philanthropie: strom aus der hülse

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20 Bereiten den Reis für die Weiterverarbeitung vor: Arbeiter in der Reismühle in Kundalpur, West Champaran. In Indien wird seit Jahrhunderten Reis angebaut und weiterverarbeitet. Für den Abfall, der dabei entsteht, hatte bislang niemand Verwendung – bis vier Jungunternehmer kamen und damit Strom für die Ärmsten produzierten. Philanthropie erleben er in New York Elektrotechnik studieren. Anschliessend mach- te er Karriere bei führenden Halbleiter-Industrieunternehmen in Los Angeles. «Ich verdiente sehr viel Geld und genoss das Leben», sagt der 36-Jährige. Doch glücklich war er nicht. Beim Meditieren wurde ihm klar, dass er sein Wissen in der Elekt- rotechnik für seine Heimat einsetzen und seinen Landsleuten ein besseres Leben ermöglichen wollte. Gyanesh Pandey kehrte nach Indien zurück und suchte zusammen mit seinem Schul- freund Ratnesh Yadav, der mitt- lerweile Unternehmer war, nach Möglichkeiten, um Strom und Licht in Bihar zu produzieren. Sie stellten organische Solarzel- len her, züchteten eine Pflanze, deren Samen sie für Biodiesel verwenden wollten und testeten Solarlampen. «Für mich war klar, dass es eine Hightech-Lösung für unser Projekt braucht», sagt Gyanesh Pandey. Doch sämtliche innovativen Verfahren scheiterten oder waren nur begrenzt einsetzbar. Erst die Begegnung mit einem Biomas- se-Verkäufer brachte die beiden auf die einfache und naheliegen- de Lösung, nämlich Strom aus Reishülsen zu erzeugen. Schliess- lich werden in Indien pro Jahr rund 120 Millionen Tonnen Reis produziert. Für die Weiterverarbeitung der Frucht muss das Korn geschält werden. Übrig bleiben jährlich 40 Millionen Ton- nen Reishülsen – Bioabfall, der bislang nicht genutzt wurde und meist in Deponien verfaulte. Die findigen Jungunternehmer ex- perimentierten damit, testeten Generatoren und bauten ein klei- nes Biomasse-Kraftwerk, das durch die Verbrennung von Reis- hülsen Strom für 500 Häuser erzeugen sollte. Es funktionierte. 2007 wurde die erste Anlage im Dorf Tamkuha in Bihar in Be- trieb genommen. Für umgerechnet zwei US-Dollar pro Monat erhalten die Dorfbewohner Strom zum Kochen und Licht zum Leben. «Das ist viel günstiger als eine Kerosinlampe», sagt Rat- nesh Yadav. Um das Geschäftsmodell auf eine solide Basis zu stellen, waren weitere finanzielle Mittel nötig. Manoj Sinha und Charles W. Ransler, damals MBA-Studenten, entwickelten zu- sammen mit dem Team in Indien vor Ort einen Businessplan, der die Suche nach Investoren erleichterte. Mittlerweile liefern 80 Anlagen Strom für über 200 000 Menschen in der ärmsten Region Indiens. Im Zeitalter von iPad und Smartphones vergisst man leicht, dass weltweit über eine Milliarde Menschen noch immer keinen Zu- gang zu elektrischer Energie hat. Allein in Indien sind es 480 Millionen Menschen. Insbesondere in Bihar, einem der ärmsten Staaten des Landes, ist die Situation prekär: Nach Einbruch der Dunkelheit steht das Leben in den Dörfern still. Kerosinlampen sind der einzige Lichtspender. Dass heute 200 000 Menschen in Bihar Strom haben, verdanken sie vier Freunden: Gyanesh Pan- dey, Ratnesh Yadav, Manoj Sin- ha und Charles W. Ransler. Sie gründeten 2007 die Organisation Husk Power Systems. Deren CEO, Gyanesh Pandey, ist in Bihar aufgewachsen. In Armut und ohne Strom. «Ich fühlte mich deshalb immer minderwertig und wollte weg von hier», sagt er. Dank eines Stipendiums konnte Strom aus der Hülse «Das ist viel günstiger als eine Kerosinlampe.» Ratnesh Yadav

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In Indien wird seit Jahrhunderten Reis angebaut und weiterverarbeitet. Für den Abfall, der dabei entsteht, hatte bislang niemand Verwendung – bis vier Jungunternehmer kamen und damit Strom für die Ärmsten produzierten. LGT Venture Philanthropy unterstützt dieses Projekt.

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Page 1: Philanthropie: Strom aus der Hülse

2020

Bereiten den Reis für die Weiterverarbeitung vor: Arbeiter in der Reismühle in Kundalpur, West Champaran.

In Indien wird seit Jahrhunderten Reis angebaut und weiterverarbeitet. Für den Abfall, der dabei entsteht, hatte bislang niemand Verwendung – bis vier Jungunternehmer kamen und damit Strom für die Ärmsten produzierten.

Philanthropie erleben

er in New York Elektrotechnik studieren. Anschliessend mach-

te er Karriere bei führenden Halbleiter-Industrieunternehmen

in Los Angeles. «Ich verdiente sehr viel Geld und genoss das

Leben», sagt der 36-Jährige. Doch glücklich war er nicht. Beim

Meditieren wurde ihm klar, dass er sein Wissen in der Elekt-

rotechnik für seine Heimat einsetzen und seinen Landsleuten

ein besseres Leben ermöglichen

wollte. Gyanesh Pandey kehrte

nach Indien zurück und suchte

zusammen mit seinem Schul-

freund Ratnesh Yadav, der mitt-

lerweile Unternehmer war, nach

Möglichkeiten, um Strom und

Licht in Bihar zu produzieren. Sie stellten organische Solarzel-

len her, züchteten eine Pflanze, deren Samen sie für Biodiesel

verwenden wollten und testeten Solarlampen. «Für mich war

klar, dass es eine Hightech-Lösung für unser Projekt braucht»,

sagt Gyanesh Pandey.

Doch sämtliche innovativen Verfahren scheiterten oder waren

nur begrenzt einsetzbar. Erst die Begegnung mit einem Biomas-

se-Verkäufer brachte die beiden auf die einfache und naheliegen-

de Lösung, nämlich Strom aus Reishülsen zu erzeugen. Schliess-

lich werden in Indien pro Jahr rund 120 Millionen Tonnen Reis

produziert. Für die Weiterverarbeitung der Frucht muss das

Korn geschält werden. Übrig bleiben jährlich 40 Millionen Ton-

nen Reishülsen – Bioabfall, der bislang nicht genutzt wurde und

meist in Deponien verfaulte. Die findigen Jungunternehmer ex-

perimentierten damit, testeten Generatoren und bauten ein klei-

nes Biomasse-Kraftwerk, das durch die Verbrennung von Reis-

hülsen Strom für 500 Häuser erzeugen sollte. Es funktionierte.

2007 wurde die erste Anlage im Dorf Tamkuha in Bihar in Be-

trieb genommen. Für umgerechnet zwei US-Dollar pro Monat

erhalten die Dorfbewohner Strom zum Kochen und Licht zum

Leben. «Das ist viel günstiger als eine Kerosinlampe», sagt Rat-

nesh Yadav. Um das Geschäftsmodell auf eine solide Basis zu

stellen, waren weitere finanzielle Mittel nötig. Manoj Sinha und

Charles W. Ransler, damals MBA-Studenten, entwickelten zu-

sammen mit dem Team in Indien vor Ort einen Businessplan,

der die Suche nach Investoren erleichterte. Mittlerweile liefern

80 Anlagen Strom für über 200 000 Menschen in der ärmsten

Region Indiens.

Im Zeitalter von iPad und Smartphones vergisst man leicht, dass

weltweit über eine Milliarde Menschen noch immer keinen Zu-

gang zu elektrischer Energie hat. Allein in Indien sind es 480

Millionen Menschen. Insbesondere in Bihar, einem der ärmsten

Staaten des Landes, ist die Situation prekär: Nach Einbruch der

Dunkelheit steht das Leben in den Dörfern still. Kerosinlampen

sind der einzige Lichtspender.

Dass heute 200 000 Menschen in

Bihar Strom haben, verdanken

sie vier Freunden: Gyanesh Pan-

dey, Ratnesh Yadav, Manoj Sin-

ha und Charles W. Ransler. Sie

gründeten 2007 die Organisation Husk Power Systems. Deren

CEO, Gyanesh Pandey, ist in Bihar aufgewachsen. In Armut und

ohne Strom. «Ich fühlte mich deshalb immer minderwertig und

wollte weg von hier», sagt er. Dank eines Stipendiums konnte

Strom aus der Hülse

«Das ist viel günstiger als eine Kerosinlampe.»

Ratnesh Yadav

Page 2: Philanthropie: Strom aus der Hülse

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Hilfe zur Selbsthilfe In den nächsten fünf Jahren will Husk Power Systems 8.5 Millionen Menschen mit Strom

versorgen. «Dazu benötigen wir rund 2000 dezentrale Produktionsanlagen», weiss Gya-

nesh Pandey. Die Organisation versucht, Franchisenehmer zu finden, um schneller wach-

sen zu können. Inzwischen eignet sich ihr Modell nicht nur für Reishülsen, sondern auch

für andere Biomasse-Produkte, was die Einsatzmöglichkeiten erweitert. «Derzeit testen

wir in Afrika, wie wir die Ärmsten mit Strom versorgen können», sagt Gyanesh Pandey.

Husk Power Systems kann dabei auf verlässliche und langfristig engagierte Partner wie

LGT Venture Philanthropy zählen. Diese unterstützt Husk Power Systems seit 2009 und

hat mittlerweile rund 1.3 Millionen US-Dollar in die Organisation investiert.

KurzinterviewWolfgang Hafenmayer, Managing Partner bei LGT Venture Philanthropy

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Husk Power Systems?Die Organisation suchte Investoren. Dank unseres guten Netzwerks in Indien hat uns Husk Power Systems schnell gefunden. Wie alle anderen Organisationen, in die wir investieren, haben wir sie einer genauen betriebs-wirtschaftlichen Analyse (Due Dili-gence) unterzogen, die in der Regel sechs bis zwölf Monate dauert.

Wie unterscheidet sich Venture Philanthropy von der herkömmli-chen Entwicklungshilfe? Im Gegensatz zu traditionellen wohl-tätigen Spenden, die meist nur in einzelne Aktionen, Projekte oder Programme fliessen, investieren wir langfristig und direkt in junge, stark wachsende Organisationen, die mit einem unternehmerischen Ansatz einen sozialen oder ökologischen Mehrwert für benachteiligte Men-schen schaffen. Dabei stellen wir nicht nur finanzielle Mittel, sondern vor allem auch Know-how, unsere Kontakte und Managementerfah-rung zur Verfügung.

Wie können sich LGT Kunden be-teiligen?Die einfachste Art ist eine Spende für die LGT Venture Philanthropy Foun-dation. Sozialen Investoren, die sich mit einem Betrag ab 100 000 Fran-ken engagieren möchten, können wir auch einzelne Investitions- und Spen-denmöglichkeiten anbieten. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, in einen unserer Impact Investment Funds zu investieren. Ab einem Engagement von fünf Millionen Euro helfen wir beim Errichten eigener Fonds oder Stiftungen. Damit das Engagement langfristig erfolgreich ist und wir die optimale, individuelle Lösung für den sozialen Investor beziehungsweise Stifter finden können, beginnt unser Prozess mit einem individuellen Bera-tungsgespräch.

«Derzeit testen wir, wie wir die Ärmsten in Afrikamit Strom versorgen können.»

Gyanesh Pandey

Will mit seinen Biomassekraftwerken über 8.5 Millionen Menschen mit Strom versorgen: Gyanesh Pandey, CEO von Husk Power Systems.

LGT Venture Philanthropy wurde 2007 auf Initiative von S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein,

CEO der LGT Group, gegründet. Sie unterstützt weltweit rund 30 Organisationen, die sich für die

Verbesserung der Lebensqualität von benachteiligten Menschen einsetzen. LGT Venture Philan-

thropy investiert bis zu zehn Millionen US-Dollar in jede der ausgewählten Organisationen und

begleitet sie langfristig. Dazu stellt sie Know-how zur Verfügung, berät die Organisationen vor Ort

und ermöglicht ihnen Zugang zu wichtigen Investoren und Netzwerken. Wie die Fürstliche Familie

von Liechtenstein selbst, können auch Kunden der LGT in diese ausgewählten Organisationen

investieren. www.lgtvp.com