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Berthold Eichwald · Klaus Josef Lutz Erfolgsmodell Genossenschaften Möglichkeiten für eine werteorientierte Marktwirtschaft 3 Grundlagen, Werte und Prinzipien 3 Herausforderungen und Lösungen genossenschaftlicher Unternehmen und Verbände 3 Genossenschaftliche Modelle auf fünf Kontinenten

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Page 1: Leseprobe 'Erfolgsmodell Genossenschaften

Berthold Eichwald · Klaus Josef Lutz

Erfolgsmodell GenossenschaftenMöglichkeiten für eine werteorientierte Marktwirtschaft

3 Grundlagen, Werte und Prinzipien

3 Herausforderungen und Lösungen genossenschaftlicher Unternehmen und Verbände

3 Genossenschaftliche Modelle auf fünf Kontinenten

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© Deutscher Genossenschafts-Verlag eG, Wiesbaden 2011

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Hinweise, Ratschläge und Wertungen sind von den Autoren und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autoren bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Gestaltung, Satz und Produktion: Deutscher Genossenschafts-Verlag eG, Wiesbaden

Druck und Verarbeitung: freiburger graphische betriebe GmbH & Co. KG, Freiburg

Bestell-Nr. 961444

ISBN 978-3-87151-145-5

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Geleitwort

Seit gut eineinhalb Jahrhunderten sind Genossenschaften ein wesentli-cher Teil unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur. Es gibt kaum ein Land der Erde, in dem man nicht Genossenschaften vorfände. Dennoch hinkt die öffentliche Wahrnehmung von Genossenschaften ihrer wirt-schaftlichen und auch gesellschaftlichen Bedeutung hinterher. Im Fokus des Interesses der Medien und teilweise auch der Wissenschaft stehen nun einmal die großen, global agierenden Konzernunternehmen. Eine Ursache der defizitären Wahrnehmung liegt möglicherweise an einer zu geringen und nur oberflächlichen Kenntnis der Genossenschaften, insbesondere des Nutzens, den sie ihren Mitgliedern bieten. Insofern sind alle Bemühungen, den Bekanntheitsgrad von Genossenschaften zu erhöhen, sehr zu begrüßen.

Mit dem vorliegenden Buch, verfasst von zwei Autoren mit Erfahrung sowohl im Topmanagement deutscher und internationaler Genossen-schaften als auch in der akademischen Lehre, wird umfangreiches Praxis-wissen im Sinne eines Lehrbuchs und eines Nachschlagwerks vermittelt. Der Leser wird von der Vielfalt genossenschaftlicher Unternehmen in aller Welt, von der Aktualität ihrer Ziele und von der marktwirtschaftli-chen Problemlösungskompetenz überrascht sein. Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung innerhalb und vor allem auch außerhalb des Ge-nossenschaftssektors.

Manfred Nüssel

Vorsitzender und Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes e. V.

Vorwort der Verfasser

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Vorwort der Verfasser

Wieso ein neues Buch über Genossenschaften schreiben, wenn es doch schon so viele gute Bücher über dieses Thema gibt? Den Anstoß, dieses Lehrbuch und Nachschlagwerk zu schreiben, gab die große Finanz- und Wirtschaftskrise. Im Laufe der Jahre seit Krisenbeginn im Sommer 2007 konnte man beobachten, dass viele Illusionen, vor allem der Glaube an eine problemlos sich selbst regulierende Marktwirtschaft, zerbrachen. Der Blick dafür, was grundsätzlich für eine funktionierende Wirtschaft notwendig ist und welche Bedeutung eine solide Wertebasis hat, wurde geschärft. Bei der Diskussion über neue Wege wurden immer wieder Modelle gelobt, die teils explizit, teils annähernd genossenschaftlichen Charakter haben. Manchmal konnte man den Eindruck gewinnen, dass „das Rad neu erfunden“ werden sollte.

Die Diskussionen auf wirtschaftspolitischer Ebene, teilweise auch im uni-versitären Umfeld, zeigten allerdings, dass das Wissen über Genossen-schaften recht lückenhaft ist. Selbst bei guter Kenntnis der deutschen Verhältnisse fehlt häufig der Blick über die Landesgrenzen hinaus. Es gibt eine unglaubliche weltweite Vielfalt an Erscheinungsformen und spezifischen Besonderheiten und Kooperationen untereinander, aber auch unerwartete Gemeinsamkeiten. Dies bietet uns Orientierungshil-fen, sei es für die Suche nach einer nachhaltigen Gestaltung der Markt-wirtschaft oder auch nur für die Rechtsformwahl.

Ein weiteres Motiv, dieses Buch zu schreiben, ist die Überzeugung der Verfasser, dass der europäische Integrationsprozess sich in den nächsten Jahren beschleunigen wird. Das gilt auch für die bislang überwiegend national agierenden Genossenschaften. Die Kenntnis der Besonderhei-ten unserer genossenschaftlichen Nachbarn ist eine wesentliche Voraus-setzung, um adäquate und auch realisierbare Lösungen für ein gemein-sames Europa zu finden.

Dabei sind Genossenschaften keinesfalls eine Patentlösung für alle Pro-bleme. Insofern sollen in diesem Buch nicht nur die Stärken, sondern auch die Schwächen dieses Sektors kritisch beleuchtet werden. Beide Verfasser sind aufgrund ihrer Managementfunktionen und Lehraufträ-ge für Genossenschaftswesen an der Technischen Universität München sowohl mit den theoretischen Hintergründen als auch den praktischen Aspekten wohl vertraut. Theorie und Praxis werden anhand zahlreicher konkreter Beispiele deutscher und ausländischer Genossenschaften und Genossenschaftsverbünden aufgezeigt. Der Praxisbezug erhält durch In-terviews mit bedeutenden Vertretern der Genossenschaftsorganisation des In- und Auslands ein besonderes Gewicht.

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8 Vorwort der Verfasser

Das komplexe Thema wird in acht Kapitel gegliedert. Am Anfang wer-den Herkunft, Werte und Prinzipien, Entwicklung und gegenwärtige Ausprägung der Genossenschaften dargestellt (Kapitel 1 und 2). In den Kapiteln 3 und 4 werden Aufgaben und Management von Genossen-schaftsverbänden sowie Funktion und Management genossenschaftli-cher Verbundsysteme behandelt. Sodann wird der Blick auf ausgewählte Genossenschaften aller Gruppen und ihre Herausforderungen geworfen (Kapitel 5). Mit den finanzpolitischen Herausforderungen beschäftigt sich Kapitel 6. In Kapitel 7 werden insbesondere Kreditgenossenschaf-ten, Corporate Governance und Corporate Social Responsibility sowie aktuelle, politisch teilweise strittige Themen angesprochen. Das letzte Kapitel widmet sich dem internationalen Genossenschaftswesen mit sei-nen Erscheinungsformen, Herausforderungen und Lösungen.

Um einer internationalen Leserschaft den Zugang zu diesem Buch zu er-leichtern, werden größere Abschnitte um eine „Summary“ ergänzt. Mit möglichst vielen Verweisen auf Internetquellen soll dem Problem des ra-schen Veraltens von deskriptivem Wissen entgegengewirkt werden. Der Leser mag mittels der elektronischen Pfade ohne besondere Mühe den Fortgang von Entwicklungen verfolgen und darüber hinaus angeregt werden, weiterführende Recherchen und Studien anzustellen.

Wen wollen wir mit diesem Buch ansprechen? Von Interesse sind die In-formationen für Studierende mit wirtschaftlichem Fokus in Haupt- oder Nebenfächern sowie für Aus- und Fortzubildende in kaufmännischen Berufen – vor allem, aber nicht nur innerhalb des Genossenschaftssek-tors. Grundsätzlich wird jeder Mitarbeiter genossenschaftlicher Unter-nehmen und Verbände, Unternehmensberater, politische Berater und letztlich auch eine an wirtschaftlichen Fragen interessierte Öffentlich-keit von den Kenntnissen profitieren.

Ohne die Hilfe einiger engagierter Personen hätte das Buch nicht in diesem Umfang erscheinen können. Die Autoren danken allen Mitwir-kenden, namentlich Julia Bauer, Christoph Dachner, Katharina Eichwald, Holger Hermannsen, Dr. Marcus Klie, Jörg Migende, Barbara Möller, Diana Polkinghorne und Silke Schrottenbaum. Ein besonderer Dank gilt den Interviewpartnern.

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Inhaltsverzeichnis

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Vorwort der Verfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1 Einführung in den Themenbereich und in die Grundlagen des Genossenschaftswesens . . . . . . . . . . 15

1.1 Genossenschaften – der unbekannte Riese . . . . . . . . . 151.2 Bedeutung der Genossenschaften in der Marktwirt-

schaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191.2.1 „Die besseren Kapitalisten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191.2.2 Genossenschaften als Förderer des Mittelstandes. . . . 221.2.3 Genossenschaften in Forschung und Lehre . . . . . . . . . 251.3 Geschichtliche Entwicklung des Genossenschafts-

wesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271.3.1 Über den Sinn des geschichtlichen Rückblicks. . . . . . . 271.3.2 Genossenschaften in alter Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291.3.3 Genossenschaftswesen der Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . 301.3.4 Der Durchbruch mit Schulze-Delitzsch und Raiffeisen 321.3.5 Weitere Entwicklung des deutschen Genossenschafts-

wesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361.4 Genossenschaftliche Werte und Prinzipien . . . . . . . . . 411.4.1 Genossenschaftliche Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411.4.2 Genossenschaftliche Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441.4.2.1 Prinzip der Selbsthilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441.4.2.2 Prinzip der Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461.4.2.3 Prinzip der Selbstverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . 481.5 Ordnungspolitische und rechtliche Rahmen-

bedingungen für Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . 491.5.1 Ordnungspolitische Rahmenbedingen . . . . . . . . . . . . 491.5.2 Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 511.5.2.1 Grundzüge des Genossenschaftsgesetzes (GenG) . . . . 511.5.2.2 Das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) . . 621.6 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

2 Überblick über Erscheinungsformen von Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

2.1 Genossenschaften der Raiffeisen organisation . . . . . . 682.1.1 Allgemeine Warenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692.1.2 Milchwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702.1.3 Vieh- und Fleischwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712.1.4 Obst-, Gemüse- und Gartenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712.1.5 Winzer (Weinwirtschaft). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722.1.6 Agrargenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

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10 Inhaltsverzeichnis

2.1.7 Sonstige Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742.2 Volksbanken und Raiffeisenbanken. . . . . . . . . . . . . . . 742.3 Gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossen-

schaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792.4 Konsumgenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842.5 Wohnungsbaugenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 862.6 Neue Genossenschaften im sozialen Bereich. . . . . . . . 872.7 Genossenschaften des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . 882.8 Genossenschaften im Bereich erneuerbarer Energien 892.9 Genossenschaften in Rechtsform einer

Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 942.10 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

3 Aufgaben und Management von Genossenschafts-verbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

3.1 Aufgaben der Genossenschaftsverbände . . . . . . . . . . 1013.1.1 Genossenschaftliche Pflichtprüfung. . . . . . . . . . . . . . . 1013.1.2 Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1033.1.3 Berufliche Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1043.1.4 Interessenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1053.2 Verbandsstrukturen in Deutschland und auf

internationaler Ebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1053.2.1 Genossenschaftsverbände in Deutschland. . . . . . . . . . 1053.2.2 Internationale Genossenschaftsverbände . . . . . . . . . . 1083.3 Organe und Gremien der Genossenschaftsverbände . 1093.4 Aktuelle Herausforderungen von Genossenschafts-

verbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1113.5 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

4 Funktion und Management genossenschaftlicher Verbundsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

4.1 Wesen des Verbundes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1194.2 Ein Beispiel: Der finanzwirtschaftliche Bereich . . . . . . 1254.3 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

5 Herausforderungen ausgewählter genossenschaft-licher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

5.1 Genossenschaftliche Unternehmen der Finanz-wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

5.1.1 Interview mit Wolfgang Altmüller. . . . . . . . . . . . . . . . 1315.1.2 Genossenschaftliche Primärbanken . . . . . . . . . . . . . . 1345.1.2.1 Genossenschaftliche Primärbanken als Universal-

banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1365.1.2.2 Mitgliederorientierung oder Kundenorientierung? . 1405.1.2.3 Geschäftsmodelle von Primärbanken . . . . . . . . . . . . . 1415.1.3 Genossenschaftliche Verbundunternehmen . . . . . . . . 145

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11Inhaltsverzeichnis

5.1.3.1 Genossenschaftliche Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . 1465.1.3.2 Spezialinstitute der Immobilienfinanzierung . . . . . . . 1485.1.3.3 Unternehmen des Investment Banking . . . . . . . . . . . . 1495.1.3.4 Leasing und Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1495.1.3.5 Versicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1505.1.3.6 Teilzahlungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1505.1.3.7 Genossenschaftliche Technikunternehmen und

Dienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1505.1.4 Sicherungseinrichtung der Genossenschaftsbanken . . 1525.1.5 Diskussionsthemen in der genossenschaftlichen

FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken . . . . . . 1545.2 Genossenschaften der Agrar- und Ernährungs-

wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1565.2.1 Genossenschaften der Allgemeinen Warenwirtschaft:

Landhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1575.2.1.1 Interview mit Dr. Große Frie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1585.2.1.2 Landhandel nach Sparten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615.2.1.3 Betriebswirtschaftliche und Strukturfragen des

Landhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1635.2.2 Genossenschaften der Milchwirtschaft . . . . . . . . . . . . 1665.2.2.1 Interview mit Kees Wantenaar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1665.2.2.2 Entwicklung der deutschen Molkereigenossen-

schaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1705.2.2.3 Betriebswirtschaftliche Herausforderungen der

Molkereigenossenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1725.2.3 Genossenschaften der Fleischwirtschaft . . . . . . . . . . . 1795.2.3.1 Interview mit Dirk Niederstucke . . . . . . . . . . . . . . . . . 1795.2.3.2 Entwicklung und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 1825.2.3.3 Strukturen der genossenschaftlichen Fleischwirt-

schaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1835.2.3.4 Betriebswirtschaftliche Herausforderungen für die

Genossenschaften der Fleischwirtschaft . . . . . . . . . . . 1845.2.4 Weitere Genossenschaften der Agrar- und

Ernährungswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885.3 Gewerbliche Waren- und Dienstleistungs-

genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1905.3.1 Genossenschaften des gewerblichen Handels . . . . . . . 1905.3.1.1 Interview mit Josef Sanktjohanser . . . . . . . . . . . . . . . . 1915.3.1.2 REWE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1935.3.1.3 EDEKA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1965.3.1.4 Betriebswirtschaftliche Herausforderung des

genossenschaftlichen Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1985.3.2 Genossenschaften der freien Berufe . . . . . . . . . . . . . . 2005.3.2.1 Interview mit Prof. Dieter Kempf. . . . . . . . . . . . . . . . . 2005.3.2.2 DATEV eG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

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12 Inhaltsverzeichnis

5.3.2.3 Sanacorp AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2055.4 Konsumgenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2075.4.1 Interview mit Herbert Bolliger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2075.4.2 Die Bedeutung der Konsumgenossenschaften in

Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2095.5 Wohnungsbaugenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 2135.6 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

6 Finanzpolitische Herausforderungen von Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

6.1 Genossenschaftsspezifische Finanzierung . . . . . . . . . . 2256.1.1 Eigenkapital von Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . 2256.1.2 Gewinnverteilung: Dividende versus Rückvergütung . 2286.1.3 Weitere Kapitalformen bei Genossenschaften . . . . . . 2296.2 Spezialthema: Eigenkapital von Kreditgenossen-

schaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2326.2.1 Besondere Rechtsvorschriften für Banken. . . . . . . . . . 2326.2.2 Zusammensetzung des Eigenkapitals bei Banken. . . . 2336.2.3 Betriebswirtschaftliche Beurteilung des Eigenkapitals 2356.2.4 Diskussion über die künftige Eigenkapitalgestaltung 2376.3 Eigenkapitalvorschriften nach Basel III . . . . . . . . . . . . 2386.3.1 Interview mit Erhard Gschrey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2426.4 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

7 Corporate Governance und Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

7.1 Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2537.2 Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2647.3 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

8 Internationales Genossenschaftswesen: Erschei-nungsformen, Herausforderungen, Lösungen . . . . . . 275

8.1 Interview mit Dr. Paul Armbruster . . . . . . . . . . . . . . . . 2758.2 Strukturen, Erscheinungsformen und Bedeutung von

Genossenschaften im „alten Europa“ . . . . . . . . . . . . . 2818.3 Genossenschaften im „alten Europa“ . . . . . . . . . . . . . 2838.3.1 Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2838.3.2 Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2918.3.3 Finnland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2948.3.4 United Kingdom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2978.3.5 Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3028.3.6 Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3088.3.7 Niederlande. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3128.3.8 Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3168.3.9 Schweden und Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3198.3.10 Irland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

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13Inhaltsverzeichnis

8.3.11 Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3238.3.12 Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3288.4 Genossenschaften im „Neuen Europa“ . . . . . . . . . . . . 3308.4.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3308.4.1.1 Darstellung der Genossenschaften im Neuen Europa. 3318.4.1.2 Überblick über Kreditgenossenschaften im Neuen

Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3318.4.2 Tschechische Republik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3358.4.2.1 Verbrauchergenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3368.4.2.2 Landwirtschaftliche Genossenschaften . . . . . . . . . . . . 3368.4.2.3 Wohnungsbaugenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 3378.4.2.4 Produktionsgenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3378.4.3 Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3388.4.4 Bulgarien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3408.4.5 Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3418.4.6 Kroatien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3438.4.7 Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3448.5 Genossenschaften in Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3458.5.1 USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3458.5.2 Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3518.5.3 Lateinamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3568.6 Genossenschaften in Afrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3618.7 Genossenschaften in Asien, Australien und

Neuseeland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3648.7.1 Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3648.7.2 Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3668.7.3 Taiwan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3698.7.4 Korea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3698.7.5 Singapur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3708.7.6 Malaysia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3708.7.7 Vietnam und Laos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3718.7.8 Mongolei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3728.7.9 Kirgisistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3738.7.10 Volksrepublik China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3738.7.11 Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3758.7.12 Neuseeland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3778.7.13 Sonderthema: Kibbutz Movement in Israel . . . . . . . . . 3798.8 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Quellen- und Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

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Page 11: Leseprobe 'Erfolgsmodell Genossenschaften

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1 Einführung in den Themenbereich und in die Grundlagen des Genossenschaftswesens

1 .1 Genossenschaften – der unbekannte Riese

Die öffentliche Wahrnehmung von Genossenschaften bleibt weit hin-ter ihrer weltweiten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung zurück. In mehr als 100 Ländern der Erde gibt es Genossenschaften, die etwa 800 Millionen Menschen zu ihren Mitgliedern zählen. Trotzdem ist die Aufmerksamkeit in den Medien und – bis auf wenige Ausnahmen auch in der Wissenschaft – gering. In der Wirtschaftsberichterstattung stehen große Unternehmen, meist als börsennotierte Aktiengesellschaf-ten, mit globaler Aufgabenstellung im Vordergrund.1 Die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Diskussion konzentriert sich auf das Pro und Contra des Shareholder Values und die Maßnahmen zur Bewältigung der Globalisierung. Das zurückhaltende Wirken2 der mitgliederorien-tierten Genossenschaften, seien es Kleinstunternehmen mit speziellen Funktionen oder weltweit auftretende Konzerne der Lebensmittelbran-che, scheint nicht attraktiv genug zu sein. Mangelnde Kenntnisse über Genossenschaften fördern ein verzerrtes Bild von ihren Aufgaben und Möglichkeiten. So wird in der Suche nach Lösungen für wirtschaftliche Probleme „das Rad immer wieder neu erfunden“. Selbsthilfeprojekte, wie sie beispielsweise vom Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus gefordert werden,3 sind ein fundamentales Element der genossenschaft-lichen Arbeit seit nahezu zweihundert Jahren.

1 Die International Co-operative Alliance (ICA), ein weltweit tätiger Verband der Ge-nossenschaften, stellte bei der Präsentation der größten 300 Genossenschaften der Welt („hidden giants“) fest: „Because co-operatives and mutuals are member-ow-ned, they are generally not subject to stock market listing. Teams of analysts are not employed to study their performance and the financial press often fails to report their results. As a consequence, there has been a tendency to marginalise the role of the sector.“ In: Global 300. The world’s major co-operatives and mutual businesses, 2006 Edition, S. 2.

2 In dem Bericht „Global 300“ weist die ICA auch auf die Probleme dieser Zurückhal-tung hin: „Even co-operatives and mutuals themselves sometimes fail to fully appre-ciate their significance in the global economy.“ Global 300, 2006, S. 2.

3 Siehe Berichterstattung über den sogenannten Halifax-Gipfel im November 2006: Braune, 2006. Yunus bezeichnete Raiffeisen als „Vater“ der Idee der Mikrokredit-Selbsthilfe-Organisation. Siehe Mahmoodi, 2007.

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16 Einführung in den Themenbereich und in die Grundlagen

Um gleich von Anfang an ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild der Genossenschaften in aller Welt zu erhalten, soll die größte genossen-schaftliche Vereinigung, die „Internationale Co-operative Alliance (ICA)“, zitiert werden. Sie stellt die Genossenschaften4 folgendermaßen vor:

„ICA currently counts 222 member organisations in nearly 90 countries5 and through these members represents over 800 million people around the world. The United Nations estimated in 1994 that the livelihood of nearly 3 billion people, or half of the world’s population, was made secure by co-operative enterprise. These enterprises continue to play si-gnificant economic and social roles in their communities.“6

Einige wenige stichwortartige Daten sollen die Bedeutung der Genos-senschaften illustrieren:

3 In Argentinien gibt es über 17.941 Genossenschaften mit 9,1 Millio-nen Mitgliedern.

3 In Kanada ist jeder dritte Einwohner Mitglied einer Genossenschaft. Allein die Desjardin-Gruppe zählt mehr als 5 Millionen Mitglieder.

3 In Japan ist jede dritte Familie Genossenschaftsmitglied.

3 In Kenia ist jeder fünfte Einwohner Mitglied einer Genossenschaft. Etwa 20 Millionen Kenianer werden direkt oder indirekt von Genos-senschaften versorgt.

3 In Indien gibt es 239 Millionen Genossenschaftsmitglieder.

3 In den USA gehören 25 % der Bevölkerung einer Genossenschaft an.

3 In Brasilien vermarkten Genossenschaften 72 % der Getreideproduk-tion.

3 In Kolumbien werden 25 % der Bevölkerung von Genossenschaften des Gesundheitswesens versorgt.

3 In Finnland vermarkten Genossenschaften 96 % der Milchprodukte.

3 In Süd-Korea gehören 90 % aller Bauern einer Genossenschaft an. Fischereigenossenschaften haben einen Marktanteil von 71 %

3 In Kuwait ist 80 % des Einzelhandels genossenschaftlich organisiert.

4 Die Begriffe „Genossenschaften“ und „Co-operatives“ werden synonym gebraucht. Auf die Begriffe wird später noch eingegangen.

5 Etliche Genossenschaftsvereinigungen haben sich der ICA nicht angeschlossen, so-dass die Gesamtzahl deutlich über 90 liegen dürfte.

6 International Co-operative Alliance. Membership Statistics. Erhebungszeitpunkt 31.01.2007, www.ica.coop/members/member-stats.html (31.03.2011)

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Page 13: Leseprobe 'Erfolgsmodell Genossenschaften

17Genossenschaften – der unbekannte Riese

3 In Norwegen wird nahezu die gesamte Milchproduktion genossen-schaftlich verarbeitet und vermarktet.

3 In der Elfenbeinküste finanzieren Genossenschaften Schulen, Kran-kenhäuser und Straßen.

3 In Vietnam tragen Genossenschaften mit 8,6 % zum Bruttosozialpro-dukt bei.7

3 Mindestens 100 Millionen Haushalte auf der ganzen Welt werden von „Health co-operatives“ betreut.8

3 Last but not least: In Deutschland sind 20 Millionen Erwachsene Mit-glied einer Genossenschaft.9 Die Zahl der deutschen Aktionäre liegt dagegen bei nur 4,3 Millionen.10

Blickt man auf die einzelne Genossenschaft, so findet man sowohl pro-minente als auch in der Öffentlichkeit gänzlich unbekannte Namen. Wer denkt beim täglichen Einkauf in Deutschland, dass er mit der REWE oder EDEKA eine Genossenschaft aufsucht? Wem ist bewusst, dass sei-ne Bankverbindung Volksbank, Raiffeisenbank, Sparda-Bank, sein Bau-sparvertrag bei Schwäbisch Hall, seine Wertpapieranlage bei den Union Fonds eine Dienstleistungen von Genossenschaften sind? Wem ist be-kannt, dass die vom Steuerberater erstellte Jahressteuererklärung bzw. der Gehaltszettel von der DATEV, einer Genossenschaft der Steuerbera-ter, kommt? BayWa, Arla Foods, Danish Crown, FrieslandCampina, Hu-mana Milchunion, Sunkist (Orangensaft) und Best Western Hotels sind Beispiele für „Global Player“, wenn man ihre Größe und Internationa-lität zugrunde legt. Von der Grundstruktur ihrer Eigentümer sind sie aber Genossenschaften. Es sind jedoch nicht die großen Gesellschaften, die den Genossenschaftssektor charakterisieren. Im Gegenteil: Es ist die Masse der kleinen Genossenschaften, die eine Antwort auf eine wirt-schaftliche Frage in überschaubarem Umfeld geben. Almweidegenos-senschaften, Dorfladen-, Wassernutzungsgenossenschaften, Energiever-sorgungsgenossenschaften,11 Zahnärzteabrechnungsgenossenschaften sind Beispiele aus Deutschland. In den Entwicklungsländern, insbeson-

7 Alle Angaben entnommen aus den Internet-Veröffentlichungen der ICA.

8 www.ica.coop/ihco/index.html (28.02.2007)

9 DGRV-Mitteilung vom 15.11.2007, www.dgrv.de (17.11.2007)

10 Laut Angaben des Deutschen Aktieninstituts DAI besitzen 3,8 Millionen Deutsche Aktien. Die Zahl der indirekten Aktienbesitzer in Form von Aktien- oder Mischfonds liegt zwar bei 7,9 Millionen, das Motiv der Eigentümer ist jedoch Geldanlage und nicht Unternehmensbeteiligung. Vgl. zu den Zahlen o.V.: Immer weniger Aktionäre. In: FAZ v. 21.01.2008.

11 Eine aktuelle Übersicht über Energieversorgungsgenossenschaften in Deutschland, ihre Funktionen und Bedeutung, bietet mit mehreren Beiträgen „Profil. Das bayeri-sche Genossenschaftsblatt.“ 2/2009.

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18 Einführung in den Themenbereich und in die Grundlagen

dere in Asien und Afrika, gibt es viele kleine Genossenschaften, die ei-nen wesentlichen Beitrag zur Grundversorgung der Menschen leisten.12

Über den wirtschaftlichen Nutzen hinaus leisten Genossenschaften auch gesellschaftliche und kulturelle Beiträge. In vielen Ländern der Welt übernehmen sie quasi staatliche oder gesellschaftliche Funktionen als „Social Partner“13. Sie sind darüber hinaus in der Lage, die Bühne für gemeinsame Aktionen zu bieten. So berichtet die ICA über eine gelun-gene Zusammenarbeit von Palästinensern und Israelis bei genossen-schaftlichen Projekten in der Landwirtschaft. „Co-operation among the co-operatives can serve the interests of the peoples of both nations and help create a solid basis in human and economic relations, which will strengthen the peace process.“14

Doch braucht man nicht einmal die großen Probleme der Weltpolitik anzusprechen. Auch im nächsten Umfeld tragen Genossenschaften dazu bei, soziale Herausforderungen zu bewältigen. Das neue Jahrtausend sieht eine erfreuliche Rückbesinnung auf die genossenschaftliche Orga-nisationsform. Neue Genossenschaften wurden gegründet oder beste-hende Genossenschaften neu belebt. Die Mitglieder und das Manage-ment besinnen sich auf die genossenschaftlichen Werte.15 Ein besonders interessantes Beispiel – vor allem im Hinblick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen aufgrund der demographischen Entwicklung – sind die „Seniorengenossenschaften“. Diese sind eine zeitgemäße soziale Hilfeform der gegenseitigen Unterstützung im Sinne einer selbstbe-stimmten Bürgergesellschaft.16

Wohnbaugenossenschaften werden nicht nur als Instrument der Versor-gung mit preiswerten Mietwohnungen, sondern zugleich als Chance für ein humaneres Leben in Großstädten angesehen.17 Genossenschaften

12 Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) veranstaltete im Feb-ruar 2006 eine Regionalkonferenz in Südafrika unter dem Motto: „Cooperating out of Poverty“, Armutsbekämpfung durch genossenschaftliche Zusammenarbeit. www.dgrv.de/de/news-2006.03.23-1.html (07.04.2006)

13 Die sogenannte Sozialgenossenschaft hat beispielsweise in Italien eine lange Traditi-on. Siehe hierzu die Ausführungen im Abschnitt 7.2.6.

14 ICA Digest No 45, 12/2005, S. 6.

15 Vgl. Grasse/Schaffland, 2007, S. 77f. Auch auf der Ebene europäischer Genossen-schaftsverbände befasst man sich in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kom-mission mit den erweiterten Möglichkeiten der Genossenschaften auf dem Gebiet des Sozialwesens, so. z. B. am 18./19.6.2007 in der „The 3rd European Co-operative Convention“ in der Czech University of Life Sciences, Prag, mit dem Rahmenthema „Cooperatives Europe: A Future Social Partner“.

16 Vgl. Köstler, 2007, S. 257ff.

17 Siehe beispielsweise das Interview mit der Vorstandschefin der Münchner Wohnbau-genossenschaft „Wagnis“ in SZ v. 27.04.2007: „Die Genossenschaft Wagnis baut eine Anlage mit 100 Wohnungen“.

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19Bedeutung der Genossenschaften in der Marktwirtschaft

des Lebensmitteleinzelhandels erkennen die Notwendigkeit, nachhaltig zu wirtschaften, und treten offen für diese Werte ein.

Mit der Harmonisierung des Gesellschaftsrechts in der Europäischen Uni-on wurden die Genossenschaften, die sich um die sozialen und kulturel-len Angelegenheiten ihrer Mitglieder kümmern, „hoffähig“ gemacht. Genossenschaften eignen sich somit auch als ein Instrument, das die Probleme des Rückzugs des Staates aus vielen sozialen und kulturellen Bereichen zu lösen vermag.18

Genossenschaften müssen etwas Besonderes an sich haben, das sie so attraktiv für viele Problemlösungen macht, und zwar in der ganzen Welt unter extrem unterschiedlichen politischen, kulturellen, gesellschaftli-chen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Besonderheit von Genossenschaften aus betriebswirtschaftlicher Sicht herauszuarbeiten wird ein zentrales Anliegen dieses Buches sein.

Dabei wird nicht beabsichtigt, rein deskriptiv darzustellen, welche Vor-züge diese wirtschaftliche Institution hat. Vielmehr ist kritisch zu fragen: Welchen Beitrag zur Problemlösung in allen Bereichen des wirtschaft-lichen und politischen Zusammenlebens leisten ausschließlich oder im Wesentlichen Genossenschaften? Welchen Herausforderungen müssen sich Genossenschaften stellen und welche Handlungsalternativen haben sie dafür?

1 .2 Bedeutung der Genossenschaften in der Marktwirtschaft

1 .2 .1 „Die besseren Kapitalisten“

Die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ bezeichnete die europäischen Ge-nossenschaften in einem 2003 erschienenen Bericht als „Die besseren Kapitalisten“.19 Sie wählte diesen Begriff insofern bewusst, als Genos-senschaften stets mit einem Imageproblem zu kämpfen haben. Dies liegt an der vielfach verwendeten Bezeichnung „Genossenschaft“ für Organisationen, die nicht in marktwirtschaftlichem Sinne tätig sind.

An erster Stelle sind die Zwangs- oder Kollektivgenossenschaften in den sozialistischen Staaten zu nennen. Sie widersprachen in ihrem gesam-

18 Vgl. zur generellen Bedeutung der Genossenschaften in der Vergangenheit und Ge-genwart Molitor, 2008, S. 21.

19 Hammer, 2003.

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20 Einführung in den Themenbereich und in die Grundlagen

ten Wesen der genossenschaftlichen Idee der Eigenverantwortung und der Selbsthilfe. Staatlich erzwungen entzogen sie dem Einzelnen seine Handlungsfreiheit und machten ihn zu einem Abhängigen. Sie konnten nur in einem Wirtschaftssystem funktionieren, in dem eine allgemeine Abkehr vom „kapitalistischen System“ der Marktwirtschaft stattfand, da sie hier keine Konkurrenz von eventuell besser organisierten Wettbe-werbern zu befürchten hatten. Hier ging es primär um die staatliche Kontrolle aller produktiven Bereiche der Wirtschaft. So wurden bei-spielsweise Landwirte in der DDR und in angrenzenden sozialistischen Staaten gezwungen, ihren Betrieb einschließlich des Grund und Bodens in Genossenschaften einzubringen, faktisch war dies eine Enteignung. Diese Bauern konnten danach ihre Landwirtschaft nicht mehr eigenver-antwortlich bewirtschaften und mussten als unselbstständige Landar-beiter in der Genossenschaft tätig sein. Dies unterscheidet sie grund-legend von den Genossenschaften in nicht-sozialistischen Ländern, mit denen die Mitglieder aktiv zu einem bestimmenden Teil der Marktwirt-schaft wurden. In vielen Staaten Mittel- und Osteuropas, aber auch in Afrika und Asien findet man daher eine äußerst negative Assoziation des Genossenschaftsbegriffs mit dem überwundenen Regime.

Darüber hinaus werden Genossenschaften gelegentlich mit Non-Profit-Organisationen (NPO) gleichgesetzt – das sind Institutionen, die keine Gewinnerzielung anstreben. Oder aber sie werden mit gemeinwirt-schaftlichen Unternehmen verwechselt – das sind Unternehmen, deren Ziel es ist, eine unbestimmte Allgemeinheit zu fördern.20 Auf eine Ab-grenzung von diesen Organisationsformen ist vor allem angesichts der Erweiterung des Genossenschaftsbegriffs im Gesetz um die sogenann-ten Sozialgenossenschaften zu achten. Die Tatsache, dass eine Genos-senschaft die sozialen oder kulturellen21 Belange ihrer Mitglieder för-dert, macht sie nicht zwangsläufig zu einer NPO. Der Fördergegenstand kann durchaus mit marktwirtschaftlichen Verfahren erreicht werden. Gewinnerzielung sichert bekanntlich die Existenz und schafft Spielraum für neue Projekte.22 Gemeinwirtschaftlich sind die Sozialgenossenschaf-ten auch dann nicht, wenn sie sich zwar dem Gemeinwohl verpflichtet

20 Häufig kommt es dagegen vor, dass Non-Profit-Organisationen zur Abwicklung be-stimmter Aufgaben eine Genossenschaft gründen. So betreiben beispielsweise kirch-liche Institutionen genossenschaftliche Kirchenbanken. Diese sind „normale“ Markt-teilnehmer, die sich im Wettbewerb behaupten müssen.

21 Der Förderzweck „Kultur“ existierte schon vor der Novellierung des Genossenschafts-gesetzes. So gibt es beispielsweise seit 1909 eine Genossenschaft zur Förderung des Schlosstheaters Ansbach, die derzeit als „Kultur am Schloss. Haus der Volksbildung eG“ firmiert. Siehe Drexl, 2007, S. 40

22 Eine Annäherung in der Diskussion über NPO und Genossenschaften kann man er-kennen, wenn man nicht von Non-Profit-Organisationen, sondern von Not-for-Profit-Organisationen spricht. Letztere streben zwar ebenfalls Gewinn an, bezeichnen die-sen jedoch nicht als ihren Unternehmenszweck.

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21Bedeutung der Genossenschaften in der Marktwirtschaft

fühlen, die Förderung jedoch im Wesentlichen auf ihre Mitglieder be-schränken.23

Gleichwohl gibt es durchaus eine gemeinsame Zielsetzung, bestimmte Förderaufgaben zu übernehmen. Dadurch können Schnittmengen der verschiedenen Gesellschaftstypen entstehen.24 Es ist jedoch wichtig, zu erkennen, dass Genossenschaften in der deutschen Tradition von Schul-ze-Delitzsch und Raiffeisen Unternehmen sind, die sich als Bestandteil der kapitalistisch verfassten Marktwirtschaft verstehen und sich voll-kommen und aus eigener Kraft dem Wettbewerb stellen. Ihrem Wir-ken in der Marktwirtschaft steht dabei keinesfalls entgegen, dass sie als Hauptziel die Förderung ihrer Mitglieder haben und in ihrer Struktur demokratisch organisiert sind. Im Gegenteil: Genossenschaften können ihrem Förderauftrag nur nachkommen, wenn sie sich erfolgreich im Wettbewerb behaupten und die „Spielregeln“ des Marktes beachten. Diese „Spielregeln“ sind höchst differenziert, je nachdem, um welchen Teilmarkt es sich handelt. Bei geringem oder atomisiertem Wettbewerb können zum Teil auch sehr kleine Genossenschaften erfolgreich existie-ren. Als Beispiel kann man im ländlichen Bereich Almweidegenossen-schaften, im städtischen Bereich Taxigenossenschaften nennen. Um sich in oligopolistischen Märkten zu behaupten, müssen Genossenschaften dagegen groß sein und über erhebliche Marktmacht verfügen, so vor allem in Ketten des Lebensmitteleinzelhandels.25

Der journalistische Hinweis auf die „besseren Kapitalisten“ bezieht sich daher auf die Werte und Prinzipien, denen sich Genossenschaften auch in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem verpflichtet fühlen. Nicht der „Shareholder Value“, also der Vermögenszuwachs des Anteilseig-ners, sondern der „Member Value“, der Nutzen des Mitglieds, den er aus den Förderleistungen der Genossenschaft bezieht, steht an der Spit-ze der unternehmerischen Ziele von Genossenschaften.26 In diesem Zu-sammenhang ist auch auf die Vorstellung von einer „neuen Solidarität“ im gesellschaftlichen Umfeld der Marktwirtschaft zu verweisen.27

23 Auf eine Besonderheit der Mitgliederorientierung bei sehr großen Genossenschaften weist Peter Schwarz hin. Angesichts des hohen Anteils an Nichtmitgliedergeschäften trete der mitgliederbezogene Förderauftrag hinter eine dem Gemeinwohl nahe lie-gende Zielsetzung zurück. Siehe Schwarz, 2006, S. 59ff.

24 Eine aktuelle Übersicht unter Berücksichtigung der Verhältnisse in einigen Nachbar-staaten liefern Brazda/Kramer/Laurinkari/Schediwy, 2006.

25 Auf die spezifischen Verhältnisse für die verschiedenen Genossenschaften wird in den Folgekapiteln noch konkret eingegangen.

26 Einzelheiten siehe „Ziele und Zielsysteme von Genossenschaften“ in Kapitel 6.

27 Vgl. Brixner, 2007, S. 239ff.

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Page 18: Leseprobe 'Erfolgsmodell Genossenschaften

22 Einführung in den Themenbereich und in die Grundlagen

1 .2 .2 Genossenschaften als Förderer des Mittelstandes

Der unternehmerische Mittelstand gilt als das Rückgrat der Marktwirt-schaft und der Gesellschaft. Aus formaler Sicht der nationalen und in-ternationalen Wirtschaftspolitik wird Mittelstand definiert als die Ge-samtheit der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)28 in Handel, Handwerk und Dienstleistung sowie der freiberuflich Tätigen. Zwar nicht offiziell und mit einer gewissen definitorischen Großzügigkeit könnte man auch die Landwirte zum Mittelstand zählen,29 was aber we-gen der getrennten Behandlung in Politik und Verwaltung und auch aus traditionellen Gründen der Standesvertretung nicht geschieht. Der deutsche Mittelstand beschäftigt die meisten Mitarbeiter (70 % aller Ar-beitnehmer), bildet die meisten Lehrlinge aus (83 % aller Lehrlinge) und erwirtschaftet knapp die Hälfte der gesamten Bruttowertschöpfung.30 Demzufolge dürften die kleinen und mittleren Unternehmen als Gruppe auch die größten Steuerzahler unter den Unternehmen sein.

Ihre Kreativität und Flexibilität sind ein nachhaltiger „Generator“ für das Wirtschaftswachstum. Typisch für den Mittelstand ist die Personalunion zwischen Unternehmensleitung und Eigentümer. Nicht ein angestellter Manager, sondern der Unternehmer im eigentlichen Sinne bestimmt die Geschicke der KMU. In der Volkswirtschaftlehre hob Schumpeter den in-novativen mittelständischen Unternehmer (Entrepreneur) schon in den 1920er-Jahren als notwendiges Element und als „Motor“ der Marktwirt-schaft heraus.31

Seitdem es moderne Wirtschaftsverfassungen gibt, wird der Mittelstand durch den „Bazillus des Untergangs“ gefährdet. Zum Teil kann er sich gegen mächtigere Marktpartner nicht mehr behaupten und scheidet aus dem Wettbewerb aus. Diese Problematik führte bekanntlich unter ande-rem zur Gründung von Handwerker- und Handelsgenossenschaften im

28 Als KMU im Sinne der EU-Wirtschaftpolitik gelten Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen, höchstens 50 Mio. Euro Umsatz oder 43 Mio. Euro Bilanzsum-me haben. Als kleines Unternehmen gelten in diesem Sinne Betriebe mit weniger als 50 Personen und weniger als 10 Mio. Euro Umsatz bzw. Bilanzsumme. Kleinstunter-nehmen zeichnen sich gemäß EU-Richtlinien durch nicht mehr als zehn Personen und maximal 2 Mio. Euro Umsatz oder Bilanzsumme aus.

29 Der frühere Raiffeisenpräsident Sonnemann zählte die selbstständigen Landwirte zum modernen Mittelstand. Vgl. Faust, 1977, S. 439.

30 Quelle Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2003. Aktuelle Daten – die kaum von den vorgenannten abweichen – sind mit weiteren Details in den Berichten des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm), Bonn, unter www.ifm-bonn.org nach-zulesen.

31 Schumpeter, 1911. Eine zeitgemäße Erklärung des Werks Schumpeters findet sich in dem Aufsatz von Bass, 1999.

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23Bedeutung der Genossenschaften in der Marktwirtschaft

19. Jahrhundert. Eine andere Bedrohung kommt aus dem Mittelstand selbst, wenn er sich aus verschiedensten Gründen für Zusammenschlüsse entscheidet und schließlich eine Unternehmensgröße erreicht, der die dynamische Kraft verlorengeht.32 Der Trend zu immer größeren Unter-nehmen mit oligopolistischer Struktur schwächt jedoch tendenziell die Marktwirtschaft. Größe allein ist auch im Lichte der Globalisierung kein Allheilmittel. Die von den liberalen oder neoliberalen Wirtschaftstheo-retikern erwarteten Selbstheilungskräfte einer Marktwirtschaft verküm-mern bei dieser Entwicklung.33

Auch heute kann der Mittelstand mithilfe von Genossenschaften Markt-macht aufbauen und trotzdem in überschaubaren Unternehmensgrö-ßen selbstständig bleiben.34 Indem bestimmte Funktionen auf eine Genossenschaft übertragen werden, verringert sich der Druck, sich zu Unternehmen zusammenzuschließen. Insbesondere Kostennachteile ge-genüber großen Unternehmen können so behoben werden.35

Für die Genossenschaften gilt im Prinzip das Gleiche wie für den Mit-telstand. Dort, wo es einerseits entscheidend auf Dynamik, Flexibilität und Kreativität ankommt, andererseits aber mächtige Wettbewerber auftreten, können sich die Genossenschaften zu einem Netzwerk, dem sogenannten Verbund, zusammenschließen.36 Insofern können Genos-senschaften auch dann noch mittelständisch bleiben, wenn sie sich als Gruppe in der Außenwirkung längst mit den marktmächtigen Konzer-nen messen. Ein weltweit vorzuweisendes Beispiel sind die Kreditgenos-senschaften, die mehr oder weniger kleine Unternehmen in ihrer Regi-on sind. Dank der Mitgliedschaft in einem effizienten Verbundsystem können sie sich im Wettbewerb mit den großen Bankkonzernen erfolg-reich behaupten.37

32 Hierauf weist Schumpeter in späteren Veröffentlichungen aus Erfahrungen mit der US-Wirtschaft hin. Siehe Schumpeter, 1942.

33 Mit den Fragen der seit Adam Smith angenommenen Selbstheilungskräfte setzt sich der Nobelpreisträger für Wirtschaft, Joseph E. Stiglitz, anhand aktueller Beispiele kritisch auseinander. Siehe Stiglitz, 2004.

34 Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sei hierfür beispielsweise die EDEKA genannt. Das Mitglied der Genossenschaft kann sich gegenüber der Filiale eines LEH-Konzerns behaupten.

35 Ausgegliedert kann im Prinzip alles werden, was nicht den Unternehmenszweck selbst betrifft.

36 Darauf wird weiter unten eingegangen.

37 Wie sehr die Wettbewerber die Effizienz des Verbundes fürchten, merkt man an den regelmäßigen Forderungen, das „Drei-Säulen-System“ der deutschen Bankwirt-schaft, d. h. das Nebeneinander der individuell agierenden privaten Banken (Kritik kommt nur von den Großbanken!) und der Verbundsysteme der Sparkassen und Kre-ditgenossenschaften, aufzubrechen.

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24 Einführung in den Themenbereich und in die Grundlagen

„Die Gründer der Genossenschaftsbewegung sind es selbst, die in der Frühphase der Industriegesellschaft das taten, was im Zeitalter der glo-balen Informationsgesellschaft erst recht notwendig ist: Initiative zei-gen und Neues wagen.“38

Genossenschaften haben eine wichtige Funktion für das Weiterbeste-hen der Marktwirtschaft. Darauf weist auch der Nobelpreisträger für Wirtschaft, Joseph E. Stiglitz, angesichts der Fehlentwicklungen in der Wirtschaft der 1990er-Jahre hin. „In Schweden sind genossenschaftliche Lebensmittelgeschäfte genauso effizient wie gewinnorientierte. Land-wirtschaftliche Genossenschaften spielen seit Langem weltweit eine wichtige Rolle sowohl bei der Vergabe von Krediten als auch bei der Vermarktung der Produkte. In den USA, dem Land mit der ‚reinsten’ marktwirtschaftlichen Ordnung, werden Rosinen, Mandeln und Preisel-beeren weitgehend über Genossenschaften vertrieben, die häufig des-halb aufgebaut werden, weil Märkte versagt haben – entweder weil es keine gab oder weil sie von gewinnorientierten Firmen mit Monopol-macht beherrscht wurden, die die Landwirte ausbeuteten.“39

Heute ist die „Bio-Welle“ über das Anliegen einiger Idealisten zu einem Selbstverständnis der Ernährungswirtschaft herangewachsen, und auch hier werden Genossenschaften als geeignete Vermittler in der Verwer-tungskette erkannt. Kleine und mittelständische Lebensmittelhändler, die sich gegenüber den dominierenden Handelsketten kaum durchset-zen könnten, gründen neue Genossenschaften. Diese weisen Elemente der Konsumgenossenschaften,40 aber auch des „klassischen“ genossen-schaftlichen LEH41 auf. Ein interessantes Modell, das die gesamte Ver-wertungskette vom Bio-Bauern bis zum Konsumenten umfasst, gibt es in der „TAGWERK-Genossenschaft“ im oberbayerischen Dorfen. Auf ihrer Homepage stellt sie sich folgendermaßen vor: „Die TAGWERK-Genos-senschaft wurde 1984 mit dem Ziel gegründet, die Produkte der damals noch wenigen Biobauern zu vermarkten und immer mehr Landwirte zu motivieren, auf ‚Bio’ umzustellen. Heute gehören rund 100 Bauern, Gärtner und Imker zu TAGWERK, sowie eine Mühle und mehrere Bä-ckereien, Metzgereien und Käsereien. Die Genossenschaft fungiert als Großhandel zwischen den Erzeugern und den Läden. Es gibt ein dichtes Netz an Verkaufsstellen: TAGWERK-Läden, Wochenmärkte, Hofläden, die TAGWERK-Ökokiste und andere Naturkost-Fachgeschäfte.“42

38 Klein, J., 2001, S. 81.

39 Stiglitz, 2004, S. 300.

40 Konsumenten werden Mitglied in einem „Dorfladen“.

41 Mehrere Einzelhändler verbünden sich in einer Genossenschaft.

42 www.tagwerk.net/ueber-uns_genossenschaft.html (06.08.2006). Siehe außerdem o.V.: Aus Überzeugung ökologisch, 2008, S. 42.

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25Bedeutung der Genossenschaften in der Marktwirtschaft

Seit der Jahrtausendwende erlebt das Genossenschaftsmodell eine Renais-sance als Problemlösung für mittelständische Unternehmen. So nutzen beispielsweise „klassische“ Handwerksbetriebe wie Kachelofenbauer,43 private Waldbesitzer,44 Dienstleistungsbetriebe, wie Kurier- und Transportunternehmer,45 und Einzelhändler, wie Buchhändler,46 die Ge-nossenschaft als Chance, in einem schärfer werdenden Wettbewerb mit global agierenden Unternehmen zu überleben. Besonders beliebt ist die Genossenschaft für junge IT-Unternehmer, die nach dem Zusammen-bruch der „New Economy“ ein umsichtigeres Risikoverhalten zeigen. Sie wollen weiterhin wachsen und selbstständig bleiben, ohne ihre Existenz übermäßig zu gefährden. In der „TowerByte eG“ in Jena haben sich 28 Softwarehersteller mit insgesamt 350 Mitarbeitern (2010) zu einer Ge-nossenschaft zusammengeschlossen.47 Sie nutzen nicht nur die Größen-vorteile, sondern profitieren auch vom ständigen fachlichen Austausch untereinander. Um dies optimal zu realisieren, sitzen die Mitgliedsbe-triebe gemeinsam in einem Bürohochhaus (Tower). Dieses Beispiel zeigt die werteorientierte Einstellung einer Gruppe von Mittelständlern. Ihr persönliches Ziel ist nicht rascher Wertzuwachs ihrer Anteile, sondern ein langfristig angelegtes Wachstum unter beschränkten Risiken.

1 .2 .3 Genossenschaften in Forschung und Lehre

Das Genossenschaftswesen ist im deutschsprachigen Raum in der Regel kein eigenständiges Fach im Sinne einer Speziellen Betriebswirtschafts-lehre oder einer anderen Spezialfachrichtung. Forschung und Lehre finden überwiegend in sogenannten Genossenschaftsinstituten an den jeweiligen Universitäten statt.48 Darüber hinaus gibt es an einigen Uni-versitäten persönliche Honorarprofessuren und Lehraufträge für Genos-senschaftswesen.

43 „Roter Hahn“ – Markengemeinschaft für den handwerklichen Kachelofenbau, ge-gründet 2004 von 65 Mitgliedern. Siehe Genossenschaftsblatt 4/2006, S. 27.

44 „Wald-Säge“ Fuchstal eG. Siehe Genossenschaftsblatt 4/2006, S. 26.

45 GKT Genossenschaft selbstständiger Kurier- und Transportunternehmer, 2003 von acht Mitgliedern gegründet (2006 bereits 16 Mitglieder). Siehe Genossenschaftsblatt 4/2006, S. 26.

46 eBuch eG, 2000 von 15 Mitgliedern gegründet, 2010 bereits 500 Mitglieder. Dient als Einkaufsgenossenschaft und bietet Mitgliedern weitergehende Services an. Siehe www.ebuch.net.

47 TowerByte eG – Die E-Commerce-Genossenschaft (Hrsg.) (2010): Wer sind Wir?, http://www.towerbyte.de/ueber_uns.php (Abruf vom 19.04.2011)

48 Ein Institut an der Universität ist keine originäre Einrichtung der Universität. Es wird von einem privaten Förderverein finanziert. Das Forschungs- und Lehrpersonal rek-rutiert sich aus verschiedenen Fakultäten, Lehrstühlen und Professuren.

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26 Einführung in den Themenbereich und in die Grundlagen

Im deutschsprachigen Raum, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz, gibt es folgende genossenschaftliche Forschungseinrichtun-gen:

3 Institut für Genossenschaftswesen an der Humboldt Universität Ber-lin

3 Institut für ländliches Genossenschaftswesen an der Justus-Liebig-Universität Gießen

3 Institut für Genossenschaftswesen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V.

3 Arbeitsbereich für Genossenschaftswesen an der Universität Ham-burg

3 Arbeitsstelle für Genossenschaftsgeschichte am Historischen Seminar der Universität Hamburg

3 Forschungsstelle für Genossenschaftswesen an der Universität Ho-henheim

3 Seminar für Genossenschaftswesen der Universität Köln

3 Institut für Genossenschaftswesen an der Universität Marburg/Lahn

3 Institut für Kooperation in Entwicklungsländern der Philipps-Univer-sität Marburg/Lahn (IKE)

3 Institut für Genossenschaftswesen an der Universität Münster

3 Forschungsinstitut für Genossenschaftswesen an der Universität Erlangen-Nürnberg

3 Fachbereich für Genossenschaftswesen im Institut für Betriebswirt-schaftslehre der Universität Wien

3 RiCC Forschungsinstitut für Kooperation und Genossenschaften der Wirtschaftsuniversität Wien

3 Verbandsmanagement Institut (VMI), Universität Fribourg/Schweiz

Forschung und Lehre sind durchweg interdisziplinär und umfassen je nach individueller Schwerpunktbildung Themen insbesondere der Be-triebswirtschaftslehre und des Rechts zu Fragen des Genossenschafts-wesens. Einen schnellen Überblick über die Schwerpunkte in Forschung und Lehre erhält man auf den Internet-Seiten der Institute.

Die einzelnen Forschungseinrichtungen haben sich zu einer „Arbeits-gemeinschaft Genossenschaftswissenschaftlicher Institute e. V. (AGI)“ zusammengefunden.

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