung bereits vor der anstehenden Reform des Archivgesetzeskonzeptionell entgegen zu kommen, führte das Landesarchiv Nord-rhein-Westfalen im November 2005 und im April 2006 abteilungs-übergreifende Dienstbesprechungen der für die JPÖR zuständigenDezernate durch, bei denen die Kernelemente eines Archivierungs-konzeptes erarbeitet wurden. Das inzwischen in Abstimmung mitder Fachaufsicht weiter entwickelte Konzept49 zielt darauf ab, die reinsubsidiäre Funktion des Landesarchivs bei der Archivierung vonJPÖR-Unterlagen stärker als bisher zu akzentuieren, den Auswahl-prozess der zu archivierenden JPÖR in das globale Konzept derÜberlieferungsbildung des LAV zu integrieren und last not least einefür das Landesarchiv kostengerechte Archivierung zu gewährleisten.Um diese Ziele zu erreichen, erstellt das Landesarchiv zunächst aufder Grundlage von Organisations- und Überlieferungsanalysen einepositive Auswahlliste derjenigen JPÖR, deren Schriftgut in dasÜberlieferungsprofil des Landesarchivs passt und die weder eineEigenarchivierung noch eine Weitergabe ihres Schriftgutes anfremde Archive praktizieren. Die entsprechenden Institutionenwerden dann in die Liste der zu betreuenden Behörden aufgenom-men, als eigenständige Aktoren bei der Erstellung und Pflege vonArchivierungsmodellen berücksichtigt und wie Behörden der unmit-telbaren Landesverwaltung betreut. Im Hinblick auf rechtlicheVereinbarungen zwischen LAV und JPÖR werden zudem einheitli-che Vertragsgrundsätze erarbeitet, in denen entweder eine entschädi-gungslose Eigentumsübertragung zu Gunsten des LAV oder abereine kostenpflichtige Archivierung auf der Grundlage einer überar-beiteten Gebührenordnung vorgesehen sind. Parallel dazu befürwor-tet das LAV eine adäquate Überarbeitung der die JPÖR betreffendenPassagen im nordrhein-westfälischen Archivgesetz. Dabei sollteallerdings darauf geachtet werden, nicht nur die Vorgaben desKabinettsbeschlusses von 2002 umzusetzen und auf diesem Wegedie Eigentums- und Kostenfragen zu klären, sondern auch dieStruktur und Verortung der betreffenden Passagen neu zu überden-ken. Die bisherige Verteilung der relevanten und eigentlich zusam-men gehörigen Regelungen auf mehrere Paragraphen in verschiede-nen Abschnitten des Gesetzes trägt wenig zu ihrer Transparenz, zuihrem Verständnis und damit auch zu ihrer Akzeptanz bei. Einekompaktere, überschaubarere Textgestaltung ist daher für eineGesetzesreform (auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen) drin-gend anzumahnen. ■

Christoph Schmidt, Düsseldorf

43 Vgl. Registratur LAV NRW AZ 21-1417-03_004 (unveröffentlicht).44 § 5-7 in Verbindung mit § 2 (3) ArchivG NW.45 § 3 (6) Satz 4 ArchivG NW.46 § 8 (1) in Verbindung mit § 6 LArchG BaWü; Art.14 (1) in Verbindung mit

Art. 13 (2) sowie Art. 10 BayArchivG; § 10 ArchGB; § 7-10 in Verbindungmit § 2 (1)-(2) BbgArchivG; § 10 (1) in Verbindung mit § 6-7 BremArchivG(nur für externe, nicht-staatliche Archive); § 14-16 in Verbindung mit § 1(2) HArchivG; § 5 (10) HmbArchG mit Hinweis auf die „Beachtung derdafür anwendbaren Bestimmungen dieses Gesetzes“; § 13 in Verbindungmit § 12 (1) und § 10 LArchivG M-V; § 11 in Verbindung mit § 6-8 ArchivGNW; § 7 (3) in Verbindung mit § 5 NArchG; § 1 (1) LArchG RP; § 16 inVerbindung mit § 15 und § 10-11 SArchG; § 12 (2) in Verbindung mit § 11(2) und § 10 ArchG-LSA; § 16 (4) in Verbindung mit § 9 Archiv G SH; §5 ThürArchivG mit allgemeinem Verweis auf „die in diesem Gesetz vorge-gebenen Grundsätze“.

47 In NRW erschwert die Begründung zum Gesetzentwurf des ArchivG NWdas Verständnis der Benutzungsregelungen zusätzlich, da es dort heißt: „DieModalitäten der [...] Nutzung können vertraglich geregelt werden.“ (Druck-sache 10/3372 des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 27.6.1988, S.16). Zumeinen deckt sich dieser Passus inhaltlich nicht mit dem Wortlaut des Pa-ragraphen, auf den er sich bezieht, zum anderen bleibt unklar, welche „Mo-dalitäten der Nutzung“ jenseits der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben hiergemeint sein könnten.

48 Der unveröffentlichte Beschluss der 2258. Kabinettssitzung (TOP 4c) fin-det sich u. a. in: Registratur LAV NRW AZ 21-1417-03_003.

49 Zur Archivierung von Unterlagen Juristischer Personen des ÖffentlichenRechts im Landesarchiv NRW (LAV), [unveröffentlichte Entwurfsfassung]Düsseldorf 2008 [Stand: 15.1.2008].

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGEDES LANDESARCHIVS NRW

UNBEKANNTE QUELLEN:„MASSENAKTEN“DES 20. JAHRHUNDERTS.

UNTERSUCHUNGEN SERIELLEN SCHRIFTGUTS AUS NORMIERTENVERWALTUNGSVERFAHREN

Was haben – willkürlich herausgegriffen – ABM-Maßnahmeakten,Siedlungsakten, Handelsregisterakten und Einbürgerungsaktengemeinsam? Sie sind Akten der Moderne, die im Gegensatz zu den„normalen“ Sachakten in streng normierten Verwaltungsverfahrenentstanden. Sie zählen zu den gleichförmigen Schriftgutserien, diemassenhaft anfallen und deren Bewertung zum Alltagsgeschäft desArchivars gehört. Bei der Entscheidungsfindung, ob diese so ge-nannten Massenakten vernichtet oder (in Auswahl) überliefertwerden, drängen sich sowohl Fragen nach der historischen Relevanzund Aussagekraft als auch nach der tatsächlichen Nutzbarkeit durchforschende Historiker auf. Allein die Tatsache, dass moderne Mas-senakten bislang kaum von der Forschung ausgewertet wurden,veranlasste das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, StaatsarchivMünster, im Herbst 2005 ein Projekt ins Leben zu rufen, um diesemZustand abzuhelfen. Archivare aus dem Staatsarchiv Münsterbegannen, nach einheitlichen Kriterien serielles Schriftgut derModerne auf ihren Quellenwert und ihre Nutzbarkeit für die For-schung hin zu untersuchen. Anhand ausgewählter Quellengattungenwurden historische Hintergründe zu bestimmten normierten Ver-waltungsverfahren beleuchtet sowie der formale Aufbau und Inhaltder darin entstandenen Akten und anderen Dokumente offengelegt.Auch legten sie die Forschungslage zur Quellengattung in ihremSprengel dar, schlugen Auswertungsmöglichkeiten für die Forschungvor und schlossen ihre Untersuchungen mit einem Überblick überdie jeweilige Überlieferungslage in den Staatsarchiven Nordrhein-Westfalens, mit Hinweisen zur Benutzung sowie mit Literaturhin-weisen ab. Seit einigen Wochen sind nunmehr die Ergebnisse desPilotprojekts im Internet abrufbar. Im vorliegenden ersten Teilwerden folgende serielle Quellengattungen beschrieben:– ABM-Maßnahmeakten;– Bergmännisches Risswerk;– Einbürgerungsakten der Bezirksregierungen, kreisfreien Städte

und Kreise;– Akten erstinstanzlicher Strafsachen bei Hoch- und Landesverrat;– Prüfungsakten der Wissenschaftlichen bzw. Staatlichen Prüfungs-

ämter für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen (beson-ders höhere Schulen);

– Handelsregister und -akten;– Siedlungsakten.Die Veröffentlichung ist auf der Website www.archive.nrw.de unterStaatsarchiv Münster / Benutzung / Literaturhinweise als PDF-Dateizu finden. Das Projekt soll fortgesetzt werden. Es beabsichtigt, nach

und nach serielles Schriftgut aus den Bereichen staatlicher, kommu-naler, kirchlicher, wirtschaftlicher und anderer Verwaltung zuerfassen und nach vorgegebenen einheitlichen Kriterien zu beschrei-ben. Sowohl Archivare als auch interessierte Historiker sind gerneingeladen, am weiteren Gelingen der Quellenkunde des 20. Jahr-hunderts mitzuwirken. Themenvorschläge und Kritiken sind an Dr.Jens Heckl (E-Mail: [email protected]) im Landesarchiv Nord-rhein-Westfalen, Abteilung 5: Staatsarchiv Münster zu richten. ■

Jens Heckl, Münster

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ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

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Wie sind die Archivarsverbände heute weltweit aufgestellt? Unterwelchen Bedingungen arbeiten sie? Welche Herausforderungenhaben sie derzeit zu bewältigen? Welche Probleme müssen sielösen? Welche Chancen sollten sie ergreifen? Dies waren die Leitfra-gen einer internationalen Tagung, die vom 18. bis 20. Oktober 2007in Madrid unter dem Titel „Archivists in Association: Challengesand Opportunities“ stattfand. Erstmals – und dies ist angesichts derreichen Aktivitäten auf internationaler Ebene bemerkenswert – wardamit die Arbeit der Archivarsverbände Gegenstand einer eigenenTagung, erstmals wollte man ihre Situation einmal bilanzierendvergleichen, um Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Veran-stalter war – dies dürfte nicht überraschen – die Sektion der archiva-rischen Berufsverbände (Section of Professional Associations – SPA)im Internationalen Archivrat (ICA) in Zusammenarbeit mit derKoordinierungsstelle der spanischen Archivfachverbände (es sindinsgesamt 15) und dem Spanischen Kultusministerium, das für dasstaatliche Archivwesen zuständig ist und für die Tagung die anspre-chenden Räumlichkeiten des Circulo de Bellas Artes im Zentrumder Stadt zur Verfügung gestellt hatte. Teilgenommen haben rund200 Archivarinnen und Archivare aus 39 Ländern, die nicht nur dieanregenden Debatten, sondern auch ein spätsommerliches Madridgenießen konnten.Das Programm sah einen Wechsel von Referaten mit Diskussionenauf dem Podium und im Plenum vor, der sich als äußerst aktivierenderwies. Gerade bei den „round tables“ war die Beteiligung aus demPlenum sehr hoch; in einer Sitzung wurden Wortmeldungen aus 34Ländern gezählt. Ein sehr diskursiver Kongress, wie man ihn sichbesser nicht wünschen kann!Wenig überraschend war das Ergebnis. Es wurde deutlich, wieunterschiedlich die Bedingungen weltweit sind, während in derZielsetzung doch weitgehende Einigkeit herrscht. Alle Archivarsver-bände wollen in der Gesellschaft die Interessen ihrer Mitglieder unddes Archivwesens vertreten, eine berufsspezifische Lobby-Arbeitleisten, die Öffentlichkeit und bestimmte Zielgruppen (vor allem diePolitik) für archivische Fragen sensibilisieren, die Professionalisie-rung des Archivwesens unter Beachtung von Standards fördern unddie Fachdiskussion vorantreiben. Zugleich wollen sie als Basis für alldies ihre eigene Arbeit professionalisieren, neue Mitglieder gewinnenund ihre Ressourcen erweitern. Die Diskussion entfachte sich sodenn auch kaum über die Ziele, sondern über die Bedingungen undMöglichkeiten. Und da wurden eben die Unterschiede deutlich.Länder, in denen Archivgesetze verabschiedet wurden, bieten Archi-varsverbänden völlig andere Rahmenbedingungen als Länder, indenen eine gesetzliche Grundlage erst noch zu schaffen ist. InStaaten mit einer langen demokratischen Tradition bedeutet Zugangzu Archivgut etwas völlig anderes als in anderen Strukturen. DieTagung hat umso mehr noch einmal die Ziele des ICA bestätigt,weltweit vergleichbare Verhältnisse zu schaffen und zu wahren. Inseinen Schlussbemerkungen hielt so denn auch Fred van Kan aus

den Niederlanden zutreffend fest: „In Europe, especially in the West,and in Northern America, we have free and fair access to documents,but […] we should never take that for granted. And that is what welearn for example from Mexico and Burundi. Vigilance is alwaysnecessary.“1

Der internationale Vergleich bot einen hervorragenden Horizont zureigenen Standortbestimmung. Von größtem Gewinn waren aberdann vor allem die Einblicke in die aktuelle Arbeit anderer Vereine,in ihre Verfahrensweisen bei der berufsständischen Interessenvertre-tung, in ihre Öffentlichkeitsarbeit und – nicht zuletzt – in ihreStrategien zur Mitgliedergewinnung, wozu z. B. in vielen Ländernden Mitgliedern exklusiv vorbehaltene Seiten auf der vereinseigenenWebsite oder auch regelmäßig gezielte Werbekampagnen gehören.Besonders dieser praxisbezogene Austausch, so das Fazit vielerTeilnehmer, muss unbedingt fortgeführt werden. Dass er besondersauch am Rande der Tagung gepflegt wurde, bei den gastfreundlichenEmpfängen und bei Tapas am Abend, versteht sich von selbst.Als wie wichtig man es weltweit ansieht, in der Gesellschaft für dieArbeit der Archive zu werben, zog sich wie ein roter Faden durch alleDiskussionen: Neben Beispielen erfolgreicher Aktivitäten standendabei freilich auch immer wieder eher skeptische Einschätzungenhinsichtlich der Erreichbarkeit der Politik und der breiteren Öffent-lichkeit, so dass Fred van Kan in seinem Schlusswort resümierte: „…it is not easy to reach the outside world. Most people have a verywrong idea of our profession and when lobbying is concerned, it is ahard job. Members of parliament mostly don’t share our passion ofarchives.“ Gerade solche Situationsanalysen sollten aber nur zumAnlass genommen werden, sich verstärkt nach außen zu richten.„Campaigning“ war der Begriff, der dazu in den Diskussionsbeiträ-gen gerne gebraucht wurde.Eröffnet wurde der Kongress mit einem einführenden Referat vonJosé Ramon Cruz Mundet, dem Stellvertretenden Generaldirektorder spanischen Staatsarchive. Es folgte eine Sitzung zur Rolle derArchivarsverbände in der Gesellschaft. Didier Grange aus Genf, deramtierende Präsident von SPA, gab zunächst einen Überblick überdie historische Entwicklung und aktuelle Situation der Fachverbän-de und ihrer Vertretung in SPA: „De l’ ère des pionniers aux défiscontemporains: Une introduction au monde associatif.“ In SPA sindheute 77 Verbände aus 46 Ländern zusammengeschlossen; weltweitexistieren ca. 300 Organisationen in 58 Ländern. Gerade im letztenJahrzehnt ist ein rapides Anwachsen der Zusammenschlüsse zuverzeichnen. Vor allem durch zahlreiche Neugründungen in Afrikaverschiebt sich dabei auch etwas das Gewicht zwischen den Konti-nenten. Aus deutscher Sicht war es natürlich interessant zu hören,dass der VdA gemessen an seiner Mitgliederzahl im internationalenVergleich derzeit der fünftgrößte Fachverband ist.Sehr grundsätzlich hielt sodann Mark Green, Vorsitzender derSociety of American Archivists, ein Plädoyer für eine selbstbewussteVerbandsarbeit, die sich bei Bedarf auch an die Politik richtet. An

INTERNATIONALE TAGUNG DERARCHIVARSVERBÄNDETagungsbericht von Robert Kretzschmar

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

Page 90: Archivar 02 2008 Internet

verschiedenen Beispielen zeigte er dabei aber auch die Grenzen derEinflussnahme auf, die schon angesichts der ehrenamtlichen Ver-einsstruktur gegeben seien. Damit waren gute Grundlagen gelegt fürdie sich anschließende Podiumsdiskussion, in der unter der Leitungvon Henri Zuber aus Frankreich mögliche Vorgehensweisen bei derVertretung archivischer Interessen erörtert wurden und u. a. dieLänder Frankreich, Kolumbien, Australien und Irland vertretenwaren. Über die professionelle Arbeit des Internationalen Bibliothe-karsverbands IFLA berichtete danach dessen Generalsekretär Peter J.Lor, womit er zahlreiche Vergleichsmöglichkeiten bot. Eine Messe, inder sich die verschiedenen Archivarsverbände mit ihren Werbemit-teln und Produkten präsentieren konnten, schloss den ersten Tag ab.Die erste Sektion des zweiten Tags war der Frage gewidmet, welchespeziellen Aktivitäten Archivarsverbände im Interesse des Archivwe-sens und ihrer Mitglieder entfalten können, um bestimmte Zielgrup-pen anzusprechen und in der Gesellschaft auf sich aufmerksam zumachen. Unter der souveränen Leitung von Trudy Peterson von derACA-Academy of Certified Archivists, Washington D.C., diskutiertendies in einem „panel“ Vertreter der Länder Kanada, Burundi, Spani-en, Mexiko und Australien. Das dreistündige und durchweg span-nende, tatsächlich an keiner Stelle redundante Rundgespräch warvorzüglich vorbereitet. Und die Sitzungsleitung hielt sich strikt aneinen Fragenkatalog, der mit den Tagungsunterlagen zuvor an alleKongressteilnehmer verteilt worden war. Besonders hoch war hierdann aber auch die Beteiligung des Plenums, das von Petersonimmer wieder über gezielte Nachfragen direkt einbezogen wurde.Für Deutschland konnte ich an dieser Stelle über den Tag der Archi-ve und damit gewonnene Erfahrungen berichten.Die zweite Sektion war der Rolle der Archivarsverbände in derBerufsbilddiskussion und der Ausbildung gewidmet. ChristineMartinez aus Frankreich hielt dazu das Grundsatzreferat überarchivische Fachkompetenzen, während Scott Goodine aus Kanadaüber die Erfahrungen seines Verbands bei der Professionalisierungdes Archivwesens referierte. Cindy Smolovik von der ACA-Academyof Certified Archivists beschrieb die Bedeutung, die in den USA seiteiniger Zeit die Zertifizierung gewonnen hat, bevor der Spanier JoanBoadas die allgemeine Diskussion eröffnete; in ihr zeichneten sichwiederum die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der einzelnenLänder besonders markant ab. Von vergleichbaren Anforderungenund Standards sind wir weltweit noch Welten entfernt!Der letzte Tag begann mit einer Außensicht: Der FilmemacherCarlos García Alix schilderte aus langjährigen Erfahrungen seine

persönlichen Eindrücke von den Archiven in ihrer fundamentalenBedeutung für seine künstlerische Arbeit, liefern sie ihm doch dieRohstoffe für seine Geschichten. Über die Zukunft der Archivarsver-bände tauschte man sich dann in einer letzten Podiumsdiskussionaus, die von Berndt Frederiksson aus Schweden geleitet wurde.Vertreten waren die Länder Japan, Chile, Elfenbeinküste, Rumänienund Deutschland. Für den Verband deutscher Archivarinnen undArchivare habe ich dessen Professionalisierung als einen keineswegsabgeschlossenen, vielmehr kontinuierlich voranzutreibenden Pro-zess skizziert. Dabei bin ich besonders auf die Einrichtung einerfesten Geschäftsstelle in Fulda und die Arbeit des Geschäftsführerseingegangen, zugleich aber auch auf die unverminderte Bedeutungdes ehrenamtlichen Engagements der Mitglieder im Wechselspielmit der Geschäftsstelle. Dass der ehrenamtlichen Betätigung in derletzten Zeit durch die Verdichtung der Anforderungen im Arbeitsall-tag der Archivarinnen und Archivare in immer stärkerem MaßeGrenzen gesetzt werden, habe ich als eine Erscheinung beschrieben,die aktuell bei allen Zukunftsplänen zu berücksichtigen ist. Näherberichtet habe ich auch über die aktuelle Arbeit des Arbeitskreises„Berufsbild“ im VdA, wobei ich die Rolle des VdA für die sparten-übergreifende Diskussion und Positionierung herausstellte, die esinsgesamt – besonders auch in spezifischen Fachfragen – nochweiter auszubauen gelte. Angesprochen habe ich schließlich auch dieWeiterentwicklung des Deutschen Archivtags als eine kontinuierli-che Herausforderung, die aktuellen Gespräche mit den Vertreternder Freien Archive und das allgemeine Ziel, archivische Themen indie Öffentlichkeit zu tragen, wozu ich nochmals auf den Tag derArchive verwies.Mit den Schlussbemerkungen Fred van Kans und einem abschließ-enden Vortrag von Carlos Flores Varela zur Zukunft der Archivars-verbände in Spanien fand der sehr anregende Kongress sein Ende. Esbleibt zu hoffen, dass SPA weitere Veranstaltungen dieser Art organi-siert, um den notwendigen Erfahrungsaustausch zwischen denArchivarsverbänden zu fördern. Ein herzliches Dankeschön anDidier Grange als Vorsitzenden von SPA für die interessanten Tage inMadrid!Das Programm und einzelne Beiträge sind zugänglich unterhttp://www.mcu.es/archivos/CE/Congreso_Int_Asocia_Profesion.html.

1 Die Schlussbemerkungen sind im Internet unter der am Ende dieses Arti-kels angegebenen Adresse zugänglich.

Auf der 84. Jahresversammlung des Vereins SchweizerischerArchivarinnen und Archivare am 6. September 2007 in Baselwurde Anna Pia Maissen (Stadtarchiv Zürich) zur neuen Präsi-dentin gewählt. Sie trat die Nachfolge von Andreas Kellerhals(Schweizerisches Bundesarchiv Bern) an, der wegen der statutari-schen Amtzeitbeschränkung aus dem Vorstand des VSA aus-schied. Wir danken Andreas Kellerhals ganz herzlich für die guteZusammenarbeit in den vergangenen Jahren und wünschenAnna Pia Maissen alles Gute!

Im Rahmen des 33. Österreichischen Archivtags in Graz fand am8. November 2007 im Steiermärkischen Landesarchiv ein Festaktstatt, der dem 40. Jahrestag der Gründung des Verbands Öster-reichischer Archivarinnen und Archivare gewidmet war. Die

INFORMATIONEN ZU BENACHBARTEN ARCHIVARSVERBÄNDENGeschichte des Verbands skizzierte Prof. Dr. Josef Riegler vomSteiermärkischen Landesarchiv als amtierender Vorsitzender desVerbands Österreichischer Archivarinnen und Archivare. Mitseinem Grußwort hat der Vorsitzende des VdA die herzlichenGlückwünsche der deutschen Archivarinnen und Archivareüberbracht. Den Festvortrag „Über Archive, Archivierungsfor-men und den Umgang mit Erinnerung heute“ hielt Prof. Dr. KarlAcham von der Universität Graz.

Robert Kretzschmar, Vorsitzender des VdA

VdA -Verband deutscher

Archivarinnen und Archivare e. V.

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

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202 VdA - Verband deutscherArchivarinnen und Archivare e.V.

Page 91: Archivar 02 2008 Internet

Orkantief EMMA und Kommunalwahlen in Bayern zum Trotz: DieResonanz auf den vom VdA – Verband deutscher Archivarinnen undArchivare e.V. zum vierten Male initiierten bundesweiten TAG DERARCHIVE war insgesamt gut.Weit über 300 Archive aller Fachsparten öffneten bundesweit ihreTüren für das interessierte Publikum und boten ein vielfältiges undabwechslungsreiches Programm.Wie kreativ mit dem von der Mitgliederversammlung des VdAgewählten Motto „Heimat und Fremde“ in Führungen, Kurzpräsen-tationen, Ausstellungen und anderen Veranstaltungsarten in denArchiven umgegangen wurde, belegen die vielen Presseartikel überdie Veranstaltungen vor Ort.Mit großem Erfolg haben sich aber auch die Archive beteiligt, dieein Programm geboten haben, das unabhängig vom Motto gestaltetwar.Auf starkes Interesse stieß dieses Jahr der TAG DER ARCHIVE auchbei den Journalisten, die sich intensiv mit den Archiven als „Ge-dächtnis der Gesellschaft“ auseinandersetzten („Endstation Ewig-keit“, so der Nachrichtensender n-tv am 29.02.2008; „Streiflicht“ aufS. 1 der Süddeutschen Zeitung vom selben Tag) und handwerklichgut recherchierten Journalismus boten.

VIEL ENGAGEMENT UND GUTERESONANZ BEIM 4. TAG DERARCHIVE 2008

Nach dem TAG DER ARCHIVE haben wir aus den beteiligtenArchiven zahlreiche Rückmeldungen erhalten, die durchwegs positivwaren. Die Zahl der Besucher war oft unerwartet hoch, die Bericht-erstattung in den Medien immer gut.Als Fazit kann man ziehen, dass das gewählte Motto sich als geeig-net erwiesen hat. Beigetragen zum Erfolg hat aber sicher auchdie Entscheidung, den Termin auf das erste Märzwochenende zulegen und damit in eine Zeit, in der es die Menschen noch nicht sosehr in das Freie zieht.Auch an dieser Stelle sei noch einmal allen Kolleginnen und Kolle-gen herzlichst gedankt, die sich am 4. TAG DER ARCHIVE beteiligthaben.1

Robert Kretzschmar, Vorsitzender des VdAClemens Rehm,Leiter des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit im VdA

Thilo Bauer, Geschäftsführer des VdA

Programmvorschau1

Dienstag, 16. September 2008

12.30-16.00 Fortbildungsveranstaltungen (begrenzte Teilnehmerzahl)Notfallvorsorge und -bewältigung (Leitung: Dr. JensRiederer, Stadtarchiv Weimar und Volker Graupner,Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar)„Gesund im Archiv!“ Wie schützt man sich und dasArchivgut vor Staub und Schimmel? (Leitung: Dr. AnnaHaberditzl, IfE Ludwigsburg)Langzeitverfügbarkeit garantiert: Speicherung auf Mikro-film als Zukunftslösung (Leitung: Frieder Kuhn, IfELudwigsburg)Fotografie im Archiv (Leitung: Harald Arends, FH Pots-dam)

Bestandserhaltung digitaler Unterlagen. Strategien undpraktische Lösungsansätze (Leitung: Dr. Christian Keitelund Dr. Gerald Meier, Landesarchiv Baden-Württemberg)Die praktische Anwendung von Austauschformaten (EADund SAFT) bei der Retrokonversion von Findmitteln(Leitung: Dr. Sigrid Schieber, Archivschule Marburg)

15.00-17.00 Arbeitsgespräch mit ausländischen Archivtagsteilnehmern16.00-18.00 ArbeitskreisArchivpädagogik und Historische Bildungsar-

beit16.00-18.00 Arbeitskreis Berufsbild (Informationsveranstaltung zur

eigenen Arbeit und zum Thema „Neue Entwicklungen inder Archivarsausbildung“)

78. DEUTSCHER ARCHIVTAG 2008IN ERFURTFÜR DIE ZUKUNFT SICHERN!BESTANDSERHALTUNG ANALOGER UND DIGITALER UNTERLAGEN

1 Die Unterzeichner haben einen entsprechenden Dank bereits unmittelbarnach dem 4. TAG DER ARCHIVE im Internet veröffentlicht.

203

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

Page 92: Archivar 02 2008 Internet

16.30-18.30 Sektionssitzung 3: Langzeiterhaltung digitaler Unterlagen(Leitung: Dr. Ulrike Gutzmann)Dr. Christian Keitel, Landesarchiv Baden-Württemberg,Staatsarchiv Ludwigsburg: Elektronische Archivierung inDeutschland: Eine BestandsaufnahmeProf. Dr. Rolf Däßler, FH Potsdam: Archive im Informa-tionszeitalter: Neue Anforderungen durch den technolo-gischen FortschrittProf. Dr. Siegfried Hackel, Physikalisch-Technische Bun-desanstalt Braunschweig: Das ArchiSafe-Projekt: Mög-lichkeiten und Nutzen

16.30-18.30 Sektionssitzung 4: Notfallbewältigung (Leitung: Ray-mond Plache)Petra Sprenger, Sächsisches Staatsarchiv Dresden: Wasserals Schadensfaktor am Beispiel der Flutkatastrophe 2002in SachsenDr. Jürgen Weber, Herzogin Anna Amalia BibliothekWeimar: Brandfolgenmanagement. Ein Zwischenberichtvier Jahre nach dem Brand der Herzogin Anna AmaliaBibliothekDr. Bernhard Post, Thüringisches HauptstaatsarchivWeimar: „Wenn doch etwas passiert!“ - Der Notfallver-bund der Weimarer Kultureinrichtungen

16.30-18.30 Sitzung der Arbeitsgruppe Zeitungen im Forum GeSiGe. V.: Zeitungen – gemeinsames Kulturgut in Archiven,Bibliotheken, Museen. Erhalten, Bewahren, Erschließen(Leitung: Dr. Joachim Zeller)

20.00 Gesprächs- und Begegnungsabend im historischenKaisersaal

Donnerstag, 18. September 2008

9.00-11.30 Fachgruppensitzungen12.00-13.00 Lokalhistorischer Vortrag: Dr. Rudolf Benl, Stadtarchiv

Erfurt: Erfurt – Erhalt und Verlust der historischenBausubstanz

14.00-15.30 Neue Entwicklungen auf der ARCHIVISTICA – Ausstel-ler stellen sich und ihre Produkte bzw. Dienstleistungenvor

16.00-18.00 Podiumsdiskussion: Strategien einer integrativen Be-standserhaltung für die Zukunft (Leitung: Prof. Dr.Wilfried Reininghaus, Landesarchiv Nordrhein-Westfa-len). Teilnehmer: Dr. Anette Gerlach, Zentral- und Lan-desbibliothek Berlin; Dr. Rolf Griebel, Bayerische Staats-bibliothek München; Dr. Bernhard Preuss, Bundesamt fürBevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe; Dr. PeterSandner, Hauptstaatsarchiv Wiesbaden; Dr. MarcusStumpf, LWL – Archivamt für Westfalen

18.30 Orgelkonzert im Dom St. Marien

Freitag, 19. September 2008

FührungenExkursionen nach Rudolstadt und Weimar

18.30 EröffnungBegrüßung: Prof. Dr. Robert Kretzschmar, Vorsitzenderdes VdAGrußworte: Dieter Althaus, Ministerpräsident des Frei-staates Thüringen; Andreas Bausewein, Oberbürgermeis-ter der Landeshauptstadt Erfurt; Fred van Kan, ICAEröffnungsvortrag: Hellmut Seemann, Präsident derKlassik-Stiftung Weimar: Die Idee der Klassik und dieBewahrung ihres kulturellen ErbesStehempfang

Mittwoch, 17. September 2008

9.00-10.30 Gemeinsame Arbeitssitzung: Bestandserhaltung alsFachaufgabe und Fachkompetenz in der Veränderung(Leitung: Prof. Dr. Robert Kretzschmar, LandesarchivBaden-Württemberg)Prof. Dr. Hartmut Weber, Bundesarchiv: Bestandserhal-tung in einer digitalen WeltDr. Karsten Uhde, Archivschule Marburg: Rückständig,verträumt oder traumhaft fortschrittlich? Die Bedeutungder Bestandserhaltung in der deutschen Archivarsausbil-dung im europäischen Vergleich

11.00-13.00 Sektionssitzung 1: Präventive und operative Bestandser-haltung: Neue Entwicklungen und Ergebnisse (Leitung:Dr. Maria Rita Sagstetter M.A.)Dr. Mario Glauert, Brandenburgisches Landeshauptar-chiv Potsdam: Die zweite Bewertung. Prioritäten in derBestandserhaltungGerhard Fürmetz M.A., Bayerisches Hauptstaatsarchiv:Kulturgutschutz digital? Neue technische Perspektiven inder SicherungsverfilmungDr. Arie Nabrings, Rheinisches Archiv- und Museums-amt: Landesinitiative Substanzerhalt in Nordrhein-Westfalen. Eine Maßnahme zum Erhalt nichtstaatlichenArchivguts

11.00-13.00 Sektionssitzung 2: Erhaltung von AV-Material (Leitung:Hans-Gerhard Stülb)Rudolf Müller, Memoriav – Schweizer Radio DRS: Be-standserhalt audiovisuellen Kulturguts beim SchweizerRadio DRS. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit zwi-schen dem Netzwerk Memoriav und dem RundfunkSusanne Betzel, Programmarchiv der RTL TelevisionGmbH: Die Contentbank – das digitale Programmarchivder Mediengruppe RTLAngela Ullmann, Parlamentsarchiv des Deutschen Bun-destags: „Überdauern bis in alle Zeit …“ – Erhaltungaudiovisueller Medien im Parlamentsarchiv des Deut-schen BundestagesDagmar Weitbrecht, MDR-Landesfunkhaus Thüringen,Doku-Service: „Was kommt nach der Digitalisierung imHörfunk?“

14.00-16.00 Mitgliederversammlung

1 Die Sitzungen der Archivrefentenkonferenz und der Bundeskonferenz derKommunalarchive beim Deutschen Städtetag finden zu den gewohnten Zei-ten statt.

VdA -Verband deutscher

Archivarinnen und Archivare e. V.

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

204 VdA - Verband deutscherArchivarinnen und Archivare e.V.

Page 93: Archivar 02 2008 Internet

§ 1 Name, Zweck und Sitz des Vereins

1. Der Verein führt den Namen „VdA – Verband deutscher Archiva-rinnen und Archivare e.V.“

2. Sein Zweck ist die Förderung und die Wahrnehmung der Interes-sen des Archivwesens, insbesondere durch wissenschaftlicheForschung, Erfahrungsaustausch und fachliche Weiterbildung.Der VdA führt Fachveranstaltungen, insbesondere die DeutschenArchivtage durch und gibt Veröffentlichungen zum Archivwesenheraus. Seine Vereinsmitteilungen erscheinen in der Zeitschrift„Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen“.

3. Der VdA verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigeZwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ derAbgabenordnung. Der VdA ist selbstlos tätig, er verfolgt nicht inerster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Mittel des Vereins dürfennur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Die Mitglie-der erhalten keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft alsMitglieder auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln desVereins. Niemand darf durch Ausgaben, die den Zwecken des VdAfremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungenbegünstigt werden.

4. Der Verein hat seinen Sitz in Fulda und ist im Vereinsregister desAmtsgerichtes Fulda eingetragen.

§ 2 Mitgliedschaft

1. Die Mitgliedschaft des VdA können erwerben(a) Archivare, die die jeweils geforderten Voraussetzungen für die

Anstellung im höheren, gehobenen und mittleren Archivdienstdes Bundes oder eines Landes der Bundesrepublik Deutsch-land erfüllen oder sich in der archivfachlichen Ausbildungbefinden,

(b) sonstige hauptamtliche Archivare,(c) auf Beschluss des Vorstandes nebenamtliche Leiter von Archi-

ven und Archivverwaltungen,(d) Archive und Institutionen, die archivische Einrichtungen

unterhalten.

2. Die Aufnahme vollzieht der Vorsitzende aufgrund schriftlichenAntrags im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der jeweiligenFachgruppe. In Zweifelsfällen entscheidet der Vorstand. ZurAnnahme eines Aufnahmeantrags durch den Vorstand (insbeson-dere in Ausnahmefällen nach 1c) ist Zweidrittelmehrheit erforder-lich. Bei Ablehnung eines Mitgliedschaftsantrags ist Berufung andie Mitgliederversammlung zulässig.

3. Die Mitgliedschaft erlischt(a) durch Tod;(b) durch Austritt mit schriftlicher Erklärung an den Vorsitzenden

mit Wirkung zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres;

SATZUNG DES VDA – VERBANDDEUTSCHER ARCHIVARINNEN UNDARCHIVARE E.V.NEUFASSUNG VOM 26. SEPTEMBER 20071

Im Monat Juni werden sich die Mitarbeiterinnen der Geschäfts-stelle bei den VdA-Mitgliedern telefonisch melden, um durchgezielte Befragungen schnell und unbürokratisch die in der VdA-Mitgliederverwaltung gespeicherten Daten zu aktualisieren.Wichtig sind uns vor allem die E-Mail-Adressen für den weiterenAusbau der elektronischen Mitgliederinformationen.

Damit Sie sich auch sicher sein können, dass Sie am Telefon vonIhrer VdA-Geschäftsstelle befragt werden, wird das Gesprächvom VdA durch einen Sicherheitsmechanismus eröffnet werden.

VORANKÜNDIGUNG DER GESCHÄFTSSTELLE:

KONZERTIERTE TELEFONAKTION ZUR AKTUALISIERUNG DER MITGLIEDSDATEN

Gerne können Sie die Aktualisierung auch schriftlich vorneh-men, indem Sie gleich zu Beginn des Telefonats um einenDatenaktualisierungsbogen per Fax oder E-Mail bitten.

Wir bitten freundlich um Ihre Unterstützung und bedanken unsim Voraus schon für Ihre Auskunftsbereitschaft.

Thilo Bauer, Geschäftsführer des VdA

205

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

1 Die Neufassung entspricht der in der Mitgliederversammlung auf dem 77.Deutschen Archivtag in Mannheim beschlossenen Fassung. Vgl. dazu dasProtokoll in: Der Archivar 60 (2007) S. 398. Die Neufassung wurde am 25.Januar 2008 beim Amtsgericht Fulda eingetragen. Der in § 1Abs. 2 genann-te Name der Zeitschrift soll bei der nächsten Satzungsänderung aktuali-siert werden.

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(c) durch Ausschluss, den der Vorstand beschließen kann, wennein Mitglied seine Beitragsverpflichtungen gegenüber demVdA trotz dreimaliger Mahnung nicht erfüllt;

(d) durch Ausschluss, den der Vorstand mit einer Mehrheit von2/3 der anwesenden Vorstandsmitglieder beschließen kann,wenn ein Mitglied grob gegen die Interessen oder die Satzungdes VdA verstößt oder das Ansehen des VdA schwer schädigt.

4. Der Ausschluss ist dem Mitglied durch eingeschriebenen Briefmitzuteilen. Gegen den Beschluss des Vorstands hat das Mitgliedinnerhalb von vier Wochen nach Zustellung das Recht der Beru-fung bei der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung.Bis zur Entscheidung der Mitgliederversammlung ruht die Mit-gliedschaft. Im Falle eines Ausschlusses nach § 2 Absatz 3 Buch-stabe d) ist dem Mitglied vor der Beschlussfassung Gelegenheitzur Äußerung zu geben.

§ 3 Mitgliedsbeitrag

Die Höhe der Mitgliedsbeiträge der natürlichen und juristischenPersonen wird durch die Mitgliederversammlung festgesetzt. DerMitgliedsbeitrag ist mit dem Anfang des Geschäftsjahres fällig. DasGeschäftsjahr beginnt am 1. Januar.

§ 4 Ehrenmitgliedschaft

Mitglieder, die sich um den VdA oder das deutsche Archivwesenhervorragend verdient gemacht haben, können durch Beschluss derMitgliederversammlung zu Ehrenmitgliedern ernannt werden.

§ 5 Organe, Einrichtungen und Gliederungen desVereins

Organe, Einrichtungen und Gliederungen des Vereins sind. die Mitgliederversammlung,. der Vorstand,. der Geschäftsführende Vorstand,. die Fachgruppen,. die Landesverbände,. die Ausschüsse,. die fachgruppenübergreifenden Arbeitskreise.

Der VdA unterhält eine Geschäftsstelle.

§ 6 Mitgliederversammlung

1. Alljährlich soll, alle zwei Jahre muss der Vorstand eine Mitglieder-versammlung einberufen, die in der Regel mit dem DeutschenArchivtag verbunden wird. Die Einberufung hat spätestens vierWochen vor dem Zusammentritt unter Bekanntgabe der Tagesord-nung zu erfolgen. Bei Festlegung der Tagesordnung müssenAnträge von Mitgliedern berücksichtigt werden, wenn sie späte-stens 8 Wochen vor dem Zeitpunkt der Mitgliederversammlungmit mindestens 10 Unterschriften gestellt werden. Die Mitglieder-versammlung ist außerdem einzuberufen, wenn der zehnte Teilder Mitglieder die Einberufung schriftlich unter Angabe desZwecks und der Gründe verlangt oder wenn das Interesse desVereins es erfordert. Die Mitgliederversammlung wird vomVorsitzenden, im Falle seiner Verhinderung vom ersten stellvertre-tenden Vorsitzenden, im Falle von dessen Verhinderung vomzweiten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet.

2. Die ordnungsmäßig einberufene Mitgliederversammlung istbezüglich der in der Tagesordnung angegebenen Punkte beschluss-fähig. Die Beschlussfassung über darin nicht enthaltene Punktewird auf die nächste Mitgliederversammlung zurückgestellt, wennund soweit nicht eine besondere Dringlichkeit vorliegt (Dringlich-keitsantrag). Zur Feststellung der Dringlichkeit ist eine Dreiviertel-mehrheit der Mitgliederversammlung erforderlich. Eine Ände-rung der Satzung über einen Dringlichkeitsantrag ist ausgeschlos-sen.

3. Mit einfacher Stimmenmehrheit wird von der Mitgliederver-sammlung(a) der Vorsitzende gewählt (§ 9 Abs. 1),(b) der Jahresbeitrag festgesetzt (§ 3),(c) die Bestellung der Rechnungsprüfer vorgenommen und

Entlastung erteilt (§ 12),(d) über alle sonstigen Punkte der Tagesordnung beschlossen,

soweit nicht eine qualifizierte Mehrheit dazu nötig ist.

4. Eine Zweidrittelmehrheit der Mitgliederversammlung ist erforder-lich zur(a) Ernennung von Ehrenmitgliedern (§ 4),(b) vorzeitigen Abberufung eines Vorsitzenden oder eines Vor-

standsmitgliedes,(c) Beschlussfassung über Satzungsänderungen (§ 13) und Auflö-

sung des VdA (§ 14 Abs. 1),(d) Entscheidung über Berufungen gegen die Ablehnung von

Mitgliedsanträgen (§ 2 Abs. 2) und gegen den Ausschluss ausdem VdA (§ 2 Abs. 3).

5. Die Mitgliederversammlung nimmt den Geschäftsbericht und dieHaushaltsrechnung entgegen und erteilt nach dem Bericht derRechnungsprüfer jeweils Entlastung.

6. Abwesende persönliche (§ 2 Abs. 1 Buchst. a, b und c) und institu-tionelle (§ 2 Abs. 1 Buchst. d) Mitglieder können ein anwesendes

VdA -Verband deutscher

Archivarinnen und Archivare e. V.

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

206 VdA - Verband deutscherArchivarinnen und Archivare e.V.

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Mitglied schriftlich mit der Abgabe ihrer Stimme bei den Wahlensowie bei Beschlüssen betrauen. Ein Mitglied kann jedoch nur biszu fünf Stimmen auf sich vereinen.

7. Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung werden protokolliert,vom Vorsitzenden und dem Schriftführer unterschrieben und imMitteilungsblatt des VdA veröffentlicht.

§ 7 Fachgruppen

1. Innerhalb des VdA bilden die Archivarinnen und Archivarefolgende Fachgruppen:1: Staatliche Archive,2: Kommunale Archive,3: Kirchliche Archive,4: Herrschafts- und Familienarchive,5: Wirtschaftsarchive,6: Archive der Parlamente, politischen Parteien, Stiftungen und

Verbände,7: Medienarchive,8: Archive der Hochschulen sowie wissenschaftlicher Institu-

tionen.

2. Die Fachgruppen halten ihre Sitzungen in der Regel im Zusam-menhang mit dem Deutschen Archivtag bzw. der Mitgliederver-sammlung des VdA ab. Sie können jedoch auch gesonderte Sitzun-gen einberufen. Aufgabe der Fachgruppen ist die Erörterung undBehandlung besonderer Probleme des Fachgruppenbereichs. DieFachgruppen wählen ihren Vorsitzenden und gegebenenfallsFachgruppenvorstände sowie die satzungsmäßigen Vertreter fürden Vorstand des VdA. Sie können zu besonderen Problemen derFachgruppe Anträge an den Vorstand und an die Mitgliederver-sammlung richten.

3. Eine Fachgruppe kann mehrere Arbeitsgemeinschaften umfassen.

§ 8 Vorstand und Geschäftsführender Vorstand

1. Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden und aus je fünfVertretern der Fachgruppen 1 und 2, drei Vertretern der Fachgrup-pe 7, je zwei Vertretern der Fachgruppen 3, 5, 6 und 8 und einemVertreter der Fachgruppe 4.

2. Jede Fachgruppe wählt aus ihrer Mitte ihre bzw. ihren Vertreter fürden Vorstand in geheimer Abstimmung mit einfacher Mehrheitauf vier Jahre. Bei Freiwerden eines Vorstandssitzes vor Ablauf dervierjährigen Amtszeit rückt für den Rest der Amtszeit das bei derFachgruppenvorstandswahl mit der nächst höheren Stimmenzahlgewählte Mitglied nach. Ist die Zahl der nachrückenden Mitglie-der erschöpft, wählt die jeweilige Fachgruppe für den Rest derAmtszeit einen neuen Vertreter. Sätze 2 und 3 gelten auch, wennder Vorsitzende aus dem Kreis der Fachgruppenvorstände kommt.

3. Der Vorstand übernimmt die Geschäfte des VdA mit dem Erstendes übernächsten Monats nach erfolgter Wahl. Er bestimmt ausseiner Mitte mit einfacher Mehrheit den ersten und den zweitenstellvertretenden Vorsitzenden, den Schriftführer und den Schatz-

meister sowie die weitere Geschäftsverteilung im Vorstand. DieVereinigung mehrerer Ämter in einer Hand ist unzulässig. DieVertretungsmacht des alten Vorstands dauert über die Amtszeitvon vier Jahren hinaus bis zur Neuwahl eines neuen Vorstandes.

4. Der Geschäftsführende Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden,dem ersten stellvertretenden Vorsitzenden, dem zweiten stellvertre-tenden Vorsitzenden, dem Schatzmeister und dem Schriftführer.

5. Der Vorstand führt die Geschäfte des VdA. Ihm obliegen insbe-sondere Vorbereitung und Durchführung der Deutschen Archivta-ge, Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern. Er beruft dieMitgliederversammlung ein und legt die Tagesordnung fest (§ 6Abs. 1).

6. Der Vorstand ist bei Anwesenheit der Hälfte seiner Mitgliederbeschlussfähig. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit, bei Abstim-mungen über Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern mitZweidrittelmehrheit (§ 2 Abs. 2 und 3); bei Stimmengleichheitentscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Bei Verhinderung kannein Vorstandsmitglied seine Stimme durch schriftliche Erklärungeinem anderen Vorstandsmitglied übertragen.

§ 9 Vorsitzender

1. Den Vorsitzenden wählt die Mitgliederversammlung aus demKreis der Mitglieder in geheimer Abstimmung auf vier Jahre. Eineeinmalige Wiederwahl ist möglich. Scheidet der Vorsitzendevorzeitig aus, so ist ein Nachfolger für den Rest der Wahlperiodezu wählen. Vor dieser Wahl nimmt die Mitgliederversammlungden Ausgang der Wahlen nach § 8 Abs. 2 zur Kenntnis.

2. Der Vorstand im Sinne des § 26 BGB besteht aus dem Vorsitzen-den, dem ersten stellvertretenden Vorsitzenden und dem zweitenstellvertretenden Vorsitzenden. Jedes Vorstandsmitglied ist einzelnzur Vertretung berechtigt. Im Innenverhältnis wird bestimmt, dassder erste stellvertretende Vorsitzende von seinem Einzelvertre-tungsrecht nur Gebrauch machen darf, wenn der Vorsitzendeverhindert ist und dass der zweite stellvertretende Vorsitzende vonseinem Einzelvertretungsrecht nur Gebrauch machen darf, wennsowohl der Vorsitzende als auch der erste stellvertretende Vorsit-zende verhindert sind.

3. Dem Vorsitzenden obliegt die Einberufung und Leitung derVorstandssitzungen. Er führt die laufenden Geschäfte des VdA inÜbereinstimmung mit den Beschlüssen des Vorstandes und derMitgliederversammlung. Er ist dem Gesamtvorstand für seineHandlungen auskunftspflichtig und dem Verein rechenschafts-pflichtig.

4. Der Vorsitzende wird bei der Führung der laufenden Geschäftevom Geschäftsführenden Vorstand unterstützt. Näheres regelt eineGeschäftsordnung, die vom Vorstand erlassen wird.

5. Dem Vorsitzenden ist die Geschäftsstelle unterstellt. Diese unter-stützt die Organe, Einrichtungen und Gliederungen des VdA.

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ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

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§ 10 Landesverbände

Zur Pflege eines festen Zusammenhaltes unter den Mitgliedernsowie zur Förderung der Vereinszwecke nach § 1 Abs. 2 Satz 1 aufLänderebene können sich die Mitglieder innerhalb eines Landes ausden verschiedenen Fachgruppen zu Landesverbändenzusammenschließen. Mitglied in einem Landesverband kann nursein, wer Mitglied im VdA ist. Die Mitgliedschaft zu einem Landes-verband richtet sich während der aktiven Dienstzeit nach dem Ortdes Arbeitsplatzes des Mitglieds. Die Vorsitzenden der Landesver-bände arbeiten im Einvernehmen mit dem Vorstand und unterrich-ten diesen fortlaufend über ihre Tätigkeit.

§ 11 Ausschüsse und Arbeitskreise

1. Zur Vorbereitung und Unterstützung der Arbeit des Vorstandskann dieser Ausschüsse aus seiner Mitte einrichten, deren Leitervom Vorstand benannt oder bestätigt werden.

2. Auf Antrag aus der Mitgliedschaft kann der Vorstand zu bestimm-ten Themen fachgruppenübergreifende Arbeitskreise einrichten,deren Mitglieder dem VdA angehören müssen. Sie legen demVorstand ihr Arbeitsprogramm vor und berichten der Mitglieder-versammlung über ihre Tätigkeit. Die Arbeitskreise wählen sicheinen Leiter, der der Bestätigung des Vorstands des VdA bedarf.

3. Ein neugewählter Vorstand entscheidet über die Fortführung vonAusschüssen und Arbeitskreisen.

§ 12 Rechnungsprüfung

Die Mitgliederversammlung bestimmt zur Prüfung der Rechnungendes VdA auf vier Jahre je zwei Prüfer und Stellvertreter, die demVdA, jedoch nicht dem Vorstand angehören. Die Entlastung erteiltdie Mitgliederversammlung.

§ 13 Satzungsänderungen

Anträge des Vorstandes oder einzelner Mitglieder auf Satzungsände-rungen sind den Mitgliedern rechtzeitig mit der Tagesordnunggemäß § 6 Abs. 1 im Wortlaut bekannt zu geben. Die Beschlussfähig-keit steht der Mitgliederversammlung zu.

§ 14 Auflösung des Vereins, Verfügungen über dasVereinsvermögen

1. Die Auflösung des Vereins muss von einer zu diesem Zweckeinberufenen Mitgliederversammlung mit Zweidrittelmehrheitbeschlossen werden.

2. Bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall dersatzungsmäßigen Zwecke fällt das Vereinsvermögen zu gleichenTeilen an die zu diesem Zeitpunkt bestehenden öffentlich-rechtli-chen archivfachlichen Ausbildungsstätten in der BundesrepublikDeutschland, die vorhandene Vermögenswerte und künftigeErträge aus den Publikationen des VdA im Sinne des gemeinnüt-zigen Vereinszwecks unmittelbar und ausschließlich für diefachwissenschaftliche Förderung des Archivwesens zu verwendenhaben.

VdA -Verband deutscherArchivarinnen und Archivare e. V.

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA208 VdA - Verband deutscherArchivarinnen und Archivare e.V.

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

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– Archivoberinspektor Robert Mayr vom Bayerischen Hauptstaatsar-chiv zum Bayerischen Landtag (1.2.2008).

AbgeordnetArchivoberrätin Dr. Susanne Millet M.A. vom Staatsarchiv Münchenzum Bayerischen Hauptstaatsarchiv (1.2.2008 - 31.12.2008).

SonstigesArchivdirektor Dr. Peter Fleischmann vom Staatsarchiv Augsburg er-hielt die Erteilung der Lehrbefugnis mit dem Recht zur Führung derBezeichnung Privatdozent (15.1.2008) – Archivdirektor Dr. BernhardGrau M.A. wurde zum ständigen Vertreter der Leiterin der General-direktion der Staatlichen Archive Bayerns bestellt (1.3.2008) – Archiv-direktorin Dr. Margit Ksoll-Marcon M.A. wurde zur Leiterin der Ge-neraldirektion der Staatlichen Archive Bayerns bestellt (1.3.2008) – Ar-chivreferendar Thomas Paringer M.A. wurde der Doktorgrad verliehen(9.1.2008).

HAMBURG

ErnanntArchivrat Dr. Michael Klein beim Staatsarchiv Hamburg zum Ober-archivrat (1.2.2008).

HESSEN

Archivschule MarburgDer 42. wissenschaftliche Lehrgang wurde am 1.1.2008 mit folgendenTeilnehmerinnen und Teilnehmern eröffnet:Lars Adler M.A. (Hessen), Jeannette Godau M.A. (Baden-Württem-berg), Astrid Küntzel M.A. (Nordrhein-Westfalen), Stefan Lang M.A.(Baden-Württemberg), Dr. Yvonne Leiverkus (Nordrhein-Westfalen),Regina Maier M.A. (Hessen), Katrin Marx-Jaskulski M.A. (Hessen), Ju-dith Matzke M.A. (Baden-Württemberg), Aleksandra Pawliczek M.A.(Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz),Tobias Schenk M.A.(Nordrhein-Westfalen), Dr. Stephen Schröder (Hessen), Söhnke Thal-mann M.A. (Niedersachsen), Danny Weber M.A. (Nordrhein-Westfa-len), Dr. Hendrik Weingarten (Niedersachsen), Katrin Wenzel M.A.(Thüringen).Der 45. Fachhochschulkurs wurde am 1.1.2008 mit folgenden Teilneh-merinnen und Teilnehmer eröffnet:Lisa Arnold (Nordrhein-Westfalen), Maxi Braun (Nordrhein-Westfa-len), Astrid Freese M.A. (Hessen), Lars Hilbert (Nordrhein-Westfalen),Mirella Libera (Niedersachsen),Anne Potthoff (Nordrhein-Westfalen),Britt Sattler (Nordrhein-Westfalen),Tonia Schulte (Nordrhein-Westfa-len), Antje Schulzki (Hamburg), Clemens Uhlig (Hessen), Marike Zen-ke (Hessen).

STAATLICHE ARCHIVE

BUNDESARCHIVEingestelltSachbearbeiter Simon Heßdörfer (1.12.2007).

VersetztArchivinspektor Norbert Grotelüschen vom Bundesarchiv zur Bundes-beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe-maligen Deutschen Demokratischen Republik, Außenstelle Gera(14.2.2008) – Archivamtfrau Andrea Martens vom Bundesarchiv zumBeauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (15.1.2008)– Regierungsoberinspektor Michael Schlegel vom Bundesarchiv zurBundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Postund Eisenbahnen (1.2.2008).

In den Ruhestand getretenBibliotheksamtfrau Karin Nguyen Thanh (29.2.2008).

GEHEIMES STAATSARCHIVPREUSSISCHER KULTURBESITZIn den Ruhestand getretenArchivdirektor Dr. Stefan Hartmann (29.2.2008).

BADEN-WÜRTTEMBERG

ErnanntOberamtsrätin Martina Heine beim Landesarchiv Baden-Württemberg,Abteilung Staatsarchiv Wertheim, zur Archivrätin (26.2.2008) – Archiv-rätin Dr. Regina Keyler beim Landesarchiv Baden-Württemberg, Ab-teilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zur Oberarchivrätin (15.2.2008).

In den Ruhestand getretenAmtsrätin Christine Bührlen-Grabinger beim Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart (31.1.2008).

BAYERN

ErnanntLeitender Archivdirektor Dr. Gerhard Hetzer zum Direktor des Bayeri-schen Hauptstaatsarchivs (1.2.2008) – Archivoberrat Dr. ChristianKruse beim Staatsarchiv München zum Archivdirektor (1.4.2008) – Ar-chivrätin Dr. Elisabeth Weinberger M.A. beim Bayerischen Hauptstaats-archiv zur Archivoberrätin (1.2.2008).

VersetztArchivrat Dr. Joachim Kemper M.A. vom Bayerischen Hauptstaatsar-chiv an die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (1.2.2008)

PERSONALNACHRICHTENZusammengestellt vom

VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V.Zusammengestellt vom

VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V.

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PERSONALNACHRICHTEN

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SCHLESWIG-HOLSTEIN

ErnanntAmtsrat Robert Knull beim Landesarchiv Schleswig-Holstein zumOberamtsrat (15.12.2007) – Archivoberinspektor z. A. Sven Schoenbeim Landesarchiv Schleswig-Holstein zum Archivoberinspektor(1.2.2008) – Verwaltungsoberinspektor Harald Spier beimLandesarchiv Schleswig-Holstein zum Verwaltungsamtmann(15.12.2007).

SonstigesLeitender Archivdirektor PD Dr. Rainer Hering beim LandesarchivSchleswig-Holstein ist von der Präsidentin der Universität Hamburgdie akademische Bezeichnung Professor verliehen worden(17.12.2007).

THÜRINGEN

VerstorbenTechnischer Mitarbeiter Bernd Stolper vom ThüringischenStaatsarchiv Meiningen, Archivdepot Suhl, im Alter von 56 Jahren(19.1.2008).

KOMMUNALE ARCHIVE

Landschaftsverband Westfalen-Lippe - Archivamt fürWestfalenArchivleiter Leitender Landesarchivdirektor Prof. Dr. NorbertReimann ist in den Ruhestand getreten (29.2.2008). Sein Nachfolgerist Dr. Marcus Stumpf (1.3.2008).

Kreisarchiv Zwickauer LandKristin Birnstein wurde als Auszubildende zur Fachangestellten fürMedien- und Informationsdienste, Fachrichtung Archiv, eingestellt(1.9.2007).

Stadtarchiv HammDipl.-Archivarin (FH) Ute Knopp wurde zur Leiterin des Stadtarchivsernannt (19.12.2007).

Stadtarchiv KornwestheimStadtarchivar Marco Nimsch ist im Alter von 59 Jahren verstorben(6.1.2008).

Stadtarchiv Mülheim an der RuhrDr. Kai Rawe wurde zum Leiter des Stadtarchivs ernannt (1.1.2008).

Stadtarchiv NürnbergArchivoberinspektor Kurt Reichmacher wurde zum Archivamtmannernannt (1.3.2008).

NIEDERSACHSEN

ErnanntRegierungsoberinspektor Marc-André Behrens beim Niedersächsi-schen Landesarchiv, Zentrale Archivverwaltung, zum Regierungsamt-mann (14.12.2007) – Archivrätin Dr. Christina Deggim beim Nieder-sächsischen Landesarchiv, Staatsarchiv Stade, zur Archivoberrätin(20.12.2007) – Archivrätin Dr. Claudia Kauertz beim NiedersächsischenLandesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, zur Archivoberrätin(14.12.2007) – Archivoberinspektorin Hildegard Krösche beim Nieder-sächsischen Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, zur Archiv-amtfrau (14.12.2007) – Archivrat Dr. Sven Mahmens beim Niedersäch-sischen Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, zum Archivober-rat (14.12.2007) – Archivrätin Dr. Regina Rößner beim Niedersächsi-schen Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, zur Archivoberrätin(14.12.2007).

In den Ruhestand getretenArchivoberrat Dr. Michael Reimann beim Niedersächsischen Landes-archiv, Staatsarchiv Oldenburg (31.1.2008).

VerstorbenArchivdirektorin a. D. Dr. Brigitte Poschmann vom NiedersächsischenLandesarchiv, Staatsarchiv Bückeburg, im Alter von 75 Jahren(12.2.2008).

NORDRHEIN-WESTFALEN

ErnanntWiss. Archivbeschäftigter Dr. Christoph Schmidt beim LandesarchivNordrhein-Westfalen, Grundsatzfragen und Öffentlichkeitsarbeit, zumStaatsarchivrat z. A. (1.1.2008).

VersetztOberstaatsarchivrat Dr. Marcus Stumpf vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Technisches Zentrum, zum Landschaftsverband Westfa-len-Lippe, Archivamt für Westfalen (1.3.2008).

SACHSEN

ErnanntArchivrat Dr. Peter Hoheisel beim Sächsischen Staatsarchiv, AbteilungBergarchiv Freiberg, zum Archivoberrat (21.12.2007) – Regierungsin-spektorin Andrea Neubert beim Sächsischen Staatsarchiv, AbteilungZentrale Aufgaben, zur Regierungsoberinspektorin (20.12.2007).

In den Ruhestand getretenArchivamtsrätin Christa Wolf beim Sächsischen Staatsarchiv,AbteilungHauptstaatsarchiv Dresden (31.1.2008).

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PERSONALNACHRICHTEN

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ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

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GEBURTSTAGE

80 Jahre

Archivdirektor a. D. Prof. Dr. Gerhard Schmid,Weimar (20.7.2008) – Ar-chivreferent a. D. Prof. Dr. Gerhard Schreckenbach, Potsdam (19.9.2008)– Herbert Stöwer, Lemgo (5.7.2008).

75 Jahre

Dr. Alois Vogel, Düsseldorf (23.9.2008) – Staatsarchivdirektor a. D. Dr.Manfred Wolf, Münster (6.7.2008).

70 Jahre

Archivdirektorin i. R. Prof. Dr. Klara van Eyll, Köln (28.9.2008) – Dr.Ulla Jablonowski, Dessau (15.7.2008) – Barbara Treu-Oertel, Neu-Ulm(29.7.2008).

65 Jahre

Archivarin Helga Grütter M.A., Frankfurt/Main (27.7.2008) –Verwal-tungsoberamtsrat Anton Jocher, Garmisch-Partenkirchen (27.9.2008)– Oberamtsrat Frank-Roland Klaube, Kassel (13.8.2008) – Dr.ThomasLange, Darmstadt (23.7.2008) – Archivdirektor Dr. Joachim Lauchs,München (18.9.2008) – Leitender Landesarchivdirektor a. D. Prof. Dr.Norbert Reimann, Münster (24.9.2008).

60 Jahre

Stadtarchivar Dr. Emil Erne, Bern (20.9.2008) – Archivleiter ManfredGill,Wolfen (25.9.2008) – Stadtarchivdirektor Dr. Hans-Joachim Hacker,Stralsund (8.8.2008) – Städtischer Archivdirektor Dr. Hans-GeorgKraume, Duisburg (21.8.2008) – Drs. Duco van Krugten, Isselburg-An-holt (17.9.2008) – Angestellte Karen Krukowski, Berlin (20.9.2008) – Lei-tender Staatsarchivdirektor Dr. Wolf-Rüdiger Schleidgen, Düsseldorf(7.9.2008) – Archivleiterin Birgit Schnabel, Berlin (6.7.2008) – Staatsar-chivrätin Ursula Schnorbus, Münster (24.9.2008) – Dr. Rita Seidel, Han-nover (8.7.2008).

Stadtarchiv UlmStadtarchivdirektor Dr. Michael Wettengel wurde zum LeitendenStadtarchivdirektor (20.12.2007) und von der Universität Tübingenzum Honorarprofessor ernannt (12.2.2008).

KIRCHLICHE ARCHIVE

Evangelische KircheLandeskirchliches Archiv BerlinKerstin Göring wurde für das Projektmanagement zur Einführung vonCMS im Archiv sowie zur Erstellung einer integrierten Internetseite fürArchiv, Historischen Verein und Projekte der kirchlichen Zeitgeschich-te befristet eingestellt (1.2.2008 - 31.12.2008).

Landeskirchliches Archiv HannoverManuela Nordmeyer-Fiege hat nach Beendigung der Elternzeit ihreTätigkeit wieder aufgenommen (5.7.2007).

Katholische KircheDiözesanarchiv RottenburgAngela Erbacher wurde zur Bischöflichen Archivoberrätin ernannt undhat die Archivleitung übernommen (1.2.2008).

WIRTSCHAFTSARCHIVE

Konzernarchiv der Daimler AGDr. Harry Niemann M.A. ist als Leiter ausgeschieden (31.3.2008).

ARCHIVE DER PARLAMENTE, POLTISCHENPARTEIEN, STIFTUNGEN UND VERBÄNDE

Archiv für Christlich-Demokratische PolitikLeiterin des Referates für Publikationen Dr. Brigitte Kaff ist in dieFreistellungsphase der Altersteilzeit eingetreten (1.11.2007). IhrNachfolger ist Dr. Wolfgang Tischner (1.9.2007).

EHRUNGEN

Vortragender Legationsrat I. Klasse Dr. Ludwig Biewer vomPolitischen Archiv des Auswärtigen Amtes wurde für Verdienste zumWohle Estlands und des estnischen Volkes mit demMarienlandkreuz ausgezeichnet (6.2.2008).

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KURZINFORMATIONEN UND VERSCHIEDENES

ADRESSÄNDERUNGENDas Archiv des Germanischen Nationalmuseums ist seit1. Oktober 2007 in zwei selbständige Organisationseinheitenaufgeteilt:

1. Historisches Archiv mit Deutschem Glockenarchiv unter derLeitung von ADir. Dr. Irmtraud Frfr. von Andrian-Werburg,Tel. 0911-1331-251, E-Mail: [email protected]

2. Deutsches Kunstarchiv (früher Archiv für Bildende Kunst)unter der Leitung von Dr. Birgit Jooss,Tel. 0911-1331-178, E-Mail: [email protected].

Das gemeinsame Sekretariat ist unter derTelefonnummer 0911-1331-250 zu erreichen.Die Öffnungszeiten sind unverändert:Dienstag bis Freitag 9.00 bis 16.00 Uhr.

Archive stehen vor einem Paradigmenwechsel. Digitalisierung,elektronische Medien, Webtechnologien erzwingen neue Archi-vierungsstrategien. Gleichzeitig gilt es, historische Bestände vordem Verfall zu bewahren und zu erhalten. Ferner fordert dergesellschaftliche Anspruch des „Lebenslangen Lernens“ vonArchiven ebenso Bildungskonzepte für historisch Interessierte wiearchivpädagogische Maßnahmen für Schüler/innen.Archive müssen sich in der Öffentlichkeit präsentieren und die„Schätze des Archivs“ sowie ihre spezifischen Kernaufgaben nachaußen hin sichtbar machen. Als probates Mittel bieten sich hierzum Beispiel Ausstellungen an, die aktuelle historische Themenaufgreifen. Das vielfältige Aufgabenspektrum von Projektarbeit,Bewertung, Erschließung und Bestandserhaltung wiederumverlangt eine effektive Pressearbeit und Kommunikation mitinternen und externen Partnern sowie Instrumente öffentlich-keitswirksamer Vermittlung.Das Weiterbildungszentrum der Freien Universität Berlin und derFachbereich Informationswissenschaften sowie die ZentraleEinrichtung Weiterbildung der Fachhochschule Potsdam bietenein modularisiertes Weiterbildungsprogramm mit Zertifikat fürMitarbeiter/-innen aus Archiven und verwandten Einrichtungenan. Es wurde von Prof. Dr. Susanne Freund entwickelt.Das Programm soll die Bestandserhaltung, den Umgang mitdigitalisierten Dokumenten und die Öffentlichkeitsarbeit mitein-ander vernetzen und Kenntnisse vermitteln, die Archivar/innen in

der Praxis effektiv umsetzen können. Ziel ist es, Archive alsEinrichtungen der Geschichts- und Erinnerungskultur im digita-len Zeitalter zu manifestieren und im gesellschaftlichen Bewusst-sein zu verankern.Das Programm besteht aus neun zweitägigen Seminaren, geglie-dert in die drei Gruppen Bestandserhaltung, Digitale Langzeitar-chivierung und Öffentlichkeitsarbeit mit jeweils drei Seminaren.Es beginnt am 7./8.5.2008 und endet am 20./21.4.2009.Zum Dozententeam gehören als Hochschullehrer/innen der FHPotsdam Prof. Dr. Susanne Freund, Prof. Dr. Rudolf Däßler, Prof.Dr. Günther Neher, Prof. Dr. Angela Schreyer sowie Dr. MarioGlauert, Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam, Wolf-ram Lippert, Verena Nägel, Visual History Archive, FU Berlin, Dr.Ulrike Gutzmann, Historische Kommunikation, VW AG, Wolfs-burg, Brigitta Hafiz, archivgut Potsdam, Nicola Lepp und Dr.Daniel Tyradellis, Praxis für Ausstellungen und Theorie, Berlinsowie Dr. Ilona Schäkel, Letternleuchten Text, PR Berlin.Das ausführliche Programm finden Sie auf der Homepage desFU-Weiterbildungszentrums unter www.fu-berlin.de/weiterbil-dung unter „Weiterbildungsprogramme, Bibliotheken & Archive“sowie auf der Homepage der FH Potsdam unter www.fh-pots-dam.de/. Die Programmbroschüre kann im Weiterbildungszen-trum tel. (030-8385 1458) oder per E-Mail ([email protected]) angefordert werden.

Rolf Busch, Berlin

ARCHIVE IM INFORMATIONSZEITALTER

Wissen erhalten, sichern und vermitteln für die Zukunft. Neues Weiterbildungsprogramm mit Zertifikat

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Nachdem der Nachlass des Romanisten, Germanisten undKunstmalers Traugott Fuchs (1906-1997) an der Bogazicy Univer-sity in Istanbul geordnet, aber noch nicht verzeichnet vorlag,erlag man der Versuchung mit einer Ausstellung und einemKatalog an die Öffentlichkeit zu treten. Vielleicht hat auch dereine oder andere Sponsor auf eine ergebnisorientierte Anwen-dung gedrängt. Das ist für Archivare keine neue Erfahrung.Schließlich plante man neben der Ausstellung in der RectorateConference Hall auch noch einen Workshop zu Traugott Fuchssowie über Literatur, Kunst und Philosophie im türkischen Exilunter besonderer Berücksichtigung von komparativen Elementen.Zu Traugott Fuchs gab es verschiedene Ausstellungen zu seinemkünstlerischen Werk in Deutschland wie auch in der Türkei. Zumersten Mal wird aber diesmal eine Ausstellung unter dem Titel„Bonds of Exile“ (Gefesselt im Exil) in 15 Sachkomplexen (pa-nels) gezeigt, die seinem Leben und gesamten Schaffen gewidmetist. Das Material bezieht sich überwiegend auf die Überlieferungim Nachlass Traugott Fuchs1, der 1934 seinem akademischenLehrer Leo Spitzer nach Istanbul gefolgt war, und auf wenige,aber sehr aussagekräftige Dokumente und Abbildungen aus den

Archiven in Berlin, Heidelberg und Köln, seinen Studienortenneben Marburg. So betrachtet ist es richtig, wenn Prof. Dr. Sühey-la Artemel (Istanbul) von einer „Archivausstellung“ spricht.Allerdings sind auch erstmalig zahlreiche Zeichnungen vonFuchs zu sehen und einige davon im Katalog abgebildet.Die Ausstellung ist nach einem vorausgegangenen Plan von SuzanKalayci und Gerald Wiemers innerhalb von 14 Tagen zusammen-gestellt worden und begleitete den gut besuchten Workshop am17. und 18. Dezember 2007 in Istanbul. Der reich bebilderteKatalog lag rechtzeitig in Englisch, Türkisch und Deutsch vor. Diekleine Auflage dürfte bald vergriffen sein.Nach Istanbul wird die Ausstellung auch in Corum (Anatolien),der Internierungsstadt von Fuchs während der Kriegsjahre1944/45, zu sehen sein. Später könnte sie in den bereits genanntendeutschen Universitätsstädten gezeigt werden, die dankenswerter-weise über ihre Archive wichtiges Material geliefert haben.

Gerald Wiemers, Leipzig

1 Eigentümer: Nachlassgemeinschaft unter Leitung von Dr. HermannFuchs, Heidelberg

dungen und Belastungen bei Tätigkeiten im Archiv, wie Aushebenund Reponieren im Magazin, Betreuung des Benutzersaals undDekontamination von Archivgut übersichtlich und anwenderori-entiert aufgeführt sowie mögliche Schutzmaßnahmen zu derenVermeidung bzw. Verminderung im Rahmen von Checklistenzusammengestellt.Die praxisorientierte Handlungshilfe richtet sich an alle an derVerbesserung der Sicherheit und der Gesundheit in der täglichenPraxis im Archiv beteiligten Verantwortlichen und Arbeitsschutz-experten und wurde im Dezember 2007 an alle in den Zuständig-keitsbereich des Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsver-bandes fallenden kommunalen Archive versandt. Bei Bedarfkönnen weitere Einzelexemplare über den Druckschriftenversandder Unfallkasse NRW, Regionaldirektion Düsseldorf, Tel. 0211-2808-220 oder -221, bestellt werden.

Ansprechpartner:Andreas Krieger, Tel.: [email protected] Kultureinrichtungen

Die Verwahrung, Erhaltung, Erschließung und Nutzbarmachungvon Archivgut sind die Kernaufgaben der Beschäftigten in denArchiven. Hierbei sind sie verschiedensten Gefährdungen undBelastungen vom gerne mit Archiven in Verbindung gebrachtenStaub über Schimmelpilze bis hin zu Quetschgefahren an ver-fahrbaren Regalanlagen ausgesetzt.Erster wichtiger Schritt zur Gewährleistung und wenn nötig zurVerbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes derBeschäftigten in den Archiven ist die Durchführung einer Gefähr-dungsbeurteilung. Diese besteht aus einer systematischen Fest-stellung und Bewertung von relevanten Gefährdungen undBelastungen im Archiv sowie der Ableitung geeigneter Arbeits-schutzmaßnahmen.Als praxisnahe Hilfe zur Durchführung der Gefährdungsbeurtei-lung in den kommunalen Archiven wurde im Dezember 2007vom früheren Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverbandals zuständigem Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand(seit 01.01.2008 Unfallkasse Nordrhein-Westfalen) eine neueHandlungshilfe zur Beurteilung von Gefährdungen und Bela-stungen in Archiven herausgegeben. Hierin sind typische Gefähr-

TRAUGOTT-FUCHS-AUSSTELLUNG IN ISTANBUL

BEURTEILUNG VON GEFÄHRDUNGEN UND BELASTUNGEN IN ARCHIVEN

Neue Handlungshilfe

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ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 02 Mai 2008

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Herausgeber: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Graf-Adolf-Str. 67, 40210 Düsseldorf,VdA - Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V., Wörthstr. 3, 36037 Fulda.

Redaktion: Martina Wiech in Verbindung mit Barbara Hoen, Robert Kretzschmar,Wilfried Reininghaus, Ulrich Soénius und Klaus Wisotzky.

Mitarbeiter: Meinolf Woste, Petra DaubISSN 0003-9500Kontakt: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Graf-Adolf-Str. 67, 40210 Düsseldorf,

Tel. 0211/159238–800 (Redaktion), –202 (Martina Wiech), –802 (Meinolf Woste),–803 (Petra Daub), Fax 0211 /159238-888, E-Mail: [email protected]

Druck und Vertrieb: Franz Schmitt, Kaiserstraße 99-101, 53721 Siegburg, Tel. 02241/62925, Fax 02241/53891,E-Mail: [email protected], Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kto. 7058-500.

Gestaltung: ENGEL UND NORDEN, Wuppertal, Mitarbeit: Ruth Michels, www.engelundnorden.deBestellungen undAnzeigenverwaltung beim Verlag F. Schmitt (Preisliste 20, gültig ab 1. Janauar 2006)Zuständig für Anzeigen: Sabine Schmitt im Verlag F. Schmitt

Die Verlagsrechte liegen beim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Amtliche Bekanntmachungen sowie Manuskrip-te, Mitteilungen und Besprechungsexemplare bitten wir an die Redaktion zu senden, Mitteilungen für die Personal-nachrichten und zu Veranstaltungen dagegen an die Geschäftsstelle des VdA. Zum Abdruck angenommene Arbei-ten gehen in das unbeschränkte Verfügungsrecht des Herausgebers über. Dies schließt auch die Veröffentlichung imInternet ein. Die Beiträge geben die Meinungen ihrer Verfasser, nicht die der Redaktion wieder.Der „Archivar“ erscheint viermal jährlich. Der Bezugspreis beträgt für das Einzelheft einschl. Porto und Versand 8,-EUR im Inland, 9,- EUR im Ausland, für das Jahresabonnement im Inland einschl. Porto und Versand 32,- EUR, imAusland 36,- EUR.

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