der archivar - heft 2 / mai 2002

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109 Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2 55. Jahrgang · Mai 2002 · Heft 2 INHALT Zugänglichkeit verbessern: Das DFG-Projekt „Ent- wicklung von Werkzeugen zur Retrokonversion archivischer Findmittel“. Von Mechthild Black- Veldtrup, Matthias Meusch und Stefan Przigoda . 111 Technisches Konzept für die Datenarchivierung im Bundesarchiv. Von Ulf Rathje ............................................. 117 Neue Verzeichnungsmethoden im Stadtarchiv Nürn- berg Voice-Computing bei der Erfassung von Archivgut. Von Michael Diefenbacher .......................... 121 Reformprozess und Vergangenheitsbewältigung Betrachtungen zur russischen/sowjetischen Archiv- geschichte. Von Hermann Schreyer ................................. 123 Quellen zur Geschichte der deutschen Amerika-Aus- wanderung. Von Kornelia Panek ...................................... 129 Archivtheorie und -praxis Archive und Bestände: Verabschiedung des Leiters des Haupt- staatsarchivs Düsseldorf Prof. Dr. Ottfried Dascher (M. Meusch): 133. Archivierung, Bewertung und Erschließung: Archivierung von Internetseiten / Spiegelungsprojekt im Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) (R. Schmitz): 135. Benutzung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung: Engel ohne Ende – Ende der Engel? Neue Ausstellung im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz (G. Stüber): 136. Aus- und Fortbildung, berufsständische Angelegenheiten: Fort- bildungskonzept für Archive in Schleswig-Holstein (J. Briel): 137. Fachverbände, Ausschüsse, Tagungen: 28. Sitzung des EDV- Ausschusses der Archivreferentenkonferenz in Saarbrücken (I. Stahlberg): 138. – „Die Erschließung historischer Quellen als zentrale Aufgabe der Archive.“ Tagung in Schloss Augustusburg in Brühl (M. Wiech): 139. – Studienkonferenz „Unterschätzt und fast vergessen? Zur Geschichte kleinerer und mittlerer Unternehmen im Rheinland“ der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln, der Tho- mas Morus Akademie, Bensberg, und des Wirtschaftshisto- rischen Vereins zu Köln (C. Hillen): 141. – Treffen des Arbeitskreises nordrhein-westfälischer Papierrestauratoren in Detmold (M. Frankenstein): 142. Auslandsberichterstattung Internationales: 7. Internationale Konferenz der Archive aus den Staaten Mittel- und Osteuropas (Colloquia Jerzy Skowronek dedicata) (T. Kluttig): 144. – Deutsch-polnisches Fachseminar einer Gruppe von Archivaren, Museologen, Bibliothekaren und Heimatpflegern in Görlitz / Zgorzelec (E. Wolf): 146. Polen: Die Polen betreffenden Archivalien im Bundesarchiv- Militärarchiv Freiburg (J. Gaul): 146. USA: You don't have to go to Washington DC to visit the National Archives (R. Thoms): 148. Literaturbericht Aachen – die westlichen Rheinlande und die Revolution 1848/49. Hrsg. von G. Müller und J. Herres (D. Wynands): 151. – Archiv und Geschichte. Festschrift für Friedrich P. Kahlenberg. Hrsg. von K. Oldenhage, H. Schreyer und W. Werner (E. G. Franz): 151. – Die Bestände des Staats- archivs Sigmaringen. Bd. 2: Südwürttemberg Wü- und R- Bestände 1806–1996 (W. Kramer): 153. – Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften. Hrsg. vonA.Schildt, D. Siegfried, K. C. Lammers (J.Paul): 154. – A. Eckhardt, Wildeshausen. Geschichte der Stadt von den Anfängen bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert. Mit Beiträgen von G. Wegner, H.-K. Junk, P. Heinken und W. Schultze (M. R. W. Garzmann): 154. – „Denn dieser Ort war durchaus konservativ oder konstitutionell gesinnt.“ Iserlohn in der Revolution 1848/49. Eine Spurensuche. Red.: G. Bettge; Iserlohn in der Revolution 1848/49. Darstellun- gen und Quellen. Red.: G. B e t t g e (J. Herres): 155. – Gemein- debeschreibungen und Ortschroniken in ihrer Bedeutung für die Landeskunde. Hrsg. von E. Reinhard (W. Kramer): 156. – G. Geurts, Karren, Kessel und Granaten. Geschichte der Metallindustrie in Bergisch Gladbach (J. Paul): 156. – Handakten Heinrich Billstein. Bearb. von E. Kleinertz (C. Hillen): 156. – B. Kammann, Carl Klinkhammer. Ruhr- kaplan, Sanitätssoldat und Bunkerpastor 1903 –1997 (E. Steinhauer): 157. – T. Kock, Die Buchkultur der Devotio moderna. Handschriftenproduktion, Literaturversorgung und Bibliotheksaufbau im Zeitalter des Medienwechsels (M. Costard): 157. – Köln im Nationalsozialismus. Ein Kurz- führer durch das EL-DE-Haus. Hrsg. vom NS-Dokumenta- tionszentrum der Stadt Köln (J. Paul): 158. – J. Lengemann, Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850 (M. Schumacher): 158. – Mémoire et histoire: Les Etats européens face aux droits des citoyens du XXIe siècle. Actes de la Table Ronde, Bucarest 25–26 septembre 1998. Publiés par G. Ermisse (H.-C. Herrmann): 159. – M. Meusch, Von der Diktatur zur Demokratie. Fritz Bauer und die Aufarbei- tung der NS-Verbrechen in Hessen (W. Mühlhausen): 160. – H. Niemann, Gottlieb Daimler. Fabriken, Banken und Motoren (E. Kroker): 160. – A. Pehnke, „Ich gehöre in die Partei des Kindes!“ Der Chemnitzer Sozial- und Reform- pädagoge Fritz Müller (1887–1968): In Diktaturen ausge- grenzt – in Demokratien vergessen und wiederentdeckt (K. Rýdl): 160. – Politische Musik in der Zeit des Nationalsozia- lismus. Ein Verzeichnis der Tondokumente (1933–1945) (B. Bernard): 161. – Quellen zur Geschichte der Kölner Laien- bruderschaften vom 12. Jahrhundert bis 1562/63. Bearb. von K. Militzer. Bd. 4: Nachträge; K. Militzer, Laienbruder-

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Page 1: Der Archivar - Heft 2 / Mai 2002

109Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

55. Jahrgang · Mai 2002 · Heft 2

INHALT

Zugänglichkeit verbessern: Das DFG-Projekt „Ent-wicklung von Werkzeugen zur Retrokonversionarchivischer Findmittel“. Von Mechthild Black-Veldtrup, Matthias Meusch und Stefan Przigoda . 111Technisches Konzept für die Datenarchivierung imBundesarchiv. Von Ulf Rathje ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117Neue Verzeichnungsmethoden im Stadtarchiv Nürn-berg – Voice-Computing bei der Erfassung vonArchivgut. Von Michael Diefenbacher ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121Reformprozess und Vergangenheitsbewältigung –Betrachtungen zur russischen/sowjetischen Archiv-geschichte. Von Hermann Schreyer ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123Quellen zur Geschichte der deutschen Amerika-Aus-wanderung. Von Kornelia Panek ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Archivtheorie und -praxis

Archive und Bestände: Verabschiedung des Leiters des Haupt-staatsarchivs Düsseldorf Prof. Dr. Ottfried Dascher(M. Meusch): 133.

Archivierung, Bewertung und Erschließung: Archivierung vonInternetseiten / Spiegelungsprojekt im Archiv der sozialenDemokratie (AdsD) (R. Schmitz): 135.

Benutzung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung: Engel ohneEnde – Ende der Engel? Neue Ausstellung im Zentralarchivder Evangelischen Kirche der Pfalz (G. Stüber): 136.

Aus- und Fortbildung, berufsständische Angelegenheiten: Fort-bildungskonzept für Archive in Schleswig-Holstein(J. Briel): 137.

Fachverbände, Ausschüsse, Tagungen: 28. Sitzung des EDV-Ausschusses der Archivreferentenkonferenz in Saarbrücken(I. Stahlberg): 138. – „Die Erschließung historischer Quellenals zentrale Aufgabe der Archive.“ Tagung in SchlossAugustusburg in Brühl (M. Wiech): 139. – Studienkonferenz„Unterschätzt und fast vergessen? Zur Geschichte kleinererund mittlerer Unternehmen im Rheinland“ der StiftungRheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln, der Tho-mas Morus Akademie, Bensberg, und des Wirtschaftshisto-rischen Vereins zu Köln (C. Hillen): 141. – Treffen desArbeitskreises nordrhein-westfälischer Papierrestauratorenin Detmold (M. Frankenstein): 142.

Auslandsberichterstattung

Internationales: 7. Internationale Konferenz der Archive ausden Staaten Mittel- und Osteuropas (Colloquia JerzySkowronek dedicata) (T. Kluttig): 144. – Deutsch-polnischesFachseminar einer Gruppe von Archivaren, Museologen,Bibliothekaren und Heimatpflegern in Görlitz / Zgorzelec(E. Wolf): 146.

Polen: Die Polen betreffenden Archivalien im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg (J. Gaul): 146.USA: You don't have to go to Washington DC to visit theNational Archives (R. Thoms): 148.

LiteraturberichtAachen – die westlichen Rheinlande und die Revolution1848/49. Hrsg. von G. Müller und J. Herres (D. Wynands):151. – Archiv und Geschichte. Festschrift für FriedrichP. Kahlenberg. Hrsg. von K. Oldenhage, H. Schreyerund W. Werner (E. G. Franz): 151. – Die Bestände des Staats-archivs Sigmaringen. Bd. 2: Südwürttemberg Wü- und R-Bestände 1806–1996 (W. Kramer): 153. – Dynamische Zeiten.Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften. Hrsg.von A. Schildt, D. Siegfried, K. C. Lammers (J. Paul):154. – A. Eckhardt, Wildeshausen. Geschichte der Stadtvon den Anfängen bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert.Mit Beiträgen von G. Wegner, H.-K. Junk, P. Heinkenund W. Schultze (M. R. W. Garzmann): 154. – „Denn dieserOrt war durchaus konservativ oder konstitutionell gesinnt.“Iserlohn in der Revolution 1848/49. Eine Spurensuche. Red.:G. Bettge; Iserlohn in der Revolution 1848/49. Darstellun-gen und Quellen. Red.: G. Bettge (J. Herres): 155. – Gemein-debeschreibungen und Ortschroniken in ihrer Bedeutungfür die Landeskunde. Hrsg. von E. Reinhard (W. Kramer):156. – G. Geurts, Karren, Kessel und Granaten. Geschichteder Metallindustrie in Bergisch Gladbach (J. Paul): 156. –Handakten Heinrich Billstein. Bearb. von E. Kleinertz(C. Hillen): 156. – B. Kammann, Carl Klinkhammer. Ruhr-kaplan, Sanitätssoldat und Bunkerpastor 1903–1997(E. Steinhauer): 157. – T. Kock, Die Buchkultur der Devotiomoderna. Handschriftenproduktion, Literaturversorgungund Bibliotheksaufbau im Zeitalter des Medienwechsels(M. Costard): 157. – Köln im Nationalsozialismus. Ein Kurz-führer durch das EL-DE-Haus. Hrsg. vom NS-Dokumenta-tionszentrum der Stadt Köln (J. Paul): 158. – J. Lengemann,Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von1850 (M. Schumacher): 158. – Mémoire et histoire: Les Etatseuropéens face aux droits des citoyens du XXIe siècle. Actesde la Table Ronde, Bucarest 25–26 septembre 1998. Publiéspar G. Ermisse (H.-C. Herrmann): 159. – M. Meusch, Vonder Diktatur zur Demokratie. Fritz Bauer und die Aufarbei-tung der NS-Verbrechen in Hessen (W. Mühlhausen): 160. –H. Niemann, Gottlieb Daimler. Fabriken, Banken undMotoren (E. Kroker): 160. – A. Pehnke, „Ich gehöre in diePartei des Kindes!“ Der Chemnitzer Sozial- und Reform-pädagoge Fritz Müller (1887–1968): In Diktaturen ausge-grenzt – in Demokratien vergessen und wiederentdeckt (K.Rýdl): 160. – Politische Musik in der Zeit des Nationalsozia-lismus. Ein Verzeichnis der Tondokumente (1933–1945) (B.Bernard): 161. – Quellen zur Geschichte der Kölner Laien-bruderschaften vom 12. Jahrhundert bis 1562/63. Bearb. vonK. Militzer. Bd. 4: Nachträge; K. Militzer, Laienbruder-

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DER ARCHIVAR. Mitteilungsblatt für das deutsche Archivwesen

Herausgegeben vom Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv, Zweigarchiv Schloss Kalkum, Oberdorfstr. 10, 40489 Düsseldorf. Schriftleitung: PeterDohms in Verbindung mit Peter Klefisch, Renate Köhne-Lindenlaub, Wolf-Rüdiger Schleidgen, Volker Wahl und Klaus Wisotzky. Verantwortlich: PeterDohms, Mitarbeiterin: Anette Gebauer-Berlinghof, Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv, Zweigarchiv Schloß Kalkum, 40489 Düsseldorf,Tel. 02 11/9 40 75-0 (Zweigarchiv Schloss Kalkum), -24 (Peter Dohms), -19 (Anette Gebauer-Berlinghof), -23 (Petra Daub), Fax 02 11 /9 40 75-99, E-mail:[email protected]. Druck und Vertrieb: Franz Schmitt, Kaiserstraße 99–101, 53721 Siegburg, Tel. 0 22 41/6 29 25, Fax 0 22 41/5 38 91, E-mail:[email protected], Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kto. 7058-500. Die Verlagsrechte liegen beim Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv Düssel-dorf. Amtliche Bekanntmachungen sowie Manuskripte, Mitteilungen und Besprechungsexemplare bitten wir an die Schriftleitung zu senden. ZumAbdruck angenommene Arbeiten gehen in das unbeschränkte Verfügungsrecht des Herausgebers über. Dies schließt auch die Veröffentlichung im Internetein (http://www.archive.nrw.de/archivar). Die Beiträge geben die Meinungen ihrer Verfasser, nicht die der Schriftleitung wieder. Bestellungen und Anzei-genverwaltung (Preisliste 17, gültig ab 1. Januar 2002) beim Verlag F. Schmitt, Kaiserstraße 99–101, 53721 Siegburg, Tel. 0 22 41/6 29 25, Fax 0 22 41/5 38 91,E-mail: [email protected], Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kto. 7058-500. Zuständig für den Anzeigenteil: Sabine Prediger im Verlag F. Schmitt. –„Der Archivar“ erscheint viermal jährlich. Die Beihefte werden in zwangloser Reihenfolge herausgegeben. Der Bezugspreis beträgt für das Einzelheft einschl.Porto und Versand 8,– EUR im Inland, 9,– EUR im Ausland, für das Jahresabonnement im Inland einschl. Porto und Versand 32,– EUR, im Ausland 36,– EUR.ISSN 0003-9500

schaften in Köln in Spätmittelalter und Früher Neuzeit(U. Helbach): 161. – J. Radkau, Natur und Macht. Eine Welt-geschichte der Umwelt (J. Paul): 162. – Risk Management ofDigital Information: A File Format Investigation. By G. W.Lawrence, W. R. Kehoe, O. Y. Rieger, W. H. Walters,A. R. Kenney (M. Wettengel): 162. – Rosenheim 2000. EineStadt im 20. Jahrhundert (M. Stephan): 164. – K. H.Schmidt, „...eine weit verstreute Siedlung“ – Chronik Tang-stedterheide / Glashütte bis 1936 (S. Zeis): 164. – M. Schnei-der, Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwick-lung in Deutschland von den Anfängen bis heute (M. Ruck):164. – Schwesternbuch und Statuten des St. Agnes-Konventsin Emmerich. Hrsg. von A. Bollmann und N. Staubach(M. Costard): 165. – V. Stalmann, Die Partei Bismarcks. DieDeutsche Reichs- und Freikonservative Partei 1866–1890(C. Becker-Schaum): 166. – Vatican Archives. An inventoryand guide to historical documents of the Holy See. Bearb.von F. X. Blouin Jr., L. A. Coombs, E. Yakel, C. Carlen,K. J. Gill (R. Haas): 166. – Visitation und Send im Archidia-konat Bonn. Die Protokolle des Bonner Offizials aus den Jah-ren 1683 bis 1697. Bearb. von T. P. Becker, C. Beckers-Dohlen, A. Kaffarnik (P. T. Lang): 167. – S. Voß, Parla-mentarische Menschenrechtspolitik. Die Behandlung inter-nationaler Menschenrechtsfragen im Deutschen Bundestagunter besonderer Berücksichtigung des Unterausschussesfür Menschenrechte und humanitäre Hilfe (1972–1998)(C. Becker-Schaum): 168. – M. Wiech, Das Amt des Abtes imKonflikt. Studien zu den Auseinandersetzungen um Äbtefrüh- und hochmittelalterlicher Klöster unter besondererBerücksichtigung des Bodenseegebiets (M. M. Rückert): 168.– 10 Jahre Archiv für alternatives Schrifttum (afas). 30 Jahre

Druck von unten. Hrsg. von J. Bacia. Reader zur Ausstel-lung (T. Becker): 169.Sonstige Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

PersonalnachrichtenZusammengestellt von Anette Gebauer-Berling-hof ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Kurzinformationen, VerschiedenesAdressen, Ruf- und Faxnummern: 175. – Die Kohl-Entschei-dung des Bundesverwaltungsgerichts und ihre Folgen(J. Beleites): 175. – Jugendliche erforschten Tiere in unsererGeschichte (C. Stork): 177. – Veranstaltungstermine: 178.

Gesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvor-schriften für das staatliche Archivwesen und zurArchivpflege in der Bundesrepublik DeutschlandGesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvor-schriften für das staatliche Archivwesen und zurArchivpflege in der Bundesrepublik DeutschlandZusammengestellt mit Unterstützung der Landesar-chivverwaltungen von Peter Dohms und AnetteGebauer-Berlinghof ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Mitteilungen des Verbandes deutscher Archivarin-nen und Archivare e. V.Aktuelle Informationen (R. Kretzschmar): 190.

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111Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

Zugänglichkeit verbessern:Das DFG-Projekt „Entwicklung von Werkzeugen zur Retrokonversion archivischerFindmittel“Von Mechthild Black-Veldtrup, Matthias Meusch und Stefan Przigoda

Findbücher als Problem? Eigentlich ist mit der Bereitstel-lung eines neuen Findbuchs zunächst einmal ein Problemgelöst: Findbücher werden traditionell in Papierformgebunden und so Benutzern zur Verfügung gestellt. EinBestand ist damit erschlossen, der Zugang zu den Find-mitteln, den archivischen Metadaten über Archivalien, ist– in den Räumen des Archivs – gewährleistet, die Archiva-lien sind bestellbar. Der gelegentlich betriebene Aufwandfür eine Drucklegung und Verbreitung in Buchform führtzu einem Mehr an Publizität, noch mehr die bisher eherzurückhaltend erfolgte Einstellung einzelner Findbücherins Internet.1

Können und müssen Archivare mehr tun? Können undmüssen sie die Benutzer besser bedienen? Können sie dieZugänglichkeit von Findbüchern entscheidend verbes-sern? Benutzer sind es inzwischen gewohnt, online nachBüchern und Aufsätzen zu recherchieren. Auch dieArchive haben sich seit Jahren darauf eingestellt, dengeänderten Anforderungen der Benutzer an bessereZugänglichkeit von Archivgut Rechnung zu tragen. VieleBeständeübersichten sind bereits im Netz, und es ist nurkonsequent, wenn ein wichtiges Ziel archivarischer Arbeitim Zeitalter der Informationstechnologie lautet, in einemzweiten Schritt die Findbücher nicht nur im eigenen Lese-saal, sondern im Internet verfügbar zu machen, sie sowohlbestandsbezogen als auch bestands- und archivübergrei-fend recherchierbar zu machen.2 Dieses Ziel wird im Übri-gen auch von außen an den Berufsstand herangetragen:Sigrun Eckelmann, Programmdirektorin bei der Deut-schen Forschungsgemeinschaft, hat kürzlich gefordert,„so rasch wie möglich die Findbücher im Netz zu präsen-tieren“.3 Im anglo-amerikanischen Bereich sind mithilfedes Präsentationsformats EAD (Encoded Archival De-scription) bereits beachtliche Erfolge zu verzeichnen: Dieeinheitliche Kodierung von Findbüchern und ihre Präsen-tation im Internet führt zu bestands- und archivübergrei-fenden Recherchemöglichkeiten für Benutzer.4

1 Einen Überblick über im Netz verfügbare Findbücher deutscher Archivebietet die Website der Archivschule Marburg: http://www.uni-mar-burg.de/archivschule/fv61.html.

2 Nach Einschätzung von Hartmut Weber sind mittelfristig 10% aller freibenutzbaren Findbücher im Netz, s. Hartmut Weber, Digitale Reperto-rien, virtueller Lesesaal und Praktikum im WWW – neue Dienstleis-tungsangebote der Archive an die Forschung, unter: http://web-doc.sub.gwdg.de/edoc/p/fundus/2–00/weber.pdf, S. 16.

3 Sigrun Eckelmann, Die Archivförderung der DFG – Schwerpunkteund Perspektiven, in: Online-Findbücher, Suchmaschinen und Portale.Beiträge des 6. Archivwissenschaftlichen Kolloquiums der ArchivschuleMarburg, hg. von Angelika Menne-Haritz, Marburg 2001 (Veröffentli-chungen der Archivschule Marburg, Nr. 35), S. 173–181, hier S. 177.

4 Zu den Möglichkeiten und Grenzen beim Einsatz von EAD in deutschenArchiven s. die Beiträge von Anne van Camp, Kris Kiesling, Cathé-rine Dhérent und Bernhard Grau in: Online-Findbücher, Suchmaschi-nen und Portale (wie Anm. 2); die Beiträge von Daniel Pitti, SeamusRoss, Anne van Camp und Mechthild Black-Veldtrup, in: Archivevor der Globalisierung? Beiträge zum Symposion des Nordrhein-West-fälischen Hauptstaatsarchivs in Verbindung mit den AllgemeinenReichsarchiven in Brüssel (Belgien) und Den Haag (Niederlande) vom11. bis 13. September 2000 in Düsseldorf, hg. von Mechthild Black-Veldtrup, Ottfried Dascher und Axel Koppetsch, Düsseldorf 2001

Die Diskrepanz zwischen Ziel und Wirklichkeit hierzu-lande hat technische Gründe: Die Mehrzahl der bereitsexistierenden Findbücher liegt nicht im Datenbankformatvor – und von einer archivischen Datenbank aus ist esinzwischen sehr einfach, Online-Findbücher zu generie-ren –,5 sondern vielmehr als Textdatei, maschinenschrift-lich oder handschriftlich. Hier setzt das DFG-Projekt „Ent-wicklung von Werkzeugen zur Retrokonversion archivi-scher Findmittel“ an. Retrokonversion, ein Begriff aus demBibliotheksbereich, heißt retrospektive Digitalisierung.Die Bibliotheken haben mit ihren Zettelkatalogen im Prin-zip ein vergleichbares Problem, das sie jedoch bereits seitden 80er Jahren in der Regel mit Abschreiben, gelegentlichmit der Methode des „Imaging“ lösen.6 Das hier vorge-stellte DFG-Projekt7 setzt für die Textdateien und diemaschinenschriftlichen Findbücher jedoch auf eine hierfürzu entwickelnde bzw. zu adaptierende Software-Lösung.Findbücher sind aufgebaut wie freie Formulare, die auchaußerhalb der Archivwelt von Software-Tools ausgelesenwerden: eine Layoutanalyse und ein Verfahren, das sich anSchlüsselwörtern orientiert, erlauben eine Strukturierungder Findbuchseite und der einzelnen Verzeichnungsein-heit mit ihren Einzelelementen. Maschinenschriftlich vor-liegende Findbücher werden in diesem Ablauf gescanntund mit OCR verarbeitet. Für handschriftlich vorliegendeFindbücher ist noch keine technisch überzeugendeLösung in Sicht: Es wird jedoch ein detailliertes Konzeptfür die Beantragung eines Folgeprojekts erarbeitet, in des-sen Rahmen Kosten-/ Aufwands-Analysen für konventio-nelle Lösungen wie das Abschreiben und das Imaging-Verfahren im Vergleich erstellt werden sollen, um sowenigstens erste Lösungswege aufzeigen zu können.Auch die neuesten Entwicklungen im Bereich der Muster-erkennung von Handschriften (OCR/ICR) sollen hierBerücksichtigung finden.

Das skizzierte Problem stellt sich für alle Archive in ver-gleichbarer Weise. Das DFG-Projekt zielt deshalb auf einenmöglichst breiten Konsens unter den Archivsparten undist, unter Federführung des NRW Hauptstaatsarchivs in

sowie den Band: Sigrun Eckelmann, Hans-Dieter Kreikamp, Ange-lika Menne-Haritz und Wilfried Reininghaus, Neue Medien imArchiv: Online-Zugang und elektronische Aufzeichnungen. Berichtüber eine Studienreise nach Nordamerika, 10.-21. Mai 1999, Marburg2000 (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Nr. 32). Im Rahmen desDFG-Projekts „Internet-Präsentation von Online-Findbüchern unterBerücksichtigung des EAD-Systems“ bereitet das Bundesarchiv die Prä-sentation von EAD-Findbüchern im Internet vor und prüft die Möglich-keiten für einen europäischen Verbund.

5 MIDOSA-Online, Augias, Faust, Scope sowie das nordrhein-westfäli-sche Verwaltungs-, Erschließungs- und Recherchesystem für Archive(V.E.R.A.) und das hessische System HADIS 2000 bieten Internetschnitt-stellen an.

6 Zahlreiche Aufsätze zu diesem Thema unter http://bibliotheks-dienst.zlb.de/; s. z. B. Armin Angelus, Christine Eichhorn-Berndt,Heiner Schnelling, Digitalisierung des Realkataloges (Hartwig-Kata-log) der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt und seineVisualisierung im Internet, in: Bibliotheksdienst, Heft 3, 2000. S. auch dasDFG-Projekt „Codices Electronici Ecclesiae Coloniensis (CEEC)“ unterhttp://www.ceec.uni-koeln.de/.

7 Das Projekt läuft seit dem 1. Mai 2001 und ist auf zwei Jahre angelegt.Siehe http://www.archive.nrw.de/dok/retrokonversion01.

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Düsseldorf, als Kooperationsprojekt zwischen dem Bun-desarchiv, den nordrhein-westfälischen Staatsarchivenund Kommunalarchiven, vertreten durch die beidenArchivämter im Rheinland und in Westfalen, sowie demWestfälischen Wirtschaftsarchiv in Dortmund angelegt.Diese Konstellation zwingt jedoch noch zu einem weiterenArbeitsschritt, nämlich der Definition eines Zielformats:Wohin mit den retrokonvertierten Daten? Sie sollen in dieunterschiedlichen archivischen Datenbanken importiertund im Internet präsentiert werden. Dies erfordert einAustauschformat für Findbuchdaten, das im Rahmen desProjekts definiert werden soll, es erfordert darüber hinausaber auch die Kooperation der Software-Firmen, die ent-sprechende Importschnittstellen programmieren müssen.

An dieser Stelle soll aber auch auf die Grenzen des Pro-jekts hingewiesen werden: Die beteiligten Archive habensich der DFG gegenüber verpflichtet, die im Rahmen desProjekts zu konvertierenden rund 400 Findbücher nachProjektende ins Internet zu stellen – im Projekt selbst wirdalso kein Präsentationsstandard erarbeitet, sondern eswerden nur die Voraussetzungen für eine beliebige Inter-netpräsentation geschaffen.8 Im Folgenden sollen nunZiele, Ablauf und bisherige Ergebnisse des Projekts darge-stellt werden. Der nächste Abschnitt befasst sich mit derzu entwickelnden Software, der darauffolgende mit demZiel- bzw. Austauschformat.

Das Retrokonversionstool

Im Mittelpunkt des Projekts steht die Entwicklung undErprobung einer Software, die es ermöglichen soll,maschinenschriftlich und in Form von Textdateien vorlie-gende archivische Findmittel weit gehend automatisiert ineine Datenbank-Umgebung zu konvertieren. Die fach-lichen Anforderungen an solch ein Werkzeug wurden ineinem detaillierten Fachkonzept fixiert.9 Im Zentrum desRetrokonversionsprozesses steht dabei die Aufgabe, dieeinzelnen Erschließungsinformationen einer Titelauf-nahme (Signatur, Laufzeit, Titel, etc.) als solche zu erken-nen und separat in das Ziel- und Austauschformat auszu-lesen. Die Schwierigkeit liegt hier in der Tatsache, dassFindmittel in unterschiedlichen Formaten vorliegen, inSpalten-, Tabellen- und Fließtext-Layouts oder auch alsKarteikarten. Im Fall der Textdateien reicht die Spannevon der durchgängigen Verwendung von Formatvorlagenbis hin zu gänzlich „wilden“ Formatierungen mithilfe von„Blanks“ und Tabulatoren. Auch der Aufbau der Titelauf-nahmen selbst ist von ganz unterschiedlicher Struktur undvariiert von Findmittel zu Findmittel. Aufgrund der feh-lenden Standardisierung im Bereich archivischer Erschlie-ßung muss die zu entwickelnde Software also flexibel undadaptierbar sein.

Die Software wird in den nächsten Monaten von derFirma CCS Compact Computer Systeme GmbH in Ham-burg entwickelt werden. Es handelt sich dabei weniger umeine völlige Neuprogrammierung, als vielmehr um eine

8 Erste Planungen für einen Ausbau des Internet-Portals „Archive NRWim Internet“ auf die Findbuchebene liegen vor. Mit der Realisierung ist2003/2004 zu rechnen.

9 Als PDF-Datei einsehbar unter http://www.archive.nrw.de/dok/retro-konversion01.

Anpassung einer bereits seit Jahren auf dem Markt befind-lichen, erfolgreichen und sehr leistungsfähigen Layout-analyse mit dem Namen docWorks, die mittlerweile in derVersion 5.0 vorliegt.10 Wie sieht nun der Arbeitsablauf(Workflow) bei einem Retrokonversionsvorgang mithilfedes zu entwickelnden Tools aus (s. auch Abb. 1)?

In Maschinenschrift vorliegende Findmittel werdenzunächst eingescannt. In der Regel reichen hier S/W-Scansmit einer Auflösung von 300 dpi aus.11 Die nun als TIFF-Dateien vorliegenden Findbuchseiten werden in das Toolimportiert und einer Layoutanalyse auf der Basis indivi-duell definierter Regeln unterworfen. Die Ergebnisse wer-den wiederum mit einem hinterlegten Regelwerk vergli-chen, kategorisiert und einer Texterkennung durch einehandelsübliche OCR-Software (Finereader 5.0 Pro derFirma ABBYY) unterzogen. Es folgt ein Korrekturgang, indem die Ergebnisse der Layoutanalyse und der OCR aufErkennungsfehler untersucht und gegebenenfalls manuellkorrigiert werden müssen. Die einzelnen Erschließungsin-formationen einer Titelaufnahme werden dann struktu-riert in eine auf der DTD (Document Type Definition) desAustauschformats beruhende XML-Instanz12 eingelesen.Bereits als Textdatei vorliegende Findmittel (z. B. imWORD-Format) werden über einen analysierenden Win-dows-Druckertreiber in ein internes Format überführt,bevor auch hier mittels der beschriebenen regelbasiertenLayoutanalyse die einzelnen Erschließungsinformationenextrahiert werden können.

Um die erforderliche Flexibilität des Tools zu gewähr-leisten, muss diese Layoutanalyse durch den Bearbeiterauf das jeweils vorliegende Findmittel parametrisiert wer-den können. Vor Beginn eines Retrokonversionsvorgangsmuss das Tool an das jeweilige Findbuch angepasst wer-den, indem eine Mustervorlage definiert wird. Diesgeschieht in zwei Schritten. Zunächst müssen auf einerFindbuchseite (oder auf einer Karteikarte) die einzelnenErkennungsbereiche festgelegt und diese dann in einemzweiten Schritt den passenden Rubriken des Austausch-formats, das in einer Baumstruktur dargestellt wird, zuge-ordnet werden. Die Software soll also beispielsweise nacheiner solchen Parametrisierung automatisch erkennenkönnen, dass es sich bei einem bestimmten Bereich aufeiner Findbuchseite um eine Signatur oder den Enthält-Vermerk einer Titelaufnahme handelt, und die Inhalte die-ser Bereiche den entsprechenden Rubriken des Austausch-formats zuordnen. Bei der Signatur kann dies über dieStellung – in vielen Fällen links abgesetzt neben dem Titel– erfolgen, im Fall des Enthält-Vermerks über vorher fest-gelegte Schlüsselwörter wie „Enthält“, „Enthält u .a.“ oder„Intus“. Eine Laufzeit ist eventuell sowohl über ihre Stel-lung (meist am rechten Rand) als auch über ihre spezi-fische Struktur (z.B. in der Form eines regulären Aus-drucks wie „[vier Ziffern] – [vier Ziffern]“) erkennbar.

Die Layoutanalyse besteht aus einem Regelapparat, derin einer SQL-serverbasierten Datenbank abgelegt ist. DieRegeln basieren auf einer weit verbreiteten Skript-Sprache

10 Siehe http://www.ccs-gmbh.de.11 In schwierigeren Fällen, z. B. bei stark vergilbtem Papier, wird man auf

Graustufen-Scans zurückgreifen müssen. Dabei muss aber beachtet wer-den, dass nicht nur die Dateien (jede Findbuchseite stellt eine Datei dar)sehr viel größer ausfallen, sondern auch die Verarbeitungszeiten sowohlbeim Scannen selbst als auch später bei der Layout- und Texterkennungdeutlich länger werden.

12 Zu XML (Extensible Markup Language) und der im Rahmen des Pro-jekts zu entwickelnden DTD s. den folgenden Abschnitt.

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113Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

namens TCL in der Version 8.3. Für die Parametrisierung,d. h. die Adaptierung der Layoutanalyse an ein Findbuch,werden jedoch keine umfassenden IT-Kenntnisse oderProgrammier-Fähigkeiten erforderlich sein. Da docWorkseine auf Windows-Standards beruhende Benutzeroberflä-che aufweist, soll die Layoutanalyse menügesteuert oderüber „drag&drop“ geschehen. Die so eingegebenenBefehle werden dann automatisch in TCL-Regeln umge-setzt, ohne dass der Bearbeiter in den Programmcode ein-greifen muss.

Eine einmal definierte Vorlage kann abgespeichert undfür weitere Retrokonversionsprozesse herangezogen wer-den. Je mehr Muster vorhanden sind, desto weniger Neu-definitionen sollen nötig sein. Das Tool soll dem Anwen-der die am ehesten passende Vorlage präsentieren, welchedieser dann mit einfachen Mitteln anpassen kann. DieseMustervorlagen orientieren sich natürlich nicht nur amreinen Layout, sondern auch an der im Findmittelbeschriebenen Archivgutart. Es gibt also getrennte Musterfür Sachakten, Urkunden und Karten. Zum jetzigen Zeit-punkt finden außerdem Fallakten (sog. Massenakten), Pla-kate, Fotos und Filme Berücksichtigung.

Wurde das Tool einmal anhand der ersten Seiten einesFindbuchs parametrisiert, kann der Retrokonversionspro-zess im Idealfall für den Rest des Findmittels automatischablaufen. Diesen Idealfall stellt ein Findbuch mit einemdurchgängig uniformen Aufbau und Seitenlayout dar,

ohne Unregelmäßigkeiten irgendeiner Art, zum Beispielin Form von nachträglich eingefügten Ergänzungen. Dieswird jedoch in den meisten Archiven die Ausnahme sein.In der Regel wird man von einem halbautomatischenModus ausgehen müssen, der dort, wo die Software aufeine Unregelmäßigkeit trifft – wie zum Beispiel einenhandschriftlichen Nachtrag –, stoppt und ein manuellesEingreifen des Bearbeiters erfordert. Für besondersschwierige Vorlagen ist ein manueller Modus vorgesehen,bei dem jede Verzeichnungseinheit einzeln konvertiertwird. Dies scheint aufwändig, wird aber im Endeffektimmer noch ökonomischer sein, als das Findmittelabschreiben zu lassen. Um dies jedoch nachzuprüfen, sollim Rahmen des im Projekt vorgesehenen Echtbetriebsanhand der Konvertierung von etwa 400 Findmitteln dergenaue zeitliche und personelle Aufwand festgestellt undqdokumentiert werden.

Die am Ende des Retrokonversionsvorgangs vorlie-gende XML-Instanz kann über eine geeignete Import-schnittstelle in eine Archivdatenbank (im Falle der nord-rhein-westfälischen Staatsarchive wird dies beispielsweisedas neue Archivverwaltungssystem V.E.R.A. sein)13 über-

13 S. zu V.E.R.A.: Frank M. Bischoff, Das Projekt V.E.R.A. in Nordrhein-Westfalen – Nutzung der Internettechnologie für die Erschließung undarchivübergreifende Verwaltung der Bestände, in: Online-Findbücher(wie Anm. 3), S. 135–152 sowie http://www.archive.nrw.de/dok/vera/.

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114 Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

führt werden. Diese Importschnittstelle muss von denDatenbankanbietern bereitgestellt werden, weshalb schonjetzt Kontakt mit den einschlägigen Firmen aufgenommenwurde. Nicht mehr Teil des Projekts selbst, aber eines derHauptanliegen, ist die Präsentation dieser retrokonver-tierten Findmittel im Internet. Zum einen können XML-Instanzen problemlos mithilfe so genannter Stylesheetsauf Grundlage des XML-Co-Standards XSL (ExtensibleStylesheet Language) online zugänglich gemacht werden.Alternativ kann die Überführung in das Internet auch auseiner Datenbank erfolgen.

Soweit der eigentliche Workflow, was den Hauptteileines Findmittels, die Titelaufnahme, angeht. Es solljedoch das gesamte Findmittel mit allen seinen Bestandtei-len konvertiert werden. Dazu gehören das Titelblatt, dieEinleitung, evt. mit Fußnoten und Literaturhinweisenoder auch mit Grafiken wie zum Beispiel Organisations-schemata, das Inhaltsverzeichnis, die Klassifikation, Indi-zes und Konkordanzen. Vor allem die Klassifikation kannbei der Konversion der Titelaufnahmen unterstützendherangezogen werden, ist es doch unerlässlich, auch diehierarchischen Ebenen innerhalb des Bestandes (z. B. auchbei Bandserien) in der XML-Instanz abzubilden. Indizeswerden wohl nicht in ihrer vollen Funktionalität übertra-gen werden können. Stellen signaturbezogene Indizeswegen ihrer 1:1–Beziehung kein Problem dar, bedarf eszur Abbildung seitenbezogener Indizes, denen in den mei-sten Fällen eine 1:n-Beziehung aneignet, erheblichermanueller Nachbearbeitung. Inwieweit dies im Rahmendes Konversionsprozesses geschehen soll oder ob manden Index nach Überführung in eine Datenbank besserneu erstellt, muss dem jeweiligen Bearbeiter überlassenbleiben. Das Ziel- und Austauschformat, auf das nun imfolgenden Abschnitt näher eingegangen werden soll,ermöglicht jedenfalls die Abbildung beliebig vieler signa-tur- wie auch seitenbezogener und auch mehrfach gestaf-felter Indizes.

Das Austauschformat

Die Konzeption als Kooperationsprojekt mehrererArchive mit verschiedenen Archivdatenbanken setzt dieVerständigung auf eine gemeinsame Datenstruktur alsZiel- und Austauschformat (im Folgenden nur „Aus-tauschformat“ genannt) voraus, von dem die aus denFindbüchern gewonnenen Metadaten in die verschiede-nen Datenbanksysteme der beteiligten Archive importiertwerden können. Mit anderen Worten: Es gilt, ein einheitli-ches Datenstrukturmodell zu entwickeln, das die einzel-nen Bestandteile archivischer Erschließungsinformatio-nen beschreibt und Anordnung und Abfolge sowie diejeweils mögliche Häufigkeit dieser Elemente festlegt.14

Als grundlegende Anforderungen an solch ein Aus-tauschformat wurden bei Projektbeginn formuliert:15

14 Zu den verschiedenen Standard-Typen vgl. auch Kris Kiesling, TheAmerican Archival Community – Why we need EAD, in: Online-Find-bücher (wie Anm. 3), hier S. 30ff.

15 S. die Projektbeschreibungen von Mechthild Black-Veldtrup, DasDFG-Projekt „Entwicklung von Werkzeugen zur Retrokonversion archi-vischer Findmittel“, in: Online-Findbücher (wie Anm. 3); Frank M.Bischoff, Das Projekt Retrokonversion von Findbüchern, in: Archivevor der Globalisierung? (wie Anm. 4), S. 148ff.

• Hierarchische und relationale Zusammenhänge inarchivischen Findmitteln bzw. zwischen Beständen,Archivalien und Erschließungsinformationen zu Archi-valien müssen adäquat und ohne Informationsverlusteabgebildet werden können.

• Es ist ein möglichst flaches, standardisiertes und nicht-proprietäres Dateiformat zu wählen (ASCII/ANSI).

• Die Informationsstrukturierung sollte mithilfe von sogenannten Tags – wie sie u. a. aus HTML bekannt sind –erfolgen. Bestehende archivische Standards (z. B.ISAD(G), EAD) sind zu berücksichtigen; zugleich isteine größtmögliche Offenheit für künftige technischeund archivfachliche Entwicklungen zu realisieren.Damit bot sich XML als plattformunabhängiger und

inzwischen weit verbreiteter Standard beinahe zwangs-läufig für die Definition des Austauschformates an. Er hatsich „inzwischen in geisteswissenschaftlichen oder biblio-thekarisch-archivarischen Projekten zur fast alternativlo-sen Selbstverständlichkeit entwickelt“.16 Der große Vor-zug von XML liegt in der konsequenten Trennung vonStruktur, Inhalt und Layout. Aufgrund der Definitionen ineiner DTD werden die Daten in einer als „Instanz“bezeichneten XML-Datei strukturiert abgelegt. Die Festle-gung von Regeln für die Datenausgabe erfolgt davonunabhängig mittels XSL (s. auch Abb. 1). Zudem bietetXML die Möglichkeit der hierarchischen Verschachtelungvon (Daten-) Elementen und deren Spezifizierung mittelsso genannter Attribute und kommt somit archivischenErfordernissen entgegen.17

Ausgangspunkt der Überlegungen war zunächst dieErarbeitung eines Zielformates für die retrokonvertiertenFindbuchdaten, dessen späterer Ausbau zu einem allge-meinen Austauschformat möglich sein sollte. Wieerwähnt, geht es im Rahmen des Projektes zunächst umden archivübergreifenden Datenaustausch und nicht umdie Präsentation von Findbuchdaten im Internet. Dies hatnatürlich Konsequenzen für Struktur und Umfang desAustauschformates. Für eine Online-Präsentation kämeman mit einem vergleichsweise geringen Differenzie-rungsgrad und damit mit einer relativ begrenzten Zahlvon Datenfeldern aus. Ein Zielformat für den Import retro-konvertierter Findbuchdaten in beliebige Archivdaten-banken und zumal ein Format für den archivübergreifen-den Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Daten-banksystemen erfordern hingegen eine größere Differen-zierung und damit ein Mehr an Elementen und Komplexi-tät.

16 Patrick Sahle, „Sinnsuche in der Badewanne“. Tagungsbericht: Stan-dards und Methoden der Volltextdigitalisierung: Trier, 8. und 9. Oktober2001, unter: http://computerphilologie.uni-muenchen.de/jg02/sahle.html. S. ferner Angelika Menne-Haritz, Die Herstellung interna-tionaler Kompatibilität archivischer Erschließungsangaben mit XML-Austauschformaten, in: Der Zugang zu Verwaltungsinformationen –Transparenz als archivische Dienstleistung. Beiträge des 5. Archivwis-senschaftlichen Kolloquiums der Archivschule Marburg, hg. von NilsBrübach, Marburg 2000 (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg,Nr. 33), S. 129–146.

17 Zu XML s. vor allem unter: http://www.w3.org/XML/. Eine umfas-sende Einführung bietet u. a. Elliotte Rusty Harold, Die XML-Bibel,Bonn 2000.

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115Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

In einer archivischen Datenbank liegen die Erschlie-ßungsinformationen in der Regel sehr differenziert vor. Sokann man hier z. B. die einzelnen Rubriken der Formalbe-schreibung einer Urkunde (Sprache, Beschreibstoff, Erhal-tungszustand usw.) in getrennten Feldern erfassen. Ineinem analogen Findbuch werden diese Einzelinformatio-nen hingegen oft als ein zusammenhängender Textblockwiedergegeben, der von dem Retrokonversionstool zwarals solcher erkannt, aber in den meisten Fällen schwerlichweiter untergliedert werden kann. Vor diesem Hinter-grund erschien eine strikte Trennung zwischen einem rei-nen Ziel- und einem allgemeinen Austauschformat wenigsinnvoll. Die derzeitige DTD ermöglicht deshalb sowohldas Einlesen der gesamten Formalbeschreibung als einenInformationsblock als auch eine weiter gehende Struktu-rierung nach einzelnen Rubriken. Um eine größtmöglicheFlexibilität zu erreichen, wurde eine Konzeption gewählt,die lediglich unverzichtbar erscheinende Kernstrukturenund -elemente verbindlich festlegt, darüber hinaus abervielfältige Differenzierungen und Spezifizierungenerlaubt. In diesem Sinn ist die Zahl der für die einzelnenBestandteile eines Findbuches bzw. einer Verzeichnungs-einheit obligatorisch festgelegten Elemente vergleichs-weise klein gegenüber der Menge der zusätzlich optionalwählbaren Elemente und Attributierungen.

Als Ergebnis der projektinternen Diskussion lagAnfang Februar ein erster Prototyp des Austauschforma-tes vor, auf den sich das Folgende bezieht. Ein grundlegen-des Konstruktionsprinzip dieser DTD ist die Zusammen-fassung sachlich zusammengehörender Elemente in soge-nannten Containern. So sind dem Containerelement„Urkunden“ alle Einzelelemente für die archivischeBeschreibung einer Urkunde, wie „Signatur“, „Regest“,„Formalbeschreibung“, untergeordnet. Dabei wurde zu-gunsten der Benutzerfreundlichkeit bei der Definition derHierarchien und der Benennung der Elemente insofernpragmatisch verfahren, als strukturelle Klarheit, Verständ-lichkeit und nicht zuletzt Funktionalität der jeweiligenElemente im Vordergrund standen.

Um Redundanzen und ein Ausufern des Austauschfor-mates zu vermeiden, wurde generell versucht, Elementeso zu definieren und zusammenzufassen, dass sie auf ver-schiedenen Ebenen und in verschiedenen Kontexten ver-wandt werden können. Hierfür waren allerdings einegewisse Starrheit im Aufbau und die eine oder anderearchivterminologische Unschärfe in Kauf zu nehmen. Sosind die Reichskammergerichtsakten als Justizakten

gewertet und die für die Verzeichnung gängigen Datenfel-der der Archivgutart „Fallakten“ zugeordnet worden.Auch wird man vergeblich nach einem eigenen Elementfür Urkundendatierungen suchen. Als funktionales Äqui-valent steht hierfür vielmehr im Container „Laufzeit“ dasElement „LZ–Text“ – das im Unterschied zu „LZ–Anfang“und „LZ–Ende“ für alphanumerische Laufzeitangabenvorgesehen ist – inklusive mehrerer Attribute zur näherenBestimmung der Datierung zur Verfügung. Für weitere,nicht in dieses Raster passende Informationen sind, wiebeinahe überall, ein Reserve- und ein Bemerkungsfeld ver-fügbar.

<Laufzeit Dat_Art="Erschlossen"><LZ_Text> 1320 Januar 02</LZ_Text>

</Laufzeit>

Abb. 3: Beispiel für die Abbildung einer Urkundendatierung ineiner XML-Instanz

Wie spiegeln sich nun die in archivischen Findmittelnenthaltenen Informationen mit ihren Hierarchien undRelationen konkret wider? Eine umfassende und detail-lierte Darstellung würde hier den Rahmen sprengen. Viel-mehr muss sich das Folgende darauf beschränken, einigegrundlegende Strukturmerkmale kurz anzudeuten. Aus-gangspunkt – oder in der XML-Terminologie: Wurzelele-ment – ist das jeweilige Findmittel. Auf der ersten Ebenefinden sich dann mehrere Container für detaillierte Infor-mationen zu der jeweiligen XML-Instanz (Element „Datei-info“) und den einzelnen Bestandteilen eines Findbuches.Angaben zur Instanz und zum Findmittel sowie das Ele-ment „Klassifikation“ sind verbindlich vorgeschrieben.Optional können natürlich auch Indizes und Konkordan-zen im Anhang sowie Bemerkungen aufgenommen wer-den.

Die hierarchisch gestufte Abbildung der eigentlichenErschließungsinformationen erfolgt im Container „Klassi-fikation“. Neben den Angaben zur betreffenden Klassifi-kationsstufe können im Container „Erschließungsteil“ diearchivgutartenspezifischen Elementesets zur Beschrei-

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116 Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

bung der einzelnen Verzeichnungseinheiten ausgewähltwerden. Sofern benötigt, kann mit dem Element „Klass-Stufe–02“, das genauso wie „Klassifikation“ aufgebaut ist,die nächsttiefere Hierarchieebene erreicht werden. Aufdiese Weise ist die Unterscheidung von bis zu zehn Klassi-fikationsstufen möglich. Die Abbildung hierarchischerBandserien, einzelner Vorgänge innerhalb einer Akte undmehrstufiger Indizes erfolgt nach dem gleichen Schema.Ein Bemerkungs- und ein Reservefeld bieten Raum fürzusätzliche Informationen.

Ein näheres Eingehen auf archivgutartenspezifischeDatenstrukturen und Elemente auf Ebene der einzelnenVerzeichnungseinheit muss der weiteren Diskussion desAustauschformates vorbehalten bleiben. Abschließendsollen aber zumindest einige Erweiterungsmöglichkeitennoch kurz angerissen werden. Da es im Rahmen des Pro-jektes um die Digitalisierung einzelner Findmittel geht,setzt das Austauschformat naturgemäß auf dieser Ebenean. Die derzeitige Findmittel-DTD kann jedoch problem-los in eine später zu definierende Bestände-DTD integriertund damit die Abbildung archivischer Beständeübersich-ten ermöglicht werden. Ebenso gut ist ein Verweis aufAbbildungen einzelner Archivalien denkbar. Des Weite-ren sind Kompatibilität und Offenheit gegenüber beste-

henden Standards und künftigen Entwicklungen zuerwähnen, die oben als zentrale Anforderungen an dasAustauschformat genannt wurden. Demgemäss sieht dervorliegende Entwurf entsprechende Schnittstellen zuanderen archivischen Datenmodellen – zu nennen sindvornehmlich EAD und die für MIDOSA entwickelte DTD– vor.18

Ausblick

Die Software zur Retrokonversion archivischer Findmittelbefindet sich zur Zeit in der Entwicklung. Im Frühjahrwird ein erster Prototyp vorliegen, der dann in einer sechs-monatigen sogenannten Prototypingphase in enger

18 An dieser Stelle ist der Archivschule Marburg und PD Dr. AngelikaMenne-Haritz sowie den Landesarchivverwaltungen für die bereit-willige Überlassung von Informationen herzlich zu danken. Die Koope-ration mit dem zur Zeit im Bundesarchiv laufenden DFG-Projekt „Inter-net-Präsentation von Online-Findbüchern unter Berücksichtigung desEAD-Systems“ ist nicht zuletzt durch die Beteiligung des Bundesarchivsam Retrokonversionsprojekt gewährleistet.

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117Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

Zusammenarbeit zwischen den Projektmitarbeitern imHauptstaatsarchiv Düsseldorf und im Staatsarchiv Müns-ter und den Technikern des Softwarehauses weiterentwi-ckelt wird. Das Endprodukt soll im Herbst vorliegen. Mitdiesem Tool werden dann in einer bis Projektende andau-ernden Echtbetriebsphase etwa 400 Findmittel konvertiertund der dabei entstehende Kosten- und Personalaufwandermittelt und dokumentiert. Die Ergebnisse werdensowohl in einem Abschlussbericht festgehalten als auchim Rahmen eines Workshops im Hauptstaatsarchiv Düs-seldorf präsentiert werden.

In den kommenden Wochen wird der vorliegende Pro-totyp der Findmittel-DTD nach Abschluss der projektin-ternen Beratungen zunächst in einer Alphaversion einerbreiteren Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht, um soals Voraussetzung für eine möglichst große Akzeptanzeine hoffentlich intensive und archivübergreifende Dis-kussion anzustoßen. Mittelfristig wird die Empfehlungdes Austauschformates als Quasi-Standard durch dieArbeitsgruppe EDV der Archivreferentenkonferenz wieauch durch die Bundeskonferenz der Kommunalarchivebeim Deutschen Städtetag angestrebt.

Das Projekt soll ein Problem möglichst vieler Archivelösen. Deshalb wird nicht nur für das Ziel- und Austausch-format eine weite Verbreitung angestrebt, sondern auchdas Softwaretool wird nachnutzbar sein, d. h. dass, abge-sehen von Lizenzgebühren, für öffentliche Archive keineKosten entstehen.19 Nach Ende des Projekts, also ab Früh-jahr/Sommer 2003, kann die Software anderen interessier-ten Archiveinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.Für den Bereich Nordrhein-Westfalen ist für die Zeit nachProjektende in den Staatsarchiven und den beiden Archiv-ämtern darüber hinaus die Einrichtung von Retrokonver-sionszentren geplant, die die Retrokonversion für andereArchive in ihrem Sprengel mit übernehmen. Dies könntePilotcharakter auch über Nordrhein-Westfalen hinaushaben.

19 Die Nutzung der Software kann sowohl servergestützt als auch auf Ein-zelplatzrechnern erfolgen. Als Minimalvoraussetzungen für die einzu-setzende Hardware werden von CCS ein PC-Pentium III-Prozessor mit800 MHz und 256 MB RAM genannt, als Betriebssystem wird WindowsNT 4.0 bzw. Windows 2000 empfohlen.

Technisches Konzept für die Datenarchivierung im BundesarchivVon Ulf Rathje

1. Einleitung

„Elektronische Medien sind nicht archivierbar“ resümiertClifford Stoll, amerikanischer Astronom und Spezialistfür Datenschutz und Computersicherheit, 1996 in seinemBuch „Die Wüste Internet. Geisterfahrten auf der Daten-autobahn“.1 Stoll verweist auf die Daten, die 1979 von derRaumsonde „Pioneer“ vom Saturn übertragen und bei derNASA2 auf Magnetbänder archiviert wurden. Obwohl dieDaten auf vier verschiedenen Datenträgern gespeichertwaren (9-Spur-Magnetband, 7–Spur-Magnetband, Loch-streifen und Lochkarte), sollen sie 1994 nicht mehr lesbargewesen sein, da bei der NASA für keinen dieser vierDatenträger mehr Lesegeräte vorhanden waren.

Bereits 1985 sind erste Datenverluste bei der NASA ein-getreten: bei den Magnetbändern mit den Daten derRaumsonde „Viking“ aus dem Jahr 1976.3 Mitte der 1990erJahre waren mehr als 1,2 Millionen Magnetbänder mitDaten aus 30 Jahren Raumfahrt nicht mehr benutzbar4,teilweise wegen mangelnder Zuordnung zu den jeweili-

1 Clifford Stoll: Die Wüste Internet. Geisterfahrten auf der Datenauto-bahn. Frankfurt am Main 1996, S. 263.

2 NASA = National Aeronautics and Space Administration (Weltraumbe-hörde der USA).

3 Hilmar Schmundt: Im Dschungel der Formate. In: Der Spiegel 26/2000.URL: http://www.spiegel.de/druckversion/0,1588,82510,00.html.

4 Hilmar Schmundt (wie Anm. 3) und Patrick Bock: No Future. In: DieWoche, 1996.

gen Weltraummissionen und Projekten. Vom sogenannten„NASA-Effekt“ wird gesprochen – die Bänder waren nichtoder nur notdürftig beschriftet.5 Die meisten Daten derUS-Volkszählung von 1960, die beim US Bureau of theCensus auf Magnetband gespeichert waren, konnten nachder Umstellung auf ein neues Speicherformat gerade nochgerettet werden.6 Die gesamten Datenverluste sind ineinem Bericht an das amerikanische Repräsentantenhausaus dem Jahr 1990 aufgelistet.7

Offensichtlich sind diese Datenverluste nicht etwa auftechnische, sondern auf organisatorische Defizite zurück-zuführen. Das Problem war nicht die mangelnde Haltbar-keit des einen oder des anderen Datenträgertyps, sonderndie Nichteinhaltung einfacher Archivierungsgrundsätze.Das „Technische Konzept für die Datenarchivierung imBundesarchiv“ legt das – bisher im Bundesarchiv erfolg-reich praktizierte – Verfahren fest, Daten langfristig für dieForschung und Verwaltung zu sichern. Datenverluste sinddaher bei den im Bundesarchiv archivierten Datenbestän-den nicht eingetreten.

5 Archimedes. Wir verlieren unser Gedächntnis, vom 4. 5. 1999. URL:http://www.arte-tv.com/hebdo/archimed/19990504/dtext/sujet1.html.

6 Jeff Rothenberg: Die Konservierung digitaler Dokumente. In: Spektrumder Wissenschaft, Sept. 1995.

7 Taking a Byte out of History: The Archival Preservation of Federal Com-puter Records. Bericht 101–978 des U. S. House of Representatives Com-mittee on Government Operations, 6. November 1990.

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Zusammenarbeit zwischen den Projektmitarbeitern imHauptstaatsarchiv Düsseldorf und im Staatsarchiv Müns-ter und den Technikern des Softwarehauses weiterentwi-ckelt wird. Das Endprodukt soll im Herbst vorliegen. Mitdiesem Tool werden dann in einer bis Projektende andau-ernden Echtbetriebsphase etwa 400 Findmittel konvertiertund der dabei entstehende Kosten- und Personalaufwandermittelt und dokumentiert. Die Ergebnisse werdensowohl in einem Abschlussbericht festgehalten als auchim Rahmen eines Workshops im Hauptstaatsarchiv Düs-seldorf präsentiert werden.

In den kommenden Wochen wird der vorliegende Pro-totyp der Findmittel-DTD nach Abschluss der projektin-ternen Beratungen zunächst in einer Alphaversion einerbreiteren Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht, um soals Voraussetzung für eine möglichst große Akzeptanzeine hoffentlich intensive und archivübergreifende Dis-kussion anzustoßen. Mittelfristig wird die Empfehlungdes Austauschformates als Quasi-Standard durch dieArbeitsgruppe EDV der Archivreferentenkonferenz wieauch durch die Bundeskonferenz der Kommunalarchivebeim Deutschen Städtetag angestrebt.

Das Projekt soll ein Problem möglichst vieler Archivelösen. Deshalb wird nicht nur für das Ziel- und Austausch-format eine weite Verbreitung angestrebt, sondern auchdas Softwaretool wird nachnutzbar sein, d. h. dass, abge-sehen von Lizenzgebühren, für öffentliche Archive keineKosten entstehen.19 Nach Ende des Projekts, also ab Früh-jahr/Sommer 2003, kann die Software anderen interessier-ten Archiveinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.Für den Bereich Nordrhein-Westfalen ist für die Zeit nachProjektende in den Staatsarchiven und den beiden Archiv-ämtern darüber hinaus die Einrichtung von Retrokonver-sionszentren geplant, die die Retrokonversion für andereArchive in ihrem Sprengel mit übernehmen. Dies könntePilotcharakter auch über Nordrhein-Westfalen hinaushaben.

19 Die Nutzung der Software kann sowohl servergestützt als auch auf Ein-zelplatzrechnern erfolgen. Als Minimalvoraussetzungen für die einzu-setzende Hardware werden von CCS ein PC-Pentium III-Prozessor mit800 MHz und 256 MB RAM genannt, als Betriebssystem wird WindowsNT 4.0 bzw. Windows 2000 empfohlen.

Technisches Konzept für die Datenarchivierung im BundesarchivVon Ulf Rathje

1. Einleitung

„Elektronische Medien sind nicht archivierbar“ resümiertClifford Stoll, amerikanischer Astronom und Spezialistfür Datenschutz und Computersicherheit, 1996 in seinemBuch „Die Wüste Internet. Geisterfahrten auf der Daten-autobahn“.1 Stoll verweist auf die Daten, die 1979 von derRaumsonde „Pioneer“ vom Saturn übertragen und bei derNASA2 auf Magnetbänder archiviert wurden. Obwohl dieDaten auf vier verschiedenen Datenträgern gespeichertwaren (9-Spur-Magnetband, 7–Spur-Magnetband, Loch-streifen und Lochkarte), sollen sie 1994 nicht mehr lesbargewesen sein, da bei der NASA für keinen dieser vierDatenträger mehr Lesegeräte vorhanden waren.

Bereits 1985 sind erste Datenverluste bei der NASA ein-getreten: bei den Magnetbändern mit den Daten derRaumsonde „Viking“ aus dem Jahr 1976.3 Mitte der 1990erJahre waren mehr als 1,2 Millionen Magnetbänder mitDaten aus 30 Jahren Raumfahrt nicht mehr benutzbar4,teilweise wegen mangelnder Zuordnung zu den jeweili-

1 Clifford Stoll: Die Wüste Internet. Geisterfahrten auf der Datenauto-bahn. Frankfurt am Main 1996, S. 263.

2 NASA = National Aeronautics and Space Administration (Weltraumbe-hörde der USA).

3 Hilmar Schmundt: Im Dschungel der Formate. In: Der Spiegel 26/2000.URL: http://www.spiegel.de/druckversion/0,1588,82510,00.html.

4 Hilmar Schmundt (wie Anm. 3) und Patrick Bock: No Future. In: DieWoche, 1996.

gen Weltraummissionen und Projekten. Vom sogenannten„NASA-Effekt“ wird gesprochen – die Bänder waren nichtoder nur notdürftig beschriftet.5 Die meisten Daten derUS-Volkszählung von 1960, die beim US Bureau of theCensus auf Magnetband gespeichert waren, konnten nachder Umstellung auf ein neues Speicherformat gerade nochgerettet werden.6 Die gesamten Datenverluste sind ineinem Bericht an das amerikanische Repräsentantenhausaus dem Jahr 1990 aufgelistet.7

Offensichtlich sind diese Datenverluste nicht etwa auftechnische, sondern auf organisatorische Defizite zurück-zuführen. Das Problem war nicht die mangelnde Haltbar-keit des einen oder des anderen Datenträgertyps, sonderndie Nichteinhaltung einfacher Archivierungsgrundsätze.Das „Technische Konzept für die Datenarchivierung imBundesarchiv“ legt das – bisher im Bundesarchiv erfolg-reich praktizierte – Verfahren fest, Daten langfristig für dieForschung und Verwaltung zu sichern. Datenverluste sinddaher bei den im Bundesarchiv archivierten Datenbestän-den nicht eingetreten.

5 Archimedes. Wir verlieren unser Gedächntnis, vom 4. 5. 1999. URL:http://www.arte-tv.com/hebdo/archimed/19990504/dtext/sujet1.html.

6 Jeff Rothenberg: Die Konservierung digitaler Dokumente. In: Spektrumder Wissenschaft, Sept. 1995.

7 Taking a Byte out of History: The Archival Preservation of Federal Com-puter Records. Bericht 101–978 des U. S. House of Representatives Com-mittee on Government Operations, 6. November 1990.

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2. Entwicklung der Datenarchivierung im Bundesarchiv

Ende 1973 wurden die ersten Daten – 36 Magnetbänderdes Bundesverwaltungsamts in Köln – zur Langzeitarchi-vierung ins Bundesarchiv übernommen: Zunächst bliebdas 9-Spur-Magnetband – das Standard-Speichermediumin der „Großrechnerwelt“ der Rechenzentren von den1960er Jahren bis in die späten 1980er – das einzige Über-nahmemedium. Ende der 1980er Jahre begann die flächen-deckende Verbreitung der PCs und damit auch der Disket-ten. Ab 1991 gelangten als zweites Medium auch Diskettenin verschiedenen Formaten ins Bundesarchiv.8 Anfang der1990er Jahre wurden die Magnetbandlaufwerke in denmeisten Rechenzentren durch Laufwerke für Magnet-bandkassetten ersetzt, da die Magnetbandkassette als Wei-terentwicklung des Magnetbands über eine höhere Spei-cherkapazität verfügte und die Daten im schnellerenZugriff hielt. Trotzdem blieb das Magnetband zunächstder vorherrschende Übernahmedatenträger9 und wurdeerst 1997 durch die Magnetbandkassette (Typ IBM 3480/3490 kompatibel) abgelöst.

Im August 1991 wurde im Bundesarchiv ein eigenesReferat für die Archivierung von Daten eingerichtet, daszunächst einmal grundlegende Konzepte für die künftigeArbeit zu entwickeln hatte. Zu den ersten wichtigen Auf-gaben gehörte 1992/1993 die Formulierung der Grund-sätze für das „Technische Konzept für die Datenarchivie-rung im Bundesarchiv“. Diese Grundsätze werden bisheute weiter entwickelt und in der Praxis laufend auf ihreEignung und Realisierbarkeit überprüft. Naturgemäßkonzentrierten sich die Grundsätze anfangs vorrangig aufdie Archivierung von Daten auf 9–Spur-Magnetbändern,später waren weitere Datenträgertypen zu berücksichti-gen.

Zeitraum Datenträgertyp1973–2000 Magnetband1997–2001 Magnetbandkassette1991–1997 Diskette 5¼“ und 8“1994–2001 Diskette 3,5“1996 Magneto Optical Disk1997–2001 CD-ROM und CD-R2000 Zip-Diskette

Tabelle 1: Übernahme von Daten ins Bundesarchiv

Derzeit sind im Bundesarchiv ca. 130 Gigabyte Datenarchiviert. Etwa 85 Prozent der Daten stammen aus Prove-nienzstellen der ehemaligen DDR, Daten aus Bundesbe-hörden wurden bisher erst in geringem Umfang archiviert.Um seinem Auftrag wirklich gerecht zu werden, müsstedas Bundesarchiv allerdings in größerem Umfang als bis-her Personalkapazität und finanzielle Ressourcen fürdiese Aufgabe – die Sicherung der archivwürdigen Datender Bundesverwaltung – verfügbar machen.

8 Die Anzahl der 1991 bis 1997 ins Bundesarchiv übernommenen Disket-ten beträgt 1.954.

9 1991 bis 1997 wurden insgesamt 5.306 Magnetbänder übernommen.

3. Grundsätze des Technischen Konzepts

3.1 DatenformatDie zu archivierenden Daten werden grundsätzlich alsFlat Files10 softwareunabhängig in einem Standard-Zei-chencode gespeichert. Mit diesem bis heute gültigenGrundsatz soll ausgeschlossen werden, dass Daten inZukunft nicht mehr interpretierbar sind, weil es die für ihrVerständnis erforderliche Software nicht mehr gibt oderdie alte Software in neuen Systemumgebungen nicht mehrlauffähig ist. 1992/1993 wurden EBCDIC11 und ASCII12alsfür die Speicherung geeignete Standard-Zeichencodesausgewählt.13

Die meisten der bis heute ins Bundesarchiv übernom-menen Daten – vor allem aus der ehemaligen DDR – wur-den auf Großrechnern erstellt und in EBCDIC gespeichert.Wie wir mit den Jahren lernen mussten, wurden aber inden Rechenzentren die Regeln des EBCDIC-Standardsvon IBM selten eingehalten. Es war hingegen üblich,gepackte Formate zu verwenden und mit verschiedenstenKomprimierungsverfahren zu arbeiten, um Speicherplatzund Rechenzeit zu sparen. Somit liegen diese Daten inaller Regel nicht in einem archivfähigen Standardformatvor, was eine nachträgliche Bearbeitung erforderlichmacht. Auf heutigen PCs sind EBCDIC-Daten standard-mäßig nicht lesbar – es werden spezielle Viewer bzw. Edi-toren für das Lesen bzw. Bearbeiten benötigt. Das Bundes-archiv hat sich auf das in der PC- und in der UNIX-Weltverbreitete Standardformat ASCII festgelegt und konver-tiert die übernommenen Daten entsprechend. Allerdingskonnte dies bisher erst für einen kleinen Teil der Datenbe-stände erfolgen.

Die im Bundesarchiv bislang archivierten Daten weisenin der Regel datenbankähnliche Strukturen auf: Die Infor-mationen zu Personen, Betrieben oder anderen Einzelfäl-len sind jeweils in Datensätzen von gleicher Strukturgespeichert. Meist besteht ein digitales Archivobjekt14 auseiner einzigen Tabelle. Es handelt sich hierbei um Daten-banken der 1. Generation, sogenannte Filesysteme. Heutekönnen diese Daten nach ihrer Konvertierung in dasASCII-Standardformat in erster Linie mit Datenbankma-nagementsystemen (z. B. DBASE, ACCESS, Oracle,Informix) oder Statistiksoftware (SPSS u. a.) ausgewertetwerden. Alle diese Anwendungsprogramme haben einesgemeinsam – sie unterstützen den Datenimport vonASCII-Dateien, die tabellarische Informationen enthalten,die durch Feldtrennzeichen, z. B. durch Komma, getrenntsind. Es empfiehlt sich also, die EBCDIC-Flat Files, die ori-ginär keinerlei Strukturinformationen enthalten, sondernaus reinen sequentiellen Zeichenketten bestehen, bei ihrer

10 Flat Files sind als sequentielle Zeichenfolge gespeicherte Daten ohneSoftware-Elemente.

11 EBCDIC = Extended Binary Coded Decimal Interchange Code.12 ASCII = American Standard Code for Information Interchange.13 Michael Wettengel: Technische Infrastruktur für die Archivierung von

digitalen Datenbeständen – Anforderungen und Verfahrensweisen. In:Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Jg. 5 (1997), S. 8.

14 Digitales Archivobjekt: eine Archivalieneinheit (Daten aus einer DV-Fachanwendung einer Provenienzstelle), die aus einer Datei, aber auchaus einer Vielzahl einzelner Dateien bestehen kann. Siehe: Bettina Mar-tin-Weber: Erschließung und Nutzbarmachung digitaler Unterlagenim Bundesarchiv. Vortrag auf der 5. Tagung des Arbeitskreises „Archi-vierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ am 5./6. März 2001 inMünchen. Tagungsband in Vorbereitung.

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119Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

Konvertierung bereits um Feld- und Satztrennzeichen zuergänzen und sie als sogenannte „ASCII-Dateien mitcomma separated values“ (csv) zu archivieren. Nicht nurfür die Anwendungssoftware, sondern auch für den dieDaten betrachtenden Archivar werden die Datensatz-strukturen durch Trennzeichen transparenter.

Die Konvertierungsarbeiten erfolgen mit speziell fürjede Tabelle geschriebenen Programm-Modulen. Die Pro-gramme enthalten Prüfroutinen auf die Plausibilität derCodierungen. Die Konvertierungsergebnisse werden„intellektuell kontrolliert“, das heißt, die Daten werdensystematisch und in Stichproben überprüft, auch im Hin-blick auf codierte Informationen in einzelnen Datenfel-dern. Nicht nur jede Kopierung, sondern auch jede Kon-vertierung von Daten wird protokolliert und dokumen-tiert, um die Bearbeitung der Daten transparent zu halten.Somit wird die „informationelle Authentizität“ der Datensichergestellt: nicht „Original“-Datenträger, -Datenformatund -Bitstrom werden archiviert, sondern der authenti-sche Informationsgehalt der Daten.

Im vergangenen Jahr 2000 wurden in Kooperation mitder Forschungsstelle für Verwaltungsinformatik an derUniversität Koblenz im Rahmen einer Diplomarbeit15 undeines sich daran anschließenden Werkvertrags erste Testsmit XML16 durchgeführt, um dieses neue Datenformat aufseine Eignung für die Langzeitarchivierung von Daten zuüberprüfen. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass sichXML als neues Datenformat auch für die Langzeitarchivie-rung durchsetzen wird, die weitere Entwicklung bleibtvorerst abzuwarten.

3.2 Bedingungen für die Eignung von Datenträ-gern zur ArchivierungEs sollen nur Datenträger verwendet werden, für die inter-nationale Standards gelten, die am Markt eine ausgespro-chen weite Verbreitung haben, als haltbar gelten unddaher auch in anderen Nationalarchiven und Forschungs-einrichtungen eingesetzt werden. Mit diesen Grundsätzensoll das Risiko minimiert werden, dass der gewählteArchiv-Datenträger vom Markt verschwindet bzw. über-raschend von einem Hersteller nicht mehr produziert wirdund nicht mehr gelesen werden kann, weil die Laufwerkenicht mehr verfügbar sind. Ein weit verbreitetes Mediumkann auch zur Weitergabe an Benutzer verwendet werden.Aufgrund der vorgenannten Bedingungen kommen der-zeit Magnetbänder, Magnetbandkassetten, Digital AudioTapes (DAT) und CD-R als Archivierungsmedium vorran-gig in Frage.

Eine Umfrage des niederländischen Rijksarchiefdiens-tes in Den Haag 1994/1995 ergab, dass in den Nationalar-chiven in Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, Por-tugal, Schweden und der Schweiz Daten auf Magnetbän-dern und Magnetbandkassetten archiviert wurden. BeideArchivierungsmedien wurden Mitte der 1990er Jahreebenfalls im Center of Electronic Records (CER) der Natio-nal Archives and Records Administration (NARA) in Was-

15 Björn Dehms: Langzeitarchivierung einfacher, relationaler Datenban-ken. Entwicklung eines Prototypen zur Migration nach XML. Diplomar-beit an der Universität Koblenz-Landau, Fachbereich Informatik.Koblenz, Dezember 2000.

16 XML = Extensible Markup Language. XML ist ein Derivat der internatio-nal standardisierten Dokumentenbeschreibungssprache SGML. Dieaktuelle XML-Spezifikation Version 1.0 wurde 1996–1998 vom WorldWide Web Consortium (W3C) entwickelt.

hington D. C. (USA) verwendet. Die Archivare im däni-schen Rigsarkivet in Kopenhagen kopieren derzeit ihreetwa 4000 Magnetbänder um – dort ist die CD-R inzwi-schen das Archivierungsmedium. Im schwedischen Riks-arkivet in Stockholm wurden Umkopierungen im vergan-genen Jahr auf Magnetbandkassetten vorgenommen.

Das Magnetband gilt als ein sehr haltbares und zuverläs-siges Medium und ist bis heute noch in einigen National-archiven im Einsatz. Mehr als 25 Jahre war es das Standard-Speichermedium in der EDV. Auch im Bundesarchiv wur-den von 1993 bis 1998 Erstsicherungen auf Magnetbandangefertigt. Heutigen Ansprüchen genügt das Magnet-band in der Regel nicht mehr: Durch lange Zugriffszeiten,eine zu geringe Speicherkapazität und den verhältnismä-ßig hohen Preis geraten Magnetbänder gegenüber moder-nen Datenträgern ins Hintertreffen.17

Die Magnetbandkassette weist im Vergleich zum Magnet-band eine deutlich höhere Speicherkapazität und eine ver-besserte Zugriffsgeschwindigkeit auf und wird ebenfallsin vielen Nationalarchiven zur Archivierung von Datenverwendet. Sie ist aber ebenfalls relativ teuer, so dass dieEntscheidung im Bundesarchiv zu Ungunsten derMagnetbandkassette ausfiel. Magnetbänder und Magnet-bandkassetten finden sich daher im Bundesarchiv heutenur noch als Eingabemedium.

Seit 1995 werden Sicherungen auf Digital Audio Tape(DAT) angefertigt, einem seit etwa 1990 sehr weit verbrei-teten Backup-Medium. Das DAT wird zudem in vielenNationalarchiven als Archivierungsmedium verwendet.Die Nachteile, dass das DAT alle zwei Jahre umkopiertwerden muss und dass es sich um ein relativ langsames,sequentielles Medium handelt, werden dadurch aufgewo-gen, dass es eine recht hohe Speicherkapazität aufweist.Der kurze Migrationszyklus rührt von dem besonderen(Schrägspur-) Aufzeichnungsverfahren her. Im Bundesar-chiv werden derzeit noch Tapes nach dem Standard DDS-118 verwendet, die eine Kapazität von 2 GB haben. InKürze soll auf DDS-3 umgestellt werden (Kapazität 12GB). Von Vorteil ist, dass das Backup komfortabel mit sehrgeringem Zeitaufwand erfolgen kann.19 Das DAT gilt alsbesonders wirtschaftlich, da der erforderliche Personal-aufwand bei der Verwendung von Backup-Softwaregering ist und die Datenträger preiswert sind: Ein DATkostet derzeit ca. 6,- DM. Mit der Umstellung auf DDS-3wird eine weitere Rationalisierung einhergehen, da künf-tig auch größere Datenbestände auf ein einziges DATgespeichert werden können.

Die Zweitsicherung erfolgt im Bundesarchiv seit 1998auf CD-R20. Zum selben Zeitpunkt wurden die Erstsiche-rungen auf Magnetband eingestellt. Die CD ist ein relativ

17 Für das 9–Spur-Magnetband gelten v. a. folgende DIN-Normen:Nr. 66011, 66014, 66015 und 66029. Siehe: Datenträger Magnetband: Nor-men. Hrsg. DIN, Deutsches Institut für Normung e. V. 4. Aufl., Stand derabgedr. Normen: September 1992. Berlin, Köln: Beuth 1993 (DIN-Taschenbuch 125).

18 URL: http://www.pandora.inline.de/netware/faq/031c17.html.19 Das DAT kommt ursprünglich aus der Unterhaltungsindustrie. Das Auf-

zeichnungsformat DDS (Digital Data Storage) wurde Ende der 1980erJahre entwickelt und stellt eine Erweiterung des ursprünglichen Audio-Formats dar. Folgende Normen haben Gültigkeit erlangt: ISO/IEC11557, Ausgabe 1992–12 für DDS-DC, ISO-IEC 12247, Ausgabe 1993–12für DDS, ISO-IEC 13923, Ausgabe 1996–12 für DDS-2, ISO/IEC 15521,Ausgabe 1998–06 für DDS-3 sowie ISO/IEC 17462, Ausgabe 2000–09für DDS-4. Siehe URL http://www.din.de und http://www.beuth.de.Derzeit ist der aktuelle Standard DDS-4 (Speicherkapazität ca. 10 GB).

20 Die CD-ROM ist standardisiert durch die Norm ISO 9660 und das soge-nannte „Orange Book“ (Spezifikation der Firmen Sony und Philips).

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120 Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

schnelles Medium mit Direktzugriff. Wie Tests ergebenhaben, können bis zu 18 (!) Gigabyte EBCDIC- oder ASCII-Flat Files in komprimierter Form auf einer CD-R gespei-chert werden. Die CD dürfte heute eines der am meistenverbreiteteten Datenträger am Markt sein und damit viel-leicht eine Position erreicht haben, die das Magnetband inden 1970er und 1980er Jahren inne hatte. Auch die Archi-vierung auf CD-R ist eine wirtschaftliche Lösung, da derPersonalaufwand gering ist und die Rohlinge preiswertsind.

Zeitraum Typ des Datenträgers1993 bis 1998 MagnetbandSeit 1995 Digital Audio Tape (DAT)Seit 1998 CD-R

Tabelle 2: Datenträger für die Archivierung im Bundesarchiv

Disketten haben zwar eine sehr weite Verbreitunggefunden, scheiden aber wegen ihrer geringen Speicher-kapazität und ihrer äußerst geringen Haltbarkeit alsArchivmedium aus. Sie sind als nicht archivfähig anzuse-hen. Die praktische Erfahrung hat gezeigt, dass vereinzeltmoderne 3,5“-Disketten bereits nach ein bis zwei JahrenLesefehler aufweisen, während zu unserer Überraschungviele 8“-Disketten aus den 1980er Jahren heute noch ohneProbleme vollständig lesbar sind.

3.3 Doppelte Sicherung auf unterschiedlichenDatenträgernIn den National Archives of Canada, Ottawa, wurden inden 1980er Jahren Daten auf nicht standardisierten 12“-WORMs21 archiviert. Als diese WORM überraschendschnell vom Markt genommen wurde, mussten dieseDaten mit erheblichem finanziellen Aufwand vorzeitigauf andere Datenträger kopiert werden.22 Aufgrund dieserschlechten Erfahrungen wurde in Ottawa eine Arbeits-gruppe eingesetzt, die sich mit der Frage zu befassen hatte,welche Medien für die Langzeitarchivierung geeignetsind:23 Eine der zentralen Empfehlungen der Experten galtder grundsätzlichen Archivierung der Daten auf zwei ver-schiedenen Datenträgern. 1995 wurden in OttawaMagnetbänder und 8mm Exabyte Tape verwendet.

Auch im Bundesarchiv wird jede Datei zweifach undauf zwei verschiedenen Datenträgern gespeichert. Diedoppelte Kopierung der Daten auf einen magnetischen(DAT) und einen optischen Datenträger (CD-R) bringt auf-grund der Verschiedenartigkeit der Medien zusätzlicheSicherheit bei Hardwareausfällen und Marktveränderun-gen.

3.4 Sachgerechte LagerungErst- und Zweitsicherungen sind getrennt voneinander inverschiedenen Archivmagazinen aufzubewahren. Mit dergetrennten Lagerung der beiden Archivdatenträger wirddas Konzept der doppelten Sicherung konsequent fortge-

21 WORM = Write Once Read Many (optische Speicherplatte). Es handeltesich um eine WORM, die nur von einem Hersteller vertrieben wurdeund für die es keinen internationalen Standard gab.

22 Stefan Klein: Fröhlicher Wildwuchs. In: Der Spiegel Nr. 40/1995, S. 228–230.

23 National Archives of Canada: Report of the Working Group on Conser-vation Standards and Technologies. Ottawa, 1992.

schrieben.24 Darüber hinaus sind sie in speziellen Daten-trägerschränken abzulegen. Die Räumlichkeiten sollenklimatisiert sein, was besonders für Bandmedien vonBedeutung ist. Vor allem sollen die Klimawerte möglichstkonstant gehalten werden: Raumtemperatur 17–20°C,relative Luftfeuchtigkeit 35–45%.25 Bandmedien sindsenkrecht aufzubewahren. Im Bundesarchiv hängen dieMagnetbänder bereits seit 1986 in einer Rollregalanlagemit speziellen Hängevorrichtungen.

3.5 Regelmäßige Umkopierung und Migrationder MedienUm Datenverlusten vorzubeugen, sind die Sicherungsko-pien regelmäßig umzukopieren (Refreshment, DATs allezwei, CD-Rs alle fünf Jahre). Die Umkopierfristen orientie-ren sich an Herstellerangaben, an Ergebnissen aus Labor-tests und an Erfahrungen anderer Archive. Aufgrund derständigen Ablösung der Speichermedien durch neueTypen gilt es, die Entwicklungen auf dem Markt kontinu-ierlich zu beobachten und zu gegebener Zeit die Daten aufmodernere Medien aufzunehmen (Migration). 1998 hatdas Bundesarchiv infolgedessen die Speicherung auf9–Spur-Magnetband eingestellt und zum selben Zeit-punkt mit der Kopierung auf CD-R begonnen. 2003 wer-den die Umkopierungsfristen für die letzten Magnetbän-der abgelaufen sein, die dann kassiert werden können.

Es bleibt abzuwarten, welche Datenträger sich auf demMarkt durchsetzen. Auch die Erfahrungen andererArchive sind in die Strategie einzubeziehen. Perspekti-visch ist davon auszugehen, dass das DAT durch anderemagnetische Speichermedien höherer Kapazität ersetztwird. Es ist davon auszugehen, dass bei den optischenMedien die DVD-R die CD-R vom Markt verdrängenwird. Die DVD-R hat im Vergleich zur CD-R etwa die sie-benfache Speicherkapazität (4,7 GB gegenüber 650 MB).Die Hardwarepreise fallen stetig und die Verbreitung derDVD-R auf dem Markt steigt.

4. Fazit

Das Bundesarchiv blickt im Jahr 2001 auf langjährigeErfahrungen in der Datenarchivierung zurück. Das „Tech-nische Konzept für die Datenarchivierung“ hat sichbewährt: Bei den im Bundesarchiv entsprechend diesemKonzept archivierten Daten sind Datenverluste bis heutenicht eingetreten.

24 Michael Wettengel: Technische Infrastruktur für die Archivierung vondigitalen Datenbeständen – Anforderungen und Verfahrensweisen. In:Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Jg. 5 (1997), S. 9.

25 Bundesarchiv: Anweisung für die archivarische Tätigkeit (1.1): Über-nahme, Bewertung, Erschließung, Konservierung und Benutzungmaschinenlesbarer Dateien (Stand 28. 8. 1995), S. 9, Michael Wettengel:Technische Infrastruktur für die Archivierung von digitalen Datenbe-ständen – Anforderungen und Verfahrensweisen. In: Mitteilungen ausdem Bundesarchiv, Jg. 5 (1997), S. 9.

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Neue Verzeichnungsmethoden im Stadtarchiv Nürnberg – Voice-Computing bei derErfassung von ArchivgutVon Michael Diefenbacher

Die Ausgangslage: Der Bestand Bauakten im Stadtar-chiv Nürnberg1

Die ersten Bauakten aus der Registratur der Bauordnungs-behörde der Stadt Nürnberg gelangten 1966 ins Stadt-archiv.2 Größe und Umfang dieser Abgabe ist heute nichtmehr zu ermitteln. 1971 erhielt das Archiv dann eine ersteSerie von Bauakten3, die – mit der Abgabe von 1966zusammengeführt – ca. 11.500 Einheiten umfasste.4 Bereits1972 wurde der Bestand um annähernd 2.000 weitereAkten ergänzt.5 1975 und 1981 erfolgten zwei weitereAbgaben – nun analog zu der 1966 und 1971 ins Archivgelangten „Serie I“ als „Serie II“ und „Serie III“ bezeichnet–, und 1986, 1995 und 2001 wurde der Bestand im Rahmenvon drei weiteren Aktenaussonderungen ergänzt.6

Mit derzeit ca. 25.000 Einheiten gehören die Bauaktenzu den umfangreichsten und sowohl amtlich als auch pri-vat am häufigsten benutzten Beständen des StadtarchivsNürnberg.7 Es handelt sich dabei um Einzelfallakten (Bau-bzw. Baugenehmigungsakten) des 19. und 20. Jahrhun-derts zu abgebrochenen bzw. zerstörten Gebäuden imNürnberger Stadtgebiet. Die Bauakten noch stehenderGebäude werden generell in einer eigenen Registratur derBauordnungsbehörde geführt. Es ist aber nicht ausge-schlossen, dass mitunter auch Altakten zu noch bestehen-den Gebäuden mit den diversen Abgaben der Bauord-nungsbehörde seit 1966 an das Stadtarchiv gelangt sind,wie allein aus den Zahlen der meist von der Bauordnungs-behörde Nürnberg selbst zur Einsicht vom Stadtarchivausgeliehenen Einheiten des Bestands Bauakten ersicht-lich ist.8

Inhaltlich umfasst der Bestand alle Arten von Raumnut-zung – öffentliche Gebäude, Privatbauten, Gewerbe-betriebe, Fabriken. Die einzelnen Akten enthalten nebenSchriftwechsel oft auch Pläne, Fotos und anderes mehr bishin zu personenbezogenem Schriftgut (z. B. Finanzdaten).Obwohl sich die Akten inhaltlich primär auf Bauverände-

1 Grundlage ist eine Kurzanalyse des Bestands Stadtarchiv Nürnberg(künftig: StadtAN) C 20/V von Archivamtsrat Herbert Schmitz vom10. Januar 2002 (StadtAN Registratur Az. 412–13–05 BoB).

2 Vermerk vom 7. Februar 1966 in StadtAN Registratur Az. 412–13–05BoB.

3 Vermerk vom 21. April 1971 in StadtAN Registratur Az. 412–13–05 BoB.4 Schmitz (wie Anm. 1).5 Schmitz (wie Anm. 1). Hierbei handelte es sich vor allem um Bauakten

der Bing-Werke und der M.A.N.-Nürnberg, um nach Gemarkungsbe-zeichnungen von Almoshof bis Ziegelstein geordnete Bebauungsaktensowie um Bauakten städtischer Gebäude.

6 Schmitz (wie Anm. 1).7 Benutzungsstatistik für den Bestand StadtAN C 20/V: 1996: 769 Einhei-

ten, 1997: 1.096 Einheiten, 1998: 1.339 Einheiten, 2001: 1.219 Einheiten; inden Jahren 1999 und 2000 wurde keine Einzelbenutzungsstatistik derjeweiligen Bestände geführt. Die Zahlen verdanke ich ArchivoberrätinDr. Wiltrud Fischer-Pache vom Stadtarchiv Nürnberg.

8 Dies waren 1997: 191 Einheiten, 1998: 253 Einheiten, 1999: 181 Einheiten,2000: 119 Einheiten, 2001: 110 Einheiten. Ausleihende Behörde war zu 70Prozent die Bauordnungsbehörde Nürnberg. Die Zahlen verdanke ichArchivobersekretär Jürgen Zottmann vom Stadtarchiv Nürnberg.

rungen an bestehenden Bauten bzw. auf Baugrundstückenbis hin zu größeren Umbauten und kompletten Neubau-ten beziehen, sind nicht nur Benutzer zu bau- und archi-tekturgeschichtlichen Aspekten an ihnen interessiert. Siehaben darüber hinaus auch für wirtschafts-, umwelt-,familien-, gesellschafts-, oder kulturgeschichtliche The-men Bedeutung9, um nur einige Aspekte zu nennen.

Mit der Übernahme der verschiedenen Abgaben insStadtarchiv Nürnberg erfolgte der Zugriff auf die einzel-nen Akten bis 1986 über die jeweiligen Aussonderungs-listen der Bauordnungsbehörde.10 Analog zu den Ausson-derungslisten lagerten die Archivalieneinheiten ohnearchivische Signatur nach Serien getrennt in alphabe-tischer Ordnung jeweils von A bis Z im Fach.

In einer größeren ABM-Aktion mit bis zu fünf Personenwurden die Bauakten zwischen 1985 und 1987 zu einemTeilbestand „Bauakten“11 innerhalb des Gesamtbestands„Bauamt“12 formiert und zusammen mit der Abgabe desJahres 1986 technisch aufgearbeitet und archivischerschlossen. Diese Erschließung erfolgte mittels Karteikar-ten im von der Bauordnungsbehörde übernommenenalphanumerischen Ordnungszustand, nun aber mit einerarchivischen Signatur im Numerus-currens-System ver-sehen. Die Lagerung der Akten blieb nach den einzelnenAbgaben erhalten, bis zum Umzug des Stadtarchivs Nürn-berg 2000 in ein neues Domizil sogar noch auf verschie-dene Standorte verteilt. Für die Nutzung erwuchsen ausdieser Situation nach der archivischen Erschließung keinezusätzlichen Hürden, da nun der Zugriff mittels Kartei-karte von der ursprünglich erwachsenen Ordnung überden Straßennamen und die Hausnummer zu der Signaturder jeweiligen Einheit und mittels Lagerortsverzeichniszum entsprechenden Außendepot erfolgen konnte. InAusnahmefällen ermöglichen statt Straße und Hausnum-mer die Namen von Firmen bzw. Fabriken sowie beson-dere Gebäudebezeichnungen den Zugang zur Signaturund damit zum Archivale.

So waren bis 1987 insgesamt 19.887 Bauakten im Stadt-archiv Nürnberg archivisch erschlossen worden. Die 1995ins Archiv gelangten weiteren 4.000 Akten wurden in denJahren 1996/97 in ähnlicher Weise durch eine erneute, vierPersonen umfassende Arbeitsbeschaffungsmaßnahmedem Altbestand zugefügt und aufgearbeitet. Die Erfas-sung der Abgabe 2001 mit ca. 1.500 Akten erfolgt derzeit ineiner Datenbank als FAUSTwin-Objektart mit einem denKarteikarten inhaltlich angepassten Formular.

9 Bauakten enthalten z. B. Gutachten zum Einfluss neuer Produktionsan-lagen auf die Umgebung, Unterlagen zur Besitzgeschichte von Privat-bauten, zum Einbau von Sanitär- und Heizeinrichtungen oder zur Ein-richtung von Wirtschaftsbetrieben.

10 Hierzu und zum Folgenden: Schmitz (wie Anm. 1).11 StadtAN C 20/V.12 StadtAN C 20.

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122 Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

Neue Wege: Erfassung von Archivgut über Spracherken-nung

Der bereits erwähnte Umzug des Stadtarchivs Nürnbergvom angestammten Sitz im sogenannten Pellerhaus (undsieben weiteren, meist als Depot genutzten Standorten) indie Norishalle als neuen Dienstsitz ermöglichte im Jahr2000 nicht nur die Zentralisierung aller Bestände und Mit-arbeiter, sondern auch neue Wege der Verzeichnung undBenutzung.

Die Tatsache, dass die neueste Abgabe von Bauaktenseit 2001 bereits elektronisch in einer Datenbank erfasstwird, zwang uns zu überlegen, was mit den bereits erfass-ten 23.520 Einheiten geschehen sollte. Sollten wir zukünf-tig die oben beschriebene Findkartei, die – weil oft derBeschrieb einer Archivalieneinheit mehr als eine Kartei-karte umfasst – ein Vielfaches dieser Einheiten darstellt,neben der elektronischen Erfassung quasi als Altkarteimitbenutzen? Sollten wir die elektronisch erfassten Ein-heiten – ausgedruckt auf Karteikarten – mit der Altkarteiverschmelzen? Oder sollten wir die bis 1997 auf Karteikar-ten erschlossenen 23.520 Einheiten elektronisch aufberei-ten lassen und zukünftig eine Online-Recherche in derneuen Bauakten-Datenbank im Lesesaal ermöglichen?

Nach Abwägung aller Möglichkeiten und Ressourcen –finanzieller und personeller Art – entschlossen wir uns zurletztgenannten Alternative: die elektronische Erfassungder bereits vorhandenen Findkartei zum Bestand Bau-akten. Die zunächst angedachte Variante der elektroni-schen Erfassung, das Scannen der einzelnen Karteikarten,schied wegen häufiger handschriftlicher Korrekturen undNachträge und wegen der unterschiedlichen Anschlags-qualität der noch mit Schreibmaschine geschriebenen Kar-ten aus. Obendrein wäre nur ein Scannen im Grafikmodusin Frage gekommen, der eine spätere Bearbeitung unmög-lich macht. Das erneute Erfassen in FAUSTwin konnte per-sonell nicht vom Stadtarchiv geleistet werden, und eineVergabe an ein Schreibbüro sprengte bei Vorgesprächenund eingeholten Kostenvoranschlägen den zur Verfügungstehenden Finanzrahmen von DM 20.000.-.

Über die Firma Verlagsdruckerei Schmidt in Neustadt/Aisch, die mit dem Problem konfrontiert wurde, konnteschließlich die Lösung gefunden werden – die Erfassungdurch Spracherkennung. Mit der VerlagsdruckereiSchmidt bearbeiteten Frau Dr. Barbara Dienstund Herr Elmar Friedrich M. A. die alte Findkartei derBauakten des Stadtarchivs Nürnberg.13

Und das Stadtarchiv Nürnberg konnte feststellen, dassSpracherkennungsprogramme für den PC mittlerweiletechnisch soweit vorangeschritten sind, dass diese Technik(„Voice-Computing“) im Archiv breite Einsatzmöglichkei-ten mit einigen wesentlichen Vorteilen bietet. Die Vorteilesind vor allem für Archivmitarbeiter wertvoll, die oft nichtdie Anschlagzahlen einer ausgebildeten Schreibkraft aufder Tastatur erreichen.Die technischen Voraussetzungen für Voice-Computing sind:• ein PC mit etwa 800 MHZ und höher, 256 MB RAM

Kernspeicher, Windows ME, Windows 98 oder Wind-ows 2000 als Betriebssystem und eine Soundkarte;

13 Die Grundlagen folgender Ausführungen basieren dankenswerterweiseauf Angaben von Elmar Friedrich, Wissen in Form, Dr. Dienst & Fried-rich GbR, Nürnberger Straße 38g, 91522 Ansbach.

• eine Spracherkennungssoftware, in dem konkreten Fallder Nürnberger Bauakten „Dragon Naturally SpeakingProfessional“;

• eine Standarddatenbank für Windows (hier konkret:MS-ACCESS).Zunächst muss die Spracherkennung an den jeweiligen

Sprecher - für jeden Sprecher existiert ein eigenes Benut-zerprofil - phonetisch angepasst werden. Dies geschiehtdadurch, dass der Sprecher seinem Computer verschie-dene Texte vorliest. Für dieses Trainieren des Computersist im konkreten Fall der Nürnberger Bauakten eine Zeit-spanne von ca. einem Arbeitstag (ca. 8 Mannstunden) auf-gewendet worden.

In einem zweiten Schritt müssen anhand individuellerWortlisten des Sprechers die Wörter in geschriebenerForm hinterlegt werden. Dies ist für die „moderne“Umgangssprache mit den auf dem Rechner vorhandenenDateien einfach und unkompliziert, erfordert jedoch bei„historischen“ Texten, vor allem bei Quellentexten, Erfah-rung und einen gewissen terminologischen Aufwand. Imkonkreten Fall der Nürnberger Bauakten belief sich dieserAufwand ebenfalls auf ca. einen Arbeitstag (ca. 8 Mann-stunden).

„Versteht“ nun das System den Sprecher, wird in demDatenbanksystem eine Eingabemaske erzeugt, die sowohldem zu erfassenden Bestand strukturell entspricht alsauch bestimmte Bedingungen der Spracherfassungberücksichtigt. Die optimale Anpassung dieser Schnitt-stelle ist für eine hohe Performanz äußerst wichtig.

Zudem ist noch die Programmierung etwaiger Ausga-beprogramme zu berücksichtigen, etwa, wenn – wie imvorliegenden Fall des Stadtarchivs Nürnberg – die mittelsVoice-Computing erfassten Daten in einem anderenDatenbanksystem benutzbar sein müssen.

Vorteile für die Verwendung der Spracherkennung beider Erschließung von Archivgut, aber auch bei der wissen-schaftlichen Bearbeitung von Quellentexten liegen auf derHand: Die sogenannte Performanz der Dateneingabe aufdiesem Weg entspricht von der Geschwindigkeit her - jenach Struktur der Daten - mindestens der Erfassung durchprofessionelle Schreibbüros. Eine gewisse Überlegenheitder Spracherfassung ergibt sich durch eine entspannteEingabe durch hochqualifizierte Benutzer, im Idealfalldurch den Bearbeiter selber. Dies sorgt für eine entspre-chend hohe Qualität der erfassten Daten, denn schon beider Eingabe können strukturelle und editorische Kriterienunmittelbar berücksichtigt werden. So wurde beispiels-weise in der Organisationslehre schon immer die Delega-tion der Dateneingabe an Minderqualifizierte ungerngesehen.

Ein weiterer Vorzug liegt darin begründet, dass bei derErfassung mittels Spracherkennung die Daten bereits imTextmodus vorliegen. So kann die gesamte Textmenge -wenn gewünscht – Zeichen für Zeichen etwa durch ein„Volltext-Retrieval-System“ durchsucht werden. Dies ist beieiner Erfassung im Grafikmodus in der Art nicht möglich.

Resümee

Summarisch sollen nochmals Anforderungen, Arbeits-schritte und Vorteile des Voice-Computing zusammenge-fasst werden.

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123Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

Anforderungen und Arbeitsschritte:

• Verwendet wird eine Standardsoftware im Zusammen-hang mit einer Standarddatenbank.

• Anpassung der Spracherkennung: 1. auf den Sprechertrainieren, 2. Wortschatz muss hinterlegt werden, 3.Wortschatz muss angepasst werden.

• Anpassung der Datenbank: Eingabemaske muss struk-turgerecht erstellt werden 1. nach inhaltlichen Krite-rien, 2. nach formalen Kriterien für die Ausgabe in eineandere Datenbank.

• Ausgabetool, d. h. Konvertierungsprogramm fürandere Datenbanksysteme.

Vorteile:

• Hohe Performanz und Qualität durch Sprechen,• Eingabe durch qualifiziertes Personal und Vorstruktu-

rierung,• Berücksichtigung editorischer Kriterien,• Digitalisierung im Textmodus (nicht Grafikmodus).

Die Eingabe der alten Findkartei zum Bestand Bauaktendes Stadtarchivs Nürnberg über Spracherkennungerfolgte ab September 2001. Der Gesamtaufwand für dieelektronische Erfassung der 23.520 Einheiten belief sichauf 460 Mannstunden, was einer Erfassung von ca. 51 Ein-heiten pro Arbeitsstunde entspricht. Die vom StadtarchivNürnberg auf Grund von Stichproben ermittelte Fehler-quote lag bei unter vier Fehlern pro 1.000 Einheiten (unter0,4 Prozent). Der abgesteckte Kostenrahmen von DM20.000.– wurde eingehalten.

Inzwischen überlegt das Stadtarchiv Nürnberg selbstdie Anschaffung der entsprechenden Komponenten, umVoice-Computing sowohl im Bereich der Dienstbibliothekals auch bei der Verzeichnung von Archivgut sowie bei derErstellung der Stadtchronik oder bei der Edition von Quel-lentexten einzusetzen.

Reformprozess und Vergangenheitsbewältigung – Betrachtungen zurrussischen/sowjetischen ArchivgeschichteVon Hermann Schreyer

1. Einleitung. Russische Besonderheiten

Vor nunmehr etwa fünfzehn Jahren unternahm M. S. Gor-batschow den kühnen Versuch, mit Hilfe einer in seinemLand zuvor nie gekannten „Öffentlichmachung“ („Glas-nost’“) der gesellschaftlichen Vorgänge und vieler bisdahin verschwiegener, verfälschter, tabuisierter histori-scher Ereignisse eine Umgestaltung („Perestrojka“) derSowjetunion in Angriff zu nehmen. Sie vollzog sichbekanntlich dort und im gesamten damaligen „sozialisti-schen Lager“ grundlegender und endgültiger, alsursprünglich gedacht war, und führte überall – im Einzel-nen unterschiedlich, im Wesen aber gleich – zu radikalenVeränderungen der politischen und sozialen Strukturenund der Lebensverhältnisse der Menschen.

Die zunächst zuweilen unterschätzten Schwierigkeiten,die sich aus dieser Umbruchsituation in allen betroffenenLändern politisch, wirtschaftlich, sozial und nicht zuletztauch mental – in den Köpfen der Menschen – ergebenhaben, sind bekannt, uns unter anderem aus den zahlrei-chen Diskussionen, die noch heute, über ein Jahrzehntnach der „Wende“, zum Thema der inneren Einheit derDeutschen in Ost und West geführt werden.

Es hat sich gezeigt, dass die große Freude über diegewonnene Freiheit und die Teilhabe an den – auch mate-riellen – Errungenschaften der westlichen Demokratiebald in erheblichem Maße von in ihrer Art neuen Sorgenund von aus zu hoher Erwartungshaltung resultierendenEnttäuschungen überdeckt wurde. Diese kritischere undrealistischere Haltung dem Neuen gegenüber war verbun-den – oder verband sich allmählich – mit einer differen-

zierteren Beurteilung des Alten, derjenigen Umstände, diez. B. für das Leben der zur Wendezeit etwa 50–60-jährigenoder älteren ehemaligen DDR-Bürger prägend waren undihren Alltag – und Festtag – bestimmten. So kamen zu denallgemeinen sehr persönliche Erfahrungen, und eine ana-lysierende Rückschau auf das eigene Leben führte zu derverständlichen Feststellung, es könne nicht alles an per-sönlichen, beruflichen, wissenschaftlichen und sonstigenLeistungen der vergangenen Jahre schlecht und vergeb-lich gewesen sein.

Schon unter den vergleichsweise sehr guten Lebensbe-dingungen in Deutschland – bei aller Anerkennung ern-ster Probleme und Belastungen – sind beträchtlicheMühen bei der Vergangenheitsbewältigung unverkenn-bar. Umso verständlicher erscheint die diesbezüglichwesentlich kompliziertere Lage in den meisten ehemali-gen „sozialistischen Ländern“, in denen mit der größerenFreiheit für die Masse der Bevölkerung nicht die erhoffteVerbesserung der Lebensumstände eintrat. Dies gilt vorallem auch für Rußland. Hier kommen allerdings – im Ver-gleich mit den früheren sowjetischen Satellitenstaaten – zuden allgemeinen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen undsozialpolitischen Schwierigkeiten aus der historischenEntwicklung resultierende Besonderheiten:

– Die um einige Jahrzehnte längere und alle Lebensbe-reiche im wahrsten Sinne des Wortes „total“ umfassendeEinwirkung sozialistisch-kommunistischer Ideologie undGesellschaftspraxis auf eine Bevölkerung mit einer vonder zarischen Autokratie geprägten Vergangenheit undsomit ohne jede demokratische Tradition;

– einerseits das Erleiden des in Ausführung undschrecklicher Wirkung beispiellosen Terrors Stalins undseiner Helfershelfer gegen die eigene Bevölkerung, vor

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allem in den 1930er Jahren; andererseits das heroischeErlebnis des Zweiten Weltkrieges, des „Großen Vaterlän-dischen Krieges“, mit seiner aus Patriotismus und demerbitterten Kampf gegen den gemeinsamen Feind erwach-senen Bindekraft. Der Krieg ließ den in seinem Verlauf undvor allem auch danach fortgeführten Stalinschen Terrorzwar nicht vergessen, angesichts des unter so gewaltigenOpfern erkämpften Sieges relativierten sich im Bewusst-sein des Volkes jedoch manche schlimmen Erfahrungen imLaufe der Zeit.

– Und schließlich: Die Sowjetunion wurde nicht nurVorbild – zuweilen bis zur grotesken Nachahmung – undunbestrittene Führungskraft im „sozialistischen Lager“,sondern stieg auch zur anerkannten Weltmacht auf.

Vor diesem allgemeinen Hintergrund eines – trotz allerAbstriche – historisch begründeten Selbstbewusstseinsmuss man die spezielleren Probleme der Vergangenheits-bewältigung und die Ansätze zu neuen Entwicklungen ingesellschaftlichen Teilbereichen, wie z. B. im russischenArchivwesen, sehen, wenn man zu einem zutreffendenUrteil kommen will. Die 1991/1992 eingetretenen grund-legenden gesellschaftlichen, verfassungsrechtlichenWandlungen haben entsprechende Reformmaßnahmengerade auf einem so stark politisch bestimmten Gebiet wiedem staatlichen Archivwesen zwingend notwendiggemacht , und wichtige Veränderungen sind dementspre-chend eingetreten.1

Das Potential der Archivare, deren Mehrzahl alle ihreBerufserfahrungen im sowjetischen Archivwesen gesam-melt hatte, eine erhebliche institutionelle, personelle undgedankliche Kontinuität und selbstverständlich auch ganzpraktische Überlegungen sorgten aber dafür, dass es kei-neswegs zu einem rigorosen Traditionsbruch gekommenist. Der Leiter der zentralen russischen Archivverwaltung,V. P. Kozlov, traf in einem Bericht über die Arbeitsergeb-nisse des Jahres 2000 auch einige resumierende Feststel-lungen zum vergangenen Jahrzehnt. Der „schwierige,sogar qualvolle Übergang [der russischen Archive] in denanderen rechtlichen, intellektuellen, technologischen,finanziellen, sozialen Zustand“ habe sich „deutlich in dieLänge gezogen“; es sei nun an der Zeit, von einer „Strate-gie des Überlebens der Archive“ auf eine „Strategie derdynamischen Entwicklung“ überzugehen.2

Überblickt man die Zeitspanne von 1988, als anlässlichder Festveranstaltungen zum 70. Jahrestag des „Lenin-schen“ Archivdekrets vom 1. Juni 1918 erstmalig auch fürdas Ausland eindeutig wahrnehmbare Forderungen nachDemokratisierung des damals noch sowjetischen Archiv-wesens erhoben wurden3, bis 1998 (zum ebenfalls beson-ders herausgestellten 80. Jahrestag dieses Dekretes bzw.

1 Vgl. hierzu die Rußland-Berichte in dieser Zeitschrift: Der Archivar(DArch), 49 (1996), 4, Sp. 695–708. – DArch, 51 (1998), 3, Sp. 468–488. –DArch, 54 (2001), 2, S. 128–136.

2 V. P. Kozlov: Rabota arhivnoj sluzv by strany: itogi i perspektivy (DieArbeit des Archivwesens des Landes. Ergebnisse und Perspektiven), in:Otecv estvennye arhivy (O. A.), 10 (2001), 2, S. 8.

3 V. V. Caplin: Demokratizacija – odin iz osnovnyh principov perestrojkiarhivnogo dela (Demokratisierung – eines der Grundprinzipien für dieUmgestaltung des Archivwesens), in: 70 Jahre sozialistisches Archivwe-sen. Materialien einer Unionskonferenz „Die Leninschen Prinzipien dessozialistischen Archivaufbaus – Grundlage für die Umgestaltung undVervollkommnung des Archivwesens“, hrsg.: AHV beim Ministerrat derUdSSR und VNIIDAD, Moskau 1988, S. 78.

des dadurch geschaffenen staatlichen Archivwesens)4 undbis zur Gegenwart, dann wird einem bewusst, wie starksich der Reformprozess in ständigem Wechsel, zuweilenauch Zwiespalt, zwischen Kontinuität und Diskontinuitätbewegt hat und wie mühsam der Weg der Vergangenheits-bewältigung und die Aufarbeitung der dunklen Seiten dersowjetischen Archivgeschichte war und ist.

2. Erste Schritte der Aufarbeitung. Zäsur 1993/1994

Bei einem Blick zurück auf die Entwicklung der letztenZeit ist festzustellen, dass seit Ende der 1980er Jahre, ver-stärkt seit dem Untergang der Sowjetunion 1991, ein regel-rechter „Dokumentenboom“ einsetzte. Zu verstehen wardarunter eine erstmalig umfassende Öffnung der Archivefür in- und ausländische Benutzer, die Ermittlung zahlrei-cher bis dahin geheim gehaltener Dokumente und ihreVeröffentlichung nicht nur in Fachzeitschriften und mehroder weniger professionellen Quellenpublikationen, son-dern auch in Tageszeitungen und allgemeinen, viel gelese-nen Zeitschriften mit hoher Auflagenzahl.

Diese „Glasnost'“- Aktionen leisteten in einer breitenÖffentlichkeit eine wesentliche historisch-politische Auf-klärungsarbeit in der Endphase der Sowjetunion und inden Anfangsjahren der Russischen Föderation und führtein allen Bereichen zur Überprüfung, Korrektur oder Neu-bewertung bisher einseitig, falsch oder wegen der jahr-zehntelang existierenden Tabus gar nicht dargestellterhistorischer Vorgänge. Dies bedeutete auch für denArchivbereich eine bis dahin nicht gekannte Transparenz,erheblich mehr und bessere Informationen über den quan-titativ und qualitativ so bedeutenden Quellenfundus derzahlreichen russischen Archive und nicht zuletzt die –sogleich aktiv genutzte – Möglichkeit, auf der Grundlageeiner sehr erweiterten Quellenbasis die gängigen archiv-geschichtlichen Darstellungen zu überprüfen und teil-weise „umzuschreiben“.

Hervorgehoben seien folgende Arbeiten aus den Jahren1988–1994, die zu einem neuen archivischen Geschichts-bild Wesentliches beigetragen haben: A. P. Pšenicvnyj:Repressionen gegen Archivare in den 1930er Jahren5; E. V.Starostin/T. I. Horhordina: „Mythen und Realität“des „Leninschen“ Archivdekrets6; V. E. Korneev/O. N.Kopylova: Die Archive im Dienste des totalitären Staa-tes, 1918 bis zum Beginn der 1940er Jahre7; und: Der Archi-var in der totalitären Gesellschaft, 1920er bis 1930er Jahre8;V. P. Popov: Staatsterror in Sowjetrußland, 1923–19539;O. V. Peka: Archivdokumente im innerparteilichenKampf der 1920er Jahre10; der große, leider unvollendetgebliebene Aufsatz von V. N. Avtokratov über dieGeschichte der Zentralisierung des Archivwesens in Ruß-land 1917–191811; die von V. Kühlow/A. Jaroslawski

4 V. P. Kozlov: Arhivnaja sluzv ba Rossii i rossijskaja gosudarstvennost':opyt 80 let (Das Archivwesen Rußlands und die russische Staatlichkeit:80-jährige Erfahrungen), in: O. A., 7 (1998), 6, S. 9–17.

5 Sovetskie arhivy, 23 (1988), 6, S. 44–48.6 Archivmitteilungen, 41 (1991), 2, S. 56–64.7 O. A., 1 (1992), 3, S. 13–24.8 O. A., 2 (1993), 5, S. 29–42.9 O. A., 1 (1992), 2, S. 20–31.

10 O. A., 1 (1992), 2, S. 32–37.11 O. A., 2 (1993), 3, S. 9–35, und 4, S. 3–27.

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herausgegebene Publikation über den ersten Leiter derzentralen russischen Archivverwaltung, D. B. Rjaza-nov12; und nicht zuletzt die Monographie von T. I. Hor-hordina mit vielen neuen Fakten zur sowjetischenArchivgeschichte13, auf die noch näher einzugehen ist.

Nach 1993/1994 ist eine solche Dichte der Veröffentli-chungen zur Aufarbeitung der archivischen Vergangen-heit nicht wieder erreicht worden. Die Minderung diesbe-züglicher Aktivitäten nach 1993/1994 hat nun vermutlichzu einem bestimmten Teil damit zu tun, dass manche The-men ausführlich behandelt wurden und somit als „abge-schlossen“ gelten könnten. Es ist aber wohl auch anzuneh-men, dass angesichts der zahlreichen massiven Enthüllun-gen gewisse Ermüdungserscheinungen eingetreten sind,verbunden mit der Meinung, man habe nun erst einmalgenug Aufklärungsarbeit getan. In 1996 veröffentlichten„Analysen russischer Forschungen zu Sozialstruktur, Eli-ten, Parteien, Bewegungen, Interessengruppen undSowjetgeschichte“ heißt es: „In Rußland ist die Aufarbei-tung der Vergangenheit – ohne dass ein Schlussstrichgezogen wurde – von der Tagesordnung abgesetzt.“14

Selbst wenn man dieser Formulierung in ihrer Zuspitzungso nicht folgen will, dürfte die Tendenz der Aussagezutreffen.

Die Jahre 1993/1994 markieren mit den innenpoliti-schen Auseinandersetzungen ab September 1993 und derneuen Verfassung vom Dezember 1993 einen wichtigenEinschnitt in der jüngsten Geschichte der RussischenFöderation auch unter dem Aspekt der – um WolfgangLeonhard zu zitieren – „seit 1993 deutlich erkennbarennational-autoritären Entwicklung Russlands“15. In derrussischen Archivgeschichte ist in dieser Zeit ebenfallseine gewisse Zäsur zu beobachten. Die Anfang der 1990erJahre vollzogenen Liberalisierungsschritte führten fastzwangsläufig zu Problemen, die es zuvor in einem durchGeheimhaltung geprägten Bereich wie dem staatlichenArchivwesen einfach deswegen nicht gegeben hatte, weilheikle Fakten im nationalen Rahmen – international ohne-hin – nicht bekannt waren und die Archivbenutzung aufüberschaubare und gut kontrollierte Fälle beschränkt wer-den konnte.

Als jedoch 1990 erste Veröffentlichungen z.B. über dieExistenz eines Zentralen Staatlichen Sonderarchivs derUdSSR, des 1946 gebildeten und mittlerweile in zahlrei-chen Publikationen behandelten „Beutearchivs“ des Zwei-ten Weltkrieges16, heute vereint mit dem Russischen Staat-lichen Militärarchiv17, erschienen, wurde sehr bald auchdie Frage nach dem Recht auf Eigentum an diesem hierverwahrten Archivgut gestellt. Diese Frage löste im Mai1994 eine heftige „Restitutionsdebatte“ in der RussischenStaatsduma aus, die das umstrittene Archivgut zum russi-schen Staatseigentum erklärte, und ist bekanntlich bis

12 David Rjazanov. Marx-Engels-Forscher – Humanist – Dissident, Berlin1993.

13 T. I. Horhordina: Istorija otecv estva i arhivy, 1917–1980–e gg. (DieGeschichte des Vaterlandes und die Archive, 1917 bis in die 1980erJahre), Moskau 1994, 357 S.

14 Sozialwissenschaft in Rußland, Bd. 1, hrsg. von I. Oswald u. a., Berlin1996, S. 196.

15 W. Leonhard: Spiel mit dem Feuer. Rußlands schmerzhafter Weg zurDemokratie, Bergisch-Gladbach 1996, S. 316.

16 Arhivy Rossii. Moskva i St. Peterburg (Archive Rußlands. Moskau undSt. Petersburg, Handbuch und bibliographischer Nachweis), Verantw.Redakteure: V. P. Kozlov und P. K. Grimsted, Moskau 1997, S. 212–216.

17 DArch, 54 (2001), 2, S. 132.

heute im größeren Rahmen des „Beutekunst“-Problemsaktuell geblieben.18

Die Bedenken gegen einen „Ausverkauf“ der russi-schen Archive, z. B. auf dem Wege einer massenhaftenVerfilmung von Archivgut und entsprechendem Erwerbvon Dokumenten-Kopien durch westliche Archiv- undForschungsinstitutionen, führten seit 1993 zu größererZurückhaltung in der Benutzungspolitik. Bei allen im Ver-gleich zu sowjetischen Zeiten offensichtlichen und blei-benden Fortschritten traten wieder gewisse Benutzungs-beschränkungen ein; 1991/1992 schon einmal vollzogene„Freigaben“ von Archivdokumenten wurden rückgängiggemacht19 ; die „Desekretierung“ von Dokumenten zumTeil weit außerhalb der 30–Jahresfrist und oft ohne jedeneinen Geheimnisschutz rechtfertigenden Inhalt ging – undgeht – mühsam voran20.

Man muss die hier angedeuteten Erscheinungen alseine Reaktion auf eine – immer gemessen an der Aus-gangslage – zu schnelle und in Teilbereichen möglicher-weise zu weitgehende Liberalisierung, teilweise auchKommerzialisierung, des Benutzungsbetriebes sehen.Dauerhafte Lösungen werden sich eben nur unter Berück-sichtigung der eigenen Tradition bzw. aus einem Kompro-miss zwischen den neuen Anforderungen und den nochtragenden Teilen der eigenen Tradition finden lassen; unddiese ist im Falle Rußlands weit mehr, als man zuweilenwahrhaben will, eine in vieler Hinsicht durch die sowjeti-sche Archivtheorie und -praxis geprägte Tradition.

3. Das Buch von T. I. Horhordina „Geschichte des Vater-landes und die Archive“ und Reaktionen darauf

Ein deutlicher Zwiespalt zwischen dem herkömmlichenGeschichtsbild und den neueren und neuesten histori-schen Forschungsergebnissen zeigt sich, wenn es um diesowjetische Archivgeschichte insgesamt und vor allem umSicht und Bewertung ihrer problematischen Abschnittegeht. T. I. Horhordina hat in ihrem oben zitierten Buch21

wichtige Teilabschnitte der sowjetischen Archivgeschichtevon 1917 bis in die 1980er Jahre im Kontext der – wie es imBuchtitel heißt – „Geschichte des Vaterlandes“ behandeltund dabei die politischen Aspekte, die Einbindung derArchive in das politische System, hervorgehoben. Zeitlichliegt der Schwerpunkt ihrer Arbeit – entgegen dem umfas-senderen Titel – bei den Jahren 1917–1945 (285 der insge-samt 357 Seiten betreffen diesen Zeitraum). Den besonde-ren Wert der Publikation macht die Übermittlung zahlrei-cher bisher nicht oder kaum bekannter Fakten aus, die dieVerfasserin sogleich nach Öffnung der Archive Anfang der1990er Jahre aus meist erstmalig zugänglichen Quellengeschöpft und anerkennenswert schnell in ihrem Buchverarbeitet oder mitgeteilt hat.

Hingewiesen sei auf wichtige Aussagen zu folgendenProblemen: Entstehung eines staatlichen Archivwesens inRußland 1917/1918 und in diesem Zusammenhang eine

18 Kai von Jena: Die Rückführung deutscher Akten aus Rußland – eineunerledigte Aufgabe, in: Kahlenberg-Festschrift (Schriften des Bundesar-chivs, Bd. 57), S. 391–420.

19 DArch, 49 (1996), 4, Sp. 701 f. – DArch, 51 (1998), 3, Sp. 469.20 DArch, 54 (2001), 2, S. 133 – o. A. 10 (2001), 5, S. 3–10.21 Vgl. Fußnote 13.

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historisch-kritische Wertung des „Leninschen“ Archivde-krets; Ausschaltung der „bürgerlichen“ Archivreformerund Politisierung der Archive; Unterwanderung der Zen-tralisierung des Archivwesens durch Sonderentwicklungder Parteiarchive und der Archive der „Machtbehörden“;„Säuberungen“ der Archive und Repressionen – von derEntlassung bis zur Ermordung – gegen Archivare; „Maku-latur-Kampagnen“ zur Gewinnung von Papier-Rohstoffzu volkswirtschaftlichen Zwecken mit erheblichenArchivgut-Verlusten; Entwicklung eines „administrativenKommandosystems“ mit dem Höhepunkt – oder Tief-punkt – der Zugehörigkeit der Staatsarchive und ihrerzentralen Leitung zum Behördensystem des Volkskom-missariats/Ministeriums des Innern 1938–1960 – in seinerFunktion als Staatssicherheitsdienst und politischer Poli-zei bekannt unter seiner russisch-sprachigen AbkürzungNKWD.

Horhordina schreibt: „In der Tat wurde in den 40er-50er Jahren der in den 30er Jahren begonnene Prozess einervollständigen und bedingungslosen Unterwerfung desgesamten Archivsystems unter das totalitäre Regimeabgeschlossen. Man kann sogar sagen, dass dies ein zielge-richteter Schritt zurück, gewissermaßen ein Zurückwerfender Archivorganisation in die Zeiten der Massenrepressio-nen und ‚Makulatur-Kampagnen‘ war. Die Besonderheitlag nur in Einem: ‚Repressiert‘ wurden nun nicht so sehrdie Archivare (...) als vielmehr die Archive selbst insge-samt und auch einzelne Archivbestände, was sich in ihrertotalen Schließung und in der gewaltsamen Isolierunggewaltiger Komplexe historischer Quellen von der Gesell-schaft zeigte. In diesen Jahren wird die Bildung eines‚archivischen GULAGs‘ in gesamtnationalem Rahmenabgeschlossen.“ (S. 286f.) Horhordina betont, der Begriff„archivischer GULAG“ sei nicht metaphorisch, sondernsehr real gemeint und nennt als über Jahrzehnte geheimgehaltene „Gefangene“ dieses „GULAG“s z. B. das 1945/1946 aus Prag übernommene Russische Historische Aus-landsarchiv, das große Archiv der russischen Emigration(S. 287ff.), und das oben erwähnte „Sonderarchiv“(S. 291f.).

Die vorstehenden, ausgewählten Inhaltsangaben ver-deutlichen lediglich das Hauptanliegen des Buches, näm-lich eine revidierte Beurteilung des sowjetischen Archiv-wesens und die neuen Forschungsansätze. Es ist hier nichtdie Gelegenheit, das Buch im Einzelnen zu würdigen.Noch einmal soll sehr anerkennend betont werden, dassdie Autorin das schwierige und so wichtige Thema gleichnach Freigabe einschlägiger Archivquellen in Angriffgenommen und damit eine Pioniertat vollbracht hat.

Gewiss sind manche Einwände möglich. Die bereitserwähnte erhebliche Disproportion zwischen den chrono-logisch aufgebauten Kapiteln führt in der Darbietung desStoffes zu einem großen Übergewicht der Zeit bis 1945(knapp sechs Siebentel des Gesamtumfanges), das in die-sem Maße – bei aller Anerkennung der besonderen Bedeu-tung der Aufbauphase des Archivwesens und der 1930erund 1940er Jahre – problematisch erscheint. Die zuweilenetwas unsystematische Vermischung politischer, organisa-torischer, archivpraktischer und archivtheoretischerAspekte, der Fragen der Benutzung, Bewertung undBestandsergänzung, Dokumentenpublikation u. a.erschwert nicht nur das Lesen, sondern wird auch derBedeutung und dem Eigengewicht ganzer Teilbereichearchivarischer Tätigkeit häufig nicht gerecht. Hier wäre

weniger mehr gewesen. Die Autorin hat allerdings selbstihre Darlegungen als „lediglich erste Schritte“ in der vonihr eingeschlagenen Richtung archivgeschichtlicher For-schung bezeichnet, denen weitere folgen sollen (S. 5) und –so darf hinzugefügt werden – im Interesse der Überprü-fung und Präzisierung mancher Einschätzungen folgenmüssen.

Mit der Reaktion auf das Buch von Horhordina tatensich die russischen Kollegen etwas schwer. Eine Rezensionin der Fachzeitschrift von A. N. Artizov, seit Januar 2001erster Stellvertreter des Leiters der zentralen russischenArchiverwaltung22, erschien mit beträchtlicher Verspä-tung erst 1998, also vier Jahre nach Veröffentlichung desBuches, und dort hieß es, in der Archivverwaltung seierwogen worden, ob „es nützlich wäre, eine Diskussion zuorganisieren, Rezensionen oder Entgegnungen vorzube-reiten“; aber „irgendwie“ habe sich „dieser allgemeineWunsch als unerfüllbar erwiesen“.23

Interessante Meinungsäußerungen gab es dennoch, sovon V. V. Caplin, langjähriger leitender Mitarbeiter dersowjetischen Archivhauptverwaltung und 1977–1990Direktor des Zentralen Staatsarchivs der Volkswirtschaftder UdSSR24, der sich nicht nur mit einigen ÄußerungenHorhordinas auseinander setzte, sondern mit einem Auf-satz über die „Nachkriegsleiter des sowjetischen Archiv-wesens“ bemüht war, ihrer Darstellung seine Sicht als„Zeitzeuge“ entgegenzusetzen.25 Caplin stimmte in derEinleitung zu diesem Aufsatz Horhordina in vielen Punk-ten zu, z.B. in bezug auf „jene missliche politische Linien-treue“ einer Mehrheit leitender, oft auch einfacher Mitar-beiter der Archivbehörde fachfremden Instruktionengegenüber (S. 11). Ihre Überlegungen zum „Dokumenten-GULAG“ wies er jedoch als beleidigend zurück (S. 12) undforderte dazu auf, in archivgeschichtlichen Untersuchun-gen „den Mechanismus der fehlerhaften Handlungen auf-zudecken und diese nicht undifferenziert dem administra-tiven Kommandosystem zuzuschreiben“, welches „dochwirklich nicht nur aus einzigen Mängeln“ bestanden habe(S. 11).

Dem Grundanliegen der Differenzierung folgten imKern auch die Rezension von Artizov 1998 und andereMeinungsäußerungen im gleichen Jahr, das mit dem 80.Jahrestag des russischen/sowjetischen staatlichen Archiv-wesens zu solchen Überlegungen besonderen Anlass bot.Artizov26 betonte die Notwendigkeit, das jahrzehntelangzusammenfassend in Monographien nicht behandelte,„jedem nicht gleichgültigen Archivar nahestehende“Thema der sowjetischen Archivgeschichte aufzugreifen(S. 117). Nach den „begeistert zustimmenden“ Büchernvon A. V. C

v

ernov, I. L. Majakovskij und V. V. Maksa-kov27, die ein „idyllisches Bild gezeichnet“ hätten, zeigenun Horhordina „die andere Seite der Medaille“, (...) „diefinsteren, früher verschwiegenen Seiten der Geschichte

22 O. A., 10 (2001), 2, S. 126.23 Rezension von A. N. Artizov, in: O. A., 7 (1998), 2, S. 117.24 Vgl. Fußnote 3.25 V. V. Caplin: Die Nachkriegsleiter des sowjetischen Archivwesens: Ihr

Einfluss auf seine Entwicklung – Eindrücke eines Archivars, in: O. A., 4(1995), 5, S. 11–23.

26 Vgl. Fußnote 23.27 Deutsche Übersetzung der russisch-sprachigen Titel: A. V. C

vernov:

Geschichte und Organisation des Archivwesens in der UdSSR, Moskau1940; I. L. Majakovskij: Abriss der Geschichte des Archivwesens in derUdSSR, Moskau 1960; V. V. Maksakov: Das Archivwesen in den erstenJahren der Sowjetmacht, Moskau 1959; Ders.: Geschichte und Organisa-tion des Archivwesens in der UdSSR. 1917–1945, Moskau 1969.

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des sowjetischen Archivwesens“. Eine „so radikale Schil-derung der Vergangenheit“ sei „unbedingt berechtigt undin gewissem Sinne nützlich“; sie leiste „durch Aufdeckenund Erhellen des früher lügenhaft Verschütteten oder Ver-schwiegenen (...) eine Art reinigender Arbeit“. Das Buchkönne aber „weder das Thema ‚Macht und Archive‘erschöpfend behandeln (...), noch die aktuelle Frage nachdem von dem sowjetischen Archivwesen und der sowjeti-schen Archivwissenschaft hinterlassenen Erbe beantwor-ten“ (S. 119).

Artizov fragte, ob das sowjetische Archivwesen „nurdas die Partei- und Staatsführung und die ‚Dienste‘ blindbedienende ideologisierte Ungeheuer“ gewesen sei undob „unsere Vergangenheit so trostlos“ erscheine, dass manheute von „Traditionen und Kontinuität nicht mehr spre-chen“ dürfe und „sich von den Erfahrungen der vergange-nen Jahre abgrenzen“ müsse. Er verneinte diese Frage mitdem Hinweis, neben den „dunklen und tragischen Seiten“habe es im sowjetischen Archivwesen Errungenschaftengegeben, „die wir nicht vergessen und auf die wir zu Rechtstolz sein dürfen“, und nannte z. B. das über das ganzeLand verbreitete Archivnetz, international anerkanntearchivwissenschaftliche Ergebnisse, etwa die der sowjeti-schen Bewertungstheorie (S. 119), und die nicht geringenMittel, die die „vergangene Macht“ für den Archivbauund die sonstige Finanzierung der „materiell technischenBasis“ der Archive bereitgestellt habe (S. 120). Der Beto-nung dieses Punktes kommt heute angesichts der außeror-dentlich bedrängten wirtschaftlichen Lage der russischenArchive, über die auch in dieser Zeitschrift wiederholtberichtet wurde28 und die sich ab 1999 etwas gebessert zuhaben scheint29, eine besondere Bedeutung zu.

4. Weitere Gedanken zum Thema „Erbe und Tradition“

Die verständliche und richtige Tendenz der Differenzie-rung zeigt sich auch in anderen Beiträgen. So verwies derChefredakteur der Otecvestvennye arhivy 1998 auf das 75-jährige Jubiläum dieser – seit 1992 erscheinenden – Zeit-schrift unter Einbeziehung aller ihrer Vorgänger, begin-nend mit Arhivnoe delo (seit 1923), deren beste Traditionenman fortsetzen wolle. „Ungeachtet einer gewissen Politi-sierung“ seien viele der dort veröffentlichten Beiträge „fürdie Entwicklung des Archivwesens und für seineGeschichte von bleibender Bedeutung“30, was nicht zubestreiten ist.

A. V. Elpat’evskij, früher stellvertretender Leiter derArchivhauptverwaltung der UdSSR31, behandelte die Ent-stehungsgeschichte der hauptsächlichen methodischenNormativ-Dokumente der Sowjetzeit nicht nur unterhistorischen Gesichtspunkten, sondern mit deutlich aktu-ellem Bezug auf die „wesentlichen gesellschaftlichen undökonomischen Veränderungen der letzten Jahre“ in Ruß-

28 Zuletzt: DArch, 54 (2001), 2, S. 129 f.29 V. P. Kozlov (wie Fußnote 2), S. 6, konstatierte für 1999 und 2000 eine

„Stabilisierung der Wirtschaft“ und eine entsprechende Verbesserungder Finanzierung des Archivwesens, deren Beständigkeit im Rahmendes „Zielprogramms ‚Kultur Rußlands 2001–2005‘, Unterprogramm‚Archive Rußlands‘“ zu erhoffen ist; zum „Unterprogramm ‚ArchiveRußlands‘“ siehe: O. A., 10 (2001), 1, S. 5–9.

30 O. A., 7 (1998), 1, S. 3.31 O. A., 10 (2001), 2, S. 125.

land, die „eine ernsthafte Erneuerung der normativ-methodischen Basis der Archivarbeit“ erforderten. Dieszwinge dazu, sich mit deren Entstehungsgeschichte zubeschäftigen.32 Mit anderen Worten: Man kann nur erneu-ern, was man hinsichtlich der historischen Wurzeln unddes Entstehungszweckes gut kennt, um zu entscheiden,welche Richtlinien in welchen Teilen übernehmbar sind –bzw. schon aus praktischen Gründen übernommen wer-den müssen – und welche nicht.

Ein Beispiel hierfür sind die „Grundregeln für dieArbeit der Staatsarchive“ von 1984, einheitliche Instruk-tionen für folgende Gebiete: Organisation, Bildung,Abgrenzung und innere Ordnung der Bestände; Siche-rung des Archivgutes; staatliche Registrierung der Doku-mente; Erschließung, Findhilfsmittel; Bewertung undBestandsergänzung; Kontrolle der Schriftgutverwaltungund der Verwaltungsarchive bei den Behörden; Benut-zung und Dokumentenpublikationen; Forschung undmethodische Arbeit der Archive; Arbeitsorganisation.33

Die „Grundregeln“ sollten Anfang der 1990er Jahrezunächst nur präzisiert und ergänzt werden, wurden dannaber ab 1996 doch einer komplexen Neubearbeitungunterzogen34, deren Abschluss sich aber wohl verzögert.35

Dabei liegt auf der Hand, dass die stark „ideologisierten“und/oder archivorganisatorisch überholten Kapitelanders behandelt und bewertet werden müssen als dieweitgehend „neutralen“ Abschnitte über die „technische“Bestandsbearbeitung.

In diesem Sinne sind die Äußerungen von M. V. Larin,Direktor des Russischen Forschungsinstitutes für Doku-mentenkunde und Archivwesen, in einem kurzen Berichtüber die Neufassung der „Grundregeln“ zu verstehen:„Die neuen Regeln müssen Tradition und Kontinuität inden theoretischen Grundsätzen, der Methodik und bei derErledigung der hauptsächlichen Arbeiten mit den Archiv-dokumenten bewahren, (...) damit deren Einführung nichtdie Notwendigkeit nach sich zieht, schon Gemachtesumzuarbeiten und Arbeiten an den Archivbeständen zuwiederholen. Ausgeschlossen werden muss ein aufwendi-ger Mechanismus der Revision der alten und der Einfüh-rung neuer Anforderungen und Normen“36, ein sehrnüchternes und realitätsbezogenes Votum in der „Erbe-Diskussion“.

Eine von der russischen Archivverwaltung und derHistoriker-Archivars-Gesellschaft am 27. und 28. Oktober1998 veranstaltete Konferenz zum 80. Jahrestag des durchdas „Leninsche“ Archivdekret vom 1. Juni 1918 begründe-ten „Archivdienstes Rußlands als staatlicher Struktur“unter dem Motto „Die Archive Rußlands im Dienste derPersönlichkeit, der Gesellschaft und des Staates“37 ver-deutlichte die enge Verbindung der Probleme der Gegen-wart und der Vergangenheit in besonderer Weise: Einer-seits die Betonung – u. a. durch das nicht zufällig gewählteMotto der Konferenz – der „für die Archive und Archivare

32 A. V. Elpat’evskij: Iz istorii formirovanija osnovnyh normativno-metodicv eskih dokumentov otecvestvennogo arhivnogo dela, 1918–1990(Aus der Entstehungsgeschichte der hauptsächlichen methodischenNormativ-Dokumente des vaterländischen Archivwesens, 1918–1990),in: O. A., 7 (1998), 4, S. 16.

33 Zum Inhalt der „Grundregeln“ vgl. Archivmitteilungen, 36 (1986), 5,S. 175 f.

34 Elpat’evskij, (wie Fußnote 32), S. 23.35 V. P. Kozlov (wie Fußnote 2), S. 8.36 O. A., 6 (1997), 2, S. 105.37 Bericht über die Veranstaltung, O. A., 7, (1998), 6, S. 5.

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neuen Situation“, dass „die Interessen der Persönlichkeitund des einzelnen Nutzers nach und nach vorrangig wür-den“ und es „zur Realisierung der in der Verfassunggarantierten Rechte sowohl auf Information als auch aufdas persönliche und Familiengeheimnis notwendig sei,bestimmte Bedingungen zu schaffen“.38 Andererseits –neben dieser bewussten und gezielten Orientierung aufdie einschneidenden politischen und gesellschaftlichenVeränderungen seit 1991/1992 im nachsowjetischen Ruß-land – der schon mit dem Anlass der Konferenz gegebenedeutliche Hinweis auf die Kontinuität einer 80-jährigenEntwicklung.

Der Leiter der russischen Archivverwaltung, V. P.Kozlov, hielt auf dieser Konferenz ein Grundsatzreferatzum Thema „Das Archivwesen Rußlands und die russi-sche Staatlichkeit: 80-jährige Erfahrungen“.39 Aus diesenErfahrungen seien „wichtige Lehren für die Gegenwart“zu ziehen. Etwa 70 Jahre lang habe das Archivwesen desLandes „unter den Bedingungen eines totalitären Staates“gearbeitet. Der Staatliche Archivdienst sei für das Archiv-gut dieses Staates zuständig und zugleich Teil seiner Ein-richtungen gewesen. Dieser Staat habe jedoch einenbedeutenden Teil der Weltbevölkerung auf seinem Territo-rium vereint und internationale Anerkennung gefunden.Insofern dürfe man die Erfahrungen aus der Vergangen-heit nicht nur unter dem Aspekt des totalitären Staatessehen, sondern müsse auch die „allgemein anerkanntenunveränderlichen Interessen und Werte“ (...) “einfach desStaates“ (Hervorhebungen von mir, H. S.) berücksichtigen(S. 9).

Die Machthaber hätten „die politische und ideologischeRolle der ererbten und der neu geschaffenen Archivdoku-mente breit genutzt“. Das täte jeder Staat und dies sei ansich nichts Ungewöhnliches, wenn man in diesem Fallnicht leider von einer „tiefen und überall vorkommendenVerfälschung der Geschichte der Völker unseres Landes,von der Verheimlichung und dem Vergessen nationalerHeiligtümer“ sprechen müsse. Erstmalig in der russischenGeschichte seien nach 1918 die Archive auf staatlicherEbene als „selbständige Haushaltsobjekte anerkannt“worden, was die Finanzierung von Zweckbauten, die Aus-bildung von Fachkräften usw. ermöglicht habe. Zwarkönne man mit dem damals Geschaffenen nicht zufriedensein, heute sei es aber wichtig, daran zu erinnern, „dassdas neue Rußland 1991 keineswegs die schlechtesteArchiv-Infrastruktur der Welt übernommen hat“ (S. 10).

„Trotz der Verluste in den Zeiten der politischen undmilitärischen Katastrophen, der bewussten Dokumenten-Vernichtungen und Makulatur-Kampagnen“ sei eineumfangreiche und vielseitige Quellenbasis erhalten

38 Ebd., S. 6.39 V. P. Kozlov (wie Fußnote 4).

geblieben (S. 11). „Ideologisch begründete Einschränkun-gen des Zuganges zu ganzen Dokumentenkomplexen unddie Auswahl und Veröffentlichung von Dokumenten nachkünstlich geschaffenen und offiziell bestätigten Schematades welthistorischen Prozesses“ hätten zwar „einseitigeVorstellungen über die russische und die Weltgeschichte“entstehen lassen und die Geschichte des Russischen Staa-tes bedeutender Figuren beraubt, „auf die die Russen stolzsind“ (S. 12). Dennoch seien in den Jahren der Sowjet-macht durchaus auch wissenschaftlich wertvolle „funda-mentale akademische Dokumentenpublikationen“ undFindhilfsmittel entstanden, die bis heute effektive Infor-mationsrecherchen ermöglichten; viele der damals erar-beiteten normativ-methodischen Richtlinien entsprächen– „die ideologischen Schablonen ausgenommen“ – insge-samt professionellen Kriterien (S. 13).

Die hier zitierten Äußerungen von V. P. Kozlov undanderen führenden Fachleuten lassen eine differenzierte,sehr sachbezogene Sicht auf die sowjetische Vergangen-heit und ihre in die Gegenwart reichende Wirkung erken-nen. Manche Argumente gewinnen ein besonderesGewicht aus der aktuellen Lage: In Zeiten großer wirt-schaftlicher Schwierigkeiten40 wird man sich z. B. gerne anfrühere Jahre mit einer vergleichsweise verlässlichenFinanzierung des Archivwesens erinnern. Und wenn manauf das 1997 in russischer und englischer Sprache erschie-nene Handbuch mit ausführlichen Bestandsinformationenallein über die Moskauer und Petersburger Archive –reichlich 100041 Seiten – verweisen kann, dann ist das einüberzeugendes Argument für die Feststellung, es stehetrotz aller Verluste eine sehr umfang- und inhaltsreicheQuellenbasis zur Erforschung der russischen und sowjeti-schen Geschichte zur Verfügung.

Unabhängig jedoch von solchen konkreten Punkten isteine differenzierende Betrachtungsweise generell notwen-dig, die sowohl die dunklen und tragischen Seiten derArchivgeschichte als auch die dennoch erbrachten fachli-chen und sonstigen Leistungen im Blickfeld hat und dieweder Repressionen und politischen Dogmatismus nochfachlich anerkannte Ergebnisse der praktischen Arbeitoder des theoretischen Denkens leugnet. Die Beachtungaller dieser Aspekte wird nicht leicht sein und zuweileneine schwierige Gratwanderung zwischen Distanzierungund Anerkennung bedeuten. Aber nur so, durch eine Dar-stellung, die die frühere Schwarz-Weiß-Malerei nichtdurch eine neue ersetzt, können die archivgeschichtlichenEntwicklungen und Ereignisse nach 1917/1918 einer aus-gewogenen Bewertung näher gebracht und mancheErscheinungen der gegenwärtigen Archivpolitik im histo-rischen Zusammenhang erklärt werden.

40 Vgl. Fußnote 29.41 Vgl. Fußnote 16.

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Quellen zur Geschichte der deutschen Amerika-AuswanderungVon Kornelia Panek

Einige Gedanken vorweg...

Bereits seit einigen Jahren nehmen die ThemenbereicheMobilität und Migration einen besonderen Stellenwert inder gesellschaftlichen Diskussion ein. Gleichzeitig werdendie weltweiten Informations-, Kommunikations- und Ver-kehrsnetze immer enger geknüpft, räumliche und kultu-relle Distanzen werden scheinbar immer schneller über-brückt. Aber trotz aller Euphorie und Erwartungen, dieder Entwurf eines „Global Village“ in sich trägt, bleibenVorbehalte und Unsicherheiten. Die Angst vor demNeuen, dem Fremden und den Fremden ist weit verbrei-tet. Aktuelle politische und gesellschaftliche Aufklärungkann dazu beitragen, diese Vorbehalte abzubauen. Aberauch eine historische Perspektive kann helfen, eine andereEinstellung zu „modernen“ Problemen zu entwickeln.Zwar wird der „Blick in die Geschichte“ keine Patent-lösungen für gegenwärtige Fragen liefern können. Er kannjedoch auf analoge Entwicklungen verweisen und darinenthaltene Chancen, Risiken und Alternativen für heuti-ges Handeln aufdecken. Kommt zudem ein regionalerund vielleicht auch ein personaler Ansatz hinzu, wird dieEinordnung übergeordneter Phänomene und Strukturenin die Lebenswelt und den Erfahrungshorizont des Einzel-nen erleichtert.

Einen besonderen Beitrag, heutige Formen und Folgenvon Mobilität und Migration zu verstehen, liefert die Aus-einandersetzung mit der Geschichte der deutschen Ame-rika-Auswanderung. Waren es seit dem Ende der 1970erJahre zunächst die großen, übergreifenden Forschungs-projekte an den Universitäten, etwa in Berlin, Bochum undHamburg, kamen im Laufe der Zeit regionale und lokaleArbeiten von Wissenschaftlern und Laien hinzu. Auf dieseWeise wurde die „Geschichte im Großen“ mit mikrohisto-rischen Bausteinen ergänzt und akzentuiert. Außerdemkonnten durch erweiterte Fragestellungen und Methoden,etwa der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, neue Quellen(z. B. Auswandererbriefe) für die Forschung erschlossenwerden.

Ausgehend von einer einzigen Quelle, einem Auswan-derertagebuch aus dem Jahre 1764, entwickelte sich beimRheinischen Freilichtmuseum Kommern seit 1997 einregionales Projekt,1 in dessen Mittelpunkt die Auswande-rung aus dem Rheinland nach Nordamerika steht. Die fol-genden Gedanken über Quellen zur Geschichte der Aus-wanderung gründen zu einem großen Teil auf den Erfah-rungen, die ich während meiner Tätigkeit im Rahmen die-ses Projekts machen konnte. Dieser Beitrag versteht sichdaher auch weniger als eine vollständige Aufzählung undDiskussion aller vorhandenen Quellengattungen und

1 Die Ausstellung „Schöne Neue Welt – Rheinländer erobern Amerika“ istbis Ende Oktober 2002 im Rheinischen Freilichtmuseum Kommern –Landesmuseum für Volkskunde zu sehen. Bereits im Jahr 2000 fand einwissenschaftliches Symposium zu diesem Thema in der Abtei Brauwei-ler statt. Informationen dazu finden sich im Internet unter www.migra-tion.lvr.de.

deren Lokalisierung in bestimmten Archiven, sondernvielmehr als ein Bericht aus der Forschungspraxis.2

Aller Anfang...

Manchmal fängt alles mit ein paar familiären Gerüchtenan. Da soll es doch einen Urgroßonkel gegeben haben, dersich bei Nacht und Nebel nach Amerika aufgemacht hat,um dem ein oder anderen Anspruch an ihn zu entgehen.Manchmal sind die Dinge auch viel handfester. Ein Bündelalter, kaum lesbarer Briefe mit einem Absender aus denUSA findet sich im Nachlass einer alten Verwandten. DieNeugier ist geweckt, man möchte mehr über den Men-schen erfahren, der sich da vor langer Zeit in die Neue Weltaufgemacht hat. Wer war dieser Mann oder diese Frau,weshalb ging er nach Amerika und welche Spuren hat erhinterlassen? Diese Fragen haben auch zahlreiche privateForscher gestellt, die vom Kommerner Auswanderungs-projekt gehört hatten und die Hilfe bei ihren Recherchennach ausgewanderten Vorfahren erhofften.

Ob nun im Mittelpunkt der Forschungsarbeit eine ein-zelne Person oder das Auswanderungsgeschehen in einerganzen Region stehen, so zeigt sich doch relativ schnell,dass das Thema Auswanderung enorm weit aufgefächertund die Zahl der relevanten Quellen entsprechendumfangreich ist: Quellen aus dem HerkunftslandDeutschland werden durch Quellen aus Amerika, demZiel der Auswanderer, ergänzt. Quantitativ-statistischeBefunde stehen qualitativen gegenüber, staatliche Überlie-ferungen halbstaatlichen und privaten. Einige Quellenberühren unmittelbar den Auswanderungsprozess odersind darin entstanden. Andere Quellen sprechen erstsekundär über Auswanderung. Mikrohistorische Aus-sagen vervollständigen makrohistorische Erkenntnisse.

Um dabei für die eigene Fragestellung die Spreu vomWeizen zu trennen, bietet es sich an, sich den Ablauf unddie Rahmenbedingungen einer Auswanderung für denbetrachteten Zeitraum vor Augen zu führen und die Quel-lensuche entsprechend zu strukturieren. – Spätestensdann, wenn man einen Blick ins Internet geworfen hat.

www oder das Netz der (un-)begrenztenMöglichkeiten...

Was vor einigen Jahren noch ins Reich der Utopiengehörte, ist heute längst Alltag geworden. Dank der Mög-lichkeiten des Internets kann man beinahe an jedem Ort,zu jeder Zeit, auf jede erdenkliche Frage eine Antwortbekommen. Forscher aller Couleur haben sich das

2 Einen nach wie vor guten Überblick über Auswanderungsquellen in ver-schiedenen deutschen Archiven gibt die Zusammenfassung des quellen-kundlichen Rundgesprächs auf dem 52. Deutschen Archivtag 1978. DerArchivar Jg. 32, 1979, Heft 1, Sp. 49–74.

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Medium zu Nutze gemacht und durch die schnelle Infor-mation viel Arbeitszeit, Reisen und auswärtige Recher-chen sparen können. Auch ich möchte auf dieses Hilfsmit-tel nicht mehr verzichten und bin von seinen Vorteilenüberzeugt. Doch das, was auf der einen Seite ein Vorzugist, kann sehr leicht auf der anderen auch zu einer Kruxwerden.

Am Anfang steht die Suchmaschine. Sie ist oftmals dererste Schritt, sich dem ausgewählten Forschungsgegen-stand zu nähern. Gibt man etwa in die sehr umfassendeSuchmaschine „Google“ das Stichwort „Auswanderung“ein, erhält man 23.600 Treffer angezeigt. Präzisiert man dieAbfrage „Auswanderung“ um ein weiteres Stichwort„Quellen“ kommt Google immerhin noch auf 2.820 Such-ergebnisse. Auch die US-Version von Yahoo gibt mit 844Seiten und Hinweisen auf weitere Kategorien eine nichtgerade knappe Antwort auf die Frage nach „Immigra-tion“. Ganz schnell hat sich so vor dem Suchenden einimmenser Berg an Informationen aufgetürmt, für den ermit den klassischen Methoden des Bibliographierens undRecherchierens unendlich viel mehr Zeit hätte aufwendenmüssen – der jedoch auch von seinem Umfang her erst ein-mal bearbeitet und beurteilt werden will. Denn die bloßeQuantität der Ergebnisse lässt nicht unbedingt Rück-schlüsse auf ihren Aussagewert zu.

Betrachtet man die über 23.000 Suchergebnisse vonGoogle zum Thema „Auswanderung“ etwas genauer, tutsich ein vielfältiges und vor allem unstrukturiertes Spek-trum an Hinweisen und Homepages auf. Dies reicht vonder Dokumentation eines deutsch-amerikanischen Schul-projekts über eine Sammlung des Volksliedarchivs Frei-burg von „Liedern deutscher Auswanderer nach Ame-rika“, Informationen des Bundesverwaltungsamtes fürmoderne Auswanderer, Bibliographien und Buchempfeh-lungen, familienkundlichen Kompilationen, unzähligenlokalhistorischen Arbeiten von Heimat- und Geschichts-vereinen bis hin zu einer „Real Life Soap“, bei der eineWebcam einen Blick in das in Colorado gelegene Wohn-zimmer einer deutschen Auswandererfamilie gewährt.Dazwischen tauchen Verweise auf Quellenbestände undDatenbanken auf, die von verschiedenen Archiven, For-schungsstellen, Universitäten und Museen ins Netzgestellt wurden.

Es zeigt sich, dass das Internet eine Fundgrube mit Tü-cken ist. Man kann auf wertvolle und unerwartete Aus-künfte stoßen, die helfen, die eigenen Forschungsanstren-gungen voranzubringen. Gleichzeitig sieht man sich auchmit Informationen von durchaus zweifelhafter Qualitätkonfrontiert, die durch das Medium Internet und die darinliegenden Layout- und Designmöglichkeiten nicht unbe-dingt besser werden. An dieser Stelle bewahrheitet sichdann leider sehr oft die Weisheit, dass es keine dummenFragen, sondern nur dumme Antworten gibt. Darüberhinaus muss sich der Forschende darüber im Klaren sein,dass im World Wide Web tatsächlich nur das zu finden ist,was dort hineingestellt wurde und trotz aller Masse die einoder andere Suche erfolglos bleibt.

Frühe Spuren der Auswanderer...

Von Beginn der systematischen und kontinuierlichenBesiedlung Nordamerikas durch die Europäer an – vor

allem seit dem 17. Jahrhundert – lassen sich in ihren Rei-hen Deutsche finden. Nach wie vor gilt jedoch die Ankunftder ersten größeren Gruppe 1683, der 13 Familien vomNiederrhein, als Beginn der deutschen Amerika-Einwan-derung. Wieviele Deutsche bis zum Ende des 18. Jahrhun-derts den Schritt in die Neue Welt wagten, lässt sich nurannähernd bestimmen. Denn im Vergleich zur Überliefe-rung im 19. Jahrhundert gibt es nur wenige verstreuteQuellen, die eine Auskunft über das Auswanderungs-geschehen und den Auswanderungsumfang im 18. Jahr-hundert geben. Neueste Schätzungen gehen von ungefähr130.000 Migranten im Zeitraum von 1683 bis 1800 aus.3

Eine restriktive Auswanderungspolitik der einzelnen Lan-desherrschaften, die eingeschränkten Informationsmög-lichkeiten, die noch wenig entwickelten Transportmittelund die hohen Reisekosten trugen das ihre dazu bei, dieZahl der Pioniere gering zu halten. Im Geiste des Kamera-lismus war man in den Territorien darauf bedacht, denBevölkerungszuwachs zu fördern, um das wirtschaftliche,steuerliche und militärische Potential zu stärken. So warenAuswanderung und Werbung zur Auswanderung zeit-weise in einigen deutschen Staaten verboten oder anstrenge Auflagen gebunden. Die Genehmigung zur Emi-gration erteilte die jeweilige Herrschaft häufig erst nacheinem komplizierten bürokratischen Verfahren mit zahl-reichen Warnungen und Ermahnungen, an dessen Endeder Verzicht auf das Gemeinde- und Staatsbürgerrechtstand. Erst in der Folge der Französischen Revolutionsetzte sich der Gedanke der Freizügigkeit des Einzelnendurch.4

Detaillierte, zeitgenössische Listen oder Statistiken zurNordamerika-Auswanderung, womöglich mit Informa-tionen zu individuellen Schicksalen, existieren nur in ganzgeringem Umfang und haben sehr häufig einen begrenz-ten Erkenntniswert. Zahlreiche frühe Auswanderungs-akten staatlicher Behörden wurden im 19. Jahrhundertsogar kassiert, zum Beispiel in Württemberg.5 So sind esneben den wenigen Quellen, die unmittelbar den Aus-wanderungsprozess berühren bzw. darin entstanden sind,vor allem sekundäre Quellen, die für das 18. JahrhundertAuskunft über die Nordamerika-Auswanderung geben.Insbesondere in Kirchenbüchern lassen sich Hinweise aufdie Migranten finden – und das im besten Falle sowohl aufdeutscher als auch auf amerikanischer Seite. Vielfachwurde die Auswanderung von einzelnen Personen oderFamilien – ähnlich wie Geburt, Hochzeit und Tod – als einebedeutende Zäsur in der Biographie verstanden und vomzuständigen Pfarrer in den Gemeinderegistern vermerkt.Aber auch Rechts- und Wirtschaftsquellen können Infor-mationen über Auswanderer und ihre Motivation geben.Vor allem Register zum Kauf- und Verkauf von Immobi-lien sind hierfür oft aufschlussreich. So konnten einige derfamiliären Verbindungen der ersten deutschen Auswan-dererfamilien von 1683 sowie deren Besitzverhältnisse mitHilfe der sogenannten Gladbacher und Rheydter

3 Georg Fertig, Lokales Leben, atlantische Welt. Die Entscheidung zurAuswanderung vom Rhein nach Nordamerika im 18. Jahrhundert,Osnabrück 2000, S. 69 ff.

4 Friedrich Zunkel, Auswanderung als notwendiges Ventil. Gesellschaft-lich-wirtschaftliche Verhältnisse in den rheinischen Territorien und ihreAuswirkungen auf die Auswanderung im Zeitalter des Absolutismusund der Frühindustrialisierung. In: Schöne Neue Welt – Rheinländererobern Amerika. Aufsatzteil. Bearb. v. Kornelia Panek, Kommern2001, S. 284 f.

5 Fertig, S. 70 f.

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Erbungsbücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert identifi-ziert werden.6

Auch die Spuren, die einzelne Auswanderer auf demWeg nach Amerika sowie bei ihrer Ankunft in der NeuenWelt hinterließen, sind nicht immer leicht zu finden. Nurwenige Hinweise auf Reisepässe oder Charterverträge7

für Schiffe sind erhalten. Und diese betreffen meist auchnur professionell Reisende, wie etwa Kaufleute. Der Groß-teil der deutschen Einwanderer war nur mit sehr geringenfinanziellen Mitteln ausgestattet. Viele von ihnen konntensich die Überfahrt nur deswegen leisten, weil sie sich alsVertragsknechte an einen amerikanischen Dienstherrngebunden hatten, der ihnen den Passagepreis vorstreckte,der dann abgearbeitet werden musste. Erst für die Zeitnach 1785 liegen dazu Quellen vor. Aufschlussreicherdagegen erweist sich jedoch eine Sammlung von Passa-gierlisten, in der zumindest die Namen nach Philadelphiareisender Männer für die Jahre 1727 bis 1776 verzeichnetsind. Philadelphia war im 18. Jahrhundert neben NewYork der wichtigste Einwanderungshafen nach Britisch-Nordamerika.8

Das Jahrhundert der Massenauswanderung...

Im 19. Jahrhundert änderte sich das Auswanderungs-geschehen grundlegend. Seit den 1820er Jahren explo-dierte die Zahl der deutschen Amerika-Auswanderergeradezu und erreichte bis zum Ende des Jahrhunderts inWellen immer wieder neue Höchstzahlen. Im Zeitraumvon 1820 bis 1920 stellten die Deutschen mit ungefähr 5,5Millionen – neben den Iren – die stärkste Migranten-gruppe in die Vereinigten Staaten. Regionaler Schwer-punkt der Auswanderung war zunächst Südwestdeutsch-land, bevor auch West- und Nordostdeutschland von derEmigrationswelle erfasst wurden. Fast immer lagen dieMotive für die Auswanderung im wirtschaftlich-sozialenBereich. Als sogenannte Push-Faktoren erwiesen sichMissernten, die wirtschaftlichen Folgen der Bauernbefrei-ung, die Einführung der Gewerbefreiheit, konjunkturelleKrisen in der Zeit der Industrialisierung und um die1848er Jahre politische Gründe. Auf der anderen Seitelockten die Vereinigten Staaten mit dem Versprechen aufein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung, einem weitenLand, das einfach und billig zu besiedeln war, und langeZeit mit verhältnismäßig hohen Arbeitslöhnen (Pull-Fak-toren).9

Mit dem Anwachsen der Auswandererzahlen geht im19. Jahrhundert fast überall in Deutschland auch eine stär-kere Systematisierung und Formalisierung der bürokra-tischen Abläufe einher. Dies lässt sich an den entsprechen-den Aktenbeständen in den kommunalen und staatlichen

6 Schöne Neue Welt- Rheinländer erobern Amerika. Das Tagebuch desJohannes Herbergs. Bearb. v. Dieter Pesch, Kommern 2001, Genealogi-scher Anhang.

7 Für die Niederlande etwa beim Gemeentelijke archiefdienst Rotterdam.Siehe dazu auch Hinweise in: Fertig, S. 71 f.

8 Ralph B. Strassburger, Pennsylvania German Pioneers. A Publicationof the Original Lists of Arrivals in the Port of Philadelphia from 1727 to1808, Norristown 1934.

9 Einen guten und komprimierten Überblick über die Geschichte der deut-schen Amerika-Auswanderung im 19. Jahrhundert gibt: Wolfgang Hel-bich, „Alle Menschen sind dort gleich...“ Die deutsche Amerika-Aus-wanderung im 19. und 20. Jahrhundert. Düsseldorf 1988.

Archiven ablesen. In der Regel hatten Auswanderungs-willige den Antrag auf die Auswanderung zunächst beiihrer jeweiligen Gemeinde zu stellen. Dann wurde dasVorhaben vom zuständigen Kreis- oder Landratsamt wei-terverfolgt.

Dem Antrag auf Genehmigung der Auswanderungmusste in der Regel eine Geburtsurkunde beigefügt wer-den. Von besonderer Wichtigkeit war der Nachweis, dassim Falle der Auswanderung keine unversorgten Angehö-rigen zurückblieben, die der Armenkasse zur Last fallenkonnten und dass alle Schulden und Ansprüche an denFortziehenden getilgt waren. In der Lokalpresse lassensich in diesem Zusammenhang zahlreiche Anzeigen fin-den, die über eine bevorstehende Auswanderung berich-ten und mögliche Gläubiger informieren. Für männlicheEmigranten war zudem ein Beleg notwendig, der dieAbleistung des Militärdienstes bestätigte. Schließlichmussten die Abziehenden auf das Gemeinde- und Staats-bürgerschaftsrecht verzichten und wurden darüberbelehrt, dass im Falle eines Fehlschlags ihres Vorhabensdie Wiederaufnahme in den Untertanenverband von Staatund Kommune verweigert werden konnte. Hatte mandiese Prozedur durchlaufen, wurde endlich der Reisepassausgehändigt.

Anzumerken bleibt, dass auf diese Weise nur legaleAuswanderer erfasst wurden. Eine erhebliche Zahl illega-ler Auswanderer schlüpfte zeitweise durch diese Maschendes bürokratischen Netzes. Ein Umstand, der sich ins-besondere als ein Problem für die zum Teil recht spär-lichen und ungenauen Statistiken der deutschen Länderzur Auswanderung erwies.

Auf allen Ebenen der Verwaltung entstanden Vorgängezum Auswanderungsgeschehen. Dank der Möglichkeitender elektronischen Datenverarbeitung konnten in einigenStaatsarchiven die dort lagernden Massen an Einzelfall-akten sachthematisch erschlossen werden. Da sich geradeimmer wieder Familienforscher – auch aus den Vereinig-ten Staaten – auf die Suche nach ihren Wurzeln begebenund einen großen Teil der Benutzer in den Archiven aus-machen, kann der Nutzen dieser Arbeiten nicht hochgenug eingeschätzt werden. Hingewiesen sei beispielhaftauf die CD-Rom des Nordrhein-Westfälischen Haupt-staatsarchivs Düsseldorf, auf der Daten von Emigrantender Jahre 1816–1934 aus den Regierungsbezirken AachenDüsseldorf und Köln zusammengetragen sind10 , auf diesachthematischen Inventare der niedersächsischen Staats-archive Osnabrück, Wolfenbüttel und des Hauptstaats-archivs Hannover, die als Online-Findbücher im Internetvorliegen11 oder auf die „AuswandererdokumentationHans Glatzle“, die über 50.000 württembergische Aus-wanderungs-Einzelfallakten im Haupstaatsarchiv Stutt-gart ausgewertet und ebenfalls im Internet abrufbargemacht hat.12 Neben diesen staatlichen Akten sind aberauch die Protokolle von Gemeinderäten, Gerichtsakten –insbesondere aus dem Bereich der Vermögens- und Erb-schaftsangelegenheiten – und nicht zuletzt die Kirchen-

10 Auswanderer aus dem Rheinland. Emigranten aus den Regierungsbe-zirken Aachen, Düsseldorf und Köln (1816–1934). Eine Zusammenstel-lung des Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchivs. Bearb. v. ReginaHönerlage, Claudia Kurfürst und Hans-Georg Wahl, Düsseldorf:Selbstverlag des Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchivs 1997. CD-Rom.

11 www.staatsarchive.niedersachsen.de/Auswanderer-Quellen/ Auswan-derer.htm.

12 www.auswanderer.lad-bw.de.

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bücher der Pfarrämter von Erkenntniswert. Diese wurdenjedoch bisher nur sehr selten sachthematisch erschlossen.

Amerika, wir kommen...

Nach dem Aufbruch in der Heimat wurden die Auswan-derer in der Regel erst wieder „aktenkundig“, wenn sie dieSeehäfen erreicht hatten und an Bord der Auswanderer-schiffe gingen. Sowohl in Bremen als auch in Hamburgwurden seit den 1830er Jahren von den SchiffsmaklernVerzeichnisse mit persönlichen Daten und Angaben zurHerkunft der Passagiere für die Polizeibehörden zusam-mengestellt. Wobei jedoch nur die Hamburger Listen bis indie 30er Jahre des 20. Jahrhunderts erhalten sind. Kassatio-nen und Kriegsschäden haben die Bremer Verzeichnissezum größten Teil zerstört. Die Hamburger Verzeichnissewerden seit einiger Zeit ausgewertet. Ziel des ProjektsLink to your Roots, getragen vom Staatsarchiv Hamburgund privaten Sponsoren, ist es, eine Datenbank mit sämt-lichen Einträgen zu allen Auswanderern zusammenzu-stellen, die in der Zeit von 1850 bis 1934 von Hamburgnach Amerika reisten. Zur Zeit ist im Internet eineNamensrecherche für die Jahre 1890–1893 möglich, voll-ständige Daten sind jedoch nur gegen eine nicht geradegeringe Gebühr beim Staatsarchiv Hamburg anzufor-dern.13 Gerade was Passagier- und Schiffslisten betrifft,finden sich im Internet noch eine Reihe anderer Recher-chemöglichkeiten. Einige von ihnen basieren auf den Pas-sagierlisten, die den amerikanischen Einwanderungs-behörden von den Kapitänen der Auswandererschiffevorgelegt werden mussten und die heute in den NationalArchives in Washington D.C. lagern. Als Beispiele seiendie Deutsche Auswanderer-Datenbank, ein interdiszipli-näres Forschungsprojekt des Historischen Museums Bre-merhaven14 sowie die Angebote der ForschungsstelleDeutsche Auswanderer in den USA der UniversitätOldenburg15 genannt. Auch auf der Homepage des Immi-gration Museum Ellis Island, in der ehemaligen zentralenDurchgangsstation für Auswanderer im Hafen von NewYork, ist es möglich, Passagierverzeichnisse für den Zeit-raum 1892 bis 1924 zu recherchieren.16

Als grundlegende und häufig einzige Quelle für Nach-forschungen über die Herkunft und den familiären Hin-tergrund einer Person erweisen sich in Deutschland undAmerika die Kirchenbücher der verschiedenen Glaubens-gemeinschaften. Neben den Lebensdaten lassen sich darinsehr oft auch der Beruf und der Hinweis auf den Zeitpunktder Immigration sowie der Herkunftsort bestimmen. Vonnicht minder großer Bedeutung für die Identifizierungeines Individuums sind die Volkszählungsunterlagen deramerikanischen Bundesregierung und der einzelnen Bun-desstaaten. In den Vereinigten Staaten wurde seit 1790regelmäßig alle 10 Jahre ein Bundeszensus durchgeführt,in dem neben persönlichen Daten auch Angaben zu sozia-len, wirtschaftlichen und ethnischen Aspekten erhobenwurden. Auf diese Weise ergab sich ein umfassenderÜberblick über die Größe und die Zusammensetzung derBevölkerung an einem ausgewählten Stichtag. Jedoch liegt

13 www.hamburg.de/LinkToYourRoots/welcome.htm.14 www.deutsche-auswanderer-datenbank.de/dadframeset.htm.15 www.dausa.de.16 www.ellisisland.org.

darin auch ein Nachteil, den man bei der Arbeit mit dieserQuellengattung berücksichtigen muss. Es handelt sicheben nur um eine statistische Momentaufnahme desdemographischen Verhaltens. Auslöser, Formen und Fol-gen von Bevölkerungsfluktuationen werden darin nichtberücksichtigt. Zudem ist immer mit der Ungenauigkeitder Zähler zu rechnen. Eine allgemeine Auswertung derUS-Volkszählungen für die Jahre 1790 bis 1960 ist im Inter-net zu finden.17 Der größte Teil der Volkszählungslistenlagert in den National Archives in Washington.

Weitere Quellen, die über die Einwanderer Auskunftgeben, sind die Naturalisierungsakten, die ebenfalls seit1790 bei der Einbürgerung vor den Distriktgerichten ent-standen. Ergänzt werden sie durch Militärakten, Wähler-listen, Steuerrollen und Schulakten sowie durch den gro-ßen Bereich privaten und halbstaatlichen Schriftguts, wieZeitungen, Adressbücher, Briefe und Tagebücher.

„...ich muß dier auch zu wißen thun...“

Lange Zeit wurde eine der wichtigsten und aufschluss-reichsten Quellen zur Geschichte der deutschen Auswan-derung in nur sehr geringem Maße von der Forschunggenutzt – der Auswandererbrief. Schätzungen kommenzu dem Ergebnis, dass allein in der Hochphase der Aus-wanderung zwischen 1820 und 1914 über 280 MillionenBriefe aus den USA nach Deutschland geschickt wurden,allein davon etwa 100 Millionen Privatbriefe. Nur einminimaler Bruchteil ist bis heute erhalten. Die meistenbefinden sich in den Händen von Privatleuten. Kaum einArchiv hat je eine systematische Sammlung dieser Art desSchriftguts angelegt. Wenn, dann stößt man in Archiveneher zufällig auf Briefe, die als Anlagen in unterschied-lichen Akten und Vorgängen auftauchen. Ausnahmen bil-den die in den dreißiger Jahren angelegte Sammlung Sche-ben, die aus knapp 500 Abschriften von Auswandererbrie-fen aus verschiedenen Orten des Rheinlandes besteht unddie beim Institut für geschichtliche Landeskunde an derUniversität Bonn aufbewahrt wird, sowie die BochumerAuswandererbriefsammlung (BABS), die seit den achtzi-ger Jahren am Lehrstuhl für die Geschichte Nordamerikasder Ruhruniversität Bochum zusammengetragen wurde.Durch öffentliche Aufrufe wurden dort über 5000 Briefegesammelt, kopiert, transkribiert und ausgewertet. Sie lie-ferten die Grundlage für mehrere Forschungsprojekte.

Die Briefe der Emigranten sind in vielerlei Hinsicht vonhohem Aussagewert, so etwa für die Bereiche der Sozial-,Wirtschafts-, Mentalitäts- oder Alltagsgeschichte. In ihrerursprünglichen Intention stellten sie für die Auswandererund die Zurückgebliebenen die einzige Möglichkeit dar,miteinander in Verbindung zu bleiben und Informationenauszutauschen. In einigen Fällen ließen sich die Empfän-ger durch den Inhalt der Briefe ebenfalls zur Auswande-rung motivieren. Denn ungeachtet anderer Informations-quellen, wie Zeitungen, Ratgeber oder Werbebroschüren,wurde das Urteil oder die Ermutigung durch Freunde undVerwandte als wesentlich zuverlässiger eingeschätzt. Fürdie Erforschung des Phänomens der Ketterwanderungspielen Briefe daher eine bedeutende Rolle.

17 http://fisher.lib.virginia.edu/census/.

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Der Einwand, dass es sich bei Briefen um unglaubwür-dige oder zweifelhafte Quellen handelt, konnte durch dieArbeiten von Wolfgang Helbich ausgeräumt werden.Eine genaue quellenkritische Überprüfung macht sie viel-mehr zu wertvollen sozialhistorischen Dokumenten, dieaus persönlicher Sicht das Leben und den Alltag der Aus-wanderer spiegeln, ihre Einstellungen und Werturteilevermitteln. Da sich die Auswanderer des 19. Jahrhundertszum größten Teil aus den unteren gesellschaftlichenSchichten rekrutierten, sind die Briefe zudem Zeugnissevon Menschen, die – hätten sie sich nicht zur Auswande-rung entschlossen – in der Geschichte stumm gebliebenwären.18

Zum Schluss ...

Begibt man sich daran, das weite Feld der Auswande-rungsgeschichte zu beackern, tun sich eine Vielzahl unter-

18 Zur Bedeutung von Auswandererbriefen:Briefe aus Amerika. Deutsche Auswanderer schreiben aus der NeuenWelt 1830–1930, hg. v. Wolfgang Helbich, Walter D. Kamphoefner,Ulrike Sommer, München 1988.Deutsche im Amerikanischen Bürgerkrieg. Briefe von Front und Farm1861–1865, hg. v. Wolfgang Helbich, Walter D. Kamphoefner, Pader-born 2001.

schiedlicher Quellen auf. Noch immer fällt es dabei ten-denziell leichter, zu übergreifenden Befunden zu kommenund makrohistorische Fragestellungen zu verfolgen. Zwarliegt der Schwerpunkt längst auf sozialhistorischen Ana-lysen, doch ist es nach wie vor – auch auf Grund der Quel-lenlage – wesentlich schwieriger für einen stärker mikro-oder individualhistorisch strukturierten Forschungs-gegenstand zu zufriedenstellenden und umfassendenErgebnissen zu gelangen.

Die bereits von einigen Archiven geleistete sachthema-tische Erschließung des Themas Auswanderung ist vordiesem Hintergrund von besonderem Wert. Denn nichtselten ist in der nach Provenienz geordneten staatlichenoder kommunalen Überlieferung der „rote Faden“ einerausgewählten Fragestellung nur sehr schwer zu verfolgen.Sicher wird aus guten Gründen in Zukunft das Prove-nienzprinzip als Ordnungsprinzip in den Archiven wei-terbestehen. Die Möglichkeiten, die moderne Datenbank-programme und das Internet bieten, sollten aber nichtungenutzt bleiben – auch für andere Themen als Auswan-derung. Auf diese Weise könnte eine noch stärkere Hin-wendung zu sozial- und alltagsgeschichtlichen Aspektenauch von Seiten der Archive gelingen.

Archivtheorie und -praxis

Archive und BeständeVerabschiedung des Leiters des HauptstaatsarchivsDüsseldorf Prof. Dr. Ottfried DascherAm 5. Dezember 2001 fand im Lesesaal des NRW Haupt-staatsarchivs Düsseldorf vor rund 140 geladenen Gästenund der Belegschaft des Hauses auf Einladung und inAnwesenheit des Ministers für Städtebau und Wohnen,Kultur und Sport, Dr. Michael Vesper, eine Feierstundezur Verabschiedung von Prof. Dr. Ottfried Dascher statt. Inseinen Begrüßungsworten interpretierte der stellvertre-tende Leiter des Hauses, Dr. Horst Romeyk, die rege Teil-nahme an der Feierstunde als Verbundenheit der An-wesenden mit dem Hauptstaatsarchiv und mit Prof.Dascher. Romeyk hob die erfolgreiche nationale und inter-nationale Arbeit des Archivs hervor, die ebenso ein Ver-dienst Daschers sei wie die feste Verankerung des Hausesim Wissenschaftsmanagement des Landes. All dies habejedoch wenig Zeit für die eigene archivische und wissen-schaftliche Tätigkeit gelassen und großen persönlichenVerzicht des Geehrten erfordert.

Wie sein Vorredner wünschte auch Minister Dr. Vesperzu Beginn seiner Grußworte Prof. Dascher, dass der Ruhe-stand ihm nun Zeit und Muße zur Vertiefung seiner wis-senschaftlichen Arbeit lasse. Mit Managerqualitäten habeder scheidende Leiter in den fast zehn Jahren seinerDienstzeit dem Haus seinen Stempel aufgedrückt, esdurch Umstellung auf neue Techniken zu einem moder-nen Dienstleistungsbetrieb gemacht und national und

international zu neuer Bedeutung verholfen. Die Archivestünden, so der Minister, im allgemeinen etwas im Schat-ten der Öffentlichkeit, weshalb er diese Verabschiedungzum Anlass nehmen wolle, ihre Arbeit ins rechte Licht zurücken. Archive wie das Hauptstaatsarchiv stellten dasGedächtnis eines Staates dar, sie böten Erkenntnisse fürdie Gestaltung der Zukunft und seien von herausragenderBedeutung für das kulturelle Erbe eines Landes und dasIdentitätsbewusstsein seiner Bürgerinnen und Bürger.

Dr. Vesper schilderte den Lebensweg Ottfried Daschers,der nach einem Studium der Fächer Geschichte, Germa-nistik, Politik und Nationalökonomie in Berlin und Mar-burg mit einer Arbeit über „Das Textilgewerbe in Hessen-Kassel. Wirtschaftspolitik, privilegierter Betrieb und lang-fristiges Geschehen vom ausgehenden 16. bis zum begin-nenden 19. Jahrhundert“ promoviert wurde. Nach derArchivausbildung und vierjähriger Amtszeit am Staats-archiv Marburg trat er 1971 die Stelle als Leiter des West-fälischen Wirtschaftsarchivs in Dortmund an, dessen Aus-bau er mit großem Talent zum Planen und Organisierenvorantrieb und das sich so zu einem über die Landesgren-zen hinaus hoch angesehenen Institut mit Vorbildcharak-ter für ähnliche Neugründungen in anderen Bundeslän-dern entwickelte. Besonders während seiner langen Tätig-keit in Dortmund habe er sich in der Gremienarbeit geübtund als Vorsitzender des Internationalen Komitees fürWirtschaftsarchivwesen wie auch als Vorsitzender derFachgruppe für Archivare der Wirtschaft und im Vorstand

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des Vereins deutscher Archivare das deutsche Wirtschafts-archivwesen gefördert. Mit dem Dortmunder Neubauhabe er auch schon seinen „Hang zum Bauen“ unterBeweis gestellt und in Düsseldorf fortgeführt. Immer seienbei ihm Archivarbeit und Forschung eng miteinander ver-knüpft gewesen. Den Geschichtswissenschaften habe erwichtige Impulse gegeben, was sich an seinen Aktivitätenin mehreren Historischen Kommissionen wie auch in derlangjährigen Lehrtätigkeit in der Landes- und Wirtschafts-geschichte an der Universität Bochum zeige, die ihn inAnerkennung dieser Verdienste 1980 zum Honorarprofes-sor ernannte. Seit 1968 habe sich Dascher außerdem alsDozent an der Archivschule in Marburg in der Ausbil-dung des archivarischen Nachwuchses engagiert.

Der Minister wies auf die große Bedeutung des Haupt-staatsarchivs Düsseldorf hin, dessen Sprengel ganz Nord-rhein mit über 10 Millionen Einwohnern umfasse und dasmit seinen 83 Kilometern Akten, 70.000 Urkunden, 300.000Karten und Plänen sowie ca. 700.000 Fotos und Luftbil-dern Quellen zu über 1200 Jahren rheinischer, deutscherund europäischer Geschichte beherberge. Er betonte dieFunktion der Archive als Orte der Verwahrung unmanipu-lierbaren Tatsachenmaterials, denen in einer Zeit desschnellen Umgangs mit Daten und Informationen vorallem hinsichtlich der Rechtssicherheit wachsende Bedeu-tung zukomme. Auch im Rahmen der Entschädigung derZwangsarbeiter habe das Hauptstaatsarchiv in der Nach-weisbeschaffung einen großen Beitrag geleistet. Hinsicht-lich der Quellen zum „Dritten Reich“ sei das Archiv mitseinen Beständen von 1,2 Millionen Entnazifizierungs-und 75.000 Gestapo-Akten von nationaler und internatio-naler Bedeutung. Der Wissenschafts- und Öffentlichkeits-arbeit sei unter Prof. Daschers Leitung immer ein hoherStellenwert zugemessen worden, wie vielfältige Editionenund Präsentationen zur Landesgeschichte, vor allem dieEdition der Kabinettsprotokolle, aber auch wichtige Aus-stellungen, etwa die vielbeachtete Ausstellung „Branden-burg-Rheinland-Westfalen“ aus dem Jahr 1993 oder die-jenige zur Revolution 1848 („Petitionen und Barrikaden“,1998) zeigten. Neben der historisch-politischen Bildungs-arbeit im Bereich der Archivpädagogik erwähnte derMinister schließlich die zunehmende internationaleKooperation, vor allem mit den Niederlanden und Bel-gien, die sich in den letzten Jahren in mehreren gemein-samen fachwissenschaftlichen Symposien niedergeschla-gen habe. Die große Wertschätzung, die auch die Landes-regierung der Arbeit der Archive entgegenbringe, zeigesich, so Vesper, in dem absolut ungewöhnlichen Vorgang,dass die Organisationsuntersuchung keine weiteren Ein-sparungen zur Folge habe, sondern ein Ausbau desArchivwesens beschlossen worden sei. Abschließendstellte der Minister den Anwesenden den NachfolgerDaschers als Leiter des Hauptstaatsarchivs vor, Dr. Wolf-Rüdiger Schleidgen, bislang Leiter des Personenstands-archivs Rheinland in Brühl. Dr. Vesper sprach dem schei-denden Leiter noch einmal seine Wünsche für einen pro-duktiven „Unruhestand“ sowie seinen herzlichen Dankaus „für das, was Sie uns angetan haben“.

Dr. Johan T. Jamar, Direktor des Reichsarchivs Utrecht,überbrachte die Grußworte des Allgemeinen Reichsarchi-vars der Niederlande, Dr. Maarten van Boven, der diewichtige Rolle Daschers in der internationalen Koopera-tion herausstellte. Jamar selbst überreichte in seiner Funk-tion als Vorsitzender des Königlichen Vereins der Archi-

vare der Niederlande Prof. Dascher die Ehrenmedaille desVereins mit dem Hinweis, dass dieser damit der erstenicht-niederländische Europäer sei, dem diese Auszeich-nung zuteil werde.

Auch der Präsident des Bundesarchivs, Prof. Dr. Hart-mut Weber, betonte, wie schon einige seiner Vorredner, essei bezeichnend für das Wirken Daschers, dass er immervon seiner Person ablenken und die Sache, um die es gehe,in den Vordergrund stellen wolle. Weber erinnerte an ver-schiedene Gelegenheiten des Zusammentreffens, angefan-gen in der Archivschule, wo er Prof. Dascher in einerÜbung zur Erschließung von Wirtschaftsarchivgut gehörthabe, bis zu zahlreichen Treffen in nationalen und inter-nationalen Gremien und Komitees. Das Dortmunder Wirt-schaftsarchiv habe für die Landesarchivdirektion Baden-Württemberg als Vorbild für die Einrichtung eines regio-nalen Wirtschaftsarchivs gegolten. Weber ging insbeson-dere auf das schon vielfach thematisierte Spannungsver-hältnis von Archivar und Historiker ein. Ottfried Daschervereinige beide Professionen in seiner Person und lebediese Symbiose des Archivars, hinter dem ein Wirtschafts-historiker hervorluge, mit dem Historiker, der seine Archi-varsprofession nicht verleugne, mit großem Erfolg. Es seiihm gelungen, sich immer neuen Herausforderungen inder Archivwelt zu stellen, ohne bewährte Maßstäbe seinerArbeit aufzugeben.

Der Leiter des NRW Staatsarchivs Münster, Prof. Dr.Wilfried Reininghaus, erwähnte in seinem Grußwortnamens der staatlichen Archive Nordrhein-Westfalenszunächst die seit 20 Jahren währende gemeinsame Arbeitmit Prof. Dascher. Das archivarische Wirken Daschersstellte er in Form von vier Maximen vor, die als Exemplafür die Nachgeborenen dienen sollten. Die erste Maxime„Sichere die Quellen“ könne man vor allem an seinemWirken in Dortmund beobachten, wo die Bewahrungwichtiger Kaufmannsarchive, wie das der Familie Har-kort, des bedeutendsten nordwestdeutschen Kaufmanns-archivs des 18./19. Jahrhunderts, auf seine langjährigenVerhandlungen zurückgehe. Wer Bestände übernehme,müsse sie aber auch erschließen, womit Reininghaus zurzweiten Maxime überleitete: „Tue Gutes. Rede und publi-ziere darüber“. Dem entspreche die rege Publikations-und Öffentlichkeitsarbeit Daschers. Archive seien in des-sen Überzeugung kein thesauriertes Altpapier, sondernmüssten benutzt werden. So habe er bereits nach einemJahr seiner Tätigkeit in Dortmund zusammen mit HansVollmerhaus ein Inventar zur Handelskammer Bochumvorgelegt. 1995 habe er zu den Geburtshelfern des Archiv-portals „NRW-Archive im Internet“ gehört und habesowohl in Dortmund als auch in Düsseldorf wichtige Aus-stellungen konzipiert und in die Wege geleitet. Lange vorder „kulturalistischen Wende“ der Geschichtswissen-schaft habe er in Dortmund am Beispiel einer Ausstellungillustrierter Firmenbriefköpfe und Produktkataloge denUmgang mit Bildern gelehrt. Für Düsseldorf nannte Rei-ninghaus die bereits erwähnte Ausstellung „Petitionenund Barrikaden“ sowie die im Jahr 2003 folgende gemein-same Ausstellung der nordrhein-westfälischen Staats-archive zur Säkularisation zwischen Rhein und Weser mitdem Titel „Klostersturm und Fürstenrevolution“. DieBefolgung der dritten Maxime „Spreche mit DeinemNachbarn“ könne man in der Suche Daschers nach demfachlichen Dialog auch zu anderen Sparten des Archiv-wesens, national wie international, erkennen. Auch sei

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dieser Dialog nie auf die Archivwelt beschränkt geblieben,sondern habe vor allem die historische Forschung mit ein-bezogen. Daschers vierte Maxime schließlich laute: „Über-zeuge die Archivträger.“ Dazu gehörten die unermüdlicheWerbung für die Archive als kollektives Gedächtnis einerGesellschaft, wobei Reininghaus Minister Dr. Vesper fürdessen Heraushebung der Unentbehrlichkeit der Archiveausdrücklich dankte. Er erwähnte darüber hinaus auchnoch einmal die umfangreichen, von Prof. Dascher betrie-benen Baumaßnahmen, neben der Sanierung des Haupt-staatsarchivs Düsseldorf vor allem den Neubau in Dort-mund, der „geniale Züge“ trage.

Abschließend lud er die Anwesenden zu einem von denStaatsarchiven veranstalteten fachwissenschaftlichen Kol-loquium zu Ehren Prof. Daschers für den 11. Dezember2001 nach Schloss Augustusburg in Brühl ein, das denThemen der Erschließung sowie dem Dialog zwischenGeschichtswissenschaft und Archiven gewidmet sei.1

Den Reigen der Grußworte beschloss der Vorsitzendedes Personalrats des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf,Dr. Anselm Faust. Er beschrieb in knappen Worten vorallem die Grundüberzeugungen und den Führungsstil desscheidenden Chefs, der seinen Mitarbeitern immer über-zeugend klar gemacht habe, wie wichtig deren Arbeit sei,dass man sich schwierigen Zukunftsaufgaben selbst-bewusst stellen und dazu auch in der Öffentlichkeit prä-sent sein müsse. Prof. Dascher habe die Leitung des Hau-ses zwar energisch, aber in einer unnachahmlich verbind-lichen Art ausgeübt, die die Meinung eines jeden unab-hängig von dessen Dienststellung habe gelten lassen.Dabei habe er immer gezeigt, dass ihm das Wohl desArchivs und seiner Angehörigen ein wirkliches Anliegengewesen sei und dass ihm die vielfältigen, gute Nervenund großes Engagement erfordernden Aufgaben überwie-gend auch Spaß bereitet hätten.

In seinem Dank- und Schlusswort versicherte Prof.Dascher, die vielfältigen Lobpreisungen seiner Vorrednerund die Anerkennung seiner Person auch als Anerken-nung des Hauses und seiner Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter zu erachten. Dascher rekapitulierte kurz seinenberuflichen Werdegang vom Studium, Archivreferenda-riat und den ersten Berufsjahren in Marburg über Dort-mund nach Düsseldorf. Den Aufbau des WestfälischenWirtschaftsarchivs in einer Umbruchphase der Industrie-landschaft an der Ruhr habe er als große Herausforderungbegriffen. Seine Tätigkeit dort bezeichnete er als wichtigemenschliche und fachliche Erfahrung, die er um keinenPreis missen möge. Dabei hob er in besonderer Weise dieKooperation mit der Forschung sowie mit den nichtstaat-lichen Archiven hervor. Auch nach seinem Wechsel nachDüsseldorf habe er ganz besonders darauf geachtet, die-sen Weg weiterhin zu beschreiten. Einen schönen Erfolgdieser Bemühungen sah er im „Tag der Archive“ 2001 inDüsseldorf, den man gemeinsam mit einem Dutzend wei-terer Düsseldorfer Archive organisiert habe. Ausdrücklicherwähnte er für den Bereich der Forschung die Universitä-ten Bochum, Dortmund und Düsseldorf sowie die Histo-rische Kommission Westfalen und die Gesellschaft fürRheinische Geschichtskunde. Schließlich habe er in Düs-seldorf trotz der häufig wechselnden Ressortzuständig-keit auch bei der Landesregierung immer Verständnis undInteresse für die Arbeit der Archive gefunden. So sei es in

1 Vgl. hierzu unten S. 139 ff.

den vergangenen Jahren gelungen, die Archive auf dentiefgreifenden Aufgabenwandel und die neuen Medienausstattungsmäßig und personell vorzubereiten und denInvestitionsbedarf in wesentlichen Teilen abzubauen. Hierführte Dascher besonders die umfangreichen Sanierungs-und Baumaßnahmen im Hauptstaatsarchiv sowie dieEDV-Ausstattung an, die es nun wieder gestatte, sich kom-petent an der nationalen und internationalen Diskussionzu beteiligen. Dabei dankte er auch Drittmittelgebern wieder Henkel- und der Volkswagenstiftung sowie der Deut-schen Forschungsgemeinschaft. Auch in der Personal-und Raumplanung zeichneten sich nach der Aufgabenkri-tik der Jahre 1999/2000 zukunftsweisende Lösungen ab.Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Landesregie-rung und der Forschung wies Dascher noch einmal aus-drücklich auf die Edition der Kabinettsprotokolle hin.

Er dankte den ausländischen Kollegen, vor allem ausBelgien und den Niederlanden, für ihr Kommen und rich-tete an seinen Nachfolger die Bitte, weiterhin um engeBeziehungen zu den westeuropäischen Nachbarn bemühtzu sein. Darüber hinaus betonte er das gute Verhältnis unddie fruchtbare Kooperation mit dem Bundesarchiv inKoblenz, dem Verband Deutscher Archivarinnen undArchivare sowie den anderen nordrhein-westfälischenStaatsarchiven, die heute offen und unkompliziert mitein-ander umgingen, da – spätestens seit der Aufgabenkritik –für Prestigefragen keine Zeit mehr vorhanden sei.

Dem Personalrat dankte er für den kritisch offenen undkonstruktiven Umgang miteinander, auch wenn es gegol-ten habe, unbequeme Entscheidungen zu treffen. DiesenDank erstreckte er auch auf seinen StellvertreterDr. Romeyk, die Abteilungsleiter, die Verwaltung und allean der Vorbereitung der Veranstaltung beteiligten Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter. Auch drückte er seine tiefeDankbarkeit gegenüber seiner Familie aus, die es ihm erstermöglicht habe, ein so großes Pensum an Arbeit zubewältigen. Dascher zeigte sich abschließend erfreut überdie zeitgerechte Regelung seiner Nachfolge und betonteauch für die Zukunft die Wichtigkeit sowohl von Team-work als auch von herausragenden Einzelleistungen. Dieweitere Entwicklung des Hauses werde er aus der Distanz,aber mit Anteilnahme und Sympathie verfolgen.

Die Veranstaltung wurde durch ein geselliges Beisam-mensein in den Räumen des Hauptstaatsarchivs beschlos-sen.

Düsseldorf Matthias Meusch

Archivierung, Bewertung und Erschließung

Vgl. auch den Beitrag „Die Erschließung historischer Quellen ...“unten unter der Rubrik „Fachverbände, Ausschüsse, Tagungen“.

Archivierung von Internetseiten/Spiegelungsprojektim Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)Ende 1999 hat sich das AdsD die Aufgabe gestellt, mit derArchivierung von SPD-Internetseiten eine neue Quellen-gattung auf Dauer zu sichern und damit der Forschungzur Verfügung zu stellen. Ein solches Internet-Archiv mitseinen Film- und Tondokumenten, Fotografien, Grafikenund Textsammlungen ist nicht nur eine unschätzbare Hilfefür die Recherche, sondern auch eine besonders aussage-kräftige Dokumentation der Zeitgeschichte. Denn mittler-

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weile dürfte sich das Internet zum umfassendsten undwirkungsvollsten Medium entwickelt haben, in dem sichdie politischen Parteien nicht nur darstellen, sondern auchdas Gespräch mit ihren Mitgliedern und potentiellenWählern suchen. Allein der Internetauftritt der SPD aufBundesebene bietet neben Texten und Stellungnahmenzur aktuellen Programmdebatte eine Dokumentation derletzten Parteitage (Anträge, Beschlüsse, Reden, Wahl- undAbstimmungsergebnisse) sowie Kommentare, Kurzbio-graphien, Organigramme, Terminplanungen und Presse-dienste. (Die von uns archivierte Seite vom 22. 11. 01umfasst 468 MB in über 13.000 Dateien.)

Diese Dateien werden in unserem Projekt aber nicht inkonventioneller Weise heruntergeladen, um dann ineinem anderen als dem ursprünglichen Zusammenhanggespeichert zu werden, sondern der gesamte Internetauf-tritt wird gespiegelt, so dass zukünftige Benutzerinnenund Benutzer diese Seiten aufrufen und sich in ihnenbewegen können, als wären sie heute im Internet – ein-schließlich der auch dann noch funktionsfähigen Down-loads. Zusätzlich werden die gespiegelten Seiten miteinem Index versehen, der eine Suche über die gesamteSpiegelung ermöglicht; deren Ergebnisse werden – wie dieErgebnisse von Internetsuchmaschinen auch – als Linksangezeigt, über die die entsprechenden Seiten dann direktangesteuert werden können. Jede Suche kann durch dieEingabe weiterer Suchworte spezifiziert werden. AuchTrunkierungen sind möglich. Dem Ganzen wird eineStartseite vorgeschaltet, von der aus der Benutzer die ent-sprechende Indexdatei aufrufen oder die Suche startenkann. Von dieser Startseite aus können in Einzelfällen auchgebrochene Links innerhalb der Seite überbrückt werden.Sowohl die Spiegelung als auch der Index werden auf CD-Rom geschrieben und so dem Benutzer zur Verfügunggestellt. Um möglichst unabhängig von der Entwicklungauf dem Softwaremarkt zu sein, wurde darauf geachtet,dass zur Darstellung des gesamten Inhalts der CD nur derentsprechende Internetbrowser benötigt wird. Ausnah-men bilden natürlich eingebundene Formate wie Word-oder PDF-Dateien.

Innerhalb des Projekts wurden bisher die SPD-Bundes-ebene und die SPD-Bundestagsfraktion sowie die 16 Lan-desorganisationen mit ihren Untergliederungen gesichert.Zudem wurden die FES-Seiten, die FES-Sonderseite zurEuropawahl und der Internetauftritt des AdsD gespiegelt.Bezüglich Spiegelungsrate und -tiefe wird ein Projektrah-men angestrebt, der die Spiegelung der Landesverbändezweimal jährlich (bis ausschließlich Ortsvereinsebene)und eine dreimalige Spiegelung der Bundesebene beinhal-tet; wesentlich ergänzt durch eine Dokumentation derWahlkämpfe auf Bundes- und Landesebene.

Systematisch, nicht chronologisch, lassen sich die ein-zelnen Arbeitsschritte wie folgt darstellen:

1. Spiegelung

– Zuschneiden des Projekts– Spiegeln der Dateien– Korrekturlesen (Warum welche Links u. U. nicht ver-

folgt wurden.)

2. Archivierung– Aufbereitung der Dateien fürs Brennen– Erstellen eines Indexes– Schreiben der Daten auf CD

– Abgleichen der gespiegelten und der geschriebenenDatenmenge

3. Präsentation– Gestalten der Eingangsseite– Konfigurieren des Autoruns– Überbrücken gebrochener Links

Besonders bei der Wahl des geeigneten Speichermedi-ums gilt es, Nutzen und Aufwand gegeneinander abzu-wägen. Als Speichermedium bietet die CD-Rom natürlichdie größte Flexibilität für die Präsentation der gespiegel-ten Seiten, sie macht aber auch in nicht unerheblichemMaße zusätzliche und zeitaufwendige Arbeitsschritteerforderlich.

Keine der von uns benutzten Software ist speziell fürdie Zwecke eines Archivs entwickelt worden; und keinewird wohl bei der weiteren Entwicklung auf besonderearchivische Bedürfnisse zielen. So zwingt sowohl der Ein-satz neuer Techniken oder Dateiformate im Internet alsauch die technische Weiterentwicklung der verwendetenSoftware dazu, einmal gefundene Lösungen immer wie-der neu in Frage zu stellen

Den Skeptikern, die nach den technischen Mitteln fra-gen, mit denen wir die Haltbarkeit der Speichermedienund die Lesbarkeit der gespeicherten Dateien auch in fünf-zig oder hundert Jahren noch garantieren wollen, könnenwir nur antworten: wir hoffen, „dass sich das Technischeschon findet, wenn das Bedürfnis vorhanden ist“ (Hegel).Aber selbst diese Hoffnung werden sich die Archive müh-sam erarbeiten müssen, jedenfalls solange die Aktenhin-terleger ihr Internetangebot in keiner archivfähigen Formdokumentieren.

Bonn Rudolf Schmitz

ArchivtechnikVgl. den Beitrag „Treffen des Arbeitskreises nordrhein-westfäli-scher Papierrestauratoren ...“ unten unter der Rubrik „Fachver-bände, Ausschüsse, Tagungen“.

EDV und Neue MedienVgl. die Beiträge „Archivierung von Internetseiten ...“ (obenunter der Rubrik „Archivierung, Bewertung und Erschlie-ßung“), „28. Sitzung des EDV-Ausschusses ...“ (unten unterder Rubrik „Fachverbände, Ausschüsse, Tagungen“).

Benutzung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung

Engel ohne Ende – Ende der Engel?Neue Ausstellung im Zentralarchiv der Evangelischen Kircheder PfalzEngelwelle, Engelboom, Kultfigur Engel – Engel scheinenderzeit überall zu sein. Der Bezug auf biblische Überliefe-rung ist jedoch kaum noch vorhanden. Engel werdenheute häufig zum bloßen Sehnsuchtssymbol in einer viel-fach als bedrohlich erlebten Welt. Als Mittlerwesen zwi-schen Gott und Mensch gehören Engel (lat. angelus = Bote)zum Kulturgut der Menschheit. In den meisten Religionensind diese Wesen von Anfang an ein fester Bestandteil. Diejüdisch-christliche Engeltradition hat ihren Ausgangs-punkt in der Bibel. Als ein Leitmotiv existentieller religiö-

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ser Erfahrung treten Engel unerwartet vor allem in Grenz-situationen im Zusammenhang mit Geburt, Bedrohungund Tod auf. Unsere Vorstellungen von den geflügeltenHimmelsboten speisen sich maßgeblich aus der Bildtradi-tion vom Mittelalter bis in die Barockzeit.

Nach biblischer Tradition sind Engel Boten, durch dieGott dem Menschen etwas mitteilt, ihn begleitet oderetwas in ihm bewirkt. Jahrhundertelang macht die christ-liche Kunst den unsichtbaren Gott durch die Abbildungseiner Boten sichtbar. Seit der Barockzeit führt die allmäh-liche Trennung der Engel von ihrem religiösen Bezugsrah-men zu einer vielfältigen Verfügbarkeit und häufig zumVerlust einer erkennbaren christlichen Botschaft. Bis zum18. Jahrhundert war der Glaube an Engel noch selbstver-ständlich, seit der Aufklärung wird er bezweifelt undheute entweder belächelt oder ernsthaft verfochten. Talk-shows zu diesem Thema sind ein Garant für hitzige Debat-ten und sichern Einschaltquoten.

Die heutige Werbung benutzt das saubere Image derEngel als Blickfang und Konsumgut. Versicherungenarbeiten gern mit dem Schutzengelklischee. Die erfolgrei-che Aneignung des Engels durch Werbung und auchdurch die Esoterik speist sich vor allem aus der mensch-lichen Sehnsucht nach seelischer Geborgenheit durch einehöhere Macht. Der Gottesbezug geht dabei in der Regelverloren. Häufig werden Engel aus dem Bildreservoirchristlicher Kunst zu einem Versatzstück der Postmoderne– jederzeit verfügbar, überall nutzbar.

Zwölf Bildtafeln zeigen die Entwicklung des christ-lichen Engelbildes von der Antike bis in die Gegenwart.Die erläuternden Texte des Kulturhistorikers AndreasKuhn, Neustadt, ordnen die Engelbilder einer jeweiligenEpoche kunst- und geistesgeschichtlich zu und laden zueiner neuen Auseinandersetzung mit Engeln ein. Auchdas Thema Engel und Esoterik wird behandelt. Objekteaus der archivischen Sammlung Volksfrömmigkeit vertie-fen das Engelbild zum Thema „Hummelfiguren“ und„Weihnachten“. Ein besonderer Engel ist sicherlich dasGesellenstück des Speyerers Michael Reitze (1974–1994),das dieser kurz vor seinem Tode nach einem Engel derkatholischen Kirche zu Iggelheim gestaltete. Ein kleinesBegleitheft zur Ausstellung enthält „Gedanken zuEngeln“.

Das Bedürfnis der Menschen nach einer „geistigen“Welt jenseits der sichtbaren Wirklichkeit ist offenbar unge-brochen. Das ungestillte Bedürfnis nach einer Brücke zuGott macht Engel mit ihrer christlichen Botschaft trotzvielfältiger Vermarktung aktuell. Engel ohne Ende? Ja,besonders zur Weihnachtszeit. Ende der Engel? Nein, kei-neswegs.

Die Ausstellung ist in den Räumen des Zentralarchivsbis zum 21. Juni 2002 zu sehen. Danach steht sie als Wan-derausstellung zur Verfügung.

Auf einen Blick:Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz, Dom-platz 6, SpeyerTel.: 06232–667 180/181Dauer der Ausstellung: 10. Dezember 2001 bis 21. Juni2002Öffnungszeiten: Mo-Do 8–16 Uhr; Fr 8–14 Uhr

Speyer Gabriele Stüber

Aus- und Fortbildung, berufsständischeAngelegenheiten

Fortbildungskonzept für Archive in Schleswig-Hol-steinMitarbeitende und Besucher erleben es täglich: die Arbeitin einem Kommunalarchiv erfordert vielfältige und hoheQualifikationen! Neben guter Kenntnisse in der allgemei-nen und regionalen Geschichte ist ein Überblick über dieVerwaltungsstrukturen und -abläufe von Land, Kreis undKommunen verschiedener Epochen für Bewertung undRecherche der Quellen und die Beratung der Benutzerunerlässlich. Für die fachgerechte Pflege und Lagerungder verschiedenen Archivalien braucht es Fachwissen inMaterialkunde, Lagertechniken, Restaurierung und Kli-madaten. Lesegeräte, Reader/Printer, EDV verlangentechnisches Verständnis. Für die Ordnung und Erschlie-ßung der Quellen wurden archivfachliche Regeln entwi-ckelt, deren Anwendung erlernt werden muss. Schließlichwerden kommunikatives und pädagogisches Geschick,Kreativität, Organisationstalent und Managementfähig-keiten, Verhandlungsgeschick, Kenntnisse in der Öffent-lichkeitsarbeit benötigt. Nicht selten werden hoher Ein-satz, Ausdauer und große Langmut gefordert. Dieseunvollständige Liste möge die obige Behauptung veran-schaulichen.

Fachausgebildete Archivarinnen und Archivare sindallerdings in schleswig-holsteinischen Kommunalarchi-ven noch immer selten. Hauptamtlich besetzte Archivewerden häufig von Verwaltungsfachleuten, manchmalvon Bibliothekaren, Lehrern oder Historikern betreut.Daneben gibt es eine Vielzahl ehrenamtlicher Archivar-lnnen. Daher ist der Bedarf an Fortbildung sehr hoch. Dasvom Verband schleswig-holsteinischer Kommunalarchi-varinnen und -archivare in Zusammenarbeit mit der Ver-waltungsakademie Bordesholm durchgeführte ein-wöchige Einführungsseminar musste daher zweimal wie-derholt werden.

Fortbildungsangebote für diesen speziellen Bereichsind ebenfalls rar, im Bundesland Schleswig-Holstein sogut wie nicht vorhanden. Der Verband schleswig-holstei-nischer Kommunalarchivarinnen und -archivare e. V.(VKA) hat daher folgendes Fortbildungskonzept beschlos-sen:

Ziel der Nachqualifizierung: Durch die Teilnahme an allenSeminarblöcken oder entsprechenden anderen Fortbil-dungsangeboten werden Verwaltungspersonal und Sei-teneinsteiger befähigt, kleinere und mittlere Kommunal-archive nach archivfachlichen Gesichtspunkten zu führen.

Ablauf: Es soll eine Seminarreihe von mehreren kleinenThemenblöcken gebildet werden, die dann über einenZeitraum von etwa zwei Jahren durch die Verwaltungs-akademie Bordesholm angeboten wird.

Die einzelnen Seminarblöcke sind jeweils 2 bis 4 Tagelang und werden je nach Bedarf mehrfach angeboten. Die-ser modulare Aufbau soll es einer größeren Zahl von Inte-ressenten ermöglichen, die Fortbildung trotz geringerZeitressourcen zu nutzen.

Erfahrene und gute Referenten garantieren eine kom-primierte und qualitätsvolle Fortbildung.

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Inhalte:– die ersten Schritte im Archiv– Archive und Verwaltung– der Aktenmasse Herr werden– Erschließung von Informationsgut– Umgang mit besonderen Formen des Archivgutes– Öffentlichkeit und Archiv– Archivbenutzung und Rechtsfragen im Archivalltag– EDV im Archiv

Kiel Jutta Briel

Fachverbände, Ausschüsse, Tagungen

28. Sitzung des EDV-Ausschusses der Archivreferen-tenkonferenz in SaarbrückenDie Tagung des EDV-Ausschusses fand im letzten Jahr am25. und 26. April in der saarländischen LandeshauptstadtSaarbrücken statt. Gastgeber der Tagung war das Landes-archiv Saarbrücken.

Einleitend wurde über den Beschluss der 92. Archiv-referentenkonferenz des Bundes und der Länder (ARK)vom 26. März 2001 zu den Aufgaben des EDV-Ausschus-ses informiert. Dieser definiert die Aufgabenbereiche desEDV-Ausschusses der ARK in der Form, dass• die Archivierung von Unterlagen aus digitalen Syste-

men,• die archivische Behandlung digitaler Informationsträ-

ger sowie• die Entwicklung und der Einsatz von IT -Systemen im

Bereich der archivischen Fachaufgabenim Mittelpunkt des ständigen Erfahrungsaustausches ste-hen sollen. Der EDV-Ausschuss begrüßte den Beschlussausdrücklich und wertete ihn als gute Basis für diezukünftige Arbeit.

Ein Tagesordnungspunkt befasste sich anknüpfend andie Diskussion der Vorjahre mit der Internetpräsentationder staatlichen Archive und einem deutschen Internetpor-tal Archive. Dabei wurde festgestellt, dass in absehbarerZeit ein flächendeckendes Angebot von Länderportalen inder Bundesrepublik zu erwarten sei, auf dem ein einzu-richtendes Bundesportal aufbauen könnte. Die Einrich-tung eines Bundesportals der Archive wird als dringenderforderlich angesehen, um eine klare Abgrenzung zu denInternetangeboten privater Anbieter (Genealogen) zuerreichen.

In einem weiteren Tagesordnungspunkt befasste sichder Ausschuss mit den EDV-Anwendungen in der Verwal-tung. Er wurde von Mitgliedern der ARK-Arbeitsgruppe(Spiegelgremium) „Elektronische Systeme in Justiz undVerwaltung“ über den aktuellen Arbeitsstand informiert.Der Ausschuss begrüßte die Einrichtung des Spiegelgre-miums und sieht die Voraussetzungen für eine engeZusammenarbeit gegeben.

Informiert wurde weiterhin über die vor allem vomArbeitskreis Archive und Recht verfolgte Entwicklung beider Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts undden damit zusammenhängenden Fragen der elektroni-schen Signatur, die langfristig zu einem dramatischenWandel der Quellen führen werden.

Im Rahmen des Erfahrungsaustausches diskutiertendie Ausschussmitglieder über die Möglichkeiten undErfahrungen bei der Archivierung von Internet-„Auftrit-

ten“: Es bestand Einigkeit darüber, dass Strategien ent-wickelt werden müssen, um gegebenenfalls die Internet-auftritte von Behörden zu archivieren. Ein ähnliches Pro-blem bildet die Archivierung elektronischer Amtsdruck-sachen. Das Thema Archivierung von Internetauftrittenund elektronischen Publikationen wird deshalb auf derkommenden Sitzung des EDV-Ausschusses weiterbehan-delt werden.

Ausgehend von den bayrischen Richtlinien zur Archi-vierung digitaler Unterlagen befasste sich der Ausschussin einem weiteren Diskussionspunkt mit der Notwendig-keit, entsprechende Empfehlungen zur Archivierung digi-taler Unterlagen in allen Bundesländern zu erarbeiten. AlsVoraussetzung erscheint es dem Ausschuss dafür notwen-dig, dass die Begrifflichkeit geklärt wird und einheitlicheBegriffsbestimmungen vorgeschlagen werden sowie eineFestlegung der unverzichtbaren Elemente bei der Archi-vierung erfolgt. Ebenso müssen auch Standards bei derVerfahrensdokumentation festgeschrieben und Empfeh-lungen für die Verwendung von Speicherformaten und–medien gegeben werden.

Zur Normierung dieser Anforderungen will der Aus-schuss Richtlinien erarbeiten, auf deren Basis dann in deninteressierten Bundesländern eigene Empfehlungenerstellt werden können. Es wird als dringend notwendigangesehen, auf diesem Wege die IT- Kompetenz in denLändern zu stärken.

Ein weiterer Tagesordnungspunkt beschäftigte sich mitden Problemen der Langzeitarchivierung digitaler Unter-lagen. Es erscheint fraglich, ob die Archivarinnen undArchivare in Zukunft darauf vertrauen können, dass dieInformationstechnik immer die richtigen Werkzeuge lie-fern wird, mit denen digitale Unterlagen sicher über dieZeit gerettet werden können. So gilt es, alternative Mög-lichkeiten, die eine Speicherung über lange Zeiträumeohne kostenträchtige Erhaltungsmaßnahmen erlauben,ernsthaft zu prüfen. Daten jeweils in ihrer Entstehungs-form zu übernehmen, wird zwar als richtiges archivischesPrinzip angesehen, allerdings muss auch darauf hinge-wiesen werden, dass zum Beispiel bei digitalen Textdoku-menten durch eine Speicherung im Bildformat bezie-hungsweise Mikroverfilmung eine Stabilisierung erreichtwerden kann. Skepsis gegenüber der Emulationslösungerschien den Ausschussmitgliedern als angebracht.

Nordrhein-Westfalen informierte den Ausschuss überdas DFG-Projekt „Entwicklung von Werkzeugen zurRetrokonversion archivischer Findmittel; Standardaus-tauschformat für Verzeichnungsdaten“. Die DFG hat zum1. Mai 2001 dieses Gemeinschaftsprojekt der nordrhein-westfälischen Staatsarchive mit den beiden Archivämtern,dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv und dem Bundes-archiv bewilligt. Hier sollen Software-Werkzeuge für dieretrospektive Digitalisierung von Findbüchern entwickeltwerden, die als Textdatei, maschinenschriftlich oder auchhandschriftlich vorliegen. Um die digitalisierten Daten injede Verzeichnungsdatenbank übernehmen zu können,soll im Rahmen des Projekts ein Standardaustauschformatfür Findbuchdaten entwickelt werden. Damit kommt die-sem Projekt eine nationale, wenn nicht sogar internatio-nale Bedeutung zu, denn die Entwicklung eines Standard-austauschformats kann weitreichende Konsequenzenhaben: Das Spektrum der betroffenen Dateiformate reichtvon Registraturdaten bis hin zum Internet. Die Projekt-partner werden deshalb, sobald ein Entwurf des Aus-

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tauschformats vorliegt, den EDV-Ausschuss über denStand des Projekts informieren und um Stellungnahmezum Austauschformat bitten. Der Ausschuss wird in sei-ner nächsten Sitzung darüber beraten. Ziel ist die Empfeh-lung des Austauschformats durch den Ausschuss bzw. dieARK als Konvention1.

Im Rahmen des weiteren Erfahrungsaustausches wur-den die in der Entwicklung befindlichen archivischenAnwendungen „Hadis 2000“ aus Hessen und „Vera“ ausNordrhein-Westfalen vorgestellt. Sie stießen dabei auf gro-ßes Interesse der übrigen Ausschussmitglieder.

Anschließend berichtete Daniel Peter (Archives du Bas-Rhin, Strasbourg) über aktuelle Entwicklungen im EDV-Einsatz in den französischen Departementsarchiven. Erstellte zunächst die Geschichte des französischen Archiv-wesens und die Entwicklung der EDV in französischenArchiven vor, bevor er ein EDV-Programm, das in mehre-ren Departementsarchiven eingesetzt wird, näher erläu-terte. Zum Schluss ging er noch auf die Themen Digitali-sierung und Internet ein.

Zuletzt befasste sich der Ausschuss mit Kooperations-möglichkeiten mit dem BKK-Unterausschuss EDV. Dabeiwurde der Wunsch nach einer Intensivierung der Zusam-menarbeit deutlich.

Die Teilnehmer der Jahrestagung beauftragten denneuen Ausschussvorsitzenden Dr. Carsten Müller-Boy-sen, dem ausgeschiedenen „Altvorsitzenden“ Dr. Hans-Dieter Kreikamp den Dank des Ausschusses für seinenjahrelangen Einsatz zu überbringen. Abschließend dank-ten sie dem gastgebenden Landesarchiv Saarbrücken undhier insbesondere Dr. Michael Sander für die ausgezeich-nete Organisation der Tagung.

Potsdam Ilka Stahlberg

1 Vgl. hierzu oben S. 111 ff.

„Die Erschließung historischer Quellen als zentraleAufgabe der Archive“Tagung in Schloss Augustusburg in BrühlMit einer Fachtagung zur „Erschließung historischerQuellen als zentrale Aufgabe der Archive“ ehrte die nord-rhein-westfälische Archivverwaltung den zum Ende desJahres 2001 in den Ruhestand getretenen Leiter des Haupt-staatsarchivs Düsseldorf, Prof. Dr. Ottfried Dascher.

Dr. Wolf-Rüdiger Schleidgen, Leiter des in SchlossAugustusburg in Brühl beheimateten Personenstands-archivs Rheinland und seit Januar 2002 NachfolgerDaschers in Düsseldorf, begrüßte am 11. 12. 2001 die zahl-reichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, insbesonderedie niederländischen Gäste und die anwesenden Vertreterdes nordrhein-westfälischen Ministeriums für Städtebauund Wohnen, Kultur und Sport. Zugleich dankte er derSchlossverwaltung Brühl für die Möglichkeit, die Tagungin den repräsentativen Räumen von Schloss Augustus-burg durchführen zu können.

In seinen Eingangsworten ging Schleidgen auf dieMotive ein, die zur Wahl des Themas und des Terminsgeführt hatten: Er hob die besondere Rolle heraus, die Fra-gen des „Zugangs“ zum Archivgut in der Fachdiskussionder jüngsten Zeit gespielt haben. Unter Rückgriff auf eineFormulierung von Angelika Menne-Haritz definierteSchleidgen die Nutzung als den „Sinn der Archivierung“;ein vertiefter Dialog der Archive mit ihren Nutzern sei

daher dringend erwünscht. Einen solchen Dialog zwi-schen Archivarinnen und Archivaren auf der einen undVertreterinnen und Vertretern der Geschichtswissenschaftauf der anderen Seite solle die Brühler Tagung anregen.Mit der Auswahl des Themas und der Referenten werdezugleich auch ein im Wirken Ottfried Daschers erkenn-barer roter Faden aufgegriffen: Die Verbindung vonArchivarbeit und historischer Forschung unter Einbezie-hung grenzüberschreitender Projekte und des Einsatzesneuer Medien bezeichnete Schleidgen als charakteris-tische Maximen der Berufslaufbahn Daschers.

Ausgehend von dem im nordrhein-westfälischenArchivgesetz festgelegten Aufgabenkatalog der Staats-archive behandelte Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, Lei-ter des Staatsarchivs Münster, in einem einführenden Vor-trag das Thema „Erschließen, Bereitstellen, Erforschenund Veröffentlichen im Rahmen von Archivstrategien im21. Jahrhundert“. In einem ersten Schritt beleuchtete Rei-ninghaus auf der Grundlage der innerarchivischen Dis-kussion um „Kern- und Sekundäraufgaben“ die im Mittel-punkt der Tagung stehende „Schnittstelle zwischen Archi-ven und Benutzern“ und deren Stellenwert im Gesamt-zusammenhang der übrigen gesetzlich festgelegten Auf-gaben. In der Debatte um die archivischen Aufgaben habesich gezeigt, dass zukünftiges „Erschließen“ und „Aus-werten“ nur unter Einbeziehung der jeweiligen Rahmen-bedingungen diskutiert werden könne. Auch die besteÜbernahmestrategie nütze nichts, wenn anschließend ver-säumt werde, die Bestände zu erschließen. Eine guteErschließung der Archivalien leiste zudem einen wichti-gen Beitrag zur Bestandserhaltung. Reininghaus wies da-rauf hin, dass im Zeitalter der Informationsgesellschaft dieBereitstellung von Informationen über Archivgut wichti-ger denn je werde. Über ein Angebot onlinefähiger Find-bücher hinaus gelte es dabei, die Schnittstellen der Infor-mationsangebote von Archiven, Bibliotheken und Museenauszuloten und die Wünsche der Benutzer zu berücksich-tigen. In einem zweiten Schritt gab der Referent danneinen Überblick über Entwicklung und Perspektiven dervorhandenen Instrumente archivischer Informationspoli-tik von Archivführern und Beständeübersichten überInventare und Findmittel bis hin zu Editionen und Quel-lenkunden. Am Spektrum dieser Instrumente habe sich inden letzten dreißig Jahren wenig geändert, doch sei die insUnendliche gestiegene Verbreitungsmöglichkeit im Inter-net neu. Um die momentane Situation in den Archivenzusammenzufassen, bediente sich Reininghaus des Bildeseiner Baustelle. Wichtig sei gegenwärtig insbesondere derDialog mit den Benutzern als den zukünftigen Bewohnerndes zu bauenden Hauses.

Im zweiten Vortrag des Tages sprach Dr. Jürgen Kloos-terhuis, Leiter des Geheimen Staatsarchivs PreußischerKulturbesitz in Berlin, zum Thema „Wege zum Archivgut‚zwischen Königsberg und Kleve‘. Neuzeitliche Akten-publikationen in gesamtpreußischer Perspektive“ undkonnte dabei seine langjährige Erfahrung im nordrhein-westfälischen Archivdienst mit der umfassenderen Sichtauf den Gesamtstaat Preußen verbinden. Kloosterhuisbegann zunächst mit einem Fazit des „Preußenjahres“2001, dessen hervorstechendste Charakteristika das Feh-len einer Diskussion um aktuelle Probleme und die Kon-zentration auf den Raum Berlin-Brandenburg gewesenseien. Mit dem Hinweis auf das fragenprovozierendePotential von Editionen gelangte er dann zu seinem

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Hauptthema. Der Gesamtzusammenhang der preußi-schen Geschichte zeige sich nicht nur in der hohen Zahlder Benutzungen und Recherchen aus Nordrhein-West-falen im Geheimen Staatsarchiv, sondern auch in archivi-schen Publikationen, zu denen der Referent im Folgendenzahlreiche Beispiele anführte. Kloosterhuis betonte denStellenwert von Akteneditionen im Rahmen archivüber-greifender Projekte für die preußische Geschichte, ver-deutlichte aber am Beispiel der „Politischen Korrespon-denz Friedrichs des Großen“ zugleich die Schwierigkeitensolcher „Mammutunternehmen“. Grundsätzlich müsseauch bei laufenden Projekten eine Evaluation des Erschlie-ßungsaufwands geleistet werden. In Abwägung derKosten-Nutzen-Relation könne anstelle der Volltextedi-tion z. B. eine Kombination aus Formalbeschreibung undgestuften Regesten mit einer Mikrofiche-Volltexteditiontreten. Eine wichtige Rolle räumte Kloosterhuis sachthe-matischen Inventaren ein, wie sie für die Bereiche Eisen-bahn, Bergbau und demnächst auch Bauverwaltungbereits aus der Zusammenarbeit von Geheimem Staats-archiv und ehemaligen preußischen Provinzialarchivenhervorgegangen sind. Dass an möglichen Projekten fürweitere Kooperationen „zwischen Königsberg und Kleve“kein Mangel herrscht, bewies der Referent schließlich miteinem Ausblick auf das 2009 anstehende 400-jährige Jubi-läum der Erbfolge Preußens in Kleve und Mark.

Aus der Sicht des Historikers beleuchtete anschließendProf. Dr. Wolfhart Weber, Inhaber des Lehrstuhls fürWirtschafts- und Technikgeschichte an der UniversitätBochum, den „Ertrag archivischer Editionen und Find-bücher für die Wirtschafts- und Technikgeschichte“. In sei-nem Vortrag griff er in systematischer und historischerPerspektive einzelne zentrale wirtschaftliche und gesell-schaftliche Entwicklungen auf, für deren Erforschung diein den Archiven verwahrten Unterlagen die Grundlagebilden. Weber brachte nicht nur durch die Präsentationvon Fotos Daschers aus seiner Anfangszeit als Leiter desWestfälischen Wirtschaftsarchivs eine persönliche Note indie Tagung ein, sondern würdigte insbesondere dessenLeistung bei der Erschließung wirtschaftsgeschichtlicherQuellen. Mit der Archivierung der Unterlagen der Indus-trie- und Handelskammern, Handwerkskammern undregional bedeutender Unternehmen habe OttfriedDascher die Grundlage für die Erforschung der Wirt-schaftsgeschichte als Landesgeschichte gelegt.

Nach der Mittagspause widmete sich Dr. Maarten vanBoven, Reicharchivar der Niederlande, mit seinem Vor-trag über Erfahrungen und Perspektiven grenzüberschrei-tender archivischer Erschließungsprojekte in der Euregioeinem weiteren Schwerpunkt der archivarischen TätigkeitOttfried Daschers. Für das Gebiet der heutigen Euregiobiete sich oft eine derart verstreute Überlieferungslage,dass selbst einfachere genealogische Recherchen nurgrenzübergreifend zu beantworten seien. Van Bovenstellte im Folgenden mehrere Erschließungsprojekte vor,die zur Lösung dieses Dilemmas beitragen sollen, darun-ter die Verfilmung und Digitalisierung des Familien-archivs der Grafen von Hoensbroek, die Verfilmung derÜberlieferung der Grafschaft Gronsveld, die Inventarisie-rung der Maastrichter Reichskammergerichtsakten unddie Digitalisierung der „Plakate“ des Oberquartiers Gel-dern. Insgesamt liege der Schwerpunkt der bereits ange-laufenen gemeinsamen Erschließungsprojekte auf der Zeitvor 1800. Als wünschenswerte Folgeprojekte benannte

van Boven auf diesem Gebiet die virtuelle Zusammenfüh-rung der Bestände des Oberquartiers Geldern sowie einegrenzübergreifende Erschließung des Archivs des BistumsRoermond. Perspektiven für eine Zusammenarbeit aufdem Gebiet der Geschichte des 19. und 20. Jahrhundertssah der Referent in einer Intensivierung des Informations-flusses über bislang weniger stark genutzte Bestände vongegenseitigem Interesse. Über solche konkreten grenz-übergreifenden Projekte hinaus betonte van Bovenschließlich die Bedeutung breiterer struktureller Kontaktezwischen den Archiven der Euregio, die nicht nur in wis-senschaftlichen Publikationen, sondern auch auf gemein-samen Treffen und Fachtagungen wie dem Benelim-Kon-vent, dem Euregional Archivsymposium und demDeutsch-Belgisch-Niederländischen Symposium dernationalen Archivverwaltungen zum Ausdruck kämen.

Im folgenden Vortrag über „Entwicklung, Stand undAufgaben landesgeschichtlicher Editionen zur Geschichtedes Mittelalters und der frühen Neuzeit in Nordrhein-Westfalen“ verband Prof. Dr. Manfred Groten vom Insti-tut für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an derUniversität Bonn die Perspektive der historischen For-schung mit seiner langjährigen Berufserfahrung als„gelernter Archivar“. Er gab zunächst einen Überblicküber die Entwicklung der Quellenveröffentlichungen zurGeschichte des Rheinlandes, angefangen von Lacomblets„Urkundenbuch zur Geschichte des Niederrheins“ bis hinzum erst vor kurzem zum Abschluss gebrachten „Mam-mutunternehmen“ der Regesten der Erzbischöfe von Kölnim Mittelalter. Groten beleuchtete kritisch den Wandel derRegestentechnik vom „Wegweiser zu den Volltexten“ zumVollregest, das den Urkundentext möglichst ersetzen soll.Angesichts der Spezialisierung historischer Fragestellun-gen bleibe die vollständige Ersetzung des Textes jedochein unerreichbares Ziel. Sinn und Zweck von Regesten-werken müssten folglich überdacht werden, zumal grö-ßere historische Editionsprojekte angesichts rascher Rich-tungswechsel der historischen Forschung ins Leere zu lau-fen drohten. Editionen sollten in der heutigen Situationzielgruppenorientiert und arbeitsökonomisch bei bewuss-ter Auswahl des jeweils angemessenen Mediums angelegtwerden. Groten plädierte für eine Beschränkung auf zen-trale Quellenserien mit hoher Informationsdichte und eineBevorzugung kleinerer exemplarischer Editionen vor gro-ßen Langzeitprojekten. Abschließend skizzierte der Refe-rent die zukünftigen Aufgaben auf dem Feld landesge-schichtlicher Editionen im Rheinland: Während er denPublikationsstand rheinischer Quellen für das Früh- undHochmittelalter als im Großen und Ganzen befriedigendkennzeichnete, konstatierte er für die Zeit des Spätmittel-alters eine empfindliche Lücke in der Dokumentation derHerrschaftspraxis der rheinischen Fürsten. Diese ließe sicham besten durch ein Regestenwerk zu den Urkunden derGrafen und Herzöge von Jülich und Berg schließen, beidem die Regesten jedoch nicht den Volltext ersetzen, son-dern als Wegweiser zu den im Original, auf Film oder imInternet den Benutzern zugänglichen Urkunden fungierensollten. Für die bislang kaum in Quellenpublikationenerschlossene frühe Neuzeit benannte Groten die Editionder Protokolle des kurkölnischen Hofrates als möglichesPilotprojekt. Um dem akuten Quellenmangel kurzfristigabzuhelfen, müsse ferner auf rudimentäre Erschließungs-formen wie die Indizierung von Archivbeständen oder dieErstellung von thematischen Inventaren zurückgegriffen

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werden. Die Realisierung dieser Aufgaben könne im Rah-men von Drittmittelprojekten durch junge Wissenschaftlererfolgen, die in editionspraktischer Hinsicht von Seitendes Archivs und in organisatorischer Hinsicht von Seitenihres Hochschullehrers unterstützt würden.

Die Frage nach neuen Formen, neuen Inhalten undneuen Erkenntnissen durch den Einsatz digitaler Techni-ken in der Editionsarbeit stellte schließlich Prof. Dr. Man-fred Thaller vom Institut für Historisch-Kulturwissen-schaftliche Informationsverarbeitung an der UniversitätKöln. Thaller präsentierte die Digitalisierung der Dom-und Diözesanbibliothek Köln als Beispiel für ein von derDFG gefördertes Projekt, bei dem nicht nur quantitativ,sondern auch qualitativ die Grenzen herkömmlicher Edi-tionen überschritten würden. Als bereits realisierten quali-tativen „Mehrwert“ dieses Projektes bezeichnete der Refe-rent die Möglichkeit, das digitalisierte Kulturgut unab-hängig von der verwahrenden Institution durch eine aufder Bibliothekssignatur aufbauende, „sprechende“ URLdirekt zugänglich zu machen. Das Ziel einer das Benutzer-wissen einbeziehenden dynamischen Erschließung, mitder zugleich ein multi-mediales Werkzeug für die akade-mische Lehre geschaffen würde, sei dagegen noch nichterreicht worden. In Abgrenzung von Beispielen einer rei-nen Transformation traditioneller Editionen in digitaleMedien definierte der Referent die Präsentation nichtedierter Quellen, die Erzielung von Kostenvorteilen unddie Ausnutzung von bisher nicht zur Verfügung stehen-den Möglichkeiten der Präsentation als Ziele der Digitali-sierung. Unter diesen Voraussetzungen führe die Digitali-sierung einerseits durch die Bereitstellung bislang nichtzugänglichen Materials zu einer „Dekanonisierung“ derGeisteswissenschaften, andererseits böten verbesserteMöglichkeiten zur kontrollierenden Einsicht der Quellenneue Impulse für den durch zunehmende Spezialisierungabgeschwächten fachinternen Diskurs. Der abschließendeBlick Thallers auf die zukünftige Rolle von Archiven,Bibliotheken und Museen in der digitalen Welt war von„melancholischem Optimismus“ geprägt: Die Chancender bewahrenden Institutionen als „Spinnen“ im Netz derInformationsgesellschaft würden angesichts einer weithinverbreiteten reservierten Grundeinstellung zu den digita-len Techniken immer noch nicht in ausreichendem Maßewahrgenommen.

An die sechs Vorträge des Kolloquiums schloss sich einekurze Diskussion an. Mehrfach wurde darauf hingewie-sen, dass die Erschließung historischer Quellen in dergegenwärtigen Situation Universitäten und Archive vorgemeinsame neue Anforderungen stelle: Die Intensivie-rung der hilfswissenschaftlichen Ausbildung an den Uni-versitäten wurde dabei ebenso genannt wie die Bereitstel-lung der dafür notwendigen Ressourcen durch dieArchive. Der Einsatz digitaler Techniken in der Editions-arbeit erfordere zudem Strategien für eine langfristigeSicherung der Erschließungsdaten. Von verschiedenenSeiten wurde schließlich die Notwendigkeit einer an denWünschen der Benutzer orientierten Auswahl der zu prä-sentierenden Quellen sowie eines gestuften Einsatzes dif-ferenzierter Erschließungsformen betont.

Im Schlusswort des Brühler Kolloquiums, das ProfessorDr. Dietmar Petzina in dreifacher Funktion als Rektor derUniversität Bochum, als Wirtschaftshistoriker und als Mit-glied der Fakultät für Geschichtswissenschaft sprach,stand die langjährige Lehrtätigkeit Ottfried Daschers an

der Ruhr-Universität im Vordergrund. Zugleich würdigtePetzina mit seinem Wort „Ohne Archive ist der Historikernichts“ Daschers Leistung als Archivar.

Im Anschluss daran richtete der Geehrte selbst seinenDank an die Ruhr-Universität Bochum. Er bedankte sichzudem bei den Organisatoren des Brühler Kolloquiumsund bei allen Referenten für die gelungene Tagung zueinem Thema, an dem er während seines gesamten beruf-lichen Werdegangs als Historiker und Archivar besonde-res Interesse gehabt habe.

Auf den offiziellen Teil des Kolloquiums folgte einabschließender Imbiss in der Orangerie von Schloss Au-gustusburg. Der Weg dorthin führte die Teilnehmerinnenund Teilnehmer durch die historischen Räume des Schlos-ses und ermöglichte ihnen nicht zuletzt einen kurzen Blickauf das weltberühmte, von Balthasar Neumann gestalteteTreppenhaus.

Düsseldorf Martina Wiech

Studienkonferenz „Unterschätzt und fast vergessen?Zur Geschichte kleinerer und mittlerer Unternehmenim Rheinland“ der Stiftung Rheinisch-WestfälischesWirtschaftsarchiv zu Köln, der Thomas Morus Akade-mie, Bensberg, und des Wirtschaftshistorischen Vereinszu KölnDie am 28. September 2001 veranstaltete Studienkonfe-renz der drei genannten Veranstalter hatte das Ziel, sichdem Thema „Geschichte kleinerer und mittlerer Unter-nehmen“ gleichsam von zwei Seiten zu nähern. Zum einengalt es, einige grundsätzliche methodische Fragen zu klä-ren. Welche Quellen gibt es und wo sind sie zu finden,wenn kein oder nur ein kleines Unternehmensarchiv exis-tiert? Wie und warum betreibt man als Historiker über-haupt Unternehmensgeschichte? Zum anderen sollteneinige Erträge solcher Bemühungen um die Geschichtekleinerer Unternehmen vorgestellt werden, die, obwohlvon einer ganz unterschiedlichen Quellenlage und -dichteausgehend, trotzdem zu brauchbaren Ergebnissen gekom-men sind.

Der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Hartmut Berg-hoff (Georg-August-Universität, Göttingen) stelltezunächst den Stand der Erforschung dieser Gruppe vonUnternehmen dar. Dabei kam er zu dem Schluss, dass es indiesem Bereich eigentlich gar keinen Forschungsstandgebe, dass sich vielmehr eine gähnende Lücke auftue. AlsGründe dafür nannte er auf der einen Seite ein Definitions-problem. Es sei bei über 200 kursierenden Definitionenschwierig, überhaupt festzustellen, welches denn ein klei-neres, welches ein mittleres und welches ein großes Unter-nehmen sei. Als zweiten Grund für das mangelnde Inte-resse der Wissenschaft führte er die häufig schlechte Quel-lenlage an. Außerdem sei es aufgrund der extremen Hete-rogenität der Unternehmen ausgesprochen problema-tisch, generalisierende Aussagen über diese als Gruppe zutreffen. Nicht einmal die klassischen Klischees über mittel-ständische Unternehmen vom größten wirtschaftlichenund vor allem vom größten Innovationspotential ließensich eindeutig belegen. Sicher sei lediglich, dass auchgegenwärtig kleine und mittlere Unternehmen die Wirt-schaft in der Bundesrepublik dominierten, obwohl in Zei-ten der Globalisierung und Flexibilisierung der engeNexus von Familie und Unternehmen, wie er dort nochhäufig gegeben sei, zunehmend an ökonomischer Logik

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einbüße. Trotz oder gerade wegen dieser Forschungspro-blematik bleibe der Mittelstand aber auch weiter ein span-nendes Thema für Wirtschaftshistoriker.

Das Stichwort von der problematischen Quellenlageaufgreifend wandte sich Dr. Ulrich S. Soénius (StiftungRheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln) in sei-nem Vortrag diesem Themenkreis zu. Er bot eine kurzeÜbersicht, wo, außer im firmeneigenen Archiv, noch Infor-mationen über Unternehmen zu erhalten seien. Das Kom-munalarchiv stehe dabei an erster Stelle der Ansprechpart-ner, aber auch Hauptstaatsarchiven ließe sich brauchbareInformationen zur Geschichte einzelner Unternehmenentlocken.

Die schlechte Quellenlage, so meinte Soénius, resultiereunter anderem daraus, dass bei vielen UnternehmernUnsicherheit über den historischen Wert ihrer Unterlagenherrsche. Sie wüssten häufig nicht, was interessant undwichtig sei. Hier sei es die Aufgabe der Wirtschaftshistori-ker und -archivare, beratend tätig zu werden und dasGefühl zu wecken, dass auch Akten kleiner und mittlererUnternehmen für die Geschichtswissenschaft von Bedeu-tung seien. Am Schluss stand seine Forderung nach nochmehr Einzeluntersuchungen kleiner und mittlerer Unter-nehmen, die Ergebnisse und Datenmaterial nicht nur fürdie lokale oder regionale, sondern auch für die allgemeineGeschichtsschreibung bereit halten könnten.

Am konkreten Beispiel demonstrierte Dr. Otto-ErnstKrawehl (Staats- und Universitätsbibliothek HamburgCarl von Ossietzky) sodann, wie die Geschichte eines klei-nen Unternehmens auch mit spärlichen Quellen dicht undanschaulich geschrieben werden kann. Anhand von Brief-kopier- und Geschäftsbüchern aus den Jahren 1820–1835gelang es ihm, nicht nur Geld- und Warenströme derFirma Wilhelm und Conrad Waldthausen aus Essen sicht-bar zu machen. Sogar einen Einblick in die Geschäftsprak-tiken und den ökonomischen Jahresrhythmus des imWollhandel tätigen Unternehmens konnte er gewähren.Erstaunlich war die Plastizität, mit der Krawehl Ereignissewie das Feilschen auf dem Breslauer Wollmarkt heraus-arbeitete, ohne den Kontakt zu den Quellen und damitzum konkreten Unternehmen zu verlieren.

Die Reihe der Einzelbeispiele wurde am Nachmittagvon Verena Münsberg (Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn) fortgesetzt, die die Geschichte der Bau-stoffhandlung Klein in Königswinter-Oberpleis schilderte.Auch in diesem Fall war bemerkenswert, wie mit Hilfevon Zeitzeugeninterviews der Grundstock des nichtgerade umfangreichen Familien- und Unternehmens-archivs angereichert werden konnte, so dass es schließlichmöglich wurde, die über 125-jährige Entwicklung von derBrennstoffhandlung über Spedition und Baustoffhand-lung zum modernen Baustoffhandel mit angeschlossenemHeimwerkermarkt nachzuvollziehen.

Ebenfalls mit Mitteln der „oral history“ arbeitete Domi-nik Zier M. A. (Sal. Oppenheim jr. & Cie., Köln). Er konntejedoch für die Geschichte der Gebr. Oldemeier GmbH, einUnternehmen der holzverarbeitenden Industrie, auf weit-aus umfangreichere schriftliche Quellen zurückgreifen.Die wirtschaftliche Entwicklung nach 1945 konnte er soviel genauer beschreiben. Zier identifizierte drei Phasen.Die erste, die Nachkriegsphase, war gekennzeichnet vonstarkem, geradezu stürmischem Wachstum. Ab etwa 1960setzte dann ein Phase ruhigeren, aber immer noch stetigsteigenden Wachstums ein, die ab ca. 1975 von einer Phase

wirtschaftlichen Niedergangs abgelöst wurde. DiesesSchicksal teilte fast die gesamte lippische Holzindustrie.Konkurrenz aus Niedriglohnländern, neue Produkte unddamit sich verändernde Kaufgewohnheiten waren bei ihrwie auch der Gebr. Oldemeier GmbH der äußere Grundfür wirtschaftliche Probleme. Die Firmenunterlagen lassenaber auch einen firmenimmanenten Grund erkennen: Esgelang nicht rechtzeitig, die Produktpalette zu diversifi-zieren und sich so neue Märkte zu erschließen. Was zumAufstieg des Unternehmens beigetragen hatte – die Kon-zentration auf wenige Produkte – wurde ihm am Endezum Verhängnis. Die Familie verkaufte schließlich 1991die über 130 Jahre in ihrem Besitz befindliche Firma.

Immer noch – und damit seit nahezu 300 Jahren – inFamilienbesitz befindet sich die Firma Johann MariaFarina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH. Ihr derzeitigerInhaber Johann Maria Farina (Köln) zeigte anhand derlangen Unternehmensgeschichte, die sich mit den fastvollständig erhaltenen Akten detailliert rekonstruierenlässt, wie Tradition und Traditionsbewusstsein die Unter-nehmensentscheidungen beeinflusst haben und immernoch beeinflussen. So wird gerade in jüngster Zeit imBereich Marketing und Produktpräsentation bewusst aufdie lange Firmentradition zurückgegriffen.

Der Aspekt des Marketing spiele auch bei der Entschei-dung, eine Firmenfestschrift oder -chronik schreiben zulassen, eine nicht unbeträchtliche Rolle, wie Dr. Dirk Ale-xander Reder (Geschichtsbüro Reder & Roeseling, Born-heim/Köln) ausführte. Meist würde ein Jubiläum zumAnlass genommen, um sich auf die Firmengeschichte zubesinnen. Ein Jubiläum könne man aber auf vielfältigeWeise begehen, eine Festschrift sei nur eine davon. Siemüsse sich daher oft genug in Aufbau und Inhalt denanderen geplanten Aktivitäten anpassen, sich in dasgesamte Jubiläumskonzept einfügen. Gegen historisch-wissenschaftliche Firmenchroniken bestünden deswegenhäufig die Vorbehalte, sie seien zu langweilig, zu akade-misch, sie würden nicht gelesen. Mit seinem Geschichts-büro – einem von zehn oder zwölf in der Bundesrepublik –müsse Reder daher immer wieder den Spagat zwischenWerbung und Wissenschaft, einer bunten Broschüre undeiner akademischen Bleiwüste wagen. Sein Ziel sei dabeieigentlich, von diesem Duopol wegzukommen. Er wollelesbare, spannende Firmengeschichten verfassen, ohneden Anspruch der Wissenschaftlichkeit aufzugeben.

Dass es auch für kleinere und mittlere Unternehmenmöglich, aber auch nötig ist, ihre eigene Geschichte zuerforschen, konnte diese Tagung einmal mehr deutlichmachen.

Köln Christian Hillen

Treffen des Arbeitskreises nordrhein-westfälischerPapierrestauratoren in DetmoldIm Staatsarchiv Detmold trafen sich im September 2001die Mitglieder des Arbeitskreises, welcher seit 1989besteht und dessen vordringlicher Gedanke war, einen inNordrhein-Westfalen intensiven Austausch von Fachtheo-rie und Fachpraxis zu betreiben. Gefördert wird besondersdie Zusammenarbeit zwischen den Restauratoren undRestauratorinnen des öffentlichen Dienstes und derenWerkstatteinrichtungen wie Geräten und Verfahren. Dievom Rheinischen Archiv- und Museumsamt und demWestfälischen Archivamt alle zwei Jahre durchgeführten

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Fachgespräche werden von diesem Arbeitskreis mit vor-bereitet und gestaltet.

Nach herzlicher Begrüßung und Ausführungen überdas Staatsarchiv Detmold und dessen Veränderungen imtechnischen Bereich durch die Leiterin, Ltd. Staatsarchiv-direktorin Dr. Jutta Prieur-Pohl, führte Dr. WolfgangBender, Bestandserhaltungsreferent, die Gruppe durchLesesaal, Findbuchzimmer und die Magazinräume, wel-che gerade für die Mitglieder des Arbeitskreises vonbesonderem Interesse waren. Vorgestellt wurde die hän-gende Aufbewahrung der Karten und Pläne, die Bilder-sammlung sowie ein Teil der nach dem Battelleverfahrenentsäuerten Akten. Die Klimaanlage und deren technischeVor- und Nachteile wurden aufgezeigt und diskutiert.Ebenso sprach man über die Pergamenturkunden undderen Lagerung. Zum Schluss der Hausführung wurdedie Restaurierungswerkstatt und deren neueste Errungen-schaft, die Vertikalwässerungsanlage, unter die Lupegenommen. In dieser Anlage besteht die Möglichkeit, biszu 210 Doppelblatt Folio gleichzeitig zu wässern oderanderweitig chemisch zu behandeln. Das Besondere daranist, dass sie von den Restauratoren im Staatsarchiv selbstgebaut wurde.

Danach konnte mit der eigentlichen Facharbeit desArbeitskreises begonnen werden. Auf der Tagesordnungstanden Punkte wie: Rückblick auf die Tagung im März

2001 in Walberberg, Bericht von der Fachtagung zumThema „Schimmel – Gefahr für Mensch und Kulturgutdurch Mikroorganismen“, Bericht über die Mitgliederver-sammlung der IADA, Bericht von den Werkstattbesuchenin München, Bericht des Redaktionsteams des Arbeits-kreisheftes Nr. 8, welches voraussichtlich Ende des Jahres2001 erscheinen soll. In Vorbereitung sind für Mai 2002 einWorkshop über den Bau eines kleinen Unterdrucktischesund der Vermittlung verschiedener Techniken zur restau-ratorischen Papierbehandlung auf diesem Tisch. Ein wei-terer Punkt der Tagesordnung war die Erstellung einerWebsite über den Arbeitskreis und dessen Aktivitäten.Vorgesehen worden ist als nächster Tagungsort für dasFachgespräch 2003 Detmold mit der Tagungsstätte HausStapelage.

Am nächsten Tag führte Franz Mühlbauer, der Leiterder Papierrestaurierungswerkstatt des FreilichtmuseumsDetmold, durch seine Werkstatt. Eine große Objektvielfaltder aktuellen Restaurierungsarbeiten – angefangen vonder Restaurierung eines Andachtsbildes mit geflochtenenHaaren auf Karton, einer Tapete in Ellipsenform, welcheunter eine Decke montiert werden soll, bis hin zur Buch-restaurierung – stellen sich als Anforderungen an den dor-tigen Restaurator und wurden an diesem Vormittag fach-lich diskutiert.

Detmold Matthias Frankenstein

Arbeitskreis nordrhein-westfälischer Papierrestau-ratoren in der Werkstatt desStaatsarchivs Detmold

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Auslandsberichterstattung

Internationales

7. Internationale Konferenz der Archive aus den Staa-ten Mittel- und Osteuropas (Colloquia Jerzy Skowro-nek dedicata)Am 28.-29. September 2001 fand in Warschau die 7. Inter-nationale Konferenz der Staatsarchive Mittel- und Ost-europas statt (7th International Conference on Archives ofthe States of Central and Eastern Europe). Die von derGeneraldirektion der polnischen Staatsarchive jährlichausgerichteten Konferenzen sind ihrem Initiator JerzySkowronek gewidmet, dem vor wenigen Jahren tödlichverunglückten Generaldirektor. An der letztjährigenTagung nahmen 50 Teilnehmer aus 17 Ländern teil, dar-unter der Leiter der russischen Archivverwaltung und dieLeiter der Nationalarchive von Israel, Lettland und Slowe-nien. Die Einschätzung des stellvertretenden General-direktors der polnischen Staatsarchive und Herausgebersdes letztjährigen Tagungsbandes, dass die „ColloquiaJerzy Skowronek dedicata” ein wichtiges Forum für Kon-takte und Kooperation der Archivverwaltungen Mittel-und Osteuropas geworden sind, wurde damit wiederumbestätigt.1 Konferenzsprachen sind englisch und russisch.

Nachdem sich die Konferenz im Jahr 2000 mit derArchivierung von Unterlagen internationaler Organisatio-nen aus der Zeit vor dem politischen und gesellschaft-lichen Umbruch in Mittel- und Osteuropa beschäftigthatte, wandte sie sich 2001 unter dem Titel „Archives in thenew age. The strategic problems of the automatization ofarchives” einem wichtigen Aspekt der „neuen Zeit” zu:den Chancen und Problemen, die mit der zunehmendenNutzung der Informationstechnik in der Verwaltung undspeziell in den Archiven verbunden sind. Die insgesamt 28Vorträge lassen sich im Wesentlichen drei Themenschwer-punkten zuordnen: Zusammenarbeit im europäischenMaßstab, Archive und das Internet sowie Planung undDurchführung internationaler Projekte. Die Archivierungelektronischer Unterlagen wurde nur in wenigen Vorträ-gen thematisiert, so im Beitrag von Inta Feldmane überkonzeptionelle Überlegungen zur Archivierung elektro-nischer Unterlagen in Lettland und im Beitrag d. Vf. überdiesbezügliche Strategien deutscher Staatsarchive.

Der erste Themenschwerpunkt galt der Nutzung euro-päischer Programme und Projekte wie des Programms IST(Information Society Technologies) und dem 5. und 6. Fra-mework-Programm der Europäischen Kommission sowiedem Cultivate CEE Projekt der Europäischen Union.2 Hierkonnte an die 6. Internationale Konferenz angeknüpftwerden, auf der die Teilnehmer bereits über das EU-Pro-jekt „Cultivate” informiert worden waren und ihre Bereit-schaft erklärt hatten, an den Initiativen dieser Organisa-tion im Interesse der europäischen Integration mitzuwir-

1 Archives of Former International Organizations of the States of Centraland Eastern Europe. Papers of the International Conferences Warsaw,October 13–14, 2000, Moscow, May 21–22,2001, edited by WladyslawStepniak, Warszawa 2001. Siehe auch Stefan Hartmann, Archivbe-richt Polen, 1995–2000, in: Der Archivar 54 (2001) S. 215–221, hier S. 220.

2 Siehe http://www.cordis.lu/ist/ und http://www.cultivate-europe.org/ (Stand: 10. 01. 2002, d. Vf.).

ken.3 Gerade die polnische Archivverwaltung ist auf euro-päischer und internationaler Ebene bemerkenswert aktivund hat unter anderem das im Auftrag der UNESCO vomInternationalen Archivrat vorbereitete Projekt „Reconsti-tution of the Memory of Poland” initiiert. Einen übergrei-fenden Ansatz hat auch das von Göran Kristiansson,Schwedisches Reichsarchiv, vorgestellte Projekt EUAN(European Union Archival Network), an dem die Natio-nalarchive von Schweden, Schottland, Italien, das Inter-nationale Institut für Sozialgeschichte Amsterdam unddas Scottish Archive Network Ltd. beteiligt sind.4 Ziel istdie Errichtung und Nutzung einer gemeinsamen Daten-bank, in der Erschließungsdaten auf der Basis vonISAD(G) erfasst sind und institutionenübergreifend fürdie Recherche zur Verfügung stehen. Mit dem Projekt sol-len die Zugänglichkeit öffentlicher Archive in Europa ver-bessert und neue Nutzergruppen gewonnen werden.Ergänzend wies Kristiansson auf das EU-Projekt LEAF hin(Linking and Exploring Authority Files), das in Deutsch-land von der Staatsbibliothek zu Berlin koordiniert wird.5

In der sich anschließenden Diskussion wurde die Ten-denz in der Europäischen Union betont, Projekte vonArchiven, Bibliotheken und Museen zu bündeln; Koope-rationsprojekte werden daher für unerlässlich gehalten.Voraussetzung für die erfolgreiche Beantragung von EU-geförderten Projekten seien gute Englischkenntnisse, dieintensive Nutzung der neuen Medien und eine ebensointensive Kenntnis der – nicht eben leicht zu durchschau-enden – europäischen Regularien.

Unter dem Motto „The strategic problems of the com-puterization of archives” stellten Andrzej Biernat, IgorKiselov, Lajos Körmendy, Vladimir Zumer, MaiuPevkur und Slobodan Jovovic den Stand der IT-Nut-zung in den Archivverwaltungen Polens, der RussischenFöderation, Ungarns, Sloweniens, Estlands und Montene-gros vor. Schwerpunkte lagen auf der Nutzung von IT-Ver-fahren für die Erschließung von Archivgut und – damitunmittelbar zusammenhängend – auf der Präsentationder Archive und ihrer Bestände im Internet. Beispielhaftseien die Websites der polnischen, ungarischen und slowe-nischen Archivverwaltungen genannt, die datenbank-basiert weitreichende Informationen – teilweise bis auf dieEbene der Archivalien – enthalten. Die Chancen, die sichmit dem Internet für eine Öffnung der Archive bieten, wer-den hier offensiv ergriffen. So haben die polnischenArchive seit 1996/97 umfangreiche Websites aufgebaut.Neben dem von der Generaldirektion koordinierten zen-tralen polnischen Archivportal werden auch Websites zuQuellen zur polnischen Geschichte außerhalb Polensgepflegt und ausgebaut. Sie können als Bausteine desbereits erwähnten ICA-Projekts „Reconstitution of theMemory of Poland” gelten. Über das zentrale Archivpor-tal kann der interessierte Nutzer seit Juni 2001 auf die

3 Maria Sliwinska, CULTIVATE – European Project for the enhancementof cooperation between archives, libraries and museums, in: Archives ofFormer International Organizations of the States of Central and EasternEurope (wie Anm. 1), S. 153–164.

4 Siehe http://www.euan.org/ (Stand: 10. 01. 2002, d.Vf.).5 Siehe http://www.leaf-eu.org. (Stand: 10. 01. 2002, d.Vf.)

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Datenbank SEZAM zugreifen, die über 60.000 Bestände in95 Archiven umfasst.6

Einen dritten Schwerpunkt bildete die Durchführungvon internationalen Projekten unter Nutzung der IT. Jean-Marc Comment berichtete über das Projekt zum Kom-intern-Archiv, das als das größte internationale Automati-sierungsprojekt im Bereich der Archive gelten kann. Rund240.000 „files” (Vorgänge eher als Akten) in insgesamt 90Sprachen und mit 10–12 Millionen Blättern werden miteinem Budget von 1,4 Mio. Dollar erschlossen und sollenüber das Internet zugänglich gemacht werden. Die vor-handenen Findbücher werden in russischer und eng-lischer Sprache in einer Datenbank erfasst;7 die Verzeich-nung orientiert sich an ISAD(G) und erfolgt auf der Ebeneder Vorgänge.8 Dabei werden lediglich Personalakten bzw.Namen in der jeweiligen Nationalsprache erfasst. Etwa10% des Gesamtbestandes, rd. 1 Mio. Dokumente mit derhöchsten Prioriät für die internationale historische For-schung, werden digitalisiert. Die Images werden mit derDatenbank verknüpft. Erste Planungen setzten 1994 ein;doch erst im April 1998 konnte nach einer – als zu lang ein-geschätzten – Phase der Konzipierung mit der Umsetzungbegonnen werden. Seitdem haben zwölf Mitarbeiter195.000 Vorgänge in der Datenbank erfasst und 800.000Dokumente digitalisiert. Das von sieben Partnerländerngemeinsam finanzierte Projekt kann voraussichtlich imFrühjahr 2002 beendet werden. Interessant sind auch dieAngaben zur Kostenverteilung: Hard- und Software 30%,Digitalisierung (v. a. Personalkosten) 14%, Erschließung/Dateneingabe 35%, Projektmanagement 21%.

Die bei der Durchführung des Komintern-Projektesgemachten Erfahrungen sollten bei den Trägern des vonTatiana Tiurina vorgestellten Projekts zur Erstellungelektronischer Findhilfsmittel zum COMECON-ArchivBeachtung finden – sollte es denn auf den Weg gebrachtwerden. Unter dem Titel „Development of modern scienti-fic and information system to the fond of records of thecouncil of mutual economic assistance” hatte bereits imMai 2001 ein Treffen in Moskau stattgefunden, auf der dieMöglichkeiten eines gemeinsamen Projektes und diesementgegenstehende Hindernisse diskutiert wurden.9 In dersich anschließenden Diskussion standen die Schwierigkei-ten im Vordergrund: noch nicht vollzogene Entsperrun-gen, schwierige Finanzlage, politische Entscheidungen alsnotwendige Voraussetzung für die Öffnung der Unter-lagen. Die COMECON-Bestände werden als Teil desgemeinsamen kulturellen Erbes angesehen; das COME-CON-Projekt bildet damit einen wichtigen Bestandteil derumfassenderen Initiative „Common Archival Heritage ofthe Nations and States of Central and Eastern Europe”,deren aktueller Stand von Ewa Rosowska vorgestelltwurde. Die Website der Initiative soll ab Frühjahr 2002über den Server des Open Society Archives (Budapest)aufrufbar sein.

6 Siehe http://www.archiwa.gov.pl (Stand: 10. 01. 2002, d.Vf.)7 Für die Übersetzung vom Russischen ins Englische konnte mit der

Library of Congress ein äußerst sachkundiger Partner gewonnen wer-den.

8 Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zum SMAD-Projekt, an dem u. a.das Bundesarchiv Koblenz und die sächsische Archivverwaltung aktivbeteiligt sind, siehe Klaus Müller: Erschließung von Akten der Sowje-tischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) in Moskau in denJahren 2000/2001, Sächsisches Archivblatt, Heft 2 (2001), S. 4–6.

9 Vgl. dazu: Archives of Former International Organizations of the Statesof Central and Eastern Europe (wie Anm. 1), S. 173–208.

Die Konferenz war geprägt durch eine freundschaft-liche Atmosphäre und offene, konstruktive und kontro-verse Diskussionen. Vor allem zwischen den Archivver-waltungen des Gastgeberlandes und der russischen Föde-ration wurden teilweise sehr unterschiedliche Positionendeutlich, so im Hinblick auf die Nutzung der IT und Mög-lichkeiten die Perspektiven einer länderübergreifendenOrientierung an archivfachlichen Standards. Die intensi-ven Diskussionen führten auch vor Augen, wie sehr dieArchivare Mittel- und Osteuropas unter dem Eindruck dergesellschaftlichen Veränderungen in ihren Ländern stehen– und wie verschieden sie sich dazu positionieren. OffeneArchive in einer offenen Gesellschaft: Dieses Ziel wurdevon einer großen Mehrheit vertreten und fand auch Ein-gang in die Abschlussresolution.10

Abschließend seien einige Bemerkungen erlaubt, diesich – neben weiteren Beobachtungen – auf die Teilnahmed. Vf. am Europäischen Archivkongress in Florenz im Mai2001 und an der oben vorgestellten Konferenz stützen.Erstens: Die deutschen Archive bzw. Archivverwaltungensind auf europäischer Ebene kaum präsent. Natürlich gibtes teilweise intensive grenzüberschreitende Kontakte,doch bleiben diese binational und regional begrenzt. InEU-Projekten, europäischen Fachtagungen und archivi-schen Gremien ist die Beteiligung deutscher Archivareverschwindend gering – deutlich geringer, als es die Leis-tungsfähigkeit der hiesigen Archive und Archivverwal-tungen vermuten ließe. Zweitens: Eine Ausnahme bildet(noch) die Archivschule Marburg, ohne deren Aktivitätenwohl selbst so wichtige internationale Arbeitsergebnissewie der International Standard of Archival Description(General) den deutschen Archivaren weitgehend unbe-kannt wären. Es ist zu hoffen, dass dieser Aspekt bei derBesetzung der Leitungsstelle Beachtung finden wird. Drit-tens: So manche mittel- und osteuropäische Archivverwal-tung hat durch die Einrichtung eines landesweiten Archiv-portals die Zugänglichkeit der Archive für den Bürgerdeutlich verbessert. Obwohl schon jahrelang in der Dis-kussion, waren die deutschen Archivverwaltungen dazubisher anscheinend nicht willens oder in der Lage. Vier-tens: Die Dringlichkeit einer Beschäftigung mit den Mög-lichkeiten und Auswirkungen der IT in den Archiven undbei den anbietungspflichtigen Stellen wird zwar gernebetont – beim Einsatz der personellen und finanziellenRessourcen hat dieser Bereich aber oft nur geringe Priori-tät. D. Vf[in]. schließt sich dazu einer Äußerung DainaKlavinias, Direktorin des Staatsarchivs von Lettland, inder kontrovers geführten Warschauer Abschlussdiskus-sion an: Wenn die Archivare sich nicht den Herausforde-rungen der Informationsgesellschaft stellen, werden sieverschwinden.

Dresden Thekla Kluttig

10 Die polnische Archivverwaltung plant die Publikation auf der Websiteder Initiative „Common Archival Heritage“, s. o.

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Deutsch-polnisches Fachseminar einer Gruppe vonArchivaren, Museologen, Bibliothekaren und Heimat-pflegern in Görlitz/Zgorzelec.

Vom 13. bis 15. September 2001 fand in Görlitz/Zgorzelecein deutsch-polnisches Fachseminar mit Archivaren,Museologen, Bibliothekaren und Heimatpflegern ausSachsen und Wroclaw/Polen statt. Veranstaltet wurde dasArbeitstreffen vom Freundeskreis für Heimatpflege imNiederschlesischen Oberlausitzkreis e. V. in Zusammen-arbeit mit der AG Euroregionen-Archivwesen und demBauaufsichtsamt der Stadtverwaltung Görlitz. Zum Semi-nar waren insgesamt 16 Teilnehmer aus Sachsen und Wro-claw erschienen.

Das Seminar war eine Fortsetzung und Erweiterung derFachgespräche in Wroclaw, die im Mai 2000 stattgefundenhatten. Die sächsischen Kollegen waren dorthin eingela-den worden, um einige Fachinstitutionen in Wroclaw ken-nen zu lernen. Während dieser Begegnung wurde die Ideegeboren, die polnischen Kollegen im Jahre 2001 nach Sach-sen einzuladen, wobei als Tagungsort schon bald dieGrenzstadt Görlitz/Zgorzelec ausgewählt wurde.

Zu Beginn des 3-tägigen Fachseminars am 13. Septem-ber wurde an die Opfer der Terroranschläge in Amerikagedacht, die am 11. September die ganze Welt erschütterthaben. Im Anschluss daran stellten sich alle deutschenund polnischen Kollegen gegenseitig vor und äußertenGedanken zur Pflege der gegenwärtigen und künftigenfachlichen Kontakte. Danach fand unter Leitung vonHerrn Schulze ein Arbeitsbesuch im Bauaktenarchiv desBauaufsichtsamtes der Stadt Görlitz statt. Dies war sowohlfür die polnischen als auch für die deutschen Kollegenrecht aufschlussreich, handelt es sich doch um ein sogen.Vorzeigearchiv. Am Abend wurden die Teilnehmer desFachseminars vom Amtsleiter der Hauptverwaltung derStadt Görlitz, Herrn Thoms, im Rathaus empfangen. DieTeilnehmer erfuhren von Herrn Thoms Näheres über diehistorische und gegenwärtige Entwicklung der Stadt.Anschließend durften Fragen gestellt werden. Dies wurdeintensiv genutzt, nicht zuletzt deshalb, weil es Herr Thomsverstanden hatte, die kommunalpolitischen Probleme ein-schließlich der kulturellen Belange praxisnah darzustel-len.

Zum Ausklang des Tages war eine historische Stadtfüh-rung der besonderen Art angesagt. Sie wurde in originellerWeise von einem „Nachtwächter“ durchgeführt. Beson-ders den polnischen Kollegen bereitete das sichtlich Ver-gnügen, da es in Wroclaw so etwas (noch) nicht gibt.

Am 14. September stand die Besichtigung des GörlitzerRatsarchivs auf dem Plan. Vom stellv. Ratsarchivleiter,Herrn Otto, wurden sowohl die Räumlichkeiten als auchdie wertvollen Archivalien gezeigt und erklärt. Am Randewurden noch Erläuterungen zu einer Ausstellung über dieEntwicklung des Görlitzer Badewesens gegeben. Auchhier fand ein lebhaftes Frage-Antwort-Spiel statt. Danachwurde die Gruppe in der Oberlausitzschen Bibliothek derWissenschaften zu Görlitz erwartet. Für nahezu alle Teil-nehmer waren die Ausführungen des Bibliotheksleiters,Herrn Wenzel, neu. Die Geschichte der Oberlausitz hatnach wie vor noch keinen hohen Bekanntheitsgrad. Um 12Uhr wurde in der Bibliothek eine Schweigeminute für dieTerroropfer in Amerika eingelegt. Anschließend trugensich die Teilnehmer der Gruppe in das im Rathaus eigensdafür ausgelegte Kondolenzbuch ein. Nachmittags wurde

die Gruppe in Zgorzelec im Dom Kultury zu einerGesprächsrunde empfangen. Abends fuhr die Gruppe zueinem Benefizkonzert in die Kirche von Horka (Horka istein Ort im Niederschlesischen Oberlausitzkreis). Das Kon-zert war ganz den Ereignissen in Amerika gewidmet.

Am 15. September fand eine Auswertung des Seminarsstatt. Es wurde übereinstimmend festgestellt, dass dasSeminar gut organisiert war und eine ausgezeichneteArbeitsatmosphäre herrschte. Nicht zuletzt lag das an dertadellosen Unterbringung im Görlitzer Fortbildungszen-trum für Handwerk und Denkmalpflege e. V. und der Auf-geschlossenheit aller beteiligten Görlitzer begründet. Sei-tens der deutschen und polnischen Teilnehmer wurde derWunsch geäußert, weitere Begegnungen durchzuführen.Herr Sachs in seiner Eigenschaft als Kulturattaché desGeneralkonsulats der Bundesrepublik Deutschland inWroclaw, der gleichzeitig als Leiter der polnischen Delega-tion agierte, erklärte sich bereit, ein entsprechendesArbeitspapier zu erarbeiten. Zum Abschluss des Seminarswurde die Gruppe vom Leiter des o. g. Fortbildungszen-trums, Herrn Feußner, in Empfang genommen, um allenTeilnehmern das historische Waidhaus vorzuführen.

Sprachmittler waren Herr Sachs/Wroclaw, weiterhinHerr Prawetzky/Düsseldorf, ferner die Unterzeichnerin.

Dresden Edeltraud Wolf

Polen

Die Polen betreffenden Archivalien im Bundesarchiv-Militärarchiv in FreiburgIm Rahmen des EU Projekts „Reconstitution of thememory of Poland“ war ich 3 Wochen (26 III – 12 IV 2001)im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg und habe diePolen betreffenden Archivalien aus den Jahren 1772–1918untersucht1. Die Registrierung der Polen betreffendenArchivalien ist mit Hilfe der Formulare, die von der Seiteder Generaldirektion der Polnischen Archive in Warschauzugestellt waren, gemacht worden. Diese Formulare sindvon der Kommission der Internationalen Archivräte aufGrund des internationalen Standards der archivalischenBeschreibung – ISAD (G) und ISAAR (CPF) – bearbeitet.

Im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg sind zahlrei-che Bestände aufbewahrt. Die Akten der preußischen unddeutschen militärischen Zentralstellen und Behörden ent-halten: „Preußische Armee ab 1867“; „Norddeutsche undKaiserliche Marine“; „Schutztruppen und Freikorps“;„Reichswehr“; „Wehrmacht“; „Waffen SS“; „NationaleVolksarmee und Grenztruppen der DDR“; „Bundeswehr“;„Nachlässe“; „Archivische Sammlungen“; „Karten,Pläne“.2 Während meines Aufenthalts in Freiburg habe ichfestgestellt, dass die Akten zur Geschichte Polens aus der2. Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts insge-samt in 63 Beständen / Teilbeständen / Serien / Subserienaufbewahrt sind.

In der Bestandsgruppe der preußischen Armee ab 1867 sind diePolen betreffenden Archivalien in 53 Beständen / Teilbeständen /

1 An dieser Stelle möchte ich mich herzlich beim Direktor des Bundesar-chiv-Militärarchivs in Freiburg Dr. Kehrig für sein freundliches Entge-genkommen und den Angestellten des Bundesarchiv-Militärarchivs fürihre große Hilfe bedanken.

2 Das Bundesarchiv und seine Bestände (Schriften des Bundesarchivs 10),3. Auflage, bearb. von Gerhard Granier, Josef Henke, Klaus Olden-hage, Boppard 1977.

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Serien / Subserien (in 14 durchgesuchten Beständen sind keinePolonica registriert) aufgetreten. Zu den interessantesten Polenbetreffenden Archivalien im Militärkabinett (1866–1918) gehörenu. a. Errichtung des Generalgouvernements Warschau undGrundzüge der Geschäftsführung (Kabinettsorder v. 24. Aug.1915, Abschrift); Umformung des Korps Posen 1915; Aufstellungeiner neuen Militär-Eisenbahn-Direktion 4 mit dem Sitz in War-schau, 5. 8. 1915; Genehmigung von Kriegsstellen für das Gouver-nement Warschau, 17. 8. 1915.3 In der Mobilmachungsabteilung(1914–1918) des Kriegsministeriums befinden sich u. a. Stärke-nachweisungen für Dienststellen und Formationen im Zusam-menhang mit Aufstellungen, Umformierung und Auflösungen,Juli 1915–Sept. 1918, u. a. Generalgouvernements Warschau.4 DieIngenieur- und Pionier-Abteilung (1865–1919) des Kriegsministeri-ums enthält u. a. Ausführung des Gesetzes über Umgestaltungder deutschen Festungen: Aufhebung des Festungscharakters derFestungen Stettin 1873; Aufhebung der Festungs-Bau-Kommis-sion in Posen 1892; Entfestigung der Stadt Posen 1898–1900:Bebauungsplan für das Umwallungsterrain in Posen mit Erläute-rungsbericht 1900; verschiedene Festungsangelegenheiten 1865–1870: Verhandlungen mit der Stadt Stettin über Bedingungen zurBeseitigung der Festungswerke Stettins 1870.5 Der Bestand desGroßen Generalstabes (1866–1914) enthält u. a. Gesichtspunkte fürdie Ausführung der Verwaltungs-Generalstabsreisen; Narew-Linie und Czerwony Bór-Stellung – Denkschrift Juni 1909; diebefestigte Stellung von Pul\ tusk Juni 1909; Beurteilung von Bahn-projekten mit verschiedenen Skizzen und Plänen 1868–1937: Pro-jekt Nr. 765: Strecke Tarnowitz-Beuthen-Chorzów 1885–1915, Pro-jekt Nr. 616: Strecke Breslau-Kobernitz-Zobten-Ströbel-Schweid-nitz 1880–1912, Projekt Nr. 614: Strecke Creuzburg-Resenberg-Lubnitz-Tarnowitz 1880–1938, Projekt Nr. 610: Strecke Bojanow-Guhrau-Glogau 1882–1905, Projekt Nr. 606: Strecke Bentschen-Wollstein, Wollstein-Lissa-Ostrowo 1883–1916.6 4. Abteilung(Fremde Festungen) (1907–1914) des Kriegspresseamtes des Gro-ßen Generalstabes enthält u. a. Denkschrift über die Narew-Linieund die Czerwony-Bór-Stellung, u. a. militärgeographischeBeschreibung des Narew-Abschnittes und des russischen Grenz-gebietes bis zum Czerwony Bór (Roter Wald), taktische Be-wertung, Befestigungsübersichten, strategische Bedeutung,Übersichtskarten von Grodno, L\ omza, Warszawa, Pl\ ock, Brzesí,Kriegskarten von Wyszków, Ostrów, Brok; die befestigte Stellungvon Pul\ tusk, Anlage IV zur Denkschrift über die Narew-Linieund die Czerwony-Bór-Stellung, u. a. Ortslage, militärgeographi-sche Beschreibung, Befestigungsanlagen, Besatzung und Aus-rüstung, Ausbau der Stellung, Beurteilung vom Standpunktdes Angreifers aus Karten von Pul\ tusk, Ciechanów, Pl\ onsk undMaków, Umgebungsplan von Pul\ usk.7 Der Ausbau des Eisenbahn-netzes (1879–1918) des Großen Generalstabes umfasst u. a.: Aus-bau der Eisenbahn für Kriegszwecke – Karte von Polen und Ost-preußen; Bau und Ausbau von Eisenbahnstrecken, Bahnhöfen,Straßenbahnen, Brücken, Kanälen und andere verkehrstech-nische Maßnahmen 1911, u. a. Skizzen mit Brücken über dieWeichsel und den Rhein für Truppenübergänge im Mobil-machungsfall, Erweiterung der Dirschauer Weichselbrücken, Ein-fluss der Eisenbahnen auf die Festungen Breslau und Glogau;Straßenbrücken über die Weichsel bei Thorn 1912; Umbau derBahnanlagen zwischen Gerberdamm und Gl\ owno (Warthepro-jekt) 1913; Bahnhofsumbauten, u. a. Glogau, Weichselbrücke beiThorn 1916.8 Sehr interessant ist auch die Korrespondenz zwi-schen der Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabes und derLinienkommission L (Breslau, Kattowitz) über Militärfahrpläne, u. a.Mobilmachungsvereinbarungen, Pläne der Haltestelle Chrons-l\ au, der Bahnhöfe Arnsdorf und Breslau, Reiseberichte 1901–1906, 1906–1914; die Korrespondenz zwischen der Eisenbahnabtei-lung des Großen Generalstabes und der Linienkommission M (Ber-

3 Bestand PH 1 Militärkabinett, Teil 1, S. 7.4 Bestand PH 2 Kriegsministerium, Teil 2, S. 92.5 Bestand PH 2 Kriegsministerium, Teil 1, S. 34–35.6 Bestand PH 3 Generalstab, Teil 1, S. 4, 16–17; Bestand PH 3, Generalstab,

Teil 2, S. 134–135.7 Bestand PH 3 Gerneralstab, Teil 2, S. 134–135.8 Bestand PH 3 Generalstab, Teil 2, S. 191, 196–200, 204.

lin) über Militärfahrpläne 1888–1893, u. a. Plan des BahnhofsPosen; die Korrespondenz zwischen der Eisenbahnabteilung desGroßen Generalstabes und der Linienkommission V (Danzig) überMilitärfahrpläne 1901–1908, u. a. Übersichtskarte der Linie V,Mobilmachungsvereinbarungen, Fahrpläne einzelner Strecken1904.9 Die Intendanturakten des VI. Armeekorps (1871–1920) vomBestand des Generalkommandos betreffen u. a. Garnison Verwal-tung Bleiwitz 1893–1919; die Vergrößerung eines Bauutensilien-schuppens zu Oppeln 1811; Bau einer Marketenderei auf BahnhofOppeln 1889–1912; Desinfektionsanlage der Sanierungsanstalt inOppeln 1915; Ratibor; Militär-Bausachen 1823–1835; LandwehrZeughaus zu Ratibor: Bauausführung 1823–1841, neue Einrich-tungen und Reparaturen 1829–1839; Garnison-Lazarett in Rati-bor: Bau und Abnahme 1830–1835; Garnisonsbauten zu Ratibor1839–1877; Garnison-Reitbahn zu Ratibor-Neubau 1858–1865;Garnison-Gebäude der Garnison-Verwaltung Ratibor: Grundak-ten 1905–1916; Garnison Verwaltung von Rybnik: Revision derVerwaltungskosten 1833–1848, Revision der Jahresrechnungen1835–1836; Invalidenhaus zu Rybnik 1832–1848; Kriegsakten desGeneralkommandos, u. a. Maßnahmen im Bereich des VI. Armee-korps in Oberschlesien gegen innere Unruhen, zum Schutz derVerkehrswege und Grenze, Aufbau der Einwohnerwehren März– Nov. 1919; militärische Räumung des Abstimmungsgebietes inOberschlesien durch das VI. Armeekorps Aug. – Okt. 1919; Vorbe-reitungen zum Marsch nach Oberschlesien (mit Karten) Febr. –Mai 1920; tägliche Lage in Oberschlesien (Febr. – Aug. 1920).10 DerTeilbestand Festungen (1868–1918) von der Bestandsgruppe Gou-vernements, Festungen, Kommandanturen, Garnisonen umfasstBestimmungen für Ausbau bzw. Ergänzungen, Dienstregelun-gen, Erweiterungsvorschläge und Planungen, u. a. Pläne vonBefestigungsanlagen: Breslau, Danzig, Glogau, Neisse; Baupläneder Festung Posen 1876–1889.11 Die Akten des Teilbestandes Kom-mandanturen (1915–1918) betreffen u. a. Kommandantur Colberg:Instruktionen für die Kommandanten der Festung von K. Fried-rich Wilhelm und von Scharnhorst 1809, 1878; KommandanturNeisse: Instruktionen für die Kommandanturen der Festungenvon 1809 bis 1878; Kommandantur Stettin: Empfangsfeierlichkei-ten und Reiseangelegenheiten 1840–1897, u. a. Schriftwechselüber die Vorbereitungen der Teilnahme des Kaisers und Königsbeim Stapellauf des Panzerschiffes A am 21. September 1891 inStettin; Unterlagen der Lagerkommandantur Deblin 1915–1918 inWarschau; Etappen-Kommandantur 31, u. a. Einsatzorte Suwal\ ki1915–1916.12 Der Bestand des Kaiserlichen GeneralgouvernementsWarschau (1915–1918) enthält u. a.: Einrichtung einer Zivilverwal-tung in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten Russisch-Polen am 5. Januar 1915; Zivilverwaltung für Russisch-Polen: 1.und 2. Vierteljahresbericht des Chefs der Zivilverwaltung (Präsi-dent Dr. v. Kries) für die Zeit vom 5. Januar bis 25. April 1915 undvom 26. April bis 20. Juli 1915; Vierteljahresberichte des Verwal-tungschefs Dr. v. Kries über die unter Zwangsvollstreckung oderAufsicht gestellten Unternehmen der Privatwirtschaft, 21. 7.1915–31. 12. 1916; die Entwicklung der Verwaltung des General-gouvernements Warschau: Bericht des Generalgouverneurs v.Beseler vom 23. Oktober 1915; Grundsätze für eine neue Landes-befestigung Dezember 1915; geprüfte und freigegebene Pressebe-richte in polnischer Sprache (8 Bände) 1915–1918; Anordnungenund Befehle: GG Warschau 1915–1916, MG Pl\ ock 1915–1916;Anordnungen des Deutschen Kreisamtes L\ uków und Protokolleder Kreisversammlungen 1915–1918; Tarife für Zoll, Post undEisenbahnen des deutschen Militärbetriebes – gedruckte Ver-zeichnisse Juni 1916 – Januar 1918; Beziehungen zur polnischenZivilbevölkerung und Vorgehen gegen polnische Unruhestifteroder feindliche Sabotagebestrebungen (Geheime Verfügungen)Oktober 1914 – Juni 1916, November 1917 – März 1918; militäri-sche Behörden und Truppen im Gebiet des Generalgouverne-

9 Bestand PH 3 Generalstab, Teil 2, S. 224–225, 232.10 Bestand PH 6 I, Teil 1, S. 18–22, 24–25.11 Bestand PH 23 Gouvernements, Festungen, Kommandanturen, Garniso-

nen, Teil 1, S. 14, 16, 19, 29, 31.12 Bestand PH 23 Gouvernements, Festungen, Kommandanturen, Garniso-

nen, Teil 1, S. 36, 41; Bestand PH 23 Gouvernements, Festungen, Kom-mandanturen, Garnisonen, Teil 2, S. 12, 14.

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Auslandsberichterstattung

Internationales

7. Internationale Konferenz der Archive aus den Staa-ten Mittel- und Osteuropas (Colloquia Jerzy Skowro-nek dedicata)Am 28.-29. September 2001 fand in Warschau die 7. Inter-nationale Konferenz der Staatsarchive Mittel- und Ost-europas statt (7th International Conference on Archives ofthe States of Central and Eastern Europe). Die von derGeneraldirektion der polnischen Staatsarchive jährlichausgerichteten Konferenzen sind ihrem Initiator JerzySkowronek gewidmet, dem vor wenigen Jahren tödlichverunglückten Generaldirektor. An der letztjährigenTagung nahmen 50 Teilnehmer aus 17 Ländern teil, dar-unter der Leiter der russischen Archivverwaltung und dieLeiter der Nationalarchive von Israel, Lettland und Slowe-nien. Die Einschätzung des stellvertretenden General-direktors der polnischen Staatsarchive und Herausgebersdes letztjährigen Tagungsbandes, dass die „ColloquiaJerzy Skowronek dedicata” ein wichtiges Forum für Kon-takte und Kooperation der Archivverwaltungen Mittel-und Osteuropas geworden sind, wurde damit wiederumbestätigt.1 Konferenzsprachen sind englisch und russisch.

Nachdem sich die Konferenz im Jahr 2000 mit derArchivierung von Unterlagen internationaler Organisatio-nen aus der Zeit vor dem politischen und gesellschaft-lichen Umbruch in Mittel- und Osteuropa beschäftigthatte, wandte sie sich 2001 unter dem Titel „Archives in thenew age. The strategic problems of the automatization ofarchives” einem wichtigen Aspekt der „neuen Zeit” zu:den Chancen und Problemen, die mit der zunehmendenNutzung der Informationstechnik in der Verwaltung undspeziell in den Archiven verbunden sind. Die insgesamt 28Vorträge lassen sich im Wesentlichen drei Themenschwer-punkten zuordnen: Zusammenarbeit im europäischenMaßstab, Archive und das Internet sowie Planung undDurchführung internationaler Projekte. Die Archivierungelektronischer Unterlagen wurde nur in wenigen Vorträ-gen thematisiert, so im Beitrag von Inta Feldmane überkonzeptionelle Überlegungen zur Archivierung elektro-nischer Unterlagen in Lettland und im Beitrag d. Vf. überdiesbezügliche Strategien deutscher Staatsarchive.

Der erste Themenschwerpunkt galt der Nutzung euro-päischer Programme und Projekte wie des Programms IST(Information Society Technologies) und dem 5. und 6. Fra-mework-Programm der Europäischen Kommission sowiedem Cultivate CEE Projekt der Europäischen Union.2 Hierkonnte an die 6. Internationale Konferenz angeknüpftwerden, auf der die Teilnehmer bereits über das EU-Pro-jekt „Cultivate” informiert worden waren und ihre Bereit-schaft erklärt hatten, an den Initiativen dieser Organisa-tion im Interesse der europäischen Integration mitzuwir-

1 Archives of Former International Organizations of the States of Centraland Eastern Europe. Papers of the International Conferences Warsaw,October 13–14, 2000, Moscow, May 21–22,2001, edited by WladyslawStepniak, Warszawa 2001. Siehe auch Stefan Hartmann, Archivbe-richt Polen, 1995–2000, in: Der Archivar 54 (2001) S. 215–221, hier S. 220.

2 Siehe http://www.cordis.lu/ist/ und http://www.cultivate-europe.org/ (Stand: 10. 01. 2002, d. Vf.).

ken.3 Gerade die polnische Archivverwaltung ist auf euro-päischer und internationaler Ebene bemerkenswert aktivund hat unter anderem das im Auftrag der UNESCO vomInternationalen Archivrat vorbereitete Projekt „Reconsti-tution of the Memory of Poland” initiiert. Einen übergrei-fenden Ansatz hat auch das von Göran Kristiansson,Schwedisches Reichsarchiv, vorgestellte Projekt EUAN(European Union Archival Network), an dem die Natio-nalarchive von Schweden, Schottland, Italien, das Inter-nationale Institut für Sozialgeschichte Amsterdam unddas Scottish Archive Network Ltd. beteiligt sind.4 Ziel istdie Errichtung und Nutzung einer gemeinsamen Daten-bank, in der Erschließungsdaten auf der Basis vonISAD(G) erfasst sind und institutionenübergreifend fürdie Recherche zur Verfügung stehen. Mit dem Projekt sol-len die Zugänglichkeit öffentlicher Archive in Europa ver-bessert und neue Nutzergruppen gewonnen werden.Ergänzend wies Kristiansson auf das EU-Projekt LEAF hin(Linking and Exploring Authority Files), das in Deutsch-land von der Staatsbibliothek zu Berlin koordiniert wird.5

In der sich anschließenden Diskussion wurde die Ten-denz in der Europäischen Union betont, Projekte vonArchiven, Bibliotheken und Museen zu bündeln; Koope-rationsprojekte werden daher für unerlässlich gehalten.Voraussetzung für die erfolgreiche Beantragung von EU-geförderten Projekten seien gute Englischkenntnisse, dieintensive Nutzung der neuen Medien und eine ebensointensive Kenntnis der – nicht eben leicht zu durchschau-enden – europäischen Regularien.

Unter dem Motto „The strategic problems of the com-puterization of archives” stellten Andrzej Biernat, IgorKiselov, Lajos Körmendy, Vladimir Zumer, MaiuPevkur und Slobodan Jovovic den Stand der IT-Nut-zung in den Archivverwaltungen Polens, der RussischenFöderation, Ungarns, Sloweniens, Estlands und Montene-gros vor. Schwerpunkte lagen auf der Nutzung von IT-Ver-fahren für die Erschließung von Archivgut und – damitunmittelbar zusammenhängend – auf der Präsentationder Archive und ihrer Bestände im Internet. Beispielhaftseien die Websites der polnischen, ungarischen und slowe-nischen Archivverwaltungen genannt, die datenbank-basiert weitreichende Informationen – teilweise bis auf dieEbene der Archivalien – enthalten. Die Chancen, die sichmit dem Internet für eine Öffnung der Archive bieten, wer-den hier offensiv ergriffen. So haben die polnischenArchive seit 1996/97 umfangreiche Websites aufgebaut.Neben dem von der Generaldirektion koordinierten zen-tralen polnischen Archivportal werden auch Websites zuQuellen zur polnischen Geschichte außerhalb Polensgepflegt und ausgebaut. Sie können als Bausteine desbereits erwähnten ICA-Projekts „Reconstitution of theMemory of Poland” gelten. Über das zentrale Archivpor-tal kann der interessierte Nutzer seit Juni 2001 auf die

3 Maria Sliwinska, CULTIVATE – European Project for the enhancementof cooperation between archives, libraries and museums, in: Archives ofFormer International Organizations of the States of Central and EasternEurope (wie Anm. 1), S. 153–164.

4 Siehe http://www.euan.org/ (Stand: 10. 01. 2002, d.Vf.).5 Siehe http://www.leaf-eu.org. (Stand: 10. 01. 2002, d.Vf.)

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Datenbank SEZAM zugreifen, die über 60.000 Bestände in95 Archiven umfasst.6

Einen dritten Schwerpunkt bildete die Durchführungvon internationalen Projekten unter Nutzung der IT. Jean-Marc Comment berichtete über das Projekt zum Kom-intern-Archiv, das als das größte internationale Automati-sierungsprojekt im Bereich der Archive gelten kann. Rund240.000 „files” (Vorgänge eher als Akten) in insgesamt 90Sprachen und mit 10–12 Millionen Blättern werden miteinem Budget von 1,4 Mio. Dollar erschlossen und sollenüber das Internet zugänglich gemacht werden. Die vor-handenen Findbücher werden in russischer und eng-lischer Sprache in einer Datenbank erfasst;7 die Verzeich-nung orientiert sich an ISAD(G) und erfolgt auf der Ebeneder Vorgänge.8 Dabei werden lediglich Personalakten bzw.Namen in der jeweiligen Nationalsprache erfasst. Etwa10% des Gesamtbestandes, rd. 1 Mio. Dokumente mit derhöchsten Prioriät für die internationale historische For-schung, werden digitalisiert. Die Images werden mit derDatenbank verknüpft. Erste Planungen setzten 1994 ein;doch erst im April 1998 konnte nach einer – als zu lang ein-geschätzten – Phase der Konzipierung mit der Umsetzungbegonnen werden. Seitdem haben zwölf Mitarbeiter195.000 Vorgänge in der Datenbank erfasst und 800.000Dokumente digitalisiert. Das von sieben Partnerländerngemeinsam finanzierte Projekt kann voraussichtlich imFrühjahr 2002 beendet werden. Interessant sind auch dieAngaben zur Kostenverteilung: Hard- und Software 30%,Digitalisierung (v. a. Personalkosten) 14%, Erschließung/Dateneingabe 35%, Projektmanagement 21%.

Die bei der Durchführung des Komintern-Projektesgemachten Erfahrungen sollten bei den Trägern des vonTatiana Tiurina vorgestellten Projekts zur Erstellungelektronischer Findhilfsmittel zum COMECON-ArchivBeachtung finden – sollte es denn auf den Weg gebrachtwerden. Unter dem Titel „Development of modern scienti-fic and information system to the fond of records of thecouncil of mutual economic assistance” hatte bereits imMai 2001 ein Treffen in Moskau stattgefunden, auf der dieMöglichkeiten eines gemeinsamen Projektes und diesementgegenstehende Hindernisse diskutiert wurden.9 In dersich anschließenden Diskussion standen die Schwierigkei-ten im Vordergrund: noch nicht vollzogene Entsperrun-gen, schwierige Finanzlage, politische Entscheidungen alsnotwendige Voraussetzung für die Öffnung der Unter-lagen. Die COMECON-Bestände werden als Teil desgemeinsamen kulturellen Erbes angesehen; das COME-CON-Projekt bildet damit einen wichtigen Bestandteil derumfassenderen Initiative „Common Archival Heritage ofthe Nations and States of Central and Eastern Europe”,deren aktueller Stand von Ewa Rosowska vorgestelltwurde. Die Website der Initiative soll ab Frühjahr 2002über den Server des Open Society Archives (Budapest)aufrufbar sein.

6 Siehe http://www.archiwa.gov.pl (Stand: 10. 01. 2002, d.Vf.)7 Für die Übersetzung vom Russischen ins Englische konnte mit der

Library of Congress ein äußerst sachkundiger Partner gewonnen wer-den.

8 Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zum SMAD-Projekt, an dem u. a.das Bundesarchiv Koblenz und die sächsische Archivverwaltung aktivbeteiligt sind, siehe Klaus Müller: Erschließung von Akten der Sowje-tischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) in Moskau in denJahren 2000/2001, Sächsisches Archivblatt, Heft 2 (2001), S. 4–6.

9 Vgl. dazu: Archives of Former International Organizations of the Statesof Central and Eastern Europe (wie Anm. 1), S. 173–208.

Die Konferenz war geprägt durch eine freundschaft-liche Atmosphäre und offene, konstruktive und kontro-verse Diskussionen. Vor allem zwischen den Archivver-waltungen des Gastgeberlandes und der russischen Föde-ration wurden teilweise sehr unterschiedliche Positionendeutlich, so im Hinblick auf die Nutzung der IT und Mög-lichkeiten die Perspektiven einer länderübergreifendenOrientierung an archivfachlichen Standards. Die intensi-ven Diskussionen führten auch vor Augen, wie sehr dieArchivare Mittel- und Osteuropas unter dem Eindruck dergesellschaftlichen Veränderungen in ihren Ländern stehen– und wie verschieden sie sich dazu positionieren. OffeneArchive in einer offenen Gesellschaft: Dieses Ziel wurdevon einer großen Mehrheit vertreten und fand auch Ein-gang in die Abschlussresolution.10

Abschließend seien einige Bemerkungen erlaubt, diesich – neben weiteren Beobachtungen – auf die Teilnahmed. Vf. am Europäischen Archivkongress in Florenz im Mai2001 und an der oben vorgestellten Konferenz stützen.Erstens: Die deutschen Archive bzw. Archivverwaltungensind auf europäischer Ebene kaum präsent. Natürlich gibtes teilweise intensive grenzüberschreitende Kontakte,doch bleiben diese binational und regional begrenzt. InEU-Projekten, europäischen Fachtagungen und archivi-schen Gremien ist die Beteiligung deutscher Archivareverschwindend gering – deutlich geringer, als es die Leis-tungsfähigkeit der hiesigen Archive und Archivverwal-tungen vermuten ließe. Zweitens: Eine Ausnahme bildet(noch) die Archivschule Marburg, ohne deren Aktivitätenwohl selbst so wichtige internationale Arbeitsergebnissewie der International Standard of Archival Description(General) den deutschen Archivaren weitgehend unbe-kannt wären. Es ist zu hoffen, dass dieser Aspekt bei derBesetzung der Leitungsstelle Beachtung finden wird. Drit-tens: So manche mittel- und osteuropäische Archivverwal-tung hat durch die Einrichtung eines landesweiten Archiv-portals die Zugänglichkeit der Archive für den Bürgerdeutlich verbessert. Obwohl schon jahrelang in der Dis-kussion, waren die deutschen Archivverwaltungen dazubisher anscheinend nicht willens oder in der Lage. Vier-tens: Die Dringlichkeit einer Beschäftigung mit den Mög-lichkeiten und Auswirkungen der IT in den Archiven undbei den anbietungspflichtigen Stellen wird zwar gernebetont – beim Einsatz der personellen und finanziellenRessourcen hat dieser Bereich aber oft nur geringe Priori-tät. D. Vf[in]. schließt sich dazu einer Äußerung DainaKlavinias, Direktorin des Staatsarchivs von Lettland, inder kontrovers geführten Warschauer Abschlussdiskus-sion an: Wenn die Archivare sich nicht den Herausforde-rungen der Informationsgesellschaft stellen, werden sieverschwinden.

Dresden Thekla Kluttig

10 Die polnische Archivverwaltung plant die Publikation auf der Websiteder Initiative „Common Archival Heritage“, s. o.

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Deutsch-polnisches Fachseminar einer Gruppe vonArchivaren, Museologen, Bibliothekaren und Heimat-pflegern in Görlitz/Zgorzelec.

Vom 13. bis 15. September 2001 fand in Görlitz/Zgorzelecein deutsch-polnisches Fachseminar mit Archivaren,Museologen, Bibliothekaren und Heimatpflegern ausSachsen und Wroclaw/Polen statt. Veranstaltet wurde dasArbeitstreffen vom Freundeskreis für Heimatpflege imNiederschlesischen Oberlausitzkreis e. V. in Zusammen-arbeit mit der AG Euroregionen-Archivwesen und demBauaufsichtsamt der Stadtverwaltung Görlitz. Zum Semi-nar waren insgesamt 16 Teilnehmer aus Sachsen und Wro-claw erschienen.

Das Seminar war eine Fortsetzung und Erweiterung derFachgespräche in Wroclaw, die im Mai 2000 stattgefundenhatten. Die sächsischen Kollegen waren dorthin eingela-den worden, um einige Fachinstitutionen in Wroclaw ken-nen zu lernen. Während dieser Begegnung wurde die Ideegeboren, die polnischen Kollegen im Jahre 2001 nach Sach-sen einzuladen, wobei als Tagungsort schon bald dieGrenzstadt Görlitz/Zgorzelec ausgewählt wurde.

Zu Beginn des 3-tägigen Fachseminars am 13. Septem-ber wurde an die Opfer der Terroranschläge in Amerikagedacht, die am 11. September die ganze Welt erschütterthaben. Im Anschluss daran stellten sich alle deutschenund polnischen Kollegen gegenseitig vor und äußertenGedanken zur Pflege der gegenwärtigen und künftigenfachlichen Kontakte. Danach fand unter Leitung vonHerrn Schulze ein Arbeitsbesuch im Bauaktenarchiv desBauaufsichtsamtes der Stadt Görlitz statt. Dies war sowohlfür die polnischen als auch für die deutschen Kollegenrecht aufschlussreich, handelt es sich doch um ein sogen.Vorzeigearchiv. Am Abend wurden die Teilnehmer desFachseminars vom Amtsleiter der Hauptverwaltung derStadt Görlitz, Herrn Thoms, im Rathaus empfangen. DieTeilnehmer erfuhren von Herrn Thoms Näheres über diehistorische und gegenwärtige Entwicklung der Stadt.Anschließend durften Fragen gestellt werden. Dies wurdeintensiv genutzt, nicht zuletzt deshalb, weil es Herr Thomsverstanden hatte, die kommunalpolitischen Probleme ein-schließlich der kulturellen Belange praxisnah darzustel-len.

Zum Ausklang des Tages war eine historische Stadtfüh-rung der besonderen Art angesagt. Sie wurde in originellerWeise von einem „Nachtwächter“ durchgeführt. Beson-ders den polnischen Kollegen bereitete das sichtlich Ver-gnügen, da es in Wroclaw so etwas (noch) nicht gibt.

Am 14. September stand die Besichtigung des GörlitzerRatsarchivs auf dem Plan. Vom stellv. Ratsarchivleiter,Herrn Otto, wurden sowohl die Räumlichkeiten als auchdie wertvollen Archivalien gezeigt und erklärt. Am Randewurden noch Erläuterungen zu einer Ausstellung über dieEntwicklung des Görlitzer Badewesens gegeben. Auchhier fand ein lebhaftes Frage-Antwort-Spiel statt. Danachwurde die Gruppe in der Oberlausitzschen Bibliothek derWissenschaften zu Görlitz erwartet. Für nahezu alle Teil-nehmer waren die Ausführungen des Bibliotheksleiters,Herrn Wenzel, neu. Die Geschichte der Oberlausitz hatnach wie vor noch keinen hohen Bekanntheitsgrad. Um 12Uhr wurde in der Bibliothek eine Schweigeminute für dieTerroropfer in Amerika eingelegt. Anschließend trugensich die Teilnehmer der Gruppe in das im Rathaus eigensdafür ausgelegte Kondolenzbuch ein. Nachmittags wurde

die Gruppe in Zgorzelec im Dom Kultury zu einerGesprächsrunde empfangen. Abends fuhr die Gruppe zueinem Benefizkonzert in die Kirche von Horka (Horka istein Ort im Niederschlesischen Oberlausitzkreis). Das Kon-zert war ganz den Ereignissen in Amerika gewidmet.

Am 15. September fand eine Auswertung des Seminarsstatt. Es wurde übereinstimmend festgestellt, dass dasSeminar gut organisiert war und eine ausgezeichneteArbeitsatmosphäre herrschte. Nicht zuletzt lag das an dertadellosen Unterbringung im Görlitzer Fortbildungszen-trum für Handwerk und Denkmalpflege e. V. und der Auf-geschlossenheit aller beteiligten Görlitzer begründet. Sei-tens der deutschen und polnischen Teilnehmer wurde derWunsch geäußert, weitere Begegnungen durchzuführen.Herr Sachs in seiner Eigenschaft als Kulturattaché desGeneralkonsulats der Bundesrepublik Deutschland inWroclaw, der gleichzeitig als Leiter der polnischen Delega-tion agierte, erklärte sich bereit, ein entsprechendesArbeitspapier zu erarbeiten. Zum Abschluss des Seminarswurde die Gruppe vom Leiter des o. g. Fortbildungszen-trums, Herrn Feußner, in Empfang genommen, um allenTeilnehmern das historische Waidhaus vorzuführen.

Sprachmittler waren Herr Sachs/Wroclaw, weiterhinHerr Prawetzky/Düsseldorf, ferner die Unterzeichnerin.

Dresden Edeltraud Wolf

Polen

Die Polen betreffenden Archivalien im Bundesarchiv-Militärarchiv in FreiburgIm Rahmen des EU Projekts „Reconstitution of thememory of Poland“ war ich 3 Wochen (26 III – 12 IV 2001)im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg und habe diePolen betreffenden Archivalien aus den Jahren 1772–1918untersucht1. Die Registrierung der Polen betreffendenArchivalien ist mit Hilfe der Formulare, die von der Seiteder Generaldirektion der Polnischen Archive in Warschauzugestellt waren, gemacht worden. Diese Formulare sindvon der Kommission der Internationalen Archivräte aufGrund des internationalen Standards der archivalischenBeschreibung – ISAD (G) und ISAAR (CPF) – bearbeitet.

Im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg sind zahlrei-che Bestände aufbewahrt. Die Akten der preußischen unddeutschen militärischen Zentralstellen und Behörden ent-halten: „Preußische Armee ab 1867“; „Norddeutsche undKaiserliche Marine“; „Schutztruppen und Freikorps“;„Reichswehr“; „Wehrmacht“; „Waffen SS“; „NationaleVolksarmee und Grenztruppen der DDR“; „Bundeswehr“;„Nachlässe“; „Archivische Sammlungen“; „Karten,Pläne“.2 Während meines Aufenthalts in Freiburg habe ichfestgestellt, dass die Akten zur Geschichte Polens aus der2. Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts insge-samt in 63 Beständen / Teilbeständen / Serien / Subserienaufbewahrt sind.

In der Bestandsgruppe der preußischen Armee ab 1867 sind diePolen betreffenden Archivalien in 53 Beständen / Teilbeständen /

1 An dieser Stelle möchte ich mich herzlich beim Direktor des Bundesar-chiv-Militärarchivs in Freiburg Dr. Kehrig für sein freundliches Entge-genkommen und den Angestellten des Bundesarchiv-Militärarchivs fürihre große Hilfe bedanken.

2 Das Bundesarchiv und seine Bestände (Schriften des Bundesarchivs 10),3. Auflage, bearb. von Gerhard Granier, Josef Henke, Klaus Olden-hage, Boppard 1977.

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Serien / Subserien (in 14 durchgesuchten Beständen sind keinePolonica registriert) aufgetreten. Zu den interessantesten Polenbetreffenden Archivalien im Militärkabinett (1866–1918) gehörenu. a. Errichtung des Generalgouvernements Warschau undGrundzüge der Geschäftsführung (Kabinettsorder v. 24. Aug.1915, Abschrift); Umformung des Korps Posen 1915; Aufstellungeiner neuen Militär-Eisenbahn-Direktion 4 mit dem Sitz in War-schau, 5. 8. 1915; Genehmigung von Kriegsstellen für das Gouver-nement Warschau, 17. 8. 1915.3 In der Mobilmachungsabteilung(1914–1918) des Kriegsministeriums befinden sich u. a. Stärke-nachweisungen für Dienststellen und Formationen im Zusam-menhang mit Aufstellungen, Umformierung und Auflösungen,Juli 1915–Sept. 1918, u. a. Generalgouvernements Warschau.4 DieIngenieur- und Pionier-Abteilung (1865–1919) des Kriegsministeri-ums enthält u. a. Ausführung des Gesetzes über Umgestaltungder deutschen Festungen: Aufhebung des Festungscharakters derFestungen Stettin 1873; Aufhebung der Festungs-Bau-Kommis-sion in Posen 1892; Entfestigung der Stadt Posen 1898–1900:Bebauungsplan für das Umwallungsterrain in Posen mit Erläute-rungsbericht 1900; verschiedene Festungsangelegenheiten 1865–1870: Verhandlungen mit der Stadt Stettin über Bedingungen zurBeseitigung der Festungswerke Stettins 1870.5 Der Bestand desGroßen Generalstabes (1866–1914) enthält u. a. Gesichtspunkte fürdie Ausführung der Verwaltungs-Generalstabsreisen; Narew-Linie und Czerwony Bór-Stellung – Denkschrift Juni 1909; diebefestigte Stellung von Pul\ tusk Juni 1909; Beurteilung von Bahn-projekten mit verschiedenen Skizzen und Plänen 1868–1937: Pro-jekt Nr. 765: Strecke Tarnowitz-Beuthen-Chorzów 1885–1915, Pro-jekt Nr. 616: Strecke Breslau-Kobernitz-Zobten-Ströbel-Schweid-nitz 1880–1912, Projekt Nr. 614: Strecke Creuzburg-Resenberg-Lubnitz-Tarnowitz 1880–1938, Projekt Nr. 610: Strecke Bojanow-Guhrau-Glogau 1882–1905, Projekt Nr. 606: Strecke Bentschen-Wollstein, Wollstein-Lissa-Ostrowo 1883–1916.6 4. Abteilung(Fremde Festungen) (1907–1914) des Kriegspresseamtes des Gro-ßen Generalstabes enthält u. a. Denkschrift über die Narew-Linieund die Czerwony-Bór-Stellung, u. a. militärgeographischeBeschreibung des Narew-Abschnittes und des russischen Grenz-gebietes bis zum Czerwony Bór (Roter Wald), taktische Be-wertung, Befestigungsübersichten, strategische Bedeutung,Übersichtskarten von Grodno, L\ omza, Warszawa, Pl\ ock, Brzesí,Kriegskarten von Wyszków, Ostrów, Brok; die befestigte Stellungvon Pul\ tusk, Anlage IV zur Denkschrift über die Narew-Linieund die Czerwony-Bór-Stellung, u. a. Ortslage, militärgeographi-sche Beschreibung, Befestigungsanlagen, Besatzung und Aus-rüstung, Ausbau der Stellung, Beurteilung vom Standpunktdes Angreifers aus Karten von Pul\ tusk, Ciechanów, Pl\ onsk undMaków, Umgebungsplan von Pul\ usk.7 Der Ausbau des Eisenbahn-netzes (1879–1918) des Großen Generalstabes umfasst u. a.: Aus-bau der Eisenbahn für Kriegszwecke – Karte von Polen und Ost-preußen; Bau und Ausbau von Eisenbahnstrecken, Bahnhöfen,Straßenbahnen, Brücken, Kanälen und andere verkehrstech-nische Maßnahmen 1911, u. a. Skizzen mit Brücken über dieWeichsel und den Rhein für Truppenübergänge im Mobil-machungsfall, Erweiterung der Dirschauer Weichselbrücken, Ein-fluss der Eisenbahnen auf die Festungen Breslau und Glogau;Straßenbrücken über die Weichsel bei Thorn 1912; Umbau derBahnanlagen zwischen Gerberdamm und Gl\ owno (Warthepro-jekt) 1913; Bahnhofsumbauten, u. a. Glogau, Weichselbrücke beiThorn 1916.8 Sehr interessant ist auch die Korrespondenz zwi-schen der Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabes und derLinienkommission L (Breslau, Kattowitz) über Militärfahrpläne, u. a.Mobilmachungsvereinbarungen, Pläne der Haltestelle Chrons-l\ au, der Bahnhöfe Arnsdorf und Breslau, Reiseberichte 1901–1906, 1906–1914; die Korrespondenz zwischen der Eisenbahnabtei-lung des Großen Generalstabes und der Linienkommission M (Ber-

3 Bestand PH 1 Militärkabinett, Teil 1, S. 7.4 Bestand PH 2 Kriegsministerium, Teil 2, S. 92.5 Bestand PH 2 Kriegsministerium, Teil 1, S. 34–35.6 Bestand PH 3 Generalstab, Teil 1, S. 4, 16–17; Bestand PH 3, Generalstab,

Teil 2, S. 134–135.7 Bestand PH 3 Gerneralstab, Teil 2, S. 134–135.8 Bestand PH 3 Generalstab, Teil 2, S. 191, 196–200, 204.

lin) über Militärfahrpläne 1888–1893, u. a. Plan des BahnhofsPosen; die Korrespondenz zwischen der Eisenbahnabteilung desGroßen Generalstabes und der Linienkommission V (Danzig) überMilitärfahrpläne 1901–1908, u. a. Übersichtskarte der Linie V,Mobilmachungsvereinbarungen, Fahrpläne einzelner Strecken1904.9 Die Intendanturakten des VI. Armeekorps (1871–1920) vomBestand des Generalkommandos betreffen u. a. Garnison Verwal-tung Bleiwitz 1893–1919; die Vergrößerung eines Bauutensilien-schuppens zu Oppeln 1811; Bau einer Marketenderei auf BahnhofOppeln 1889–1912; Desinfektionsanlage der Sanierungsanstalt inOppeln 1915; Ratibor; Militär-Bausachen 1823–1835; LandwehrZeughaus zu Ratibor: Bauausführung 1823–1841, neue Einrich-tungen und Reparaturen 1829–1839; Garnison-Lazarett in Rati-bor: Bau und Abnahme 1830–1835; Garnisonsbauten zu Ratibor1839–1877; Garnison-Reitbahn zu Ratibor-Neubau 1858–1865;Garnison-Gebäude der Garnison-Verwaltung Ratibor: Grundak-ten 1905–1916; Garnison Verwaltung von Rybnik: Revision derVerwaltungskosten 1833–1848, Revision der Jahresrechnungen1835–1836; Invalidenhaus zu Rybnik 1832–1848; Kriegsakten desGeneralkommandos, u. a. Maßnahmen im Bereich des VI. Armee-korps in Oberschlesien gegen innere Unruhen, zum Schutz derVerkehrswege und Grenze, Aufbau der Einwohnerwehren März– Nov. 1919; militärische Räumung des Abstimmungsgebietes inOberschlesien durch das VI. Armeekorps Aug. – Okt. 1919; Vorbe-reitungen zum Marsch nach Oberschlesien (mit Karten) Febr. –Mai 1920; tägliche Lage in Oberschlesien (Febr. – Aug. 1920).10 DerTeilbestand Festungen (1868–1918) von der Bestandsgruppe Gou-vernements, Festungen, Kommandanturen, Garnisonen umfasstBestimmungen für Ausbau bzw. Ergänzungen, Dienstregelun-gen, Erweiterungsvorschläge und Planungen, u. a. Pläne vonBefestigungsanlagen: Breslau, Danzig, Glogau, Neisse; Baupläneder Festung Posen 1876–1889.11 Die Akten des Teilbestandes Kom-mandanturen (1915–1918) betreffen u. a. Kommandantur Colberg:Instruktionen für die Kommandanten der Festung von K. Fried-rich Wilhelm und von Scharnhorst 1809, 1878; KommandanturNeisse: Instruktionen für die Kommandanturen der Festungenvon 1809 bis 1878; Kommandantur Stettin: Empfangsfeierlichkei-ten und Reiseangelegenheiten 1840–1897, u. a. Schriftwechselüber die Vorbereitungen der Teilnahme des Kaisers und Königsbeim Stapellauf des Panzerschiffes A am 21. September 1891 inStettin; Unterlagen der Lagerkommandantur Deblin 1915–1918 inWarschau; Etappen-Kommandantur 31, u. a. Einsatzorte Suwal\ ki1915–1916.12 Der Bestand des Kaiserlichen GeneralgouvernementsWarschau (1915–1918) enthält u. a.: Einrichtung einer Zivilverwal-tung in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten Russisch-Polen am 5. Januar 1915; Zivilverwaltung für Russisch-Polen: 1.und 2. Vierteljahresbericht des Chefs der Zivilverwaltung (Präsi-dent Dr. v. Kries) für die Zeit vom 5. Januar bis 25. April 1915 undvom 26. April bis 20. Juli 1915; Vierteljahresberichte des Verwal-tungschefs Dr. v. Kries über die unter Zwangsvollstreckung oderAufsicht gestellten Unternehmen der Privatwirtschaft, 21. 7.1915–31. 12. 1916; die Entwicklung der Verwaltung des General-gouvernements Warschau: Bericht des Generalgouverneurs v.Beseler vom 23. Oktober 1915; Grundsätze für eine neue Landes-befestigung Dezember 1915; geprüfte und freigegebene Pressebe-richte in polnischer Sprache (8 Bände) 1915–1918; Anordnungenund Befehle: GG Warschau 1915–1916, MG Pl\ ock 1915–1916;Anordnungen des Deutschen Kreisamtes L\ uków und Protokolleder Kreisversammlungen 1915–1918; Tarife für Zoll, Post undEisenbahnen des deutschen Militärbetriebes – gedruckte Ver-zeichnisse Juni 1916 – Januar 1918; Beziehungen zur polnischenZivilbevölkerung und Vorgehen gegen polnische Unruhestifteroder feindliche Sabotagebestrebungen (Geheime Verfügungen)Oktober 1914 – Juni 1916, November 1917 – März 1918; militäri-sche Behörden und Truppen im Gebiet des Generalgouverne-

9 Bestand PH 3 Generalstab, Teil 2, S. 224–225, 232.10 Bestand PH 6 I, Teil 1, S. 18–22, 24–25.11 Bestand PH 23 Gouvernements, Festungen, Kommandanturen, Garniso-

nen, Teil 1, S. 14, 16, 19, 29, 31.12 Bestand PH 23 Gouvernements, Festungen, Kommandanturen, Garniso-

nen, Teil 1, S. 36, 41; Bestand PH 23 Gouvernements, Festungen, Kom-mandanturen, Garnisonen, Teil 2, S. 12, 14.

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ments Warschau, 30. 7. 1916–8. 10. 1918; Bildung einer polnischenWehrmacht – Neuformationen und Etatsfestsetzung (Personalbe-darf für Verwaltung, Ausbildung und Versorgung; Besoldungs-und Disziplinarfragen, Stärkenachweisungen) August 1916 –September 1918; Ausbildung polnischer Truppenteile – Grund-sätze, Organisation, Programme, Stärkenachweisungen, Ausbil-dungspersonal August 1916 – Juni 1918; Halbjahresberichte desVerwaltungschefs, 1. 10.1916–30. 9. 1918; die jüdische Religions-gesellschaft im Generalgouvernement Warschau – Verordnungvom 1. November 1916; Bildung eines Staatsrates und eines Land-tages im Königreich Polen – Anordnung vom 13. November 1916;Ansprache des Generalgouverneurs von Beseler vom 15. Dezem-ber 1916 in Warschau; Kraftwagenpark des Generalgouverne-ments Warschau 1917; Bewirtschaftung, Lebensmittel und Brenn-stoff August 1917 – Oktober 1918; Versorgung der polnischenStaatsbeamten mit Lebensmitteln Oktober 1917 – November 1918;Lebensmittelverwaltung im besetzten Polen Dezember 1917 –Oktober 1918; Brennstofflieferungen Januar 1918 – Juli 1918; Ver-sorgung von privaten Unternehmen mit Brennstoff Februar – Juli1918; Versorgung der Stadt Warschau mit Brennstoff April – Juli1918; Lebensmittelversorgung der Zivilbevölkerung Juni –November 1918; Kartoffelablieferungen und -transporte Juli –November 1918; Kartoffellieferungen – Schriftverkehr mit demDeutschen Kreischef in Minsk Mazowiecki Oktober – November1918; Nachweis über das in Polen verbliebene Heeresgut und Pri-vateigentum, 23. 12. 1918; Adressenverzeichnis der Forstbeamtender Zivilverwaltung Polens Juli 1919; kurzer historischer Über-blick über das Generalgouvernement Warschau mit Organisa-tionsplan und Aktenverzeichnis vom Dezember 1914 bis Novem-ber 1918, 1923; Überblick über die im Gebiet des Generalgouver-nements Warschau befindlichen militärischen Behörden undTruppen Februar 1916 – Oktober 1918.13 Der Teilbestand derKatholischen Militärseelsorge umfasst die Archivalien, die die Feld-seelsorge betreffen (1832–1920), u. a. die Tätigkeit über Militär-seelsorge in den besetzten Gebieten: u. a. Warschau (Generalgou-vernement) 1916–1918; Militärsorge in Breslau 1852–1872, inBromberg 1861–1919, u. a. Dokumente über im Lazarett Verstor-bene – Militärsorge der Garnison Danzig 1853–1913; Militärsorgein Elbins 1833–1843, in Gleiwitz 1859–1860; Militärsorge der Gar-nison Glogau 1889–1914, in Gross-Glogau 1852–1871; Militär-sorge in Neisse 1852–1871, in Neu-Stettin 1860–1866, in Oppeln1860–1864, in Osterode 1853–1859, in Ratibor 1860–1868, inRawicz 1861–1867, in Posen 1852–1872, in Stargard/Preußen1859–1870, in Starogard/Pommern und Pigritz 1856–1871, in Stet-tin und Neugard 1859–1911, in Stolp, Schlawe und Rügenwalde1852–1870.14

Die Polen betreffenden Archivalien der Norddeutschen und Kai-serlichen Marine sind in 5 Beständen / Teilbeständen / Serien /Subserien (in 24 durchgesuchten Beständen sind keine Polonicaregistriert) aufgetreten: Kriegswissenschaftliche Abteilung derMarine (1916–1945); Dienst- und Kommandostellen der Kaiserli-chen Marine im Heimatbereich: Marine-Nachrichtenkommissare(1914–1919); Küstenbezirksämter (1907–1920); Küstenschutzver-bände der Kaiserlichen Marine: Schiffssperre (1914–1918); Marine-werften und Arsenale: Kaiserliche Werft Danzig (1852–1920). U. a.der Teilbestand Kaiserliche Werft Danzig enthält die Akten betref-fend die Organisation und den Betrieb der Staatswerft von derbeginnenden Industrialisierung bis zum Anfang deutscher Groß-machtpolitik mit Hilfe der Flotte (Werftbetrieb und Werftanlagen:Geschäftsverteilung und Organisation, Dienstvorschriften undBestimmungen, Personalangelegenheiten, Verwaltung, Gebäudeund Anlagen, Baumaßnahmen, Werftmaterialien, Werftmaschi-nen und -fahrzeuge); Aufgaben der Werft (Bau, Ausrüstung,Unterhaltung und Reparatur von Schiffen, Ausrüstung derSchiffe mit Waffen, Munition, Geschützen, Schifffahrtsangelegen-heiten, Hafen- und Werftanlagen: Kiel, Stralsund, Swinemünde,Mitwirkungsangelegenheiten); Kriegstagebuch der Werft, 30. 7.1914–31. 10. 1918; Entwurf 30. 7. 1914–22. 1. 1919; Tenderliste der

13 Bestand PH 30 Kaiserliche Generalgouvernements und Militärverwal-tungen: PH 30 II Generalgouvernement Warschau, Teil 1, S. 1–13; Teil 2,S. 6.

14 Der Bestand PH 32 Militärsorge, S. 18, 25–28, 32, 34, 45–46, 49–50, 54.

USAYou don't have to go to Washington DC to visit theNational ArchivesDas Nationalarchiv der USA gliedert sich in 17 regionaleArchive, verteilt über das ganze Land mit dem Haupt-quartier in Washington. Der Verfasser dieses Artikels hattedie Möglichkeit, im Sommer 2001 im Rahmen seines Studi-ums Archivwesen an der Fachhochschule Potsdam seinzweimonatiges Praktikum beim Nationalarchiv in Chi-cago zu absolvieren. Während das Archiv in Washingtonweltweit bekannt ist, sind die Regionlarchive weitest-gehend unbekannt. Deshalb zunächst eine kurze Einfüh-rung in die Gesamtstruktur. Die Gliederung richtet sichnach 12 geographisch-historischen Regionen, in die dasLand aufgeteilt wurde. Der englische Name “NationalArchives and Records Administration” zeigt die doppelteAufgabe des Nationalarchivs. Zum einen die dauerhafteAufbewahrung und Zurverfügungstellung von als„archivwürdig“ klassifizierten Akten und zum anderendie Aufbewahrung staatlicher Akten über den gesetzlichvorgeschriebenen Zeitraum. Letztere werden dann amEnde ihrer Laufzeit bewertet und entweder vernichtetoder ins Archiv überführt. Die Record Center dienenhauptsächlich der Aufbewahrung von Akten im Auftragstaatlicher Behörden, sind jedoch allen Bürgern unter den

Kaiserlichen Werft Danzig 1914–31. 10. 1918; Entwurf 30. 7. 1914–22. 1. 1919; Tenderliste der kaiserlichen Werft Danzig 1914–1915.15

Die Polen betreffenden Archivalien von Wehrmachtsdienststel-len sind im Bestand Abwehr II: Geschichte des Geheimdienstes (1864–1918; 1930–1942) registriert.

Die Polen betreffenden Archivalien sind auch in 3 Nachlässen(in 3 durchgesuchten Nachlässen sind keine Polonica registriert)aufgetreten: Hans Hartwig von Beseler (1870–1967); Paul vonBeneckendorff und von Hindenburg (1847–1934); Erich Luden-dorff (1915–1919(–1965). Der Nachlass von Hans Hartwig von Bese-ler enthält u. a. Verwaltungsorganisation und Geschäftsvertei-lung des Generalgouvernements Warschau (zivile und militäri-sche Dienststellen) 1915–1918; Immediatberichte des Generalgou-verneurs in Warschau über die politische Lage in Polen 1916–1917; Geschäftsführung: Differenz mit dem Reichsamt des Innernund Schriftwechsel mit der Obersten Heeresleitung, dem Kriegs-ministerium, dem Reichskanzler, dem Auswärtigen Amt unddem preußischen Staatsministerium betr. polnische Fragen 1915–1918; Unterlagen des Generalgouverneurs in Warschau verschie-dener Art 1915–1918; jüdische Angelegenheiten in Polen 1915–1917; Kirchen-, Hochschul- und Archivangelegenheiten in Polen1916–1918; Druckschriften und andere Materialien: Allgemeines,polnische Angelegenheiten 1915–1917; Karten betr. Polen 1918;Schriftwechsel verschiedener Art, u. a. betr. Polen 1934–1943.16

Der Nachlass von Erich Ludendorff umfasst u. a. das handschriftli-che Manuskript 1918–1919 „Meine Kriegserinnerungen“, u. a.betr. Tannenberg, Feldzug in Polen (Herbst 1914), Winterschlachtin Masuren (Februar – März 1915); Beleidigungsklage Luden-dorffs gegen Prof. Dr. Walter Elze wegen Darstellung in dessenBuch „Tannenberg“ 1935; Privatkorrespondenz 1915–1935 u. a.mit Generaloberst Helmuth v. Moltke (2. Januar – 10. Oktober1915), die auch die polnischen Legionen betrifft.17

Polen betreffende Archivalien sind in der MilitärgeschichtlichenSammlung (1800–1975), Karten, Pläne (1576–1975) in der Samm-lung Deutsche Heereskarte (1882–1945) registriert.

Warschau Jerzy Gaul

15 Der Bestand RM 104 Marinewerften und Arsenale, Teil 1, S. 14–15; Teil 2,Kaiserliche Werft Danzig, S. 1–69.

16 Bestand N 30 Hans Hartwig von Beseler.17 Bestand N 77 Erich Ludendorff.

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Datenschutzbestimmungen zugänglich. Sie sollen hierjedoch keine Rolle spielen.

Die Archive bewahren jeweils Originalakten auf, die fürdie Region eine Rolle spielen. Außerdem verfügen sie übereinen großen Teil der Washingtoner Akten auf Microfilmund stehen so Forschern in allen Teilen der USA zur Ver-fügung. Die Originalakten bestehen im Wesentlichen ausGerichtsakten (etwa 60%) sowie aus Militärakten undDokumenten des Innen- und Transportministeriums.Auch diese Akten stehen jedem Forscher zur Verfügung,wiederum unter den gesetzlichen Bestimmungen. DasNational Archiv Great Lakes Region umfasst die 6 StaatenIllinois, Indiana, Michigan, Minnesota, Ohio und Wiscon-sin. Es ist somit verantwortlich für die US-Staaten, die anden Seen Superior, Michigan, Huron und Erie liegen,einem der wichtigsten Seewege der Vereinigten Staaten.Diese Region umfasst etwa 50 Millionen Einwohner undliegt in zwei Zeitzonen. Chicago ist die drittgrößte Stadtder USA. Das Archiv und das Record Center liegen imSüden dieser Stadt, unweit des Flughafens Midway. DasGebäude wurde 1974 während der Regierungszeit Nixonseingeweiht. Es ist zweiteilig und besteht aus einem Büro-gebäude, welches gleichzeitig Empfang und Lesesaalbeinhaltet und der Lagerhalle. Diese Halle ist in 8 Moduleunterteilt, die durch Feuertüren und –wände getrenntsind. Insgesamt beinhalten Record Center und Archivetwa 324.000 laufende Aktenmeter (zum Vergleich Bun-desarchiv Koblenz 258.000 m), jedoch dauerhaft nur etwa34.000 laufende Meter im Archiv, aufbewahrt in Stahlrega-len von etwa 5 Metern Höhe.

Es ist die definierte Aufgabe des Archivs, wichtigeAkten zu bewahren und zugänglich zu machen, die 1. dieamerikanischen Bürgerrechte dokumentieren, 2. dieArbeit der staatlichen Behörden aufzeigen und 3. vonnationaler Bedeutung sind. Die Einsicht ist kostenfrei,jedoch werden für Kopien Gebühren erhoben, die höhersind als die eigentlichen Kopierkosten. Diese Einnahmengehen in den National Archives Trust Fund und dieGewinne finanzieren andere Projekte. Die Beantwortungeiner schriftlichen Anfrage kostet inklusive maximal 20Kopien 10 US-Dollar. Beglaubigte Kopien sogar mehr. DasArchiv und das Record Center in Chicago haben so im Jahr2000 über 330.000 US-Dollar eingenommen, nach Abzugder Kosten für Wartung, Papier etc. blieben nahezu100.000 US-Dollar übrig. Man scheut sich nicht, den hohen

Preis für eine Kopie mit den Personalkosten zu rechtferti-gen. Es ist Vorgabe für alle US-Staatsarchive, eingehendeAnfragen innerhalb von 10 Kalendertagen zu bearbeitenund zu beantworten bzw. eine Zwischenauskunft anzufer-tigen. Nach amerikanischem Rechtsverständnis müssenalle Akten der Justiz der Öffentlichkeit zur Verfügung ste-hen. Jeder Bürger soll die Möglichkeit haben, die amerika-nische Justiz zu beobachten.

Den größten Teil der an das Archiv in Chicago gerichte-ten Fragen macht die Ahnenforschung aus. Es scheint fastwie eine Volksbewegung. In jeder Familie sucht jemandnach den Vorfahren. Eine Welle, die auch nach Europaschwappen wird. Denn während die Ahnenforschung inden USA wegen der jungen Geschichte und der gutenbürokratischen Organisation relativ einfach ist, endet alleInformation mit der Einreise ins Land. Die letzte verfüg-bare Information ist die Angabe über den früheren Wohn-ort in Europa. Und an diesem Punkt schreibt der Ahnen-forscher seinen ersten Brief an ein europäisches Archiv.Hier soll einmal kurz vorgestellt werden, welche Informa-tionen amerikanische Ahnenforscher in US Nationalarchi-ven ermitteln können. Wichtigste Dokumentengruppesind die Einbürgerungspapiere, die in Chicago etwa bis1837 zurückreichen. Jeder Mann (und ab 1906 auch jedeFrau), der amerikanischer Staatsbürger werden wollte,musste einen Antrag stellen. Die Einbürgerung war undist Aufgabe der Justiz, und deshalb sind die Einbürge-rungsakten Teil der Gerichtsakten. Sie werden, wenn essich um ein Bundesgericht handelt, in den Nationalarchi-ven aufbewahrt. Fand die Einbürgerung in einem Kreis-gericht (County court) statt, sind die Akten teilweise nochdort oder wurden ebenfalls an ein Nationalarchiv abgege-ben. Die Suche nach einem Vorfahren setzt deshalb dieKenntnis vom damaligen Wohnort voraus. Sind dann aberdie notwendigen Informationen vorhanden, lassen sichdie Einwanderungspapiere finden, die aus der “petitionfor naturalization”, der “declaration of intention” undmanchmal auch aus dem “certificate of arrival” bestehen.Über die Zeiten variieren die Informationen auf diesenPapieren, enthalten aber in den 20er und 30er Jahren sogarein Photo und fast immer Informationen über Einreise,Herkunft, Größe, Rasse und oftmals auch die Erklärung,nicht mehr dem Dienst des regierenden Königs in der altenHeimat zur Verfügung zu stehen oder auch kein Anarchistoder Bigamist zu sein. Leider sind diese Akten nur nach

Robert Thoms im National-archiv Chicago.

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ments Warschau, 30. 7. 1916–8. 10. 1918; Bildung einer polnischenWehrmacht – Neuformationen und Etatsfestsetzung (Personalbe-darf für Verwaltung, Ausbildung und Versorgung; Besoldungs-und Disziplinarfragen, Stärkenachweisungen) August 1916 –September 1918; Ausbildung polnischer Truppenteile – Grund-sätze, Organisation, Programme, Stärkenachweisungen, Ausbil-dungspersonal August 1916 – Juni 1918; Halbjahresberichte desVerwaltungschefs, 1. 10.1916–30. 9. 1918; die jüdische Religions-gesellschaft im Generalgouvernement Warschau – Verordnungvom 1. November 1916; Bildung eines Staatsrates und eines Land-tages im Königreich Polen – Anordnung vom 13. November 1916;Ansprache des Generalgouverneurs von Beseler vom 15. Dezem-ber 1916 in Warschau; Kraftwagenpark des Generalgouverne-ments Warschau 1917; Bewirtschaftung, Lebensmittel und Brenn-stoff August 1917 – Oktober 1918; Versorgung der polnischenStaatsbeamten mit Lebensmitteln Oktober 1917 – November 1918;Lebensmittelverwaltung im besetzten Polen Dezember 1917 –Oktober 1918; Brennstofflieferungen Januar 1918 – Juli 1918; Ver-sorgung von privaten Unternehmen mit Brennstoff Februar – Juli1918; Versorgung der Stadt Warschau mit Brennstoff April – Juli1918; Lebensmittelversorgung der Zivilbevölkerung Juni –November 1918; Kartoffelablieferungen und -transporte Juli –November 1918; Kartoffellieferungen – Schriftverkehr mit demDeutschen Kreischef in Minsk Mazowiecki Oktober – November1918; Nachweis über das in Polen verbliebene Heeresgut und Pri-vateigentum, 23. 12. 1918; Adressenverzeichnis der Forstbeamtender Zivilverwaltung Polens Juli 1919; kurzer historischer Über-blick über das Generalgouvernement Warschau mit Organisa-tionsplan und Aktenverzeichnis vom Dezember 1914 bis Novem-ber 1918, 1923; Überblick über die im Gebiet des Generalgouver-nements Warschau befindlichen militärischen Behörden undTruppen Februar 1916 – Oktober 1918.13 Der Teilbestand derKatholischen Militärseelsorge umfasst die Archivalien, die die Feld-seelsorge betreffen (1832–1920), u. a. die Tätigkeit über Militär-seelsorge in den besetzten Gebieten: u. a. Warschau (Generalgou-vernement) 1916–1918; Militärsorge in Breslau 1852–1872, inBromberg 1861–1919, u. a. Dokumente über im Lazarett Verstor-bene – Militärsorge der Garnison Danzig 1853–1913; Militärsorgein Elbins 1833–1843, in Gleiwitz 1859–1860; Militärsorge der Gar-nison Glogau 1889–1914, in Gross-Glogau 1852–1871; Militär-sorge in Neisse 1852–1871, in Neu-Stettin 1860–1866, in Oppeln1860–1864, in Osterode 1853–1859, in Ratibor 1860–1868, inRawicz 1861–1867, in Posen 1852–1872, in Stargard/Preußen1859–1870, in Starogard/Pommern und Pigritz 1856–1871, in Stet-tin und Neugard 1859–1911, in Stolp, Schlawe und Rügenwalde1852–1870.14

Die Polen betreffenden Archivalien der Norddeutschen und Kai-serlichen Marine sind in 5 Beständen / Teilbeständen / Serien /Subserien (in 24 durchgesuchten Beständen sind keine Polonicaregistriert) aufgetreten: Kriegswissenschaftliche Abteilung derMarine (1916–1945); Dienst- und Kommandostellen der Kaiserli-chen Marine im Heimatbereich: Marine-Nachrichtenkommissare(1914–1919); Küstenbezirksämter (1907–1920); Küstenschutzver-bände der Kaiserlichen Marine: Schiffssperre (1914–1918); Marine-werften und Arsenale: Kaiserliche Werft Danzig (1852–1920). U. a.der Teilbestand Kaiserliche Werft Danzig enthält die Akten betref-fend die Organisation und den Betrieb der Staatswerft von derbeginnenden Industrialisierung bis zum Anfang deutscher Groß-machtpolitik mit Hilfe der Flotte (Werftbetrieb und Werftanlagen:Geschäftsverteilung und Organisation, Dienstvorschriften undBestimmungen, Personalangelegenheiten, Verwaltung, Gebäudeund Anlagen, Baumaßnahmen, Werftmaterialien, Werftmaschi-nen und -fahrzeuge); Aufgaben der Werft (Bau, Ausrüstung,Unterhaltung und Reparatur von Schiffen, Ausrüstung derSchiffe mit Waffen, Munition, Geschützen, Schifffahrtsangelegen-heiten, Hafen- und Werftanlagen: Kiel, Stralsund, Swinemünde,Mitwirkungsangelegenheiten); Kriegstagebuch der Werft, 30. 7.1914–31. 10. 1918; Entwurf 30. 7. 1914–22. 1. 1919; Tenderliste der

13 Bestand PH 30 Kaiserliche Generalgouvernements und Militärverwal-tungen: PH 30 II Generalgouvernement Warschau, Teil 1, S. 1–13; Teil 2,S. 6.

14 Der Bestand PH 32 Militärsorge, S. 18, 25–28, 32, 34, 45–46, 49–50, 54.

USAYou don't have to go to Washington DC to visit theNational ArchivesDas Nationalarchiv der USA gliedert sich in 17 regionaleArchive, verteilt über das ganze Land mit dem Haupt-quartier in Washington. Der Verfasser dieses Artikels hattedie Möglichkeit, im Sommer 2001 im Rahmen seines Studi-ums Archivwesen an der Fachhochschule Potsdam seinzweimonatiges Praktikum beim Nationalarchiv in Chi-cago zu absolvieren. Während das Archiv in Washingtonweltweit bekannt ist, sind die Regionlarchive weitest-gehend unbekannt. Deshalb zunächst eine kurze Einfüh-rung in die Gesamtstruktur. Die Gliederung richtet sichnach 12 geographisch-historischen Regionen, in die dasLand aufgeteilt wurde. Der englische Name “NationalArchives and Records Administration” zeigt die doppelteAufgabe des Nationalarchivs. Zum einen die dauerhafteAufbewahrung und Zurverfügungstellung von als„archivwürdig“ klassifizierten Akten und zum anderendie Aufbewahrung staatlicher Akten über den gesetzlichvorgeschriebenen Zeitraum. Letztere werden dann amEnde ihrer Laufzeit bewertet und entweder vernichtetoder ins Archiv überführt. Die Record Center dienenhauptsächlich der Aufbewahrung von Akten im Auftragstaatlicher Behörden, sind jedoch allen Bürgern unter den

Kaiserlichen Werft Danzig 1914–31. 10. 1918; Entwurf 30. 7. 1914–22. 1. 1919; Tenderliste der kaiserlichen Werft Danzig 1914–1915.15

Die Polen betreffenden Archivalien von Wehrmachtsdienststel-len sind im Bestand Abwehr II: Geschichte des Geheimdienstes (1864–1918; 1930–1942) registriert.

Die Polen betreffenden Archivalien sind auch in 3 Nachlässen(in 3 durchgesuchten Nachlässen sind keine Polonica registriert)aufgetreten: Hans Hartwig von Beseler (1870–1967); Paul vonBeneckendorff und von Hindenburg (1847–1934); Erich Luden-dorff (1915–1919(–1965). Der Nachlass von Hans Hartwig von Bese-ler enthält u. a. Verwaltungsorganisation und Geschäftsvertei-lung des Generalgouvernements Warschau (zivile und militäri-sche Dienststellen) 1915–1918; Immediatberichte des Generalgou-verneurs in Warschau über die politische Lage in Polen 1916–1917; Geschäftsführung: Differenz mit dem Reichsamt des Innernund Schriftwechsel mit der Obersten Heeresleitung, dem Kriegs-ministerium, dem Reichskanzler, dem Auswärtigen Amt unddem preußischen Staatsministerium betr. polnische Fragen 1915–1918; Unterlagen des Generalgouverneurs in Warschau verschie-dener Art 1915–1918; jüdische Angelegenheiten in Polen 1915–1917; Kirchen-, Hochschul- und Archivangelegenheiten in Polen1916–1918; Druckschriften und andere Materialien: Allgemeines,polnische Angelegenheiten 1915–1917; Karten betr. Polen 1918;Schriftwechsel verschiedener Art, u. a. betr. Polen 1934–1943.16

Der Nachlass von Erich Ludendorff umfasst u. a. das handschriftli-che Manuskript 1918–1919 „Meine Kriegserinnerungen“, u. a.betr. Tannenberg, Feldzug in Polen (Herbst 1914), Winterschlachtin Masuren (Februar – März 1915); Beleidigungsklage Luden-dorffs gegen Prof. Dr. Walter Elze wegen Darstellung in dessenBuch „Tannenberg“ 1935; Privatkorrespondenz 1915–1935 u. a.mit Generaloberst Helmuth v. Moltke (2. Januar – 10. Oktober1915), die auch die polnischen Legionen betrifft.17

Polen betreffende Archivalien sind in der MilitärgeschichtlichenSammlung (1800–1975), Karten, Pläne (1576–1975) in der Samm-lung Deutsche Heereskarte (1882–1945) registriert.

Warschau Jerzy Gaul

15 Der Bestand RM 104 Marinewerften und Arsenale, Teil 1, S. 14–15; Teil 2,Kaiserliche Werft Danzig, S. 1–69.

16 Bestand N 30 Hans Hartwig von Beseler.17 Bestand N 77 Erich Ludendorff.

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Datenschutzbestimmungen zugänglich. Sie sollen hierjedoch keine Rolle spielen.

Die Archive bewahren jeweils Originalakten auf, die fürdie Region eine Rolle spielen. Außerdem verfügen sie übereinen großen Teil der Washingtoner Akten auf Microfilmund stehen so Forschern in allen Teilen der USA zur Ver-fügung. Die Originalakten bestehen im Wesentlichen ausGerichtsakten (etwa 60%) sowie aus Militärakten undDokumenten des Innen- und Transportministeriums.Auch diese Akten stehen jedem Forscher zur Verfügung,wiederum unter den gesetzlichen Bestimmungen. DasNational Archiv Great Lakes Region umfasst die 6 StaatenIllinois, Indiana, Michigan, Minnesota, Ohio und Wiscon-sin. Es ist somit verantwortlich für die US-Staaten, die anden Seen Superior, Michigan, Huron und Erie liegen,einem der wichtigsten Seewege der Vereinigten Staaten.Diese Region umfasst etwa 50 Millionen Einwohner undliegt in zwei Zeitzonen. Chicago ist die drittgrößte Stadtder USA. Das Archiv und das Record Center liegen imSüden dieser Stadt, unweit des Flughafens Midway. DasGebäude wurde 1974 während der Regierungszeit Nixonseingeweiht. Es ist zweiteilig und besteht aus einem Büro-gebäude, welches gleichzeitig Empfang und Lesesaalbeinhaltet und der Lagerhalle. Diese Halle ist in 8 Moduleunterteilt, die durch Feuertüren und –wände getrenntsind. Insgesamt beinhalten Record Center und Archivetwa 324.000 laufende Aktenmeter (zum Vergleich Bun-desarchiv Koblenz 258.000 m), jedoch dauerhaft nur etwa34.000 laufende Meter im Archiv, aufbewahrt in Stahlrega-len von etwa 5 Metern Höhe.

Es ist die definierte Aufgabe des Archivs, wichtigeAkten zu bewahren und zugänglich zu machen, die 1. dieamerikanischen Bürgerrechte dokumentieren, 2. dieArbeit der staatlichen Behörden aufzeigen und 3. vonnationaler Bedeutung sind. Die Einsicht ist kostenfrei,jedoch werden für Kopien Gebühren erhoben, die höhersind als die eigentlichen Kopierkosten. Diese Einnahmengehen in den National Archives Trust Fund und dieGewinne finanzieren andere Projekte. Die Beantwortungeiner schriftlichen Anfrage kostet inklusive maximal 20Kopien 10 US-Dollar. Beglaubigte Kopien sogar mehr. DasArchiv und das Record Center in Chicago haben so im Jahr2000 über 330.000 US-Dollar eingenommen, nach Abzugder Kosten für Wartung, Papier etc. blieben nahezu100.000 US-Dollar übrig. Man scheut sich nicht, den hohen

Preis für eine Kopie mit den Personalkosten zu rechtferti-gen. Es ist Vorgabe für alle US-Staatsarchive, eingehendeAnfragen innerhalb von 10 Kalendertagen zu bearbeitenund zu beantworten bzw. eine Zwischenauskunft anzufer-tigen. Nach amerikanischem Rechtsverständnis müssenalle Akten der Justiz der Öffentlichkeit zur Verfügung ste-hen. Jeder Bürger soll die Möglichkeit haben, die amerika-nische Justiz zu beobachten.

Den größten Teil der an das Archiv in Chicago gerichte-ten Fragen macht die Ahnenforschung aus. Es scheint fastwie eine Volksbewegung. In jeder Familie sucht jemandnach den Vorfahren. Eine Welle, die auch nach Europaschwappen wird. Denn während die Ahnenforschung inden USA wegen der jungen Geschichte und der gutenbürokratischen Organisation relativ einfach ist, endet alleInformation mit der Einreise ins Land. Die letzte verfüg-bare Information ist die Angabe über den früheren Wohn-ort in Europa. Und an diesem Punkt schreibt der Ahnen-forscher seinen ersten Brief an ein europäisches Archiv.Hier soll einmal kurz vorgestellt werden, welche Informa-tionen amerikanische Ahnenforscher in US Nationalarchi-ven ermitteln können. Wichtigste Dokumentengruppesind die Einbürgerungspapiere, die in Chicago etwa bis1837 zurückreichen. Jeder Mann (und ab 1906 auch jedeFrau), der amerikanischer Staatsbürger werden wollte,musste einen Antrag stellen. Die Einbürgerung war undist Aufgabe der Justiz, und deshalb sind die Einbürge-rungsakten Teil der Gerichtsakten. Sie werden, wenn essich um ein Bundesgericht handelt, in den Nationalarchi-ven aufbewahrt. Fand die Einbürgerung in einem Kreis-gericht (County court) statt, sind die Akten teilweise nochdort oder wurden ebenfalls an ein Nationalarchiv abgege-ben. Die Suche nach einem Vorfahren setzt deshalb dieKenntnis vom damaligen Wohnort voraus. Sind dann aberdie notwendigen Informationen vorhanden, lassen sichdie Einwanderungspapiere finden, die aus der “petitionfor naturalization”, der “declaration of intention” undmanchmal auch aus dem “certificate of arrival” bestehen.Über die Zeiten variieren die Informationen auf diesenPapieren, enthalten aber in den 20er und 30er Jahren sogarein Photo und fast immer Informationen über Einreise,Herkunft, Größe, Rasse und oftmals auch die Erklärung,nicht mehr dem Dienst des regierenden Königs in der altenHeimat zur Verfügung zu stehen oder auch kein Anarchistoder Bigamist zu sein. Leider sind diese Akten nur nach

Robert Thoms im National-archiv Chicago.

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dem Namen sortiert und in keiner Form digitalisiert, son-dern werden über Karteikarten gefunden. Eine gezielteSuche nach anderen Kriterien als dem Namen ist nichtmöglich.

Eine weitere, sehr gute Informationsquelle sind dieDaten der Volkszählungen (Census), die alle 10 Jahre statt-finden. Diese Daten stehen 72 Jahre unter Verschluss undwerden dann auf Microfilm veröffentlicht. Z. Zt. wirdgerade die Veröffentlichung der Volksbefragung von 1930vorbereitet. Theoretisch muss jeder, der in Amerika lebt,ob Staatsbürger oder Gast, die Fragen beantworten. FürForscher jeder Art eine ungeahnte Quelle, denn sowohlProminente wie Abraham Lincoln oder Henry Ford habendiese Fragen beantwortet, als auch die eigenen Vorfahren.Diese Volkszählungen finden seit 1790 statt. Die Fragen inden Bögen variieren über die Jahre und reichen von Aus-künften über Namen, Familienangehörige, Sklavenbesitz,Ausbildung, Wert des Besitzes, Muttersprache, Geburts-ort, Schwachsinn bis hin zum Blutanteil bei Indianern.

Während das Record Center mit einem Computerpro-gramm die Dokumente verwaltet, finden im National-archiv Chicago hauptsächlich Zettelkästen und Find-bücher im klassischen Sinne Anwendung. Die Einführungdes neuen Computerprogrammes NAIL (NARA Archival

Information Locator, weitere Infos unter: http://www.nara.gov/nara/nail.html), entwickelt vom Archivin Washington unter Millionenaufwand, steht bevor.Allerdings ist auch hier die Frage, wer all diese Informatio-nen in die Computer eingeben soll, zumindest im Archiv-bereich das Hauptproblem der Digitalisierung.

Ein besonders schönes Beispiel für den Unterschiedzwischen deutscher und amerikanischer Gesellschaft sinddie “Volunteers”, die Freiwilligen. Im Archiv in Chicagoarbeiten bis zu 40 Freiwillige, meist Rentner, die in ihrerFreizeit ohne Lohn für das Archiv und damit für ihr Landarbeiten. Meist kommen sie einen Tag pro Woche undarbeiten dann in der Bestandserhaltung oder erfassen bis-her unbeschriebene Bestände oder helfen Forschern imMicrofilmraum. Ihre Arbeit ist eine große Hilfe für dasArchiv.

Wenn die Vereinigten Staaten von Amerika auch übereine vergleichsweise kurze Geschichte verfügen, sind diestaatlichen Archive trotzdem prall gefüllt und könnenauch den europäischen Forschern und Historikern einegute Quelle sein. Freundliches Personal ist auch auf deranderen Seite des großen Teichs um kompetente Auskunftund Hilfe bemüht.

Berlin Robert Thoms

Einbürgerungspapiere desdeutschen ArchitektenMies van der Rohe, 1938nach Amerika emigriert

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Schulpreisen für die zehn besten Schulen in Deutschland –allen voran das Rabanus-Maurus-Gymnasium in Mainz –überreichte er die fünf ersten Preise an die erfolgreichstenSchülerinnen und Schüler. Beschäftigt hatten sie sich mitden Tieren im Industrialisierungsprozess, mit dem Tier-schutz im Nationalsozialismus, mit der rassistisch gepräg-ten Ideologie über den „Deutschen Schäferhund“, mit derSperlingsverfolgung im 19. Jahrhundert und mit demWandel des Fleischerhandwerks in den vergangenen 100Jahren.

„Die Mensch-Tier-Beziehung ist gewissermaßen einPrüfstein für unseren Umgang mit der Welt“, so JohannesRau in seinem Aufruf zum Wettbewerb. Nach den Wett-bewerbsbeiträgen zu urteilen, bewerten die heutigenJugendlichen diesen Umgang durchaus kritisch. Dabeisind sie aber weit weniger aufgeregt, als es die öffentlichenDebatten über BSE und MKS im vergangenen Jahr ver-muten ließen. Sie kritisieren die industriellen Verhältnissein der Nutztierhaltung, lehnen das Töten von Tierenjedoch nicht grundsätzlich ab. In ihren Beiträgen zeigensie, dass die heutigen Probleme nicht völlig neu sind, son-dern eine Geschichte haben.

Tierhaltung und Tierschutz

Kaum verwunderlich, dass sich viele Schüler mit der Ent-wicklung in den Ställen und in den Schlachthäusernbeschäftigten. Erstaunlich aber, was sie dabei zutage för-derten. Zwei Schüler aus Wesseling bei Bonn etwa mach-ten zum Tiermehl eine spannende Entdeckung: Als zuBeginn des Ersten Weltkriegs die Futtermittel knapperwurden, forderte der „Kriegsausschuss für Ersatzfutter-mittel“ die Produktion von Tiermehl, und der Bundesratverordnete die restlose Verwertung von Schlachtabfällen.Tiermehl als Viehfutter: nicht aus Profitgier eingeführt,sondern in der Mangelsituation des Krieges erfunden –und staatlich verordnet.

Viele Schülerinnen und Schüler interessierten sich fürdie NS-Zeit und fragten nach den Besonderheiten desMensch-Tier-Verhältnisses in den Jahren 1933 bis 1945. EinSchüler aus Stuttgart, der die Auswirkung des Reichstier-schutzgesetzes auf die medizinische Forschung an süd-deutschen Unis untersuchte: „Es gehört zu den Wider-sprüchlichkeiten des nationalsozialistischen Regimes,dass seine Anhänger einerseits bereits wenige Monatenach der Machtergreifung ein Tierschutzgesetz vorlegten,das in seiner Ausführlichkeit und in seiner Achtung vordem Tier soweit ging wie noch kein Tierschutzgesetzzuvor, und dass sie andererseits wenige Jahre später Mil-lionen von Menschen mittels einer perfiden Vernichtungs-maschinerie ausrotteten“. Die erschreckendste Folge desReichstierschutzgesetzes: Wegen der Einschränkungen inder Tierversuchspraxis wichen außeruniversitäre For-schungseinrichtungen wie das hygienische Institut derWaffen-SS auf Menschenversuche aus. Wehrlose Häftlingein Konzentrationslagern wie Mauthausen oder Auschwitzwurden Opfer grausamer Versuche.

Tierschutz ist für die Kinder und Jugendlichen vonheute nach wie vor ein wichtiges, ein aktuelles Thema. Sieuntersuchen kritisch den Wandel in der Tierhaltung – ob inden Ställen, im Zoo oder zu Hause. Dabei stellen sie dieFrage, wie die Rechte der Tiere zu schützen und auchabzuwägen sind gegenüber den Bedürfnissen des Men-schen. Für die große Mehrheit steht fest, dass ethische und

moralische Maßstäbe für den Umgang mit Tieren notwen-dig sind. Die Vorschläge zur Verbesserung des mensch-lichen Umgangs mit den Tieren sind meist sehr konkretund praktisch und fordern neben gesetzlichen Vorgabenindividuelles Verantwortungsbewusstsein ein, so etwa einSchüler zum BSE-Skandal: „Eine Lösung kann nur ein ver-ändertes Verbraucherverhalten bringen, bei der eine tier-gerechte Haltung und nicht Tiefpreise ausschlaggebendfür die Kaufentscheidung sind.“

Spurensuche – „weil man da mehr kennen lernt“Alle zwei Jahre fordert der Schülerwettbewerb Kinder undJugendliche dazu auf, im eigenen Ort oder in der Regionauf historische Spurensuche zu gehen. Auch dieses Malmussten die Teilnehmer Archive aufsuchen und Aktenwälzen, wissenschaftliche Literatur sichten und bewerten,Interviewpartner finden und Zeitzeugen befragen. VieleTüren in Archiven und Institutionen öffnen sich mittler-weile für die Schüler, denn die Lokalgeschichte wird wich-tig genommen vor Ort, und der Geschichtswettbewerb derKörber-Stiftung in Hamburg, seit 1973 veranstaltet, istanerkannt. Dennoch hatten die Jungforscher bei demThema „Genutzt – geliebt – getötet. Tiere in unsererGeschichte“ besondere Hürden zu nehmen: Sowohl in derWissenschaft als auch im Geschichtsunterricht wird dieMensch-Tier-Beziehung bestenfalls als ein Randthemawahrgenommen, das schlimmstenfalls sogar belächeltwird. Die Themensuche gestaltete sich dementsprechendschwierig. Aber das „Experiment“ wurde angenommen:Knapp 7000 Teilnehmer reichten 1655 Beiträge ein – dasdrittbeste Ergebnis in der Wettbewerbsgeschichte. Geradedie Jüngeren beteiligten sich stärker als sonst am Wett-bewerb: Zwei Drittel der Teilnehmer sind 15 Jahre oderjünger gewesen und fanden über das Thema Tier zur Aus-einandersetzung mit der Geschichte. Darunter vieleGrundschüler, die im wahrsten Sinne des Wortes „Farbe“in den Schülerwettbewerb brachten: Selten wurden soviele Bilder, Collagen, Poster, Modelle und Spiele als Wett-bewerbsbeiträge eingereicht.

Der nächste Wettbewerb startet am 1. September 2002.Multiplikatoren wie Lehrer und Archivare werden bereitsim Frühjahr 2002 über das neue Thema informiert.

Hamburg Christiane Stork

Veranstaltungstermine(ohne Gewähr)

ab 12. 6. 2000: Wanderausstellung des Haupt-staatsarchivs Stuttgart und derStadtarchive Herrenberg und Stutt-gart „Ein schwäbischer Leonardo?Heinrich Schickhardt (1558–1635).Baumeister – Ingenieur – Karto-graph / Un Léonard de Vincisouabe?HeinrichSchickhardt (1558–1635). Architecte – Ingénieur – Car-tographe“8. 3. bis 30. 6. 2002: Schiltach (Rathaus

und Städt. Museum)15. 7. bis 1. 9. 2002: Vaihingen an der Enz15. 11. bis 31. 12. 2002: Boll15. 1. bis 28. 2. 2003: Waiblingen15. 3. bis 30. 4. 2003: Marbach a. N.

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ab 7. 9. 2001: Wanderausstellung des SächsischenHauptstaatsarchivs Dresden anläss-lich des Tages der Sachsen „Sachsengut gewappnet. Land, Städte undKreise im Wappenbild“24. 6. bis 26. 7. 2002: Dresden (Stadtspar-

kasse, Güntzplatz 5)26. 7. bis 24. 8. 2002: Chemnitz (Staatsarchiv,

Schulstraße 38)2. 9. bis 27. 9. 2002: Leipzig (Staatsarchiv,

Schongauerstr. 1)

ab 12. 9. 2001: Wanderausstellung des Branden-burgischen LandeshauptarchivsPotsdam „Facetten adeliger Lebens-welten in Brandenburg 1701–1918“4. 5. bis 30. 6. 2002: Wittstock („Alte

Bischofsburg“)6. 7. bis 30. 8. 2002: Bad Freienwalde

(Oderlandmuseum)5. 9. bis 20. 10. 2002: Finsterwalde

(Kreismuseum)29. 10. bis 15. 12. 2002: Potsdam (Stif-

tung „Großes Waisen-haus zu Potsdam“)

ab 20. 9. 2001: Wanderausstellung des Nordelbi-schen Kirchenarchivs Kiel „Kirche,Christen, Juden in Nordelbien 1933bis 1945“8. 5. bis 31. 5. 2002: Kirchenkreis Stormarn,

Wandsbek(Christus-Kirche)

7. 6. bis 30. 6. 2002: Kirchenkreis Stormarn(GemeindezentrumMümmelmannsberg)

20. 8. bis 25. 9. 2002: Bad Segeberg(St. Marien)

3. 10. bis 3. 11. 2002: KirchenkreisHamburg-Altona

9. 11. bis 8. 12. 2002: KirchenkreisHamburg-Harburg

9. 1. bis 9. 2. 2003: Kirchenkreis Eutin14. 2. bis 9. 3. 2003: Kirchenkreis

Münsterdorf14. 3. bis 13. 4. 2003: Kirchenkreis

Neumünster18. 4. bis 18. 5. 2003: Kirchenkreis Blankenese23. 5. bis 22. 6. 2003: Kirchenkreis Plön(Weitere Stationen werden in einer späterenAusgabe veröffentlicht.)

ab 17. 10. 2001:Mannheim

Vortragsreihe des StadtarchivsMannheim „Mittwochs beimArchiv“19. 6. 2002: Carl Ladenburg (1827–1909) – einBankier aus dem jüdischen GroßbürgertumMannheims

ab 26. 11. 2001: Wanderausstellung des HessischenHauptstaatsarchivs Wiesbaden imAuftrag der Hessischen Landesre-gierung „,Unsere Aufgabe heißtHessen.‘ Georg August Zinn, Minis-terpräsident 1950–1969“8. 4. bis 25. 5. 2002: Marburg (Staatsarchiv)20. 6. bis 18. 8. 2002: Friedewald (Schloss)

ab 28. 11. 2001: Wanderausstellung des SächsischenStaatsarchivs Leipzig und des Regie-rungspräsidiums Leipzig „VomLeipziger Kreis zum Regierungsbe-zirk Leipzig. Geschichte und Leis-tungen einer sächsischen Mittelbe-hörde (1547–2000)“

27. 5. bis 26. 8. 2002: Landratsamt LeipzigerLand (Tröndlinring 3)

2. 9. bis 20. 11. 2002: Leisnig (BurgMildenstein, Burglehn 6)

2.12. bis 20. 12. 2002: Dresden (Staatsminis-terium des Innern)

10. 12. 2001bis 21. 6. 2002:Speyer

Ausstellung des Zentralarchivs derEvangelischen Kirche der Pfalz„Engel ohne Ende – Ende derEngel?“

7. 2. bis 31. 5. 2002:Wien

Ausstellung des Wiener Stadt- undLandesarchivs „Vom Lichtspielthea-ter zum Kino-Center – Wiens Kino-welt gestern und heute“

ab 14. 2. 2002: Eine Wanderausstellung der Kom-munalarchive in den Kreisen Kleveund Wesel in Zusammenarbeit mitdem Rheinischen Archiv- undMuseumsamt, Abtei Brauweiler/Pulheim „Archivlandschaft untererNiederrhein“ab 15. 5. bis ca. 5. 6. 2002: Straelen

14. 2. bis 24. 11. 2002:Nürnberg

Ausstellung des Archivs des Germa-nischen Nationalmuseums, Nürn-berg „Das Germanische National-museum. Gründung und Frühzeit“

23. 2. bis 9. 6. 2002:Frankfurt a. M.

Ausstellung des Instituts für Stadt-geschichte Frankfurt a. M. „Bocken-heim – Ansichten eines Stadtteils“

ab 13. 3. 2002: Bronnbacher Gespräche 2002: Kran-kengeschichten13. 6. 2002: Das Vaterland ist in Gefahr, rettetdas Vaterland – Geschlechtskrankheiten, Moralund Gesundheitspolitik in Deutschland im 19.und frühen 20. Jahrhundert11. 7. 2002: Krank bei Hofe – Historisch-musi-kalische Soirée mit Michael Günther (Cembalo)und Dr. Peter Müller

22. 3. bis 20. 9. 2002:Schleswig

Ausstellung des LandesarchivsSchleswig-Holstein in Zusammen-arbeit mit der Landeszentralbiblio-thek Schleswig-Holstein in Flens-burg „;Weltbild‘ kaufmännischerSammler im 18. Jahrhundert. Kartenund Atlanten der Familie Jordt“(Das Begleitprogramm kann unter„www.schleswig-holstein.de/archive/lash“ eingesehen werden.)

11. 4. bis 26. 10. 2002:Lauf an der Pegnitz

Ausstellung des Stadtarchivs Lauf a.d. Pegnitz „950 Jahre Schönberg beiLauf. Eine Ausstellung zurGeschichte eines der ältesten Orts-teile der Stadt Lauf an der Pegnitz“(telefonische Voranmeldung emp-fehlenswert 09123/184–166)

18. 4. bis 24. 5. 2002:München

Ausstellung des Bayerischen Haupt-staatsarchivs und des Geldmuseumsder Deutschen Bundesbank „Wäh-

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rungen im Übergang. Von Taler undGulden zur Mark, von der D-Markzum Euro“ (Bayerisches Haupt-staatsarchiv)

18. 4. bis 16. 6. 2002:Berlin

Ausstellung der Stiftung DeutschesKabarettarchiv Mainz und desArchivs der Akademie der KünsteBerlin „100 Jahre Kabarett (Teil 2):Die Arme Republik. Kabarett in dengoldenen Zwanzigern (1919 bis1932)“ (Hanseatenweg 10)

24. 4. bis 27. 9. 2002:Stuttgart

Ausstellung des HauptstaatsarchivsStuttgart zum Landesjubiläum„Baden-württembergische Befind-lichkeiten. Das Land und seine Sym-bolik“ mit einem öffentlichen Wett-bewerb „Wie könnte das Landes-wappen von Baden-Württembergheute aussehen?“ Preisverleihungca. Ende September

24. 4. bis 4. 10. 2002:Breisach a. Rhein

Ausstellung des Stadtarchivs Brei-sach „Vor 50 Jahren – Breisach 1952.Eine Stadt im Wiederaufbau“ imRahmen des Landesjubiläums 50Jahre Baden-Württemberg (Rathaus,Münsterplatz)

26. 4. bis 6. 10. 2002:Ostfildern

Ausstellung des Stadtarchivs Ostfil-dern und des Archivs des HausesWürttemberg auf der Landesgarten-schau Ostfildern „Wohlstands-Träume. Herzog Carl Eugen, KönigWilhelm I. und die Landwirtschaft“

28. 4. bis 2. 6. 2002:Bergisch Gladbach

Ausstellung der Stiftung Zanders –Papiergeschichtliche Sammlung –anlässlich ihres 25jährigen Jubi-läums „Herz ist Trumpf. Karten zumSpielen, Lernen und Wahrsagen“

4. 5. bis 29. 9. 2002:Marbach a. N.

Ausstellung des SchweizerischenLiteraturarchivs Bern im Schiller-Nationalmuseum und DeutschenLiteraturarchiv Marbach a. N. „Katz& Hund, literarisch“

14. 5. bis 14. 8. 2002:Coburg

Ausstellung des StaatsarchivsCoburg „Das herzoglich sächsischeHoftheater in Coburg 1827–1918 –Ansichten und Pläne“

ab 15. 5. 2002: Wanderausstellung des Bundesar-chivs, des Staats- und des Stadtar-chivs Ludwigsburg „Ruth „Sara“Lax, 5 Jahre alt, deportiert nach Riga.Deportation und Vernichtung badi-scher und württembergischerJuden“ (Staatsarchiv)15. 5. bis 12. 7. 2002: Ludwigsburg

(Staatsarchiv)21. 11. 2002 bis 12. 1. 2003: Rastatt (Bundesar-chiv-Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewe-gungen in der deutschen Geschichte)

24. bis 26. 5. 2002:Mannheim

Plakate-Ausstellung des Stadtar-chivs Mannheim „Mannem vorne –erst recht im Südweststaat“

28. 5. 2002:Pinneberg

Schleswig-Holsteinischer Archivtag

1. 6. bis 31. 8. 2002:Wolgast

Ausstellung des LandesarchivsGreifswald in Verbindung mit demMuseum der Stadt Wolgast „Pom-mersche Stadtansichten aus vierJahrhunderten“ (Rathaus der StadtWolgast)

5. 6. 2002:Marburg

Siebtes ArchivwissenschaftlichesKolloquium der Archivschule Mar-burgThema: Archivgesetzgebung inDeutschland – ungeklärte Rechtsfra-gen und neue Herausforderungen(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

5. 6. 2002:Wiesbaden

Hessischer Archivtag(Ansprechpartner: Dr. D. Degreif, Hess. Haupt-staatsarchiv Wiesbaden, Tel: 0611/881–125;Fax: 0611/881–145; E-Mail: [email protected])

4. bis 6. 6. 2002:Frankfurt a. M.

24. DGI-Online-Tagung (Fachkon-gress zeitgleich mit INFOBASE)Thema: Content in Context – Per-spektiven der Informationsdienst-leistung(Information: H. Hotzel, E-Mail: [email protected], Tel.: (03641) 94 00 34, Internet:www.dgd.de)

5. 6. 2002:Schleswig

Frühjahrstagung der Fachgruppe 1im VdA in Zusammenarbeit mitdem Landesarchiv Schleswig-Hol-steinThema: Filmarchivierung als Her-ausforderung staatlicher Archive(Anmeldung: Landesarchiv Schleswig-Hol-stein)

5. 6. bis 27. 9. 2002:Wien

Ausstellung des Wiener Stadt- undLandesarchivs „Wiener Theater undihre Schauspieler“

6. 6. bis 28. 7. 2002:München

Ausstellung des Archivs des Erzbis-tums München und Freising, desBayerischen Hauptstaatsarchivsund des Stadtarchivs München„Kardinal Faulhaber (1869–1952).Eine Ausstellung zum 50. Todestag“

8. 6. bis 8. 9. 2002:Merseburg

Ausstellung des KulturhistorischenMuseums Schloss Merseburg inZusammenarbeit mit dem Landes-hauptarchiv Sachsen-Anhalt „Hein-rich II. – König, Stifter, Schutzpa-tron“

10. bis 11. 6. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule Marburg

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Thema: Urheberrecht im Medienar-chiv (ASK 42)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

11. bis 12. 6. 2002:Stralsund

Landesarchivtag Mecklenburg-Vor-pommernThema: „Bewahren und Auswerten– EDV im Archiv“

12. 6. 2002:Altenburg

51. Thüringischer ArchivtagThema: Quieta non movere – Wasliegt, das liegt ?!

13. bis 14. 6. 2002:Euskirchen

36. Rheinischer ArchivtagThemen: „Digitalisierung“ und„Arbeitsschutz“

14. bis 15. 6. 2002:Rudolstadt

16. Archivpädagogenkonferenz

14. bis 15. 6. 2002:Stuttgart

Tagung des MuseumsverbandsBaden-Württemberg e. V. Arbeits-gruppe „Fotografie im Museum“mit Unterstützung des StadtarchivsStuttgartThema: Foto-Erbe. Fotografen-Nachlässe als Herausforderung fürArchive, Museen, Sammler(Anmeldung: Museumsverband Baden-Würt-temberg e. V. – Geschäftsstelle, StadtmuseumEsslingen, Hafenmarkt 7, 73728 Esslingen, Tel.0711/3512–3240, Fax –3229, E-Mail: [email protected])

14. bis 16. 6. 2002:Bautzen

11. Sächsischer Archivtag und 7.Sächsisch-Bayerisches Archivars-treffenThema: Überlieferungsbildung ander Schwelle des 21. Jahrhunderts –Aktuelle Probleme der Bewertung

18. 6. bis 26. 7. 2002:Greifswald

Ausstellung des polnischenMuseums Stargard in Zusammenar-beit mit dem Landesarchiv Greifs-wald „Stargard in Ansichten undWerbung“ (Landesarchiv)

19. bis 20. 6. 2002:Münster

Fortbildungsveranstaltung desWestfälischen Archivamts MünsterThema: Grundlagen der Arbeit ineiner Archivbibliothek

20. bis 21. 6. 2002:Halle a. d. Saale

Fortbildungsveranstaltung der Ini-tiative Fortbildung für wiss. Spezial-bibliotheken und verwandte Ein-richtungen e. V. / Institut für Zei-tungsforschungThema: Zeitungen in Bibliothekenund Archiven. Baustein 3: Erschlie-ßung via Datenbank und Aus-schnittsammlung(Anmeldung und Information: E. Morgen-stern, Initiative Fortbildung für wiss. Spezialbi-bliotheken und verwandte Einrichtungen e. V.c/o Zentral- und Landesbibliothek Berlin, E-Mail: [email protected],Fax: 030/833 4478)

20. 6. bis 4. 8. 2002:Berlin

Ausstellung des Geheimen Staatsar-chivs Preußischer Kulturbesitz Ber-lin „Kirche im Dorf“ (Kunstbiblio-thek der Staatlichen Museen zu Ber-lin – Preußischer Kulturbesitz, Matt-häikirchplatz 8)

20. 6. bis 1. 9. 2002:Rastatt

Ausstellung der Stiftung Reichsprä-sident Friedrich-Ebert-Gedenkstättein Verbindung mit der Friedrich-Ebert-Stiftung „Friedrich Ebert undseine Zeit“ (Bundesarchiv-Erinne-rungsstätte für die Freiheitsbewe-gungen in der deutschenGeschichte)

21. bis 23. 6. 2002:Berlin

Jahrestagung der Historischen Kom-mission für ost- und westpreußischeLandesforschung im GeheimenStaatsarchiv Preußischer Kulturbe-sitz, BerlinThema: Kirche und Welt in der frü-hen Neuzeit des Preußenlandes

22. 6. bis 22. 9. 2002:Salem

Ausstellung des Generallandesar-chivs Karlsruhe und des SchlossesSalem zur Säkularisation „Salem.Vom Kloster zum Fürstensitz 1770–1830“ (Schloss, Bibliothek)

23. 6. bis 27.10. 2002:Marbach a. N.

Ausstellung des Schiller-National-museums und Deutschen Literatur-archivs Marbach a. N. „HermannHesse – Diesseits des >Glasperlen-spiels<“

24. bis 26. 6. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Bewertung, Überlieferungs-bildung und Behördenbetreuung(ASK 12)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

25. bis 28. 6. 2002:Bordesholm

Fortbildungsveranstaltung des Ver-bandes Schleswig-HolsteinischerKommunalarchivarinnen und -ar-chivare e. V.Thema: Archive und Verwaltung(Verwaltungsakademie, Heintzestr. 13, 24582Bordesholm, B. Schneider, Tel.: 04322/693505,Fax: 04322/693–531, E-Mail: [email protected], www.vab-sh.de,)

25. bis 29. 6. 2002:Toblach (Italien)

Internationale Tagung des Staatsar-chivs BozenThema: Erhaltung der kollektivenErinnerung: Strategien und Lösun-gen(Information: Staatsarchiv A. Diazstr. 8, 39100Bozen, Tel. 0039–(0)471264295, Fax 0039(0)4714407176, E-Mail: [email protected])

27. bis 29. 6. 2002:Stuttgart

Fortbildungsveranstaltung des Buch-binder-Collegs, StuttgartThema: Siegelrestaurierung

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(Informationen: Buchbinder-Colleg, KrefelderStr. 14, 70376 Stuttgart, Tel. 0711/544534; Fax:0711/557710; E-Mail: [email protected])

28. 6. bis 1. 9. 2002:Aschaffenburg

Ausstellung des Stadt- und Stiftsar-chivs Aschaffenburg „Erthal unddas Ende des Reiches“

29. 6. bis 3. 11. 2002:Ellwangen

Ausstellung der Stadtarchive Aalen,Ellwangen, Schwäbisch Gmünd unddes Kreisarchivs Ostalb „ ...schwei-gen, gehorchen und bezahlen !“ Diestaatliche Neordnung im östlichenWürttemberg 1802/1806“ (SchlossEllwangen)

1. bis 5. 7. 2002:Stuttgart

Fortbildungsveranstaltung desBuchbinder-Collegs, StuttgartThema: Pergamenturkunden(Informationen: Buchbinder-Colleg, KrefelderStr. 14, 70376 Stuttgart, Tel. 0711/544534; Fax:0711/557710; E-Mail: [email protected])

Sommer 2002:Amberg

Ausstellung im Staatsarchiv Am-berg „Vom mittelalterlichen Archiv-gewölbe zum modernen Staatsar-chiv. Eine Ausstellung zur Ge-schichte des Staatsarchivs Amberg“

15. bis 19. 7. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Einführung in das Archiv-wesen (GK 2)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

15. bis 19. 7. 2002:Hagen

Grundseminar des Vereins Fortbil-dung Medienarchivare /-dokumen-tare (VFM)Thema: Informationsvermittlung(Datenbankrecherche)(Anmeldung: Dt. Institut für publizistische Bil-dungsarbeit, Journalistenzentrum Haus Busch,58099 Hagen, Tel. (02331) 365–600, Fax: (02331)365–699, Internet: www.vfm-online.de)

22. bis 24. 7. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Rechtsfragen im Archivall-tag (ASK 41)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

22. bis 26. 7. 2002:Stuttgart

Fortbildungsveranstaltung desBuchbinder-Collegs, StuttgartThema: Einführung in die Papierres-taurierung(Informationen: Buchbinder-Colleg, KrefelderStr. 14, 70376 Stuttgart, Tel. 0711/544534; Fax:0711/557710; E-Mail: [email protected])

22. bis 26. 7. 2002:Ascona (Schweiz)

Fortbildungsveranstaltung des Ver-eins Centro del bel libroThema: Fotografie: HistorischeTechniken – Konservierung – ErsteHilfe (Kurs 115)

(Infomationen: Sekretariat, Viale Portone 4, P.O. Box 2600, CH-6501 Bellinzona, Tel.(0041–)091 825 11 62, Fax: (0041–)091 825 85 86,E-Mail: [email protected], www.cbl-ascona.ch)

9. 8. bis 31. 10. 2002:Bad Kissingen

Ausstellung des Stadtarchivs BadKissingen „Horst Haitzinger. Kari-katuren, Retrospektive und neuesteArbeiten“ (Altes Rathaus)

27. bis 28. 8. 2002:Bordesholm

Fortbildungsveranstaltung des Ver-bandes Schleswig-HolsteinischerKommunalarchivarinnen und -ar-chivare e. V.Thema: Der Aktenmasse Herr wer-den (3107)(Verwaltungsakademie, Heintzestr. 13, 24582Bordesholm, B. Schneider, Tel.: 04322/693505,Fax: 04322/693–531, E-Mail: [email protected], www.vab-sh.de)

30. 8. bis 4. 10. 2002:Koblenz

Ausstellungen der Edition Temmen(Fotografien von Bernd Lasdin)„Zeitenwende“ und „Westzeit-Story“ (Bundesarchiv)

2. bis 3. 9. 2002:Stuttgart

Fortbildungsveranstaltung desBuchbinder-Collegs, StuttgartThema: Nicht von Pappe – derUmgang mit Kulturgut aus Papier –Schadensbegrenzung an Archiv-und Bibliotheksgut(Informationen: Buchbinder-Colleg, KrefelderStr. 14, 70376 Stuttgart, Tel. 0711/544534;Fax: 0711/557710; E-Mail: Buchbinder-Col-leg@t-online. de)

2. bis 6. 9. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Einführung in die Ordnungund Verzeichnung von Archivgut(GK 1)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

10. bis 13. 9. 2002:Halle a. d. Saale

44. Deutscher HistorikertagThema: Traditionen – Visionen

13. bis 14. 9. 2002:Lorch

Wissenschaftliche Tagung des Würt-tembergischen Geschichts- undAltertumsvereins e. V. in Verbin-dung mit dem HauptstaatsarchivStuttgart, der WürttembergischenLandesbibliothek Stuttgart und denStaatlichen Schlössern und GärtenThema: 900 Jahre Kloster Lorch1102–2002. Eine staufische Grün-dung vom Aufbruch zur Reform(Bürgerhalle)

17. bis 20. 9. 2002:Trier

73. Deutscher ArchivtagThema: Archive und Forschung(Internet: www.vda.archiv.net/archivtage.htm)

23. bis 27. 9. 2002:Hagen

Grundseminar des Vereins Fortbil-dung Medienarchivare /-dokumen-tare (VFM)

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Thema: Informationsmanagementund Informationsermittlung(Anmeldung: Dt. Institut für publizistische Bil-dungsarbeit, Journalistenzentrum Haus Busch,58099 Hagen, Tel. (02331) 365–600, Fax: (02331)365–699, Internet: www.vfm-online.de)

26. 9. 2002:Pulheim

Fortbildungsveranstaltung desRheinischen Archiv- und Museums-amts Abtei Brauweiler in PulheimThema: Kirchenbücher als Quellenfür die lokalhistorische Forschung

26. 9. bis 3. 11. 2002:Rastatt

Ausstellung der UmweltbibliothekGroßhennersdorf e. V. „Versuche inder Wahrheit zu leben – Widerstän-diges Leben in der Oberlausitz 1978–1989“ (Bundesarchiv-Erinnerungs-stätte für die Freiheitsbewegungenin der deutschen Geschichte)

26. 9. bis 29.11. 2002:Ludwigsburg

Wanderausstellung der UNESCO,erarbeitet von der Alliance forNature „Das Welterbe / The WorldHeritage“ (Staatsarchiv)

2. 10 2002 bis31. 1. 2003:Wien

Ausstellung des Wiener Stadt- undLandesarchivs „Bach-Dorf-Stadt-Bezirk – 1000 Jahre Liesing“

5. 10. 2002:Stuttgart

Fortbildungsveranstaltung desBuchbinder-Collegs, StuttgartThema: Tinten, Tuschen, Farben desMittelalters(Informationen: Buchbinder-Colleg, KrefelderStr. 14, 70376 Stuttgart, Tel. 0711/544534; Fax:0711/557710; E-Mail: [email protected])

6. bis 11. 10. 2002:Heidelberg

Fortbildungsveranstaltung der Ver-einigung deutscher Wirtschaftsar-chivare e. V.Thema: Einführung in das Wirt-schaftsarchivwesen(Informationen und Anmeldung: Dr. P. Blum,Tel. 06221/581980, Fax: 06221/584947, E-Mail:[email protected])

7. bis 8. 10. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Archivische Erschließungim internationalen Verbund (ASK31)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

11. 10. 2002:Tauberbischofsheim

13. Tag der HeimatforschungThema: Vom Kranken zum Patien-ten – lokalgeschichtliche Aspekteder medizinischen Vergesellschaf-tung um 1800 (Landratsamt, GroßerSaal)

14. bis 16. 10. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule Marburg

Thema: Schäden an Archivguterkennen, begrenzen und behandeln(ASK 22)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

14. bis 16. 10. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgThema: EDV im Archiv. Neue Ent-wicklungen und ihr Nutzen fürArchive (ASK 61)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

17. 10. bis15. 11. 2002:Koblenz

Drei miteinander kombinierte Aus-stellungen der Konrad-Adenauer-Stiftung „Der erste Kanzler“, „Kon-rad Adenauer im Porträt“ und„Adenauer mit Augenzwinkern“(Bundesarchiv)

18. 10. bis22. 11. 2002:Sigmaringen

Ausstellung des Staatsarchivs Sig-maringen „Politische Plakate undKarikaturen aus der französischenBesatzungszeit und den Anfängendes Südweststaats 1945–1952“

19. 10. 2002:Mosbach

Kolloquium im Rahmen der Hei-mattage Baden-WürttembergThema: Archive und Ortsgeschichts-forschung. Fragen und Antworten

21. bis 22. 10. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Archivierung digitalerUnterlagen (SIK 52)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

4. bis 6. 11. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Das Internet in der Öffent-lichkeitsarbeit der Archive (SIK 61)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

7. bis 8. 11. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Normung und Qualitätssi-cherung im Bereich der Schriftgut-verwaltung (SIK 53)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

11. bis 13. 11. 2002:Bordesholm

Fortbildungsveranstaltung des Ver-bandes Schleswig-HolsteinischerKommunalarchivarinnen und-archivare e. V.Thema: Erschließung von Informa-tionsgut(Verwaltungsakademie, Heintzestr. 13, 24582Bordesholm, B. Schneider, Tel.: 04322/693505,Fax: 04322/693–531, E-Mail: [email protected], www.vab-sh.de)

11. bis 15. 11. 2002:Hagen

Grundseminar des Vereins Fortbil-dung Medienarchivare /-dokumen-tare (VFM)

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Gesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften für das staatlicheArchivwesen und zur Archivpflege in der Bundesrepublik Deutschland

Zusammengestellt mit Unterstützung der Landesarchivverwaltungen von Peter Dohms und Anette Gebauer-Ber-linghof

Vorbemerkungen: Diese Übersicht berücksichtigt die vom 1. Januar bis 30. Juni 2001 erlassenen gesetzlichenBestimmungen und Verwaltungsvorschriften und setzt damit die Zusammenstellung von Heft 4/2001 (S. 384–389) fort.Soweit Texte oder Textstellen in vollem Wortlaut wiedergegeben sind, wurden sie in Petit gesetzt. Erläuterungen oderZusätze der Bearbeiter sind kursiv gebracht.

Übersicht: 1. Bund, 2. Bayern, 3. Mecklenburg-Vorpommern, 4. Thüringen

1. Bund1. Verordnung des Europäischen Parlaments und des

Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumen-ten des Europäischen Parlaments, des Rates und derKommission vom 30. Mai 2001 ((EG) Nr. 1049/2001).Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2001, S. L145/43 – L 145/48.

Das europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union– gestützt auf den Vertrag zur Gründung der EuropäischenGemeinschaft, insbesondere auf Artikel 255 Absatz 2,auf Vorschlag der Kommission1,gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags2,in Erwägung nachstehender Gründe:

1 ABl. C 177 E vom 27. 6. 2000, S. 70.2 2 Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 3. Mai 2001 (noch

nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 28. Mai2001.

(1) In Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die EuropäischeUnion, wonach der Vertrag eine neue Stufe bei der Verwirk-lichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar-stellt, in der die Entscheidungen möglichst offen und mög-lichst bürgernah getroffen werden, ist das Prinzip der Trans-parenz verankert.

(2) Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürgeram Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größereLegitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltunggegenüber dem Bürger in einem demokratischen System.Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demo-kratie und der Achtung der Grundrechte bei, die in Artikel 6des EU-Vertrags und in der Charta der Grundrechte derEuropäischen Union verankert sind.

(3) In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Bir-mingham, Edinburgh und Kopenhagen wurde die Notwen-digkeit betont, die Arbeit der Organe der Union transparen-ter zu machen. Diese Verordnung konsolidiert die Initiati-ven, die die Organe bereits ergriffen haben, um die Transpa-renz des Entscheidungsprozesses zu verbessern.

(4) Diese Verordnung soll dem Recht auf Zugang der Öffent-lichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirksamkeit ver-

Thema: Instrumente der inhaltli-chen Erschließung / Datenstruktu-rierung Teil I(Anmeldung: Dt. Institut für publizistische Bil-dungsarbeit, Journalistenzentrum Haus Busch,58099 Hagen, Tel. (02331) 365–600, Fax: (02331)365–699, Internet: www.vfm-online.de)

11. bis 15. 11. 2002:Marburg

Fortbildungsveranstaltung der Ar-chivschule MarburgThema: Aufgaben und Betrieb klei-ner und mittlerer Archive (GK 3)(Anmeldung: Tel.: 06421/16971–12, E-mail:[email protected])

11. bis 15. 11. 2002:Münster

Fortbildungsveranstaltung desLandschaftsverbands Westfalen-Lippe – Westfälisches Archivamt inMünster und des RheinischenArchiv- und Museumsamts AbteiBrauweiler in PulheimThema: Einführungskurs: Aufbauund Betrieb kleinerer und mittlererArchive

15. bis 16. 11. 2002:Stuttgart

Tagung des Arbeitskreises für Lan-des- und Ortsgeschichte des Haupt-staatsarchivs StuttgartThema: Perspektiven und Lokalge-schichtsforschung

15. 11. 2002 bis31. 1. 2003:Bad Kissingen

Ausstellung des Stadtarchivs BadKissingen „Spielzeug und Bilderbü-cher aus Amerika und Asien.Schätze aus der Sammlung Schütze“(Altes Rathaus)

22. 11. 2002 bis12. 1. 2003:Aschaffenburg

Ausstellung des Stadt- und Stiftsar-chivs Aschaffenburg „Familienfor-schung in Aschaffenburg“

29. 11. 2002 bisMitte Januar 2003:Koblenz

Ausstellung der Staatsbibliothek zuBerlin „Ich möchte schreiben undschreiben. Margret Boveri – einedeutsche Journalistin (1900–1975)“(Bundesarchiv)

23. bis 24. 6. 2003:Schwerin

2. Norddeutscher Archivtag(Schloss)

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schaffen und gemäß Artikel 255 Absatz 2 des EG-Vertragsdie allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen dafürfestlegen.

(5) Da der Zugang zu Dokumenten im Vertrag über die Grün-dung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahlund im Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomge-meinschaft nicht geregelt ist, sollten sich das EuropäischeParlament, der Rat und die Kommission gemäß der Erklä-rung Nr. 41 zur Schlussakte des Vertrags von Amsterdam beiDokumenten im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die sichaus diesen beiden Verträgen ergeben, von dieser Verord-nung leiten lassen.

(6) Ein umfassenderer Zugang zu Dokumenten sollte in denFällen gewährt werden, in denen die Organe, auch im Rah-men übertragener Befugnisse, als Gesetzgeber tätig sind,wobei gleichzeitig die Wirksamkeit ihrer Entscheidungspro-zesse zu wahren ist. Derartige Dokumente sollten in größt-möglichem Umfang direkt zugänglich gemacht werden.

(7) Gemäß Artikel 28 Absatz 1 und Artikel 1 Absatz 1 des EU-Vertrags gilt das Zugangsrecht auch für Dokumente aus denBereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitiksowie der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit inStrafsachen. Jedes Organ sollte seine Sicherheitsbestimmun-gen beachten.

(8) Um die vollständige Anwendung dieser Verordnung aufalle Tätigkeiten der Union zu gewährleisten, sollten alle vonden Organen geschaffenen Einrichtungen die in dieser Ver-ordnung festgelegten Grundsätze anwenden.

(9) Bestimmte Dokumente sollten aufgrund ihres hochsensi-blen Inhalts einer besonderen Behandlung unterliegen.Regelungen zur Unterrichtung des Europäischen Parla-ments über den Inhalt derartiger Dokumente sollten durchinterinstitutionelle Vereinbarung getroffen werden.

(10) Um die Arbeit der Organe transparenter zu gestalten, solltendas Europäische Parlament, der Rat und die KommissionZugang nicht nur zu Dokumenten gewähren, die von denOrganen erstellt wurden, sondern auch zu Dokumenten, diebei ihnen eingegangen sind. In diesem Zusammenhang wirddaran erinnert, dass ein Mitgliedstaat gemäß der ErklärungNr. 35 zur Schlussakte des Vertrags von Amsterdam dieKommission oder den Rat ersuchen kann, ein aus dembetreffenden Mitgliedstaat stammendes Dokument nichtohne seine vorherige Zustimmung an Dritte weiterzuleiten.

(11) Grundsätzlich sollten alle Dokumente der Organe für dieÖffentlichkeit zugänglich sein. Der Schutz bestimmteröffentlicher und privater Interessen sollte jedoch durch Aus-nahmen gewährleistet werden. Es sollte den Organen gestat-tet werden, ihre internen Konsultationen und Beratungen zuschützen, wo dies zur Wahrung ihrer Fähigkeit, ihre Aufga-ben zu erfüllen, erforderlich ist. Bei der Beurteilung der Aus-nahmen sollten die Organe in allen Tätigkeitsbereichen derUnion die in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft ver-ankerten Grundsätze über den Schutz personenbezogenerDaten berücksichtigen.

(12) Alle Bestimmungen über den Zugang zu Dokumenten derOrgane sollten mit dieser Verordnung in Einklang stehen.

(13) Um die uneingeschränkte Wahrung des Rechts auf Zugangzu gewährleisten, sollte ein Verwaltungsverfahren in zweiPhasen zur Anwendung kommen, mit der zusätzlichenMöglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten oderBeschwerde beim Bürgerbeauftragten einzulegen.

(14) Jedes Organ sollte die notwendigen Maßnahmen ergreifen,um die Öffentlichkeit über die neuen geltenden Rechtsvor-schriften zu informieren und sein Personal entsprechendauszubilden und so die Bürger bei der Ausübung der ihnendurch diese Verordnung gewährten Rechte zu unterstützen.Um den Bürgern die Ausübung dieser Rechte zu erleichtern,sollte jedes Organ ein Dokumentenregister zugänglichmachen.

(15) Diese Verordnung zielt weder auf eine Änderung des Rechtsder Mitgliedstaaten über den Zugang zu Dokumenten ab,noch bewirkt sie eine solche Änderung; es versteht sichjedoch von selbst, dass die Mitgliedstaaten aufgrund desPrinzips der loyalen Zusammenarbeit, das für die Beziehun-gen zwischen den Organen und den Mitgliedstaaten gilt,dafür sorgen sollten, dass sie die ordnungsgemäße Anwen-dung dieser Verordnung nicht beeinträchtigen, und dass siedie Sicherheitsbestimmungen der Organe beachten sollten.

(16) Bestehende Rechte der Mitgliedstaaten sowie der Justiz-oder Ermittlungsbehörden auf Zugang zu Dokumentenwerden von dieser Verordnung nicht berührt.

(17) Gemäß Artikel 255 Absatz 3 des EG-Vertrags legt jedesOrgan in seiner Geschäftsordnung Sonderbestimmungenhinsichtlich des Zugangs zu seinen Dokumenten fest. DerBeschluss 93/731/EG des Rates vom 20. Dezember 1993über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Ratsdokumen-ten3, der Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommis-sion vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlich-keit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten4,der Beschluss 97/632/EG, EGKS, Euratom des Europäi-schen Parlaments vom 10. Juli 1997 über den Zugang derÖffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parla-ments5 sowie die Bestimmungen über die vertraulicheBehandlung von Schengen-Dokumenten sollten daher nöti-genfalls geändert oder aufgehoben werden –

haben folgende Verordnung erlassen:

Artikel 1Zweck

Zweck dieser Verordnung ist es:a) die Grundsätze und Bedingungen sowie die aufgrund öffentli-

cher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen fürdie Ausübung des in Artikel 255 des EG-Vertrags niedergeleg-ten Rechts auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Par-laments, des Rates und der Kommission (nachstehend„Organe“ genannt) so festzulegen, dass ein größtmöglicherZugang zu Dokumenten gewährleistet ist,

b) Regeln zur Sicherstellung einer möglichst einfachen Aus-übung dieses Rechts aufzustellen, und

c) eine gute Verwaltungspraxis im Hinblick auf den Zugang zuDokumenten zu fördern.

Artikel 2Zugangsberechtigte und Anwendungsbereich

(1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Per-son mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbe-haltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze,Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zuDokumenten der Organe.

(2) Die Organe können vorbehaltlich der gleichen Grundsätze,Bedingungen und Einschränkungen allen natürlichen oderjuristischen Personen, die keinen Wohnsitz oder Sitz in einemMitgliedstaat haben, Zugang zu Dokumenten gewähren.

(3) Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, dasheißt, Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, dievon dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sindund sich in seinem Besitz befinden.

(4) Unbeschadet der Artikel 4 und 9 werden Dokumente derÖffentlichkeit entweder auf schriftlichen Antrag oder direkt inelektronischer Form oder über ein Register zugänglichgemacht. Insbesondere werden Dokumente, die im Rahmen

3 ABl. L 340 vom 31. 12. 1993, S. 3. Beschluss zuletzt geändert durch denBeschluss 2000/527/EG (ABl. L 212 vom 23. 8. 2000, S. 9).

4 ABl. L 46 vom 18. 2. 1994, S. 58. Beschluss geändert durch den Beschluss96/567/EG, EGKS, Euratom (ABl. L 247 vom 28. 9. 1996, S. 45).

5 ABl. L 263 vom 25. 9. 1997, S. 27.

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eines Gesetzgebungsverfahrens erstellt wurden oder einge-gangen sind, gemäß Artikel direkt zugänglich gemacht.

(5) Sensible Dokumente im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 unterlie-gen der besonderen Behandlung gemäß jenem Artikel.

(6) Diese Verordnung berührt nicht das etwaige Recht auf Zugangder Öffentlichkeit zu Dokumenten im Besitz der Organe, dassich aus internationalen Übereinkünften oder aus Rechtsaktender Organe zu deren Durchführung ergibt.

Artikel 3Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:

a) „Dokument": Inhalte unabhängig von der Form des Datenträ-gers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oderaudiovisuelles Material), die einen Sachverhalt im Zusammen-hang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen ausdem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen:

b) „Dritte": alle natürlichen und juristischen Personen und Ein-richtungen außerhalb des betreffenden Organs, einschließlichder Mitgliedstaaten, der anderen Gemeinschafts- oder Nicht-Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen und der Drittländer.

Artikel 4Ausnahmeregelung

(1) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument,durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

a) der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf:

– die öffentliche Sicherheit,

– die Verteidigung und militärische Belange,

– die internationalen Beziehungen,

– die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik derGemeinschaft oder eines Mitgliedstaats;

b) der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzel-nen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften derGemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten.

(2) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument,durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

– der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichenoder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigen-tums,

– der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung,

– der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs-und Audittätigkeiten,

es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interessean der Verbreitung.

(3) Der Zugang zu einem Dokument. das von einem Organ fürden internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegan-gen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der dasOrgan noch keinen Beschluss gefasst hat, wird verweigert,wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungs-prozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es seidenn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse ander Verbreitung.

Der Zugang zu einem Dokument mit Stellungnahmen zuminternen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorge-sprächen innerhalb des betreffenden Organs wird auch dann,wenn der Beschluss gefasst worden ist, verweigert, wenn dieVerbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess desOrgans ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es bestehtein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

(4) Bezüglich Dokumente Dritter konsultiert das Organ diese, umzu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen der Absätze 1oder 2 anwendbar ist, es sei denn, es ist klar, dass das Doku-ment verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werdendarf.

(5) Ein Mitgliedstaat kann das Organ ersuchen, ein aus diesemMitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorhe-rige Zustimmung zu verbreiten.

(6) Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Aus-nahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokumentsfreigegeben.

(7) Die Ausnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 3 gelten nur für denZeitraum, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Doku-ments gerechtfertigt ist. Die Ausnahmen gelten höchstens füreinen Zeitraum von 30 Jahren. Im Falle von Dokumenten, dieunter die Ausnahmeregelungen bezüglich der Privatsphäreoder der geschäftlichen Interessen fallen, und im Falle von sen-siblen Dokumenten können die Ausnahmen erforderlichen-falls nach Ablauf dieses Zeitraums weiter Anwendung finden.

Artikel 5Dokumente in den Mitgliedstaaten

Geht einem Mitgliedstaat ein Antrag auf ein in seinem Besitzbefindliches Dokument zu, das von einem Organ stammt, so kon-sultiert der Mitgliedstaat – es sei denn, es ist klar, dass das Doku-ment verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf –das betreffende Organ, um eine Entscheidung zu treffen, die dieVerwirklichung der Ziele dieser Verordnung nicht beeinträchtigt.

Der Mitgliedstaat kann den Antrag stattdessen an das Organ wei-terleiten.

Artikel 6Anträge

(1) Anträge auf Zugang zu einem Dokument sind in schriftlicher,einschließlich elektronischer Form in einer der in Artikel 314des EG-Vertrags aufgeführten Sprachen zu stellen und müssenso präzise formuliert sein, dass das Organ das betreffendeDokument ermitteln kann. Der Antragsteller ist nicht ver-pflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben.

(2) Ist ein Antrag nicht hinreichend präzise, fordert das Organ denAntragsteller auf, den Antrag zu präzisieren, und leistet ihmdabei Hilfe, beispielsweise durch Informationen über die Nut-zung der öffentlichen Dokumentenregister.

(3) Betrifft ein Antrag ein sehr umfangreiches Dokument odereine sehr große Zahl von Dokumenten, so kann sich das Organmit dem Antragsteller informell beraten, um eine angemes-sene Lösung zu finden.

(4) Die Organe informieren die Bürger darüber, wie und woAnträge auf Zugang zu Dokumenten gestellt werden können,und leisten ihnen dabei Hilfe.

Artikel 7Behandlung von Erstanträgen

(1) Ein Antrag auf Zugang zu einem Dokument wird unverzüg-lich bearbeitet. Dem Antragsteller wird eine Empfangsbeschei-nigung zugesandt. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Regis-trierung des Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zudem angeforderten Dokument und macht es innerhalb diesesZeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder informiert denAntragsteller schriftlich über die Gründe für die vollständigeoder teilweise Ablehnung und über dessen Recht, gemäßAbsatz 2 dieses Artikels einen Zweitantrag zu stellen.

(2) Im Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung kannder Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingangdes Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an dasOrgan richten und es um eine Überprüfung seines Stand-punkts ersuchen.

(3) In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag aufZugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zueiner sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert wer-den, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eineausführliche Begründung erhält.

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(4) Antwortet das Organ nicht innerhalb der vorgeschriebenenFrist, so hat der Antragsteller das Recht, einen Zweitantrageinzureichen.

Artikel 8Behandlung von Zweitanträgen

(1) Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünf-zehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antragsgewährt das Organ entweder Zugang zu dem angefordertenDokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäßArtikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für dievollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert dasOrgan den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtetes den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt,Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegeneiner Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe derArtikel 230 bzw. 195 des EG-Vertrags.

(2) In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag aufZugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zueiner sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert wer-den, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eineausführliche Begründung erhält.

(3) Antwortet das Organ nicht innerhalb der vorgeschriebenenFrist, gilt dies als abschlägiger Bescheid und berechtigt denAntragsteller, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmun-gen des EG-Vertrags Klage gegen das Organ zu erheben und/oder Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einzulegen.

Artikel 9Behandlung sensibler Dokumente

(1) Sensible Dokumente sind Dokumente, die von den Organen,den von diesen geschaffenen Einrichtungen, von den Mitglied-staaten, Drittländern oder internationalen Organisationenstammen und gemäß den Bestimmungen der betreffendenOrgane zum Schutz grundlegender Interessen der Europäi-schen Union oder eines oder mehrerer Mitgliedstaaten in denin Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a) genannten Bereichen, insbe-sondere öffentliche Sicherheit, Verteidigung und militärischeBelange, als „TRÈS SECRET/TOP SECRET“, „SECRET“ oder„CONFIDENTIEL“ eingestuft sind.

(2) Anträge auf Zugang zu sensiblen Dokumenten im Rahmen derVerfahren der Artikel 7 und 8 werden ausschließlich von Per-sonen bearbeitet, die berechtigt sind, Einblick in diese Doku-mente zu nehmen. Unbeschadet des Artikels 11 Absatz 2 ent-scheiden diese Personen außerdem darüber, welche Hinweiseauf sensible Dokumente in das öffentliche Register aufgenom-men werden können.

(3) Sensible Dokumente werden nur mit Zustimmung des Urhe-bers im Register aufgeführt oder freigegeben.

(4) Die Entscheidung eines Organs über die Verweigerung desZugangs zu einem sensiblen Dokument ist so zu begründen,dass die durch Artikel 4 geschützten Interessen nicht beein-trächtigt werden.

(5) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um zugewährleisten, dass bei der Bearbeitung von Anträgen aufZugang zu sensiblen Dokumenten die in diesem Artikel und inArtikel 4 vorgesehenen Grundsätze beachtet werden.

(6) Die Bestimmungen der Organe über sensible Dokumente wer-den öffentlich gemacht.

(7) Die Kommission und der Rat unterrichten das EuropäischeParlament hinsichtlich sensibler Dokumente gemäß den zwi-schen den Organen vereinbarten Regelungen.

Artikel 10Zugang im Anschluss an einen Antrag

(1) Der Zugang zu den Dokumenten erfolgt je nach Wunsch desAntragstellers entweder durch Einsichtnahme vor Ort oderdurch Bereitstellung einer Kopie, gegebenenfalls in elektroni-

scher Form. Die Kosten für die Anfertigung und Übersendungvon Kopien können dem Antragsteller in Rechnung gestelltwerden. Diese Kosten dürfen die tatsächlichen Kosten für dieAnfertigung und Übersendung der Kopien nicht überschrei-ten. Die Einsichtnahme vor Ort, Kopien von weniger als 20DIN-A4–Seiten und der direkte Zugang in elektronischerForm oder über das Register sind kostenlos.

(2) Ist ein Dokument bereits von dem betreffenden Organ freige-geben worden und für den Antragsteller problemlos zugäng-lich, kann das Organ seiner Verpflichtung zur Gewährung desZugangs zu Dokumenten nachkommen, indem es den Antrag-steller darüber informiert, wie er das angeforderte Dokumenterhalten kann.

(3) Die Dokumente werden in einer vorliegenden Fassung undForm (einschließlich einer elektronischen oder anderen Form,beispielsweise Braille-Schrift, Großdruck oder Bandauf-nahme) zur Verfügung gestellt, wobei die Wünsche desAntragstellers vollständig berücksichtigt werden.

Artikel 11Register

(1) Im Hinblick auf die wirksame Ausübung der Rechte aus dieserVerordnung durch die Bürger macht jedes Organ ein Doku-mentenregister öffentlich zugänglich. Der Zugang zum Regis-ter sollte in elektronischer Form gewährt werden. Hinweiseauf Dokumente werden unverzüglich in das Register aufge-nommen.

(2) Das Register enthält für jedes Dokument eine Bezugsnummer(gegebenenfalls einschließlich der interinstitutionellenBezugsnummer), den Gegenstand und/oder eine kurzeBeschreibung des Inhalts des Dokuments sowie das Datumdes Eingangs oder der Erstellung und der Aufnahme in dasRegister. Die Hinweise sind so abzufassen, dass der Schutz derin Artikel 4 aufgeführten Interessen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Organe ergreifen unverzüglich die erforderlichen Maß-nahmen zur Einrichtung eines Registers, das spätestens zum3. Juni 2002 funktionsfähig ist.

Artikel 12Direkter Zugang in elektronischer Form oder über ein Register

(1) Die Organe machen, soweit möglich, die Dokumente direkt inelektronischer Form oder über ein Register gemäß den Bestim-mungen des betreffenden Organs öffentlich zugänglich.

(2) Insbesondere legislative Dokumente, d. h. Dokumente, die imLaufe der Verfahren zur Annahme von Rechtsakten, die in denoder für die Mitgliedstaaten rechtlich bindend sind, erstelltwurden oder eingegangen sind, sollten vorbehaltlich der Arti-kel 4 und 9 direkt zugänglich gemacht werden.

(3) Andere Dokumente, insbesondere Dokumente in Verbindungmit der Entwicklung von Politiken oder Strategien, solltensoweit möglich direkt zugänglich gemacht werden.

(4) Wird der direkte Zugang nicht über das Register gewährt, wirdim Register möglichst genau angegeben, wo das Dokumentaufzufinden ist.

Artikel 13Veröffentlichung von Dokumenten im Amtsblatt

(1) Neben den Rechtsakten, auf die in Artikel 254 Absätze 1 und 2des EG-Vertrags und Artikel 163 Absatz 1 des Euratom-Ver-trags Bezug genommen wird, werden vorbehaltlich der Arti-kel 4 und 9 der vorliegenden Verordnung folgende Doku-mente im Amtsblatt veröffentlicht:

a) Vorschläge der Kommission;

b) Gemeinsame Standpunkte des Rates gemäß den in denArtikeln 251 und 252 des EG-Vertrags genannten Verfahrenund ihre Begründung sowie die Standpunkte des Europäi-schen Parlaments in diesen Verfahren;

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c) Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse im Sinne des Artikels 34Absatz 2 des EU-Vertrags;

d) vom Rat aufgrund des Artikels 34 Absatz 2 des EU-Vertragserstellte Übereinkommen;

e) zwischen den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 293 des EG-Vertrags unterzeichnete Übereinkommen;

f) von der Gemeinschaft oder gemäß Artikel 24 des EU-Ver-trags geschlossene internationale Übereinkünfte.

(2) Folgende Dokumente werden, soweit möglich, im Amtsblattveröffentlicht:

a) dem Rat von einem Mitgliedstaat gemäß Artikel 67Absatz 1 des EG-Vertrags oder Artikel 34 Absatz 2 des EU-Vertrags unterbreitete Initiativen;

b) Gemeinsame Standpunkte im Sinne des Artikels 34Absatz 2 des EU-Vertrags;

c) Richtlinien, die nicht unter Artikel 254 Absätze 1 und 2 desEG-Vertrags fallen, Entscheidungen, die nicht unter Arti-kel 254 Absatz 1 des EG-Vertrags fallen, sowie Empfehlun-gen und Stellungnahmen.

(3) Jedes Organ kann in seiner Geschäftsordnung festlegen, wel-che weiteren Dokumente im Amtsblatt veröffentlicht werden.

Artikel 14Information

(1) Jedes Organ ergreift die notwendigen Maßnahmen, um dieÖffentlichkeit über die Rechte zu informieren, die sie gemäßdieser Verordnung hat.

(2) Die Mitgliedstaaten arbeiten mit den Organen bei der Bereit-stellung von Informationen für die Bürger zusammen.

Artikel 15Verwaltungspraxis in den Organen

(1) Die Organe entwickeln eine gute Verwaltungspraxis, um dieAusübung des durch diese Verordnung gewährleistetenRechts auf Zugang zu Dokumenten zu erleichtern.

(2) Die Organe errichten einen interinstitutionellen Ausschuss,der bewährte Praktiken prüft, mögliche Konflikte behandeltund künftige Entwicklungen im Bereich des Zugangs derÖffentlichkeit zu Dokumenten erörtert.

Artikel 16Vervielfältigung von Dokumenten

Diese Verordnung gilt unbeschadet geltender Urheberrechtsvor-schriften, die das Recht Dritter auf Vervielfältigung oder Nutzungder freigegebenen Dokumente einschränken.

Artikel 17Berichte

(1) Jedes Organ legt jährlich einen Bericht über das Vorjahr vor, indem die Zahl der Fälle aufgeführt ist, in denen das Organ denZugang zu Dokumenten verweigert hat, sowie die Gründe fürdiese Verweigerungen und die Zahl der sensiblen Dokumente,die nicht in das Register aufgenommen wurden.

(2) Spätestens zum 31. Januar 2004 veröffentlicht die Kommissioneinen Bericht über die Anwendung der Grundsätze dieser Ver-ordnung und legt Empfehlungen vor, gegebenenfalls mit Vor-schlägen für die Überprüfung dieser Verordnung und für einAktionsprogramm für die von den Organen zu ergreifendenMaßnahmen.

Artikel 18Durchführungsmaßnahmen

(1) Jedes Organ passt seine Geschäftsordnung an die Bestimmun-gen dieser Verordnung an. Diese Anpassungen werden am3. Dezember 2001 wirksam.

(2) Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieser Verord-nung prüft die Kommission die Vereinbarkeit der Verordnung(EWG, Euratom) Nr. 354/83 des Rates vom 1. Februar 1983über die Freigabe der historischen Archive der EuropäischenWirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemein-schaft (1) mit dieser Verordnung, um zu gewährleisten, dassdie Dokumente so umfassend wie möglich aufbewahrt undarchiviert werden.

(3) Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieser Verord-nung prüft die Kommission die Vereinbarkeit der geltendenVorschriften über den Zugang zu Dokumenten mit dieser Ver-ordnung.

Artikel 19Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichungim Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.

Sie gilt ab dem 3. Dezember 2001.

2. Bayern

1. Archivierungsvereinbarung zwischen der Generaldi-rektion der Staatlichen Archive Bayerns und der Bayeri-schen Landesbrandversicherung AG vom 26. März2001. Unveröffentlicht.

3. Mecklenburg-Vorpommern

1. Erste Verordnung zur Änderung der Ausbildungs- undPrüfungsordnung gehobener Archivdienst vom9. Februar 2001. Gesetz- und Verordnungsblatt fürMecklenburg-Vorpommern Nr. 3/2001, S. 68.

Aufgrund des § 18 des Landesbeamtengesetzes in der Fassungder Bekanntmachung vom 12. Juli 1998 (GVOBl. M-V S. 708, 910)verordnet das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kulturim Einvernehmen mit dem Innenministerium:

Artikel 1Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung gehobener Archivdienstvom 11. März 1998 (GVOBl. M-V S. 401, 585) wird wie folgt geän-dert:

1. § 9 wird wie folgt geändert:

a) Satz 1 wird wie folgt neu gefasst:

„Der Vorbereitungsdienst umfasst Fachstudien von ein-undzwanzig Monaten und berufspraktische Studienzeitenvon fünfzehn Monaten Dauer.“

b) Satz 4 wird wie folgt geändert:

aa) In Nummer 1 wird die Angabe „acht Monate“ durch dieAngabe „neun Monate“ ersetzt.

bb) In Nummer 2 wird die Angabe „vier Monate mit sechs-hundert Stunden“ durch die Angabe „drei Monate mitvierhundertfünfzig Stunden“ ersetzt.

2. In § 11 Abs. 2 Satz 1 werden nach dem Wort „Ende“ die Wörter„eines jeden“ eingefügt.

3. § 12 wird wie folgt neu gefasst;

„Beurteilung der Leistungen

(1) Die während der Ausbildung und in den Prüfungenerbrachten Leistungen sind mit folgenden Punktzahlenund den sich daraus ergebenden Noten zu bewerten:

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189Der Archivar, Jg. 55, 2002, H. 2

15 bis 14 Punkte = sehr gut (1) = eine Leistung, die denAnforderungen inbesonderem Maß ent-spricht;

13 bis 11 Punkte = gut (2) = eine Leistung, die denAnforderungen voll ent-spricht;

10 bis 8 Punkte = befriedigend (3) = eine Leistung, die im All-gemeinen den Anforde-rungen entspricht;

7 bis 5 Punkte = ausreichend (4) = eine Leistung, die zwarMängel aufweist, aberim Ganzen den Anforde-rungen noch entspricht;

4 bis 2 Punkte = mangelhaft (5) = eine Leistung, die denAnforderungen nichtentspricht, jedoch erken-nen lässt, dass die not-wendigen Grundkennt-nisse vorhanden sindund die Mängel in abseh-barer Zeit behoben wer-den können;

1 bis 0 Punkte = ungenügend (6) = eine Leistung, die denAnforderungen nichtentspricht und bei derselbst die Grundkennt-nisse so lückenhaft sind,

dass die Mängel inabsehbarer Zeit nichtbehoben werden kön-nen.

(2) Durchschnitts-, Gesamt- und Endpunktzahlen sind jeweilsauf zwei Dezimalstellen zu berechnen. Die dritte Dezimal-stelle bleibt unberücksichtigt. Für die Bestimmung derNoten ist die volle Punktzahl maßgebend. Es wird nichtaufgerundet.“

4. § 23 Abs. 2 wird wie folgt geändert:a) Nummer 1 wird aufgehoben.b) In Nummer 2 wird die Angabe „10 %“ durch die Angabe

„20 %“ ersetzt.c) Die bisherigen Nummern 2 bis 5 werden die Nummern 1

bis 4.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.

4. Thüringen

1. Richtlinie des Innenministeriums über die Aufbewah-rung von Akten und sonstigem Schriftgut in der Ver-waltung des Freistaats Thüringen vom 25. Mai 2001.Thüringer Staatsanzeiger, Nr. 27/2001, S. 1492.