medijuana 18

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18 + 18 + Medical & Harm Reduction Magazine Medical & Harm Reduction Magazine DEN RAUCH KRIEGT MAN DEN RAUCH KRIEGT MAN NICHT ZURÜCK IN DIE BONG NICHT ZURÜCK IN DIE BONG Vom Cannabis Cup zum Cannabisöl Vom Cannabis Cup zum Cannabisöl mit mit TOMMY CHONG TOMMY CHONG HANF MUSEUM BERLIN HANF MUSEUM BERLIN feiert 20. Geburtstag feiert 20. Geburtstag RAUCHENDE MILLIARDEN RAUCHENDE MILLIARDEN Ist das Rauchen schlecht oder die Tabaklobby? Ist das Rauchen schlecht oder die Tabaklobby? MACHTDEMONSTRATION IN HOLLAND MACHTDEMONSTRATION IN HOLLAND Angriff auf die Cannabisszene Angriff auf die Cannabisszene Nr. 18 / 2015 Feb-März

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Medical and Harm Reduction Magazine

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18+18+Medical & Harm Reduction MagazineMedical & Harm Reduction Magazine

DEN RAUCH KRIEGT MAN DEN RAUCH KRIEGT MAN NICHT ZURÜCK IN DIE BONGNICHT ZURÜCK IN DIE BONGVom Cannabis Cup zum Cannabisöl Vom Cannabis Cup zum Cannabisöl

mit mit TOMMY CHONGTOMMY CHONG

HANF MUSEUM BERLINHANF MUSEUM BERLINfeiert 20. Geburtstagfeiert 20. Geburtstag

RAUCHENDE MILLIARDENRAUCHENDE MILLIARDENIst das Rauchen schlecht oder die Tabaklobby?Ist das Rauchen schlecht oder die Tabaklobby?

MACHTDEMONSTRATION IN HOLLANDMACHTDEMONSTRATION IN HOLLANDAngriff auf die CannabisszeneAngriff auf die Cannabisszene

Nr. 18 / 2015 Feb-März

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333333

Der Herausgeber von Medijuana weist alle Leserin-

nen und Leser darauf hin, dass der Handel mit

lebensfähigen Hanfsamen sowie Verkauf, Besitz

und Lieferung derselben in mehreren Mitglieds-

staaten der Europäischen Union als illegal gelten!

Sämtliche Inhalte sind zu Informations- bzw.

Unterhaltungszwecken gedacht. Wir möchten

keineswegs dazu beitragen, dass jemand in seiner

Heimat bestehenden Gesetzen zuwiderhandelt. Es

ist nicht Anliegen des Herausgebers von

Medijuana, irgendjemanden zur illegalen

Nutzung der in der Broschüre erwähnten Produkte

anzuregen. Der Herausgeber trägt keine

Verantwortung für Aussagen, die auf verkauften

Anzeigenfl ächen erscheinen. Sämtliche Meinun-

gen im Redaktionsteil stammen von den Autoren

und decken sich nicht in jedem Falle mit dem

Standpunkt des Herausgebers. Gelegentlich ist es

nicht möglich, den/die Inhaber des Urheberrechts

zu identifi zieren oder mit ihm/ihr Kontakt aufzu-

nehmen, daher übernehmen wir im Falle des Nach-

weises von begründeten Urheberrechtsansprüchen

auch im Nachhinein die Zahlung einer bestimmten

Vergütung. Wir gehen bei sämtlichen Texten und

Bildern bis zur Erklärung des Gegenteils davon

aus, dass sie uns zur Veröffentlichung zugesandt

wurden. Für die Vervielfältigung der Broschüre –

auszugsweise oder als Ganzes – ist die schriftliche

Erlaubnis des Herausgebers erforderlich, auch

wenn die Vervielfältigung nicht zu kommerziel-

len Zwecken erfolgt. Alle Rechte vorbehalten!

Medical & Harm Reduction Magazine

IMPRESSUMChefredakteur: Gabor Holland

Autoren: Bob Arctor, Jack Pot, Marcel Klos

Markus Berger, Martin Müncheberg, G.B.I.

Tomas Kardos, Peter Laub, Theodor Eisenschwert

Robert Schamane, H.S. von Vogelsang

Lektorin: Helen Bauerfeind

Design & Photo: Gergely Vaska

Verantwortlicher Herausgeber: G. Holland

CK & MEDIJUANA PUBLISHING

KN Advertising s.r.o.

945 05 Komarno 5. Eötvösa 57/20.

E-mail: [email protected]

Web: www.medijuana.eu

INDEXAEROPONIK SYSTEMS 43

ATAMI 8, 55

CITY GROW – BUSHPLANET 4–5

DINAFEM SEEDS 15

FUTURE GROW 13

GH POWDER FEEDING 13

GC - SEEDPLANET 30, 35

GROW CITY RETAIL 64–U3

HANF MUSEUM BERLIN 21

HERBALIST 54

HUG’s 8

INDRAS PLANET 19

JELLY JOKER 37

LAMOTA DISTRIBUCIÓN 54

MIHA GMBH 51

MEDICAL CANNABIS BIKE TOUR 45

MEDICAL CANNABIS MOTORCYCLE TOUR 2

NACHTSCHATTEN VERLAG 59

ÖSTERREICHISCHER HANF VERBAND 18

PLAGRON 22, U4

ROYAL QUEEN SEEDS 11

SERIOUS SEEDS 27

STECKIT 25

SWEET SEEDS 9

UNITED SEED BANKS 23

VAPOSHOP 29

IN ZUSAMMENARBEIT MIT

Liebe Leserin, lieber Leser!Apropos Internet: Wir arbeiten mit

Volldampf an der Modernisierung unserer Webseite, und wenn nichts dazwischen-kommt, könnt Ihr bald auf der neuen Seite in den Nachrichten browsen und Euch Me-dijuana ins Haus bestellen.

Wir bemühen uns, Euch zusammen mit dem Magazin von Zeit zu Zeit bekannte Hanfaktivist/innen ins Haus zu liefern. Die-ses Mal führten wir ein Interview mit einer wahren amerikanischen Berühmtheit, dem bärtigen Kiffer des legendären Ganja-Duos Cheech & Chong, dem siebzigjährigen Tom-my Chong. Wir trafen ihn in Amsterdam und sprachen mit ihm in guter Atmosphä-re ausführlich über die ernsthaften Fragen von Patientenrechten und Therapie. Weni-ger bekannt ist, dass Chong neben rasanten Graskomödien und einer fünfzigjährigen Musikkarriere hautnahe Erfahrungen mit der therapeutischen Anwendung von Can-nabis gemacht hat. Und was für welche! Vor ein paar Jahren besiegte er mit der Hilfe von Cannabisöl seinen Prostatakrebs im Frühstadium! In dem Interview erzählt Chong unter anderem, wie er die Behand-lung empfand, welche Rolle des Öl jetzt in seinem Leben spielt und wie er sich so fit hält, dass er auch bei Tanzveranstaltungen im Fernsehen eine gute Figur macht.

Neben den gewohnten Rubriken und den Patienteninterviews geben wir dieses Mal einen Einblick in die äußerst widersprüch-liche holländische Cannabisregelung, die man nun versucht, mit neuen Maßnahmen noch inkonsequenter zu gestalten. Wir be-richten vom zwanzigsten Geburtstag des Berliner Hanfmuseums und machen einen Abstecher in die gnadenlose Welt der Ta-baklobby, nach dem Ihr wohl kaum noch Lust haben werdet, Cannabis mit Tabak zu vermischen.

Wir wünschen angenehme Lektüre!

Der Red.

Du hast sicher bemerkt, dass die ers-te Nummer von Medijuana dieses Jahr nicht im Januar, sondern im

Februar erscheint. Nein, wir sind nicht in Verzug geraten und haben uns auch nicht über die Feiertage auf Jamaika die Sonne auf den Pelz brennen lassen. Die Verschie-bung um einen Monat geschah bewusst, weil die Veranstaltungstermine mit diesem Erscheinungsdatum besser harmonieren und wir dadurch mehr für die Promotion im Vorfeld tun können. Auch in Zukunft erscheinen wir zweimonatlich mit aktuel-len Nachrichten und nehmen persönlich an Cannabisveranstaltungen teil – genauso wiefrüher, ob als Sponsoren oder als Aktivisten, beladen mit Tausenden von Magazinen.

Regelmäßig schreiben uns Leute, dass sie weit von den Verteilerstellen entfernt woh-nen oder keine Möglichkeit haben, sich das Magazin persönlich abzuholen. Wir freuen uns daher, Euch mitteilen zu können, dass wir das Problem gelöst haben: Ab sofort kann man Medijuana auch per Post be-stellen. Das Magazin erhaltet Ihr natürlich gratis, nur die Versandkosten müssen über-nommen werden. Wir verschicken jeweils drei Exemplare, sodass ihr Euch zusammen-tun könnt und damit Versandkosten spart. Wir werden oft auch nach zurückliegenden Ausgaben gefragt, weil in den Vertriebs-stellen meist nur die aktuelle Nummer, eventuell auch die vorhergehende, ausliegt. Manch einer, der erst spät auf Medijuana gestoßen ist, hat vielleicht einen ganzen Jahrgang verpasst. Und viele kennen nur die Onlineversion. Zwar steht nur eine be-grenzte Anzahl der zurückliegenden Ausga-ben zur Verfügung, aber solange der Vorrat reicht, versuchen wir die Nachfrage aller neuen Leser/innen auf diesem Gebiet zu be-friedigen. Alle Details zur Bestellung findet Ihr auf unserer Webseite und auf Facebook. Bestellt also das Magazin und bringt damit Eure Unterstützung zum Ausdruck!

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LIEBE LESERIN, LIEBER LESER! 5

MEDI+GREEN

UMGESCHRIEBENE IQ-PARANOIA 10

DROGENREFORM IN BELGIEN BEGINNT 10

SILKROAD 3.0 AM START 11

ZUTRITT ERST AB 21 11

SICHERE HEILWIRKUNG 12

CHARLOTTE WIRFT IHR NETZ AUS 12

DIE LEGALISIERUNG IST UNAUFHALTSAM 14

CANNA+GLOBE

CANNAFEST 2014 16–17

MEDI+GREEN

CANNABIS WIRD AUCH BEI ÖSTERREICHS GRÜNEN

WIEDER EN VOGUE 18

CANNA+GLOBE

HANF MUSEUM BERLIN FEIERT 20. GEBURTSTAG 20–21

MEDI+GREEN

MEDIZINISCHES MARIHUANA AUS MAROKKO 22

DIE LEGALISIERUNG IN WASHINGTON,

D.C. KÖNNTE GEKIPPT WERDEN 23

CANNA+GLOBE

DEN RAUCH KRIEGT MAN NICHT ZURÜCK

IN DIE BONG 24–26

Vom Cannabis Cup zum Cannabisöl mit Tommy Chong

DIE BESTEN TRAGBAREN VAPORIZER

FÜR DAS JAHR 2015 28–29

MACHTDEMONSTRATION IN HOLLAND 36–39

Angriff auf die Cannabisszene

MEDI+GREEN

AUSNAHMEGENEHMIGUNGEN 41

Patienten, lasst euch nicht veräppeln!

NEUES VON DR. FRANJO GROTENHERMEN 41

Bücher für Cannabispatienten

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INHALT

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28 60

2512

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MEDIZIN

42–43 CANNABIS ALS ARZNEI IN ÖSTERREICH

Wir sprechen mit Patientinnen und Patienten

über ihre Erkrankungen, ihre Erfahrungen mit

Cannabis und die Situation in Österreich

MEDI+GREEN

44 KEIN GRAS AUS DER APOTHEKE

Patienten gucken in die Röhre

44 50 JAHRE THC

Ein halbes Jahrhundert Cannabis-Medizin

CANNA+GLOBE

46–49 RAUCHENDE MILLIARDEN

Ist das Rauchen schlecht oder die Tabaklobby?

VOLLBLUT

50 SWEET MIX AUTO

Sweet Seeds: Alles in einem

(Sweet Seeds)

52–53 BIDDY EARLY

Top-Sorte aus der Outdoor Champions League

(Serious Seeds)

A‘LA CANNA

56–57 TOFU MAL GANZ AUSGEFALLEN: AUS HANF

Lecker, gesund und ökobewusst

58 WILDER APFEL

60–61 DAS CANNABISVERBOT IST IRRATIONAL

Mathias Bröckers über Cannabis,

die Legalisierung und sein neuestes Hanfbuch

62 IM VORDERGRUND STEHT DER TEXT,

DOCH DIE MUSIK IST AUCH NICHT SCHLECHT

Leonard Cohen: Popular Problems

62 IN NARA

Alt-J: This Is All Yours

62 DER HERR DER FLIEGEN IM KINDERZIMMER

Gabor Maté und Gordon Neufeld: Unsere

Kinder brauchen uns! Die entscheidende Bedeutung der

Kind-Eltern-Bindung

62 RITTER, KÖNIGE, KNAPPEN

George R.R. Martin: Der Heckenritter

von Westeros: Das Urteil der Sieben

7

50 46

42

24

58

10

16

INHALT

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MEDI+GREEN

8

ATAMI TOPFFILTER – DER SCHUTZ FÜR DEIN BEWÄSSERUNGSSYSTEM

Der Topffi lter sorgt dafür, dass keine Substrate beim Durchsickern von überfl üssigem Tropfwasser in Dein

Bewässerungssystem gelangen. Fehlt der Topffi lter, kann es passieren, dass sich Substrate vor dem Filter Deiner

Pumpe festsetzen, sodass sie einen größeren Aufwand betreiben muss, um das Wasser durch den Filter zu

befördern, was wiederum zu Defekten der Pumpe führen kann. Ein positiver Nebeneffekt des Topffi lters ist, dass

Deine Pfl anzen keine Nährstoffe verlieren, die dringend für den Zyklus benötigt werden. Unsere Topffi lter sind

maßgefertigt für unsere Wilma-Systeme.

Für weitere Informationen: www.atami.com

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9

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MEDI+GREEN

10

Umgeschriebene IQ-Paranoianämlich stark danach aus, dass erwach-sene Dummköpfe nicht aus Teenagern heranwachsen, die gelegentlich einen Joint geraucht haben, sondern eher aus solchen, die sich regelmäßig mit Alkohol amüsierten, besonders, wenn sie einen schwierigen familiären und materiellen Hintergrund haben. Die Forscher warnen aber, dass unabhängig von ihren Ergeb-nissen das Kiffen in der Jugend latente

mentale Krankheiten zum Ausbruch brin-gen könne. In ihrem Resümee betonen sie jedoch, dass wir durch die Horrormel-dungen über das Kiffen die Gefahren des Alkoholismus in der Jugend bagatellisier-ten, weiterhin gegenüber dem Marihuana-konsum überwögen. Damit scheinen die Forscher weiterhin die Allerweltsweisheit zu untermauern: „Alles hat seine Zeit und seinen Ort, und der ist das Universum.“

Die Forschungen zum Cannabiskon-sum belegen regelmäßig, dass das Kiffen als Jugendliche/r die meis-

ten Risiken in sich birgt. Auch über das Maß der Gefährdung wird debattiert und mit jeder Studie neu geschrieben. Eine neue Untersuchung hält es nun für wahr-scheinlich, dass ein Joint pro Woche sich nicht auf die spätere Entwicklung des In-telligenzquotienten auswirkt. Zwei Jahre zuvor war in einer Forschungsarbeit mit neuseeländischen Jugendlichen die Rede davon gewesen, dass diejenigen, die vom 15. Lebensjahr an ausgiebig rauchen, mit einem um 8 Punkte geringeren IQ be-lohnt würden. Die Kritiker wiesen hin-gegen darauf hin, dass dies viel eher mit dem niedrigen sozialen und materiellen Hintergrund zusammenhänge, der nicht selten die Brutstätte des regelmäßigen Kiffens in der Jugend darstelle. Londo-ner Forscher gingen jetzt noch weiter und kamen mit Tests an 2500 Personen darauf, dass der Cannabisgebrauch in der Jugend regelmäßig mit dem Konsum von Tabak und Alkohol in Verbindung stehe.Wenn das Schema eingeengt würde auf die, die ausschließlich Marihuana konsu-mieren, und unter ihnen auf den einmal wöchentlichen Konsum, dann verschwän-de die IQ-Minderung plötzlich! Es sieht

MEDI+GREEN

ge vorweisen, sodass auch die belgische Ministerin für Gesundheit und Soziales die Möglichkeiten einer gesetzlichen Cannabisregelung untersuchen lassen möchte. Die Schirmorganisationen der Alkohol- und Drogentherapieinstitute und der Präventivsektor von drei Regi-onen hatten nämlich Anfang Novem-ber verkündet, dass sie die vollständige Entkriminalisierung des Cannabis befür-worteten und sogar einen Schritt wei-

Drogenreform in Belgien beginnt

Belgien ist ein interessantes Gebiet für die europäische Cannabissze-ne. Hier befindet sich das Zent-

rum der ENCOD, die 140 Bürgerinitiati-ven, die für eine gerechte Drogenpolitik kämpfen, vereint, und die im Jahre 2005 die Idee der Cannabisclubs (CSC) erstmals vorstellte. Die Clubs, die seitdem eröff-net wurden, dienten auch Spanien als Vorbild, wo es inzwischen dreihundert ähnliche Clubs gibt. ENCOD kann Erfol-

tergehen würden. Die Ministerin für Ge-sundheit und Soziales und Mitglied der liberalen Partei Maggie De Block hielt die politischen Vorstellungen in Bezug auf Cannabis für erwägenswert. Die Schirm-organisationen anerkannten in ihrer Ver-lautbarung, dass Cannabis kein harmlo-ses Mittel sei, da der regelmäßige Genuss auch zu Beschwerden der Luftwege und fallweise zu kognitiven Störungen füh-ren könne. Gleichzeitig halten sie das Verbot für keine gute Lösung, weil es den Schwarzmarkt am Leben erhalte und die Konsument/innen zu Kriminellen ab-stemple. Außerdem könne die Regierung keine Kontrolle über ein illegales Mittel ausüben und die stark psychoaktiven Sorten und bestimmte Zuchttechnologi-en seien weiterhin eine Gefahrenquelle. Daher rieten die Organisationen zu einer vollkommenen Entkriminalisierung des Cannabis sowie der Zulassung des Be-sitzes zum persönlichen Gebrauch und dringen auf eine weitere Unterstützung für die Dienstleister der Prävention und Therapie. Neben der Entkriminalisierung würden sie die Möglichkeiten legaler Herstellung, des Imports, der Qualitäts-kontrolle und des Handels in ihrem Lan-de überprüfen. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung.

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SilkRoad 3.0 am Start

Es scheint das Schicksal der populärsten Online-Drogenmarktseiten zu sein, nicht über die Nullversion hinauszu-

kommen. Ein Jahr nach SilkRoad 1.0 ließ der Geheimdienst nun 2.0 auffliegen und verhaf-tete siebzehn Personen, darunter angeblich auch den Betreiber. Der Vorfall erschütterte das Deep Net dermaßen, dass der Nachfol-ger der Webseite bereits am Start ist. Selbst der Leiter des Zentrums für Cyberkriminali-tät der Europol, das an der Aktion beteiligt war, räumte ein, dass sich der Schwarzhan-del im Internet bald wieder eine neue Bahn brechen wird, sodass er wahrscheinlich nicht überrascht war, nach nur wenigen Stunden den Drogen- und Waffenhandel auf der Seite von SilkRoad 3.0 verfolgen zu können. Insi-

dern zufolge zersplitterte durch die Aktion auch der Markt, was den Händlern zugute-kommt, denn damit wird es noch schwieri-ger, ihnen auf die Spur zu kommen, und die Polizei kann keine Schlüsselfiguren vorwei-sen. Die Händler versorgen schon eine Weile alle, die nicht in die Tiefen des World Wide Web hinabsteigen wollen, und verbringen ihre Zeit regelmäßig in sozialen Netzwerken. Heutzutage ist es ein Kinderspiel, durch eineBildersuche mit Hashtags Dealer zu finden, bei denen man anonym alles von der breiten Drogenpalette bestellen kann. Solange die Welt sich dreht, wird es Dealer geben, und ihren Markt kann man scheinbar nur mit ei-ner vernünftigen Drogenregulierung in den Griff bekommen.

Zutritt erst ab 21

Vor ein paar Monaten berichte-ten wir darüber, dass wegen der Verletzung unterschiedlicher Vor-

schriften ein Drittel der einhundertfünf-zig Cannabis Social Clubs von Barcelo-

na schließen musste. Typische Probleme waren das Anlocken und das Bedienen von Tourist/innen, was den katalanischen Gesetzen zuwiderläuft. Als Ergebnis der Säuberungsaktion wurde die Zulassung neuer Clubs für ein Jahr ausgeschlos-sen. Im November traten weitere Ver-schärfungen in Kraft. Sie besagen, dass die Clubs nur mit behördlicher Erlaubnis betrieben werden dürfen und neue Mit-glieder erst nach fünfzehn Tagen Can-nabis bekommen können. Letzteres zielt auf den Drogentourismus ab, denn die von der Straße geholten Besucher haben nichts davon, Mitglied zu werden, da sie zwei Wochen lang kein Cannabis kaufen können. Außerdem werden Poster, die das Kiffen propagieren, strenger kont-rolliert. An ihrer Stelle sollen Informati-onsbroschüren, die auf die Gefahren des Konsums hinweisen, verbreitet werden. Die Aufnahmebedingungen für Club-mitglieder werden ebenfalls verschärft. Die Altersgrenze wird von 18 auf 21 angehoben. Obwohl einige Maßnahmen übertrieben erscheinen mögen, zeichnet sich hinter den neuen Regeln die Absicht der Regierung ab: Cannabisclubs wird es auch in Zukunft geben, aber Abzocke und total bekiffte Teenager soll es nicht ge-ben. Damit kann man sich anfreunden.

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Charlotte war erst fünf Jahre alt, als sich bei ihr die ersten Anzeichen des Dravet-Syndroms zeigten. Sie hatte

wöchentlich 300 epileptische Anfälle und die verzweifelten Eltern, die alle Therapiemög-lichkeiten ausprobiert hatten, kamen auf die Anwendung von Cannabis mit hohem CBD-Gehalt. Als sie eine sofortige Besserung sahen, taten sie sich nach einer zuverlässigen Quelle um und wandten sich an eins der Hauptun-ternehmen für die Cannabiszucht zu medi-zinischen Zwecken in Colorado. Die Brüder Stanley empfahlen Öl aus Cannabis und den Nutzhanfhybrid „Hippie‘s Disappointment“. Der Name besagt, dass die Sorte einen nied-rigen THC- und einen hohen CBD-Gehalt hat, weswegen man sich mit ihr nicht bekiffen kann und sie für den rekreativen Gebrauch ungeeignet ist. Die Anfälle des Mädchens reduzierten sich innerhalb kurzer Zeit auf drei bis vier im Monat und die Produzenten tauften ihre Sorte aus Marketingerwägun-gen in Charlotte‘s Web um. Die Non-Profit-Organisation Realmof Care gab Ende Oktober bekannt, das nunmehr legendäre Charlotte‘s Web 3000 neuen Patient/innen zugänglich zu machen. Die vollständige Warteliste umfasst 12.000 Personen, von denen fast drei Viertel die Sorte schon getestet haben. Die CBD-rei-che Variante hat in mehr als der Hälfte der Fälle die Anzahl der Anfälle bedeutend ge-

senkt, und bei 13% von ihnen verschwanden sie vollkommen. Zur gleichen Zeit begann das Texas Children‘s Hospital als erste Einrichtung, das Cannabisextrakt Epidolex, das neue Pro-dukt von GW Pharmaceuticals, einzusetzen. Die Flüssigkeit wird nicht synthetisch her-

gestellt, sondern aus Cannabisöl extrahiert. Es enthält kein THC, sondern nur CBD. Tests mit Kindern und Jugendlichen, die unter dem Dravet-Syndrom leiden, sind im Gange; Ärzte berichteten schon nach kurzer Zeit von posi-tiven Ergebnissen.

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Charlotte wirft ihr Netz ausSicher erinnern sich manche noch an den Fall von Charlotte Figi,

die durch das Dravet-Syndrom, eine schwere Form der Epilepsie,

Aufmerksamkeit erregte, sowie durch die Tatsache, dass nach dem

gegenwärtigen Kenntnisstand die wirksamste Methode zur

Bekämpfung der Symptome der Konsum von Cannabis mit hohem

CBD-Gehalt darstellt. Heute können Tausende an der erlösenden

Therapie partizipieren.

eins der sichersten ist, da nämlich keine der Behauptungen auf der Einstufungsliste des Bundes – „sehr gefährlich“ und „verfügt über keine medizinische Verwendbarkeit“ – der Wahrheit entspricht. Die Regierungsvertrete-rin Bertha Madras, die im Bush-Kabinett den Posten der Drogenzarin bekleidete, befür-wortet zwar Experimente mit Arzneimitteln auf THC- und CBD-Basis, den Gebrauch der Pflanze in ihrer ursprünglichen Form hält sie jedoch für gefährlich. Madras argumentierte vor ein paar Monaten, dass bis auf den heu-tigen Tag etwa ein Drittel der Wirkstoffe für Medikamente aus Pflanzen gewonnen wür-den: „… trotzdem isst oder raucht niemand Fingerhut bei Herzproblemen, man knabbert keine Chinarinde, um die Malariasymptome zu lindern, und man isst kein Opium gegen die Schmerzen nach einer Operation“. Der Vergleich hinkt, denn die Überdosierung von Medikamenten auf Opiumbasis führt jährlich zu 20.000 Todesfällen in den USA, demge-genüber ist eine tödliche Überdosierung von Cannabis nicht bekannt und seine Heilwir-kung wird inzwischen von Hunderttausenden Therapiepatient/innen bestätigt. Professor Carl Hart wies mit überzeugenden Argumen-ten auf der Grundlage der gehörten Referate die Behauptungen von Madras zurück. Wir begleiten die weitere Entwicklung der Partie mit Aufmerksamkeit.

Sichere Heilwirkung

Innerhalb von Monaten könnten jene Staaten der USA in der Mehrheit sein, in denen der Gebrauch von Cannabis für

therapeutische Zwecke erlaubt ist. Die Bun-desregierung aber hält die Pflanze weiterhin für die gefährlichste Droge, welche auch über keine gesicherte Heilwirkung verfüge. Einige berühmte Ärzte präsentierten ihnen nun den Gegenstandpunkt. Carl Hart, Professor für Psychiatrie an der Columbia University, Phi-

lipp Denny, Arzt im Ruhestand, und Gregory Carter, Chefarzt des St. Luke’s Rehabilitation Institute, verdeutlichten Ende Oktober ei-nem kalifornischen Gericht die durch jahr-zehntelange medizinische Forschungsarbeit belegten, weitverzweigten therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten des Cannabis. Die Ärzte zeigten auf, dass Cannabis eines der von der Menschheit schon am längsten verwendeten Therapiemittel ist, das zugleich

MEDI+GREEN

Professor Carl HartProfessor Carl Hart

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Die Legalisierung ist unaufhaltsamNach zwei Jahren Pressewirbel um die Legalisierung in Colorado und Washington und unter dem Eindruck

positiver Daten bezüglich der Konsum- und Kriminalitätsstatistik und der Steuereinnahmen unterstützt nun

zum ersten Mal die Mehrheit der US-Bevölkerung diesen Ansatz. Als bester Beweis dafür kann gelten, dass

bei den ausgeschriebenen Abstimmungen in zwei weiteren Staaten und der Hauptstadt die gesetzliche

Grasregulierung glatt durchging.

Die Legalisierung in den Pionierstaa-ten Colorado und Washington macht deutlich, dass die Welt viel-

leicht vielschichtiger ist, der legale Handel mit der in weiten Kreisen genutzten Heil-pflanze nicht das Ende der Welt bedeutet, und dass die Legalisierung eine vernünfti-ge Regelung bringt. Nach der Statistik ist der Graskonsum von Jugendlichen nicht gestiegen, die Zahl der Gewaltverbrechen gesunken, der Schwarzmarkt ist erschüt-tert, die Staatskasse profitiert, Tausende von neuen Arbeitsplätzen entstanden und die Polizei konzentriert sich nun statt auf die Kiffer auf die wahren Kriminellen. Kein Wunder, dass die Unterstützung für die Legalisierung auf ein historisches Hoch stieg und Ende 2014 schon 52% der US-Bevölkerung die Anti-Cannabis-Gesetze abschaffen würden. Der Tendenz folgend schrieben zwei weitere Staaten und die Hauptstadt selbst Legalisierungsplebiszi-te aus, und siehe da: In allen drei Fällen siegten die Befürworter! Gerade in der Hauptstadt Washington, D.C. zeigte sich die größte Mehrheit, wo etwa zwei Drittel der Urnengänger/innen ihre Stimme der gesetzlichen Grasregulierung gaben. Bei dem überwältigenden Ergebnis kann der Kongress noch ein Wörtchen mitreden, denn in dem Bundesdistrikt kann er nach Rechtslage das Gesetz innerhalb von 30 Tagen annullieren. Nach den kürzlichen Äußerungen des Justizministers und des

MEDI+GREEN

Präsidenten Obama sieht es nicht danach aus und es wäre wenig sinnvoll, gegen den Willen des Volkes vorzugehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird nächstes Jahr den Bürger/innen der Hauptstadt über 21 Jahren der Besitz von einer Unze Marihuana gestattet; zu Hause können sie drei Pflanzen ziehen. Oregon stieg schon 2012 neben Colorado und Washington in den Ring. Obwohl dort die Gegner mit nur 3,5% Vorsprung siegten, konnten sie ihre Schadenfreude nur zwei Jahre lang genie-ßen, denn angesichts der Erfolge von Co-lorado kamen viele Wähler/innen auf den Trichter – im November ging der Legali-sierungsvorschlag mit 54% Ja-Stimmen durch. Das Gesetz ist hier milder als in

Washington, D. C., denn Erwachsene kön-nen 8 statt 2 Unzen, das heißt mehr als 200 Gramm Ganja bei sich haben, das sie in gekennzeichneten Geschäften kaufen können; oder sie können zu Hause sechs Pflanzen ernten. Der dritte glückliche Staat, Alaska, verfolgt schon lange eine progressive Cannabispolitik. Schon 1975, ein Jahr nach dem Rücktritt von Richard Nixon, der den Drogenkrieg erklärt hatte, entkriminalisierte Alaska das Cannabis; 1998 wurde die Anwendung zu thera-peutischen Zwecken ermöglicht. Dennoch siegten die Befürworter/innen der Lega-lisierung nur um Haaresbreite mit 52%. Auch die Mengen sind dort etwas seltsam ausgefallen, denn ein Erwachsener kann eine Unze bei sich tragen, zu Hause aber sechs Pflanzen ziehen. Man muss schon ein mieser Züchter sein, um aus sechs Pflanzen insgesamt 28 Unzen Ganja zu gewinnen. Und schließlich der Wermuts-tropfen: Zur gleichen Zeit stimmten in Florida 58% der Wähler vergeblich für die Einführung eines Programms für thera-peutisches Marihuana, weil infolge einer Besonderheit der lokalen Gesetze die In-itiative 60% zum Erfolg hätte erreichen müssen. Kein Problem, in zwei Jahren klappt das! Und wir können sicher sein, dass die Zahl der legalisierenden Staa-ten in den kommenden Jahren weiterhin schön anwachsen wird, denn nach Ethan Nadelmann, dem Chef der Drug Policy Alliance, kann 2016 in weiteren fünf bis sechs Staaten über die Cannabislegalisie-rung abgestimmt werden. Das können wir kaum erwarten!

Shango Premium Cannabis Dispensary (Portland, Oregon)

Greta Carter, Life Gardens (Ellensburg, Washington)

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Cannafest 2014Mit 180 Ausstellern aus 21 Ländern, Kulturprogrammen,

Vorträgen, Filmen, Verkostungen, Produkttests und

einer unvergleichlichen Stimmung! Beim diesjährigen

5. Cannafest in Prag kamen alle auf ihre Kosten.

Schwerpunkt der Hanfausstellung war das

therapeutische Cannabis beziehungsweise das

Verhältnis des Durchschnittsbürgers zum Cannabis.

Als wir im Sommer die Anzeige vom Cannafest 2014 sahen, in der ein Fünfzigjähriger mit einem breiten

Lächeln von seiner neuen Leidenschaft, dem Vaporisieren von Heilpflanzen, berichtet, hatten wir den Verdacht, dass man etwas Neues aus dem Hut zaubern will. Die übri-gen Plakate zeigten ältere Männer, die thera-peutisches Marihuana schätzen, junge Frau-en, die auf Hanfkosmetik schwören, und so weiter. Da wurde uns langsam klar, dass die Absicht war zu zeigen, dass Hanf als Pflanze und Produkt schon längst die Grenzen des Freizeitgebrauchs überschritten hat und als Lebensmittel, in der Kleidung, in Kosmetika oder als Therapiemittel in immer mehr Ge-sellschaftsschichten vorgedrungen ist.

Dass die Nachricht ankam, bewies das entsprechend gemischte Publikum von 1-99 Jahren bei den Veranstaltungen des Canna-fests. Mit Sicherheit fand jeder, was er such-te. Die Kinder konnten sich wieder im Spiel-haus vergnügen. Einer von drei Räumen war vollgepackt mit Hanfprodukten. Und wieder einmal stellte sich heraus, dass es bei Bongs, Vaporizern und anderem Zubehör immer et-was Neues gibt – nicht zuletzt bei dem, was die Gärtner alles erfinden, um das Maximum aus ihren Pflanzen herauszuholen.

All das drei Tage lang für 15 Euro genießen zu können, das ist ein wahrer Freundschafts-preis! Die vielleicht ein wenig übertriebene Betonung des Gebrauchs zu therapeutischen Zwecken war schon an der klaren Luft zu spüren. Unklar blieb jedoch, ob die Wohler-zogenheit der Besucher oder die unaufhalt-same Verbreitung des Vaporizers dies verur-sacht hatte, aber dieses Jahr roch man auf dem Ausstellungsgelände kaum Rauch, was die Veranstaltung für Nichtraucher und Fa-milien noch anziehender machte.

Egal wie man das persönliche Programm plant, in drei Tagen kann man nicht überall sein, und wir verpassten zu unserem größten Bedauern die Konferenz. Denn wir hatten uns schließlich für eine Veranstaltung ent-schieden, die sich mit medizinischem Can-nabis und der Situation in der Tschechischen Republik befasste. Und unsere Entscheidung war richtig – Zdenek Majzlík, ein tschechi-scher Rentner von etwa siebzig Jahren, der sich den größten Teil seiner Zeit um seine Tochter kümmert, die an multipler Sklerose

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andererseits, dass der Konsument gezielt die Pflanze auswählt, die am besten seine Erwar-tungen befriedigt, was in vielen Fällen eine weniger potente Sorte wäre. Dass man die besagten Werte innerhalb von zwei Minuten im Internet finden kann, kümmert sie auch nicht. Daher gibt es in dem Land mit der pro-gressivsten Cannabispolitik der Region noch immer etwas an den Gesetzen zu verbessern, und auch an der Praxis. Das Cannafest aber tat wieder das seine, um ein angemessenes Verhältnis zum Hanf zu verbreiten. Das kann man kaum besser machen. Nur weiter so in den kommenden Jahren!

leidet, berichtete von einer einschneiden-den Verbesserung seitdem sie Cannabis für die Therapie entdeckten und nicht mehr mit anderen Medikamenten experimentieren. Trotz der Zulassung des Cannabis für den therapeutischen Gebrauch im Jahre 2013 ist die Beschaffung in Tschechien nicht leichter geworden und die Bereitschaft zur Koope-ration vonseiten des Staates und der Ärzte ist auch nicht größer. Majzlík ging so weit zu sagen, dass ein Land die Bezeichnung Rechtsstaat nicht verdiene, wenn die Rech-te der Kranken auf Wahl der medizinischen Versorgung dermaßen missachtet würden. Ein hartes Urteil! Auch wir Journalisten lern-ten die Schattenseite des tschechischen Can-nabisgesetzes kennen: Obwohl Samen frei gehandelt werden können, erlaubt die tsche-chische Regelung nicht die Angabe des zu erwartenden THC-Gehalts. Deshalb konnten wir die deutschsprachige Ausgabe von Medi-juana nicht im Lesesaal auslegen, denn da-rin befindet sich eine Anzeige, welche THC-Werte angibt. Auch andere Firmen wurden gezwungen, auf ihren Postern und Anzeigen Stellen zu schwärzen, die sich auf den THC-Gehalt beziehen. Das Gesetz ist scheinhei-lig, gestattet es doch einerseits den Anbau einiger Pflanzen zu Hause, verhindert aber

text: T.K.

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MEDI+GREEN

18

Cannabis wird auch bei Österreichs Grünen wieder en vogueDurch Österreich wehen immer stärkere Hanf-Wolken. Doch während entsprechende Parteibeschlüsse

der Basis bei den Parlaments-Newcomern, den Neos, und der Kanzlerpartei SPÖ nach Machtworten

der Parteichefs wieder auf Sparfl amme gestellt wurden, machen Österreichs Grüne Druck und wollen endlich

wissen, auf welcher Basis Cannabis in Österreich verboten bleibt.

In parlamentarischen Anfragen an insge-samt fünf Bundesministerien, die auf Vorlagen der ARGE CANNA und der AG

Suchtmittel basieren, will Grünen-Ge-sundheitssprecherin Eva Mückstein Aus-kunft, warum Österreich keine Schritte zur Legalisierung von Cannabis für be-dürftige Patient/innen unternimmt, ob-wohl Bezieher des teuren synthetischen THC-Extrakts einhellig erklären, dass na-türliches Cannabis zur Behandlung ihrer Leiden besser helfe und nur einen Bruch-teil des Monosubstanzpräparats Drona-binol aus der Apotheke koste.

In der Anfrage an das Justizministeri-um wird unter anderem Auskunft ver-langt, ob Minister Wolfgang Brandstet-ter Gesetzesänderungen plant, damit kranke Menschen, die sich synthetische

Cannabis-Medikamente nicht leisten können, bzw. alle Inhaltsstoffe der Can-nabispflanze nutzen wollen, straffrei natürliches Cannabis erwerben, anbauen und konsumieren können.

In der Anfrage an das Innenministeri-um wollen die Cannabis-Aktivisten Auf-klärung darüber, ob beschlagnahmtes Cannabis auf Schädlichkeit durch Streck-mittel (Blei, Glassplitter) geprüft wird, und wenn ja, wie oft derartige Proben in Österreich vorkommen.

Insgesamt zweiundzwanzig Fragen wur-den an das Gesundheitsministerium gestellt. Die wichtigste Frage an Ge-sundheitsministerin Sabine Oberhause ist dabei die letzte: „Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die Situation von Menschen zu verbes-

sern, denen Cannabis als Medizin hilft oder helfen würde?“

Die Anfrage an das Wissenschaftsminis-terium dreht sich vor allem darum, wel-che Schritte Österreich in der Cannabis-forschung unternimmt.

In der Anfrage an das Landwirtschafts-ministerium wird primär um Auskunft über die Tätigkeit der Agentur für Ge-sundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gebeten.

Die Ministerien müssen diese Anfragen nun bis 3. Januar 2015 beantworten. Die Antworten werden vor allem deshalb mit Spannung erwartet, weil insbesondere Gesundheitsministerin Sabine Oberhau-ser – allen Fakten zuwider – Cannabis weiterhin als Suchtgift einstuft und auch der Justizminister anklingen ließ, dass die Legalisierung keine Priorität habe. Hanf-Institut

Dr. Eva Mückstein

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CANNA+GLOBE

2020

Hanf Museum Berlin Hanf Museum Berlin

feiert 20. Geburtstagfeiert 20. Geburtstag

In Berlins historischem

Kern, dem Nikolaiviertel,

feierte am 6. Dezember

2014 das in Deutsch-

land einzigartige Hanf

Museum seinen 20.

Geburtstag. Hier können

sich Berliner und

Berlinbesucher ein

umfassendes,

vorurteilsfreies Bild über

die so universell

nutzbare Kulturpfl anze

Hanf machen.

Am 20. Museumsgeburtstag konnte jeder kostenlos das Museum besich-tigen und dabei auch noch ein ab-

wechslungsreiches Rahmenprogramm ver-folgen: Schon gegen 12:30 Uhr wurde die neue Sonderausstellung zum Thema „20 Jahre Hanf Museum“ feierlich enthüllt und damit eröffnet – eine halbe Stunde später galt das auch für das Hanf-Buffet und das Museumskino im Hanf-Café, welches mit bewegten Erinnerungen an zwei Jahrzehnte „Bildungsarbeit im Dienste der Hanf-Legali-sierung“ aufwartete.

Höhepunkt der Geburtstagsfeierlichkei-ten war dann aber die Podiumsdiskussion, die ab 16 Uhr unter dem Motto „Die wilden Neunziger“ einen Blick auf die Gründerzeit der deutschen Legalisierungsbewegung warf. Das Museum versammelte dafür mit Wolf-gang Neškovic (ehemaliger Richter am Bun-desgerichtshof und Mitglied des Bundesta-ges, Wegbereiter des „Cannabis-Beschlusses“ von 1994), Mathias Bröckers (unter anderem Autor von „Die Wiederentdeckung der Nutz-pflanze Hanf“), Rolf Ebbinghaus (Vorstand H.A.N.F. e.V., Leitung Hanf Museum Ber-lin), Martin Müncheberg (Vorstand Bünd-nis Hanfparade e.V. von 1997 bis 2004) und Matthias Schillo (Treuhanf AG, Rechtsanwalt

u. a. für „Kim will Kiffen“ und Günter Wei-glein) ein Who’s who der deutschen Hanf-szene vor dem Millennium. Mathias Bröckers brachte dem Hanf Museum übrigens ein ganz besonderes Geschenk mit: Er über-reichte eine von Jack Herer signierte Erstaus-gabe von „The Emperor Wears No Clothes“. Insgesamt wurde fast zwei Stunden über

CANNA+GLOBE

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21

text: Martin Müncheberg

in Zusammenarbeit mit dem Magazin thcene zum runden Museumsgeburtstag realisiert hatte.

Auch wenn das offizielle Rahmenpro-gramm mit der Leerung des Hanf-Buffets zu Ende ging, wurde auch danach immer noch-mal das Glas zu einem Toast auf das Muse-um und seine Förderer erhoben. So bedankte sich Rolf Ebbinghaus zum Beispiel bei André Fürst, der extra aus der Schweiz angereist war und das Hanf Museum schon von Anfang an unterstützt hat. Der gab den Dank zurück an die Unermüdlichen, die den Museumsbe-trieb nun schon so lange (und nahezu tag-täglich) am Laufen halten. Und Hans Cousto bedankte sich im Namen der Hanfparade beim Museum dafür, dass die Organisation der größten deutschen Legalize! Demo nun schon seit etwa fünfzehn Jahren aus dem Museum heraus erfolgen kann – schließlich haben hier die Veranstalter schon seit Ende der 90er Jahre eine logistische Basis im Her-zen der deutschen Hauptstadt.

Insgesamt kamen über einhundert Besu-cher zum Geburtstag des Museums – die Fei-erlichkeiten gingen dann auch weit über die eigentliche Öffnungszeit hinaus – allerdings wurde ab 20 Uhr dann nur noch in einem privaten Rahmen (ganz inoffiziell) fleißig weitergefeiert.

Anlässlich des Gründungsjubiläums wurde zum Geburtstag auch eine bebilderte „Chro-nik 20 Jahre Hanf Museum“ der Öffentlich-keit vorgestellt. Die auf fünfzig Exemplare limitierte Geburtstagsauflage wird passend zum Anlass zwanzig Euro kosten.

die Vergangenheit gesprochen und über die Zukunft von Cannabis spekuliert und dabei sogar (von Mathias Bröckers und Matthi-as Schillo) prognostiziert, dass wir auch in Deutschland in den nächsten zwei bis fünf Jahren mit einer Entkriminalisierung oder gar Legalisierung von Hanf rechnen können.

Zahlreiche weitere Gäste aus der beweg-ten Museumsgeschichte waren zum 20. Ge-burtstag gekommen, unter anderem Sabine Rädler, Hans Cousto, Tibor Harrach, Stefan Mack und Katrin Gebhard, die mit einer selbst gebackenen Geburtstagstorte dem Museumsteam um Rolf Ebbinghaus, Mar-tin Steldinger und Steffen Geyer gratulier-te. Nach dem Ende der Podiumsdiskussion fand dann noch die Verlosung zu dem Ge-winnspiel statt, welches das Hanf Museum

Birthday Lottery

Matthias Schillo und Rolf Ebbinghaus

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22

Legalisierung wurde auch nicht umgesetzt. Nun aber zeichnet sich ein dritter Weg ab. Die vom Ratgeber des Königs gegründete Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung schlägt vor, dass der Genuss von Cannabis und seiner Derivate weiterhin verboten bleiben soll, die Zucht für medizinische Zwecke aber erlaubt. Ein staatliches Ins-titut würde die gesamte Ernte aufkaufen, um Medikamente auf Cannabisbasis und aus dem Nutzhanf Textilien, Papier und Faserstoffe herzustellen. Für die Produk-tion würde der Staat Fabriken bauen und damit neue Arbeitsplätze schaffen. Der Plan scheint jedoch daran zu scheitern, dass er gleichzeitig die Züchter, die für die Haschischproduktion anbauen, vertreiben möchte. Dies hat sich über Jahrzehnte als unmöglich erwiesen. Und es wird auch schon wegen der Unmöglichkeit, eine Mil-lion Arbeitsplätze zu schaffen, weiterhin nicht gelingen. Die Bauern befürchten aber jetzt schon, dass durch die Legalisie-rung zu therapeutischen Zwecken ihr jetzt schon lächerlich billiges Produkt noch weniger wert sein wird, sodass es bei der Gesetzesvorlage noch einiges zum Nach-denken gibt.

Medizinisches Marihuana aus Marokko

In den 1980er Jahren stammten 80% des Haschischs, das man in den holländi-schen Coffeeshops bekam, aus Marokko,

und obwohl zahlreiche neue Wettbewer-ber aufgetaucht sind, ist das nordafrika-nische Haschisch weiterhin in ganz Euro-pa präsent. In Marokko denkt man schon seit sechs Jahren an Legalisierung, nun aber erwägt man die Möglichkeiten der Hanfzucht zu therapeutischen Zwecken. Selbst für die Hardliner unter den Drogen-gegnern steht außer Frage, dass man die Cannabiszucht, die in Marokko über eine jahrhundertealte Tradition verfügt, kaum abschaffen kann. Nach Schätzungen lebt eine der 33 Millionen Marokkaner vom Hanf, und dieser Geschäftszweig erbringt 10% des Bruttoinlandsprodukts, in Zahlen ausgedrückt 10 Milliarden Dollar. Diese Zahlen sind umso erstaunlicher, als man in Zusammenarbeit mit der UNO schon seit den 1980er Jahren versucht, die Cannabis-felder zu vernichten und für legale Früchte zu verwenden, aber auf dem steinigen Bo-den wächst kaum eine andere Pflanze.Und wenn, verspricht sie auch nicht annähernd ähnliche Einnahmen. Daran scheiterte die Liquidierung der Hanfplantagen, aber eine

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Die Legalisierung in Washington, D.C. könnte gekippt werdenObwohl die Anhänger/innen des legalen Hanfmarktes bei der Abstimmung im November in der

amerikanischen Hauptstadt eine große Mehrheit errangen, gibt der Kongress das Grasverbot nicht so einfach

auf. Laut der Vereinbarung der Republikaner und Demokraten wird man bis September 2015 sicher kein

Marihuana in den Geschäften der Hauptstadt bekommen können. Was danach kommt, bleibt abzuwarten.

In unserem Artikel über den Erfolg der Legalisierungsbewegung am 4. November hatten wir geschrieben, dass der Kongress

der US-Hauptstadt das Gesetz noch außer Kraft setzen kann, was nun tatsächlich einge-treten ist.. Dennoch traf diese Entwicklung die Vertreter der Legalisierung, die Aktivisten und nicht zuletzt die Wähler, von denen zweimal

so viele für die Legalisierung stimmten als da-gegen, wie eine kalte Dusche. „Ich glaube das einfach nicht. Wir brauchen das nicht, dass diese Leute weiterhin ins Gefängnis gesperrt werden“, entrüstete sich Phil Mendelson, Vor-sitzender des Stadtrates von Washington. „Es ist empörend und zutiefst undemokratisch“, fügte Adam Eidinger hinzu, mit dessen Hil-

fe 57.000 Unterschriften gesammelt worden waren, die die Vorlage des Gesetzesplans ermöglichten. Als er von der Entscheidung hörte, organisierte er spontan eine Demo vor dem Justizministerium für die Umsetzung des Wählerwillens.

Im Kongress stand inzwischen die Aufhe-bung von Sanktionen gegen Besitzer/innen von kleinen Mengen auf der Tagesordnung; die Ausarbeitung eines Modells für den lega-len Markt wurde jedoch gestoppt. Bald sah man aber ein, dass man damit nur scharfe Kritik ernten würde, weil die Wähler/innen ja für die vollkommene Legalisierung gestimmt hatten. Nach der Vereinbarung, die im Dezem-ber getroffen wurde, wird das Gesetz vorläu-fig weder Besitz noch Handel zulassen. Ge-genwärtig wird in Washington, D.C. der Besitz von geringen Mengen dekriminalisiert und mit einer Strafe von 25 Dollar geahndet.Es ist aber vorstellbar, dass dieser Betrag steigen wird.

Für diese enttäuschende Ereigniskette ma-chen viele die Demokraten verantwortlich. „Die Führung der Demokraten hatte deutlich gemacht, dass sie in dieser entscheidenden Rechts- und Rassenfrage neben den Wäh-lern stehen und dem Druck der Republikaner standhalten würde“, erinnert sich Michael Collins, Vertreter der Drug Policy Alliance. „Die Demokraten behaupten immer, dass sie die Gesetzgebung in D.C. unterstützen, und nun haben sie die Gelegenheit, sich hinter die 70% der Wähler zu stellen, die für die Marihuana-reform gestimmt haben“ , fügte er hinzu.

MEDI+GREEN

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CANNA+GLOBE

Seit dreißig Jahren ist die

Popularität der Filme

des berühmtesten

Kifferduos Cheech &

Chong ungebrochen und

die Schauspieler zu

Kultfi guren geworden.

Tommy Chong liegt

weiterhin der Hanf am

Herzen und mit dem

Einsatz seiner Popularität

setzte er sich mit

Kampagnen für die

Legalisierung und das

medizinische Marihuana

ein. Wir sprachen mit

Tommy im Amsterdamer

Zentrum von Futurola.

man versucht, das große Business per Ge-setz zu hemmen, damit wir uns nicht mit dem befassen können, was wir möchten. Die Politiker tun, was sie können, aber sie scheitern trotzdem. Mit der Zeit werden es ihre Anhänger meiner Meinung nach leid sein, sie sinnlos mit Geld vollzustopfen, und wenn sie dann die Wahlen verlieren, kom-men die alten Gesetze zurück. Der Dschinn ist aus der Bong geschlüpft und jetzt kriegt man den Rauch nicht mehr zurück.

MED: In Europa wird in letzter Zeit

an verschiedenen Orten, beispielsweise

in Belgien, Spanien und Österreich,

mit Cannabis Clubs als Alternative zur

Legalisierung experimentiert; zahlreiche

Länder wollen dieses System auch einführen.

Welche Regelung hältst du persönlich für

ideal?

TC: Ich nenne ein Beispiel. Die kanadi-sche Regierung beauftragte die Chinesen mit dem Bau einer Eisenbahnlinie und setz-te eine Gebühr für ihre Einreise fest. Damit

ließ sie sich von ihnen nicht nur die Bahn-linie bauen, sondern auch finanzieren. Sie bekamen schon etwas als Ausgleich, aber sie wurden nie als gleichberechtigte Men-schen behandelt, sondern eher als Diener. Als man sie nach dem Bau feuerte, began-nen die Chinesen Clubs zu gründen, eben solche wie heute die Cannabis Clubs.

MED: Ist es möglich, dass es in Kanada

Cannabis Clubs gab, die von Chinesen

betrieben wurden?

TC: Mag sein. Die Chinesen sind eine Gemeinschaft, die zusammenhält und sich gegenseitig hilft. Langsam ging ihnen auf, dass sie in den Privatclubs Glücksspiel oder sonstwas betreiben konnten. Was sie woll-ten, solange die Mitglieder ähnlich dachten und ähnliche Interessen hatten. Das Club-system ist also der natürliche Auswuchs der Verbotsbestrebungen.

MED: Demnach wäre der Cannabis Club

nichts anderes als die Antwort auf das

Verbotssystem?

Den Rauch kriegt man Den Rauch kriegt man

nicht zurück in die Bongnicht zurück in die BongVom Cannabis Cup zum Cannabisöl mit Tommy Chong

Medijuana: Du warst jetzt zum

siebenundzwanzigsten Mal zum High Times

Cannabis Cup eingeladen. Und dieses Jahr

sah es erst so aus, als könnte er nicht starten.

Die Polizei drohte den Veranstaltern und auch

den Besuchern mit Gefängnis. Doch nach ein

paar Absprachen konnte der Cannabis Cup

mit strengeren Aufl agen stattfi nden. Wie hast

du das erlebt und was ist deine Meinung zum

High Times Cannabis Cup?

Tommy Chong: Schrecklich, das Ganze, wir hätten ein High Times Fiasko erleben kön-nen, wegen der üblichen Organisationsfeh-ler. Jedes Jahr gibt es ähnliche Pannen.

MED: Dazu kann aber beigetragen

haben, dass man in den letzten Wochen in

Amsterdam Einschränkungen für die Coffee-

und Growshops angekündigt hat. Langsam

scheinen die USA ja liberaler zu sein als

Holland.

TC: Stimmt! Was wir jetzt in Holland un-ter anderem sehen konnten, das nenne ich industrielle Revolution. Das bedeutet, dass

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ging durch den Gebrauch von Cannabisöl

soweit zurück, dass man ein paar Monate

nach der Diagnose von einer 99-prozentigen

Heilung sprach, was ein fantastisches

Ergebnis ist! Als du die Diagnose bekamst,

hast du da beschlossen, dich statt mit

einer traditionellen Behandlungsform mit

Cannabisöl zu kurieren?

TC: Nicht ganz. Ich habe ein Video mit Rick Simpson gesehen, das von großer Wir-kung auf mich war. Es zeigte, wie das Öl sein Melanom heilt. Ich suchte einen Arzt auf, der aber noch nichts von der Cannabistherapie gehört hatte, und der sie weder empfehlen noch von ihr abraten konnte. Als ich dann auf CNN News verkündete, dass ich den Krebs mit Cannabis besiegen würde, nahmen sich die Medien meinen Arzt vor, der dadurch gezwungen war, sich in die Fachliteratur der Antikrebswirkung von Cannabis zu vertiefen. Die Erfolge überzeugten ihn in höchstem Maße und er entschied sich in meinem Fall – statt zur Entfernung der Prostata – zu einem mit Cannabisöl gefüllten Kegel.

das ist ein medizinischer Begriff. Wenn du beispielsweise aus dem Krieg zurückkehrst, dann kann dir der Arzt sagen, dass du R&R brauchst, rest & recreation. Rekreation ist aber mehr als ein medizinischer Ausdruck, es ist eine Therapiemethode. Ärzte sagen oft: „Du arbeitest zu hart, geh dich ein bisschen vergnügen und spann mal aus.“ Und das ist genau, was das Marihuana tut. Darum vergleichen es viele mit dem Alkohol, aber die Trunkenheit ist keine Rekreation. Der Alkohol macht Menschen zu furchtbaren Autofahrern und furchtbaren Ehemännern, richtet ihre Gesundheit zugrunde. Marihua-na ist ein Heilmittel und hat in vielen Fällen eine wohltuende Wirkung. Natürlich gibt es Leute, vor allem jüngere, die alles übertrei-ben, die sehen wir überall. Das ist nicht nur beim Marihuana so, egal was in ihre Hände kommt, davon nehmen sie zu viel.

MED: Wenn wir schon vom medizinischen

Gebrauch sprechen: Es ist bekannt, dass

bei dir vor zwei Jahren Prostatakrebs im

Frühstadium festgestellt wurde. Der Tumor

TC: So ist es. In Wirklichkeit gehören wir alle zu einem Club, denn wir haben eine ge-meinsame Basis. Es ist natürlich, dass Leute mit den gleichen Interessen zueinanderfin-den. Das können wir in aller Öffentlichkeit tun, oder auch in einem Club mit Mitglieds-ausweis. In den Vereinigten Staaten kannst du mit der Karte, die du von einem Arzt be-kommst, therapeutisches Marihuana kaufen. Wer aber überprüft die Echtheit der Karte? Wenn du sie vorzeigen kannst, lässt man dich in Ruhe.

MED: Glaubst du, dass die Legalisierung

in Europa aus dem medizinischen Gebrauch

hervorgehen könnte?

TC: Ich glaube nicht, dass das der ein-zige Weg ist. Nach meiner persönlichen Meinung ist jeder Cannabiskonsum thera-peutisch. Nimm nur das Wort „Rekreation“,

Cheech & Chong: Tommy Chong und Cheech Martin

Page 28: Medijuana 18

text: Tomas Kardos

vorstellen? Ähnlich intensiv wie ein

potentes Cannabisgericht, oder ist das nicht

vergleichbar?

TC: Mich hat das zuerst total umgehauen. Zwei Tage lang musste man mich praktisch ins Bad schleppen.

MED: So high warst du?

TC: Mehr als high, eher low. (lacht)MED: Und drei Tage später war es besser?

TC: Ja, da war ich schon wieder ok. Es war mir klar geworden, dass das Öl den Körper in ein Koma versetzt, in dem der Körper sich selbst heilt. Es schaltet alles aus. Dein Körper spürt keine Beklemmung, Unruhe oder mo-ralische Zweifel, eher versucht er sich daran zu erinnern, wie man sich aufsetzt oder auf-steht. Er schließt alles aus – so kann er sich selbst heilen.

MED: In den letzten Monaten hast

du versucht, Gott und die Welt davon

zu überzeugen, dass dein Körper eine

vollkommene Selbstheilung vorgenommen

hat. Millionen von Fernsehzuschauern konnten

sehen, wie du als ältester Teilnehmer in der

Fernsehshow „Dancing With The Stars“ mit

einem Dutzend Tanznummern entzückt hast.

TC: Hast du das gesehen? Davon rede ich! Ich habe getanzt wie ein junger Gott! (lacht)

MED: Soweit ich weiß, hast du bei der Show

kein Cannabis konsumiert. Warum hast du so

entschieden?

TC: Weil ich der Welt und vor allem den Jüngeren zeigen wollte, dass Gras nicht ab-hängig macht. Wenn du abhängig wirst, liegt das an der Psyche. Ich wollte zeigen, dass man eine Pause einlegen kann, wann immer man will. Und das muss man auch von Zeit zu Zeit!

MED: Machst du auch sonst eine Pause von

ein bis zwei Wochen?

TC: Natürlich, wenn ich mich so fühle, höre ich eine Weile auf. Dann mache ich wei-ter, ohne zu zögern. Nach der Tanzshow bin ich zum Cannabis zurückgekehrt.

MED: Wenn ich mich nicht irre, hast du auch

deine eigenen Sorten. Vor Kurzem hast du die

Sorte Chong Star angekündigt. Veredelst du

oder züchtest du auch selbst?

TC: Nein, ich nicht. Aber ich habe einen Freund, der Profizüchter ist. Den kenne ich schon lange und er hat die Sorte auf meine Bitte und nach meinem Geschmack gezüch-tet, und das ist ihm gelungen!

MED: Benutzt du das Öl noch zur

Vorbeugung oder Nachbehandlung?

TC: Eher zur Vorbeugung, weil das Mari-huana die Krebszellen tötet. Die Krebszellen sind mikroskopisch klein, man kann also nie sicher sein, dass sie endgültig verschwunden sind. Das ist so, wie wenn ein Auto anfängt zu rosten. Das fällt dir lange nicht auf, und wenn du die ersten Anzeichen siehst, ist es längst zu spät. Also ist der vorbeugende Ge-brauch von Cannabis meine Sicherheit für die Gesundheit. Das ist auch nötig, denn wenn der Krebs an einer Stelle aufgetaucht ist, dann ist die Gefahr groß, dass er sich auch anderswo zeigt.

MED: Wie muss sich ein erfahrener

Marihuanakonsument die Wirkung des

Cannabisöls beim ersten Gebrauch

CANNA+GLOBE

Tommy Chong stellt junge Tänzerinnen und Tänzer in der Fernsehshow “Dancing With The Stars” (2014) in den Schatten

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Die besten Die besten

tragbaren Vaporizer tragbaren Vaporizer

für das Jahr 2015

Das Jahr 2014 kann wirklich als das „Jahr der Vaporizer“ bezeichnet wer-den. Nicht nur erblickten einige groß-

artige Vaporizer das Licht der Welt, es gab auch einen Durchbruch in Sachen Bewusst-sein bezüglich der Vorteile des Verdampfens unter den Cannabis-Liebhaber/innen. Das Wort „vape“ wurde vom Oxford Wörterbuch zum Wort des Jahres 2014 gewählt. Dieser Trend scheint sich fortzusetzen – mit erhöh-ter Nachfrage und verbesserter Technologie. 2015 verspricht also ein weiteres großartiges Jahr für all jene zu werden, die ihre Kräuter (und Konzentrate) durch Verdampfen genie-ßen.

Die Experten von Europas größtem Vaporizer-Geschäft VapoShop haben eine Auswahl der drei vielversprechendsten (trag-baren) Vaporizer des kommenden Jahres zu-sammengestellt.

Firefl y – das iPhone unter den Vaporizern

Der Firefl y wurde in den USA und Kanada

Anfang 2014 auf den Markt gebracht

und ist mittlerweile auch in Europa

erhältlich. Dieser Hand-Vaporizer ist aus

hochqualitativen Materialien (Glas und

Metall) hergestellt und zeugt von Klasse

und Stil, während seine Anwendung sehr

einfach ist. Deshalb wird er oft als „iPhone

unter den Vaporizern“ bezeichnet. Der

Firefl y ist mit einem austauschbaren

Akku ausgestattet, dessen Ladezeit

weniger als 45 Minuten beträgt.

Warum?

– einzigartiges, elegantes Design und hohe Bedienerfreundlichkeit

– exzellenter Geschmack

– austauschbarer und schnell ladender Akku

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ck

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Firefl y –

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Auswahl der drei vielversprechendsten (trag-baren) Vaporizer des kommenden Jahres zu-sammengestellt.

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Arizer Air – Aroma ist das Wichtigste

Der Air ist der vierte Vaporizer aus dem Hause Arizer und wie der

sehr beliebte Solo könnte auch dieser Vape die Karten neu mischen.

Der Arizer Air ist kompakt, wärmt schnell auf und ist mit einem

austauschbaren Akku für erhöhte Beweglichkeit ausgestattet; das

Wichtigste ist jedoch die Fülle an dickem, geschmackvollem Dampf, den

er erzeugt. Die brandneuen Silikon-Schutzhüllen bieten zusätzlichen

Schutz gegen Stöße und Verschmutzung und geben Deinem Air überdies

eine individuelle Note.

Warum?

– Aroma! Glasmundstück für optimales Aroma Deiner Kräuter

– Temperaturkontrolle: Wähle aus fünf voreingestellten Temperaturstufen aus

– hält ein Leben lang (Metallgehäuse, Silikonhülle)

stufen ausus

Der Mighty wurde zur Weihnachtszeit des letzten Jahres zusammen mit

seinem kleinen (und etwas kompakteren) Bruder, dem Crafty, auf den

Markt gebracht. Die ersten (wirklich) tragbaren Vaporizer des Herstellers

Storz & Bickel (der auch für die Volcano Vaporizer verantwortlich

zeichnet) stechen mit einer extrem hohen Qualität und Leistung heraus.

Der Mighty ist vielleicht nicht der kleinste Vaporizer auf dem Markt,

macht dies jedoch defi nitiv wett, wenn es um Kraft und Ausdauer geht.

Die zwei eingebauten Lithium-Akkus statten dieses Biest mit genügend

Saft aus, um bis zu 90 Minuten lang verdampfen zu können. Außerdem

heizt er innerhalb von Sekunden auf die gewünschte Temperatur.

VapoShop freut sich, Euch bei der Auswahl des richtigen Vaporizers

helfen zu können. VapoShop hat seinen Sitz in Amsterdam, Niederlande.

Schneller Versand – gratis ab einem Bestellwert von 50 Euro.

Mighty – kraftvolle Leistung

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Während weltweit immer mehr Länder legale Cannabisregelungen erwägen und die US-Bundesstaaten, welche legalisiert haben, ausschließlich über positive

Erfahrungen berichten, blieb die älteste Triebfeder Holland in einer widersprüchlichen Quasiregulierung stecken, die nun sinnloserweise drastisch

verschärft werden soll.

Machtdemonstration in HollandAngriff auf die Cannabisszene

Drogenpolitik besser verstehen zu können, sollten wir auf den Beginn der Drogenreform zurückblicken.

Missliebige Grasregulierung

Die holländische Grasregulierung wurde nicht, wie man allgemein annimmt, von libe-ralen Prinzipien geleitet, sondern war immer praxisorientiert. Der zentrale Gedanke des 1976 in Kraft getretenen Ansatzes, der auf der Welt einzigartig war, bestand darin, den Markt für das kaum risikobehaftete Cannabis von dem der gefährlicheren Drogen zu tren-nen, deren Gebrauch in der ersten Hälfte der 1970er Jahre überhandnahm. In dieser Ab-sicht entkriminalisierte man den Besitz zum Eigengebrauch und den Konsum für Erwach-sene. Die wichtigste Neuerung war jedoch, dass die Polizei den Handel von Cannabis in geringen Mengen tolerierte. Coffeeshops

entstanden, die unter strengen Auflagen be-trieben werden konnten. Täglich durften sie 500 Gramm Cannabis auf Lager haben, das sie ausschließlich an Erwachsene verkaufen durften, pro Person anfangs bis zu 30, später bis zu 5 Gramm. In den Cafés durften kei-ne anderen Drogen verkauft werden – auch kein Alkohol –, außerdem durften sie keine Reklame für ihre Waren machen. Für den Ei-genanbau von Cannabis erlaubte das Gesetz maximal fünf Pflanzen.

Dies zeichnet ein sehr idyllisches Bild von den holländischen Zuständen, es gibt nur einen Haken: Der Handel von mehr als 5 Gramm Cannabis ist per Gesetz streng ver-boten, damit kommen die Coffeeshops je-doch nicht auf legalem Wege an Marihuana. Dieser Widerspruch führte zum sogenannten „Hintertür“-Phänomen: Coffeeshops kön-nen nur insgeheim an Cannabis kommen, das sie dann legal verkaufen. Klar, dass die

Schon seit Jahren versucht die nieder-ländische Regierung den Coffeeshops, die Cannabis verkaufen und Touristen

in großer Zahl anziehen, einen Strich durch die Rechnung zu machen. Kaum hat man die Einführung des Weedpass – einer Re-gistrierung für den Besuch von Coffeeshops – wieder fallengelassen (lediglich entlang der belgischen Grenze blieb die Regelung weiter in Kraft), nimmt die Regierung die Hanfszene aus einer anderen Richtung in die Zange. Nach dem Gesetz, das im Novem-ber vom Senat verabschiedet wurde, drohen nicht nur den Zulieferern von Coffeeshops Gefängnisstrafen, sondern auch den Anbie-tern von Züchterbedarf, falls sie Großzüchter beliefern. Was aber führte zu einer solchen Kehrtwendung in dem Land, das seit Jahr-zehnten berühmt für legales Marihuana ist und als Kifferparadies bekannt wurde? Um die neuen Forderungen der holländischen

CANNA+GLOBE

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Züchter und Cafébetreiber seit Jahren auf eine Normalisierung der Gesetze warten, die den Weg des Cannabis vom Samen bis zum Konsumenten auf realistische Weise regeln. Stattdessen aber machten sich die Behörden seit Ende der 70er Jahre über die Coffee-shops her, mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Coffeeshops zwischen 1997 und 2007 um 40% (von 1179 auf 702) sank. Seit 2008 stand die Schließung von Coffeeshops bzw. Versuche, ihren Betrieb auf verschiedenste Weise unmöglich zu machen, permanent auf der Tagesordnung. Den letzten Aufschrei der Empörung verursachte das Gesetz zur Ein-führung des Wietpas (Weedpass), der aus-schließlich registrierten Ortsansässigen den Zutritt zu Coffeeshops gestattet und damit den Besuch ausländischer „Drogentouristen“ verhindert hätte. Wer jedoch gehofft hatte, dass die niederländischen Politiker ange-sichts der positiven Erfahrungen mit der Le-galisierung in Colorado und Washington die heimische Regelung in eine ähnliche Rich-tung vorwärtstreiben würden, wurde ent-täuscht. Stattdessen kommt der Angriff nun aus einer anderen Richtung und außer den Hanfcafés werden auch die Growshops unter Druck gesetzt: Man spielt mit einer Neuauf-lage des früheren Gedankens, dass Sorten mit einem THC-Gehalt über 15% als harte Drogen gelten.

Growshop-Gesetz

Justizminister Ivo Opstelten, der auch das Wietpas-Gesetz unterzeichnet hatte, tat sich im Herbst mit einer neuen Idee hervor, dem Growshop-Gesetz, das er dem Senat vorleg-te. Es drohen nicht nur den Großanbauern drei Jahre Freiheitsentzug, sondern auch den Händlern von zur Zucht geeigneter Erde und elektronischen Einrichtungen (beispielsweise

Hochleistungslampen), sollte sich heraus-stellen, dass sie Züchter einer nicht geringen Menge Cannabis beliefert haben. Das Gesetz, das im Land des Coffeeshopsystems reichlich absurd klingt, billigte der Senat mit 39 zu 31 Stimmen und es ist zu erwarten, dass es am 1. März 2015 in Kraft tritt. Die Juristen ga-ben bereits zu bedenken, dass die neue Be-stimmung einen unverhältnismäßig großen Teil der Bevölkerung mit Gefängnisstrafen bedroht. Derrick Bergman, Sprecher von VOC Nederland, einem Verband, der gegen das Cannabisverbot kämpft, gab zu bedenken: „Das neue Gesetz (stellt) so viele Menschen und Aktivitäten unter Strafe, als ginge es um einen Angriff von Terroristen und nicht um den Anbau einer Pflanze. Das Justizministe-rium trägt damit dazu bei, dass unsere Can-nabispolitik, die aktuell schon versagt hat, noch absurder und widersprüchlicher wird.“ Wird der nächste Schritt das Verbot des Can-nabissamenhandels sein? Nun, dafür gibt es noch keine Anzeichen, doch die Politik will sich offensichtlich in den Prozess der Ver-edelung einmischen.

15%

Nach einer Studie erhöhte sich zwischen 1998 und 2005 der THC-Gehalt der in hol-ländischen Coffeeshops verkauften Canna-bissorten von 9 auf 18%. Die Verdopplung des Wirkstoffs könnte auf den ersten Blick Anlass zur Besorgnis geben, man muss aber wissen, dass die Cannabiswirkung nicht nur von der THC-Menge, sondern auch vom Verhältnis zum CBD (Cannabidiol) und dem Vorhandensein von Terpenen abhängt. Auch der Vergleich, es sei, als ob man in den Cafés nunmehr statt Bier Schnaps verkaufen wür-de, hinkt gewaltig, denn die entsprechend informierten Konsumenten passen sich leicht

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an und konsumieren von den potenteren Sorten weniger und schonen dabei auch ihre Lungen. Dennoch brachte man nach 2011 die Idee wieder aufs Tapet, dass man den THC-Gehalt der in Coffeeshops erhältlichen Cannabissorten auf maximal 15% begrenzen müsse und Sorten mit höherem THC-Ge-halt – neben Heroin und Kokain – als harte Drogen einzustufen seien. Fachleute halten diesen Vorschlag nicht nur für unsinnig, sondern auch für undurchführbar. Prof. Dr. Robert Verpoorte von der Universität Leiden nennt die angegebenen Grenzwerte für voll-kommen zufällig gewählt. Es entbehre jeder Grundlage, dass bei Überschreitung die Wir-kung mit der einer „harten Droge“ gleichzu-setzen wäre. Wie oben erwähnt, wird die Wir-kung durch weitere Komponenten bestimmt, die auch die Absorption des THC beeinflus-sen. Der Professor erinnerte ebenfalls daran, dass Cannabis überhaupt kein THC enthält, sondern nur dessen Ausgangsstoff, und dass diese Verbindung erst durch den Einfluss von Hitze zustandekommt. Dr. Veerpoorte ist der Meinung, man könne das Cannabis, solange es illegal ist, nicht wirklich kontrollieren, und somit sei auch das 15-%-Limit sinnlos. Die vollkommene Regulierung des Cannabisan-baus hätte auch medizinisch gesehen mehr Nutzen, da in das verkaufte Produkt keine Schadstoffe gelangten und es frei von Che-mikalien wäre. Die Konsument/innen erhiel-ten es dann mit den entsprechenden Infor-mationen über die Inhaltsstoffe – wie auch alkoholische Getränke, bei denen der Käufer nach eigenem Gutdünken eine Wahl trifft.

Widerstand regt sich

Die drastischen Verschärfungen machten auch vor dem High Times Cannabis Cup nicht Halt, der dieses Jahr zum siebenund-zwanzigsten Mal ausgetragen wurde. Nach der Razzia im Jahre 2011 ging die Polizei diesmal weiter und jagte die Veranstalter so ins Bockshorn, dass sie am ersten Tag des Cannabis Cups die Tore gar nicht öffneten. Der wartenden Menge teilten sie mit, dass sie nicht eingelassen würden, weil zu befürchten sei, dass die Polizei sie festnimmt. Vom zwei-ten Tag an traten auf dem Event, das nur mit halber Kraft lief, bisher nie angewandte Regeln in Kraft. Zu der Veranstaltung, die für das Probieren und Bewerten von Cannabis-sorten bekannt ist, wurde niemand mit mehr als 5 Gramm Cannabis eingelassen, Extrak-te wurden absolut nicht toleriert. Die Ver-anstalter durften außerdem den Besucher/innen kein Cannabis anbieten, daher blieb nur der Konsum von selbst mitgebrachtem Marihuana. Das Probieren – wofür viele Gäs-te gern ordentlich bezahlt hätten – wurde praktisch unmöglich gemacht. Verständlich, dass in diesem immer feindlicheren Klima in vielen Akteur/innen, die in Treu und Glauben im Geist der Gesetze ihre Cannabisaktivitäten abwickeln wollen, der Selbsterhaltungstrieb erwacht und sie sich gemeinsam die Köpfe zerbrechen, wie sie der Angriffswelle wider-stehen können. Und hier ist nicht nur von Züchtern und Caféhausbesitzern die Rede, sondern auch von den örtlichen Verwaltun-gen! Vierundfünfzig Bürgermeister/innen

haben den Aufruf mit dem zweideutigen Namen „Joint Regulation“ unterzeichnet, in dem sie realistische Regeln für die Cof-feeshops fordern, besonders im Hinblick auf das Problem der Hintertür. Sie haben genug davon, dass die Regierung so tut, als fiele

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jeden Tag Cannabis vom Himmel in die Cof-feeshops. Sie erwarten von den Gesetzgebern eine Klärung der Situation.

Manche gehen in eine andere Richtung: Unter den Alternativen kursiert auch die Vorstellung privater lizenzierter Züchter auf Cannabisfarmen, die von der Gemeinde be-trieben werden. Im September 2014 nahm der erste holländische Cannabis Social Club, Tree of Life in Amsterdam, nach belgischem Muster unter Mitarbeit von Joep Oomen, dem Leiter von ENCOD, seinen Betrieb auf. Oomen selbst schrieb Folgendes über die Er-öffnung des neuen Cannabisclubs: „Der im September eröffnete CSC bedeutete für die Jurisdiktion eine gewaltige Herausforderung, und nun stehen sie vor folgendem Dilemma: Das Aufbegehren gegen einen Club mit fünf-undzwanzig Mitgliedern wäre lächerlich in Amsterdam, wo Hunderte von Coffeeshops existieren, die ihr Cannabis vom Schwarz-markt beschaffen. Die Tolerierung des Be-triebs würde aber zu einem Konflikt mit dem Justizminister Ivo Opstelten führen, der ge-gen jede Aufweichung der strengen Gesetze gegen den Cannabisanbau ist.“

Die Cannabis Clubs könnten auch als Hin-tertür für die örtlichen Verwaltungen fun-gieren, durch welche sie mit neuen Formen der Regulierung experimentieren könnten, gleichgültig, was der Justizminister wünscht. Außerdem sind schon weitere Cannabis Clubs in Eindhoven, Utrecht und Groningen in Gründung und es ist gut möglich, dass die Veränderungen nicht von den Politikern,

sondern den Aktivisten von unten ausgehen werden. Damit ginge auch der Wunsch der Bevölkerung in Erfüllung, denn nach einer Umfrage im Dezember 2013 unterstützt die entscheidende Mehrheit der Holländer eine liberale Drogenpolitik und 65% von ihnen

würden gern eine Regelung nach urugua-yischem Vorbild sehen. Es scheint, dass für die Bevölkerung sonnenklar ist, dass die au-genblickliche Lösung – trotz ihrer Fehler – dem Verbot vorzuziehen ist. Dass sie recht haben, belegen viele Untersuchungen. Die Trennung von weichen und harten Drogen funktioniert beispielsweise zweifelsfrei. Eine Untersuchung weist daraufhin, dass insge-samt nur 14% der holländischen Kiffer ne-ben Cannabis auch andere Drogen von ihrer Quelle angeboten bekommen. In Schweden mit seiner strengen Regulierung, die alle Drogen über einen Kamm schert, liegt der Prozentsatz bei 52. Ein weiterer Beleg dafür, dass die holländische Regelung den Drogen-konsum nicht anregt, ist die Tatsache, dass der Cannabiskonsum nach der Eröffnung der Coffeeshops in den 70er Jahren nicht sprung-haft angestiegen ist, und auch der momen-tane Drogenkonsum ähnlich hoch oder sogar niedriger liegt als in den Nachbarländern. Die Coffeeshops erwirtschaften jährlich etwa 400 Millionen Euro, die ansonsten auf die Konten von Kriminellen wandern würden. Stellen wir uns einmal vor, wie groß die Summe wäre, wenn die Züchter endlich eine Genehmigung für die Belieferung von Coffeeshops erhiel-ten und der Staat auch von ihren Einnahmen einen Anteil bekäme! Um eine Weisheit von Tommy Chong zu zitieren: „Der Deckel der Bong ist gelüftet und man kann den Rauch nicht mehr zurückholen.“

text: Jack Pot

Tree of Life Amsterdam Cannabis Social Club

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MEDIZIN

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Millionen Menschen leben! Medijuana fordert alle Patienten deshalb auf: Beantragt eine Ausnahmeerlaubnis für den medizinischen Gebrauch von Cannabis! Alles, was Ihr dafür braucht, ist eine entsprechende Diagnose, deren Therapie mit konventionellen Mitteln fehlgeschlagen ist, und einen Arzt, der Euch begleitet und berät. Alles andere ist Formsa-che und im Grunde schnell erledigt. Wer unter chronischen Schmerzen, unter dem Tourette-Syndrom oder ADHS leidet, wer Krebs- oder HIV-Patient ist oder Epileptiker, der sollte versuchen, eine Ausnahmegenehmigung des BfArM zu bekommen. Die macht das Leben mit der psychoaktiven Substanz Cannabis als Medizin sicherer, weil die Komponente der Strafverfolgung meistenteils fehlt. Wer sich für eine Erlaubnis und die notwendigen Di-agnosen interessiert, der sollte sich auf den Seiten der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin informieren: Auf www.cannabis-med.org gibt es alle relevanten und weiter-führenden Infos, die Ihr braucht.

Cannabis ist in Deutschland nach wie vor verboten. Komisch, findet der Medijuana-Leser? Ganz recht,

komisch ist das schon, denn wer nimmt sich das Recht heraus, darüber zu entscheiden, welche Moleküle wir zu uns nehmen dürfen und welche nicht? Die Situation ist verfah-ren, verlogen, verlaust. Da sind wir uns einig.

Nun haben es Menschen mit handfesten Ge-brechen und Erkrankungen etwas leichter, an die begehrte, weil hoch wirksame Medizin zu gelangen. Wer über entsprechende Diagnosen verfügt, kann bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medi-zinprodukte (BfArM) eine Ausnahmeerlaubnis für den Erwerb und Besitz von sogenannten Medizinalhanfblüten beantragen. Leider ma-chen nach wie vor viel zu wenige Patienten von diesem Recht Gebrauch. Die einen aus Faulheit und weil sie glauben, dass der bü-rokratische Weg zur Genehmigung zu steinig wäre. Andere stellen den Antrag nicht, weil sie Angst haben. Angst vor dem Chef und dem möglichen Verlust des Arbeitsplatzes, Angst vor Verfolgung, Angst aber auch vor der gesellschaftlichen Stigmatisierung. Dabei könnte diese sogenannte „Ausnahme“ weit mehr sein als eine solche. Gerade mal etwas mehr als 300 Menschen besitzen eine solche Erlaubnis – nicht gerade viele Leute, wenn man bedenkt, dass in Deutschland etwa 80,6

Ausnahmegenehmigungen

Patienten, lasst euch nicht veräppeln!

MEDI+GREEN

Lage, Rezepte, Praxistipps“. Es erscheint ebenfalls in einer Neuauflage im Nacht-schatten Verlag. 2012 war die letzte überarbeitete Neuversion herausgekom-men – jetzt wird ein weiterer Druck not-wendig, weil die Nachfrage nach dem Band so enorm ist.

Wenn in Deutschland einer um-fassend Ahnung hat von al-lem, was mit Cannabis und

Cannabinoiden als Medikament zu tun hat, dann ist das der Mediziner Dr. Fran-jo Grotenhermen aus dem Landkreis Soest. Grotenhermen ist Gründer und Vorstand der International Association for Cannabinoid Medicines (IACM) so-wie der angegliederten Vereinigungen Arbeitskreis Cannabis als Medizin (CaM) und des Selbsthilfenetzwerks Cannabis als Medizin (SCM). Auch als Buchautor hat Franjo Grotenhermen sich schon lange einen Namen gemacht. Jetzt er-scheint eines seiner Standardwerke in einer Neuauflage im Nachtschatten Ver-lag. Die Rede ist von „Hanf als Medizin – Ein praktischer Ratgeber zur Anwen-dung von Cannabis und Dronabinol“, das ehemals im Schweizer AT Verlag heraus-gekommen ist.

Das Buch behandelt die zahlreichen Anwendungsgebiete, Nebenwirkungen, Dosierungen und möglichen Wechsel-wirkungen der Cannabis- bzw. Cannabi-noid medizin und ist damit unentbehr-

Neues von Dr. Franjo GrotenhermenBücher für Cannabispatienten

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licher Begleiter für alle, die sich für die Thematik interessieren oder sogar direkt davon betroffen sind.

Professor Dr. Rudolf Brenneisen von der Universität Bern meint zum Buch: „Das auf aktuellstem Wissensstand ba-sierende, gut verständliche Buch leistet einen sehr wichtigen Beitrag zur not-wendigen Remedizinalisierung und Ent-stigmatisierung von Cannabisprodukten. Der klar strukturierte Indikationska-talog, eindrückliche Patientenberich-te und wertvolle Applikationshinweise sollen einerseits dem Kranken zu einem kritischen und korrekten Umgang ver-helfen, andererseits Medizinalpersonen das enorme therapeutische Potenzial von Cannabinoiden dokumentieren und näherbringen.“ Das Buch wird etwa 190 Seiten umfassen und zur Drucklegung dieses Hefts bereits in den Buchhand-lungen sein (ISBN: 978-3-03788-285-6). Ein weiteres Buch von Franjo Gro-tenhermen, das er zusammen mit Britta Reckendrees herausgegeben hat, ist „Die Behandlung mit Cannabis und THC: Me-dizinische Möglichkeiten, Rechtliche

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Patrick (28) wohnt im Burgenland in Österreich.

Er ist seit einem Autounfall vor fast

zehn Jahren querschnittsgelähmt.

Die Lähmung verursacht massive Schmerzen und Spastiken. Patrick kann

seine Leiden mit Cannabinoiden lindern.

Cannabis als Arznei in ÖsterreichWir sprechen mit Patientinnen und Patienten über

ihre Erkrankungen, ihre Erfahrungen mit Cannabis

und die Situation in ÖsterreichMedijuana: Bitte erzähle uns zuerst von

deinen gesundheitlichen Problemen und wie

diese entstanden sind!

Patrick: Ich hatte im Jahr 2005 einen schweren Autounfall. Durch diesen Unfall bin ich querschnittsgelähmt ab TH4 ab-wärts, das resultiert in massiver Spastik und Nervenschmerzen am gesamten Kör-per unterhalb der Läsion. Dazu kommt noch eine Syringomyelievon HW2-HW7, wodurch meine linke Hand taub und im-mer kalt ist, auch verspüre ich da kein kalt/warm-Gefühl und habe 50% weniger Kraft.

MED: Wann und wie bist du auf Cannabis

als Medizin gestoßen?

P: Nach dem Unfall war ich auf Reha. Dort kam ich zu Cannabis, da viele ande-re, die auch auf Reha waren, Cannabis zur Linderung diverser Beschwerden geraucht haben. Da wurde ich neugierig und woll-te es natürlich auch versuchen, wenn das denn wirklich so gut hilft.

So hab ich mir mit einem Patienten ausgemacht, dass wir uns abends etwas abseits der Klink treffen, um Cannabis zu konsumieren. Dieser Abend wird mir im-

mer in Erinnerung bleiben – meine Spas-tik und die Nervenschmerzen waren sofort weg. Ich konnte Abstand nehmen von den Schmerzen.

Das war der Zeitpunkt, wo ich begann, mich mit Cannabis und dessen heilenden Wirkungen zu beschäftigen.

MED: Hast du dir dann gleich Dronabinol

verschreiben lassen oder hast du dich

zunächst über den Schwarzmarkt bzw.

Eigenanbau versorgt?

P: Zum Dronabinol kam ich erst viel später, zumal es zu diesem Zeitpunkt noch nicht verschreibungsfähig war. Ich hab mir zu Hause sechs Pflanzen gezogen, habe mir genau die Sorten ausgesucht, welche laut Beschreibung bei meinen Beschwer-den gut helfen könnten, hab mich gut da-rum gekümmert und dann geerntet. Kurz nach der Ernte standen auch schon die Polizisten mit einem Hausdurchsuchungs-befehl vor meiner Türe.

Mir wurde alles weggenommen (ca. 300 gMedizin, Growequipment, …) und ich musste vor Gericht.

Brisantes Detail am Rande: Ich habe das gesamte Equipment zurückbekommen.

text: ARGE CANNA

MEDIZIN

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MED: Du bist dann wegen diesem

Eigenanbau auch verurteilt worden …

P: Ja, ich habe zwei Monate bedingt auf drei Jahre bekommen. Als die Verhandlung zu Ende war, wollte mir der Richter noch einen Tipp mitgeben: „Kauf dir dein Can-nabis woanders, bau es in Zukunft nicht selbst an!“ Da dachte ich nur: „Gehts noch?“

MED: Das ist wirklich unverschämt.

Mittlerweile bekommst du aber legal

Dronabinol. Was hilft dir bei deinen

vielfältigen Beschwerden am besten?

P: Ja, mittlerweile schon, es wird auch meistens von der Kasse übernommen, ganz sicher kann ich da aber nie sein, da die Kasse die Übernahme schon einmal stoppen wollte. Aber leider hilft es mir nicht so gut, ich bräuchte ganz bestimmte Cannabis-Sorten und Extrakte. Ich muss selbst mit verschiedenen Sorten herumex-perimentieren können, um zu sehen, was mir hilft. Auch deswegen muss es für Pa-tienten die Möglichkeit des Eigenanbaus geben, damit wir uns selbst bestmöglich versorgen können.

Medizin von Patrick: herkömmliche Tabletten, Dronabinol und CBD-Tropfen

MED: Du würdest also stark davon

profi tieren, wenn du selbst Cannabis –

ausschließlich für deinen medizinischen

Bedarf – anbauen dürftest?

P: Absolut. Es ist ja auch eine Kosten-frage und wir Patienten haben in der Regel nun mal sehr wenig Geld zur Verfügung. Der Eigenanbau ist kostengünstig und kann auf unsere Bedürfnisse zugeschnit-ten werden. Da bleibt wenig Spielraum für Diskussionen über den Eigenanbau, meiner Meinung nach.

MED: Du bist ja selbst Gründungsmitglied

der ARGE CANNA, wie beurteilst du die

Situation in Österreich, wird sich in geraumer

Zeit etwas für die Patienten verbessern? Patricks Medizinschrank

P: Ich bin stark der Meinung, dass sich im Jahr 2015 etwas ändern wird, da arbei-ten wir als ARGE CANNA auch gezielt mit diversen Aktionen dran. Ich denke, es wird zunächst, als erster Schritt, Blüten aus der Apotheke geben. Aber wie ich vorhin schon erwähnt habe, ist der Eigenanbau für uns Patienten notwendig. Ich bin jedenfalls ge-spannt darauf, was sich unsere Politiker im neuen Jahr einfallen lassen werden.

Die Zeichen stehen jedenfalls für uns Patienten sehr gut.

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Der israelische Professor Dr. Raphael Mechoulam identifizierte und be-schrieb in den 1960er Jahren, ziem-

lich genau vor einem halben Jahrhundert, den hauptwirksamen Inhaltsstoff der Hanfpflanze und erforschte ihn in der Folge gründlich. Tet-rahydrocannabinol, kurz THC, heißt das Phyto-cannabinoid, das für die hauptsächliche psy-choaktive Wirkung und unter anderem (zum Beispiel im Zusammenspiel mit Cannabidiol (CBD) und anderen Cannabinoiden) auch für die medizinische Effektivität des Moleküls ver-antwortlich ist. Fünf Kilogramm libanesischerHaschisch waren das Ausgangsmaterial, mit dem Raphael Mechoulam seine Untersuchun-gen zu Beginn der sechziger Jahre erfolg-reich realisierte. Das Informationsportal für Drogen, www.drugcom.de, erläutert: „Dank persönlicher Kontakte zur Polizei in Tel Aviv erhielt Mechoulam (…) besagte Menge – ohne offizielle Lizenz, wie sich später herausstell-te. Mit Hilfe eines neuen Magnetresonanz-spektrometers, das er bei den Kollegen am Institut für Physik benutzen durfte, gelang es ihm schließlich gemeinsam mit Yehiel Gaoni, erstmals den zentralen psychoaktiven Wirk-stoff der Cannabispflanze zu identifizieren.“ Im Frühjahr 1964 veröffentlichte Professor Mechoulam dann zusammen mit seinem Kol-legen Gaoni den Artikel „Isolation, Structure, and Partial Synthesis of an Active Constituent

of Hashish“ in der Fachzeitschrift Journal of the American Chemical Society. Anfänglich nannte das Wissenschaftler-Duo das „neue“ Molekül delta-1-Tetrahydrocannabinol – später wurde die Substanz dann nach der chemisch korrekten Nomenklatur in delta-9-THC umbenannt. Durch die bahnbrechenden Forschungen Raphael Mechoulams eröff-neten sich in der Folge auch den Disziplinen der Pharmakologie und der Medizin gänzlich

neue Türen und Wege. So arbeitete Professor Mechoulam unter anderem über das körper-eigene Cannabinoid-System, das sogenannte Endocannabinoidsystem, das überhaupt erst möglich macht, dass von außen zugeführte Cannabis-Wirkstoffe im menschlichen (und auch im tierischen) Organismus eine Wirksam-keit entfalten können. Professor Mechoulam ist heute 85 Jahre alt und nach wie vor in der Cannabinoid-Forschung tätig.

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ihre Medikation in aller Regel täglich be-nötigen, und in einer solchen Situation gezwungen sind, sich selbst zu helfen. Damit machen sie sich im Zweifel aber strafbar. Zum Beispiel wenn sie sich eine Pflanze zu Hause heranziehen oder ihre Medizin auf dem Schwarzmarkt besor-gen. Weil Deutschland sich weigert, eine eigene Cannabis-Agentur einzurichten, über die deutsche Patienten mit den Heil-mitteln versorgt werden könnten, müs-sen auch offizielle Cannabispatienten immer wieder dazu übergehen, ihr Gras

Wer in Deutschland als Cannabis-patient sein Dasein fristet, hat es nicht immer leicht. Selbst

wenn man eine Ausnahmeerlaubnis von der Bundesopiumstelle sein Eigen nennt, heißt das noch lange nicht, dass alles gut sein muss. Denn so, wie es im Moment aussieht, haben deutsche Cannabispati-enten in den kommenden Wochen nicht viel zu lachen. Und das nicht erst seit gestern: Seit November 2014 kann keine deutsche Apotheke mehr das dringend notwendige Medizinal-Cannabis von der niederländischen Firma Bedrocan be-sorgen – und damit den Patienten ihre Medikamente bereitstellen. Bedrocan hat einen Lieferengpass – voraussichtlich bis in den Februar hinein (Stand Dezember 2014) wird es Probleme geben, den Be-stellungen der deutschen Apotheken zu entsprechen. Angeblich sollen alle vier bisher verfügbaren Sorten ab Januar wieder erhältlich sein. Eine Nachfrage in Apotheken, die über eine Ausnahme-genehmigung für den Import von Me-dizinal-Cannabisblüten verfügen, hatte zum Ergebnis, dass dies nur „vielleicht“ funktionieren werde und dass Patienten vermutlich ein wenig mehr Geduld auf-bringen müssten. Eine Schande, handelt es sich doch um kranke Menschen, die

MEDI+GREEN

Kein Gras aus der ApothekePatienten gucken in die Röhre

50 Jahre THCEin halbes Jahrhundert Cannabis-Medizin

auf illegalisiertem Wege zu organisieren. Damit haben sie von ihrer Ausnahmeer-laubnis nicht wirklich viel – und müssen sich nur einmal mehr zum Spielball der willkürlichen Gesetzgebung und Justiz machen lassen. Ganz davon abgesehen, haben Cannabispatienten normalerweise andere Sorgen, als sich beim Dealer um die Ecke mit qualitativ minderwertigen Cannabisprodukten einzudecken. Es ist eine Schande, dass der deutsche Staat da keine befriedigende und sinnvolle Lö-sung anbieten will.

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Da soll also ein Industriezweig entstanden sein, der heute die ganze Welt umspannt

und nebenbei eine der stärksten Lobbys der Welt hat, und dessen Ziel nicht der

Profi t ist? Was denn dann? Wie kann es sein, dass kaum eine Regierung sie daran

hindern kann, sich weiter auszubreiten, obwohl ihre Produkte Jahr für Jahr bei vier

Millionen Todesfällen eine Rolle spielen? Einerseits nun weil für alle Länder die

Tabaksteuer eine wichtige Einnahmequelle darstellt, andererseits weil die amerika-

nische Tabaklobby täglich 106.415 Dollar für die Einfl ussnahme auf die Gesetzgeber

verschiedener Länder aufwendet. Wir wollen aber nicht zu weit vorgreifen …

Rauchende MilliardenIst das Rauchen schlecht oder die Tabaklobby?

Als im 17. Jahrhundert in Europa der Tabakkonsum schon alle gesell-schaftlichen Schichten erfasst hatte,

begann man auf Befehl des Herzogs von Mantua (Norditalien), die alkoholischen Ge-tränke und den Tabak zu monopolisieren. Diesem Beispiel folgte man rund um die Welt. Den Staatsoberhäuptern ging der Rei-he nach das Licht auf, dass der Tabak eine unerschöpfliche Einnahmequelle bietet. Die

Verbote fielen und die Staatsoberhäupter er-hoben einer nach dem anderen darauf Steu-ern.

Im Karpatenbecken bemühten sich die Re-gierenden – die bis dahin schon sehr von den Tabaksteuern profitiert hatten – nach dem Freiheitskampf von 1848–49, den Tabak-handel in Schwung zu bringen. Sie erließen das Verbot, jemanden beim Rauchen einzu-schränken; die Verbreitung von Flugblättern

gegen den Tabakkonsum wurde mit Gefäng-nis bestraft.

Etwa fünfzehn Jahre später verkündete der österreichische Kaiser am 1. März 1851 die staatliche Tabakregie und begann, die ersten Zigaretten in Umlauf zu bringen. Davon wur-den im ersten Jahr 600.000 Stück verkauft, im zweiten Jahr schon 13 Millionen (!).

Die wahre Verbreitung des Tabaks setzte jedoch im Ersten Weltkrieg ein. Die Tabak-

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CANNA+GLOBE

„Unsere Geschäftspolitik baut nicht „Unsere Geschäftspolitik baut nicht

darauf, Menschen für das Rauchen darauf, Menschen für das Rauchen

zu gewinnen oder jemanden beim zu gewinnen oder jemanden beim

Abgewöhnen zu behindern.“Abgewöhnen zu behindern.“

(British American Tobacco)(British American Tobacco)

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industrie in Virginia hatte eine außerordent-lich reiche Gruppe von Plantagenbesitzern hervorgebracht, die während des Krieges die amerikanischen Truppen gratis versorgten. Bis zum Ende der Kämpfe war die Zahl der Raucher in den USA auf das Sechsfache ge-stiegen. Dabei kam James Bonsack eine gro-ße Rolle zu: Er erfand 1880 seine Zigaret-tenmaschine, die in der Lage war, stündlich 12.000 Zigaretten herzustellen. (Die Kapa-zität der heutigen Maschinen beträgt 8000 Stück/min – Der Red.) Da sich in Amerika das Rauchen bis dahin nur für Männer ziem-te, kam die Tabakindustrie darauf, dass sie nur die Hälfte der potenziellen Käufer/innen bediente – wie heute die Kosmetikindustrie. Deshalb brachte der Werbemanager Edward Bournes einige seiner weiblichen Bekannten dazu, beim Ostermarsch eine seiner Ziga-retten mit dem Markennamen „Flagge der Freiheit“ zu rauchen. Innerhalb von Wochen wurde die rauchende Frau akzeptiert, ja sie wurde sogar trendy.

Im Zweiten Weltkrieg bekamen die bri-tischen und französischen Truppen auch reichlich Tabak, und bis zum Kriegsende rauchten vier von fünf britischen Männern. Da die lokalen Fabriken den Bedarf nicht befriedigen konnten, gingen 70 Millionen Zigaretten als Soforthilfe nach Europa. An-fang der 1950er Jahre kamen noch 90.000 Tonnen Tabak aus Amerika, für dessen kos-tenlose Verteilung in Europa eine Milliarde Dollar aufgewendet wurde.

Über die schädlichen Wirkungen des Rauchens

Zu dieser Zeit erschienen immer mehr wis-senschaftliche Studien über die Auswirkun-gen des Rauchens auf den menschlichen Organismus. Die Sachverständigen prokla-mierten den Tabak zum gesundheitsschäd-lichen Stoff. Im Fernsehen bekamen Anti-Tabak-Filme kostenlose Werbezeit innerhalb der Blöcke mit Zigarettenreklame. In dieser Zeit sank der Konsum zum ersten Mal nach-haltig und die Tabakindustrie erlitt ihre erste schwere Niederlage. Zuerst verbuchten sie Verluste auf der Einnahmenseite, dann fielen auch die Aktien um 10%.

Interessant ist, dass die Regierung nichts unternahm (warum hätte sie das auch tun sollen?), obwohl andere gesundheitsschäd-liche Produkte gewöhnlich sofort zurückge-rufen und die Produktion eingestellt wurde. So konnte die Tabakindustrie zum Gegen-angriff übergehen. 1953 versammelten sich die Eigner der großen Tabakfabriken, ihre Rechtsanwälte und die PR-Firma Hill & Knowlton, um gemeinsam eine geniale Ge-genstrategie zu entwickeln. Am 4. Januar 1954 veröffentlichten sie in 480 amerikani-schen Zeitungen eine ganzseitige Anzeige: „Wir glauben, dass unsere Produkte nicht

schädlich für die Gesundheit sind“, laute-te die Überschrift. Außerdem kündigten sie die Gründung eines Forschungsinstituts der Tabakindustrie an und erklärten die Unter-suchung der medizinischen Wirkungen von Tabak zu dessen Aufgabe. Sie stellten die Behauptung auf, es gäbe keinen Beweis für seine medizinische Schädlichkeit; weitere Forschungen seien notwendig. Sir Alexander Maxwell, der Vorsitzende des Komitees der Tabakindustrie, erklärte in einem Fernsehin-terview: „Die Erwähnung des Rauchens als auslösender Faktor bei tödlichen Erkrankun-gen entbehrt jeder Grundlage.“ Das sagte er mit einer brennenden Zigarette in der Hand; auf den Aufnahmen nimmt er sie kein einzi-ges Mal in den Mund. Danach rauchten alle wie gewohnt weiter. Nachdem die Gegner zehn Jahre geschwiegen hatten, verfasste ein hoher Stabsarzt der US-Armee einen Be-richt über die Gefahren des Rauchens. Ihm konnte man entnehmen, dass das Rauchen grundsätzlich zum Entstehen verschiedener tödlicher Erkrankungen beitrage und die all-gemeine Sterblichkeitsrate erhöhe.

Reklameverbot

Infolge dieses Berichts wurden die Zigaret-tenfabriken verpflichtet, die auch heute übli-chen Warnungen aufzudrucken und den Ni-kotingehalt anzugeben. Diese Verschärfung, die auf der Welt weite Kreise zog, begann am 1. April 1970, als der amerikanische Präsident Richard Nixon den Public Health Cigarette Smoking Act unterzeichnete und erstmals Zigarettenreklame im Fernsehen verbot. Das

war aber nur ein scheinbarer Sieg der Anti-Tabak-Bewegung. In Wahrheit erreichte eine verstärkte Lobbytätigkeit der Tabakindustrie das Verbot der Reklame, denn damit wurde auch die Ausstrahlung der Anti-Tabak-Filme beendet. Die Tabaklobby hatte schon lange ihre Finger nach Hollywood ausgestreckt und berühmte Schauspieler und Regisseure für ihre verdeckte Werbung gekauft.

Aus Dokumenten, die später an die Öf-fentlichkeit gerieten, ging hervor, dass bei-spielsweise Sylvester Stallone 500.000 Dollar bekam, um in einigen seiner Filme die Pro-dukte von Brown & Williamson populär zu machen. Damals griff die Tabakindustrie zu den schäbigsten Mitteln. In dem Wissen, dass es am schwierigsten ist, sich das Rauchen wieder abzugewöhnen, wenn man schon früh beginnt, nahm sie die Zehnjährigen ins Vi-sier. Aus Lois Lane machten sie in Superman II eine kettenrauchende Journalistin, dann warf General Zod Superman beim Showdown gegen einen Marlboro-Laster, den es nie ge-geben hatte. Dass es noch niederträchtiger geht, bewies R.J. Reynolds, der die Figur des Joe Camel schuf, die gezielt Kinder anspre-chen sollte. Es dauerte nicht lange, bis Kin-der unter zehn Jahren ihn besser kannten als Mickey Mouse. Der Marktanteil von Camel stieg infolgedessen bei den jungen Kon-sument/innen innerhalb kürzester Zeit von 0,5% auf 34%. Ein Produkt dieser Epoche ist der allseits bekannte Zigarettenkaugummi.

Das erwähnte Gesetz regelte auch die er-laubten Werte pro Zigarette –10 mg Teer, 10 mg Kohlenmonoxid und 1 mg Nikotin durf-ten nicht überschritten werden. Daher wurde

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der Nikotingehalt für die Tabakindustrie der Schlüssel. (In den 50er Jahren enthielten die gängigen Zigaretten noch 40 mg Teer und 3 mg Nikotin – Der Red.) Da sie wussten, dass die Menschen schneller wieder vom Tabak-konsum loskämen, wenn man den Gehalt des einzigen suchterregenden Inhaltsstoffes ver-ringerte, entwickelte Philip Morris insgeheim eine Methode, um die Wirkung des Nikotins zu verstärken. Sie gaben Ammonium bei, das das Nikotin schneller in den Blutkreislauf gelangen lässt. Auf diese Weise löste die Zi-garette auch bei niedrigerem Nikotingehalt eine starke Wirkung im Hirn aus.

Als die übrigen Zigarettenfabriken dies entdeckten, begannen auch sie, ihre Ziga-retten mit verschiedenen Chemikalien zu behandeln, und stellten so viel stärkere und abhängiger machende Produkte her. (Im Au-genblick werden mehr als 5000 registrierte Additive in den grundlegenden Verfahren verwandt.) Verständlich, dass die Zahl der Raucher/innen ständig stieg. In den 70er

Jahren wurden jährlich bereits 3000 Milliar-den Zigaretten umgesetzt.

Passivrauchen

In eine vollkommen neue Richtung weist eine Studie von Takeshi Hirayama über das passive Rauchen, die im British Medical Journal erschien. Das japanische Krebsfor-schungsinstitut hatte über einen Zeitraum von vierzehn Jahren 91.540 nichtrauchende Frauen, die mit einem Raucher bzw. einem Nichtraucher zusammenlebten, untersucht. Laut der Untersuchung waren Frauen mit einem rauchenden Mann zweimal öfter von Krebserkrankungen betroffen.

Die Tabakindustrie reagierte darauf mit einer heftigen Kampagne. Sie gründete ein Zentrum für Innenraumluftforschung, um die Tatsachen zu widerlegen. Sie verbreite-ten, dass nicht das Rauchen verantwortlich sei, sondern das unsachgemäße Lüften. Dafür schufen sie den Begriff „krankes Gebäude“.

Mitte der 80er Jahre wurden in Kaliforni-en strenge Gesetze im Zusammenhang mit dem Rauchen am Arbeitsplatz erlassen, in einigen amerikanischen Staaten wurde das Rauchen auch in öffentlichen Gebäuden und Restaurants verboten. Ende des Jahr-zehnts stellte das Gesundheitsministerium von Kalifornien seine Verlautbarungen auf eine neue Basis. In seinen Reklamefeldzügen betonte es, dass nicht das Rauchen schlecht sei, sondern die Tabaklobby. Dadurch sank innerhalb von vierzehn Monaten die Zahl der Raucher/innen in den USA von 26 auf 16%. Die Tabakindustrie erlitt die größte Niederla-ge aller Zeiten.

Am 15. April 1994 hielten die Tabakfabri-ken die Welt zum Narren, als sieben leitende Manager von Tabakfabriken unter Eid erklär-ten: „Ich glaube, dass Nikotin nicht suchter-regend ist.“ Dazu entstand ein Kurzfilm von 30 Sekunden Länge mit dem Titel „Glauben Sie, dass wir blöd sind?“, der bis zum heu-tigen Tag bei schulischen Aufklärungspro-grammen in den USA verwendet wird.

Ein paar Monate später kamen mehrere Tausend Geheimunterlagen, Korrespondenz aus den höchsten Führungskreisen der Ge-schäftsleitung mit Forschern, Anwälten und PR-Leuten von Brown & Williamson an die Öffentlichkeit. Sie brachten zutage, dass die Forschungen im Zusammenhang mit den Ni-kotinadditiven schon in den 50er Jahren be-gonnen hatten. Die Dokumente untermauer-ten, dass Nikotin abhängig macht und dass Rauchen Krebserkrankungen verursacht – die sieben Tabakmanager sind natürlich weiter-hin auf freiem Fuß …

Die Industrie befürchteten schon seit Langem, dass die Regelungen zum Passiv-rauchen Profiteinbußen verursachen wür-den. Aus einem 1994 von British American Tobacco (BAT) verfassten Dokument: „Wenn die Konsumenten weniger Gelegenheit ha-ben, unsere Produkte zu genießen, wer-den sie seltener zu ihnen greifen und das wird sich negativ auf unseren Profit nie-derschlagen.“ Auch die ungarische Tabak-lobby hat schon Maßnahmen ergriffen, umder regionalen Beschränkung des Rauchens entgegenzuwirken. Im Jahre 2000 startete die Ungarische Union der Tabakindustrie eine Kampagne, um die gesellschaftliche Ak-zeptanz des Rauchens zu stützen.

BAT schuf nach der Verabschiedung der Nichtraucherschutzgesetze auf eigene Kos-ten Raucherzimmer in den Firmen, die sich zu dem Programm angemeldet hatten. Ob-wohl das Gesetz beabsichtigte, Schäden durch Passivrauchen entgegenzuwirken, führten Restaurantbesitzer – in Übereinkunft mit der Tabakindustrie – eine Kampagne für Laufaustauscheinrichtungen statt getrennter Räume für Raucher und Nichtraucher. Dies unterstützte die Regierung auch mit Aus-schreibungen, obwohl der Luftaustausch be-

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wiesenermaßen wirkungslos war. Nach Mei-nung der Fachleute stellt die Tabaklobby das größte Problem dar; die enge Verflechtung mit dem Industriezweig und die mangeln-de Umsetzung der beschlossenen Maßnah-men.

Philip Morris verklagt Regierungen

In Ländern, in denen die Regierungen das Rauchen gesetzlich einschränken, treten die Tabakfirmen offensiver auf. Das beste Bei-spiel ist Australien, wo die Tabakfirmen bei den Wahlen die Opposition mit fünf Milli-onen Dollar unterstützten, weil die Regie-rung den Verkauf von Tabakwaren nur in schlichter braun-weißer Verpackung zulas-sen wollte. Philip Morris International (PMI) verklagte die Regierung von Uruguay, weil ihrer Meinung nach die Regelung zu streng sei, dass die medizinische Warnung 80% der Oberfläche der Zigarettenpackung aus-machen muss. In ihrer Klage forderte die Firma „eine nicht näher bezifferte Summe“ als Schadenausgleich für die Profitausfälle. Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind der Meinung, dass man damit das Land ins Bockshorn jagen wolle, und auch andere Nationen, die ähnliche Be-schränkungen erwägen. Fügen wir hinzu: Das Bruttosozialprodukt von Uruguay macht kaum die Hälfte des Jahresumsatzes der Fir-ma PMI (66 Milliarden Dollar) aus.

PMI verklagte auch Brasilien, da die ent-worfenen Bilder, die auf den Packungen die schädlichen Wirkungen des Rauchens illus-trieren sollen, die Firma verunglimpften. In Irland und Norwegen wollen sie auf dem Rechtsweg erreichen, dass die Platzierung der Tabakwaren in den Geschäften nicht

eingeschränkt wird. Der WHO zufolge ha-ben die Zigarettenhersteller in den USA und Europa durch die medizinische Aufklärung viele Konsument/innen verloren, gleichzeitig geben sie noch immer Milliarden Dollar für Marketingkampagnen in Afrika und Asien aus. Somit steigt der Zigarettenkonsum welt-weit immer noch um 3,4% pro Jahr. Dagegen wenden die Regierungen oft die Erhöhung der Tabaksteuer als Mittel zur Einschränkung des Rauchens an, weil nach Untersuchungen jede Preiserhöhung von 10% die Anzahl jun-ger Raucher/innen um 7% und den Konsum insgesamt um 4% verringert, die Steuerein-nahmen aber annährend gleich bleiben.

Dem widerspricht die Tatsache, dass bei den Briten nach den drastisch erhöhten Steuern auf Tabakwaren der Konsum von geschmuggelten Zigaretten sprunghaft an-stieg. Der Schwarzmarkt in Kanada macht heute 40% des gesamten Zigarettenmarktes aus, in Irland sind es 30%. Nach Schätzun-gen der EU verlieren die Mitgliedsstaaten jährlich zehn Milliarden Euro an Steuern durch geschmuggelte oder gefälschte Ta-bakwaren. Außerdem dient der verbotene Tabakhandel oft Terroristen oder dem or-ganisierten Verbrechen zur Gelbeschaffung – wie bei den verbotenen Drogen. Anti-Ta-bak-Organisationen versuchen die Regierun-gen mit der Tatsache zu überzeugen, dass die Steuereinnahmen durch Tabakwaren von stetig steigenden Ausgaben für die Kranken-behandlung aufgefressen werden.

Als die tschechische Regierung die Be-hauptung aufstellte, dass die durch das Rauchen verursachten Gesundheitsaufwen-dungen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bremsten, zeigte die Studie eines Analyseinstituts (im Auftrag von Philip Mor-ris International) auf, dass der frühe Tod der

Raucher/innen für das tschechische Budget günstig sei. Denn 1999 hätte es damit 147 Millionen Dollar gewonnen, dass die früh verstorbenen Raucher/innen keine Kranken-kassenleistungen mehr in Anspruch genom-men und auch keine Rente mehr bezogen hätten. Wie zynisch!

Wirksame Maßnahmen

Dies macht deutlich, dass es nach den Er-fahrungen der entwickelten Länder eine wirksamere Maßnahme darstellt, wenn die Regierungen Geld und Energien für eine zu-verlässige medizinische Aufklärung aufwen-den. Obwohl die erwachsene Bevölkerung reif genug ist zu entscheiden, sich auf die abhängig machende Droge einzulassen oder nicht, darf man nicht vergessen, dass dies die einzige Droge ist, die nicht nur eine Auswir-kung auf die eigene Gesundheit hat, sondern auch auf diejenige der Menschen in unserer Umgebung.

Obwohl der Schreiber dieser Zeilen raucht, befürwortet er die Regelung des Konsums dieser legalen Droge in vernünftigen Gren-zen, und nicht deren Verbot. In Bhutan hingegen trat im Januar 2011 ein erschre-ckendes Gesetz in Kraft, das man gleichzeitig belächeln kann: Die Polizei wurde ermäch-tigt, jederzeit in jedem Haus nach Schmug-geltabak zu suchen. Erstes Opfer der Ver-schärfung war ein 23-jähriger Mann, der zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er Tabakwaren im Wert von knapp zwei Euro aus Indien in seine Heimat mitgebracht hatte …

text: Theodor Eisenschwert

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VOLLBLUT

Dieses kürzlich zusammengestellte Paket aus zehn Samen ist eine exzellente Sammlung mehrerer selbstblühender Züch-tungen zu einem fantastischen Preis. Mit Sweet Mix Auto lässt

sich der Preis pro Samen deutlich reduzieren, bei der gleichbleibenden Qualität, die eine Samenbank wie Sweet Seeds gewährleistet.

In Sweet Mix Auto findet man alle selbstblühenden Züchtungen aus der genetischen Kollektion von Sweet Seeds. Von den Klassikern Cream Caramel Auto® (Sweet Seeds Sorte SWS22) oder Black Jack Auto® (Sorte SWS21) bis zu den neuesten purpurfarbenen Züchtun-gen. In diesem Paket findest Du auch die neuesten selbstblühenden Züchtungen der vierten Generation wie Ice Cool Auto® (Sorte SWS46) oder Sweet Trainwreck Auto (Sorte SWS47) und außerdem zwei neue Züchtungen der Red Family: Bloody Skunk (Sorte SWS44) und Devil Cream (Sorte SWS45). Schau Dir mal den Sweet Seeds Katalog an und genieße alle Vorteile, die Dir fünfundzwanzig verschiedene selbstblü-hende Zuchtlinien geben.

Die Pflanzen wachsen schnell und kräftig vom ersten Tag an. Die Blüte beginnt gewöhnlich zwischen 22 und 28 Tagen nach dem Kei-

Sweet Mix Auto Sweet Seeds: Alles in einem

men, ernten kann man fünf bis sieben Wochen nach dem Beginn der Blüte. Alle Pflanzen sind leicht anzubauen und für Treibhaus und Frei-land gleichermaßen geeignet. Im Freiland entfalten diese selbstblühen-den Pflanzen ihr volles Potenzial – von Mai bis Juli oder von Juni bis August. Im Treibhaus sollten sie nach dem Keimen direkt in den end-gültigen Topf gepflanzt werden; die Quantität des benutzten Wassers sollte vom Züchter sukzessive gesteigert werden. Wenn die Pflänzchen in einem kleinen Topf vorgezogen werden, sollten sie vor dem 18. Tag nach dem Keimen in den endgültigen Topf umgepflanzt werden. Um die besten Ergebnisse zu erzielen, empfehlen wir den Einsatz von Nat-riumdampf-Hochdrucklampen vom 8. Lebenstag bis zur Ernte in einer 18/6 oder 20/4 Fotoperiode. Kälte und zu viel Wasser sind in jedem Fall zu vermeiden.

Schließlich und endlich treibt jede selbstblühende Züchtung dieser Samenbank wahrhaft gute Blüten, die mit aromatischem Harz über-zogen sind und im Allgemeinen zu keinem Zeitpunkt des Wachstums enttäuschen, auch nicht bei der Ernte, die gewöhnlich üppig ausfällt. Sweet Mix Auto entfaltet eine breite Palette von Farben durch die star-ke Präsenz von Züchtungen aus der Red Family. Aber nicht nur das: Die Vielfalt von Aromen und Effekten verspricht lustige Erfahrungen und eine gute Zeit beim Herausfinden, welche Züchtung welche ist. Und zu guter Letzt ist sicher: Die Mischung von süßen und aromatischen Düf-ten wird blühen.

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VOLLBLUT

Biddy EarlyBiddy EarlyTop-Sorte aus der Outdoor Champions League

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Biddy Early, ursprünglich gezüch-tet von Gerrit (Ex-Magus Genetics) und dann von Serious Seeds dankbar

übernommen, errang vor zehn Jahren eine höchst bemerkenswerte Auszeichnung beim High Times Cannabis Cup 2003: Eingereicht in der Sativa-Kategorie als Newcomer-Sorte und einziges Outdoor-Gras, belegte sie den zweiten Platz und ließ dabei eine Menge eta-blierter Indoor-Sorten hinter sich, ein ziem-lich sensationeller und einzigartiger Erfolg in der Cup-Geschichte. Im darauf folgenden Jahr erreichte sie beim Highlife Cup ebenfalls den zweiten Platz (Outdoor) und wiederholte diesen Erfolg im Jahre 2010, sechs Jahre spä-ter! Diese offiziellen Belege von Biddy Earlys superber Qualität wurden auch auf privater Ebene von vielen Outdoor-Growern weltweit bestätigt, Biddy-Fans schwören auf ihren Flavour und ihre Potenz. Achtung allerdings, alle katholischen Grower: Dies bedeutet, auf eine Hexe zu schwören, denn Biddy Early wurde nach einer Dame aus einer irischen Volkssage benannt, die wegen Hexerei ange-klagt wurde. Botanisch gesehen ist sie aber das Ergebnis einer Kreuzung von Sensi Seeds Early Skunk (Skunk #1 x Early Pearl) mit Ma-gus´ eigener Warlock (die ebenso von Serious weitergeführt wurde). Warlock ist eine wahre Aromabombe mit einem extrem hohen THC-Gehalt, sie bringt in Biddy Early herausragen-de Potenz und jede Menge Aroma ein. Das Resultat ist eine Sativa-dominate Outdoor-Sorte mit gutem Ertrag und solider Schim-melresistenz, die 50–60 Tage bis zur Reife braucht; unter natürlichem Licht ist dies zwischen Anfang und Mitte Oktober der Fall. Unbeschnitten nimmt Biddy Early eine weih-nachtsbaumförmige Statur an und kann eine Höhe von 1,8–2 Metern erreichen. Sie ver-zweigt sich gern, und mit ausreichend Licht versorgt treibt sie sehr kompakte Zweige mit kurzen Internodien aus, was sie auch zu einer

hervorragend geeigneten Balkonsorte macht, wenn man sie beschneidet oder herunterbin-det. Ihre Zweige sind sehr elastisch, was sie bis zu einem gewissen Grad sturmsicher macht. Biddy Earlyproduziert reiche Harzmengen, ihre Trichome sind ungewöhnlich kurzstielig, die Buds sehen wie dicht mit kleinen, feinen Tautropfen besprenkelt aus. Biddys Blüten sind intensiv süß und können mitunter eine köstliche Zitrusnote entwickeln, dies ist aber von Fall zu Fall verschieden.

Mr. Power-Planter wurde auf Anhieb zum Biddy-Fan, nachdem Ellis D. diese Sorte vor vielen Jahren gegrowt und ihm einige Blüten gegeben hatte. Er dachte, dass es an der Zeit für einen neuen Anbautest sei, also zog er im letzten Jahr im Hinterhof einige Plants in einem großen, hellen Holzunterstand mit Plexiglasdecke. Er startete spät und säte in der zweiten Juliwoche drei feminisierte Biddy-Samen in Jiffy Pots. Dann wurden die drei Keimlinge in 9-Liter-„Gro Pots“, befüllt mit U-Gro Cocossubstrat, umgetopft. Dort

wuchsen und blühten sie sehr gut und ge-langten Mitte Oktober zur Reife, mit vielen gleichgroßen Haupt- und Seiten-Colas, die mit ihren reichlichen Biddy-typischen Harz-drüsen attraktiv glitzerten. Was ebenfalls zur besonderen Schönheit der Pflanzen beitrug, war ihr fantastisches herbstlich buntes Laub, das fast alle Farben des herbstlichen Spekt-rums abdeckte – von Gelb bis Purpur, Rosa und Dunkelblau – während die Buds selbst weitgehend grün blieben – ein wirklich spek-takulärer Anblick.

Biddys enorme Potenz beeindruckte sogar einen hochdosierten Indoorgras-Smoker wie Mr. Power-Planter, das High lieferte sowohl energetisierende Sativa- als auch tief relaxen-de Indica-Effekte. Diese Kombination bewirk-te eine komplexe, lang anhaltende Rauch-erfahrung. Zwei der Pflanzen hatten jene ansprechende Zitrusnote produziert, die den honigsüßen Grundgeruch und -geschmack ergänzte und von Mr. Power-Planter sehr genossen wurde. Seine drei Spätstart-Bid-dys lieferten Erträge von 50–65 Gramm pro Pflanze, was als sehr zufriedenstellend ange-sehen wurde, in Anbetracht ihres vergleichs-weise kurzen vegetativen Zyklus, der relativ niedrigen Endhöhen von weniger als einem Meter und der Tatsache, dass die Pflanzen in dem Unterstand nicht so viel Licht erhielten, wie dies direkt draußen auf freistehender Fläche der Fall gewesen wäre.

Für Mr. Power-Planter bestätigte sich, dass Biddy Early in jeder Hinsicht eine der besten Outdoor-Sorten ist, die es gibt, ganz klar eine Top-Sorte aus der Outdoor Cham-pions League. Er empfiehlt sie wärmstens für die 2015-Saison, auch für hartgesotte-ne Smoker, die von Outdoor-Gras mit nur durchschnittlicher Potenz nicht high wer-den.

text & photos: G.B.I.

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Hanftofu kann über die

Liebhaber von

Lebensmitteln auf

Hanfbasis hinaus auch

mit dem berechtigten

Interesse derer rechnen,

die sich vegetarisch oder

vegan ernähren, unter

Lebensmittelallergien

leiden oder

abnehmen wollen.

Abgesehen davon, dass

er viel gesünder ist als

beispielsweise

Sojaprodukte, trägt sein

Genuss auch zur

Verbreitung nachhaltiger

Produktionsmethoden

bei.

Tofu mal ganz Tofu mal ganz

ausgefallen: aus Hanfausgefallen: aus HanfLecker, gesund und ökobewusst

Hanftofu, der oft auch Hefu genannt wird, verfügt wie andere Hanflebens-mittel über viele günstige medizi-

nische Eigenschaften. Der aus Hanfsamen hergestellte Hanftofu enthält, wie Hanföl und Hanfmilch (über die wir in unserer Se-rie schon berichtet haben), alle neun Ami-nosäuren. Das ist besonders wichtig, weil der Körper sie nicht selbst erzeugen kann. Ein weiterer großer Vorzug des Hanftofus ist seine leichte Verdaulichkeit. Er belastet den Organismus weniger als andere Flei-schersatzprodukte, beispielsweise Lebens-mittel auf Sojabasis. Sowohl Hanf- als auch Sojatofu bieten allen, die sich ohne Fleisch beziehungsweise tierisches Eiweiß ernähren, eine akzeptable Eiweißquelle. Dennoch ist Hanftofu wegen seiner physiologischen Wir-kungen insgesamt dem klassischen Sojato-fu vorzuziehen. Tofu aus Hanfsamen kann selbst von Menschen verzehrt werden, die unter extremen Lebensmittelallergien leiden, denn es enthält praktisch keine allergenen Stoffe. Oder kennst Du jemanden, der gegen Hanfsamen allergisch ist? Nein, und das ist kein Zufall. Hanfsoja ist sehr reich an Faser-stoffen und im Gegensatz zum Seitan – der ein verbreiteter Tofugrundstoff ist – können ihn selbst glutenempfindliche Menschen

A’LA CANNA

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in ihre Ernährungsweise integrieren. Sein Konsum ist außerdem unproblematisch bei Milchzucker- beziehungsweise Milcheiweiß-unverträglichkeit.

Einer der größten medizinischen Vorteile des Hanftofus besteht darin, dass er keine Phytinsäuren enthält, die sonst in jedem ähnlichen pflanzlichen Eiweißprodukt (auch in öligen Kernen) zu finden sind. Warum ist das gut? Weil die Phytinsäuren bei vielen Menschen Verdauungsprobleme verursachen und die Absorption bestimmter Mineralstof-fe, hauptsächlich Zink und Eisen, behin-dern. Außerdem verdünnen sie das Gewebe der Darmwände und schwächen damit den kompletten Organismus, vor allem aber das Verdauungssystem. Da Hanftofu keine Phy-tinsäure enthält, ist sein Konsum bei chroni-schen Erkrankungen des Immun- oder Ver-dauungssystems vorteilhaft. Wegen seines geringen Kohlenhydratgehalts passt Tofu auf Hanfbasis besonders gut in den Diätplan zum Abnehmen. Und da er überhaupt kein Cholesterin enthält, beziehungsweise sein Natriumgehalt viel geringer als der anderer Eiweißersatzstoffe ist, ist sein Konsum auch bei Herz- und Gefäßkrankheiten zu empfeh-len.

Wegen seiner leicht bröseligen Konsis-tenz lässt sich Hanftofu am ehesten mit dem traditionellen indonesischen Sojaprodukt Tampeh vergleichen. Entsprechend gewürzt – zum Beispiel in einem mexikanischen Ge-richt – lässt sich der gebratene Hanftofu kaum von Fleisch unterscheiden. In ungari-

schen Gerichten ist er ein unschätzbarer Er-satz für Quark.

Abgesehen davon, dass Hanftofu medi-zinisch gesehen eine außerordentlich wert-volle Nahrungsquelle ist, darf man auch die gesellschaftliche Bedeutung seines Konsums und seiner Produktion nicht außer Acht lassen. Hanftofu gelangt ausschließlich als geprüftes Bioprodukt, absolut nicht gen-manipuliert, in den Handel. Die Bewegung gegen genmanipulierte Lebensmittel hat in den letzten Jahrzehnten eine immer größere Resonanz gefunden, besonders in den Verei-nigten Staaten. Da die dortige Sojaproduk-tion gegenwärtig zu 85% aus genmanipu-liertem Samen stammt, ist das verständlich. Die Kritiker der Genmanipulation befürchten in erster Linie, dass diese Praxis die Biodi-versität drastisch und unwiederbringlich einschränken wird, was für die künftigen Generationen zu tragischen Folgen bei der Lebensmittelproduktion führen könnte. Während Sojatofu oft aus genmanipulierten Grundstoffen hergestellt wird, besteht diese Gefahr bei Produkten aus Hanf überhaupt nicht. Daher fördern die Verbraucher mit dem Kauf von Hanftofu – meist bewusst – die Nachhaltigkeit.

Leider ist das Angebot von Hanftofu auf dem Markt begrenzt und die Produkte sind auch ziemlich teuer – ihre Qualität ist aber ausgezeichnet und sie stammen von ethisch-ökologischen Herstellern. Der Hanftofu einer

text: Sarah Klos

amerikanischen Firma vertreibt neben der Naturversion auch drei spannend gewürzte Geschmacksrichtungen. In Europa wird zur-zeit Hanftofu in Italien hergestellt, nur in der Naturversion, in 200-Gramm-Packungen. Man kann sie auch im Internet bestellen.

Für alle an Hanftofu Interessierte könnte die Herstellung des Lebensmittels zu Hau-se eine Alternative zum Kauf des Fertig-produkts sein. Die Herstellung ist ziemlich einfach, man benötigt dazu nur geschäl-te Hanfsamen, Bittersalz und Wasser. Die Hanfmilch aus Hanfsamen und Wasser kocht man unter ständigem Rühren vier bis fünf Minuten auf kleiner Flamme, bis das Ge-misch eindickt und bröselig wird. Nachdem man es vom Feuer genommen hat, lässt manes auf 68°C abkühlen. Unterdessen wird das Bittersalz in einem kleinen Glas Wasser auf-gelöst. Wenn die gewünschte Temperatur erreicht ist, gibt man zuerst die eine Hälfte der Bittersalzlösung zu dem Gemisch, rührt es gut um und gibt dann die zweite Hälfte dazu. Das fertige Tofugrundmaterial muss fünfzehn Minuten stehen, dann gibt man es in ein sauberes Küchentuch und quetscht es aus, bevor man es zu Tofu weiterverarbeitet oder wie hausgemachten Käse formt oder presst.

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Wilder ApfelWilder Apfel

Das Cannabis in einem Mixer mah-len, dann mit dem Zucker und dem Zimt mischen. Mit dieser Pas-

te die Äpfel füllen, mit Zimt bestreuen und mit der Kirsche dekorieren. Im Ofen 25 Minuten bei 250°C backen. Beim Genuss des Wilden Apfels am offenen Kaminfeuer wünschen wir angenehme Erlebnisse!

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Zutaten

4 große, entkernte Äpfel

100 g brauner Zucker

600 ml Wasser

4 Kirschen (Dekoration)

ein paar Gramm

gemahlene Cannabisblüten

2 Esslöffel Zimt

Ratschläge des Küchenchefs

Wenn wir Cannabis in Speisen zu uns neh-men, gelangt das THC mit seiner erhebenden Wirkung sowie andere Cannabinoide über den Verdauungstrakt in den Blutkreislauf. Das ist ein langsamerer und weniger vorher-sehbarer Prozess als beim Rauchen, wo sich die Wirkung sofort entfaltet. Beim Konsum in Speisen kann das 15–90 Minuten dauern. Der Eintritt der Wirkung hängt von der Art der Zubereitung ab und natürlich von der

A’LA CANNA

1. Der Gebrauch und die Lagerung von Cannabutter ist eine ausgezeichnete Metho-de, THC in Deine Diät einzubauen, ohne den Geschmack der ursprünglichen Rezepte dras-tisch zu verändern.

2. Wenn Du Blätter von geringer Quali-tät oder andere bittere Stoffe benutzt, dann weiche sie über Nacht in Wasser ein, damit sich die unangenehmen Bestandteile auflö-sen.

3. Für süße Rezepte benutze keine zitroni-gen, skunkigen oder andere pikante Sorten. Diese eignen sich besser für Beilagen, Vor- und Hauptspeisen.

4. Benutze keine süßen oder fruchtigen Sorten zu Rezepten, in denen keine ähnlich süßen Zutaten vorkommen, sonst verän-dert sich der Geschmack des Endprodukts stark.

5. Dosiere die Zutaten nicht über und ver-suche das Gleichgewicht zu halten. Ein bis zwei Gramm Gras von guter Qualität sind vollkommen ausreichend für ein Gericht.

6. Nachdem Du das Cannabis zum Essen gegeben hast, versuche hohe Temperaturen oder zu langes Kochen zu vermeiden. Damit erhältst Du Geschmack und Wirkung.

Menge der Speise, die jeweils durch den Ver-dauungstrakt wandert.

Nach dem Schlucken erreicht die „can-nabinoizierte“ Speise den Magen, wo Säu-ren und Enzyme sie zu einem Gemisch auf-schäumen. Von hier gelangt sie in flüssiger Form in die Därme, wo weitere Enzyme und die Galle die in der Speise befindlichen Fet-te abbauen. Die Cannabinoide werden durch die Darmwände aufgesaugt und gelangen in den Blutkreislauf. Wenn sie in den Blutstrom kommen, erreichen die psychoaktiven Be-standteile schnell das Hirn. Im Allgemeinen überschwemmen einige Cannabinoide 45 Minuten nach dem Schlucken die Neurore-zeptoren im Hirn und der Konsument be-ginnt langsam, die Wirkung zu spüren.

Je mehr psychoaktives Material in das Sys-tem gelangt, desto stärker ist die Wirkung. Die meisten Marihuanasorten verfügen über einen wunderbaren geheimen Inhaltsstoff, mit dem wir das Erlebnis steigern können. Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten des Cannabis sind praktisch unbeschränkt.

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A’LA CANNA

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Mathias Bröckers aus Berlin sollte allen,

die sich ernsthaft mit Cannabis befassen, ein Begriff sein. Der heute

60-Jährige war Gründer bzw. Mitbegründer des

Hanfhauses in Berlin und Autor des

bahnbrechenden Werks „Die Wiederentdeckung

der Nutzpfl anze Hanf“ (zusammen mit dem

US-amerikanischen Urgestein der

Legalisierungsbewegung Jack Herer). Darüber

hinaus ist Bröckers seit Jahr und Tag Redakteur

der taz sowie Bestsellerautor

zu diversen Drogenthemen und

Verschwörungstheorien. In unserem

Gespräch stand der Schriftsteller zu seinem

neuesten Hanfbuch Rede und Antwort.

Das Cannabisverbot ist irrationalMathias Bröckers über Cannabis,

die Legalisierung und sein neuestes Hanfbuch

Medijuana: Dein neuestes Buch zur

Cannabis-Thematik heißt „Keine Angst vor

Hanf“. Nun haben ja Angehörige unserer

Szene alles Mögliche, aber sicherlich keine

Angst vor Cannabis. An wen wendet sich das

Buch also?

Mathias Bröckers: An alle, die noch Angst vor Hanf haben. Wer sich mit Hanf aus-kennt und es vielleicht sogar schon einmal konsumiert hat, weiß Bescheid, dass man

da keine Angst vor haben muss. Aber die Tatsache, dass wir jetzt seit etwa sech-zig Jahren eine Prohibition, also ein Ver-bot von Hanf haben, hat viel damit zu tun, dass in weiten Kreisen der Bevölke-rung immer noch Angst vorherrscht. Und in meinem Buch zeige ich auf, wo diese Furcht eigentlich herkommt. Der Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen überhaupt und nachgewiesenermaßen seit mindestens

text: Markus Berger

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10.000 Jahren in Gebrauch – sowohl als Medizin als auch als Rohstoff und Genuss-mittel. Wie also kann man vor so einer gut und lange bekannten Pflanze Angst ha-ben? Genau das habe ich mir angeschaut und komme im Buch zu dem Schluss, dass diese Unsicherheit auf die Propaganda des US-amerikanischen Anti-Drogen-Zars Harry J. Anslinger zurückgeht, der in den 1930er Jahren eine enorme Hetzkampagne gegen Cannabis etablierte.

MED: Wie hat Anslinger das

eigentlich geschafft? Immerhin

kann seine Hetze gegen den Hanf

sicherlich als die erfolgreichste

Propaganda bezeichnet werden, die

je in der Welt stattfand.

MB: Mit Hilfe eines Kunst-worts, nämlich des mexikanischen Terminus Marijuana. Damit er-schuf Anslinger sozusagen eine komplett neue Droge, die dann nach Herzenslust dämonisiert werden konnte. Marijuana mache wahnsinnig, krank, irre, süchtig und gewalttätig – das alles schob Anslinger einer Pflanze zu, die in unserem Kulturkreis überall wuchs und gedieh und unter dem Namen Hanf jedem gut bekannt gewesen war. Mit dem „neuen“ Marijuana war es möglich, so zu tun, als sei hier von einer anders-artigen Substanz die Rede, vor der die Menschheit gewarnt werden müsse.

MED: Diese Reefer Madness

war allerdings nicht das einzige

„Argument“ der Prohibitionisten

– da folgte doch noch mehr

an Unwahrheiten, die global

Verbreitung fanden.

MB: Ja, genau – und schließlich wurde eine weitere Kampagne ins Rollen gebracht, nämlich die Mär von Cannabis als Einstiegsdroge. Der Welt wurde so lange erzählt und weisgemacht, dass Marihua-nakonsumenten zwangsläufig als Herointote im Straßengraben landen, bis das Gerücht in jedem Winkel der Erde für bare Münze genommen wurde. Und teil-weise hat sich diese dreiste Lüge bis heute halten können – sie wird auch in unserer ach so aufgeklärten Zeit immer wieder als Argument aus der verstaubten Schublade gekramt.

MED: Und taugt noch immer gut dazu, den

Menschen Angst einzujagen.

MB: So ist es – und diese Angst entbehrt jeder Grundlage, weil die Politik, die ge-macht wird, zutiefst irrational ist. Es geht ja gar nicht um Argumente. Es geht auch nicht darum, das Volk zu schützen. Denn wäre dem so, dann müssten die Bürger die-

ses Landes zuallererst vor den gravierenden Gefahren, die vom Alkohol und vom Tabak ausgehen, geschützt werden. Und ist das so? Nein – das Gegenteil ist der Fall. An den legalen Süchten der Menschen stoßen sich die Staatsgebilde nach wie vor reich. Genau das beleuchtet mein Buch, das inso-fern eigentlich eher eine kleine Streitschrift ist.

MED: Stichwort irrationale Drogenpolitik:

Kann eine Verbotspolitik überhaupt etwas

zum Besseren wenden?

MB: 140.000 Strafverfahren allein im letzten Jahr nur wegen Cannabis sprechen da eine deutliche Sprache. Was ändern denn diese Repressalien? Ändern sie das Konsumverhalten? Die mit dem Rauchen einhergehenden Gesundheitsrisiken? Die Bedingungen für einen funktionierenden Jugendschutz oder gar die Einstellung der Hanffreunde? Nein, sie verändern über-

haupt nichts, außer, dass sie unbescholte-nen Menschen, die gerne mal einen Joint rauchen, durch Brandmarkung und Verfol-gung das Leben zerstören.

MED: Inwiefern kann und sollte uns die

Legalisierungswelle der USA Vorbild sein?

MB: Die USA sind das Mutterland der Prohibition, dort fing alles an. Und weil von dort ausgehend nun auch allmählich das Cannabisverbot gelockert und aufge-

löst wird, glaube ich, dass sich das irgendwann auch auf den deutschsprachigen Raum aus-wirken wird. In den Köpfen der Leute tut sich ja schon einiges. Viele Menschen denken nach und nach um. Auch manche Po-litiker fordern mittlerweile eine Entkriminalisierung des Hanfs und die Installation von Cof-feeshops in Deutschland. Das ist schon mal ein erster wichtiger Schritt. Ich denke, wir Deutschen werden insofern von den USA lernen, als dass wir spätestens im kommenden Jahr sehen werden, wie viele Einnahmen die Bundes-staaten aus der Legalisierung von Cannabis zu generieren imstande sind. Gepaart mit den enormen Einsparungen durch die fehlende Repression werden die Deutschen Augen machen, was für Summen da unterm Strich herauskommen. Außerdem können sich Polizei und Staatsanwaltschaft im Fall einer Legalisierung endlich dar-auf konzentrieren, echte Krimi-nelle zu jagen und unschädlich zu machen, und nicht mehr den kleinen Kiffer, der abends auf dem Sofa an der Tüte nuckelt und für niemanden eine Gefahr darstellt.

MED: Wie lange wird es nach

deiner Einschätzung noch dauern,

bis der Hanf auch bei uns wieder

legal sein wird?

MB: Ich denke, so etwa fünf bis zehn Jahre. Wenn ich morgen Kanzler wäre, würde ich übermorgen legalisieren. Die Prohibition ist ja schon lange geschei-tert. Und das werden auch die Politiker ir-gendwann realisieren müssen. Wieso sollten wir weiterhin an etwas festhalten, was allen letztlich nur schadet? Konsumenten und auch Patienten werden stigmatisiert und Polizei und Justiz werden mit der Arbeit, die sie direkt für die Mülltonne produzie-ren, auch nur lächerlich gemacht. Und das alles, um den Wirtschaftslobbys zu gefallen und um deren Taschen zu füllen. Solch ein Unsinn kann sich nur eine begrenzte Zeit halten. Und das Ende dieser Ära ist sicher-lich nicht mehr weit.

Mathias Bröckers: Keine Angst vor Hanf Frankfurt/M.: Westend Verlag, 201494 Seiten, ISBN: 978-3-86489-071-0

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A’LA CANNA

Wenn man für Leonard Cohen schwärmt, tut man das wohl weder wegen seiner Stimme noch wegen

seiner Musik. Die Platten des Dichters und Künstlers, der vor Kurzem seinen achtzigsten Geburtstag gefeiert hat, kommen wohl des-

halb immer wieder auf den Plattenspieler, weil sie eine so starke Atmosphäre haben. Man kann Live in London, Ten New Songs oder Po-pular Problems nehmen und bekommt immer das Gleiche: eine psalmodierende, gebrochene Männerstimme, wunderbare Frauenchöre und Soft-Jazz, gemischt mit ein wenig Folk.

Auf seiner aktuellen Scheibe macht Cohen nichts Besonderes, er gibt in die bisherigen Zutaten Elemente des Blues und der Tanzmu-sik. Und die passen gut zu dem alten Meister. Die Lieder sprechen in der alleralltäglichsten Form über wenig oder bestenfalls über klas-sische Themen – über Gott, das Altern, den Tod – unverblümt, ironisch und einfach. Sie sind fast nackt, ihre Vertonung suggeriert Fi-nesse, Zerbrechlichkeit und Intimität. Keine Schlagsahnehäubchen, nur die Vokalistinnen, und die sind auch nicht wegzudenken. Ihre Aufgabe ist es, Cohens altmodischen „Rap“ anzureichern. Im Großen und Ganzen handelt es sich hier um Rap. Cohen kann ebenso we-

Ebenso wie An Awesome Wave hält This Is All Yours ein starkes Konzept zusammen. Diesmal führen die Jungs

uns nach Nara, in eine Stadt auf der japani-schen Insel Honshu, die einer der geschichts-trächtigsten Orte des Landes ist. Zahlreiche geschichtliche Gebäude hat die UNESCO zum

Weltkulturerbe erklärt. Zu den örtlichen Se-henswürdigkeiten zählt der ehemalige Kaiser-palast, die Tempel, das dortige Nationalmu-seum, der Nara Park, der Berg Wakakusa und der See Sarusawa.

In der Musik aber kommen die östlichen Bezüge nur vereinzelt vor, die Geschichte der

In NaraAlt-J: This Is All Yours

Im Vordergrund steht der Text,

doch die Musik ist auch nicht schlechtLeonard Cohen: Popular Problems

nig singen wie die meisten Rapper. Hier ist der Text genauso wichtig wie dort. Doch während beim Hip-Hop der Rhythmus und das Tempo das Markenzeichen sind, ist es bei Cohen die Langsamkeit, die Rezitation und das Psalmo-dieren.

Natürlich kocht der Meister nicht ohne Salz. Musikliebhaber kommen schon auf ihre Kosten. Die kratzigen Verse von Did I Ever Love You und ihr folkiger, mit einem Banjo angereicherter Refrain sind ziemlich fetzig. Eine überraschende Wendung bringt Never-mind, das aus Fußtrommel, minimalen Syn-thiebässen und Streichern zusammengesetzt ist, gekrönt mit östlichem Frauenvokal.

Cohens Leid – sein bisheriger Manager hatte ihn gründlich ausgenommen – ist des Hörers Freud. Sein Unglück zwang ihn 2012 auf die Bühne und ins Tonstudio zurück. Dies ist seither seine zweite Platte und es scheint, dass trotz seiner Achtzig die Arbeit wieder in Schwung kommt.

Reise gibt der Platte eine Art Rahmen. Die Musik ist von der letzten Veröffentlichung wohlbekannt – schwebender Indie-Rock mit viel Gesang und ein wenig Elektronik aufge-motzt. Auf This Is All Yours gibt es weniger starke Lieder zu hören, die auch allein beste-hen könnten; eher ist die Atmosphäre ent-scheidend.

Die erste Hälfte der Scheibe ist leicht, ätherisch; außer dem Intro bleiben nur zwei Songs, Arrival In Nara und Every Other Freck-le, im Ohr. Left Hand Free, das den klassischen 70er-Rock zitiert, und Garden Of England, das mit Vogelgezwitscher aufgepeppte Kammer-musikstück für Blasinstrumente, sind die Tief-punkte der Platte. Ersteres haben wir schon hundertmal, aber viel besser gehört; das zwei-te Stück, als Intermezzo gedacht, ist leider selbstverliebt und fantasielos.

Mit dem weichen Dämmern von Choice Kingdom bewölkt sich die Stimmung ein we-nig, was dem ohnehin verspielten und leich-ten Stoff ausgesprochen guttut und den Bo-den bereitet für Hunger of The Pine, den bei Weitem besten Song. Der aus 4x4 von Miley Cyrus gesampelte Teil schadet der Nummer allerdings. Bis zum Ende bleiben wir auf der Linie, alle Nummern funktionieren. Die ho-hen, seltsamen Gesangsthemen, das Spiel mit dem Rhythmus – die Markenzeichen von Alt-J kommen hier am besten zur Geltung. Schade, dass das nicht für alle Songs gilt.

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dass der „jugendliche Aufstand“ schon im Kreise der Sieben- bis Neunjährigen auftritt, liege nicht an den Hormonen oder einem natürlichen Abtrennen, sondern in erster Linie an der Gleichaltrigenorientierung.

Der Herr der Fliegen im KinderzimmerGabor Maté und Gordon Neufeld: Unsere Kinder brauchen uns!

Die entscheidende Bedeutung der Kind-Eltern-Bindung

Das Genre Fantasy dürfte dem breiten Publikum durch die Verfilmung des „Herrn der Ringe“ von Tolkien be-

kannt sein. Ihm folgten zahllose neue Werke auf den Bildschirmen und den Kinoleinwän-den. Am bekanntesten und erfolgreichsten unter ihnen wurde die Reihe mit dem Titel „Game of Thrones“, die nach den Romanen von George R.R. Martin entstand und uns im nächsten Frühjahr bereits im fünften Jahr in Spannung versetzen wird. Neben der Ro-manreihe spielen einige kürzere und längere Novellen des Autors ebenfalls in den Sieben Königreichen. Kürzlich erschien die deutsche Fassung von „Der Ritter von Westeros“, dessen Handlung rund hundert Jahre vor dem „Lied von Eis und Feuer“ spielt.

Der Band enthält eigentlich drei Novellen, die in sich abgeschlossen und deren Handlun-gen nur locker miteinander verbunden sind. George R.R. Martin plant bereits eine Fortset-zung; bisher sind aber nur diese drei erschie-nen.

Wir erfahren die Geschichte des Ritters mit dem Spitznamen Dunk und seinem Schwert-träger Egg. Während Dunk aus niedrigen Schichten stammt, stellt sich heraus, dass

text: Peter Laub

Ritter, Könige, KnappenGeorge R.R. Martin: Der Heckenritter von Westeros: Das Urteil der Sieben

wird einer von ihnen Mitglied der königlichen Leibgarde und der andere König sein.

Der erste Kurzroman erzählt, wie Dunk zum Ritter geschlagen wird, und beschreibt den Beginn der Freundschaft mit Egg. In der zwei-ten Geschichte treten sie schon als gestande-nes Team auf, wobei der Schriftsteller die feu-dalen Verhältnisse, die in Westeros herrschen, beschreibt. In der dritten Geschichte reisen sie in den Norden, um in die Dienste des Hauses Stark zu treten. Unterwegs nehmen sie an ei-ner Hochzeit und einem Ritterturnier teil und es kommt zu immer neuen Verwicklungen.

„Der Heckenritter von Westeros“ ist ein-facher und sauberer aufgebaut als die Bände von Feuer und Eis. Das Schicksal der Akteure ist leichter nachvollziehbar, obwohl der Er-zähler es in zahllose Teile zerlegt. In der Hand-lung dominieren weder Charakterbildung noch die Nachzeichnung dunkler Charaktere; es sind eher Ereignisse, die sich wie ein Film abspulen und die Stimmung der eigenartigen Ritterzeit heraufbeschwören.

Das von Gabor Maté gemeinsam mit Gordon Neufeld verfasste Werk „Unsere Kinder brauchen uns!“ un-

tersucht Probleme und psychologische Phä-nomene, die Tag für Tag das Leben breiter Massen erschweren und trotzdem nicht all-gemein bekannt sind. Da er lange Zeit als Hausarzt gearbeitet hat, fand er Kontakt zu zahllosen Familien und erkannte deren Pro-bleme. Neben der Aufklärung über die Auf-merksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstö-rung ADHS führt er den Leser in den Begriff der Gleichaltrigenorientierung ein.

Eine kurze Definition von Gleichaltrigen-orientierung könnte so klingen: Die primäre Bindung des Kindes zu den Eltern löst sich auf und an deren Stelle treten Mitglieder seiner Generation. Wenn sich die enge Bin-dung an die Eltern lockert, verflüchtigt sich auch der Respekt, und dann umarmt, liebt, bittet, fordert und befiehlt man vergeblich, die Worte treffen auf taube Ohren. Das Kind hat sich schon an Gleichaltrige gebunden

A’LA CANNA

und die Eltern mit Angehörigen seiner ei-genen Generation vertauscht, sodass wir uns in der gnadenlosen Welt des „Herrn der Fliegen“ wiederfinden. Wenn das Kind schon an seinen Freund/innen interessiert ist, wird es durch sie geprägt – über die Ab-lehnung der Eltern hinaus auch beim Ler-nen, der Gesundheit und Sexualität. Wichtig ist es, die Hand des Kindes nicht loszulassen. Wenn es sich in einen Abgelehnten, einen Gegner verwandelt, dann sollten es die ent-täuschten, wütenden und verzweifelten El-tern nicht zum Gehorsam verurteilen, nicht bestrafen, sondern ihren Sprössling in die Arme nehmen, weil Härte und Strenge be-deuten würden, Öl ins Feuer zu gießen. Mit wohlvertrauten Familienunternehmungen und gemeinsamen Erlebnissen kann man die schmerzlich vermisste Ordnung wiederher-stellen.

Die Autoren betonen natürlich, dass es an und für sich gesund ist, wenn Kinder Bezie-hungen mit Gleichaltrigen aufbauen, aber

Egg ein Spross der Familie Targaryen und der Sohn des Herzogs Maekar ist. Wenn der Autor einmal die Geschichte zu Ende schreibt, dann

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