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Die Idee Eines Tages 2009 bekam ich einen Anruf. Am Telefon war Karl Danner, der Inhaber vom Musikhaus Danner in Linz: „Nik, ich hab da was für dich! Komm mal irgend- wann vorbei – Du wirst staunen ...“ Bei soviel Geheimniskrämerei wuchs meine Neugier schnell, zumal ich mich nicht erin- nerte, etwas bestellt zu haben. Als es schließlich so weit war und ich im Laden stand, führte er mich in die Abteilung für Studiotechnik. Dort war schon alles vorbe- reitet: Eine mannshohe Lautsprecherein- heit, verkabelt mit einem Mischpult; ein Mitarbeiter hielt eine unscheinbare Block- flöte in der Hand, welche wiederum per Kabel mit dem Mischpult verbunden war. Mit einem kurzen „Spiel mal!“ wurde mir das Ding in die Hand gedrückt. Vorsichtig spielte ich eine Phrase – über die Box ertön- te ein mächtiges Signal: klare, sehr laute Blockflötentöne, ohne jedes Störgeräusch oder Rückkopplungen (und das, obwohl ich unmittelbar vor dem Lautsprecher stand). Verdattert schaute ich in zwei grinsende Gesichter – und verstand: Danner hatte mich vor einigen Jahren bei einem Auftritt gehört, bei einem Programm mit Popmusik, bei welcher die Blockflöte nicht, wie so oft in diesem Kontext, Nebenrollen zu spielen hatte, sondern ganz im Zentrum des musi- kalischen Geschehens stand und daher über alle verschiedenen Klangstrukturen hinweg 8 von Nik Tarasov Die Elody-Story Windkanal 2013-1 Die Elody-Story Die Geschichte vom Werdegang einer neuen Blockflöte Vor vier Jahren begann die Arbeit an der Entwicklung eines Instru- ments, welches von Grund auf anders sein will und der Fantasie seiner künftigen Benutzer breiten Spielraum lässt. Nik Tarasov gewährt einen Blick hinter die Kulissen und berichtet aus erster Hand vom lan- gen Weg zwischen Idee und Serienreife.

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Page 1: von Nik Tarasov - MollenhauerNik Tarasov, bei einem Pop-Konzert 2006 eine Moderne Harmonische Altblockflöte über ein Standmikrofon spielend. Ein ganzer Rucksack voller Aufgaben Trotz

Die Idee

Eines Tages 2009 bekam ich einen Anruf.Am Telefon war Karl Danner, der Inhabervom Musikhaus Danner in Linz: „Nik, ichhab da was für dich! Komm mal irgend-wann vorbei – Du wirst staunen ...“ Beisoviel Geheimniskrämerei wuchs meineNeugier schnell, zumal ich mich nicht erin-nerte, etwas bestellt zu haben. Als esschließlich so weit war und ich im Ladenstand, führte er mich in die Abteilung für

Studiotechnik. Dort war schon alles vorbe-reitet: Eine mannshohe Lautsprecherein-heit, verkabelt mit einem Mischpult; einMitarbeiter hielt eine unscheinbare Block-flöte in der Hand, welche wiederum perKabel mit dem Mischpult verbunden war.Mit einem kurzen „Spiel mal!“ wurde mirdas Ding in die Hand gedrückt. Vorsichtigspielte ich eine Phrase – über die Box ertön-te ein mächtiges Signal: klare, sehr lauteBlockflötentöne, ohne jedes Störgeräusch

oder Rückkopplungen (und das, obwohl ichunmittelbar vor dem Lautsprecher stand).Verdattert schaute ich in zwei grinsendeGesichter – und verstand: Danner hattemich vor einigen Jahren bei einem Auftrittgehört, bei einem Programm mit Popmusik,bei welcher die Blockflöte nicht, wie so oft indiesem Kontext, Nebenrollen zu spielenhatte, sondern ganz im Zentrum des musi-kalischen Geschehens stand und daher überalle verschiedenen Klangstrukturen hinweg

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von Nik Tarasov

Die Elody-Story

Windkanal 2013-1

Die Elody-StoryDie Geschichte vom Werdegang einer neuen Blockflöte

Vor vier Jahren begann die Arbeit an der Entwicklung eines Instru-

ments, welches von Grund auf anders sein will und der Fantasie seiner

künftigen Benutzer breiten Spielraum lässt. Nik Tarasov gewährt

einen Blick hinter die Kulissen und berichtet aus erster Hand vom lan-

gen Weg zwischen Idee und Serienreife.

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die tragende Stimme sein sollte. Und daswiederum bedeutete – mehr in der Theorieals in der Praxis –, dass sie im Lärm der don-nernden Gitarren und Bässe, des Schlag-zeugs und der ganzen anderen modernenInstrumente wirklich immer gut durchhör-bar sein musste. Dafür hatte ich mal überStandmikrofone, mal über ein Headset odereine kleine, am Instrument befestigteMikrofonkapsel gespielt: elektrisch ver-stärkt und mit leichtem Halleffekt. Bei die-sen Mikrofonierungen waren einige Nach-teile nicht wegzudiskutieren: Einerseitsmusste ich immer höllisch aufpassen, mirbei steigender Umgebungslautstärke keinestörend pfeifenden Rückkopplungen einzu-

fangen. Zum anderen erschienen mir dieseAusstattungen immer etwas heikel: EinStandmikrofon macht dich relativ immobilauf der Bühne; die Aufhängungen kleinerMikrofone können beim Spielen und Agie-ren leicht verrutschen – die Tonabnahmefunktioniert dann nicht mehr optimal ...Während mir diese Gedanken durch denKopf gingen, wurde mir bei Danner erklärt,wie nun diese „neue“ Methode funktioniert:Prinzipiell wird die für die Tonaufnahmezuständige Membran ins Innere des Instru-ments verlagert. Somit entsteht für das Flö-tensignal eine bessere Isolierung zu denUmgebungsgeräuschen: All jenes, wasandere Musiker spielen, wird nicht oder

zumindest weitaus weniger mitaufgefan-gen. Um nun lediglich den Innenton einerBlockflöte aufzunehmen, muss ein kleinesLoch in die Wand des Instruments gebohrtwerden – wie sich bei Danners Experimen-ten herausgestellt hatte, am besten ganzoben im Kopfstück und in der Nähe desUnterlabiums. Hineingesteckt wird eineMikrofonkapsel mit Kleinmembran, welchebündig mit der Innenwand abschließt;außen sitzt ein Stecker, an den man einKabel anschließen kann und über welchesder empfangene Flötenton dann an die Ver-stärkeranlage weitergegeben wird.

Die Vision

In diesem Moment hatte ich eine Einge-bung. Ich dachte mir: „Wenn dieses Etwasderart betriebssicher ist, dann müsste esdoch auch die Kopplung mehrerer Effekteaushalten!“ Denn genau das hatte vorher inder Praxis akustisch nie zuverlässig funktio-niert. Ich dachte an etwas in Richtung E-Gitarre ...Die Danners holten mir bereitwillig mehre-re Effektgeräte, und ich machte gleich dieProbe aufs Exempel in der Wahl der kras-sesten Klangmodulation, indem ich mireinen heftigen Verzerrer hinzuschalten undden Zerrgrad ordentlich aufdrehen ließ.Was ich dann hörte, war einer jener Glücks-momente, die man nie mehr vergisst ...Danner gab mir die neue Mikrofoneinheitmit, und ich verließ den Laden in großerDankbarkeit gegenüber einem Musikfach-händler, der sich vorbildlich und zudemkreativ für seine Kunden ins Zeug legt.Gedankenversunken taumelte ich durchLinz. Es beschlich mich die Ahnung, dasssich meiner Hingabe an die Blockflöte hierganz neue Perspektiven eröffnen könnten.Neben allen bekannten und wenigerbekannten Seiten dieses durch die Epochenso vielfältig gestalteten Instrumentsbestand nun die Aussicht auf eine weitereimposante Option – ja, sogar auf einegewisse Erlösung vom gegenwärtigenImage. Könnte es wahr werden, in nichtallzu ferner Zukunft mit einer neu gestalte-ten Blockflöte genauso mächtig aufdrehenzu können wie andere? Mit voluminösemTon, neuen interessanten Farben in Varia-tionen bis zu aggressiven Zerrklängen, umin jedem noch so lauten Umfeld (sprich imBand-Kontext) bestehen zu können ...

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Ein ganzer Rucksack voller Aufgaben

Trotz aller Euphorie und mit dem Bewusst-sein, dass Entwicklungen selten völlig neusind, vielmehr in immerwährenden Erneue-rungsprozessen wieder aufgegriffen werdenund verändert gestaltet neue Anläufe neh-men, machte ich mich zunächst über dieBücher und forschte nach, wer bereits voruns auf ähnliche Gedanken gekommen war.

Vorgänger & Patentfragen

In der Datenbank zugänglicher Patentan-meldungen fanden sich gleich mehrere ver-gleichbare Ideen, welche von den Behördenteilweise angenommen oder zurückgewie-sen worden waren. Einige seien hiergenannt: Bereits 1958 erhob der ErfinderGeorge Barron Schutzforderungen auf eineVorrichtung zur elektrischen Verstärkungvon Holzblasinstrumenten mit geringemSchalldruck in Form eines Tonabnehmers,der im Inneren der Instrumente und in derNähe des Mundstücks angebracht war.

Für dieses Verfahren wurde 1961 ein ameri-kanisches Patent erteilt. 1969 ließ Daniel J.Tomcik ebenfalls als Teil einer komplexenErfindung einen piezoelektrischen Tonab-nehmer mit der inneren Luftsäule einesBlasinstruments kommunizieren. 1986beantragte eine Erfindergruppe aus demjapanischen Hamamatsu für die NipponGakki Seizo Kabushiki Kaisha Patentan-sprüche auf verschiedene Arten von Schall-wandlern für eine Blockflöte, die in der Nähedes Labiums platziert bzw. auf ganz clevereArt im Block eingebettet waren und alle Tönedes Instruments auf optimale Weise abbil-den sollten; dem Antrag wurde 1988 stattge-geben. Zuletzt hatte der BlockflötenmacherPhilippe Bolton für ein ganz ähnliches Sys-tem 1995 in Frankreich ein Patent erhalten,und ich erinnerte mich, sogar schon einmalvor vielen Jahren seine Entwicklung auspro-biert zu haben. Nun wunderte ich mich rück-blickend umso mehr, weshalb dies damalsnichts in mir ausgelöst hatte.

Bis auf Boltons Entwicklung waren alleanderen Ideen bereits Geschichte. Eigent-lich kein Umstand, der einen gerade ermu-tigt, ähnliches nochmals aufzuwerfen ...Wie auch immer: Meine Eindrücke und diedamit verbundenen musikalischen Erwar-tungen waren zu stark, um sich aufhalten zulassen.

Instrumentenwahl

Mit all dieser Technik war versucht worden,konventionell gebaute Blockflöten elek-trisch aufzurüsten. Da sich der Erfolg dieserProjekte offenbar in Grenzen gehalten hatte,galt es also etwas andere Ansätze zu finden.Durch das Spielen im Bandkontext war mirimmer deutlicher geworden, dass für dieneue Blockflöte am besten ein Instrument inAltlage in Frage kam: Tiefere Instrumentegehen im Gesamtklang und in solistischenPassagen wegen des geringen Schalldrucksleicht unter – Sopranblockflöten könnendagegen auf die Dauer etwas schrill wirken

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von Nik Tarasov

Die Elody-Story

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oder sind aufgrund ihres Tonraums imPfeifregister als Charakterinstrumentenicht für jede musikalische Situation geeig-net. Die Wahl fiel daher nicht von ungefährauf ein Instrument der modernsten Block-flötengeneration: auf die von mir entwickel-te Harmonische Moderne Altblockflöte mitFußklappen für Fis, F und E. Ihr tiefster Tone1 korrespondiert zufällig auch mit denAußensaiten der Gitarre, was sofort eine Artmusikalische Übereinkunft herstellt. Zwarsind z. B. E-Dur und A-Dur nicht gerade dieLieblingstonart einer Blockflöte; aber dabluestonale Modi ohnehin ohne den klassi-schen Leitton auskommen und auch eherdie Mollterz verwenden usw., liegen auchdiese gitarrentypische Skalen auf solcheiner Blockflöte gut in den Fingern! Fernerhat ein harmonisches modernes Instrumentauch in den untersten Tönen einen kräftigenund stabilen Klang und lässt sich in der Ton-gebung flexibel bis zu drei Oktaven spielen– und das ohne lästiges Schalllochabde-cken. Alles in allem die perfekte Basis füreine Weiterentwicklung ...

Technisches

Beim Betrachten der Verpackung des vonDanner aufgetanen Mikrofonsystems fielmir auf, dass dieses bereits bei anderenBlasinstrumenten (Klarinette, Saxofon)erfolgreich zur Verstärkung des natürlichen

Schallpegels für Live-Gigs verwendet wirdund ursprünglich natürlich auch dafür ent-wickelt worden war. Ich fuhr also zum Her-steller, schilderte mein Anliegen und wurdenicht abgewiesen.Zunächst galt es, das System speziell für dieBlockflöte zu optimieren. Da unser Instru-ment gegenüber Rohrblattinstrumenteneinen bei weitem geringeren Schallpegelsowie andere Frequenzbereiche aufweist,waren hier physikalisch-mechanischeAnpassungen nötig.Als weitere Hürde erwies sich, dass klas-sisch phantomgespeiste Mikrofonsysteme(also Kondensatormikrofone, die extern mitSpannung versorgt werden müssen) füreine direkte Kopplung an eine Kette vonEffektgeräten nicht geeignet sind. Hinzukommt, dass Kabel und normierte Steckver-bindungen (sogenannte XLR-Stecker) die-ser aktiv betriebenen, analogen Mikrofonezwar für den Anschluss an ein Mischpulttaugen, nicht aber in die Eingangssteckerder handelsüblicher Effektbausteine pas-sen.Nach einigen Entwicklungsstufen verab-schiedeten wir uns also vom grundlegendenMikrofongedanken, und es kam eine spe-zielle Art Tonabnehmersystem für dieBlockflöte zustande. Beim Versuch des Ent-wicklers, Blasinstrumente gleichmäßig ab-zunehmen, entstand die Idee, die Piezo-

Membran eines Körperschalltonabnehmersauf eine ganz neue Art und Weise zu nutzen.Üblicherweise werden diese Tonabnehmerzur Verstärkung des Körperschalls von Sai-teninstrumenten eingesetzt. Durch einespezielle neuartige Entwicklung ist esgelungen, die Vorteile der Piezotechnik jetztauch für die Abnahme des Luftschalls ineiner Blockflöte zu nutzen. Der Schall in der Blockflöte versetzt dabeieine sehr dünne Piezo-Membran aus Metallin Schwingung und erzeugt so im Piezo eineentsprechende Signalspannung. Der neueTonabnehmer benötigt keine Versorgungs-spannung, sollte aber für optimalen Soundimmer an ein Gerät mit hochohmigen Ein-gang angeschlossen werden.Das Anbringen eines solchen Systems imInnenrohr der Flöte bestätigte nochmals dieoben genannten Vorteile:Einmal garantiert dies einen direkten, tro-ckenen, vom Außenambiente abgekoppel-ten Klang (ähnlich wie in der Aufnahmeka-bine eines Studios), welcher dann an allenSpielorten eine identische Ausgangslageschafft – die Voraussetzung für die Hinzu-nahme von Effektgeräten und die verlässli-che Justierung ihrer Parameter. Zum ande-ren gewährleistet das Platzieren des Tonab-nehmers in der Nähe des Labiums ein rela-tiv gleichbleibendes Tonsignal ohne schwä-cher oder stärker abgebildete Register.

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Eine Elody Space in Seitenansicht.Das Instrument liegt stabil aufjeder Fläche und kann aufgrundseiner Form nicht wegrollen.

Das in den Tonabnehmer eingesteckteKabel macht die Elody zu einem elektro-akustisch spielbaren Instrument.

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Zum Dritten bringt ein bestimmtes Verhält-nis zwischen dem Schalldruck einer Moder-nen Altblockflöte und der Justierung desTonabnehmers eine gewisse Ruhe ins Sys-tem: Im Inneren einer Blockflöte verwendet,verhält es sich rückkopplungs- und stö-rungsarm gegenüber Außeneinflüssen.

Um die Membran im (durch die Blasfeuch-tigkeit) regelmäßig nass werdenden Block-flötenrohr zu schützen, ist diese mit einemstabilen Schutzlack überzogen.Außen an der Anschlussbuchse des Tonab-nehmers kann nun ein speziell entwickeltesPassivkabel angeschlossen werden (dem

System muss also keine Fernspannungmehr zugeführt werden). Der Stecker amanderen Ende des Kabels ist ein handelsüb-licher Mono-Klinkenstecker, der – nichtzuletzt aus praktischen Gründen, wie wirnoch sehen werden – mit einem Standard-Gitarrenstecker identisch ist.

Geräte noch und noch

Mit solchen Voraussetzungen ausgestattetwar die Blockflöte bereit fürs Testen undAuswählen bzw. Zusammenstellen ver-schiedener Effektgeräte. Die weitaus meis-ten davon sind in den vergangenen Jahr-zehnten für die E-Gitarre entwickelt wor-den. Sich also an den Erfahrungen aus die-ser Ecke zu orientieren ist schon deshalbkein Fehler, weil man als in dieser Materienormalerweise unerfahrener Blockflötisteinfach zum Gitarristen einer Band gehenund ihn um ein Coaching bitten kann. Zwargilt auch hier der Grundsatz „Probieren gehtüber Studieren“. Man wird jedoch bald fest-stellen, dass vieles, was in diesem Zusam-menhang für die Gitarre taugt, mit entspre-chend angepassten Einstellungen erstaunli-cherweise auch auf der Blockflöte funktio-niert. Da, wie bereits erwähnt wurde, unserBlockflötenkabel genauso aussieht wie einGitarrenkabel, lässt sich die kompletteGitarrenapparatur auf einfachste Weise tes-ten.Betrachten wir also, vereinfacht dargestelltund im Schnelldurchlauf, ein typischesGeräte-Set für Studio und Bühne:Grundsätzlich gilt, dass jede einzelne Kom-ponente ihren charakteristischen Klang hat– je nach persönlichem Geschmack undklanglichem Anspruch sollte man deshalbgenau hinhören und nur das auswählen,was einem gefällt.Alles beginnt mit dem Amp – also demAmplifier oder zu Deutsch Verstärker. Er vergrößert das eingehende Signal nichtnur in seiner Stärke, sondern verleiht ihmseine eigene klangliche Note. Es gibt mehre-re Verstärkerarten, darunter transistorbe-triebene und damit recht klar auflösendeAmps oder mit digitalen Prozessoren arbei-tende Modeling-Amps. Teure analoge Ampsarbeiten auf der Basis von Elektronenröh-ren, welche das Signal wärmer klingen las-sen und zudem beim Hinübergleiten in diebewusste natürliche Übersteuerung des Sig-nals (durch Drehen des Drive- oder Gain-

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Die Elody-Story

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Grenzenlose Klangmöglichkeiten: Neben der natürlichen Tongebung kann die Elody auch überein Band-Equipment gespielt werden: Hier zum Beispiel eine Lautsprecherbox mit 12’’ Speakerund einem Mikrofon sowie ein klassischer Röhrenamp mit vorgeschalteten Effektpedalen.

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Reglers) eine unnachahmliche Tonverzer-rung entstehen lassen, die für Pop- undRockmusik charakteristisch ist.Aus dem Verstärker geht es in eine passendeLautsprecherbox, die das Ganze zum Klin-gen bringt und auch wieder ihre eigene Cha-rakteristik beisteuert. Manche Geräte verei-nen Verstärker und Lautsprecher in einerEinheit. Mit ein bis zwei genau davor ausge-richteten Mikrofonen kann man diesenKlang für Aufnahmen oder fürs Einspeisenüber ein Mischpult in ein größeres Bühnen-lautsprechersystem abnehmen.

Effekte

Dieser klassische Weg wird durch den Ein-satz diverser vorgeschalteter Effektgeräteerheblich erweitert. Am unspektakulärsten,aber doch vor allem bei einer Blockflöterecht effektiv, ist ein schlichtes Fußpedal,mit welchem z. B. die Lautstärke geregeltwerden kann. Am populärsten aber sind diesogenannten Bodentreter (kleine Bauele-mente mit jeweils einem speziellen Effektzum Einstellen und Ein- und Ausschaltenmit dem Fuß):Hier gibt es die Equalizer – das sind Gerätezur Klangfilterung, mit denen sich einzelneTeilfrequenzen des Tones wunschgemäßverändern lassen. Der naturgemäß trockeneBlockflötenton kann durch Halleffektekünstlich in ein beliebiges Raumambientegesetzt werden und wirkt dadurch reichhal-tiger. Eine Delay-Einheit schafft bei Bedarf

verschiedene Arten von Echos. WeitereModulatoren sind der klangverbreiterndeChorus, der Flanger oder der Phaser (beidenen durch minimale zeitliche Phasenver-schiebung des gedoppelten Tones charakte-ristisch wabernde Sounds entstehen). Wei-tere Schwebungen werden durch Tremolo-,Vibrato-, und Leslie-Effekte erreicht. Wieder Name schon lautmalerisch sagt, lässtsich der Ton mit einem Wahwah-Pedal inder Art eines dynamisch eingesetztenDämpfers in seinen Frequenzen filtern undmodulieren. Der Kompressor sorgt füreinen druckvollen Klang, indem er dieExtreme der Lautstärke nivelliert, also lautund leise abgleicht. Weitere Geräte sind bei-spielsweise der Exciter (psychoakustischeZumischeffekte enthaltend) oder ein Har-monizer (welcher der Einstimmigkeit wei-tere Töne oder zusammenstellbare Akkordebeimischt – alles in Echtzeit!). Verzerrer,die wohl populärsten Effektgeräte, sind imPop-Bereich im Dauereinsatz. Sie sorgendurch Übersteuerung für einen dreckigenSound, vom sogenannten Crunch (Kna-cken) über für die Rockmusik rumpelndenOverdrives und Distortions bis zum für denMetal-Bereich oftmals simulierten sägen-den Kreischen ist die Bandbreite schierunendlich.Wer in diesem Übermaß an Technik nichtden Überblick verlieren oder sein Budgetauf Anhieb vernichten möchte, greift zumsogenannten Multieffektprozessor, wo in

einem Gerät alle oben genannten Elemente(abzüglich der eigentlichen Verstärkerend-stufe und der Lautsprecher) digital simu-liert werden. Multieffektprozessoren sindentweder in ein Floorboard eingebaut (einam Boden liegender und per Fußtritt steuer-barer Kasten), oder sie können virtuell alsSoftware auf den eigenen Computer gela-den werden (dann benötigt man dazu nochein Interface – ein meist USB-betriebeneskleines Kästchen für die Anschlüsse). Diekleinste und günstigste Komponente dieserArt ist derzeit eine App fürs Handy, dasebenfalls über ein Mini-Interface mit demInstrument verbunden wird und demnachin der Hosentasche Platz hat. Vielleicht kann man sich nun vorstellen,welches neue Universum an Möglichkeitenman sich mit diesen Dingen auch auf einerBlockflöte erobern kann. Man braucht dieseWelt nicht mehr den steril klingenden soge-nannten Wind Controllern zu überlassen,also rein elektrischen Blaswandlern, diekünstliche MIDI-Signale an Synthesizeroder Soundmodule senden. Man spielt tat-sächlich nach wie vor sein Instrument mitallen archetypischen, erlernten Spieltechni-ken in all seinen Feinheiten. Allerdings kannder Ton nun darüber hinaus elektroakus-tisch auf vielfältigste Art beeinflusst undverändert werden – in freier Wahl: von derminimalen Untermischung neuer Klängebis zur völligen Entfernung vom ursprüngli-chen Eigenklang.

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Ein Multieffektprozessorbeinhaltet verschiedenstedigital simulierte Effektgerä-te in einem, welche sichbeliebig in Reihe koppelnlassen. Ein solches Floor-board ist neben den überdiverse Regler veränderba-ren Grundeinstellungendurch Fußschalter und einPedal auch beim Spielen der Elody steuerbar.

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Design

Solche Erkenntnisse machen deutlich, dassman an einem Scheideweg steht – ähnlichwie etwa rund neunzig Jahre zuvor dieGitarristen: Klassische Gitarren als zarteInstrumente wurden erst durch elektrischeVerstärkung in vollem Umfang ensemblefä-hig bzw. zu Melodieträgern. Die Verbin-dung von Instrument und Verstärker zueiner Einheit und die damit entstehendenMöglichkeiten schufen die elektroakusti-sche Gitarre. Aber nicht nur der ursprüngli-che Klang des akustischen Instrumentswurde dadurch umgeformt – auch dieErscheinung der Instrumente änderte sich

drastisch: Keine E-Gitarre möchte so ausse-hen wie eine verkappte akustische Gitarre.Dennoch sind beide zum größten Teil ausHolz gemacht.Demgemäß entschied ich mich, die innerenWerte – also Bohrung und klangprägendesHolz – bei meinem neuen Instrument unan-getastet zu lassen. Das Äußere meinerBlockflöte konnte jedoch nicht so bleiben.Denn ein Erscheinungsbild muss selbstre-dend sein. Es wurde damit klar, dass ichmich für diesen Zweck völlig von traditio-nellen Drehprofilen verabschieden würdeund es entstand der Wunsch nach einerneuen, ästhetischen und zugleich handli-

chen Außenform. Die Erkenntnis, dass alleVollholz-Blockflöten deshalb rund sind, weilsie auf Drehbänken oder Drehautomatenentstehen, lässt folgern, dass man mit dieserHerstellungstechnik brechen muss, um zugrundlegend Neuem zu gelangen – wobeidie zukünftige Form trotzdem für den Spie-ler ergonomisch zu sein hatte oder sogarbesser als bisher herauskommen sollte.In Betrachtung der Hand- und Fingerhal-tung kam mir die Idee, dass die Form derneuen Flöte dieselbe Krümmung haben soll-te wie die Finger in entspannter Spielhal-tung. Die entspannten Finger sollten sichgleichsam auf dem Instrument komplett

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Die Elody-Story

Verschiedene Form-Prototypen der Elody im Rohzustand sowie probeweise farbig lasiert. Ein Blick auf Design-Entwürfefür die Elody Lovely.

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„ausruhen“ können bzw. zum Aufliegenkommen, wenn sie sich nicht gerade in Akti-on vom Griffloch anhoben. Um solch einenatürlich geschwungene und breitereBogenform auf einem Instrument zu errei-chen, wurde auf einer computergesteuertenFräse in der Werkstatt von MollenhauerBlockflöten in Fulda ein mandelförmigerQuerschnitt realisiert. Die Unterseite diesesmandelförmigen Körpers erhielt an beidenSeiten spiegelverkehrt einen leichten hyper-bolischen Gegenschnitt, sodass vier begren-zende Kanten entstehen, welche in Spielhal-tung nicht spürbar sind, das Instrumentaber beim Anfassen stabilisieren. Dies ver-

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leiht dem Objekt auch einen gleichmäßigenSchwerpunkt, sodass es, etwa auf demTisch abgelegt, weder wegkippt noch – wieeine runde Blockflöte – wegrollen kann. Vorallem die Klappenmechanik profitierte vondieser Eigenschaft: Ohnehin deutlich in dieWandung des neuen Instruments versenkt,kommt sie nie mit der Ablagefläche in Kon-takt und ist damit weitaus weniger verbie-gungsgefährdet. Die Längsform der neuenBlockflöte wurde ebenfalls leicht geschwun-gen gestaltet, mit einer durchgehendenKonkavität, wie sie im Prinzip für jedeBlockflöte typisch ist: breitere Kopfpartie,schmales Griffteil, trichterartiges Fußstück.

Die bewährte runde Innenbohrung wird vondiesem Gesamtentwurf perfekt aufgenom-men.

Oberfläche

Analog zu den Errungenschaften von E-Gitarren wollte ich auch weg von jeglichertraditionell gestalteter Blockflötenoberflä-che. Irgendwie mussten Farben ins Spiel,aber ein platt wirkender Anstrich sollte esdann auch nicht sein. Also eher ansprechen-de Farbverläufe in einer Tongebung, mit derman nicht rechnet – bei unserem Instru-ment schon gleich gar nicht. Ferner solltedie Oberfläche bestens geschützt und so

Die sogenannte 0-Serie der Elody in unterschiedlichen Ausführungen: Zu sehen sind oberflächenfertige Instrumente, die aufdie Montage der Klappenmechanik sowie das Einbohren und das sogenannte Stoßen von Windkanal und Labium warten.

Kunsthandwerkliche Vorarbeiten für die verschiedenen Designs der Elody im Airbrush-Studio.

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unempfindlich wie möglich und damit kom-plett versiegelt sein, aber eine hand-schmeichlerische Haptik und eine attraktivfunkelnde Optik haben. Zusammengenom-men kann dies nur ein durchdachtes Air-brush-Verfahren leisten. Durch einenKunsthandwerker gestaltet, erhielt dasneue Instrument somit eine edle, mehrlagi-ge und damit materialtechnisch hochwerti-ge Oberfläche, wie ich sie in diesem Zusam-menhang noch nie zuvor gesehen hatte: Esentstanden Modelle mit verschiedenenMotiven und Ausstattungen für unter-schiedlichste emotionale Erwartungen.

Vom Prototyp zur Produktion

Wie soll ich das Gefühl beschreiben, als ichendlich das erste Mal ein in allen Einzeltei-len komplettes Exemplar in den Händenhielt und darauf spielte!? Auch die Reaktio-nen einer ausgewählten Anzahl von Leuten,die das neue Instrument erstmals zu Gesichtbekamen, waren Beobachtungen derbesonderen Art. Am erstaunlichsten fandich, dass die Wirkung allein auf das Ausse-hen und den natürlichen, rein akustischenKlang des neuen Instruments bereits zubeglücken scheint. Probeweise spielte ichdiese Blockflöte unangekündigt und kom-mentarlos in zwei Konzerten mit barockemProgramm – die weitestgehend positivenemotionalen Äußerungen des Publikumshinterher versetzten selbst mich in Staunen.Davon so überaus überrascht, begann mirzu dämmern, dass das neue Konzept gleichzwei Seiten hat: Zum einen ist da eine inte-ressante Blockflöte entstanden, die extremcool und aufregend aussieht und mit

Sicherheit die Gemüter bewegen wird; aufihr lässt sich dennoch auch ganz herkömm-lich spielen, selbst Standardrepertoire –zumal der Tonabnehmer komplett in derWandung des Instruments versteckt ist, alsoniemals störend wirkt. Wer nun möchte,kann aber zum anderen auch mit einemKlick das mitgelieferte Kabel ans Instru-ment anschließen und sich dann mit ent-sprechendem Equipment auf die Reise insLand der unendlichen elektronisch beein-flussten Klänge begeben – und dabei weite-re musikalische Stile erobern.Diese kaum kurz und bündig beschreibbareKombipackung eines Instruments verlangteirgendwie nach einem eigenen Namen. Undden steuerte treffend mein Bruder Aleks bei:Elody.Während Mollenhauer Blockflöten in Fuldanun dabei ist, eine Startserie von Elodys zubauen und Marketingkonzepte auszuarbei-ten, stehe ich mit der ersten ihrer Art im Stu-dio und spiele die Debüt-CD ein.Ab dem 10. April 2013 wird Elody auf derMusikmesse Frankfurt der Öffentlichkeitvorgestellt. Gott, bin ich auf das Echogespannt ..!Ich danke allen, auch hier namentlich nichtgenannten, die dies alles mit ermöglichthaben und geholfen haben, Elody aus derTaufe zu heben.

Info: www.mollenhauer.comwww.elody-flute.comwww.vintgar-music.com

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Ein Blick auf Produktionsstadien der Elody bei Mollenhauer: Das Einspannen und Einbohreneines Mittelteils, das Fertigrichten der Klappen und das Nachschnitzen des Labiums.

Die Elody-Storyvon Nik Tarasov

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