und mit 18 schon draußen - vodafone stiftung · scheidung nicht, ich will mal einmal das machen...

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jugendhilfe neue caritas 7/2016 Birgit Reißig, Frank Tillmann, Tatjana Mögling Der Übergang in die Selbstständigkeit des Erwachsenenlebens ist für manche Ju- gendliche mit einer Reihe von Exklusions- risiken behaftet. Im Rahmen einer von der Vodafone Stiftung in Auftrag gegebenen Studie des Deutschen Jugendinstituts wurden die dabei drohenden Entkopp- lungsprozesse bei Jugendlichen aus drei deutschen Großstädten (Hamburg, Köln, Leipzig) untersucht. Jugendliche ohne Chancen? Die Jugendphase ist eine Zeit des Über- gangs, die mit zahlreichen Anforderungen verbunden ist. Um diese Statuswechsel, besonders den Übergang von der Schule in die Arbeitswelt, bewältigen zu können, brauchen junge Menschen entsprechende Ressourcen. Sind diese nicht vorhanden, können sie beispielsweise nicht auf die Unterstützung durch das Elternhaus zurückgreifen, drohen Entkopplungspro- zesse oder soziale Ausgrenzung. So lässt sich eine Gruppe von Jugendlichen identi- fizieren, die zum einen aus institutionellen Bezügen wie Schule oder Ausbildung, zum anderen aber auch aus sozialen Bezie- hungsnetzen und Hilfeeinrichtungen herausfallen. Sie werden auch als „discon- nected youth“ bezeichnet. 1 Neben der feh- lenden institutionellen Anbindung treten weitere Faktoren hinzu, die diese Ent- kopplung ausmachen wie beispielsweise gesundheitliche Beeinträchtigungen, Teen- ager-Schwangerschaften, Drogenkonsum oder Gewalterfahrungen. Auch lassen sich vielfach schwierige Beziehungen zur Her- kunftsfamilie beobachten. Eine besonders sensible Phase in der Biografie junger Menschen mit Entkopp- lungserfahrungen stellt der Übergang in die Volljährigkeit dar. Jugendliche, die Jung, benachteiligt und mit 18 schon draußen Der Übergang in die Volljährigkeit ist für exkludierte Jugendliche besonders heikel. Sie fallen aus den Angeboten der Jugendhilfe heraus. Von ihnen wird verlangt, dass sie sich selbst um Unterstützung bemühen. Viele sind dazu aber nicht in der Lage. Bild: Christiane Stieff Nicht immer sind junge Menschen den Anforderungen des Lebens gewachsen. 9

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jugendhilfe

neue caritas 7/2016

Birgit Reißig, Frank Tillmann,

Tatjana Mögling

Der Übergang in die Selbstständigkeit desErwachsenenlebens ist für manche Ju -gendliche mit einer Reihe von Exklusions-risiken behaftet. Im Rahmen einer von derVodafone Stiftung in Auftrag gegebenenStudie des Deutschen Jugendinstituts wurden die dabei drohenden Entkopp-lungsprozesse bei Jugendlichen aus dreideutschen Großstädten (Hamburg, Köln,Leipzig) untersucht.

Jugendliche ohne Chancen?Die Jugendphase ist eine Zeit des Über-gangs, die mit zahlreichen Anforderungen

verbunden ist. Um diese Statuswechsel,besonders den Übergang von der Schule indie Arbeitswelt, bewältigen zu können,brauchen junge Menschen entsprechendeRessourcen. Sind diese nicht vorhanden,können sie beispielsweise nicht auf dieUnterstützung durch das Elternhauszurückgreifen, drohen Entkopplungspro-zesse oder soziale Ausgrenzung. So lässtsich eine Gruppe von Jugendlichen identi-fizieren, die zum einen aus institutionellenBezügen wie Schule oder Ausbildung, zumanderen aber auch aus sozialen Bezie-hungsnetzen und Hilfeeinrichtungen

herausfallen. Sie werden auch als „discon-nected youth“ bezeichnet.1 Neben der feh-lenden institutionellen Anbindung tretenweitere Faktoren hinzu, die diese Ent-kopplung ausmachen wie beispielsweisegesundheitliche Beeinträchtigungen, Teen-ager-Schwangerschaften, Drogenkonsumoder Gewalterfahrungen. Auch lassen sichvielfach schwierige Beziehungen zur Her-kunftsfamilie beobachten.

Eine besonders sensible Phase in derBiografie junger Menschen mit Entkopp-lungserfahrungen stellt der Übergang indie Volljährigkeit dar. Jugendliche, die

Jung, benachteiligt und mit 18 schon draußenDer Übergang in die Volljährigkeit ist für exkludierte Jugendliche besonders heikel.

Sie fallen aus den Angeboten der Jugendhilfe heraus. Von ihnen wird verlangt, dass sie

sich selbst um Unterstützung bemühen. Viele sind dazu aber nicht in der Lage.

Bild: Christiane Stieff

Nicht immer sind junge Menschen denAnforderungen desLebens gewachsen.

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Studie

neue caritas 7/201610

bereits in Einrichtungen der Jugendhilfebetreut wurden, fallen mit dem Übertritt indie Volljährigkeit oftmals aus derartigenAngeboten heraus. Sie müssen sich nunallein den Zugang zu entsprechendenMaßnahmen verschaffen, sind aber häufignicht in der Lage dazu. Diese Jugendlichenstanden im Zentrum der genannten Studie,die das Deutsche Jugendinstitut in derZeitspanne von Juni 2014 bis Juni 2015durchgeführt hat. Dabei wurden nebenbetroffenen Jugendlichen auch (sozial-)pädagogische Fachkräfte sowie Mitarbei-ter(in nen) aus Ämtern (zum BeispielJugendamt) oder Jobcentern befragt.2

Fokussiert wurde auf die Wahrnehmungder Exklusionserfahrungen der betroffe-nen Jugendlichen sowie die Nutzung undBeurteilung der Unterstützungsstruktu-ren.

Was berichten die Jugend lichen?Aus den Berichten der befragten Jugendli-chen und jungen Erwachsenen lassen sichgemeinsame Merkmale ausmachen, dietypische Lebenslagen in der Herkunfts -familie charakterisieren: n Patchworkfamilien, n Gewalterfahrungen, Verwahrlosung, n Einkommensarmut, Überschuldung,n niedrige Formalbildung,n Suchtproblematik.In vielen Fällen treten mehrere oder allegenannten Merkmale gemeinsam auf. Dieoftmals problematischen Familienstruktu-ren und die daran gekoppelten Erfahrun-gen von Gewalt, emotionaler Vernachläs-sigung, Verwahrlosung und materiellerNot können als biografischer Hintergrundeine „Erblast“ für die Jugendlichen undjungen Erwachsenen darstellen, die nichtnur im frühen Jugendalter, sondern gege-benenfalls auch im jungen Erwachsenen -leben den Verselbstständigungsprozesserschweren.

Anhand der Aussagen von Jugendli-chen in den Interviews wird vielfach dieschwierige Situation in der Herkunftsfami-lie deutlich, wie aus den folgenden Passa-gen hervorgeht:

„Seitdem ich nicht mehr zu Hause woh-ne, haben die die ganze Wohnung so umge-staltet, dass ich da nicht mehr rein kann!Also mein Bett ist weggeschmissen wor-den … Sofort! Mein Zimmer hat meinekleine Schwester bekommen (…) MeineMutter hat gesagt: ‚Du kommst hier nichtmehr rein!‘“ (Jugendliche weiblich, 17 Jah-re)

„Ich bin mit 14 Jahren von zu Hauseweg, mein Vater hat mich damals sexuellbelästigt, ich hatte auch sehr starkeDepressionen gehabt, wurde geschlagen,ich wurde regelrecht verprügelt. Bis ich mirirgendwann in der Schule von meiner Sozi-alarbeiterin Hilfe geholt hab (…) Da hatsie eben dem Jugendamt Bescheid gesagt;die haben mich dann von zu Hause wegge-nommen, bin dann ins Heim gekommen(…) Da gab’s Gerichtstermine, und meineEltern haben das Sorgerecht erst mal ent-zogen bekommen (…) Diese ganze Zeitvom 14 bis zu meinem 18. Lebensjahr, daswar für mich einfach die Hölle.“ (JungeErwachsene weiblich, 20 Jahre)

Sie fühlen sich von den Behörden herumgeschubstDie Fähigkeit dieser jungen Menschen zurSelbstreflexion ist häufig schwach ausge-prägt. Dies führt dazu, dass es den Jugend-lichen und jungen Erwachsenen ohne pro-fessionelle Begleitung nur schwer möglichist, negative Lebenserfahrungen aufzulö-sen und ihnen positive Ziele und konkreteLebensplanungen entgegenzusetzen. ImKontakt mit den zuständigen Behörden –insbesondere den Jugendämtern und Job-centern – fühlen sich diese Jugendlichenunterlegen, an den Rand gedrängt, schika-niert, herumgeschubst und als „Fälle“behandelt, wie das folgende Zitat zeigt:

„Nur Probleme! Also jeder Menschhatte über mich zu bestimmen, aber nur ichhatte kein Recht, irgendwie zu sagen: ,Nee,ich möchte nicht …‘, Jugendamt durfte wassagen, meine Heimleiter durften wassagen, dann durften die Polizei und dasGericht, … meine Eltern hatten auch nochüber mich zu bestimmen, nur ich durfte niesagen: ,Nee, ich möchte jetzt eure Ent-

jugendhilfe

statement

Nicht am falschenEnde sparen!

Täglich geraten Jugendliche und

junge Volljährige in Deutschland auf

die Straße. Die Ursachen sind viel-

fältig. Oft gehen „Jugendhilfekarrie-

ren“ voraus. Nicht selten wurde die

Jugendhilfe mit dem 18. Geburtstag

ohne geeignete Folgemaßnahme

beendet. Eine Überforderung der

jungen Menschen ist programmiert.

Die Folgen: Obdachlosigkeit, Mittel-

losigkeit, Überschuldung, Kriminali-

tät, Drogenmissbrauch, Perspektiv-

losigkeit und gesundheitliche Beein-

trächtigungen. Vor allem aber: die

versagte Chance auf gesellschaftli-

che Integration. Und das, obwohl

der Gesetzgeber genügend Spiel-

raum lässt. Eine Verlängerung auch

vollstationärer Hilfen über den 18.

Geburtstag hinaus ist vorgesehen

und in der Regel zu gewähren. Doch

die Praxis der Jugendämter sieht

anders aus: Kommunen und Land-

kreise sparen. Die Regel wird zur

Ausnahme, die jungen Menschen

werden von den Hilfesystemen ent-

koppelt. Kurzum: Der Rechtsan-

spruch auf Jugendhilfe bis zum 21.

Lebensjahr ist dringend als „Muss-

Leistung“ zu formulieren. Eine Bün-

delung der Ansprechpartner bei

Jobcentern und Jugendämtern nach

dem Vorbild der Jugendberufsagen-

turen wäre zudem bundesweit ziel-

führend. Sonst sparen Politik und

Gesellschaft am falschen Ende!

Colin Emde

Leiter der Street-work-Station Köln E-Mail: [email protected]

scheidung nicht, ich will mal einmal dasmachen …‘, weil ich durfte das einfachnicht! … Eigentlich müsste ich Jugendhil-fe bekommen, hab ich, glaub ich, Recht biszum 25. oder 24. Lebensjahr. Die habengesagt: ,Nee. Wenn du dich gegen die Pfle-gefamilie entscheidest und dein Dingdurchziehen willst, dann kriegst du nichtsmehr.‘ Und ich hab ja gar keine Ahnungvon diesen Rechten!“ (Junge Erwachseneweiblich, 20 Jahre)

Bei einigen der Befragten sind bereitsmit Anfang zwanzig Tendenzen zu erken-nen, sich mit dem „Schicksal“ als Verliererabzufinden. Die Kombination von be -schränkten finanziellen Mitteln, einerniedrigen Formalbildung sowie schwachentwickelten sogenannten Sekundärtu-genden wie Disziplin, Zuverlässigkeit,Frustrationstoleranz kann bei den Jugend-lichen und jungen Erwachsenen mitschlechten Startvoraussetzungen weitereÜbergangswege erschweren, zum Beispielin Ausbildung oder Beruf,

Wenn Handyrechnung undMiete nicht bezahlt sind ...Vor dem Hintergrund der Überforderungmit der behördlichen Vorgehensweise unddem weiteren Befund, dass diese jungenMenschen auch bei der Entwicklung rea-listischer Lebensperspektiven vielfach aufUnterstützung von außen angewiesensind, wird ihr Bedarf einer langfristigerensozialpädagogischen individuellen Betreu-ung und Begleitung offenkundig. Wird die-se nicht (mehr) gewährt oder war diese garnicht erst vorhanden, erwiest sich die Ent-lassung in eine formalrechtliche Selbst-ständigkeit mit Beginn ihres 18. Lebens-jahres oft als Scheideweg für den weiterenEntwicklungsverlauf. Oftmals tragen dieseJugendlichen konkrete Belastungen mit indie Volljährigkeit, wie es einer der Jugend-lichen berichtet:

„Ich habe auch noch Handyrechnungenzu begleichen, das sind so Jugendsünden,und die laufen halt immer noch, und diemuss man halt bezahlen, ansonsten drohtman mit Gerichtsvollzieher oder sonstwas.“ (Jugendlicher männlich, 19 Jahre)

Geprägt durch ihre Erfahrungen mitBevormundung, Reglementierung undSanktionierung in der Herkunftsfamilieund später zumeist auch in der stationärenUnterbringung, führt die dabei vernachläs-sigte Befähigung zur selbstständigenLebensführung zunächst in das „befreite“Leben im eigenen Wohnraum, späterjedoch oftmals in das erneute Scheitern:

„Na meine jetzige Lebenslage ist halt,also eine Wohnung hab ich jetzt endlich,bekomme auch Hartz IV … weil das warhalt auch nicht so einfach wegen Drogenund so … Aber ich hab halt immer nochSchulden; aber zum Glück keine Miet-schulden mehr. Die hab ich jetzt endlichabbezahlt. Das ist jetzt nicht mehr, weilwenn man Mietschulden hat, dannbekommt man hier ... keine Wohnung.Also man muss da so einen Vormieter-Vertrag geben, und also hat man einmalScheiße gebaut und ist rausgeflogen ausseiner Wohnung und hat Mietschulden,dann bekommt man auch keine mehr ...das war also erst mal ziemlich lange einProblem.“ (Junger Erwachsener männlich,25 Jahre)

Anforderungen für Praxisund PolitikZusammenfassend lassen sich bei denJugendlichen sowohl positive als auch nega-tive Erfahrungen ausmachen, die sie mitHilfeeinrichtungen unterschiedlicher Artgemacht haben. Dabei werden die unmittel-baren und individuellen Hilfestellungen,zum Beispiel durch niedrigschwellige Ange-

bote der Jugendhilfe, eher positiv einge-schätzt. Die Erfahrungen mit Ämtern undBehörden werden in mehreren Fällen ehernegativ wahrgenommen (s. Tab. unten).

Aus den Berichten der befragtenJugend lichen lassen sich Hinweise für dieAus gestaltung von Hilfestrukturen und Ju -gendhilfepolitik ableiten. Drei zentraleAn forderungskomplexe werden folgendherausgegriffen.

In einem ersten Schritt geht es um dieverbesserte präventive Erkennung vonRisikolagen. Dafür sollte das Thema fürErzieher(innen), Lehr- und Fachkräfte(zum Beispiel Kita, Schule, Jobcenter) vielstärker als bislang als Bestandteil ihrer Aus-bildung und als verbindliche Fortbildungenoder Schulungen verankert werden. Dane-ben ist es notwendig, Schulsozialarbeit als integralen Bestandteil des Bildungs-und Erziehungsauftrages von Schulen mit angemessener Ressourcenausstattung zurealisieren. Außerdem brauchen Schulendirekte Ansprechpartner(in nen) beimJugendamt, wenn sie Fragen zu problema-tischen Jugendlichen haben. Ò

Studie jugendhilfe

„Ich bin mit 14 von zu Hause weg“

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Erfahrungen der Jugendlichen

Positiv Negativ

n Zumindest die erste Zeit im Heim/in derPflegefamilie wird als Befreiung erlebt

n Individuelle Beratung und Begleitung/Coaching

n Halbstationäre/ambulante Wohnformen n Unterstützung der Träger bei „Papier-

kram“ n Übernahme von Bürgschaften für eige-

nen Wohnraum

n Verschiedenste bürokratische Hürden n Fremdbestimmtsein/Kontrolle n Als Kostenfaktor betrachtet, es geht

nicht um den Jugendlichen als Mensch n Standardisierte Verfahren n Ablehnung der Zuständigkeit/

fühlen sich im Stich gelassen n Sanktionspraxis

neue caritas 7/2016

Studiejugendhilfe

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Ein zweiter Aspekt ist, erweiterteAngebote für die betroffene Gruppe zuschaffen. Zwischen niedrigschwelligerNotversorgung und dem Case-Manage-ment der SGB-II-Institutionen bedarf eseiner vermittelnden institutionalisiertenAngebotsebene mit einem Schwerpunktauf Begleitung. Auch bei schwierigen Rah-menbedingungen ist es wichtig, einenunverzüglichen Zugang zu Wohnraum zuschaffen (zum Beispiel über Kontingente).Zugleich muss die Finanzierung einerBegleitung in den eigenen Wohnraum gesi-chert sein. Dem Wissen folgend, dass es fürentkoppelte Jugendliche besonders wich-tig ist, verlässliche Ansprech- und Bezugs-partner für die Gestaltung ihres Lebensall-tags zu haben, kommt der Verstetigungerfolgreicher Angebote eine besondereBedeutung zu.

Neben den aufgeführten unmittelbarenAnforderungen sind einige perspektivi-sche Anforderungen zu nennen. Hierbeihat sich aus den Interviews mit den Exper-tinnen und Experten aus Praxis und Poli-tik eine Reihe von Aspekten herauskristal-lisiert, welche die Rechtskreisproblematikin den Blick nehmen (s. Abb. oben).

Zum einen wird eine bessere Abstim-mung und Zusammenarbeit zwischen denverschiedenen Zuständigkeiten gefordert.Eine Möglichkeit, die von den Expertin-nen und Experten genannt wurde, ist die

Einrichtung von Jugendberufsagenturen.Zum anderen wird angemahnt, dass der§  41 SGB VIII (also die Hilfe für jungeVolljährige) konsequent auch für diejeni-gen jungen Volljährigen angewendet wer-den sollte, die zuvor noch keine Leistungender Jugendhilfe erhalten haben.

Scheitern kann institutionellmitverursacht seinIm Rahmen der Studie ist deutlich ge -worden, dass sich Jugendliche aus pro-blembelasteten Herkunftsfamilien mitinstitutionellen Autonomieerwartungenkonfrontiert sehen, die sie aufgrund ihrerzurückliegenden Erfahrungen vielfachnicht erfüllen können.3 Gleichzeitig müs-sen sie im Umgang mit institutionellenAkteuren zunächst personale Ressourcenaufbringen, um überhaupt Ressourcen desHilfesystems in Anspruch nehmen zu kön-nen. Das Erreichen der Volljährigkeit mussbei einem entkoppelten Jugendlichen alsein „neuralgischer Punkt“ im Verselbst-ständigungsprozess betrachtet werden, andem ein Scheitern institutionell mitverur-sacht wird. Darüber hinaus wurde offen-bar, dass die schwierigen Bedingungen desAufwachsens vieler Jugendlicher in pro-blembelasteten Herkunftsfamilien häufigvom Hilfesystem nicht erkannt werdenund dringend gebotene Interventionensomit vielfach ausbleiben.

Anmerkungen

1. HAIR, E. B. et al.: Youth who are „discon-

nected“ and those who then reconnect: As-

sessing the influence of family, programs,

peers and communities. In: Research Brief,

2009-37.

2. Zum Design der Studie: MÖGLING, T.; TILL-

MANN, F.; REIßIG, B.: Entkoppelt vom System.

Jugendliche am Übergang ins junge Erwach-

senenalter und Herausforderungen für Ju-

gendhilfestrukturen. Düsseldorf: Vodafone

Stiftung Deutschland, 2015.

3. Vgl. FISCHER, J.; LUTZ, R.: Herausforderungen

und Orientierungen in einer ambivalenten Mo-

derne. In: FISCHER, J.; LUTZ, R. (Hrsg.): Jugend

im Blick. Weinheim/Basel: Beltz/Juventa,

2015, S. 312–322.

Dr. Birgit Reißig

Leiterin des Forschungs-schwerpunktes Übergängeim Jugendalter, DeutschesJugendinstitut e.V., Außen-stelle Halle/SaaleE-Mail: [email protected]

Frank Tillmann

Wissenschaftlicher Refe-rent im Forschungs-schwerpunkt Übergängeim JugendalterE-Mail: [email protected]

Tatjana Mögling

Wissenschaftliche Refe-rentin im Forschungs-schwerpunkt Übergängeim JugendalterE-Mail: [email protected]

Einschätzung der Rechtskreisproblematik aus Sicht der Expert(inn)en