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Umgang mit Gewalt und
Selbstschutz in der Beratung
Workshop II - MBE Weimar 16. November 2018
Institut für genderreflektierte Gewaltprävention - Berlin
Referentin: Christiane Quadflieg
Frustration der Klienten z.B. bei Problemen bei der Familienzusammenführung.
Ich stoße an meine Grenzen bei zu hohen Erwartungen der Klient_innen,
die ich nicht erfüllen kann.
Aggressiv geäußerte Unzufriedenheit mancher Klienten, die die Erwartung
haben, dass die MBE alles für sie erledigt.
Es gibt ab und an Menschen, die schon aggressiv in die Beratung kommen.
Ich arbeite immer mal alleine in der Einrichtung – Fragen zum Selbstschutz –
Grundsätzliche Sicherheitsvorkehrungen in der Beratung.
Distanzzonen werden von Klienten nicht eingehalten –
Konflikte im Wartebereich.
Beratungen von Klienten unter Alkohol- und Drogeneinfluss.
Klient_innen mit psychischen Belastungen.
Stimmungswechsel während der Beratung - Aufbau von Aggressionen.
Beispiele der Erfahrungsabfrage MBE
„Kaum Erfahrungen mit Gewalt…zum Glück“
• „Wir erleben von unseren Beratungen kaum Gewaltpotentiale von unseren Klienten“.
• „Ich selbst habe (glücklicherweise) noch keine extremen Erfahrungen machen müssen…“
• „Eigene Erfahrungen mit dem Thema habe ich im Rahmen der MBE zum Glück noch nicht machen müssen.“
• „Konfliktgeladene Fälle aus dem Beratungsalltag kann ich noch nicht beisteuern,da ich die Arbeit in der MBE erst kürzlich aufgenommen habe.“
• „Zum Glück kann ich kein Beispiel beisteuern, aber ich arbeite immer mal alleine in der Einrichtung und der Selbstschutz beschäftigt mich daher natürlich schon.“
• „Die MBE an meinem Arbeitsort findet in einem Integrationszentrum statt, selten ist es vorgekommen, dass sich Konflikte unter den Teilnehmern und Teilnehmerinnen entwickelt haben und wir als Team dann gefordert sind, diese zu schlichten.“
Strategien der Deeskalation
in der Beratung• Reframen, konstruktive
Annahmen
• Selbstreflexion: eigene ‚rote Knöpfe‘ realisieren
• Nicht hineinziehen lassen
• Machtkampf zurückweisen/ nicht Siegen wollen
• Auf ‚Predigen‘ verzichten
• Re-Aktionen verzögern, Tempo reduzieren, Klärung aufschieben
• Embodiment Techniken –Körperebene (Atmung/Haltung, Ausdruck etc.)
Mein „Austiegsmantra“
o Ich bin die_der Berater_in, mein Fokus bleibt auf
‚Empowerment und Teilhabe‘
o Ich bleibe gelassen
o Ich habe Zeit – ich bleibe beharrlich
o Ich atme ruhig ein und aus…
o ich habe Unterstützung - Ich bin NICHT allein
o ich steige aus - Ich steige nicht ein
o Ich bleibe klar - Es geht NICHT um‘ s siegen
o Ich kann unabhängig handeln
o Stopp – ich gehe einen Schritt zurück
o das geht auch vorbei…
Deeskalierende Kommunikation
� Empathisch auf Gegenüber konzentrieren/einlassen & dies
durch die eigene Körperhaltung ausdrücken
� Nicht- wissende Haltung – Offenheit/Interesse
� Anbieten statt Erwarten/Fordern
� Auf das ‚Positive‘ der_s Anderen fokussieren
� Sich nicht durch Vorwürfe & Kritik aus der Ruhe bringen lassen
� Pausen machen, Geduld bewahren
� Humor und unerwartete Wendungen anbieten
� ‚ICH- statt DU-Botschaften‘
Die Ich – Botschaft nach Marshall B. Rosenberg
Kritik konstruktiv formulieren
‚gesehen‘
dass wir gemeinsam eine gut Lösung
Wenn Sie schreien/ ungehalten agieren, (Anlass wertfrei als
Beobachtung)
bin ich irritiert, verunsichert, ärgerlich, gekränkt …
(Gefühl benennen)
Weil ich respektiert (in meinem Bemühen Sie gut zu beraten) ‚gesehen‘
werden will
(dahinter liegendes Bedürfnis /Wertehaltung)
und ich wünsche mir dass wir gemeinsam eine gut Lösung
finden (Wunsch, Bitte, Erwartung)
Traumapädagogische Aspekte
in der Beratung
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• achtsam & wertschätzend & demütigungsfrei
• Beziehung anbieten
• Klient_innen einfühlsam aber nicht
übervorsichtig begegnen
• Gefühl der Kontrolle ermöglichen
• ressourcenorientiert
• ‚Hier & Jetzt‘ stabilisierende Interventionen
bereithalten
‚Gute‘ Gründe er_finden &
ressourcenorientiert ‚Reframen‘
Herausforderungen im
Beratungsalltag professionell
begegnen
Konstruktive AnnahmenKonstruktive Annahmen�Jede Handlung ist der mehr oder weniger geglückte Versuch
ein Bedürfnis zu befriedigen.
�Es gibt immer ‚gute‘ Gründe auch für ‚negatives‘ Verhalten.
�‚Probleme von heute‘ können ‚Lösungen von gestern‘ sein.
� ‚Ver_störende‘ Verhaltensweisen können wichtige
Botschaften ans System enthalten.
�In jedem Verhalten stecken Energien (Ressourcen) und
Effekte, die produktiv gemacht werden können.
‚Gute‘ Gründe er_finden
& Verhalten reframen
‚Gute‘ Gründe er_finden
& Verhalten reframen
Reframen:
�‚Gute‘ Gründe: Bedürfnisse, Lösungsversuche ,Botschaften
ans System (‚meine Hypothesen‘)
�Ressourcen: Enthaltene Kompetenzen, Kräfte, Fähigkeiten
�Positive ‚Nebenwirkungen‘ für meine Arbeit:
„Stroh zu Gold spinnen“ Wie kann ich die Situation für mich
positiv wenden / nutzen?
‚Verhalten‘
Klient_in re_agiert ungehalten
/ wirkt verärgert
‚Gute‘ Gründe /
Bedürfnisse• andere Erwartungshaltung
• Enttäuschung über
Beratungsergebnis
• Stress
• Erschöpfung
•Sprachbarrieren
•Diskriminierungserfahrungen
•Respekt
•Gerechtigkeit
• Angemessener Umgang
Ressourcen• ‚Mutig
• Auseinandersetzungsbereit
• Eigensinnig
• widerständig
• ehrlich
• Gerechtigkeitsempfinden
• Offenheit
• Würde verteidigen
Botschaften ans System •ich möchte keine aufgesetzten
Höflichkeiten
• zu viele Erwartungen im Raum
• ich fühle mich nicht wohl/nicht
respektiert
• Ich entscheide selbst, mit wem ich wie
in Kontakt gehe / mehr Autonomie
• Hier ist noch eine ‚Rechnung‘ offen
• mehr Empathie /Verständnis bitte
• in unserer Zusammenarbeit passt mir
etwas nicht
• Mir geht es nicht gut
• ich brauche etwas anderes
Positive Nebenwirkungen für meine Arbeit: Möglichkeiten und Grenzen der Beratung offen
anzusprechen; Selbstreflexion eigener Haltung & Handlungsweise; Angebot Gefühlen & Bedürfnisse zu
thematisieren; eigene Grenzen wahrnehmen & setzen; eigene Gefühle/Resonanzen wahrnehmen;
Klient_in Metaebene anbieten; zugewandte Beharrlichkeit trainieren; über Schutz und Selbstfürsorge
nachdenken.
Fallarbeit /Austausch
Strategien der Deeskalation
Fallarbeit 1
Grundsätzliche Sicherheitsvorkehrungen
• „In der Beratung bin ich im Moment alleine im Büro,keine weiteren Teamkollegen*innen anwesend. Ein Klient wollte nicht gehen und ist sehr ‚fordernd mir gegenüber‘ geworden“.
• „Da ich nie Möglichkeiten habe mir eine weitere Person zur Unterstützung zu holen (immer allein), mitten im Wohnumfeld der Klienten, besonders in den zeitig dunkel werdenden Monaten, Beraterin würde nicht mitbekommen, ob sich nach der Beratungszeit jemand im unteren Treppenbereich aufhält.“
Fallarbeit 2
• „In die offene Beratung (d.h. nur kurze Zeit für Beratung) kommt ein Herr, der einen Erstantrag auf ALG II ausfüllen möchte. Da im Warteraum noch andere Klient*innen auf die Beratung warten wird dem Klient mitgeteilt, dass für die Ausfüllung seines Antrages ein Termin für einen anderen Tag vereinbart werden soll. Er soll am nächsten Tag kommen. Worauf er sich sehr aufregt, und anfängt mit dem Dolmetscher, der auch bei der Beratung dabei ist, zu schimpfen. Er wird richtig laut. Die Beraterin versucht ihn zu beruhigen, das funktioniert nicht.“
Fallarbeit 3
• „Was tun, wenn die Ratsuchenden zu hohe
Erwartungen hegen und ich diesen nicht
gerecht werden kann, da meine
Handlungskompetenz begrenzt ist…?“
Fallarbeit 4
• „Erwartung manchen Klienten, dass die MBE
alles für sie erledigt, die Angebote werden
von Klienten als „Schrott“ bewertet und
sie äußern aggressiv ihre Unzufriedenheit.“
Fallarbeit 5
• „Wie umgehen Frustration der Klienten,
wegen Problemen bei der
Familienzusammenführung (lange
Wartezeiten, Verlangen von Unterlagen, die
nicht zur Verfügung stehen usw.) ?“
Arbeitsblatt - Fallarbeit
Erste Impulse
• Was löst der Fall / die Fragestellung bei Ihnen aus?
• Welche Assoziationen, Bilder, Gedanken, melden sich?
• Welche Gefühle nehmen Sie bei sich wahr?
Analyse von Konfliktsituation und Kontext
• Was und wer ist aus Ihrer Sicht an der Situation beteiligt?
• Welche Bedingungen könnten möglicherweise eine Rolle für den Konflikt /die Problematik spielen. (Hypothesen) ?
• Sie können hierzu gerne eine Skizze machen.
Wie könnten Sie als Berater_in deeskalierend auftreten bzw. agieren?
• Welche Haltungen könnten hilfreich bzw. wirkungsvoll sein?
• Mit welchen Handlungsstrategien haben sie gute Erfahrungen gemacht?
• Bitte sammeln und notieren Sie alle weiteren Ideen, die ihnen einfallen.
Welchen Handlungs- und Reflexionsbedarf sehen Sie darüber hinaus bzw. im Anschluss
• auf individueller, kollegialer Ebene, im Team, bei der Leitung & auf strukturell-organisatorischer Ebene?
Bitte Ergebnisse auf Flipchartpapier festhalten . Danke!
Deeskalation von Bedrohungs-
und Gewaltsituationen
und
Grenzen der Deeskalation
Aufstellung/Rollenspiel I
• Hocheskalierte Situation zwischen Berater_in
und mehreren Klient_innen
„Auseinandersetzungen der Klienten im Wartebereich
unterschiedlicher Nationalitäten. Beraterin steht als
‚Schlichterin‘ zwischen den Männern.“
BK1 K2
Szene
im Wartebereich
Eskalierter Konflikt zwischen Klient_in(nen) –
Berater_in kommt dazu
• Eigene Einstellung wahrnehmen (Da ist jemand in Not !) - Atmung /Körperhaltung
• Mit Namen ansprechen/Aufmerksamkeit auf sich lenken
• Klare, ruhige Sätze: Es ist meine Aufgabe für Sicherheit aller zu sorgen: Bitte hören Sie sofort auf.
• Angebot: Es lässt sich… /wir können alles in Ruhe besprechen/klären.
• Einzeln ansprechen: X. , Y, lassen Sie uns die Sache friedlich…
• Außenstehende ansprechen: deutlich/klar auffordern die Situation zu verlassen: Bitte gehen Sie …/alle anderen gehen bitte in Raum z
• Klare Aufforderung Unterstützung zu holen: Verständigen Sie (nicht beteiligte Anwesende) bitte meine Kolleg_in; die Polizei, die Security, dass wir Hilfe brauchen.
• Eigene Schritte benennen: Ich hole jetzt …zur Unterstützung
Klare, ruhige, kontrollierte Haltung und Ansprache
Sich als Berater_in von Klient_in verbal/körperlich
bedrängt/bedroht fühlen
• Eigene Einstellung wahrnehmen (Da ist jemand in Not !) - Atmung /Körperhaltung
• Person mit Namen ansprechen (laut/deutlich/klar/ruhig)
• Grenzen setzen: Stopp, bitte bleiben Sie stehen!
• Grund nennen: Ich – Botschaft: Ich fühle mich bedroht/ Sie machen mir Angst …
• Eindrücke vermitteln: Sie wirken sehr wütend/sauer/ aufgebracht auf mich…
• Hilfe anbieten: (Wie) Kann ich Sie unterstützen ? /
Ich kann Ihnen bestimmt helfen, wenn Sie mich lassen.
• Angebote: Wir können das sicher friedlich regeln…Raus gehen, Tee trinken…
‚Ja- Haltung‘ (spiegeln), Offene Fragen, kontrollierter Dialog !
Deeskalation in Bedrohungs- und
Gewaltsituationen I
• Selbstschutz – für eigene Sicherheit sorgen
• Ruhig bleiben- Atmung kontrollieren
Panik und Hektik vermeiden
• Zugewiesene ‚Opferrolle‘ verlassen – Aktiv
werden
deutlich machen, was du willst z.B. Stopp
• Blickkontakt und Kommunikation
aufrechterhalten bzw. herstellen
Deeskalation in Bedrohungs- und
Gewaltsituationen II
• Verhalten benennen und kritisieren- nicht Drohen oder Beleidigen
• Körperkontakt vermeiden
• Etwas Unerwartetes tun ! - aus der Rolle fallen - überraschen – irritieren
• Unterstützung einholen – Konkret von den Umstehenden einfordern
Verhalten in kritischen Situationen
Versuchen:
• Eigenen Gefühlszustand wahrnehmen & akzeptieren
• Sachlich & unaufgeregt bleiben
• Ruhe & Sicherheit ausstrahlen
• Aufmerksamkeit & Kontakt halten
• Geduldig & höflich bleiben
• Fluchtweg für Person offen lassen
• Seitlich und auf Armlänge bei Person stehen
• Nicht aufgeben ABER
Selbstschutz und Schutz Unbeteiligter geht vor !!!
Vermeiden:
• Herablassende, arrogante Haltung
• Lautstärke
• Handgemenge, Angriff bzw. Angriffserwartung
• Permanenten Augenkontakt und Rücken Position
• Streit, Provokation
• In die ‚Ecke drängen‘
• Muskelanspannung
• heftige Gefühle
• Selbst weggehen gilt NUR solange keine direkte Gefahr für Leib und Leben besteht
Nach der Gewaltsituation
• Opfer schützen und stützen: Was braucht der_die Betroffene ?
• Vorfall aufarbeiten,, SV, Therapie, Coaching, ‚Time out‘ anbieten
• Verantwortungsübernahme und Konsequenzen auf Seiten des_r‚Täter_in‘ klären z.B. Wiedergutmachung anregen, Anzeige, Täter-Opfer Ausgleich
• Normen / Regeln verdeutlichen: keine Gewalt
• Maßnahmen zum Schutz /Sicherheit überprüfen
• Notfallplan und Schutz durch Leitung sicherstellen
Grenzen der Deeskalation
• Geplante Gewalthandlungen
• Agierende Person hat einen sehr hohen
Kontrollverlust ‚Rotsehen/Ausrasten‘
• Gewaltdynamik ist bereits sehr hoch bzw. mit
Waffengewalt
• Zu viele agierende Personen sind beteiligt
Selbstschutz, geschützter Rückzug, Hilfe holen
Selbstschutz
• Was brauche ich, um mich an meinem
Arbeitsplatz sicher und geschützt zu fühlen?
• Was funktioniert gut, was funktioniert
weniger gut?
• Was halte ich für unabdingbar?
• Was würde ich mir wünschen?
Selbstfürsorge & Präsenz
• Wie sorge ich gut für mich ?
• Was erlebe ich, mit Blick auf meine Aufgaben,
als unterstützend und entlassend?
• Wann erlebe ich mich als professionell
präsent? Was ist dafür hilfreich?
• Was würde ich mir wünschen ?