Über rubeosis iridis diabetica und ihre allgemein-medizinische bedeutung

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(Aus der Universit~ts-Augenklinik Kiel. -- Direktor: Professor Dr. Meesmann.) 1Uber Rubeosis iridis diabetica und ihre allgemein-medizinische Bedeutung. Mit anatomischem Befund. Von Horst Fehrmann. Mit 9 Textabbildungen. Salus beschrieb 192.8 an Hand von drei Einzelbeobachtungen eine Irisveri~nderung, die er ,,Rubeosis iridis diabetica" nannte. Es handelte sich um Neubildung yon Capillarnetzen auf der Iris im Sphinctergebiet bei Diabetes me]litus, regelmi~l~ig verbunden mit erheblichem Druck- anstieg, der durch Miotika nicht gesenkt, sondern zuweilen noch erh5ht wurde. Axen/eld teilte 1929 einen weiteren Fall mit. Er sprach yon Er- weiterung der Capillaren im Sphinctergebiet, ,,oft herdf5rmig in r5tlichen Inseln". Der Druck im Auge war ebenfalls etwas erh5ht. Weitere Befunde, die nichts wesentlich ~eues brachten, stammen yon Sallmann (1935), GaUino (1936), Motolese (1936). N~her zu erw~hnen ist die kfirzlich erschienene Arbeit fiber dieses Thema yon Kum aus dem Jahre 1937. Neben klinischen Befunden brachte er als erster die Ergebnisse einer anatomischcn Un~ersuchung. 1. Fall. 29j/~hriger Diabetiker mit pluriglandularen St6rungen. Rechts in- kompensiertes Glaukom; links Tension ebenfMls erh6ht, Papi]le und Netzhaut yon neugebildeten Gef/~$en bedeckt. Auf den Irides wurden Gef/~Snetze haupt- si~chlich zwischen Pupillarsaum und Krause beobachtet. An der Spaltlampe wurden mit dem Kontaktglas im linken Auge periphere Synechien und auch in diesen Gebieten Gef/~l]netze gefunden. Miot'lka bewirkten weitere Drucksteigerung, Operationen hatten nur voriibergehenden Erfolg, beide Augen erblindeten. Im weiteren Verlauf atrophierten die Regenbogenh~ute, und gleichzeitig verschwanden die Rubeosisgef/~$e. 2. Fall. 66j~hrige Frau mit mittelsehwerem Diabetes, Niereninsuffizienz und Hochdruek. Beide Augen zeigten Rubeosis iridis; der Druck war nur im reehten erhSht. Die Gef~Bproliferationen auf der Irls stimmten mit denen des 1. FMles fiberein. Sie waren yon Blutungen begleibet. Links war die Papille ,,yon einem wundernetza1~igen Gefi~l~konvolut bedeckt". Der Augench'uck stieg rechts auf Verabreichung yon Pilocarpin weiter an. Das Auge wurde schliel]lieh enukleier$ und mikroskopisch untersucht. Histologischer Untersuehungsbe/und. Die neuen Gef/~l]e,,shad meist nur endothel- bekleidete Lticken in dem relativ zellreichen Gewebe". Es fanden sieh B]utungen in verschiedenen Teilen des Auges. In der Exkavation der Papille lagen neu- gebildete diinnwandige Gef/~Be in einem zarten, cystoide R~ume enthMtenden Gewebe, in der Netzhaut Ver~nderungen, die iiir eine Retinitis sprechen. Au~erdem lag in der Nervenfaserschieht ,,und dariiber, vonder Limitans interna gedeekt,

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Page 1: Über Rubeosis iridis diabetica und ihre allgemein-medizinische Bedeutung

(Aus der Universit~ts-Augenklinik Kiel. - - Direktor: Professor Dr. Meesmann.)

1Uber Rubeosis iridis diabetica und ihre allgemein-medizinische Bedeutung.

Mit anatomischem Befund.

Von

Horst Fehrmann.

Mit 9 Textabbildungen.

Salus beschrieb 192.8 an H a n d von drei E inze lbeobachtungen eine Irisveri~nderung, die er , ,Rubeosis iridis d iabet ica" nann te . Es handel te sich u m Neubi ldung yon Capil larnetzen auf der Iris im Sphinctergebiet bei Diabetes me]litus, regelmi~l~ig ve rbunden mi t erheblichem Druck- anstieg, der durch Miotika n ich t gesenkt, sondern zuweilen noch erh5ht wurde.

Axen/eld teil te 1929 einen weiteren Fal l mit . Er sprach yon Er- weiterung der Capillaren im Sphinctergebiet , ,,oft herdf5rmig in r5t l ichen Inse ln" . Der Druck im Auge war ebenfalls etwas erh5ht.

Weitere Befunde, die nichts wesentlich ~eues brachten, s t a mme n yon Sallmann (1935), GaUino (1936), Motolese (1936).

N~her zu erw~hnen ist die kfirzlich erschienene Arbei t fiber dieses Thema yon Kum aus dem Jahre 1937. Neben kl inischen Befunden brachte er als erster die Ergebnisse einer ana tomischcn Un~ersuchung.

1. Fall. 29j/~hriger Diabetiker mit pluriglandularen St6rungen. Rechts in- kompensiertes Glaukom; links Tension ebenfMls erh6ht, Papi]le und Netzhaut yon neugebildeten Gef/~$en bedeckt. Auf den Irides wurden Gef/~Snetze haupt- si~chlich zwischen Pupillarsaum und Krause beobachtet. An der Spaltlampe wurden mit dem Kontaktglas im linken Auge periphere Synechien und auch in diesen Gebieten Gef/~l]netze gefunden. Miot'lka bewirkten weitere Drucksteigerung, Operationen hatten nur voriibergehenden Erfolg, beide Augen erblindeten. Im weiteren Verlauf atrophierten die Regenbogenh~ute, und gleichzeitig verschwanden die Rubeosisgef/~$e.

2. Fall. 66j~hrige Frau mit mittelsehwerem Diabetes, Niereninsuffizienz und Hochdruek. Beide Augen zeigten Rubeosis iridis; der Druck war nur im reehten erhSht. Die Gef~Bproliferationen auf der Irls stimmten mit denen des 1. FMles fiberein. Sie waren yon Blutungen begleibet. Links war die Papille ,,yon einem wundernetza1~igen Gefi~l~konvolut bedeckt". Der Augench'uck stieg rechts auf Verabreichung yon Pilocarpin weiter an. Das Auge wurde schliel]lieh enukleier$ und mikroskopisch untersucht.

Histologischer Untersuehungsbe/und. Die neuen Gef/~l]e ,,shad meist nur endothel- bekleidete Lticken in dem relativ zellreichen Gewebe". Es fanden sieh B]utungen in verschiedenen Teilen des Auges. In der Exkavation der Papille lagen neu- gebildete diinnwandige Gef/~Be in einem zarten, cystoide R~ume enthMtenden Gewebe, in der Netzhaut Ver~nderungen, die iiir eine Retinitis sprechen. Au~erdem lag in der Nervenfaserschieht ,,und dariiber, vonder Limitans interna gedeekt,

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Ober Rubeosis h-idis diabetica und ihre allgemein.medizinisehe Bedeutung. 355

ein gli6ses Gewebe, in dem zahlreiche Lumina yon neugebildeten Gef/~l]en sichtbar w a r e n ~ ~.

Kurz ffihrte das Zustandekommen der intraokularen Druckstcigerung wesentlich auf die Entwicklung der peripheren Syneehien zurfick. Die Entstehung der Gef/~Bncubildungen ~uf Regenbogenhaut und N etzh~ut mSchte er mit einem ,,Nahrungshunger schwergesch~digter Gewebe" und einem daraus erwachsenden Bediirfnis nach ,,Vergr6Berung der transsudierenden Oberfl/~che" in Zusammenhang bringen. Einen Zu- sammenhang der Rubeosis mit der Hypertonie hie]t Kurz ffir wahr- scheinlich. Er wies auch darauf bin, dab diese sowohl bei jugendlichem Diabetes mit pluriglanduli~ren StSrungen ~Is auch bei mittelschwerem Altersdi~betes aufgetreten sei.

Untersucht man die H~iu/igkeit der Retinitis bei Rubeosis iridis diabetica, so ergibt sich, dab mit Ausn~hme je eines l~lles yon Salus und MotoIese s~mtliche bisher mitgeteilten F/~lle yon Rubeosis Netzhaut- ~lterationen aufwiesen; das sind 12 von 14 F/~llen. Vergleicht man damit die H/~ufigkeit der Retinitis bei Diabetes, so stSi~t man auf wesenttich niedrigere Verh/~ltniszahlen; z .B. ermittelten Gra/e (1922) eine solche yon 13,3% bei 300 untersuchten Diabetikern, Cammidge (1930) 4,8% bei 1000 Diabetikern, Folk und Soskin {1935) 33% Retinitis ailer Art,, 15 % l%etinitis centr~lis punctata Hirschberg bei 150 Diabetikern, dagegen 6 % Retinitis bei 150 Kontrollf~llen. Bei allen Einschr/~nkungen, die man wegen der geringen Zahl der mitge~eilten Rubeosisf/ille machen mu9, bleibt doch die au//allende Hgu/igkeit der Retinitis bei Rubeosis iridis im Vergleich zur Retinitis ohne Rubeosis bestehen.

Eigen¢ Beobachtungen.

In der Kielcr Universiti~ts-Augenklinik warden im Zeitraum von 1936 bis 1938 3 F/~lle von l~ubeosis iridis diabetica beobachtet . Als erster sei eine etwas atypische Form beschrieben.

M. Iq., 69]/ihrige ~'rau. Diabetes seit 1932. Am 23.5.38 ldagte Pat. fiber Schmerzen im rechten Auge und RStung desselben seit etwa 14 Tagen. Links w£ren einige Male dieselben Erscheinungen aufgetreten. Wegen akuten Glaukoms Uberweisung in station/~re Behandlung.

A:tffnahmebefund: Reehts: S ~ Handbewegungen ante oculos. Starke efliare Injektion, mittelblasiges ttornhautSdem, Vorderkammer flach, Pupille weir, oval verzogen. Rubeosis iridis. Linse: speichenfOrmige Triibungen; Fundus: nut rotes Licht; Tension: 85 mm tIg SehiStz. Links: S = 5/20. Retinitis diabetica. Linse: speiehenfSrmige Triibungen. Sonst o.B. Tension: 23 mm ttg. Im Urin eine Spur EiweiB, 5,8% Zucker, Blutzucker 0,307%, Blutdruck 160/80 mm Hg. Allgemein- befinden sehlecht.

Verlauf: Pilocarpin tropfenweise und in Serien erfolglos, daher nach 14 Tagen wieder abgesetzt. Lediglieh Behandlung des Diabetes mit Di/~t und Insulin. Da die Schmerzen im reehten erblindeten Auge nicht naehliel]en, wurde am 14. 6. 38 eine retrobulbiire Alkoholin~ektion gemaeht. Entlassung nach Abk]ingen der Be- schwerden. Links hatte sieh der Befund auch 2 Woehen spa.ter noeh nieht ge/~ndert.

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356 Horst Fehrmann :

Beschreibung der rechten Iris (Abb. 1). In der Peripherie der kaum atrophischen Iris breitete sicb zwisehen ,,7" and ,9 Uhr" ein sehr diehtes Capillarnetz aus, das an einer Stelle bis zu etwa einem Drittel der Irisbreite gegen die Pupilte vor- gewaehsen war. Zwisehen ,11/2 ̀` and ,3 Uhr" lag peripher ein i~hnliches Capillar- netz, dessen Maschen weiter und dessen einzelne Gef~Be diinner waren. Vereinzelt lagen einmal direkt am Papillarrand, aber nieht auf das Pigmentepithel iiber- greifend, dann auf dem First der Krause aus feinsten Capillaren bestehende, spritzer- artig aussehende Gef~gnetzchen, die man tei]weise erst nach l~ngerem Snehen an der Spattlampe land. In der Nghe der Krause nnd innerhalb yon ihr verliefen einzelne, feine, gestreekte, aber doch leicht gekri~nselte Capillaren. Vier grSllere Gefal~e zogen nnter den Trabekeln, gut siehtbar, zum Xammerwinkel; eine Ver- bindung mit den oberfl~ehlichen Netzen war nicht naehzuweisen.

Nach dem Grad der Ausbi ldnng der Gei~l~- ne tze is t wahrscheinlich, dab deren Bi ldung in der Peripherie begonnen ha t u n d erst spiiter der- artige Ersche inungen im Sphinctergebiet auf- t ra ten . Der Fal l zeigt also, dab die bisher re- gelmiifiig ge]undene Be- vorzugung des Sphincter- gebietes eine A usn~hme er/ahren ]sann durch Ausbildung des Ge/iifi- netze zungchst und be- vorzugt im Kammerwin- kel, eine BeobaehVung,

Abb. 1. (Schematisch.) deren diagnostischer

Wer~ zu be tonen ist. Auch bei diesem Fal l fehlte die Ansprechbarke i t auf Miotika. Der zweite Fal l yon Rubeosis iridis d iabet ics ist folgender: H. G., 61jahrige Frau. Seit ]928 wegen Diabetes rae]titus mit Insu]in behandelt.

Seit 1934 verschlechterte sich das SehvermSgen. 1937 schwarze Flecken beim Sehen. Seit 14 Tagen Stiche im linken Auge und Kopfsehmerzen. Wegen Glaukoms wurde Pat. am 26. 7.38 in stationgre Behandlung genommen.

Anfnahmebefund. Reehts: S : 1/20. t%etinitis diabetics. Tension palpatorisch normal. Links: S ~ Lichtschein, Projektion rieh~ig. Starke eiliare Injektion, diffuses HornhantSdem. Anf der Descemetschen Membran unten reiehlich Ery- throcyCen, Kammerwasser leicht getriibt, Vorderkammer aJ0geflacht, Rubeosis iridis. Die einzelnen GefaBe waren wegen des t~ornhautSdems nicht zu erkennen. Im temporalen unteren Quadranten war das Sphinetergebiet stark, im iibrigen weniger gerStet. Temporal oben war die Peripherie stark gerStet, ebenso nasal unten. In Ansdehnung und Form entspraehen diese Gebiete auffallend den peri- pheren Gefi~Bnetzen des Falles M. ~. Fundus nicht zn beurteilen. Tension palpa- torisch sehr hoch. Urinbefund: Eiwefl3, Zucker, Acet~)n, Aeetessigsaure negativ. Blutzueker 0,321%. Blutdruck 200/110 mm Hg.

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]~ber Rubeosis iridis diabetiea und ihre allgemein-medizinische Bedeutung. 357

Verlauf. Pilocarpinserien verursachten Vermehrung der Augen- und Kopf- sehmerzen, 5fters Erbreehen. Am Tag naeh der Aufnahme wurde links eine Kammer- punktion gemacht, wobei es mgl~ig stark aus der Iris blutete. Das Auge win'de naeh anfgnglieher Besserung schnell wieder hart. Piloearpinserien blieben weiterhin ohne Erfolg. Eine zweit~ Kammerpunktion 6 Tage spgter bewirkte wieder keine Bessernng des Zustandes. 1 ~Voehe danaeh retrobulbiire Alkoholin#ktion, da der Druek dauernd hoch lag, starke Sehmerzen bestanden und aueh kein Lichtschein mehr wahrgenommen wurde. Die Iris war wghrend dieser Zeit teils wegen des HornhautSderns, teils wegen der Punktionsfolgen nicht eindeutig zu beurteflen. Bei einm" Spaltlampenuntersuehung eine Woehe naeh der Alkoholinjektion war die Hornhaut wieder getriibt, die Pupitle welt; oben war die Krause mit der Horn- haut verklebt, Gef/~l]e auf der Iris nicht eindeutig naehzuweisen, das Sphincter- gebiet erschien atrophisch und sehwaehrSt]ich. Von jetzt ab wurde regdmi~l~ig der Druck im rechten, beschwerdefreien Auge gemessen. ~aeh anf/ingliehem Schwanken zwi- sehen 30 und 40 mm Hg Sehi6tz blieb er schlief~lieh mit 35 mm kon- stant. - - D e r Blutzueker sank unter Digt- and Insulinbehandlung auf 0,170%. Pat. sehied zeitweise eine Spur Eiweil~ aus. Sediment: einige Leukocyten. Der Blutdruck sank auf 160/80 mm ttg. Am 29.8. 38 wurde Pat. entlassen.

Dieser Fgl l zeigt, dub eine Rubeosis yon charakteristischer BSsartigkeit auch bei /ehlendem Urinzucker und leichtem Dia- betes au]treten kann. Bei j edem Abb. S. Verdach t auf Rubeosis iridis ist d~her der Blu tzucker zu bes t immen. Bemerkenswer t is t wieder die schlechte Ver t rggl ichkei t yon Pi locarpin.

I n folgende m ( 3 . ) F g l l yon Rubeosis iridis di~bet ica wnlrden beide Augen anatomisch untersucht.

J .F . , 59jghrige Frau. Die Eltern waren beide zuekerkrank. Mehrere Ver- wandte hatten ehronisehe Nierenerkrankungen. Pat. litt seit etwa 30 Jahren an Diabetes mellitus. Seit l0 Ja.hl~n wurde sie deswegen beha.ndelt. Insulin wurde angeb]ieh nieht vertragen, Digt nut zeitweise eingehalten. Vor einem Jahr (]934) stellte ein Augenarzt reehts eine Sehst6rung fest. Er iiberwies Pat. dem Inter- nisten zur Behandlung des Diabetes. Dieser erhob folgenden Befund: Innere Organe o.B. Blutdruek 170/110 mm Hg, Harnzucker 8,2 %, Blutzueker 0,380 %, spezifisches Gewieht des Urins 1020, Menge in 24 Stunden 2 Liter. Im Verlauf der Behandlung sanken Blutzucker und Zuckerausscheidung auf fast normale Werte, dagegen ver- sehlechterte sich das Sehen jetzt auch links, allerdings nur vortibergehend. Am 28.11.35 ]ieB die Sehkraft links plStzlich nach, weshalb Pat. der I~linik tiberwiesen wurde.

Befund bei der Aufnahme am 3.12. 35: Rechts: S ~ 5/50. G1/iser bessern nieht. Tension normal, ]%etinitis diabetiea, sehr enge NetzhautgefgBe. Rubeosis iridis geringen Grades. Aus einer Zeichnung, die damals angefertigt wurde (Abb. 2),

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358 Horst Fehrmann:

ist fo]gendes zu ersehen: Auf die Irisoberfl~ehe treten vom Kammerwinkel her im nasalen Quadranten und temporal einige dunkelrote, gestreekt~ Gefage, die sieh in feine _~ste aufspalten. Am Pupillarsaum liegen eigenartig gewundene feine Gef~gkn~uel, die entfernt an die Capillarsehlingen im Nage]falz erinnern, aber doeh ein mehr versehlungenes Bild bieten. Etwa in ItThe der Krause tr i t t die Capillare an die Oberfl/~che, zieht zum Pupitlarrand, biegt hier in versehnSrkelten Windungen um und kehrt zum Ausgangsort zuriick, um in der Tiefe zu verschwinden. Links: S = Fingerz~hlen in 20 cm Entfernung. Astigmatismus irregularis. Tension palpatoriseh stark erhSht. Ciliare Injektion. Cornea zentral und unten ober- fl~chlieh getriibt. Vorderkammer flach. I typhaema nasal unten. Iris: mehrere starke Gef~ge, Rnbeosis iridis. Linse: einige Wasserspalten, Cataracta nuelearis. t t intergrund: kein klarer Einbliek. Im Urin eine Spur EiweiB, 3,3% Zueker, Aceton und Acetessigsaure positiv. Blutdruck 180/100 mm Hg.

Verlauf: Die Zuekerausseheidung sank unter der Behandlung yon 84 g pro die bei einem BlutzuekergehMt yon 0,306% auf 14,7 g. Aeeton und Aeetessigs~ure wurden bald nieht mehr ausgeschieden. Der Augeninnendruek links betrug einen Tag naeh der Aufnahme 81 mm Hg und blieb trotz Piloearpin-Eserintropfen hoeh. Am 16.12. war das linke Auge steinhart und nahm nut noeh Handbewegungen yon temporal wahr. Am n~chsten Tag wurde es enukleiert.

Reehts be~rug die Sehseh~rfe zuni~ehst durehweg 5/50, der Augeninnendruek einen Tag naeh der Aufnahme 30 mm Hg. Am 30. 12. wurde Pat. in ambulante Behandlung entlassen. Im Laufe des ngehsten Viet~eljahres blieb der Befund der gMche. Am 18.5. wegen Druekanstiegs wieder in stationgre Behandlung.

Befund bei der Wiederaufnahme: Links Prothese. Reehts: S == 5/50. Sehr geringe perieorneale R.Ttung. ttornhautTdem, Vorderkammer sehr finch, Rubeosis iridis. Linse: einige Wasserspalten. t t intergrund: enge Gef~Be, Blutungen und Degenerationsherde in der Netzhaut. Tension palpatorisch sehr hoeh. Im Urin 3,7 % Zueker, eine Spur Aceton und kaum Aeetessigsgure. Blutdruek 250/90 mm Hg.

Weiterer Verlauf: Der Augeninnendruek blieb ~rotz Pitoearpin hoeh. Am 26.5. wurde nur Lichtschein wahrgenommen; die Projektion war richtig, die Vorder- kammer fast aufgehoben; die Tension b]ieb hoch. Am 27.5. wurde eine hintere Sklerotomie mi?~ Diathermokoagulation des GlaskSrpers vorgenommen. Befund 7 Stunden naeh der Operation: Tension hoeh, Cornea und Kammerwasser getriibt, Vorderkammer tier, Pupille weir. Am ngchsten Tag war der Druck unter die Norm gesunken. I Tag spgter win'de neben einer flgchenhaften zentralen Blutung im Augenhintergrund eine ausgedehnte Amotio ehorioideae festgestellt. Das Kammerwasser war getrtibt und enthielt Blur. Es bildeten sich hintere Syn- eehien; deshalb gegebenes Scopolamin rief keine Erweiterung der Pupille hervor. ])as Gesiehtsfeld war yon peripher stark eingesehr~nkt und der blinde Fleck ver- gr6gert. Ein Zentralskotom konnte nieht sicher ausgesehlossen werden. Die Tension stieg bald wieder an, besonders naeh Piloearpingaben. Die Vorderkammer wurde wieder flaeh. Die Ablatio ehorioideae versehwand altmahlieh. Die Sehseharfe sank auf Fingerz~hlen vor dem Auge.

Am 11.6. wurde eine Operation naeh Sondermann vorgenommen: Die Sklera wurde am oberen Limbus in der Gegend des Ciliark6rpers an vier Stellen zum Zweek der Anastomosenbildung zwisehen Ciliar- und ConjunetivMgef£Ben trepaniert. Dis bei der vorigen Operation gesetzte SMerMTffnung wurde wiedererTffnet und sondiert. Die Tension war naeh der Operation niedrig, stieg abet trotz Piloearpin bald wieder an, mit zunehmender Sehversehteehterung. Die Liehtwahrnehmtmg nahm st~indig ab; eine Amotio retinae wnrde vermutet. Auf dringenden Wnnsek der Pat. wurde am l l . 8.36 das re~hte Auge enukleiert.

2 Monate sparer Pr~koma, Blutdruck 200 mm tIg. Urinbefund: Eiweil3 positiv, Zueker 3,2%, Aceton und Acetessigsi~ure positiv. Im Sediment Leukocyten und

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Uber Rubeosis iridis dia.betica und ihre allgemein-medizinische Bedeutung. 359

Eryt.hroeyten. Pat. lehnte jede BehandlungsmaBnahme ab nnd starb einige Tage sparer im Coma diabeticum.

Milcroskopischer Be]und. Der linke Bulbus wurde in Formalin gehgrtet, ineridional halbiert und die eine

Hi l f t e naeh Entfernung der Linse in Gelatine, die undere nach Nachh~Lrtung in Alkohol in Paraffin eingebettet.

Conjunctiva limbi: Die Kerne der Bas~lzelten des Epithels sind am Limbns blasig aufgetrieben und enthalten Glykogen, das sich sehalenartig dem unteren Abschnitt der Kernwand angelagert hat.

Cornea ira wesentlichen normal. Die Sklera ist in den inneren Lagen, besonders in den vorderen Abschnitten,

diffus verfettet.

f

Abb. 3.

Die Aderhaut ist atrophisch. Muscularis und Adventit ia der Arterienwinde verdiekt; vel~inzelt Intimawucherungen. Die Glashaut erseheint bei Scharlachrot- f i rbung r6tlich. Sie nimmt stellenweise keine Elasticafiirbung an. Die Venen sind stark gefii]lt.

Das Corpus ciliate erscheint etwas nach vorn verzogen. Die Gefi•e, offenbar nicht vermehrt, sind prall gefiillt. Das innere Blatt des Epithels en th i l t stellenweise Vakuolen im Zellplasma. Die Grnndplatte ist nahezu homogen und f i rb t sieh mit Scharlachrot, besonders stark an den Fbsten.

Die Iris ist relativ d i~n. Peripher ist sie iiber~U mit der Sklera bzw. Cornea ver- klebt. Vorderkammer wenig abgeflacht, darin einige rote und weil~e Blutk6rperchen. Die vordere Grenzschicht ist an einzelnen Stellen normal. Der gr61~te Tell jedoch wird yon zahlreiehen kleinen Ge]dflen dutch- und i~berzogen (Abb. 3), deren Kaliber durchschnittlich i/2--2 Erythrocytendurchmesser betri~gt. Sie haben sehr diinne und meist einschichtige W~nde. Zuweilen wird d~s Lumen dadurch gebildet, dal~ sich eine diinne Zellmembrun fiber zwei Chromatophorenhiigel spannt (Abb. 4). Zuweiteu besteht es nur aus einer Lficke zwischen den Chromatophoren, in der ein ganz zartes Endothel nachzuweisen ist. Stellenweise liegen die GefiBe in zwei oder drei Schichten auf der Iris, jedoch hat man nur an der Peripherie hier und da den Eindruck einer zarten Schwarte, da hier das die Gef i6winde darstellende Gewebe etwas derber und kernreieher ist. Die Dichte dieser Gef/~Bnetze ist ohne Gesetzma3igkeit.

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360 Horst Fehrm~nn:

Die periphere Synechie ist etwa 0,9 mm breit. Wo Iris und Cornea zusammen- treffen, ist die neue Gef~f~schieht wulstfSrmig verdickt. Sie setzt sich in das Gebiet der Synechie bis zur Iriswurzel fort.

F~rberisch verhalten sich die Wande der neugebildeten Gef/~Be wie folgt: Bei der van Gieson-F~rbung erseheinen sie rot wie das Stroma, in einigen Pr&paraten

A b b . 4~.

mit br~unlichem Schimmer. Bei der Mallory-F~rbung werden sie blau, zuweilen jedoeh rStlich. Bei tier Friinkelsehen F/~rbung, bei der das Zellp]asma gelbbraun und das kollagene Bindegewebe grfin gef/~rbt wird, ersehein~ das Irissbroma blau-

griin, die neuen Gef~l]wfinde dagegen gelb- griin bis gelbbraun.

Im Irisstroma besteht keine Vermehrung der kollagenen Fasern. Die Gefal~e sind nicht wesentlich ver/~ndert. Die ~u~ere Pigmentepithelschich~ der Iris ist hoeh- gradig aufgelockert und mit Vakuoten durch- setzt. Sie erreicht dadurch fast die Dieke des Stromas, nach der Pupille zu wird sie allmgh- lich diinner, am Pupillarsaum ist sie normal.

Die Dilatatorschicht ist nieht so aus- gesproehen, wenn such in ~hn]icher Weise ver~ndert. An einigen Stellen (in depig-

: mentiel~en Schnitten) liegen die Kerne re- , gelm~Big nebeneinander, im iibrigen aber

Abb. 5. ungeordnet. (Haanatoxylin-Scharlachrotf~rblmg.) In Sehnervenn~he liegt ein flaches sub-

retinales Exsuda$. St/~bchen und Za.pfen sind zerfalIen. In der hinten verbreiterten Henleschen Sehieht trifft man homogene und feingranulierte Massen, die sich nach Mallory rot und nach van Gieson gelb fgrben, die eine starke Affinit~t zum Eosin aufweisen und teilweise diffus Fett- f/~rbung annehmen. Sie entha]ten freie Lipoidtropfen und Fettk6rnchenzellen. Blutungen sind in allen Schiehten anzutreffen. Die Ganglienzellenschicht ist auf- gelockert, und atrophiseh. In ihr liegen gr61]ere Zellen yon ann~hernd runder Gestalt, deren Leib sehwaeh Kernf~rbung annimmt. Ihr Kern ist fund, grol3, blab gef/~rbt und struktm'los. Die Nervenfaserschicht ist etwas 6demat6s.

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l~ber Rubeosis iridis diabetiea und ihre allgemein-medizinisehe Bedeutung. 361

Vor der Netzhaut Iiegt an einer Stelle ein groBkalibriges, aber ~uBerst diinn- wandiges Gefig (Abb. 5), offenbar eine gestaute Vene, die sich in einigen weiteren Sehnitten veffolgen l igt . Sie ist mit P lasma und Erythroeyten wal l geffillt. An einer anderen Stelle liegt vor der Retina ein Netz yon versehieden groBen, dfinn- wandigen Gefil3en, zum Teil Capillaren. Ihre W~nde sind ein-, h6chstens zwei- sehiehtig. Diese GefiBe sind ebenfMls wal l geffillt, die gr6Beren mit Erythroeyten und randst~ndigen Leukoeyten, die kleineren mit Plasma.

Der Sehnerv en th i l t etwas hinter der Papille einige frisehe Blutungen. Die Membrana limitans interna ist im Bereieh der Exkavat ion dureh ein fiberaus lockeres, grogmasehiges, feinfaseriges Gewebe abgehoben, das sieh naeh Mallory blau f~rbt. An der Oberfliehe verlaufen mehrere wa l l mit Erythroeyten geffillt~, sehr dtinnwandige Gefige yon verschiedenem Kaliber. Neben ihnen liegen rote Blntk6rperehen verstreut (Abb. 6).

Abb. 6. (l}faIlory-Z'ftxbllng.)

Die Wi~nde der Netzhautarterien und -arteriolen sind vielfach verdickt, kern- arm oder kernlos, in den mitt~deren und inneren Sehiehgen aufgelockert, teilweise homogen. Das Endothel fehlt in solchen Gef~gen ganz oder teilweise, ist abet zuweilen erhalten. Die Lumina sind mehr oder weniger stark eingeengt. Aueh die Capillaren sind zum groBen Teil hyalin degeneriert. Die Venen sind welt und meist prall gefiillt. In Seha~laehrotpri~paraten sieht man eine Verfettung zahtreieher Gefgge.

Glykogen enthalten auBer den Ei0ithelzellkernen der Conjunetiva der Ciliar- muskel, der Sphincter und das Pigmentepithel de r Iris, teilweise das irmere Blatt des Cili~repithels, die Netzhaut, besonders in den inneren Sehiehten, und der Selmerv.

Der rechte Bulbus wurde in Formalin gehir te t ; die vertikalen Kalotten wnrden abgeschnitten nnd die eine yon ihnen ganz, aus der anderen ]Xretzhaut und Aderhant in Gelatine eingebettet. Der l%est des Bulbus wurde nach Nachhi~rtung in Alkohol in Celloidin eingebettet.

Von dem linken tlulbus unterscheidet sich der reehte in folgendem: Im Gebiet der i0eripheren Synechie ist das Irisstroma hochgradig atrophisch

nnd gefiBarm. Im fibrigen enth&lt es Pigmentkugelzellen. Peripher liegt auf der freien vorderen Grenzsehicht eine diinne, fast gefiBIose, kernaxme Bindegewebs- schicht, die wiederum yon Spindelzellen bedeckt ist. Sie i~rbt sich wie kollagene Fasern. Zwisehen ]£rause nnd Pupfllarsaum liegen dagegen in der vorderen Grenzsehicht selbst feine Gefii3e meis~ an der OberIl~che. Anastomosen mi$ tiefen

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362 Hors~ Feh rmann :

Gefal~en sind zu beobaehten. Die W/~nde dieser Gef~Be fgrben sich wie die prot~)- plasmareiehe vordere Grenzsehicht. E in ~bergrei fen der Gef~13e auf den etwas ever- t ier ten Pigmentepi thelsaum ist nich~ zu beobaehten. Die vordere Kammer enth~l t feinkSrniges, diffus verteil tes GerinnseI. Das Pigmentepi thel der Regenbogenhaut ist zum Tell, n ieht so s tark wie links, aufgeloekert, teilweise auch unver~ndert . Durch Abl fsung des Pigmentepithels. huben sieh zwei Recessus gebitdet. In einer Nische eines derselben haben sich zahlreiche Pigmentkugelzellen angesammelt . Stetlenweise ist die Linse im Pupillarbere!eh mit einer g~nz feinen, aus Spindelzellen bes tehenden Membran bedeckt, Diese geht yon intr~ v i t am abgerissenen Pigment- epithe]fetzen aus.

Das Pigmentepi thel der Netzhaut ist unter der Macul~ brei t gewuehert, und einige Pigmentzellen sind bier in die Netzhaut eingewandert. Am J~quator liegt ein kleines eiweiBreiehes subretinales Exsudat . I m Vergleich zur l inken Netzhaut enthg]t diese wesentlich weniger homogene Sehollen, dafiir mehr Fe t tk f rnchen- zel]en. Das eigentliche Netzhautgewebe ist stgrker geschgdigt und das 0dem ist ausgeprggter. Peripher ist die Netzh~ut an einer Stel]e yon groBen, blassen und kleineren, dicht gefgrbten, unregelm~Big gestalteten Kernen diffus durchsetzt . Die guBeren KSrner sind nur in einer diinnen Lage erhMten. Ahnliche k]einere Herde sind in der Nghe in den inneren Schiehten zu linden. Die Gefi~Bveri~nderungen sind die gMchen wie links.

Der Sehnerv ist im Bereieh der Lamina eribrosa aufgelockert. Die Kerne sind vermehrt . Die nerv0se Substanz enthi~lt im fibrigen vereinzelt Nchnabelsche Kavernen. Die Zentralgefi~Be haben leicht verdiekte W~nde. Die elastischen Fasern sind vermehrt . Etwa 0,7 mm hinter dem Aust r i t t der Arterie aus der Vorderflgche der Lamina cribrosa beginnend und bis in das Gebiet vor der Lamina reiehend, liegt, nicht den ganzen Umfang einnehmend, zwischen Elastica und Endo- thel eine bis zu 0,08 mm starke Schicht yon FettkSrnehenzetlen. Sie lassen Erythro- cyten enthal tende IntereellulalT~ume zwisehen sieh und haben groBe, blasse, unregelm~Bige Kerne. Das Lumen ist an dieser Stelle wenig verengt, du Media und Advent i t ia ausgeweitet sind. Distal yon der Lamina sind diese Zellen spgrlicher; hier ist die I n t i m a verdickt und teflweise hyal in entar te t . - - Die kleinen Gefgl~e des Opticus sind ohne Besonderheiten.

Am R a n d der Papille springt das Papillengewebe hornar t ig naeh innen vor, nnd auf ihm sitzt hier eine massige Blutung. An einer anderen Stetle des Papillen- randes ist die aufgeloekerte und zerkliJf~te vorderste Gewebslage yon zwei kleinen, ziemlich dtinnwandigen, wa l l geffillten, sich berfihrenden Gef/~fJen unterbroehen, die fiber das Niveau der Papille hinausragen und yon einer Blu tung im freien Rgum umgeben sind, I m iibrigen ist die Papille wie die Netzhaut von Blu tungen durehsetzt .

Die Limitans in terna yon Netzhaut und Papille ist teilweise mi t Spindelzellen bedeekis, die einzeln liegen oder eine gesehlossene ein- oder mehrsehiehtige Deeke bilden, An einer Stetle geht aus einer solehen Spindelzellproliferation ein GefgB- kn~iuel hervor.

In der Nervenfasersehieht der Netzhaut finder man bier und da eine kernarme, aus kollagener Substanz bestehende, solide Knotle yon unregelm/igiger Form, die yon Capillaren netzart ig durehzogen wird. An einer Stelle erhebt sieh ein solches Gebilde fiber das Niveau der Nervenfasersehieht hinaus und geht, wie in den benaehbar ten Sehni t ten zu beohaehten ist, in drei etwas grfBere, dh'ekt neben- einander liegende Gefgge fiber, die sehlieglieh frei im leeren Raum verlaulen.

Von den vier Trepanationsstel len naeh Sondermann sind drei in Celloidin- sehni t ten erhalten. Die vierte ist bei der Prepara t ion verlorengegangen. Die Trepanat ionen sind in Hfhe der Pars plana des Ciliark6rpers angelegt worden. Der Cfliarmuskel ist in diesem Gebiet atrophiseh. Die erste ist ganz yon gef~g- losem Narbengewebe ausgeffillt, die beiden anderen haben die Form yon kessel-

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Uber Rubeosis iridis diabefdca und ihre atlgemein-medizinische Bedeutung. 363

fSrmigen Ausstfi]pungen. Der Boden des Kessels wird yon der verdickten, hyper- ~mischen, yon Blutungen durchsetzten, teilweise epithelentbl6~ten Conjunctiv~ gebfldet, der innen eine m~ig pigmentierte, ~Tom PigmentepitheI ausgehende Gewebsschicht aufliegt. Ciliarmuskel und Aderhaut bilden teilweise die Innenwand des Kessels. ~ber die 0ffnung spannt sich, etwas ~usgebuchtet, die Pars ciliaris retinae. In keiner der drei untersuchten Trepanationsstellen sind Anastomosen zwischen Gef~13en der Urea und der Conjunctiv~ nachzuweisen.

Am 0rt der hinteren Sklerotomie ist das Skleralloch durch Netzhaut ausgeffillt. Glykogengehalt findet sich, ~bgesehen yon den Zellkernen des Conjunctiva~

epithels, in den Aderhautgef~en, dem Ciliarmuskel, im inneren Blatt des Ciliar- epithels, im Sphincter und PigmentepitheI der Iris, in den Spindelzellen der Iris- schwarte, in der Netzh~ut besonders in den inneren Schichten, nnd im Sehnerven, we jedoch die bindegewebigen Septen mit den Gef~l~en frei bleiben.

Sowohl das morphologische Ms auch das f~rberisehe Verh~lten unterscheidet die Rubeosis iridis bier einwand[rei yon der glaulcomatSsen Schwarte. Von besonderer Bedeutung ist der Befund der reehten Iris, ~uf der Sehwarte und Rubeosis gleiehzeitig zu studieren sind. Hier tri t t klar hervor, da~ die R~beosisgef~e dem Irisstrom~ selbst ~ngehSren. Der Fall zeigt auBerdem d~s gleichzeitige Vorkommen yon Rubeosis und Schwarte nebenein~nder auf derselben Iris, w~s gegebenenf~lls Anlal~ zu differentialdi~gnostischen Schwierigkeiten geben kann. Es ist ~nzu- nehmen, dal~ rechts zuerst die Rubeosis im Sphinctergebiet, dann das Gluukom und ~ls Folge desselben die Schwarte ~ufgetreten ist.

Die peripheren Synechien sind in beiden Augen verschiedener ~atur . Links ist die Iris in deren Bereieh nieht ~trophisch, und die t%ubeosis- g e ~ e setzen sich his zum Cili~rkSrper fort. I~eehts dagegen trifft m~n eine typisch ghmkom~tSse Synechie ~n, wie sie in ~llen Handbiichern beschrieben wird. Das Stromu ist in ihrem Bereich hoehgradig atrophisch, neugebildete Oef~l~e enth~lt sie nieht. Es ist nieht anzunehmen, duf~ solche im Kammerwinkel bestanden h~ben nnd mit der Atrophie des Strom~s versehwunden sind. Eine periphere Synechie ~de im beschrie- benen reehten Auge ist naeh der herrsehenden Ansicht Glaukomfolge. Aber auch diejenige des ~nderen Auges halte ieh fiir gleiehen Ursprungs. Kurz sehreibt, dureh die erh6hte Durehl~ssigkeit der Rubeosisgefgfte wiirde dus Irisstrom~ aufgeloekert nnd votuminSser, wodnrch sieh peripher seine Oberfl~che der Cornea n~here, sie beriihre und nun mit ihr verklebe. Er erw~hnt ~ber, dalt das Strom~ in seinem F~ll yon snn~hernd norm~ler Dieke gewesen sei, und auch in meinem Fall ist beider- seits kein 0dem des Stromas nsehzuweisen. Ich nehme nun ~ls sicher ~n, dal~ auch im linken wie im rechten Auge des vorIiegenden Falles die Anngherung der Iris an die Corne~ rein passiv durch den erhShten Augeninnendruek entst~nden ist. Die Ang~ben des Krankenbl~ttes, no.eh denen die Vorderkammer zeitweise fast aufgehoben war, stii~zen diese Ansieht. Anschliel~end ist es zur Verklebung und Verw~ehsung gekommen, die nun wie im rechten Auge den Druek sekund~r erh6ht haben mag.

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364 Horst Fehrm~nn :

Hhltere Synechien ohne Entziindungserscheinungen erw/~hnt Elschnig im Handbuch yon Henke-.Lubarsch als h~ufiges Vorkommnis bei Gl~ukom.

Die Netzhaut bietet beiderseits das Bild einer l%etinitis ,,albumin- urica". Charakteristisch sind, wie besonders yon Leber im Handbuch yon Grae/e-Saemisch, auch yon Schiecl~ in den Handbiichern yon Henke. Lubarsch nnd Schiecl~-Briiclcner ausgeffihrt wurde, die Exsudatmassen, Blutungen und Fettk6rnchenzellen. Das (~dem.tritt links zurfick und ist nur rechts starker ausgebildet. Die homogenen N[assen fallen offenbar extracellulgr einer fettigen Umwandlung anheim und werden schlieBlich yon Fettk6rnchenzellen resorbiert.

Bei den beschriebenen groBen rnnden Zellen in der Ganglienzellen- schicht handelt es sich um die yon v. Michel (1899) beschriebenen ent- arteten Ganglienzellen, die yon varik6sen Nervenfasern sicher zu unter- scheiden sind (vgl. unten, Fall E. v. D.).

Links sind die iibrigen Elemente der Netzhaut im wesentlichen intakt, wi~hrend rechts ein starker Gewebszerfall vorlieg~.

Die ~Vi~nde der NetzhautgefgBe sind aufgequolten und erweicht. Reichling (1934) teilte in Anlehnung an Schi~rmann die Gef~Bvergnde- rungen im Auge, die er bei Phthisis bulbi studierte, in sklerotische im eigentlichen Sinne, also Verh~rtungsprozesse, und in ,,histolytische Vor- g~nge im Gefolge der FliisSigkeitsdurchtr~nkung der Gef~Bwand" ein. Diese ,,beruhen nach Schii.rmann auf der teilweisen oder vSlligen Auf- hebung der Blutsgewebsschranke", dem Endothel. Sobald das Endothel defekt ist, entfalten nach Schi~rmann und MacMahon Blur und Gefgl~- wand schgdigende Wirkungen aufeinander. - - Die AderhuutgefgBe sind dagegen ausgesprochen sklerotisch.

~b e r die Pathogenese der Retinitis, die er(irterC werden rout3, da 1%ubeosis und Retinitis offenbar in engem Zusammenhang miteinander stehen (s. oben), sind viele Theorien aufgestellt worden, yon denen jedoch noch keine bewiesen werden konnte. Anfangs wurden Toxine, Reten- tionsprodukte u. dgl. verantwortlich gemacht (Schieclc 1907). Aber schon Leber (1914 im Handbuch yon Grae/e-Saemisch) ~des ~uf die pathogenetische Bedeutung yon ZirkulationsstSrungen hin, und auch Schieclc bekannte sich sp£ter zu dieser Ansicht. Im AnschluI~ an Vollhard, der die Be- deutung yon Gef~l~spasmen hervorhob, spricht man neuerdings yon einer Retinitis angiospastica. Koyanagi (1928) will Erkrankungen der Ader- hautgefiil~e fiir die Ver~nderungen der i~u~ercn Netzhantschichten ver- antwortlich machen. Vielleicht spielt auch der Elasticasch~-and der Bruchschen Membran der Aderhaut eine l%olle, l~ach Behr (1931) ist diese Membran fiir die AuswahI der l~ghrstoffe, die ffir die gu~eren l~etz- hautschichten bestimmt sind, verantwortlich. Diese werden geschgdigt, wenn die erkrankte Lamina viCa'ea unvertri~gliche Stoffe hindurchlgl~t. Ob diese Stoffe normale oder pathologische ]~estandteile des Blutes sind, ist eine zweite Frage.

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]3ber Rubeosis iridis diabetics und ihre allgemein-medizinische Bedeutung. 365

Der beschriebene Verfettungsherd in der rechten Arteria centralis ist als atheroma~Sser Proze8 (F6rster) anzusprechen. Velhagen (1913) land, ebenfal]s bei G]aukom, offenbar einen gleichen.

Die auf der Limitans interns der Netzhaut liegenden Spindelzellen ira rechten Auge und dgs daraus hervorgehende Gef/~l~knguel sind nach EIschnig (im H~ndbuch yon Henke-Lubarsch) Glaukomfolgen. Die iibrigen Gef/~l~neubiIdungen in Papille und Netzha, ut beider Augen haben wahr- scheinlich dieselbe Ursache wie die R, ubeosisgef~t~e der Iris. Kurz erhob einen ganz/~hnlichen Befund. Nettleship (1888) land bei einem 48j/~hrigen Diabe~iker neben einer Retinitis ein yon der Netzhautmitte in den GlaskSrper vorgewachsenes kleines Capillarnetz (zit. na, ch Hirschberg 1889). Ob Irisver~nderungen bestanden hatten, ist aus dem l~eferat nicht zu ersehen.

Die glykogenhaltigen Kernblasen im ConjunctivalepitheI sind viel- leicht auf den Diabetes mellitus zuriickzufiihren. Kernglykogen bei Diabetes fanden Huebschmann und Best in der Niere, Schlitz in der Leber.

In formalinfixierten Geweben kann, wie besonders yon Gierke be- tont, nicht mehr die urspriingliche Struktur des Glykogens erhalten sein, da es sich im allgemeinen in w£sserigen Fliissigkeiten 15st. Allerdings diffundiert es schwer durch die Zellwand hindurch (Best). Es kann aus positiven Befunden in Formalinpr/tparaten also lediglich auf Anwesen- heir, nicht auf Struktur oder Menge des Glykogens, aus negativen nicht auf Abwesenheit desselben intra vitam geschlossen werden. Auch die Art des Glykogens spielt offenbar eine t~olle; darauf hier einzugehen, wiirde zu weit fiihren. --- Nach yon Gierlce ist die anomale Glykogen- ablagerung der ,,morpho]ogische Ausdruck fiir einen pathologischen Ablauf der Lebens- und Stoffwechselvorg/~nge". Best (1907) hielt Gly- kogenvorkommen in der Netzhaut fiir die Reaktion derselben auf einen unspezifischen Reiz.

Im iibrigen zeigen die Augen Ver/~nderungen, wie sie des 5fteren bei Glaukom gdunden werden.

Es ist noch zu erSrtern, wodurch die Drucksteigerung zustande kommen konnte. Salus vermut~te, dal~ ,,die VergrS~erung der trans- sudierenden Oberf]/~che, vielleicht a.uch eine Zunahme der Permegbili~gt der Capillaren" dafiir vera~twortlieh zu machen sei. Fiir schwere orga- nische Ge~/~Ssch~digung spricht vor ahem such die kontr~re Pilocarpin- wirkung.

Zum Yergleich ~vurden 2 F~lle yon Ge~l~neubitdungen auf der Iris bei Glaukom ohne Diabetes mellitus beobachtet. Der erste zeigt, wie leicht Verwechslungen mit der l~ubeosis vorkommen kSnnen.

M.V., 71j~hrige Frau. Nach jahrelangen Kopfsehmerzen fiber dem rechten Auge plStzlich am 12.3.36 reehts angeblich erblindet. Am 16.3. wurde Pat. wegen subakuten Glaukoms rechts in stationgre Behandlung genommen.

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366 I-Iorst Fehrmann:

Aufnahmebefund: I~ech~s: S = Lichtschein. Hornhaut oberfl~chlich 6demat6s, Pupille weir, Iris innerhalb der Krause atrophisch, ,,Rubeosis iriclAs", Linse getriibt, Optieus unklar zu sehen, Tension palpatorisch stark erhSht. Links: S = 5/7,5. Linse mit einigen WasserspMten in der l~inde und triibem Kern. Iris innerhMb der Krause weniger als rechts atrophisch, sonst o.B. Tension 20 mm Hg SchiStz.

Urinbefund einige Tage sp/~ter: Eiweig und Zucker negativ. Blutzucker 0,124%. Blutdruck 200/120 mm Hg.

Verlauf: Bei t~glich mehrmaligen Pilocarpia-Eserin- oder Pilocarpingaben lag der Druck rechts anfangs niedrig, sehwankte aber spiter zwischen normalen Werten

und 75 mm tIg. Die Sehsch/~rfe stieg auf 5/25. Iornhaut6dems wechselte. I)as x bei Beginn der Behandlung vIonate spiter starker konzen- Beginnende Exkavation, F u n dus hypertonicus. Am 25.4. 36 wurde Pat. in ambulante Be handlung entlassen. Das Horn- haut6dem war verschwunden, der Augeninnendruck betrug jedoeh 75 mm Hg. Die Iris- gef~fie waren unverS~ndert. In den ni~chsten 5 ?¢Ionaten sank die Sehsch~rfe reehts fast his zur Amaurose; der Druek be- trng stets etwa 70 mm ttg. Am 18. 9. heftige Schmerzen links, Nebelsehen. Am nich- sten Tag war das ]inke Auge gereizt and hart. Aufnahme.

Befund des linken Auges Abb. 7. bei der Wiederaufnahme:

Starke gemisehte Injektion. Chemosis conjunctivae. Oedema corne~e. ,,l%ubeosis iridis." Fundus hypertonicus, keine Blutung, keine Exkavation. Tension hoch.

Weiterer Verlauf: gei t~gliehen Pilocarpingaben, tei]s tropfen-, tells serienweise, war der Augeninnendruek links weehselnd hoch. Es traten einige GlaukomanfMle auf. Visus, Gesichtsfeld und Papille blieben unverindert. Die Tension ,wurde dutch Pilocarpin gut beeinfluBt und lag schlieBlich bei 35--40 mm ttg. R'eehts Amaurose, bei regelmaBigen Pilocarpingaben schmerzfrei. Am 18.11.36 wurde Pat. mit Piloearpinrezept entlassen.

Vor Bespre chung der Differentialdiagnose ,, l%ubeosis iridis" sei die Zeich- n u n g eines Quadr~nten der rech ten Regenbogenhau t beschrieben (Abb. 7).

In den zentralen Ahschnitten ist die Iris offenbar atrophisch. Hier liegen atrf ihr einige nieht sehr dtinne geschlingelte GefiBe, yon denen eins die Form einer Capfllarsschlinge im Nagelfalz ha~; deren Ursprung liegt am Pupillarrand. Es sind nur kiirzere GefiBstrecken sichtbar, die miteinander nicht in siehtbarer Verbindung stehen. An einer Stelle im Sphinetergebiet und an einer anderen jenseits der Krause sind zwei versehwommene rote Fleeken angedeutet, die vielleieht Capillarnetze bezeichnen sollen. Abgesehen yon diesen fragliehen Netzen sind die Gefiige in keiner WNse kn~uel- oder netzartig verschlungen.

Aus folgenden Gri inden h~ndel t es sieh hier n ich t u m eine Rubeosis iridis:

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~ber Rubeosis iridis diabetica und ihre allgemein-medizinische Bedeutung. 367

1. Das Spa l t l~mpenb i ld zeigt n i ch t die typ i sehe feine Ne tzb i ldung oder Sehl ingenform, sondern einzelne gr5bere, mehr ges t reek te Gef~t~e.

2. Kurz h a t naehgewiesen, dalt die Rubeosisgef~l]e m i t der A t roph ie des I r i s s t romas verschwinden. I m vor l iegenden F a l l werden die Gef~l~e abe r gerade im a t r o p h i e r t e n Sph inc te rgeb ie t angetroffen.

3. Der Augen innend ruck wird von P i loca rp in zwar z5gernd, aber doeh gfinstig beeinflul~t. Bei der Rubeos i s wi rd s te ts ein gegentei l iges Verha l t en beobaeh te t .

4. Es bedur f te ke iner schmerz tS tenden Opera t ion , da nur ganz vor f ibergehend Schmerzen bes tanden .

5. E i n Diabe tes mel l i tus wurde ausgesehlossen. Auf Grund dieser ffinf P u n k t e mul~te die Diagnose , R u b e o s i s i r id i s"

abge lehn t w e r d e n . Dieser F a l l e r l aub t daher , den m a n c h m a l offenbar nu t ger ingen Unte r seh ied zwisehen den be iden A r t e n yon G e f ~ n e u - b i ldungen ~uf der I r i s k l in iseh und im Spa l t l a mpe nb i l d k la re r heraus- zustel len.

I n fo lgendem en t sprechenden Fa l l wurde ein Auge ana tomiseh unter - sucht .

E. v. D., 7tj~hrige Frau. Vor 3 Wochen plStzlich Versehlechterung des Seh- verm6gens mit ,,Entzfindung" des linken Auges. Wegen Glaukoms links wurde Pat. in station~re Behandlung genommen.

Befund bei der Aufnahme: Rechts S ~ 5/~: mit Korrektion. Ange reizlos. Tension 22 mm Hg SchiStz. Links S - Handbewegungen ante oculos, Projektion sehr unsieher. Starke gemisehte Injektion, Cornea 5dematSs, einzelne Besehl~ge, Kammerwasser triibe, Iris atrophiert, hypergmisch, aid ihr massenhaft neue Gefgl3e, a, ber keine Rubeosis. Pupille verzogen, reaktionslos, eng (medikamentSse Miosis), Seclusio. Tiefere Abschnitte nicht einzusehen. Tension 65 mm Hg.

Urinbefund: EiweiB und Zucker negativ. Blutzucker 0,120%. Blutdruck zwischen 155/90 und 170/110 mm Hg.

Diagnose: Glaucoma absolutum o.s. Verlauf: Pat. bekam Pilocarpin-Eserintropfen einzeln und in Serien. Beiund

12 Tage nach der Aufnahme: Links Projektion falsch, Tension um 60 mm Hg. Reehts Tension 35 mm Hg. Wegen der M6gliehkeit einer sympathisehen Druck- steigerung wurde am nachsten Tag das linke Auge enukleiert. In der Folge lag die Tension rechts dauernd um 26 mm Hg bei Verabreichung yon dreimal Pilocarpin t~igtich. Pat.. wurde 2 Wochen nach der Enukleation in anabulante Behandlung entlassen. Die-Sehschar~e rechts blieb gut.

Mil~roskopische Untersuchung. Das Auge wurde erst in Formalin, dann in Alkohol geh~rtet und in Celloidin

eingebettet. Iris: Diinn, aber im allgemeinen nieht atrophisch, yon wechselnder M~tchtigkeit.

Kammerwinkel verklebt. Auf Iris und Pupille Iiegt eine homogene, blal~ gefitrbte Exsudatsehicht, die die Kammer etwa zur Hi~lfte ausfiillt, tIintere Syneehien. Die Iris ist in fast ganzer Ausdehnung yon einer nicht sehr starken Sehwarte iiberzogen (Abb. 8). Diese best~ht meist aus einer drei- bis vierfachen Lage yon Spindelzellen, die noeh keine erkennbaren kollagenen Fasern gebildet haben. Sie enth~lt zahlreiehe kleine Gef~13e, die zum Teil mit tieferen Gef~Sen anastomo- sieren. Sie haben meist ziemlich derbe W~nde und ]iegen nicht so dieht aneinander

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368 Horst Fehrraann:

wie im linken Auge des Falles J . F., sondern lassen meist ein Stiick gefiiBfreie, aber nieht dfinnere Schwarte zwisehen sieh. A n wenigen Stellen ist die Oberfliehe der Iris normal. Hier trifft man stelIenweise feine Ausl~taffer der Schwarte, die Capillaren enthalten kSnnen. Das Bfld ihnel t der I~ubeosis. Am Pupitlarrand tibersehreitet an einer Stelle die Sehwarte den im iibrigen evertierten Pigraent- eloithelsaum und geht auf die Linse iiber (Abb. 9). In das Gebiet der peripheren

Abb. 8. (Van Gieson.Firbung.)

Synechie ist sie nur stellenweise durch ihre Gef~13e zu verfolgen. Firberisch verhi l t sich die Sehwarte nicht wesen~lich anders als die Rubeosisgef~$e des ]?atles J . F . :Bei der Mallory-~'arbung wird sie rein bla.u, nach van Gieson und Friinkel nimmt sie mehr Protoplasraaf&rbung an. Das Stroma is~ sehr derb, yon kollagenen Fasern

Abb. 9.

in groSer Zahl durchzogen. Die Gefgl3e sind nicht wesentlich verindert . Im Bereich der peripheren Synechie ist die Iris hochgradig atrophiseh. Der kernha]tige Tefl der Dilatatorschicht ist zura groBen Teil vakuolig aufgeloekert, so dal3 dis Kerne sichtbar werden. Das eigentliche Pigmentepithel ist dagegen normal, abgesehen yon Lficken im Gebiet der hinteren Syneehien. Diese ste]len Verklebungen dar ohne Ver- mittlung einer Exsudgtsehieht. Im Pupillargebiet ]iegen auf der Linse Pigraent- kugelzellen.

Aderhaut und Ciliarmuskel a~rophiseh. Das Ciliarepithel enthi l t teilweise, besonders ira uvealen Blatt , Vakuolen.

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Uber Rubeosis iridis diabetica und ihre ai!gemein-medizinische Bedeutung. 369

~Netzhaut zum groiten Tell artifiziell abgelSst. Subretinales Transsudat nasal voni 0pticus. Schietit der ~ Neur0epithelien yon Va]~uolen 'durchsetzt. AdBere K5rnerschicht am hinte~n P0I atrophlsch und aufgel0ckert, Zwischenk6rners6hicht bier 6dematSs. In dieser ]iegen am hinteren Pol hom0gen geronnene, yon L6chern durchsetzte, naeh Mallory b]au und nach van Gieson r6tlich gef~rbte Massen, auBer- dem netzartige, !aserige Gebflde, die keine F ibrififarl~ung annehmen. :FettkSrnchen- zetIen fehlen ganz. Innere Schichten in "den liinteren Absehnitten 5demat/Ss. In der ~'ervenfase~chicht finden sich varikSse l~Iervenfasern. Dies sind kurzspindelf~rmige Auftreibungen der Nervenfasern, die einen ]~nglichen, oft seltsam gewundenen, stark ]iehtbrechenden K6rper enthalten. Weder die Auitreib{mg noch der darin enthaltene K6rper nimmt Kerniarbung an. BIutungen durehsetzen alle Schichten. Die A~%erien und Arteriolen sind teils einfach skle~'otisch, teils kernarm 0der kernlos und aufgelockert mit Riekenhaftem EndotheL 'Auch die Venen sind sklerotlseh. Die Capillaren sind zum groBen Tell hyalin degeneriert.

Papille physiologisch exkaviert, yon ]ockerem, faserigem Gewebe bedeckt, das keine GefaBe enth~lt, tm Opticus Schnabelsche Kavernen. Die Kerne sind vermehrt. Die Zentralgef~Be sind ohne Besonderheiten, abgesehen ~-on verein- zelter/Zeltinfiltrationen der W~nde. Die kleinen Gef~l~e des Optieus sind m~t3ig sklerotisch.

Glykogen enthalten Sphincter und Pigmentepithel der Iris, das Hornhaut- epithel, der Ciliarmuskel, die Aderhaut, das Pigmentepithel der Netzhaut und diese selbst vorwiegend in der Nervenfaserschicht.

Dieser Fall zeigt, dal3 mikroskopisch ein allzu grol3er Unterschied zwischen glaukomatSser Schwarte und Rubeosis n icht zu bestehen braucht . F~rberisch t r i t t er n icht hervor, weft die Schwarte hier noch keine kollagenen Fasern gebildet hat. Morphologisch i s t der Unter- schied dagegen deutlich. Bei der Schwarte iiberwiegt das kompak te Gewebe; bei der Rubeosis gibt es eigentlich nu t Capillaren. Ein wesent- ]ieher Unterschied besteht darin, dab im vorliegenden Fall das Str6ma bindegewebig durchwachsen ist, was bei der Rubeosis noch nicht beobachtet wurde.

Der Glylcogengehalt des Pigmentepi thets und anderer Teile des Auges deute t darauf hin, dab ein solcher ff ir den Diabetes mell i tus nicht cha- rakterist isch ist.

Die Netzha, u t bietet e~n anderes Bild als im Fall J. F. Fet tkSrnchen- zellen fehlen ganz; die Einlagerungen der Zwischenk6rnersehieht habeu andere f£rberische und morphologisehe Eigensehaften, und die Nerven- fasersch~eht enth£1~ varik6se Nerven~asern, die be i J,: F. vermi~t wurden.

Im tibrigen zeig t das Auge Ver~nderungen, die aueh sonst bei Glaukom gefunden werden. Sie alle kritisch zu wfirdigen, wfirde hier zu weit ffihren.

Zusammenfassung.

In der Li te ra tur wurden bisher 11 F~lle yon Rubeosis iridis diabetica mi~ nur einem histol0gischen Befund mitgeteilt . Es war mir mSglich, die beiden Bulbi eines weiteren Falles anatomisch zu untersuehen. AuBer diesem wurden noeh 2 F~tlle klinisch beobachtet . Vergleichsweise werden

v. Graefes A r c h l y fi ir Ophtha lmolog ie , 140. Bd. 24

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370 Horst Fehrmann:

2 F~lle yon Gef/~13neubildungen auf der Iris bei Glaukom ohne Diabetes mellitus, davon ein anatomisch untersuchter, mitgeteilt.

Aus diesen Untersuchungen sowie denen anderer Autoren ergibt sich, dab die ,,l~ubeosis iridis diabetlca" Ms eine besondere Erkrankung des Auges bei Diabetes mellitus anzusehen ist. Das Krankheitsbild ist iolgendes :

Auf der Regenbogenhaut yon Diabetikern bilden sich feine Gef~$- netze oder -schlingen, und zwar vorzugsweise im Sphinctergebiet und in der Peripherie, bier anscheinend direkt im Kammerwinkel beginnend. Abgesehen davon zeigen Form, Dichte und Anordnung dieser N~tze keine Gesetzm~$igkeit. Es sind Anzeichen f~ir eine gesteigerte Durch- 1/~ssigkeit dieser Gef/~t3e vorhanden; sie mag ftir die ErhShungen des Augeninnendruckes mit verantwortlich sein, die der Krankheit meist den Charakter eines akut~n inkompensierten Glaukoms verleihen. MSotika wirken verschlechternd, k5nnen sogar Glaukomanf/~lle direkt auslSsen. Periphere Synechien begleiten die Rubeosis meist und sind Ms Glaukomfolge anzusehen. Zum Bild der l~ubeosis gehSren aul~erdem Gef~$neubildungen auf Papille und Netzhaut unter der Limitans interna.

Das fast regelm~l~ige Vorkommen yon I~etinitis bei der lgubeosis zwingt zur Annahme einer kausMen Gleichurtigkeit. Eine Beant- wortung dieser Frage kSnnte zur Aufklgrung der Genese der l%etinitis diabetica einerseits und der ~ubeosis andererseits beitragen. Gemeinsam sind beiden die offenbar gesteigerte Durchl~ssigkeit der W/~nde der beteiligten Gef~lte, au~erdem anscheinend eine St6rung des Gewebe- stoffwechsels einerseits durch Gefgl]erkrankung, andererseits durch die mangelhafte F/~higkeit der Gewebe, den Zucker abzubauen. In dieser glaubt Kurz die eigentliche Ursache der Gef~l~neubildung zu erblicken.

Der Verlau] ist meist folgender: Das auf die prim/~re Irisver/~nderung folgende Glaukom fiihrt zu Inkompensationserscheinungen, sekundgren Ver/~nderungen am Bulbus und schtie~lich zur Erblindung. Die Prognose quoad oculum ist infaust. U~ber die Prognose quoad vitam I/~Bt sich auf Grund des Befundes einer Rubeosis iridis nichts aussagen. Diese t r i t t bei leichtem und schwerem, bei jugendlichem und Altersdiabetes auf.

Pathologisch-a, natomisch handett es sich um neugebildete, r elativ weirs C~pillaren in nnd auf der vorderen Grenzschicht der Regenbogen- haut, die prim/~r nicht yon Bindegewebe beg!eitet sind. Sekundar kann sich eine glaukomat6se Schwarte hinzugese]]en. Die Rubeosisgef/~13e kSnnen mit dem Stroma atrophieren. Sie wurden auch im Bereich der peripheren Synechie gefunden, im Gegensatz zu den rein ~ glaukomatSsen nicht entziindlichen GefKBen uuf der Iris. Die neugebildeten Gefgl3e des Augenhintergrundes liegen im allgemeinen unter der Limitans internu und durchbrechen sie nur stellenweise.

Eine wirksame Therapie gegen die Folgen der ]gubeosis iridis wurde bisher noch nicht gefunden. Miotika sind aus oben erw/~hnten Griinden

Page 18: Über Rubeosis iridis diabetica und ihre allgemein-medizinische Bedeutung

Uber Rubeosis iridis diabetica und ihre a]lgemein-medizinische Bedeutung. 371

kont ra ind iz ie r t . W e d e r V o r d e r k a m m e r p u n k t i o n e n , h in te re Sk le ro tomie noch Sondermannsche T r e p a n a t i o n c n k o n n t e n eine b le ibende Druck- senkung erreichen. Zur Ausscha l t ung der Schmerzen k o m m t n a c h Er- b l indung des be t re f fenden Auges re%robulb£re A/kohol in jek t ion , RSn tgenbes t r ah lung oder E n u k l e a t i o n in F rage .

Di//erentialdiagnostisch i s t die l%ubeosis gegen g laukomatSse Gef~S- neub i ldungen auf der I r i s bei feh lendem Diabe tes mel l i tus kl inisch und ana tomisch gu t abzugrenzen. Le tz t e re s ind wesent l ich grSber, ver laufen in e inem der vo rde ren Grenzsch ich t aufge lager ten Bindegewebe und f ibersehrei ten zuweflen den l~upi l larsaum, was jene n ie tun.

Glylcogengehalt in versch iedenen Teflen des Auges is t n i c h t ffir Diabe tes mel l i tus oder Rubeosis i r idis d i a b e t i e ~ ch~r~kter is t isch. Die Befunde ]ussen jedoch wegen unzweekm~l~iger F ix i e rung der Bulb i keine end- gi i l t igen Schlfisse zu.

Es i s t mi r eine angenehme Pf l icht , H e r r n Prof. Dr. M e e s m a n n fiir d ie Uber lassung des Un te r suchungsma te r i a l s u n d die Un te r s t i i t zung be i der Bea rbe i tung desselben meinen verb ind l ichs ten D a n k uuszusprechen.

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