unser ganzes leben ein gottesdienst das ist bei … · ist ja auch nicht ganz falsch. ... ich bin...

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Page 1: Unser ganzes Leben ein Gottesdienst Das ist bei … · Ist ja auch nicht ganz falsch. ... Ich bin dein. Dir will ich dienen. Dir meinem Gott. ... damit ich dir dienen kann, damit

Unser ganzes Leben ein Gottesdienst Predigt zu Römer 12, 1-2 von Pfarrer Hans-Jürgen Kopkow am 10. Januar 2016

Ihr Konfirmanden fragt mich doch manchmal: „Wie oft war ich schon

im Gottesdienst?“ Dann wollt Ihr wissen, wie oft ihr an einem Sonntag an einer Veranstaltung wie dieser in der Kirche teilgenommen habt. Die meisten werden wie Ihr bei „Gottesdienst“ an diese eine Stunde am Sonntag denken. Ist ja auch nicht ganz falsch.

Als wir im Konfirmandenunterricht beim Thema „Gottesdienst“ waren, habe ich Euch gefragt, wer beim Gottesdienst denn wem dient? Und die Antwort? Gott dient uns und wir dienen Gott. Richtig.

Und wo kann das geschehen? Natürlich in der Kirche. Aber eben nicht nur. Wo sonst noch? ... Überall! Und wann kann das geschehen? Nur die eine Stunde? Natürlich nicht nur. Es kann immer geschehen.

Was aber bedeutet es, wenn Gott uns überall und jederzeit dienen kann und wenn auch wir Gott überall und jederzeit dienen können? Antwort: Dann könnte ja immer und überall Gottesdienst sein.

Der Apostel Paulus, dem wir den heutigen Predigttext verdanken,

thematisiert in seinem Brief an die römische Gemeinde mit wenigen Worten, wie er das mit dem Gottesdienst versteht. Ich lese die ersten Verse aus dem 12. Kapitel seines Briefes:

Ich ermahne euch nun, liebe Geschwister, durch die Barmherzigkeit Gottes, euch selbst als ein Opfer hinzugeben, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Soweit Paulus.

Keine Rede von Sonntagmorgen, auch nicht davon, dass man zur

Kirche muss. Paulus denkt ganz anders über das Thema Gottesdienst. Er sagt: „Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.“ Und was genau

meint er? Das sagt er im Satz davor: Gottesdienst meint, sich ganz Gott hinzugeben.

Wenn er hier von Opfer redet, dann meint er das im Sinne von Hingabe. Damit benutzt er das Wort Opfer anders als wir das heute tun. Wir sprechen von Opfer, wenn jemand hilflos ist, wenn er

umgekommen ist, wenn ihm Gewalt angetan wurde. Das ist bei Paulus anders. Das merkt man nicht zuletzt daran, dass er

von einem Opfer spricht, das lebendig ist. Paulus geht davon aus, dass Gott von uns erwartet, dass wir uns ihm

hingeben. Es geht also um uns. Gott will mich und Dich, Sie und eben uns alle. Und er will nicht nur ein bisschen was von uns, sondern er will uns ganz. Darauf wartet er, dass wir das verstehen und uns ihm hingeben.

Und? Schon verstanden, vielleicht sogar einverstanden und bereit, Gott zu sagen: Hier haste mich. Mach mit mir, was du willst. Ich gebe mich dir hin. Ich bin dein. Dir will ich dienen. Dir meinem Gott. Immer. Überall. Ich will es jedenfalls versuchen. Und so viel an mir liegt, will ich tun, was in meiner Macht steht. Dich Gott, bitte ich, mir zu dienen, mir zu helfen, damit ich dir dienen kann, damit mein ganzes Leben das sein kann, was es sein soll: Ein Gottesdienst.

Es dürfte deutlich sein, dass Paulus eine ganz andere, eine sehr

radikale Sicht von Gottesdienst vertritt. Von daher stellt sich mit Blick auf alles, was wir tun und lassen, die Frage, inwiefern es Gottesdienst ist.

Ist z.B. ein Kirchgang Gottesdienst? Nicht unbedingt. Für den, der Gott hier in der Kirche nicht spürt und erfährt, mag das hier ein geselliges und informatives Treffen sein. Aber zum Gottesdienst wird die Zeit hier erst dadurch, dass wir wahrnehmen, wie er da ist. Denn nur dann kann er uns hier dienen. Nur dann können wir ihm hier dienen.

Sie merken schon, es geht beim Thema Gottesdienst nicht nur um die Frage, ob wir zur Kirche gehen. Es geht um mehr.

Aber bitte: Nicht dass mich jemand falsch versteht und nachher herum erzählt, ich hätte gesagt, man solle nicht mehr in die Kirche gehen. Ganz im Gegenteil. Man soll. Und je öfter, desto besser.

Aber: Wenn einer am Sonntagmorgen in die Kirche geht, ist das noch keine Garantie für ein Gottesdiensterlebnis, bei dem man Gott begegnet.

Die Zeit hier als Gottesdienst zu erleben meint mehr als die körperliche Anwesenheit und auch etwas ganz anderes als eine philosophisch-geistige Denkleistung.

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Es ist allerdings auch nichts damit gewonnen, wenn man nicht in die Kirche geht, sondern in den Wald in der durchaus berechtigten Erwartung, dort im Wald dem Schöpfer begegnen zu können.

Natürlich kann man dem Schöpfer in seiner Schöpfung begegnen. Aber dafür muss man im Wald und in der Natur seine Schöpfung sehen. Das tut aber nicht jeder. Wenn das, was wir da sehen und erleben, uns als Schöpfung den Blick für den Schöpfer eröffnet, dann kann die Zeit in der Schöpfung im Sinne des Paulus durchaus zum Gottesdienst werden.

Wenn mir manche sagen, ihr Gottesdienst am Sonntagmorgen bestünde darin, im Sinne der Nächstenliebe einen Besuch bei jemandem zu machen, der krank ist und es braucht, dann kann ich nur sagen: Natürlich kann die Begegnung zwischen Menschen, die einander helfen und Gutes tun, zum Gottesdienst werden, wo Gott uns und wir Gott dienen. Muss aber nicht. Viele Besuche sind einfach nur lieblose Pflichterfüllung. Aber wenn da die Liebe ist, von der es im Johannesbrief heißt: „Gott ist Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ dann ist das natürlich Gottesdienst.

Alles kann zum Gottesdienst werden. Wirklich alles, wenn es Gottes Willen entspricht, wenn es gut ist, wenn es Gott wohlgefällig ist und wenn es vollkommen ist.

Alles ist möglich, vor allem dem, der wirklich glaubt. Alles ist möglich dem, der immer und überall Gott im Sinn hat und nichts anderes will, als ihm zu dienen.

So geht es Paulus im Grunde darum, dass wir unsere Sinne schärfen und ihn im Sinn haben, als würden unsere Augen in allem immer ihn sehen wollen, als wollten unsere Ohren aus allem ihn heraushören wollen, als wollten wir immer und überall ihn gegenwärtig fühlen wollen.

Ich halte fest: Entscheidend dafür, dass etwas ein Gottesdienst ist, ist

die Frage, ob und wie Gott und Mensch zueinander kommen. Entscheidend ist die beglückende Begegnung mit dem Göttlichen bzw. Erfahrung des Göttlichen in dem, was uns begegnet und widerfährt - wo und wann immer das geschieht in der Kirche, in der Schöpfung, in einer zwischenmenschlichen Begegnung.

Hat die Zeit hier in der Kirche etwas, was all die anderen Zeiten nicht haben? Einerseits nicht. Was hier möglich ist, ist überall und jederzeit möglich.

Andererseits ist der Gottesdienst hier so etwas wie eine Sensibilisierung für all das, ein Bewusstmachen, ein Einüben, ein Innehalten mit dem Ziel, sich zu vergegenwärtigen, was immer und überall ist.

Eigentlich dürfte es keinen Unterschied geben zwischen dem, wie wir uns hier in der Kirche oder zu Hause oder bei der Arbeit oder in der Schule oder im Freien verhalten und Gott suchen, erfahren und anbeten.

Wenn man das verstanden hat, das bei Paulus mit Gottesdienst viel

mehr gemeint ist als die 60 Minuten Kirchgang am Sonntag, dann kommt man wohl nicht umhin, das eine oder andere im Leben zu überdenken.

Paulus ist sicherlich nicht der Meinung, dass wir’s schon hätten, also dass es schon so sei. Nein: Er benennt eher das Ziel und den Wunsch für uns, wenn er sagt:

Das sei euer vernünftiger Gottesdienst, dass ihr euch überall und jederzeit ganz und gar Gott hingebt und zuwendet, der immer und überall da und euch nahe ist.

Es dürfte klar geworden sein: Gott will keines unser Almosen. Er will uns – und das ganz. Und er gibt sich uns - auch das ganz.

Amen.