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Was können wir vom Diabetes mellitus für die Osteoporose lernen? FA. Dr. Maya Thun, Wilhelminenspital Im Allgemeinen könnte man annehmen, dass sich diese zwei Erkrankungen, nämlich Osteoporose und Diabetes mellitus, grundlegend von einander unterscheiden, oder kaum etwas miteinander zu tun, beziehungsweise gemein haben. Aber durchleuchtet man beide Erkrankungen genauer, so entdeckt man einige Gemeinsamkeiten. Das erste, was geradezu ins Auge sticht, ist, dass beide Erkrankungen eine hohe Prävalenz in der österreichischen Bevölkerung aufweisen, sodass sowohl der Diabetes mellitus als auch die Osteoporose zu Recht den Titel Volkserkrankung tragen dürfen. Seit Beginn des neuen Jahrtausends sind beide Erkrankungen auf dem Vormarsch. Weltweit sind rund vier Prozent aller Menschen, in Österreich sogar mindestens sieben Prozent der Bevölkerung, vom Diabetes mellitus betroffen. Hochrechnungen zu Folge, wird sich die Anzahl der Diabetiker weltweit bis 2025 -im Vergleich zu 1995- verdoppeln. Genauso erschreckend ist die Situation auch bei der Osteoporose. Etwa 600.000 – 700.000 Menschen in Österreich leiden bereits an Osteoporose oder haben ein hohes Osteoporoserisiko, wobei zwei Drittel der Frauen über 80 Jahren davon betroffen sind und es werden täglich mehr. Laut Statistik Austria wird es im Jahre 2020 in Österreich mehr als 2,2 Millionen Menschen geben, die älter als 60 Jahre sind (siehe Tabelle 1) und bis 2035 wird diese Altersgruppe sogar f 2,7 bis 3 Millionen betreffen, was einem Bevölkerungsanteil von circa 33% entspräche. EU-weit wird sich der Anteil der über 60jährigen in den nächsten 50 Jahren verdoppeln, der Anteil der 85 jährigen verdreifachen, dadurch würde auch die Anzahl an Osteoporosepatienten deutlich ansteigen. Eine weitere Gemeinsamkeit des Diabetes mellitus und der Osteoporose ist die Tatsache, dass die Patienten am Beginn der jeweiligen Erkrankung keinen Leidensdruck verspüren, da weder ein erhöhter Blutzucker, noch eine verminderte Knochendichte per se schmerzen. Bis zur Diagnose und der damit verbundenen Therapie dieser Erkrankungen vergehen somit meist viele Jahre. Oft findet die Diagnose erst beim Auftreten von Komplikationen statt. (siehe Tabelle 2) In beiden Fälle wären daher eine frühzeitige Diagnosestellung von hoher Wichtigkeit, beziehungsweise die vorzeitige Identifizierung von Risikopatienten und

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Was können wir vom Diabetes mellitus für die Osteoporose lernen? FA. Dr. Maya Thun, Wilhelminenspital Im Allgemeinen könnte man annehmen, dass sich diese zwei Erkrankungen, nämlich Osteoporose und Diabetes mellitus, grundlegend von einander unterscheiden, oder kaum etwas miteinander zu tun, beziehungsweise gemein haben. Aber durchleuchtet man beide Erkrankungen genauer, so entdeckt man einige Gemeinsamkeiten. Das erste, was geradezu ins Auge sticht, ist, dass beide Erkrankungen eine hohe Prävalenz in der österreichischen Bevölkerung aufweisen, sodass sowohl der Diabetes mellitus als auch die Osteoporose zu Recht den Titel Volkserkrankung tragen dürfen. Seit Beginn des neuen Jahrtausends sind beide Erkrankungen auf dem Vormarsch. Weltweit sind rund vier Prozent aller Menschen, in Österreich sogar mindestens sieben Prozent der Bevölkerung, vom Diabetes mellitus betroffen. Hochrechnungen zu Folge, wird sich die Anzahl der Diabetiker weltweit bis 2025 -im Vergleich zu 1995- verdoppeln. Genauso erschreckend ist die Situation auch bei der Osteoporose. Etwa 600.000 – 700.000 Menschen in Österreich leiden bereits an Osteoporose oder haben ein hohes Osteoporoserisiko, wobei zwei Drittel der Frauen über 80 Jahren davon betroffen sind und es werden täglich mehr. Laut Statistik Austria wird es im Jahre 2020 in Österreich mehr als 2,2 Millionen Menschen geben, die älter als 60 Jahre sind (siehe Tabelle 1) und bis 2035 wird diese Altersgruppe sogar f 2,7 bis 3 Millionen betreffen, was einem Bevölkerungsanteil von circa 33% entspräche. EU-weit wird sich der Anteil der über 60jährigen in den nächsten 50 Jahren verdoppeln, der Anteil der 85 jährigen verdreifachen, dadurch würde auch die Anzahl an Osteoporosepatienten deutlich ansteigen. Eine weitere Gemeinsamkeit des Diabetes mellitus und der Osteoporose ist die Tatsache, dass die Patienten am Beginn der jeweiligen Erkrankung keinen Leidensdruck verspüren, da weder ein erhöhter Blutzucker, noch eine verminderte Knochendichte per se schmerzen. Bis zur Diagnose und der damit verbundenen Therapie dieser Erkrankungen vergehen somit meist viele Jahre. Oft findet die Diagnose erst beim Auftreten von Komplikationen statt. (siehe Tabelle 2) In beiden Fälle wären daher eine frühzeitige Diagnosestellung von hoher Wichtigkeit, beziehungsweise die vorzeitige Identifizierung von Risikopatienten und

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die rasche Initialisierung einer Primärprävention von enormer Bedeutung. Eine sinnvolle Möglichkeit einer Prävention wäre im Rahmen des Diabetes mellitus wie auch bei der Osteoporose eine Lebensstilintervention. Die Wirksamkeit solcher Interventionen sind im Falle des Diabetes mellitus durch eine Reihe von Studien belegt, dabei konnte gezeigt werden, dass durch körperliche Aktivität, verbunden mit einer Gewichtreduktion, die Inzidenz von Diabetes mellitus Typ II bei Hochrisikopatienten bis zu 60% verringert werden konnte (Eriksson und Lindgärde.1991; Pan et al. 1997; Knowler et al 2002; Simpson et al;2003) In der Malmö Feasibility Study (Eriksson et al., Diabetologia 2001) wurde die Umsetzbarkeit einer Lifestyle-Intervention bei 217 Männern mit gestörter Glukosetoleranz (IGT) untersucht und der Effekt von dietätischen Maßnahmen und körperlicher Aktivität in der Interventionsgruppe (n = 161) mit einer Referenzgruppe ohne Intervention (n = 56) verglichen. Am Ende des 5-jährigen Beobachtungszeitraumes hatten 11% der Teilnehmer in der Interventionsgruppe und 29% in der Kontrollgruppe Diabetes entwickelt. Die Finish Diabetes Prevention Study (DPS) lieferte als erste randomisierte, kontrollierte klinische Studie überzeugende Evidenz dazu, dass Typ-2-Diabetes durch eine Lifestyle-Intervention vermieden werden kann (Lindström et al., Diabetes Care 2003; Tuomilehto et al., NEJM 2001). Für die DPS wurden insgesamt 522 Personen mit IGT in eine Gruppe mit intensivierter Lifestyle-Intervention oder in eine Kontrollgruppe randomisiert. Im Verlauf des Follow-up über durchschnittlich 3,2 Jahre war die Inzidenz von Typ-2-Diabetes in der Lifestyle-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe um 58% reduziert. In der Kontrolluntersuchung nach einem Jahr lagen Gewicht, zentrale Adipositas, Nüchternblutzucker, post-prandiale Blutzucker- und Insulinspiegel und HbA1c in der Interventionsgruppe signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Aufgrund der guten Ergebnisse des amerikanischen Diabetes Prevention Programm, wurde eine 5-10% -ige Gewichtsreduktion und moderate körperliche Aktivität im Ausmaß von 30 Minuten von der American Diabetes Assoziation als Methode der ersten Wahl in der Prävention des Diabetes mellitus empfohlen. In Österreich (laut statistischem Zentralamt) kommt etwa die Hälfte der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren zumindest einmal pro Woche in ihrer Freizeit durch körperliche Betätigung ins Schwitzen (Männer: 60%, Frauen: 49%). Dies ändert sich aber mit dem Alter: bei den Männern sinkt der Anteil an aktiven Personen mit zunehmendem Alter kontinuierlich von etwa 42% bei den 15- bis 29-Jährigen und auf

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27% bei den 60- bis 75-Jährigen. Bei den Frauen liegt der Anteil der an zumindest drei Tagen in der Woche körperlich Aktiven durchgehend niedriger als bei den Männern. (siehe Tabelle 3) In ähnlicher Weise spielt eine vermehrte körperliche Bewegung in der Prävention der Osteoporose eine Rolle. Speziell so genannte high-impact-Sportarten können zu einer überdurchschnittlichen Knochenzuwachsrate führen. Diese Ergebnisse zeigten Studien, die BodenturnerInnen, TennisspielerInnen sowie Step-Aerobic Tänzerinnen betreuten. Es konnte durch diese Sportarten die lagespezifische Knochendichte um ein Vielfaches erhöht werden ( Kannue et al., 1995; Bass et al. 1998; Heinonen et al 2000, Andreoli et al 2001; MacKelvie et al., 2004). Auch bei Kindern im Alter von 6-8 Jahren konnte gezeigt werden, dass alltägliche körperliche Bewegung als auch sportliche Betätigung mit einer erhöhten Knochendichte im Arm- und Beinbereich einhergingen (Hasselstrom et al 2007). Aber nicht nur bei Kindern sondern auch im höheren Alter wirkt sich vermehrte körperliche Aktivität positiv auf das Frakturrisisko aus. Gregg EW et al (1998) untersuchte in einer prospektiven Kohortenstudie die Auswirkung einer regelmäßigen körperlichen Aktivität bei 9704 Frauen (>65Jahre). Dabei konnte bei jenen Frauen ein signifikant geringeres Hüftfrakturrisiko nachgewiesen werden, die mindestens 2 Stunden pro Woche einer sportlichen Aktivität nachgegangen sind oder aber eine schwere körperliche Arbeit ausübten. Hingegen hatten jene Frauen, die mehr als neun Stunden einer sitzenden Tätigkeit nachgingen, ein 43% höheres Hüftfrakturrisiko als jene mit weniger als sechs Stunden Sitzzeit. Diese Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit von körperlicher Aktivität in der Prävention der Osteoporose. Durch gesteigerte körperliche Aktivität kann nämlich schon im Kindesalter eine positive Knochenbilanz erzielt und somit im Erwachsenenalter ein bessere peak bone mass erreicht werden, weiters verbessert sich die Körperkoordination und man vermindert damit das Sturzrisiko bzw. verhindert somit Frakturen. Bei beiden Erkrankungen ist demnach das gemeinsame Ziel körperliche Bewegung zu fördern und Immobilisation zu vermeiden, dadurch können schon im Vorfeld Komplikationen verhindert werden. Der Diabetes mellitus stellt per se einen Risikofaktor für sekundär-osteoporotische Frakturen dar. Während der Typ 1 Diabetes mellitus schon seit längerem als Osteoporoserisikofaktor anerkannt wurde, gilt der Typ II als Risikofaktor umstritten, zumal die mit Diabetes mellitus Typ II betroffenen Patienten oft eine deutlich erhöhte Knochendichte

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aufwiesen. Neue Metaanalysen belegen allerdings für beide Krankheitsentitäten ein erhöhtes Risiko für osteoporotische Frakturen (Nicodemus et al Diabetes Care 2001) (siehe Tabelle 4) Dieses Risiko steigt mit der Erkrankungsdauer. Es zeigte sich, dass Typ I Diabetikerinnen ein 12,25 fach höheres Risiko für eine Hüftfraktur aufwiesen, als Nichtdiabetikerinnen. Frauen mit Typ II Diabetes haben hingegen ein 1,7 fach höheres Risiko für eine Hüftfraktur als gesunde Frauen, wobei insulinpflichtige Diabetiker ein höheres Risiko aufwiesen als Diabetiker, die orale Antidiabetika einnahmen. Das erhöhte Osteoporoserisiko bei Typ I Diabetikern wird einerseits dadurch erklärt, dass aufgrund der erhöhten Glukosurie eine Hyperphosphaturie und Hyperkalziurie folgt und verbunden mit der nicht seltenen Hypovitaminose D daraus der Knochenstoffwechsel aufgrund eines sekundären Hyperparathyreoidismus einen erhöhten bone turn over aufweist. Andererseits spielen beim Diabetes mellitus Typ I noch andere Osteoporoserisikofaktoren eine Rolle: eine negative Proteinbalance, aber auch die Spätkomplikation des Diabetes wie die Mikroangiopathie und die Neuropathie, scheinen pathogenetisch für den Knochenverlust von Wichtigkeit zu sein. Als eventuell möglicher pathogenetischer Faktor bezüglich Osteoporose und Typ II Diabetes mellitus wird die Insulinresistenz und die damit verminderte geringere anabole Wirkung von Insulin diskutiert. Das erhöhte Frakturrisiko bei Typ II Diabetikern könnte auch durch eine aufgrund der Polyneuropathie gesteigerte Sturzhäufigkeit erklärt werden. Die Osteoporose beim Typ II Diabetiker stand aufgrund unterschiedlicher inkonsistenter Studiendaten längere Zeit eher im Hintergrund des diabetologischen Interesses, das hatte sich, nach Präsentation der ADOPT-Studie (Kahn et al.,NEJM 2006), in der mit Rosiglitazon behandelte Typ II Diabetiker ein erhöhtes peripheres Frakturrisiko aufwiesen, rasch geändert. (siehe Tabelle 6). Laut dieser Studienergebnisse erlitten circa 10 Prozent der Diabetikerinnen, die mit Rosiglitazon behandelt wurden, Frakturen. Im Vergleich dazu waren lediglich 5 % der mit Metformin und 3,4% der mit Glyburid behandelten Frauen von Frakturen betroffen. Nach Veröffentlichung dieser Daten wurde dem Knochenstoffwechsel und der möglichen Beeinflussung der PPAR-gamma-Agonisten mehr Bedeutung zuteil. Mögliche Erklärungsmodelle wurden gesucht und auch gefunden: Dem Osteologen waren schon vor der ADOPT-Studie die unterschiedlichen Wirkungen der PPAR-gamma-Agonisten auf den Knochenstoffwechsel bekannt. In tierexperimentellen Untersuchungen führte Rosiglitazon zu einem gesteigerten Knochendichteverlust. Erklärt wurde sich diese Wirkung durch eine verminderte Expression der osteoblastären Transkriptionsfaktoren runx2 und Osterix und dadurch

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Verlagerung der Differenzierung von mesenchymalen Zellen von Osteoblasten zu Adipozyten hin. Parallel dazu kam es zu einer Vermehrung des Fettgehaltes des Knochenmarks. Weiters führen Glitazone zu einer Verminderung der Knochenformationsmarker und einem verminderten Insulin-like growth Faktor. In einer prospektiven randomisierten Studie (Grey et al., J Clin Endocrinol Metab 2007) konnte der in Tierversuchen nachgewiesene gesteigerte Knochenabbau auch in vivo bestätigt werden. Es zeigte sich nach Gabe von Rosiglitazon eine Reduktion der Knochenformationsmarker P1NP und Osteocalcin, wobei hingegen der Knochenresorptionsmarker ß-CTX unverändert blieb. (Siehe Abbildung 1) Um jedoch genauere Schlüsse bezüglich einer klinischen Relevanz der Nebenwirkungen der Insulinsensitizer und mögliche therapeutische Konsequenzen auf den Knochenstoffwechsel ziehen zu können, müssen noch weitere prospektive randomisierte Studien durchgeführt werden. Ein anderer gemeinsamer Punkt des Diabetes und der Osteoporose sind die mit der Erkrankung und deren Folgen verbundenen Kosten, die zu vermeiden wären, würde vermehrt Augenmerk auf Prävention gelegt werden. Der Diabetes mellitus und die Osteoporose werden Berechnungen zufolge, überproportional hohe Kosten im Gesundheitssystem verursachen. Derzeit beträgt der finanzielle Aufwand der stationären Versorgung einer Schenkelhalsfraktur rund 12.000 Euro, dies ergibt bei 12.000 Frakturpatienten bereits jetzt Kosten von 144 Millionen Euro. Die im Jahr 2040 zu erwartenden 25.000 Schenkelhalsfrakturen in Österreich werden nach derzeitigen Berechnungen somit 900 Millionen Euro jährlich verschlingen. Gesundheitsökonomen schätzen, dass sich die osteoporosebedingten Kosten sowohl für Europa als auch für die einzelnen Länder bis 2005 verdoppeln werden. Für Europa bedeutet dies einen Anstieg von circa 40 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf fast 80 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050. Osteoporose wird durch den zunehmenden Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung daher zu einem der größten medizinischen Probleme der Zukunft. Umso mehr sind wir daher als Ärzte gefordert, die Osteoporose wie auch den Diabetes mellitus frühzeitig zu erkennen, die Patienten auf die Wichtigkeit der Prävention der Komplikationen hinzuweisen, optimal zu therapieren, um gemeinsam mit den Patienten Spätschäden und damit Kosten zu verhindern.

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Bezüglich des Diabetes mellitus sind wir in der Optimierung der Patientenbetreuung schon auf dem richtigen Weg. Ein sogenanntes Disease Management Programm „Therapie aktiv“ wurde 2007 ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die Betreuung der Diabetiker österreichweit zu verbessern. Es handelt sich hierbei um ein strukturiertes Behandlungsprogramm, das auf internationalen Leitlinien basiert. „Therapie Aktiv" ist das erste Disease Management Programm (DMP) in Österreich, das eine Langzeitbetreuung und Schulung des Patienten als Basiselement beinhaltet. Das Projekt wird in Wien zu gleichen Teilen von der Stadt Wien und den Wiener Krankenversicherungsträgern finanziert. Im Rahmen des DMP übernehmen speziell geschulte InternistInnen und HausärztInnen die intensive und kontinuierliche Langzeit-Betreuung von Diabetikern. Im Rahmen von DiabetikerInnen-Schulungen werden gemeinsame Therapieziele festgelegt und in regelmäßigen Abständen der Therapieerfolg kontrolliert. Dieses Vorgehen garantiere eine optimale Behandlung der PatientInnen. "Therapie aktiv" soll dadurch die Compliance der Patienten fördern, um vermeidbare Folgeerkrankungen wie Niereninsuffizienz, Herzinfarkt oder andere Spätkomplikationen zu verhindern. Die Vorteile für die Betroffenen sind klar: intensive Betreuung durch den Hausarzt oder Internisten, mehr Wissen über die eigene Erkrankung, um sich aktiv an der Therapie zu beteiligen. Diese optimale Versorgung ist auch für die Betreuung der Osteoporosepatienten zu fördern, da auch hier die Therapietreue des Patienten, die sogenannte Adheränz, suboptimal ist (J. A. Cramer, Osteoporose International 2007). Wahrscheinlich ist diese mangelhafte Adheränz auch ein Grund, warum Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in der Hüftfrakturrate (Anzahl der Hüftfrakturen pro 10.000 Einwohner pro Jahr IOF 2004) weit abgeschlagen an dritt- letzter Stelle hinter Schweden und Slowakei liegt. So liegt es an uns Ärzten und den Gesundheitsinstitutionen, den Aufruf folgender (European action toward better musculo-skeletal health) Strategien der Bevölkerung nahe zu bringen, nämlich körperliche Aktivität zu fördern, körperliche Fitness zu erhalten, ideales Körpergewicht zu erreichen, ausreichend Calcium und Vitamin D zu zuführen und Rauchen und Alkohol zu meiden. Andererseits wäre es auch an der Zeit, Unfallpräventionsprogramme zu initialisieren und Informationskampagnen, die Ärzte und Patienten über die Erkrankung und die Notwendigkeit einer Früherkennung und Wichtigkeit einer Prävention aufklären, zu organisieren Die Implementierung solcher strukturierten und finanziell geförderten Kampagnen wären wünschenswert.

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Tabelle 1: Vorausberechnete Bevölkerungsstruktur für Österreich 2006-2075

Jahr

Insgesamt absolut

< 15 Jahre absolut

15bis<60 Jahre absolut

>60Jahre absolut

<15 Jahre %

15bis<60 Jahre %

>60 Jahre %

2006 8.281.948 1.303.907 5.161.048 1.816.993 15,7 62,3 21,9 2007 8.311.899 1.285.540 5.178.059 1.848.300 15,5 62,3 22,2 2008 8.337.606 1.267.534 5.188.303 1.881.769 15,2 62,2 22,6 2009 8.365.401 1.251.438 5.201.983 1.911.980 15,0 62,2 22,9 2010 8.395.315 1.238.399 5.217.708 1.939.208 14,8 62,2 23,1 2011 8.426.496 1.226.964 5.235.667 1.963.865 14,6 62,1 23,3

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2012 8.458.561 1.217.767 5.252.224 1.988.570 14,4 62,1 23,5 2013 8.489.517 1.212.265 5.262.356 2.014.896 14,3 62,0 23,7 2014 8.520.434 1.210.044 5.268.098 2.042.292 14,2 61,8 24,0 2015 8.551.415 1.209.596 5.269.025 2.072.794 14,1 61,6 24,2 2020 8.689.447 1.213.914 5.195.195 2.280.338 14,0 59,8 26,2 2025 8.827.734 1.231.223 5.041.008 2.555.503 13,9 57,1 28,9 2030 8.978.511 1.245.085 4.925.983 2.807.443 13,9 54,9 31,3 2035 9.132.564 1.247.705 4.925.121 2.959.738 13,7 53,9 32,4 2040 9.280.413 1.246.402 4.975.007 3.059.004 13,4 53,6 33,0 2045 9.409.242 1.248.850 4.990.536 3.169.856 13,3 53,0 33,7 2050 9.514.363 1.257.884 5.000.405 3.256.074 13,2 52,6 34,2 2075 9.695.649 1.288.979 5.095.807 3.310.863 13,3 52,6 34,1 Quelle: STATISTIK AUSTRIA - Bevölkerungsprognose 2007; erstellt am 3.11.2007 Tabelle 2: Schwere Komplikationen bestehen schon zum Diagnosezeitpunkt des DM2 Komplikationen: Prävalenz% jegliche Komplikationen 50 Retinopathie 21 Abnormales EKG 18 Fehlende Fußpulse (≥ 2) und/oder ischämische Füße

14

Gestörte Reflexe und/oder verminderte Sensibilität 7

Myokardinfarkt/Anginapectoris/ Claudicatio intermittens

~2-3 Apoplexie / TIA ~1 Einige Patienten hatten mehr als eine Komplikation zum Diagnosezeitpunkt Adapted from UKPDS VIII. Diabetologia 1991; 34:877–890 Tabelle 3: Statistik Austria Gesundheitsbefragung 2006/07 Als körperlich aktiv werden Personen eingestuft, die durch körperliche Betätigung an zumindest drei Tagen pro Woche ins Schwitzen kommen

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Körperliche Aktivität in %

Insgesamt >15 Jahre

15-29 Jahre

30-44 Jahre

45-59 Jahre

60-74 Jahren

>75 Jahre

Männer aktiv 31,6 42,1 32,7 28,4 27,3 12,0 inaktiv 68,4 57,9 67,3 71,6 72,7 88,0 Frauen aktiv 23,3 25,5 26,8 27,7 21,6 5,4 inaktiv 76,7 74,5 73,2 72,3 78,4 94,6 Tabelle 4: Relatives Risiko für das Auftreten von Hüftfrakturen in Abhängigkeit vom Diabetes –Status und Therapie in der Iowa Women´s Health Study 1986-1997;306,900Personenjahre) Diabetes Typ

Anzahl der Frakturen

Relatives Risiko Altersadaptiert

relatives Risiko im multivariaten Modell

Kein Diabetes(Referenz)

452 1.00 1.00

Type 1 Diabetes 5 14.1 (5.85, 34.2) 12.25 (5.05, 29.7) Type 2 Diabetes 38 1.75 (1.25, 2.43) 1.70 (1.21, 2.38) Diabetes Dauer Kein Diabetes(Referenz)

452 1.00 1.00

Type 2 Diabetes 0–4 Jahre 11 1.47 (0.81, 2.67) 1.44 (0.79, 2.63) 5–12 Jahre 11 1.46 (0.80, 2.66) 1.40 (0.77, 2.57) 13–40 Jahre 16 2.38 (1.44, 3.92) 2.30 (1.39, 3.81) Art der Diabetes Therapie

Kein Diabetes(Referenz)

452 1.00 1.00

Type 2 Diabetes Insulin Therapie 13 2.79 (1.61, 4.85) 2.66 (1.52, 4.64)

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orale Antidiabetika 13 1.82 (1.05, 3.16) 1.80 (1.03, 3.16) keine antidiabetische Therapie

12 1.21 (0.68, 2.14) 1.17 (0.66, 2.09)

Fehlende Östrogentherapie

Kein Diabetes(Referenz)

296 1.00 1.00

Type 2 Diabetes 26 1.74 (1.17, 2.60) 1.66 (1.10, 2.51) laufende Östrogen Therapie

Kein Diabetes(Referenz)

31 1.00 1.00

Type 2 Diabetes 1 0.98 (0.13, 7.16) 1.17 (0.16, 8.77) frühere Östrogentherapie

Kein Diabetes(Referenz)

125 1.00 1.00

Type 2 Diabetes 11 1.79 (0.97, 3.32) 1.84 (0.98, 3.46) BMI >30 kg/m2 Kein Diabetes(Referenz)

82 1.00 1.00

Type 2 diabetic 15 1.74 (1.00, 3.02) 1.66 (0.95, 2.90)

BMI <30 kg/m2 Kein Diabetes(Referenz)

370 1.00 1.00

Type 2 Diabetes 23 1.87 (1.23, 2.85) 1.74 (1.14, 2.67) Tabelle 5: ursächliche Erkrankungen für sekundäre Osteoporose (Ögam2005) • Hypogonadismus • Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) • Glukokortikoidbehandlung • Hyperparathyreoidismus • Hyperthyreose • Hyperprolaktinämie • Rheumatische Erkrankungen • Diabetes mellitus Typ I • Alkoholmissbrauch

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Abbildung 1: Effekte von Rosiglitazon versus Placebo auf Knochenformationsmarker in postmenopausalen Frauen. A, Serum P1NP. B, Serum Osteocalcin. C, ßCTX )

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Tabelle 6: ADOPT-Studie Frakturrate: Anzahl der Patienten (Prozentanteil) Rosiglitazone Metformin Glyburide Männer 32 (3,92) 29 (3,39) 28 (3,35) Frauen 60 (9,30) 30 (5,08) 21 (3,47) Untere Extremität

36 (5,58) 18 (3,05) 8 (1,32)

Oberer Extremität

22 (3,41) 10 (1,69) 9 (1,49)

Wirbelkörper 1 (0,16) 1 (0,17) 1 (0,17)

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