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38 2017 Band 83 / 1 chirurgische praxis Ileostoma – Kolostoma – Stomakomplikation – parastomale Hernie chirurgische praxis 83, 38–46 (2017) Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG Prinzipien der Stomaanlage – Maßnahmen zur Hernienprophylaxe Z. Hirche, S. Willis Chirurgische Klinik A, Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Unfallchirurgie, Klinikum der Stadt Ludwigshafen Indikationen Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Dünn- und Dickdarmstomata bzw. zwischen doppelläufi- gen (syn. protektiven/temporären) und endstän- digen (syn. definitiven) Stomata. Die Art des anzulegenden Stomas ist abhängig von Grund- krankheit und durchgeführter Operation. Die Indikationen betreffen sowohl Elektiv- als auch Notfalleingriffe und ergeben sich häufig daraus, ob eine Darmanastomose technisch möglich ist oder das Risiko für eine Anastomoseninsuffizi- enz zu hoch erscheint. Auch der Zustand des Patienten mit seinen Komorbiditäten oder die intraoperative Situation beeinflussen die Indi- kation. Zu den elektiven Indikationen zählt die Stuhl- ableitung bei angeborenen Fehlbildungen (z. B. Analatresie), nach Rektumexstirpation, bei Stuhlinkontinenz oder auch beim destruieren- den, inkurablen Fistelleiden. Die häufigste elektive Indikation stellt die Protektion Insuffi- zienz-gefährdeter Anastomosen dar. Hierbei wird durch die Stuhldeviation die Möglichkeit einer Abheilung des komplexen Fistelsystems bzw. der Anastomose ermöglicht. Zu den Notfallindikationen zählen Ileus, Darm- perforationen, Anastomoseninsuffizienzen und Beckentraumata mit Pfählungsverletzungen. Lange war die Operation nach Hartmann mit der Anlage eines endständigen Kolostomas das Verfahren der Wahl bei septischer Dickdarmper- foration (Tumor, perforierte Divertikulitis, Trau- ma, Anastomosenleckage). Aktuell kommt das Verfahren nur noch bei hochkritischen Patienten zur Anwendung. In den aktuellen Leitlinien wird die primäre Anastomosierung mit simultaner Anlage eines doppelläufigen Ileostomas anstel- le der Diskontinuitätsresektion mit endständi- gem Stoma im Notfall empfohlen. Hintergrund ist, dass bei gleichem Behandlungserfolg der Grunderkrankung ein größerer Prozentsatz der Patienten nach kürzerer Wartezeit einer Stoma- rückverlegung zugeführt werden kann als bei einer Kontinuitätswiederherstellung nach einer Hartmann-Situation [1]. CME c m e. m g o - f ac h v e rl a g e . d e

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38 2017 Band 83 / 1 chirurgische praxis

Ileostoma – Kolostoma – Stomakomplikation – parastomale Hernie

chirurgische praxis 83, 38–46 (2017) Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG

Prinzipien der

Stomaanlage –

Maßnahmen zur

Hernienprophylaxe

Z. Hirche, S. Willis

Chirurgische Klinik A, Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Unfallchirurgie,

Klinikum der Stadt Ludwigshafen

Indikationen

Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Dünn- und Dickdarmstomata bzw. zwischen doppelläufi-gen (syn. protektiven/temporären) und endstän-digen (syn. definitiven) Stomata. Die Art des anzulegenden Stomas ist abhängig von Grund-krankheit und durchgeführter Operation. Die Indikationen betreffen sowohl Elektiv- als auch Notfalleingriffe und ergeben sich häufig daraus, ob eine Darmanastomose technisch möglich ist oder das Risiko für eine Anastomoseninsuffizi-enz zu hoch erscheint. Auch der Zustand des Patienten mit seinen Komorbiditäten oder die intraoperative Situation beeinflussen die Indi-kation.

Zu den elektiven Indikationen zählt die Stuhl- ableitung bei angeborenen Fehlbildungen (z. B. Analatresie), nach Rektumexstirpation, bei Stuhlinkontinenz oder auch beim destruieren-den, inkurablen Fistelleiden. Die häufigste elektive Indikation stellt die Protektion Insuffi-zienz-gefährdeter Anastomosen dar. Hierbei wird durch die Stuhldeviation die Möglichkeit einer Abheilung des komplexen Fistelsystems bzw. der Anastomose ermöglicht.

Zu den Notfallindikationen zählen Ileus, Darm-perforationen, Anastomoseninsuffizienzen und Beckentraumata mit Pfählungsverletzungen.

Lange war die Operation nach Hartmann mit der Anlage eines endständigen Kolostomas das Verfahren der Wahl bei septischer Dickdarmper-foration (Tumor, perforierte Divertikulitis, Trau-ma, Anastomosenleckage). Aktuell kommt das Verfahren nur noch bei hochkritischen Patienten zur Anwendung. In den aktuellen Leitlinien wird die primäre Anastomosierung mit simultaner Anlage eines doppelläufigen Ileostomas anstel-le der Diskontinuitätsresektion mit endständi-gem Stoma im Notfall empfohlen. Hintergrund ist, dass bei gleichem Behandlungserfolg der Grunderkrankung ein größerer Prozentsatz der Patienten nach kürzerer Wartezeit einer Stoma-rückverlegung zugeführt werden kann als bei einer Kontinuitätswiederherstellung nach einer Hartmann-Situation [1].

CMEcm

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chirurgische praxis 2017 Band 83 / 1 39

Das Pfählungstrauma bzw. die Zerstörung des Rektums im Rahmen einer komplexen Beckenver-letzung macht die Anlage eines Stomas notwen-dig. Hier sind der Stomatyp und die Lokalisation von der Verletzungssituation vorgegeben.

Doppelläufiges, protektives Stoma

Diese Stomaart ist gut geeignet, um den Darm bei nachgeschalteten Engstellen komplikations-arm und nachhaltig zu dekomprimieren oder nachgeschaltete Anastomosen durch Stuhldevia- tion zu schützen bzw. die Auswirkungen einer Anastomoseninsuffizienz zu minimieren [1].

Soll eine protektive Stuhldeviation wie z. B. beim neoadjuvant vorbehandelten tiefsitzenden Rektumkarzinom stattfinden, erfolgt die Anla-ge eines doppelläufigen Ileostomas ( Abb. 1). Die Ileostomarückverlagerung ist technisch ein-facher und weniger komplikationsträchtig als die Kontinuitätswiederherstellung beim endständi-gen Stoma, da eine vollständige Relaparotomie und Adhäsiolyse vermieden wird [1].

Ist das zeitliche Intervall bis zur Stomarückver-lagerung größer als 6 Monate oder zeitlich nicht absehbar oder handelt es sich um multimorbi-de Patienten mit Nieren- oder Herzinsuffizienz sollte man eher ein doppelläufiges Transverso- oder Sigmoidostoma wählen. So kann eine Mal-nutrition oder Exsikkose durch ein potenzielles High-flow-Ileostoma vermieden werden. Typische Indikationen hierfür sind auch der schwer chirur-gisch kontrollierbare Anus-nahe Dekubitus oder das stenosierende, nicht resektable Rektumkarzi-nom bei bettlägerigen Patienten. Hier sollte das doppelläufige Sigmoido- oder Transversostoma vor dem distalen Blindverschluss mit endständigem Descendostoma vorgezogen werden. So kann ein Sekretstau proximal der Stenose und ggfs. einer konsekutiven Stumpfinsuffizienz vorgebeugt wer-den.

Abb. 1 | Doppelläufiges Ileostoma

Abb. 2 | Endständiges Ileostoma

Abb. 3 | Endständiges Descendostoma

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Endständiges Stoma

Das endständige Ileostoma wird nur noch sel-ten bei Proktokolektomie ohne Pouch oder im Rahmen einer mehrzeitigen Proktokolektomie durchgeführt. Häufiger wird es im Notfall nach subtotaler Kolektomie und Blindverschluss des Rektums oder nach Dünn-/Dickdarmsegmentre-sektionen wegen Mesenterialischämie angelegt ( Abb. 2).

Das endständige Kolostoma ist indiziert bei der Rektumexstirpation wegen eines ultratiefen Rek-tumkarzinoms oder Analkarzinomrezidivs ( Abb. 3). Weitere Indikationen sind nach Kolondiskon-tinuitätsresektionen, aber auch beim therapie-refraktären Dekubitus, Analfistelleiden oder an-geborenen analen Fehlbildungen als endgültige Lösung.

Lokalisation

Grundsätzlich sollten alle Stomata so aboral wie möglich angelegt werden, um die maximale Re-sorptionsstrecke des Darmes auszunutzen. Wei-terhin sollte schon bei der Stomaanlage an die Wiederherstellung der Darmkontinuität gedacht werden und, falls möglich, dem doppelläufigen Stoma der Vorzug gegeben werden.

Es kommen prinzipiell alle Darmabschnitte für eine Stomaanlage in Frage, wenn die Länge der Gefäßarkade eine spannungsfreie Verlagerung vor die Bauchdecke erlaubt. Die Art des Stomas bestimmt die Lokalisation. Das Transversostoma wird in der Regel im rechten oberen Quadrant angelegt. Für ein Ileostoma ist es der rechte untere und beim Kolostoma der linke untere ab-dominale Quadrant.

Die Planung der Stomaanlage beginnt schon präoperativ. Eine präoperative Stomamarkierung ist essenziell, um spätere Komplikationen auf-grund schlechter Versorgbarkeit zu verhindern. Die Markierung erfolgt immer am wachen Patien-ten im Stehen, Liegen und im Sitzen. Das Stoma sollte mit Ausnahme des Transversostomas un-terhalb des Nabels liegen und im lateralen Be-

reich der Rektusscheide durch die Bauchdecke geführt werden. Man verspricht sich durch die transmuskuläre Ausleitung eine Vermeidung von parastomalen Hernien und eine Art endogenen Verschluss durch die Rektusmuskulatur, auch wenn dies in Studien bislang nicht belegt wer-den konnte. Wichtige Kriterien für die optimale Platzierung sind der ausreichende Abstand zum Nabel, zu Narben, Falten und Knochenvorsprün-gen (Beckenkamm, Rippenbogen). Die Beklei-dungsgrenzen (Hosenbundhöhe) sollten eben-falls mit markiert und berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass der Patient für die Selbstver-sorgung dieses selbst sehen und erreichen kann. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale ist dann die optimale Stomastelle dort zu markieren, wo eine glatte Stomaumgebung von ca. 8 x 8 cm verfügbar ist. Idealerweise sollte die vorgesehe-ne Stelle durch Aufkleben einer Stomaplatte vom Patienten präoperativ getestet werden.

In der Notfallsituation kann man eine virtuelle Verbindungslinie zwischen Spina iliaca ant. sup. und Nabel ziehen. Am Übergang vom zweiten zum dritten Drittel dieser Linie kann die Sto-mastelle gewählt werden. Die Stomaanlage in-nerhalb oder nahe der Laparotomiewunde ist zu vermeiden, um eine sekundäre Wundinfektion durch Kontamination zu verhindern bzw. hier das Stoma schlecht zu versorgen ist. Bei einer extremen Adipositas ist die Stomaanlage im obe-ren Abdominalquadranten wegen der besseren Erreichbarkeit bei der Selbstversorgung sowie Reduktion der Komplikationsrate aufgrund der hier dünneren Bauchdecke sinnvoller.

Chirurgische Technik

Präparation der Durchtrittsstelle

Zur Präparation der Durchtrittsstelle wird die Bauchdecke mittels Klemmen im Bereich der medianen Laparotomie fixiert, um ein kulissen-artiges Verschieben der Schichten zu verhindern. Zur Schaffung des Hautdurchtritts wird die Haut mit einer Kocher-Klemme gefasst und kreisrund entsprechend dem Durchmesser des Darms inzi-

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das Peritoneum einige Zentimeter nach lateral untertunnelt und eröffnet, sodass der Darm ei-nen Siphon-artigen Verlauf durch die Bauchdecke nimmt. Alternativ kann die Stomaaustrittsstelle schon bei der Erstanlage mit einem zirkulären nicht-resorbierbaren Kunststoffnetz zur Hernien-prävention versorgt werden. Trotz guter Studien- ergebnisse wird dieses Verfahren aus Sorge vor lokalen Infekten nur selten angewendet.

Der Haut-aggressive, säurehaltige Dünndarmin-halt macht eine prominente Stomaanlage not-wendig. Eine Skelettierung des Darmendes soll nicht erfolgen, um die Durchblutung als Voraus-setzung zur Vermeidung von lokalen Problemen zu gewährleisten. Das Ileum wird 5–6 cm durch die Durchtrittsstelle vorgelagert, am Peritoneum fixiert und umgestülpt. Eine Fixation am Peri-toneum kann sinnvoll sein, um eine Retraktion oder einen Prolaps zu vermeiden. Durch eine entsprechende Nahttechnik entsteht ein promi-nentes Stoma. Das Ileostoma sollte die Haut um 2 cm überragen, um den Dünndarminhalt direkt in den Beutel zu entleeren.

Bei sehr adipösen Bauchdecken kann es ggf. notwendig werden, auch bei funktionell end-ständiger Situation eine doppelläufige Stomaan-lage vorzunehmen, um eine Ischämie des durch die Bauchdecke verlaufenden Darmabschnittes zu vermeiden.

Im Notfall sollte beim endständigen Dünn-darmstoma die Eversion nicht erzwungen wer-den. Im Zweifelsfall kann der nicht skelettierte Dünndarmstumpf einfach ausgeleitet, seromus-kulär an der Haut fixiert und 2–3 cm überstehend belassen werden, um eine gute Versorgbarkeit zu gewährleisten. So kann auch bei einer Mesente-rialischämie durch gute Sicht auf die intralumi-nale Schleimhaut eine klinische Beurteilbarkeit bzgl. sekundärer Schleimhaut- oder Vollwandne-krosen erfolgen.

Endständiges Kolostoma, offen chirurgisch

Auch hier sollte das distale Ende nicht skelettiert werden. Technisch wird der meist mittels Klam-

diert. Es empfiehlt sich, einen Haut-/Subcutis-zylinder zu resezieren, um nach dem Durchziehen des Darms eine plane Auflagefläche für die Basis-platte zu erhalten. Nach Durchtrennen des Sub-cutangewebes wird die Faszie dargestellt. Diese wird kreuzförmig mit der Diathermie inzidiert. Die Muskulatur wird stumpf auseinandergedrängt und das Peritoneum schlitzförmig oder ebenfalls kreuzförmig inzidiert. Der Durchtritt durch die Bauchdecke sollte für 2 Querfinger gut durch-gängig sein.

Doppelläufiges Ileostoma, offen chirurgisch

Die ausgewählte Ileumschlinge wird mit einem transmesenterial durchgezogenen Zügel unter-fahren und anschließend vor die Bauchdecke vor-gelagert. Die Position des zuführenden Schenkels wird kontrovers diskutiert. Wenn spannungsfrei möglich, sollte das Stoma mit dem zuführenden Schenkel kaudal oder zumindest seitlich ange-legt werden, um ein Überlaufen des Stuhls in den abführenden Schenkel zu verhindern. Die Eröffnung der vorverlagerten Schlinge erfolgt als letzter chirurgischer Schritt, um eine Wund-kontamination mit Stuhl zu vermeiden. Der orale Anteil wird evertiert und prominent eingenäht, während der abführende Schenkel sowohl plan im Hautniveau als auch evertiert eingenäht wer-den kann.

Anstelle einer Anastomose mit protektivem Stoma kann auch ein sog. »Mikulicz-Stoma« angelegt werden, bei dem die beiden zu anastomosieren-den Darmschenkel vor die Bauchdecke verlagert werden und nur die Hinterwand anastomosiert wird. Dies sollte jedoch nur bei optimalen Bedin-gungen erwogen werden, da bei einer eventuellen Nahtinsuffizienz eine erneute Laparotomie unum-gänglich ist. Auf den Einsatz eines Reiters ist in dieser Situation absolut zu verzichten.

Endständiges Ileostoma, offen chirurgisch

Beim endständigen Stoma wird zunehmend die extraperitoneale Ausleitung zur Prävention von parastomalen Hernien propagiert. Hierfür wird

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roskopischen Rektumresektion. Hier wird ein Ar-beitstrokar im rechten Unterbauch an der präo-perativ markierten Stomastelle platziert. Das terminale Ileum wird mit einer Babcock-Klemme gefasst. Anschließend wird in gewohnter Wei-se von außen um den Arbeitstrokar herum die Durchtrittsstelle präpariert, wobei der Trokar mit der Babcock-Klemme in der Wunde verbleibt. Dann wird die Ileumschlinge spannungsfrei mit der Babcock-Klemme vor die Bauchdecke verla-gert und mit einem Zügel temporär gesichert. Das Pneumoperitoneum wird mit reduziertem Druck erneut aufgebaut und die korrekte, nicht torquierte oder abgeknickte Lage von zu- und abführender Schlinge überprüft. Anschließend werden die Trokare entfernt und die Inzisions-stellen verschlossen. Dann wird das Stoma wie üblich eröffnet und sternförmig eingenäht.

Bei der laparoskopischen Sigmoidostoma-Anla-ge ist der präparatorische Aufwand größer, da die laterale Umschlagfalte abpräpariert werden muss. Das Colon wird bei der doppelläufigen Anlage nach der Mobilisation entweder mit ei-ner Babcock-Klemme gefasst oder transmesen-terial angezügelt. Nach üblicher Vorbereitung der Durchtrittsstelle wird das Dickdarmsegment vor die Bauchdecke gelagert. In jedem Fall ist abschließend die laparoskopische Kontrolle der korrekten Lage der Darmschlinge obligat. Die Trokare werden entfernt und die Inzisionsstellen verschlossen. Dann wird das Stoma wie üblich eröffnet und sternförmig eingenäht. Da die An-lage eines doppelläufigen Transversostomas als eigenständiger Eingriff meist problemlos über einen kurzen Querschnitt im rechten Oberbauch möglich ist, kommt das laparoskopische Verfah-ren hier nur selten zum Einsatz. Im Gegensatz dazu eignet sich die laparoskopische Anlage eines endständigen Descendo- oder Sigmo- ideostomas gut. Das laparoskopisch mobilisierte Colon wird mit einem Linearstapler im Bauch durchtrennt und der abführende Schenkel in die Bauchhöhle reponiert. Der orale Schenkel wird ausgeleitet und als Stoma eingenäht. Bei der Durchtrennung des Mesos ist darauf zu achten, dass die Blutversorgung des blind abgesetzten Schenkels erhalten bleibt.

mernaht verschlossene Darm ohne Spannung durch die Bauchdecke geführt. Das Darmende sollte ohne Spannung 2–3 cm über Hautniveau mobilisierbar sein und sich nicht spontan bzw. spannungsbedingt retrahieren. Ein intraabdomi-nelles Durchhängen oder Abknicken der abfüh-renden Darmschlinge kann zu Entleerungsstö-rungen der Darmsekrete, Kotsteinbildung oder einem funktionellen Blindsacksyndrom führen und sollte deshalb vermieden werden. Um eine parastomale Herniation zu verhindern, sollte das ausgeleitete Kolon extraperitoneal ausge-leitet oder mit einem Kunststoffnetz gesichert werden. Das Stoma wird im Hautniveau mittels intrakutaner, seromuskulärer Einzelknopfnähte sternförmig eingenäht.

Doppelläufiges Kolostoma, offen chirurgisch

Bei der Transversostomaanlage als selbststän-digen Eingriff erfolgt eine kurze quere Ober-bauchlaparotomie. Nach Hautinzision, Spaltung der Subkutis und Durchtrennen des vorderen Faszienblatts sowie Verdrängen der Rektusmus-kulatur wird das Colon transversum mobilisiert. Dabei wird das Omentum majus kurzstreckig vom Querdarm abpräpariert und das Kolon nach transmesenterialem Anzügeln vor die Bauchde-cke verlagert. Ein Reiter wird unterfahren und die Faszie wird anschließend bis auf 3 Querfinger Durchmesser eingeengt. Nach dem Bauchdecken-verschluss erfolgen die quere Eröffnung des Ko-lons und das sternförmige Einnähen des Stomas mittels mukokutaner Nähte.

Laparoskopische Stomaanlage

Die laparoskopische Anlage eines Ileo- oder Ko-lostomas ist ein sicheres Verfahren. Voroperati-onen stellen primär keine Kontraindikation zum laparoskopischen Vorgehen dar, können aber die OP-Dauer, die Rate an perioperativen Komplika-tionen und die technische Anforderung negativ beeinflussen. Am häufigsten ist das laparoskopisch angelegte doppelläufige Ileostoma im Rahmen einer lapa-

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cke ( Abb. 4). Wenn eine parastomale Hernie in den ersten Wochen auftritt, liegt ein technischer Fehler vor, wie z. B. eine zu große Durchtrittsstel-le. Ein späteres Auftreten ist dagegen auf bio-mechanische Folgeveränderungen wie z. B. durch Bauchdeckenretraktion (führt zur Ausweitung der Durchtrittsstelle), erhöhten intraabdominellen Druck oder Adipositas zurückzuführen und damit letztendlich nicht sicher zu vermeiden.

Die parastomalen Hernien werden eingeteilt in 4 Subtypen: • Subkutaner Typ mit subkutanem Herniensack,• interstitieller Typ mit Herniensack innerhalb

der abdominellen Muskel- bzw. Aponeurose-schichten,

• peristomaler Typ mit Darmvorfall in einen das Stoma umfassenden Herniensack,

• intrastomaler Typ beim Ileostoma mit einem Herniensack zwischen der intestinalen Wand und dem nach außen gestülpten Intestinum.

Kleine parastomale Hernien werden von den Pa-tienten über eine längere Zeit gut toleriert, sie können aber im Verlauf zur Größenprogredienz und/oder konsekutiven schwerwiegenden Kom-plikationen wie Ileus oder Inkarzeration führen. Außerdem ist die langfristige Stomaversorgung bei parastomalen Hernien schwierig.

Die Indikation zur Versorgung einer parasto-malen Hernie ist bei Komplikationen, nicht zu

Um spätere Komplikationen wie Entleerungsstö-rung oder Prolaps zu vermeiden, kann eine ex- traperitoneale Tunnelung vor dem Ausleiten aus der Bauchdecke durchgeführt werden.

Stomakomplikationen

Die Komplikationsrate der protektiven Stomaan-lage ist insgesamt gering und wird eher durch die primäre Operation verursacht als durch die Wahl des Stomatyps. Dagegen ist die langfristi-ge Morbidität sehr hoch. In vielen Studien wird eine spezifische Komplikationsrate von 21 bis über 70 % angegeben und viele Patienten müs-sen im Verlauf wegen einer Stomakomplikation reoperiert werden. Grundsätzlich kann zwischen Früh- und Spätkomplikationen unterschieden werden. Zu den Frühkomplikationen zählen die Schleimhautnekrose (7 %), Fistelung oder Abs-zedierung parastomal oder die Stomaretraktion. Spätkomplikationen sind peristomale Läsionen (10–57 %), Stenosierungen (2–17 %), der Sto-maprolaps (8–75 %) oder die Bildung einer pa-rastomalen Hernie (9–22 %) [1].

Parastomale Hernie

Parastomale Hernien sind mit einer Inzidenz von 9–22 % sehr häufig und resultieren aus der un-physiologischen artifiziellen Lücke der Bauchde-

Abb. 4 | Parastomale Hernie

Abb. 5 | Direkter Verschluss der Faszienlücke mit parasto-

malem Zugang bei parastomaler Hernie

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des Auftretens parastomaler Hernien erhöht. Ob-wohl keine klinischen Daten existieren, die diese These unterstützen, scheint es günstig, die Öff-nung gerade groß genug für die Ausleitung des Darms zu schaffen. Die Fixierung des Mesente-riums oder das Annähen des Darms an die Apo- neurose reduziert die Hernienrate nicht [2]. Viele Chirurgen, so auch wir, versuchen die Hernienin-zidenz durch eine extraperitoneale Ausleitung zu reduzieren. Durch den Siphon-artigen Verlauf des Dickdarms durch die Bauchdecke soll es im Ver-gleich zur geraden Ausleitung zu einer funktionel-len Abdichtung des Stomas kommen. Belastbare wissenschaftliche Daten gibt es hierfür nicht.

Ein anderer Ansatz zur Prävention von parasto-malen Hernien ist die Implantation alloplasti-scher Netze bei der Stomaanlage. Sie sollen die Bauchdecke im Bereich des Stomas stabilisieren und einer Erweiterung des Durchtritts vorbeu-gen. Aktuell existieren in der Literatur 10 pros-pektive, randomisierte Studien zwischen 2008–2016 zur Anwendung prophylaktischer Netze im Rahmen der Anlage eines definitiven Kolostomas zwecks Prävention parastomaler Hernien [2–7]. Neben der Sicherheit dieses Verfahrens konnte auch gezeigt werden, dass die Netzimplantation bei sauber-kontaminierten Eingriffen unbedenk-lich ist. Technisch gesehen erfolgte die Implan-tation retromuskulär mit nichtresorbierbaren Netzen. Vierimaa et al. konnten in einer Studie von 2015 keinen Vorteil einer laparoskopischen

beherrschenden Hautproblemen infolge einer in-suffizienten Beutelversorgung oder chronischen Subileuszuständen und Schmerzen gegeben.

An technischen Optionen stehen der direkte Verschluss der Faszienlücke mit parastomalem Zugang ( Abb. 5), die Neuanlage des Stomas an anderer Stelle, die Bauchwandaugmentation mit alloplastischen Netzen in Onlay-, Inlay- oder Sublay- sowie in intraperitonealer Onlay-Positi-on (IPOM)-Technik zur Verfügung ( Abb. 6, 7). Die Operation einer parastomalen Hernie geht allerdings mit einer hohen Rezidivrate einher.

Die Ergebnisse nach Netzimplantation sind je-doch deutlich besser als bei reiner Faszienlücken- einengung durch Naht- oder Stomaverlegung (8 –56 %).

Chirurgische Techniken zur Prophylaxe

Risikofaktoren für das Auftreten parastomaler Hernien sind starkes Übergewicht, Wundinfek-tion, hohes Alter, Kortikoidtherapie, chronische Atemwegserkrankungen und Fehlernährung [2] und können durch den Chirurgen zum Zeitpunkt der OP nicht beeinflusst werden.

Chirurgische Techniken zur Prävention parastoma-ler Hernien basieren auf der Annahme, dass sich durch eine zu große Durchtrittsstelle das Risiko

Abb. 6, 7 | Lap. Therapie mittels intraperitonealer Onlay-Position (IPOM)-Technik bei parastomaler Hernie

Abb. 6 Abb. 7

chirurgische praxis 2017 Band 83 / 1 45

chirurgie. In Deutschland werden pro Jahr ca. 26.000 Stomata angelegt. Nur eine korrekte und komplikationsarme Stomaanlage führt zu einer akzeptablen Lebensqualität der Patienten. Mit der Stomaanlage assoziierte Erkrankungen oder Folgeeingriffe bei Komplikationen dürfen nicht unterschätzt werden. Die kumulative Komplika-tionsrate nach Stomaanlage liegt bei mindestens 50 %. Sie wird durch die Art des Stomas, die Lokalisation, die technisch korrekte Anlage und die Qualität der Versorgung beeinflusst.

Hirche Z, Willis S: Principles of stoma system – Measures for

hernia prophylaxis

Summary: Creation of an intestinal stoma is a routine intervention in general and visceral sur-gery. Approximately 26.000 stomata are current-ly being performed every year in Germany. An ac-ceptable quality of life for the patients can only be achieved by technical correct stoma surgery. Diseases associated with the stoma system or subsequent interventions due to complications must not be underestimated. The cumulative complication rate after stoma surgery is at least 50 %. It is influenced by the type of stoma, its localization, the technically correct system and the quality of stoma care.

Keywords: ileostomy – colostomy – stomacom-plication – parastomal hernia

Literatur

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randomized study. World J Surg 2009; 33: 118–121; discussion

122–123.

4. Hammond TM, Huang A, Prosser K, Frye JN, Williams NS.

Parastomal hernia prevention using a novel collagen implant: a

Keyhole-Netzimplantation bezogen auf die Rate von Rezidivhernien zeigen [9]. Diese Ergebnis-se wurden allerdings von López-Cano et al. in einer Studie von 2016 bei der Anwendung von laparoskopisch eingesetzten intraperitonealen Netzen widerlegt [6]. Insgesamt werden nur nichtresorbierbare, synthetische Netze empfoh-len. Eine Studie von Fleshman et al. von 2014 zeigte in einer prospektiven, randomisiert-kon-trollierten Multicenterstudie bei der Anwendung eines prophylaktischen biologischen Netzes keine Verringerung der Inzidenz parastomaler Hernien [7]. Desweiteren läuft derzeit die so-genannte PREVENT-Studie von Brandsma et al. (Niederlanden) [8]. Eine Vorab-Veröffentlichung nach einem Follow-Up von 12 Monaten zeigte 2015 bei einer Anzahl von 150 Patienten eine parastomale Hernieninzidenzrate von 16 von 66 ohne Netzimplantation versus 3 von 67 mit Netzimplantation mit einem prophylaktischen, retromuskulären Polypropylen- (Parietene light) Netz beim endständigen Kolostoma [8]. Aller-dings ist die Implantation alloplastischer Netze bei Peritonitis kontraindiziert, weshalb diese Verfahren nur bei elektiv angelegten Stomata zur Anwendung kommen können.

Fazit

Eine Stomaanlage stellt für den Patienten einen schweren Eingriff mit radikaler Körperbildverän-derung und erheblichen psychischen Belastun-gen dar. Stomakomplikationen sind trotz ad-äquater Operationstechnik häufig und erfordern ein kompetentes und interdisziplinäres Manage-ment. Während peristomale Hautveränderungen meist ambulant beherrscht werden können, erfordern parastomale Hernien oft chirurgische Reinterventionen. Der Einsatz von prophylakti-schen, nichtresorbierbaren Netzen im Rahmen elektiver Stomaanlagen kann zur Prävention pa-rastomaler Hernien beitragen.

Zusammenfassung

Die intestinale Stomaanlage gehört zu den Rou-tineeingriffen in der Allgemein- und Viszeral-

2017 Band 83 / 1 chirurgische praxis 46

randomised controlled phase 1 study. Hernia 2008; 12: 475–481.

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parastomal hernia. Ann Surg 2009; 249: 583–587.

6. Lopez-Cano M, Serra-Aracils X, Mora L, Sánchez-García

JL, Jiménez-Gómez LM, Martí M, et al. Preventing Parastomal

Hernia Using a Modified Sugarbaker Technique With Composite

Mesh During Laparoscopic Abdominoperineal Resection: A

Randomized Controlled Trial. Ann Surg 2016; 264: 923–928.

7. Fleshman, Beck DE, Hyman N, Wexner SD, Bauer J, George

V; PRISM Study Group. A prospective, multicenter, randomized,

controlled study of non-cross-linked porcine acellular dermal

matrix fascial sublay for parastomal reinforcement in patients

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9. Vierimaa M, Klintrup K, Biancari F, Victorzon M, Carpelan-

Holmström M, Kössi J, et al. Prospective, Randomized Study

on the Use of a Prosthetic Mesh for Prevention of Parastomal

Hernia of Permanent Colostomy. Dis Colon Rectum 2015; 58:

943–949.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass bei der Erstellung des Beitrags keine Interessen-konflikte im Sinne der Empfehlungen des Inter-national Committee of Medical Journal Editors bestanden.

Prof. Dr. Stefan WillisKlinik für Allgemein-, Viszeral-,

Thorax und UnfallchirurgieKlinikum Ludwigshafen

Bremserstraße 7967063 Ludwigshafen

[email protected]