zusammenhang zwischen dipolmoment und kohaesionskraeften. v

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ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DIPOLMOMENT UND KOHAESIONSKRAEFTEN. V. VON A. E. VAN ARKEL UND J. L. SNOEK. 1. Einleitung. In einer friiheren Arbeit ’) wurde aus den relativen Lagen der Siedepunkte abgeleitet, dass man die Dipolmomente der Verbin- dungen, die entstehen. wenn man in Benzol oder Naphthalin eine oder mehrere CH-Gruppen durch N ersetzt, in erster Annaherung durch vektorielle Addition der Gruppenmomente berechnen kann. Der Einfiuss der ,,Spreizung” benachbarter Dipolmomente auf das G.samtmoment wurde damals noch nicht berucksichtigt ; die Winkel, welche die verschiedenen Substituenten initeinander einschliessen, wurden dem einfachen geometrischen Model1 entnommen. Das Partialmoment der N-Atome wurde dem Moment des Pyridin- molekiils 2,1.10-’8 gleichgestellt. Den ubrigen Gruppen (CI, NO,, NH,) ware das gleiche Moment wie in den ubereinstimmenden Benzolderivaten zuzuschreiben. Es wird z.B fur das Pyrazin (p-Diazin). bei dem die beiden Momente der N-Gruppen einander gerade auf- heben, das Moment null erwartet. Der experimentelle Beweis zu den obenstehenden Behauptungen wird in dieser Abhandlung gegeben. Wir haben dazu die Dipol- momente von sieben Diazinderivaten gemessen. Eine moglichst genaue Feststellung des Momentbetrages wurde nur da erstrebt, wo dies im Gang der Beweisfuhrung notig erschien (z.B. bei dem 2.5 und 2.6 Dimethylpyrazin). 2. Resultate. Die experimentell ‘uestimmten Momente nebst den berechneten Werten sind in Tabelle I wiedergegeben. Fur nahere Zahlen und experimentelle Einzelheiten sei auf eine bald erscheinende Arbeit 2, verwiesen. Zu den obigen Messungen sei folgendes bemerkt. Das Dipol- moment vom Pyrazin konnte nur aus dem Wert der D.K. abgeschatzt werden, weil nur eine geringe Menge vorhanden und das Praparat uberdies nicht vollig rein war. Die beiden Dimethylpyrazine wurden ’) A. E. van Arkel. Rec. trav. chim. 52, 733 (1933). z, Physik. Z. 1934.

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Page 1: Zusammenhang zwischen Dipolmoment und Kohaesionskraeften. V

ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DIPOLMOMENT UND KOHAESIONSKRAEFTEN. V.

VON

A. E. VAN ARKEL UND J. L. SNOEK.

1. Einleitung. In einer friiheren Arbeit ’) wurde aus den relativen Lagen der

Siedepunkte abgeleitet, dass man die Dipolmomente der Verbin- dungen, die entstehen. wenn man in Benzol oder Naphthalin eine oder mehrere CH-Gruppen durch N ersetzt, in erster Annaherung durch vektorielle Addition der Gruppenmomente berechnen kann. Der Einfiuss der ,,Spreizung” benachbarter Dipolmomente auf das G.samtmoment wurde damals noch nicht berucksichtigt ; die Winkel, welche die verschiedenen Substituenten initeinander einschliessen, wurden dem einfachen geometrischen Model1 entnommen.

Das Partialmoment der N-Atome wurde dem Moment des Pyridin- molekiils 2,1.10-’8 gleichgestellt. Den ubrigen Gruppen (CI, NO,, NH,) ware das gleiche Moment wie in den ubereinstimmenden Benzolderivaten zuzuschreiben. Es wird z.B fur das Pyrazin (p-Diazin). bei dem die beiden Momente der N-Gruppen einander gerade auf- heben, das Moment null erwartet.

Der experimentelle Beweis zu den obenstehenden Behauptungen wird in dieser Abhandlung gegeben. W i r haben dazu die Dipol- momente von sieben Diazinderivaten gemessen. Eine moglichst genaue Feststellung des Momentbetrages wurde nur da erstrebt, wo dies im Gang der Beweisfuhrung notig erschien (z.B. bei dem 2.5 und 2.6 Dimethylpyrazin).

2. Resultate. Die experimentell ‘uestimmten Momente nebst den berechneten

Werten sind in Tabelle I wiedergegeben. Fur nahere Zahlen und experimentelle Einzelheiten sei auf eine bald erscheinende Arbeit 2,

verwiesen. Zu den obigen Messungen sei folgendes bemerkt. Das Dipol-

moment vom Pyrazin konnte nur aus dem W e r t der D.K. abgeschatzt werden, weil nur eine geringe Menge vorhanden und das Praparat uberdies nicht vollig rein war. Die beiden Dimethylpyrazine wurden

’) A. E. van Arkel. Rec. trav. chim. 52, 733 (1933). z, Physik. Z . 1934.

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T a b e l l e I.

~

Pyrazin

2.5 Dimethylpyrazin

2.6 Dimethylpyrazin

Tetramethylpyrazin

2.3 Dimethyl- chinoxalin

2.3 Dichlor- chinoxalin

2 Methylchinazolin

2.5 Methyl 1.4 diazin

2.6 Methyl 1.4 diazin

2.3 Dimethyl 1.4 Napht. diazin

2.3 Dichlor 1.4 Napht. diazin

2 Methyl 1.3 Napht. diazin

:1

0

0.5:

: 0.41

0.3

3.2

2.2

0

0

0.5

0

0.8

2.8

1.6

- L 10’8 3er . I1

0

- __

0

0.5

0

0

3.6

2.4

dagegen in grosster Reinheit und auch in grosseren Mengen erhalten. Die Dipolfreiheit des 2.5-Derivates wurde einwandfrei bewiesen aus dem niedrigen Wert der D.K. und aus dem Temperaturgang der Polarisation, welche positiv und von derselben Grossenordnung war wie beim Benzol. Anschliessend konnte das Dipolmoment des 2.6-

d P Derivatives mit grosster Genauigkeit aus der Differenz der - Werte der beiden Substanzen erhalten werden. d T

Die ubrigen Substanzen wurden in einer Benzollosung untersucht, wahrend die optische Polarisation aus anderweitigen Daten abge- schatzt wurde. Die Daten sind also nicht sehr genau. Beim Tetra- Derivat lagen Anzeichen einer Hydratbildung vor. In Wirklichkeit wird das Moment wohl null sein.

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Es ware sehr erwunscht, die Dipolmessungen in dieser Gruppe noch weiter zu verfolgen, auch weil, wie wir unten sehen werden, Siedepunktsdaten und Dipolmessungen oft mit Erfolg zur Struktur- bestimmung benutzt werden konnen.

3. Diskussion. Die oben angegebene Berechnung der Dipolmomente ist fur die

Naphthalinderivate gewiss nicht yanz richtig, denn es ist klar, dass man auf diese Weise fur das 1.4-Dimethyl oder 1.4-Dichlornaphthalin ein Moment gleich null findet, obwohl die noch bestehende Asym- metrie des Molekuls ein wahrscheinlich kleineres Moment erwarten 1asst.

Urn die Grosse dieses Moments abschatzen zu konnen, fassen wir das 1.4-Dimethyl-naphthalin auf als ein 1.2.3.4-Tetra-alkyl-benzol. W i r wissen aus anderen Erfahrungen, dass eine Kohlenwasserstoff- gruppe, in Benzol substituiert, ein Dipolmoment von der Grossen- ordnung --0.5.10 - 1 8 verursacht, und zwar ziemlich unabhangig von der Art der Kohlenwasserstoffgruppen. Dass sich hier die beiden 2.3 stehenden Gruppen wieder zu einem Benzolring zusammenschliessen, wird nicht vie1 ausmachen. Es ist also fur 1.4-Dimethyl-naphthalin ein MVloment zu erwarten wie bei einem 1.2.3.4-Alkylbenzol. also pCH3 1 ~ 7 = --0.86.

In dieser Weise wurde fruher schon erklart '1, waruni die 2- Halogen- oder Nitronaphthaline einen hoheren Siedepunkt aufweisen als die l-Derivate, dagegen die 2-Alkyl-, Hydroxyl- und Amino- naphthaline einen niedrigeren Siedepunkt als die entsprechenden l-Derivate haben.

Unter ber. I1 sind die so berechneten Momente angegeben. Die Uebereinstimmung ist tatsachlich besser als bei der erstgenann ten Berechnungsweise. Vorlaufig Iasst sich also sagen, dass die Dipol- messungen vorzuglich mit den Schlussfolgerungen aus den Siede- punkten in Uebereinstimmung sind.

4. Bereitiing. Mit Ausnahme des 2.6-Dimethylpyrazins, eines bis jetzt nicht

beschriebenen Korpers, sind alle Verbindungen nach Vorschriften aus der Literatur dargestellt. Das 2.6-Dimethylpyrazin wurde aus einen Pyrazingemisch isoliert, das nach Stoehr 3, entsteht, wenn man Glyzerin mit Ammoniumsalzen distilliert. Stoehr glaubte, dass die zwischen 154' und 155' siedende Fraktion dieses Gemisches reines 2.5-Dimethylpyrazin war. Der Erstarrungspunkt dieser Verbindung liegt aber weit unter demjenigen des 2.5-Dimethylpyrazins, das man leicht sehr rein durch Reduktion von Isonitroaceton erhalt.

Pope und Read4) haben schon darauf hingewiesen, dass das Stoehcsche Dimethylpyrazin wahrscheinlich ein Gemisch von 2.5-

e, A. E. van Arkel, diese Zeitschrift 52, 740 (1933). Ber. 24. 4105 (1891). 4 , J. Chem. SOC. 101, 2325 (1912).

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und 2.6-Derivat war, auf Grund von Hydrierungsversuchen, die Gemische von Dimethylpiperidinen lieferten. Andererseits geht aus den genannten Arbeiten hervor, dass die von Stoehr erhaltene Substanz nur Dimethylpyrazine enthalt.

Aus der Entstehungsweise ist das Vorhandensein des 2.3-Di- methylpyrazins in diesem Gemisch weniger wahrscheinlich. Ohne Spaltung der Kohlenstoffkette konnen aus Glyzerin durch Konden- sation mit Ammoniak nur 2.5- und 2.6-Dimethylpyrazin oder isomere Methyl-aethyl-pyrazole oder Aethylpyrimidin entstehen, die aber ganz andere Eigenschaften haben (z.I$. vie1 hohere Siedepunkte). Die 2.3-Verbindung kann also wahrscheinlich wohl ausgeschlossen werden.

Durch Ausfrieren des Gemisches und wiederholte fraktionierte Destillation gelang schliesslich die Abscheidung einer bei 39' schmel- zenden Verbindung, die den Siedepunkt 155.6' zeig te, also rund 1 O hoher als die reinen, aus Isonitrosoaceton erhaltenen 2.5-Dimethyl- pyrazine. Dieser Unterschied weist daraut hin, dass wir es mitdem 2.6-Derivat zu tun haben. denn der Unterschied in den Siedepunkten der drei Dimethylpyrazine riihrt nur von dem Unterschied der Partialmomente her, also genau wie bei den Xylolen. D a aber auch die Molvolumina der Xylole sehr wenig von denen der Dimethyl- pyrazin,e abweichen, wird auch die Differenz der Siedepunkte bei beiden Gruppen ungefahr gleich sein. p- und m-Xylol zeigen eben- falls einen Siedepunktsunterschied von 1'. Fur den Siedepunkt der 2.3 Verbindung ware 158' zu erwarten.

Die Dipolmessungen geben weitere Auskunft. Fur das 2.3 Derivat ware zu erwarten ,u = 1/,3-pcH~ = 0.87. fur das 2.6 Derivat aber p = p C H 3 = 0.50. Gefunden wird p = 0.53. Damit ist wohl sicher- gestellt, dass die neue Verbindung das 2.6-Dimethylpyrazin ist. W i r geben hier noch die Daten fur die zwei Dimethylpyrazine.

T a b e l l e 11.

Stellung. , d: ___- ~~

2.5 1 0.9887 2 6 0.9647

t -- ~

200 50°

Sd .

154.5 155.6

1 10'8

39O 150 I 173'--175' 1540 ' 0.53 O

Ei n d h o v e n , Natuurkundig Laboratorium der N. V. Philips' Gloeilampenfabrieken, 27. Oktober 1933.

(Recu le 20 novembre 1933).