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Eigentlich fing es ganz harmlos an. Ein bisschen müde und schlapp wirkte der kleine Luis, etwas blass um die Nase war er – doch all dies hätte sich mit der erst kürzlich über- standenen Erkältung noch begründen lassen. Als der Dreijährige dann aber zudem über Schmerzen in den Beinen klagte, wollten die besorgten Eltern den Besuch beim Kinderarzt nicht länger aufschieben. Das dort bestimmte Differenzialblutbild weckte bereits einen schlim- men Verdacht, der sich in der Knochenmarks- punktion in der Klinik bestätigen sollte: akute lymphatische Leukämie (ALL) lautete die Diagnose. Leider kein Einzelfall. Akute Leukämien stellen mit weitem Abstand den Löwenanteil kindlicher Krebsleiden. 600 Kinder erkranken in Deutschland jedes Jahr an einer ALL, das Gros zwischen dem ersten und fünften Lebens- jahr. Die akute myeloische Leukämie (AML), die meist im Schulalter auftritt, ist zwar deut- lich seltener, wird aber dennoch bundesweit bei etwa 100 Kindern jährlich diagnostiziert. Besonders tückisch sind Leukämien, weil sie zunächst keine Schmerzen verursachen und deshalb oft lange unentdeckt bleiben. Erst im fortgeschrittenen Stadium, wenn die massive Produktion unreifer Vorläuferzellen die normale Blutbildung im Knochenmark fast verdrängt hat, treten die ersten Symptome auf – wie bei Luis typischerweise Müdigkeit, Spielunlust, Schmerzen in den Beinen, Blässe und blaue Flecken als Zeichen der Anämie und der Verminderung der Thrombozytenzahl. Außerdem neigen die Kinder, da sie kaum mehr gesunde Immunzellen besitzen, zu Infek- tionen. Kurze Zeit später können Haut- und Schleimhautblutungen, Fieber, Bauch- und Kopf- schmerzen, Sehstörungen, Erbrechen, Atemnot sowie eine Vergrößerung von Lymphknoten, Milz und Leber hinzukommen. Bis Anfang der 1970er Jahre waren die akuten Leukämien praktisch ein Todesurteil – im Durchschnitt verstarben die kleinen Patienten etwas mehr als ein Jahr nach Diagnosestellung (Abb. 1). Das hat sich glücklicherweise in der Zwischenzeit massiv geändert. Wie die Daten des Kinderkrebsregisters in Mainz ergeben, können heute 75 bis 80 Prozent der an akuter lymphatischer Leukämie leidenden Kinder er- folgreich therapiert werden. Bei der myeloischen Form stehen die Überlebenschancen mit über 50 Prozent allerdings deutlich schlechter. Auch Luis gilt heute, zwei Jahre, nachdem sein Kinderarzt die Krebserkrankung feststellte, als geheilt. Dass er jetzt so munter mit seinen von Ulrich Kraft Quelle: Markus Winter Während sich die Forscher in den vergangenen Jahrzehnten auf die Verbesserung der Akuttherapie kon- zentrierten, geraten mittlerweile die möglichen Folgen einer Krebserkran- kung immer stärker ins Blickfeld.

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Page 1: Quelle: Markus Winter - UKM · Eigentlich fing es ganz harmlos an. Ein bisschen müde und schlapp wirkte der kleine Luis, etwas blass um die Nase war er – doch all dies hätte sich

Eigentlich fing es ganz harmlos an. Ein bisschen müde und schlapp wirkte der kleineLuis, etwas blass um die Nase war er – doch all dies hätte sich mit der erst kürzlich über-standenen Erkältung noch begründen lassen.Als der Dreijährige dann aber zudem überSchmerzen in den Beinen klagte, wollten die besorgten Eltern den Besuch beim Kinderarztnicht länger aufschieben. Das dort bestimmteDifferenzialblutbild weckte bereits einen schlim-men Verdacht, der sich in der Knochenmarks-punktion in der Klinik bestätigen sollte: akutelymphatische Leukämie (ALL) lautete dieDiagnose.

Leider kein Einzelfall. Akute Leukämien stellen mit weitem Abstand den Löwenanteilkindlicher Krebsleiden. 600 Kinder erkranken in Deutschland jedes Jahr an einer ALL, dasGros zwischen dem ersten und fünften Lebens-jahr. Die akute myeloische Leukämie (AML),die meist im Schulalter auftritt, ist zwar deut-lich seltener, wird aber dennoch bundesweit bei etwa 100 Kindern jährlich diagnostiziert.Besonders tückisch sind Leukämien, weil siezunächst keine Schmerzen verursachen unddeshalb oft lange unentdeckt bleiben. Erst imfortgeschrittenen Stadium, wenn die massiveProduktion unreifer Vorläuferzellen die

normale Blutbildung im Knochenmark fast verdrängt hat, treten die ersten Symptome auf – wie bei Luis typischerweise Müdigkeit,Spielunlust, Schmerzen in den Beinen, Blässeund blaue Flecken als Zeichen der Anämie undder Verminderung der Thrombozytenzahl.Außerdem neigen die Kinder, da sie kaummehr gesunde Immunzellen besitzen, zu Infek-tionen. Kurze Zeit später können Haut- undSchleimhautblutungen, Fieber, Bauch- und Kopf-schmerzen, Sehstörungen, Erbrechen, Atemnotsowie eine Vergrößerung von Lymphknoten,Milz und Leber hinzukommen.

Bis Anfang der 1970er Jahre waren die akuten Leukämien praktisch ein Todesurteil –im Durchschnitt verstarben die kleinen Patientenetwas mehr als ein Jahr nach Diagnosestellung(Abb. 1). Das hat sich glücklicherweise in derZwischenzeit massiv geändert. Wie die Datendes Kinderkrebsregisters in Mainz ergeben, können heute 75 bis 80 Prozent der an akuterlymphatischer Leukämie leidenden Kinder er-folgreich therapiert werden. Bei der myeloischenForm stehen die Überlebenschancen mit über 50 Prozent allerdings deutlich schlechter. Auch Luis gilt heute, zwei Jahre, nachdem sein Kinderarzt die Krebserkrankung feststellte, als geheilt. Dass er jetzt so munter mit seinen

von Ulrich Kraft

Quelle: M

arkus Winter

Während sich dieForscher in den

vergangenenJahrzehnten auf die

Verbesserung derAkuttherapie kon-

zentrierten, geratenmittlerweile die

möglichen Folgeneiner Krebserkran-

kung immer stärkerins Blickfeld.

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Kameraden im Kindergarten herumtobt, verdankt der Kleine zum einen den enormenFortschritten bei der Chemo- und Strahlen-therapie, zum anderen den standardisiertenBehandlungsplänen der Gesellschaft für Pä-diatrische Onkologie und Hämatologie, die regelmäßig nach den neusten wissenschaftli-chen Erkenntnissen optimiert werden.

Kurzer Therapieabriss

Ziel des ersten Teils der Behandlung – der Induktionstherapie – ist es, den Anteil derLeukämiezellen im Knochenmark von fast 100Prozent auf weniger als 5 Prozent zu reduzie-ren. Dazu werden die Kinder vier bis fünfWochen mit einer Kombination aus Steroidenund mehreren Zytostatika behandelt. Nach derRemission kann die normale Blutbildung dannwieder einsetzen. Die daran anschließendeKonsolidierungstherapie mit einer alternativenMedikamentenkombination – meist Methothre-xat und 6-Mercaptopurin – soll die verbliebenenKrebszellen weiter reduzieren. Um auch dieruhenden Leukämiezellen zu vernichten undRezidive zu verhindern, erhalten Kinder mitALL zudem eine zytostatische Dauertherapieüber einen Zeitraum von maximal zwei Jahren.

Da die gängigen Zytostatika die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden, muss das zentraleNervensystem gesondert behandelt werden. In diesem Punkt hat die Strahlentherapie desSchädels die Überlebenschancen der Patientendeutlich verbessert. Vor deren Einführung ent-wickelten 40-60 Prozent der an ALL erkranktenKinder vom ZNS ausgehend ein Rezidiv. Mittler-weile ist bei der vorbeugenden Behandlung deszentralen Nervensystems die intrathekale Gabevon Zytostatika therapeutischer Standard. Dienebenwirkungsreiche Bestrahlung bleibt heuteauf Hochrisikopatienten beschränkt.

Geheilt – und doch nicht gesund

So erfreulich die Fortschritte bei derBehandlung kindlicher Leukämien sind – dieMedaille besitzt leider auch eine Kehrseite. Dennoft hinterlassen die aggressiven Therapien blei-bende Spuren im Körper der kleinen Patienten,die über viele Jahre eine weitere medizinischeBetreuung erforderlich machen. Geheilt heißtalso nicht zwangsläufig gesund. „Etwa 10 Pro-zent aller Leukämiekinder leiden nach einer erfolgreichen Behandlung unter irreversiblenLangzeitfolgen“, erklärt Dr. Gabriele Calaminus

von der Universitätskinderklinik in Düsseldorf.„Bei den bestrahlten High-Risk-Patienten liegtdie Rate sogar bei 30 Prozent.“ Da sich der kindliche Organismus noch in der Entwicklungbefindet, verursachen Zytostatika und Bestrah-lung mehr und schwerere Folgeschäden als beiErwachsenen. Calaminus, Leiterin des vomKompetenznetz pädiatrische Onkologie undHämatologie (KPOH) initiierten Projekts„Gesundheitsbezogene Lebensqualität und Spät-folgen bei krebskranken Kindern und Jugend-lichen“, sieht in der Nachsorge der Therapie-nebenwirkungen eine der großen Herausforde-rungen für die Zukunft. „Im Jahre 2010 wirdeiner von 250 Erwachsenen Überlebender einerkindlichen Krebserkrankung sein. Pädiater undÄrzte anderer Disziplinen werden also immeröfter mit solchen Patienten konfrontiert.“

Mögliche Therapiefolgen erkennen

Auch Prof. Jörn D. Beck von der Kinderkli-nik der Universität in Erlangen hält es für eineder wichtigsten Aufgaben der pädiatrischenOnkologie, die möglichen Spätfolgen einer erfolgreichen antineoplastischen Therapie imRahmen der Nachsorge zu erkennen und zu beseitigen. Zu diesem Zweck wurde in Deutsch-land Anfang der 1990er Jahre das „Late-Effect-Surveillance-System“ (LESS) ins Leben geru-fen. Das von Professor Beck geleitete LESS-Studienzentrum in Erlangen sammelt und analysiert Daten über die unerwünschten Fol-geerscheinungen bei Überlebenden von Krebs-erkrankungen im Kindesalter, und zwar bezo-gen auf die Krebsart und die angewandten therapeutischen Maßnahmen. Bei Leukämiendrohen in erster Linie folgende Komplikationen:

• Kardiomyopathien Anthrazykline gehören zu den effektivstenMedikamenten der pädiatrischen Onkologie, können aber durch oxidative Mechanismen dasMyokard schädigen. Die Folge ist eine dilatative

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Abb. 1:Überlebensraten nacheiner Krebserkran-kung im Kindes- undJugendalterQuelle: KPOH

Komplikationen einer Krebstherapiezu erkennen und zubehandeln, wird inder Zukunft eine dergroßen Heraus-forderungen sein,meint Dr. Calaminus.

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Kardiomyopathie, die meist progredient verläuft.• Nierenfunktionsstörungen

Platinderivate und Oxazaphosphorine wieIfosphamid sind nephrotoxisch und können so-wohl glomeruläre als auch tubuläre Nierenfunk-tionsstörungen nach sich ziehen – bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz.

• Schädigungen des zentralenNervensystems Insbesondere jene Kinder, die eine kranialeStrahlentherapie erhalten haben, leiden untervielschichtigen kognitiven Problemen, vonKonzentrationsschwierigkeiten über motorischeDefizite bis hin zu Teilleistungsstörungen – etwain der sprachlichen Entwicklung – und psychischerInstabilität. Auch die Steroiddauertherapie wirdmit neurologischen Schäden in Zusammenhanggebracht. Gabriele Calaminus betont, dass geradediese kognitiven Defizite die Lebensqualität derKinder oft sehr stark beeinträchtigen, sei es in der Schule oder später während der Berufs-ausbildung.

• Störungen des endokrinen SystemsBesonderes Augenmerk gilt hier der Schilddrüseund den Gonaden. Infertilität ist unter ehemaligenKrebskindern eine mögliche Folgeerscheinung derChemotherapie. Bestrahlungen des Schädels führenzu einer Dysregulation der Adeno- und/oderNeurohypophyse, die sich vor allem in einemAusfall der Produktion von Wachstumshormonmanifestieren kann. Auch wenn viele Kinder denRückstand nach der Therapie rasch aufholen, mussdie körperliche Entwicklung genau beobachtetwerden.

• InfektanfälligkeitAuch zwei Jahre nach dem Ende der Leukämie-therapie lassen sich im Immunsystem noch gewisseDefekte nachweisen. Die Kinder sind also anfälli-ger für Infektionen als gesunde Gleichaltrige.Deshalb spielen prophylaktische Maßnahmenwie Impfungen und eine frühzeitige Antibiotika-therapie in der pädiatrischen Krebsnachsorgeeine wichtige Rolle.

• ZweitmalignomeViele Chemotherapeutika und ganz besonders dieHochdosisstrahlentherapie besitzen selbst kanze-rogene Wirkung und bergen deshalb die Gefahr,ein Sekundärmalignom auszulösen. Diese Tumorekönnen sich bereits im ersten Jahr nach der Primär-behandlung entwickeln – unter Umständen aberauch erst nach über 20 Jahren. Nach den Datendes Kinderkrebsregisters in Mainz liegt die Inzi-denz der Zweitmalignome bei ALL-Patienten inden ersten zehn Jahren nach Abschluss der Thera-pie bei zwei Prozent.

Forschungsbrennpunkt Nachsorge

Im Zusammenhang mit den Sekundärmalig-nomen weist Gabriele Calaminus auf eines dergroßen Probleme der Kinderonkologie hin: die fehlenden Langzeitstudien. „Das zentraleKinderkrebsregister gibt es erst seit gut 20 Jah-ren, die längsten von uns untersuchten Verläufegehen über 15 Jahre“, erklärt sie. „Wir wissenalso gar nicht, was über diesen Zeitraum hinausalles noch passieren kann.“ Zweitmalignomebeispielsweise scheinen sich, wie amerikanischeStudien zeigen, oft erst nach 20 bis 25 Jahren zuentwickeln. Also zu einem Zeitpunkt, an demviele ehemalige Krebskinder schon fast vergessenhaben, dass sie einmal krank waren. „Wir müs-sen sowohl die Patienten als auch die behan-delnden Ärzte für diese möglichen Folgeerkran-kungen sensibilisieren“, fordert Calaminus.„Und dazu brauchen wir mehr Informationenüber den langfristigen Verlauf.“

Solche Informationen über die Spätfolgen liefern Projekte wie LESS. Kliniken und nieder-gelassene Ärzte melden eventuelle Folgeer-krankungen der von ihnen in der Nachsorgebetreuten Patienten an das LESS-Studienzen-trum, das die Daten dann zentral dokumentiertund auswertet. Dabei muss jeder Behandlungs-schritt detailliert erfasst werden:Welches Medikament wurde in welcher Konzentration über welchen Zeitraum ein-gesetzt? Welche Therapie erzielte die besteWirkung? Welche gesundheitlichen Problemetraten im weiteren Verlauf auf und wann manifestierten sie sich bevorzugt?

Neue Herausforderung in der Praxis

Bei den Leukämien obliegt vor allem dieBeantwortung der letzten Frage zum großenTeil dem niedergelassenen Pädiater. Schließlichsind die betroffenen Kinder zum Zeitpunkt derErkrankung in aller Regel so jung, dass sie auchnach ihrer Heilung noch jahrelang in der Obhutdes Kinderarztes bleiben. Gabriele Calaminusmöchte die pädiatrischen Praxen deshalb gerneenger in die Langzeitnachsorge mit einbeziehen.Auch in den ambulanten Abschnitten der Krebs-therapie, also zum Beispiel der Dauertherapie-phase, können sie einen Teil der Verlaufskon-trollen übernehmen – so dass kleine Patientennur noch zu jedem zweiten Termin ins Tumor-zentrum kommen müssen. „Manche Untersu-chungen kann der Kinderarzt natürlich nichtleisten, weil ihm schlicht die diagnostischen

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Quelle: privat

Dr. Gabriele Calaminus,Leiterin des Projekts„GesundheitsbezogeneLebensqualität undSpätfolgen bei krebs-kranken Kindern undJugendlichen“.

NiedergelassenePädiater könnten

eine wichtige Rollein der Langzeit-

nachsorge übernehmen.

„Was der nieder-gelassene Arzt vor

allem braucht,sind gut verfügba-re Informationen.“

G. Calaminus

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Möglichkeiten fehlen“, räumt die Onkologinein. „Doch vor allem nach dem ersten Behand-lungsjahr macht die zweigleisige NachsorgeTumorzentrum-Pädiater unter bestimmtenVorraussetzungen Sinn und wird in ländlichenGegenden teilweise schon erfolgreich praktiziert.“

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dieniedergelassenen Pädiater wissen, mit welchenSymptomen und Spätfolgen sie zu welchemZeitpunkt rechnen sollten und welche Unter-suchungen wann notwendig werden, um even-tuelle Komplikationen möglichst frühzeitig zuerkennen. „Was der niedergelassene Arzt vorallem braucht, sind gut verfügbare Informatio-nen“, betont Calaminus. „Hier müssen wirnoch viel Energie investieren.“ Projekte wieLESS oder die Studien „GesundheitsbezogeneLebensqualität und Spätfolgen bei krebskrankenKindern und Jugendlichen“ zielen deshalb auchnicht nur darauf ab, mögliche Folgeerscheinun-gen einfach zu erfassen. LESS möchte, wieProjektleiter Jörn Beck betont, den Ärzten einenLeitfaden mit konkreten Empfehlungen für diebestmögliche Nachsorge ihrer jungen Patientenin die Hand geben. Dabei sollen neue wissen-schaftliche Erkenntnisse möglichst rasch in dietherapeutischen Leitlinien einfließen und umgesetzt werden, so dass eine vertikaleVernetzung ermöglicht wird. „Um die optimalenPräventionsstrukturen zu schaffen, müssen dieverschiedenen ärztlichen Disziplinen eng zu-sammenarbeiten“, fordert Gabriele Calaminus.

Forschungsfeld Therapieoptimierung

Dass die Krebsforschung ihr Augenmerkderzeit sehr stark auf die Ermittlung vonKriterien für das individuelle Spät-folgenrisiko richtet, hat aber noch einen anderen Grund. Denn neueMedikamente, die die Leukämie-therapie weiter revolutionieren könnten, sind momentan nicht in Sicht. Deshalb versuchenOnkologen, die Behandlung auf andere Weise zu optimieren. Zum einen wird die Dosierung der Chemotherapeutika verfei-nert, nach dem Motto: „So viel wie nötig und so wenig wie möglich“. Zum anderen erhalten die kleinen Patienten schon während der Therapiesupportive Medikamente, die mögliche

Nebenwirkungen verhindern oder zumindestabschwächen sollen. Beispielsweise lassen sichKinder mit einem erhöhten Risiko für eineKardiomyopathie anhand des echokardio-grafischen Befundes ermitteln und dement-sprechend prophylaktisch behandeln. In die individuelle Risikostratifizierung und die daraus resultierende Therapieoptimierung setzt Gabriele Calaminus große Hoffnungen:„Die Spätfolgen werden sich dadurch reduzie-ren – und manche Komplikationen kindlicherLeukämien sehen wir vielleicht in 20 Jahren garnicht mehr.“ Für Kinder wie Luis, deren einsttödliches Leiden heute geheilt werden kann,sind das sehr gute Nachrichten.

Literatur:

• Creutzig, U et al: Krebserkrankungen bei Kindern.

Deutsches Ärzteblatt. 2003 März; 100 (13).

• Creutzig, U et al: Kompetenznetz Pädiatrische

Onkologie und Hämatologie (Editorial). Klin

Pädiatrie. 1999; 211: 187-188.

• Creutzig, U et al: Vertikale Vernetzung in der

Pädiatrischen Onkologie. Onkologe. 2000; 6: 814-818.

• Langer, T et al: Basic methods and the developing

structure of a late effects surveillance system (LESS) in

the long term follow-up of pediatric cancer patients in

Germany. Medical and Pediatric Oncology. 2000; 34:

348-352.

• Calaminus, G et al: Quality of Life in Children with

Cancer. Klin. Pädiatrie. 2000; 212: 211-215.

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Abb. unten:Teilprojekt derKPOH zur vertika-len Vernetzung verschiedener therapeutischer undwissenschaftlicherEinrichtungen.Quelle: Kompetenznetz pädiatrische Onkologie undHämatologie

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Nachsorgeplan des Kompetenznetzprojektes Vertikale Vernetzung