wann sollten sie an eine endokrine ursache denken?

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Hochdruck ist nicht in den Griff zu bekommen Wann sollten Sie an eine endokrine Ursache denken? Bei der überwiegenden Mehrzahl der Hypertoniker lässt sich keine Ursache für die Druckerhöhung dingfest machen. Im Einzelfall kann es sich aber loh- nen, die Fahndung nach einer sekundären Ursache, z. B. einer endokrinen Störung, zu forcieren. Oft ist in diesen Fällen eine kausale Therapie der Hyper- tonie bzw. eine definitive Heilung möglich. _ Bei ca. 5% der Hypertoniker liegt eine endokrine Störung vor, erklärte Prof. Felix Beuschlein von der Medizinischen Universitätsklinik München. Oſt ist in diesen Fällen eine kausale erapie mög- lich. Augenhintergrund weist auf maligne Hypertonie hin Zu den endokrinen Hochdruckformen gehört die heute selten gewordene, ma- ligne bzw. akzelerierte Hypertonie. An dieses gefährliche Krankheitsbild, bei dem bereits sehr früh hypertoniebeding- te Endorganschäden, v. a. an den Gefä- ßen, auſtreten, sollte man denken, wenn der diastolische Blutdruck > 110 mm Hg beträgt, Symptome einer hypertensiven Enzephalopathie wie Sehstörungen, Kopfschmerzen, Krampfanfälle auſtre- ten und ausgeprägte Veränderungen am Augenhintergrund (Fundus hypertoni- cus III–IV) nachweisbar sind. Typischerweise findet sich bei dieser Erkrankung ein stark stimuliertes Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Die maligne Hypertonie kann sich auf eine vorbestehende primäre oder sekun- däre Hypertonie aufpfropfen. Auch Kontrazeptiva bzw. Östrogene können zu einem starken Blutdruckan- stieg führen, da sie eine vermehrte Bil- dung von Angiotensinogen in der Leber mit konsekutivem Anstieg von Renin und Angiotensin II induzieren. Conn-Syndrom auch ohne Hypokaliämie Zu den eher seltenen endokrinen Hyper- tonieursachen gehört der primäre Hyperaldosteronismus, auch Conn-Syn- drom genannt. „Meist handelt es sich um schwer einstellbare oder therapiere- sistente Hypertoniker“, so Beuschlein. Typische Symptome sind die Hypo- kaliämie mit Muskelschwäche bzw. -krämpfen, Müdigkeit, Ödeme, Polydip- sie und Polyurie. Ein normaler Kalium- wert schließt das Krankheitsbild aller- dings nicht aus: Bei 40% der Betroffenen liegt der Wert im Normbereich. Ursache kann eine beidseitige Nebennierenhy- perplasie oder ein Nebennierentumor sein, wobei Erstere sehr viel häufiger ist. Diagnoseweisend sind ein erhöhter Al- dosteron-Renin-Quotient und eine ver- mehrte Ausscheidung von Aldosteron im 24-Stunden-Sammelurin. „Um zu- verlässige Werte zu bekommen, müssen Aldosteronantagonisten mindestens vier Wochen vorher abgesetzt werden“, er- klärte Beuschlein. Ergeben sich labor- chemisch eindeutige Hinweise für ein Conn-Syndrom, ist anschließend eine bildgebende Diagnostik mit CT oder MRT erforderlich. Findet sich dabei eine beidseitige Hyperplasie, so empfiehlt sich eine erapie mit einem Aldos- teronantagonisten, bei einem einseitigen Adenom die Exstirpation des Tumors. Phäochromozytom auch ohne Blutdruckkrisen Beim Phäochromozytom handelt es sich um einen meist gutartigen Tumor der Nebenniere oder extraadrenaler chrom- affiner Gewebe, der überschießend Ka- techolamine produziert. Das Phäochro- mozytom kann sporadisch oder fami- liär gehäuſt auſtreten. Nur bei jedem zweiten Betroffenen stehen Blutdruck- krisen im Vordergrund bei ansonsten normotensiven Blutdruckwerten. Bei den anderen liegt eine therapieresisten- te Dauerhypertonie vor. Die Blutdruck- krisen gehen mit Kopfschmerzen, Tachykardie und Schweißausbrüchen einher. Die Verdachtsdiagnose wird gesichert durch den Nachweis einer erhöhten Plasmakonzentration von Me- tanephrinen und/oder einer vermehrte Katecholaminausscheidung im 24-Stun- den-Sammelurin. M. Cushing: eine Blickdiagnose Stammfettsucht, Striae (s. Abb.), Mond- gesicht, Osteoporose, Muskelschwäche, Diabetes und Hypertonie, das sind die klassischen Leitsymptome beim Morbus Cushing. Gelegentlich kann die phäno- typische Abgrenzung zu einem metabo- lischen Syndrom jedoch schwierig sein. Beim adrenalen Cushing-Syndrom liegt die Ursache in der Nebenierenrinde (Tu- mor oder beidseitige Hyperplasie), beim ACTH-abhängigem Cushing-Syndrom in der Hypophyse. Als Suchtest emp- fiehlt sich die Bestimmung des freien Kortisols im Plasma morgens nüchtern. Zur Bestätigung ist ein Dexamethason- Hemmtest erforderlich, d. h. die Gabe von Dexamethason führt dann nicht zu einer Abnahme der Kortisolfreisetzung. Weitere seltene Ursachen einer endo- krinen Hypertonie sind die Hyperthyreo- se, aber auch die Hypothyreose, die zu ei- nem Anstieg des diastolischen Blutdrucks führen kann, die Akromegalie und der primäre Hyperparathyreoidismus. Dr. med. Peter Stiefelhagen Quelle: Bayerischer Internistenkongress, 19.10.2013 in München AKTUELLE MEDIZIN KONGRESSBERICHTE Striae am Bauch einer Cushing-Patientin. © SPL / Agentur Focus 20 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (Sonderheft 1)

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Hochdruck ist nicht in den Gri� zu bekommen

Wann sollten Sie an eine endokrine Ursache denken?Bei der überwiegenden Mehrzahl der Hypertoniker lässt sich keine Ursache für die Druckerhöhung dingfest machen. Im Einzelfall kann es sich aber loh-nen, die Fahndung nach einer sekundären Ursache, z. B. einer endokrinen Störung, zu forcieren. Oft ist in diesen Fällen eine kausale Therapie der Hyper-tonie bzw. eine de� nitive Heilung möglich.

_ Bei ca. 5% der Hypertoniker liegt eine endokrine Störung vor, erklärte Prof. Felix Beuschlein von der Medizinischen Universitätsklinik München. O� ist in diesen Fällen eine kausale � erapie mög-lich.

Augenhintergrund weist auf maligne Hypertonie hinZu den endokrinen Hochdruckformen gehört die heute selten gewordene, ma-ligne bzw. akzelerierte Hypertonie. An dieses gefährliche Krankheitsbild, bei dem bereits sehr früh hypertoniebeding-te Endorganschäden, v. a. an den Gefä-ßen, au� reten, sollte man denken, wenn der diastolische Blutdruck > 110 mm Hg beträgt, Symptome einer hypertensiven Enzephalopathie wie Sehstörungen, Kopfschmerzen, Krampfanfälle au� re-ten und ausgeprägte Veränderungen am Augenhintergrund (Fundus hypertoni-cus III–IV) nachweisbar sind.

Typischerweise � ndet sich bei dieser Erkrankung ein stark stimuliertes Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Die maligne Hypertonie kann sich auf

eine vorbestehende primäre oder sekun-däre Hypertonie aufpfropfen.

Auch Kontrazeptiva bzw. Östrogene können zu einem starken Blutdruckan-stieg führen, da sie eine vermehrte Bil-dung von Angiotensinogen in der Leber mit konsekutivem Anstieg von Renin und Angiotensin II induzieren.

Conn-Syndrom auch ohne HypokaliämieZu den eher seltenen endokrinen Hyper-tonieursachen gehört der primäre Hyper aldosteronismus, auch Conn-Syn-drom genannt. „Meist handelt es sich um schwer einstellbare oder therapiere-sistente Hypertoniker“, so Beuschlein.

Typische Symptome sind die Hypo-kaliämie mit Muskelschwäche bzw.

-krämpfen, Müdigkeit, Ödeme, Polydip-sie und Polyurie. Ein normaler Kalium-wert schließt das Krankheitsbild aller-dings nicht aus: Bei 40% der Betro� enen liegt der Wert im Normbereich. Ursache kann eine beidseitige Nebennierenhy-perplasie oder ein Nebennierentumor sein, wobei Erstere sehr viel häu� ger ist. Diagnoseweisend sind ein erhöhter Al-dosteron-Renin-Quotient und eine ver-mehrte Ausscheidung von Aldosteron im 24-Stunden-Sammelurin. „Um zu-verlässige Werte zu bekommen, müssen Aldosteronantagonisten mindestens vier Wochen vorher abgesetzt werden“, er-klärte Beuschlein. Ergeben sich labor-chemisch eindeutige Hinweise für ein Conn-Syndrom, ist anschließend eine bildgebende Diagnostik mit CT oder MRT erforderlich. Findet sich dabei eine beidseitige Hyperplasie, so emp� ehlt sich eine � erapie mit einem Aldos-

teronantagonisten, bei einem einseitigen Adenom die Exstirpation des Tumors.

Phäochromozytom auch ohne BlutdruckkrisenBeim Phäochromozytom handelt es sich um einen meist gutartigen Tumor der Nebenniere oder extraadrenaler chrom-a� ner Gewebe, der überschießend Ka-techolamine produziert. Das Phäochro-mozytom kann sporadisch oder fami-liär gehäu� au� reten. Nur bei jedem zweiten Betro� enen stehen Blutdruck-krisen im Vordergrund bei ansonsten normotensiven Blutdruckwerten. Bei den anderen liegt eine therapieresisten-te Dauerhypertonie vor. Die Blutdruck-krisen gehen mit Kopfschmerzen, Tachykardie und Schweißausbrüchen einher. Die Verdachtsdiagnose wird gesichert durch den Nachweis einer erhöhten Plasmakonzentration von Me-tanephrinen und/oder einer vermehrte Katecholaminausscheidung im 24-Stun-den-Sammelurin.

M. Cushing: eine BlickdiagnoseStammfettsucht, Striae (s. Abb.), Mond-gesicht, Osteoporose, Muskelschwäche, Diabetes und Hypertonie, das sind die klassischen Leitsymptome beim Morbus Cushing. Gelegentlich kann die phäno-typische Abgrenzung zu einem metabo-lischen Syndrom jedoch schwierig sein. Beim adrenalen Cushing-Syndrom liegt die Ursache in der Nebenierenrinde (Tu-mor oder beidseitige Hyperplasie), beim ACTH-abhängigem Cushing-Syndrom in der Hypophyse. Als Suchtest emp-� ehlt sich die Bestimmung des freien Kortisols im Plasma morgens nüchtern. Zur Bestätigung ist ein Dexamethason-Hemmtest erforderlich, d. h. die Gabe von Dexamethason führt dann nicht zu einer Abnahme der Kortisolfreisetzung.

Weitere seltene Ursachen einer endo-krinen Hypertonie sind die Hyperthyreo-se, aber auch die Hypothyreose, die zu ei-nem Anstieg des diastolischen Blutdrucks führen kann, die Akromegalie und der primäre Hyperparathyreoidismus.

Dr. med. Peter Stiefelhagen ■

■ Quelle: Bayerischer Internistenkongress, 19.10.2013 in München

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Striae am Bauch einer Cushing-Patientin.

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20 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (Sonderheft 1)