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Leitlinien der Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) für neuropsychologische Diagnostik und Therapie Stand: November 2005 Der Vorstand der GNP, die Arbeitskreise der GNP, der wissenschaftliche Beirat der GNP, Prof. Dr. S. Gauggel (Evidenzbasierte Therapie) und Prof. Dr. W. Sturm (Koordinator der Leitlinien-Kommission) Präambel Die Entwicklung der Leitlinien wurde von der Gesell- schaft für Neuropsychologie in Auftrag gegeben und soll der Professionalisierung des Handelns von Neu- ropsychologen in Diagnostik und Therapie dienen. Professionell arbeitende Neuropsychologen sollten ihr Handeln an wissenschaftlichen Ergebnissen und, falls nicht oder nicht ausreichend vorhanden, zumindest am Konsens von Experten orientieren. Die Leitlinien sol- len hierbei einfache und dennoch umfassende Orien- tierungshilfe sein. Leitlinien können bestenfalls den momentanen Wissensstand abbilden und sind daher qua definitionem nie endgültig. Leitlinien beschreiben diagnostisches und therapeutisches Handeln nie voll- ständig, weil sie vom individuellen Patienten abstra- hieren müssen. Leitlinien sind auch immer nur Hand- lungsempfehlungen, da die individuelle Passung zum Patienten vom behandelnden Neuropsychologen ent- schieden werden muss. Die vorliegenden Leitlinien entsprechen bislang dem Entwicklungsstand von Ex- pertenurteilen (S1 nach AWMF), die unter Mitwirkung der Arbeitskreise und des wissenschaftlichen Beirats der GNP in Konsensuskonferenzen gewonnen wurden, und müssen in Richtung wissenschaftlicher Evidenz- basierung ständig weiterentwickelt werden. Mithilfe solcher Leitlinien werden folglich nur Emp- fehlungen für die Diagnostik und Therapie sowie für die Befund- und Gutachtenerstellung bei psychischen Störungen, die auf Grundlage einer nachweisbaren Hirnfunktionsstörung entstanden sind, formuliert. Adressaten der Leitlinien sind ambulant und statio- när arbeitende Neuropsychologen, die in folgenden Bereichen tätig sind: Neuropsychologische Diagnostik mit folgenden Aufgaben: Anwendung, Auswertung und Interpretation stan- dardisierter neuropsychologischer Testverfahren, perzeptiver und kognitiver Screening-Verfahren, psychologischer Fragebögen, klinische Verhaltensbeobachtung zur Diagnostik von gestörten und ungestörten kognitiven und af- fektiven Funktionen, Erhebung von Anamnese und Exploration, Erhebung der Fremdanamnese und Einbeziehung klinisch relevanter Informationen; Erstellen von Verlaufsprotokollen, Zwischen- und Ab- schlussberichten, gutachterlichen Stellungnahmen; Neuropsychologische Therapie (Einzel- und Grup- pentherapien) mit folgenden Aufgaben: Anwendung von wissenschaftlich begründeten Me- thoden der sensorischen und kognitiven Stimulation (sensorische und kognitive Funktionstherapie), Anwendung von wissenschaftlich begründeten Methoden zur Kompensation und Bewältigung von Funktionsstörungen und Behinderungen, Durchführung bewältigungs- und klärungsorien- tierter Verfahren zur Förderung der Krankheitsver- arbeitung und zur Behandlung psychoreaktiver Störungen (Integrative Therapieverfahren), Einsatz lerntheoretisch fundierter Methoden (z. B. zum Abbau von Verhaltensauffälligkeiten oder zum systematischen Aufbau von Aktivitäten), Zeitschrift für Neuropsychologie, 16 (4), 2005, 175–199 DOI 10.1024/1016-264X.16.4.175 ZNP 16 (4) © 2005 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

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Der Vorstand der GNP et al.: Leitlinien der GNP für neuropsycho logische Diagnostik und Therapie

ZN P 16 (4) © 2005 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Leitlinien der Gesellschaftfür Neuropsychologie (GNP)

für neuropsychologischeDiagnostik und Therapie

Stand: November 2005Der Vorstand der GNP, die Arbeitskreise der GNP, der wissenschaftliche

Beirat der GNP, Prof. Dr. S. Gauggel (Evidenzbasierte Therapie) und Prof.Dr. W. Sturm (Koordinator der Leitlinien-Kommission)

Präambel

Die Entwicklung der Leitlinien wurde von der Gesell-schaft für Neuropsychologie in Auftrag gegeben undsoll der Professionalisierung des Handelns von Neu-ropsychologen in Diagnostik und Therapie dienen.Professionell arbeitende Neuropsychologen sollten ihrHandeln an wissenschaftlichen Ergebnissen und, fallsnicht oder nicht ausreichend vorhanden, zumindest amKonsens von Experten orientieren. Die Leitlinien sol-len hierbei einfache und dennoch umfassende Orien-tierungshilfe sein. Leitlinien können bestenfalls denmomentanen Wissensstand abbilden und sind daherqua definitionem nie endgültig. Leitlinien beschreibendiagnostisches und therapeutisches Handeln nie voll-ständig, weil sie vom individuellen Patienten abstra-hieren müssen. Leitlinien sind auch immer nur Hand-lungsempfehlungen, da die individuelle Passung zumPatienten vom behandelnden Neuropsychologen ent-schieden werden muss. Die vorliegenden Leitlinienentsprechen bislang dem Entwicklungsstand von Ex-pertenurteilen (S1 nach AWMF), die unter Mitwirkungder Arbeitskreise und des wissenschaftlichen Beiratsder GNP in Konsensuskonferenzen gewonnen wurden,und müssen in Richtung wissenschaftlicher Evidenz-basierung ständig weiterentwickelt werden.

Mithilfe solcher Leitlinien werden folglich nur Emp-fehlungen für die Diagnostik und Therapie sowie fürdie Befund- und Gutachtenerstellung bei psychischenStörungen, die auf Grundlage einer nachweisbarenHirnfunktionsstörung entstanden sind, formuliert.

Adressaten der Leitlinien sind ambulant und statio-när arbeitende Neuropsychologen, die in folgendenBereichen tätig sind:– Neuropsychologische Diagnostik mit folgenden

Aufgaben:• Anwendung, Auswertung und Interpretation stan-

dardisierter neuropsychologischer Testverfahren,perzeptiver und kognitiver Screening-Verfahren,psychologischer Fragebögen,

• klinische Verhaltensbeobachtung zur Diagnostikvon gestörten und ungestörten kognitiven und af-fektiven Funktionen,

• Erhebung von Anamnese und Exploration,• Erhebung der Fremdanamnese und Einbeziehung

klinisch relevanter Informationen;– Erstellen von Verlaufsprotokollen, Zwischen- und Ab-

schlussberichten, gutachterlichen Stellungnahmen;– Neuropsychologische Therapie (Einzel- und Grup-

pentherapien) mit folgenden Aufgaben:• Anwendung von wissenschaftlich begründeten Me-

thoden der sensorischen und kognitiven Stimulation(sensorische und kognitive Funktionstherapie),

• Anwendung von wissenschaftlich begründetenMethoden zur Kompensation und Bewältigungvon Funktionsstörungen und Behinderungen,

• Durchführung bewältigungs- und klärungsorien-tierter Verfahren zur Förderung der Krankheitsver-arbeitung und zur Behandlung psychoreaktiverStörungen (Integrative Therapieverfahren),

• Einsatz lerntheoretisch fundierter Methoden (z. B.zum Abbau von Verhaltensauffälligkeiten oderzum systematischen Aufbau von Aktivitäten),

Zeitschrift für Neuropsychologie, 16 (4), 2005, 175–199

DOI 10.1024/1016-264X.16.4.175 ZNP 16 (4) © 2005 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

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• Anwendung von für Patienten mit Hirnschädigungadaptierten Methoden der Gesprächsführung (z. B.zur Unterstützung der Krankheitsbewältigung);

– Adaptation und Entwicklung von patientenspezifi-schem Diagnose- und Therapiematerial;

– Angehörigenberatung und -begleitung (Einzel- undGruppenbetreuung);

– Mitarbeiterfortbildung im Bereich Neuropsychologie;– Supervision im Bereich Neuropsychologie;– Lehre (Aus- und Weiterbildung, Öffentlichkeitsar-

beit) und Forschung im Bereich Neuropsychologie.

Leitlinien

Allgemeine Voraussetzungen für dieDiagnostik und Therapie von Patientenmit neuropsychologischen Störungen

Die Diagnostik und Behandlung von Patienten mit neu-ropsychologischen Störungen setzt fundierte Kenntnis-se über den Aufbau und die funktionelle Organisationdes Gehirns sowie über die ätiologischen Grundlagenverschiedener Funktionseinbußen voraus. Ohne dieseKenntnisse ist weder eine wissenschaftlich fundierte Di-agnostik noch Behandlung von neuropsychologischenStörungen möglich. Da die psychischen Funktionen auseiner Vielzahl von Teilleistungen bestehen, ergibt sichauch die Notwendigkeit einer detaillierten Diagnostikder verschiedenen Teilleistungsstörungen (≈ Impair-ment nach WHO). Es gilt dabei zu beachten, dass je nachKombination der Teilleistungsstörungen im konkretenFall ganz unterschiedliche Funktionseinbußen (≈ Dis-ability nach WHO) resultieren können. Für die Funk-tionseinbußen kann eine eingeschränkte Awareness aufSeiten des Patienten bestehen, die dann zusätzlich in Di-agnostik und Therapie zu berücksichtigen ist. Der Neu-ropsychologe sollte in der Diagnostik zudem die sozia-len Folgen der Funktionseinbußen berücksichtigen, alsobis zu den Handicaps (WHO) des Patienten vorstoßen.Des Weiteren ist eine reine Defizitorientierung verfehlt,sondern es müssen auch die Ressourcen der PatientenBeachtung finden.

Im Anhang sind im Sinne evidenz-basierter Neuro-psychologie Therapiestudien zur Effektivität neuro-psychologischer Intervention aufgeführt (s. a. Gaug-gel, 2003)

1. Störungen der visuellen Wahrnehmung

Diagnostik: Die Abklärung möglicher peripher beding-ter Funktionseinbußen sowie einiger visueller (z. B. Ge-sichtsfeld, Visus) und okulomotorischer (Augenbewe-

gungen, Konvergenz, Akkommodation) Defizite erfolgtin der Regel im Rahmen der ophthalmologischen bzw.orthoptischen Untersuchung. Für die Diagnostik zentra-ler Sehstörungen sind besondere diagnostische Instru-mente erforderlich, welche die Beeinträchtigung einzel-ner Teilleistungen valide erfassen. Dazu zählen vor al-lem die räumliche Kontrastsensitivität, das Farbsehen,die visuelle Raumwahrnehmung, (siehe 2.), das visuelleErkennen von Objekten und Gesichtern sowie das Le-sen. Zusätzlich spielt die visuelle Exploration (ein-schließlich des visuellen Suchverhaltens) eine wichtigeRolle. Die Abklärung komplexer visueller Wahrneh-mungsleistungen (Lesen, visuelles Erkennen) erfordertebenfalls eine genaue Analyse der daran beteiligten Teil-leistungen und ihrer Wechselwirkungen. Die entspre-chenden diagnostischen Verfahren sollten verfügbarsein. Die zuverlässige diagnostische Einordnung und dieAbschätzung der Auswirkung im Sinne einer Behinde-rung sind nur unter Berücksichtigung des gesamten neu-ropsychologischen Status möglich, da z. B. kognitiveStörungen die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit sekun-där beeinträchtigen können.

Therapie: Aufgrund ihrer Häufigkeit steht die Be-handlung von Patienten mit homonymen Gesichts-feldeinbußen und der daraus resultierenden Beein-trächtigung des Überblicks, der visuellen Orientierungund des Lesens im Vordergrund. Dabei haben sich Ver-fahren zur Kompensation als effektiv erwiesen; effizi-ente Explorationsstrategien können den Fehlbereichim Gesichtsfeld ersetzen helfen; diese Verfahren sindmittlerweile auch für den klinischen Gebrauch ausrei-chend standardisiert. Die schrittweise Verschränkungdieser Behandlungsverfahren mit alltagsorientiertenAufgaben erleichtert den Transfer und gewährleistetdie Ausbildung von weitgehend situationsunabhängi-gen Kompensationsroutinen. Die Behandlung vonDoppelbildern, Störungen des Farbsehens sowie derObjekt- und Gesichtererkennung erfordert sehr spezi-elle, auf das individuelle Störungsbild abgestimmteTherapiematerialien und Vorgehensweisen, die z. T.auch interdisziplinäre Kooperation erfordert.

2. Störungen der Raumverarbeitung

Diagnostik: Beeinträchtigungen räumlicher Verarbei-tungsleistungen sind als Folge von Hirnfunktionsstö-rungen unterschiedlichster Genese relativ häufig undführen zu gravierenden Alltagsproblemen, da sie dieWahrnehmung, Motorik und Orientierung des Patien-ten im Raum behindern. Voraussetzungen für dieDiagnostik und Behandlung sind die Kenntnis der ver-schiedenen Kategorien gestörten räumlichen Verhal-tens (räumlich-perzeptiv, räumlich-kognitiv, räum-lich-konstruktiv und räumlich-topografisch), deren

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Differenzierung und die Kenntnis der jeweiligen Aus-wirkungen im Alltag. Basierend auf neuroanatomi-schen Modellen zur Raumverarbeitung (etwa Unger-leider & Mishkin) und Informationen zur Krankenge-schichte des Patienten sollten Verdachtshypothesenfür die Diagnostik formuliert werden können. Für dieScreening-Diagnostik (auch in der Frühphase) sindeinzelne räumlich-perzeptive Verfahren (z. B. Linien-orientierungstest) und räumlich-konstruktive Verfah-ren (wie das Zeichnen geometrischer Figuren, Mosaik-test) durchaus sinnvoll; sie sollten jedoch anschlie-ßend durch eine systematische Analyse allerrelevanten visuell-räumlichen Wahrnehmungsdefizite(= räumlich-perzeptive Störungen), der räumlich-kog-nitiven Störungen, der räumlich-konstruktiven Stö-rungen sowie der räumlichen Navigationsprobleme (=räumlich-topografische Störungen) komplettiert wer-den. Hinsichtlich der Ausstattung sollten die apparati-ven Voraussetzungen für die Durchführung möglichstaller relevanter Testverfahren, Fremdanamnesebögensowie die entsprechenden Therapieverfahren vorhan-den sein. Um eine Auswahl verschiedener Methodenzu gewährleisten, ist es nicht ausreichend, jeweils nureinige wenige Testverfahren oder einzelne Therapie-materialen zur Verfügung zu haben.

Therapie: Nach einer ausführlichen Diagnostik undDifferenzierung der Art der räumlichen Störung (s.Diagnostik) sollte hypothesengeleitet auf der Grund-lage der anamnestischen Angaben, der neuropsycho-logischen Testergebnisse sowie unter Einbeziehungder individuellen Handicaps und der beruflich/häus-lichen Situation ein Therapieplan erstellt werden. InAbhängigkeit von der festgestellten Störung lassensich drei wesentliche Arten von Therapieverfahrendurchführen:

1. Die Therapie (im Sinne eines Feedbacks durch denTherapeuten oder einen PC) spezifischer räumlich-perzeptiver Leistungen in der visuellen oder taktilenModalität führt zu einer Verbesserung der Wahrneh-mung und Repräsentation einzelner räumlicherQualitäten (wie etwa der Orientierung, Position,Länge, Distanz, Form oder Mitte von Objekten imRaum). Diese «Neukalibrierung» gelingt für dietrainierten Leistungen gut und hat einen partiellenTransfer auf ungeübte Leistungen; sie eignet sichinsbesondere als Wahrnehmungstraining in derFrühphase der Patienten. In diese Richtung zielt dieoptokinetische Stimulationsbehandlung (OKS) beiräumlich-perzeptiven Defiziten (vor allem bei Pa-tienten mit assoziiertem Neglect). Diese Therapie-verfahren erleichtern dem Patienten die Wahrneh-mung räumlicher Bezüge zwischen Objekten imRaum sowie von Objekten zu seinem eigenen Kör-per. Für räumlich-kognitive Störungen (z. B. menta-

le Rotationsdefizite) müssen wirksame Behand-lungsverfahren erst noch entwickelt werden.

2. Räumlich-konstruktive Therapieansätze (Perzepti-ves Training und Block-Design-Training, Tangram-training, Valenser Therapiematerialien) führendurch das Üben perzeptiver und strategisch-exekuti-ver Leistungen zu einer Verbesserung räumlich-per-zeptiver, räumlich-konstruktiver und teilweise auchexekutiver Fähigkeiten. In manchen Fällen kommtes auch zu einer Steigerung räumlicher Gedächtnis-leistungen (z. B. nach Tangram-Training). Des Wei-teren ist bekannt, dass räumlich-konstruktive Thera-pieverfahren nachweislich einen günstigen Einflussauf die assoziierten Alltagsprobleme haben (Anklei-den, Transfers, Orientierung).

3. Räumlich-topografische Störungen treten oft sekun-där infolge anderer neuropsychologischer Störun-gen (z. B. Gesichtsfeldausfälle, Gedächtnisstörun-gen, Neglect) auf und sollten in diesem Sinne mitbehandelt werden. Für primäre Störungen der räum-lich-topografischen Orientierung bietet sich die Be-handlungstechnik der Reaktionsverkettung an, umvertraute Wege wieder zu festigen oder neue Wegezu erlernen. Diese Technik ist insbesondere wohn-ortnah sinnvoll, damit der Patient einige wichtigeWege (z. B. zur Klinik, zum Therapeuten, ins Kino,zum Einkaufen) in seinem Umfeld wieder sicher be-wältigen kann. Die schrittweise Verschränkungfunktionell-neuropsychologischer mit alltagsorien-tierten räumlichen Therapieverfahren sollte eben-falls in Absprache mit anderen Berufsgruppendurchgeführt werden (etwa für die Bereiche Selbst-hilfe und Orientierung im Alltag).

3. Neglekt

Diagnostik: Für die Diagnose eines Neglekts entschei-dend ist der Nachweis, dass die Vernachlässigungnicht alleinige Folge einer Störung der primären Ver-arbeitung visueller, akustischer oder somatosensori-scher Reize ist. Es muss also ausgeschlossen werden,dass der Patient auf kontraläsional lokalisierte Reizeeinfach deshalb nicht reagiert, weil z. B. eine Hemi-anopsie, eine einseitige Hypakusis, eine Hemihypäs-thesie oder eine Hemiparese besteht. Hierzu kann einewesentliche Eigenschaft der Neglekt-Symptomatikgenutzt werden, nämlich dass sie sich durch Darbie-tung von Hinweisreizen (cueing) für kurze Zeit ganzoder zumindest teilweise kompensieren lässt. Auchmit der eindringlichen und anhaltenden verbalen In-struktion, sich der vernachlässigten Seite zuzuwenden,kann kurzzeitig eine Reduktion der Neglekt-Sympto-matik erreicht werden. Eine Prüfung auf Simultanex-tinktion ist in diesem Zusammenhang auch eine zuempfehlende Maßnahme. Darüber hinaus sollte zu je-

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der Untersuchung die Durchführung von mindestenseiner Such- und Durchstreichaufgabe gehören. DasKopieren oder freie Zeichnen von gegenständlichenAbbildungen (Haus, Blume, Fahrrad) oder geometri-schen Figuren (Stern, Würfel), das Einsetzen der Stun-denzahlen in ein schematisch vorgegebenes Ziffer-blatt, das Lesen einzelner Wörter oder Zeilen oder dasPlatzieren von Städten oder Ländern auf einer geogra-fischen Umrisskarte eignet sich dagegen nur zur Dar-stellung der Neglektsymptomatik in der akuten Phaseder Erkrankung, ist jedoch im Gegensatz zu den obengenannten Verfahren bei rückgebildetem Neglekt häu-fig bereits unauffällig. Bedacht werden sollte, inwie-weit der Neglect in eine allgemeine Beeinträchtigungder Awareness eingebettet ist.

Therapie: Das Hauptsymptom des Neglekts ist die ge-störte Fähigkeit zur Exploration der kontraläsionalenRaumseite. Viele therapeutische Ansätze zielen daherdarauf ab, mit den Patienten Übungen durchzuführen,die ein vermehrtes und aktives Hinwenden zur kontra-läsionalen Seite verlangen. Dabei werden erfolgreichvisuelles und taktiles Explorieren und kompensatori-sche Suchstrategien eingeübt. Als besonders effektivhat sich die Darbietung des Reizmaterials auf großenProjektionsflächen (z. B. über Diaprojektion) heraus-gestellt. Die Explorationstrainings sollten ergänztwerden durch die Nackenmuskelvibration der kontra-läsionalen Halsmuskulatur, die optokinetische Stimu-lation, bei der auf dem Bildschirm sich in Richtungvernachlässigte Raumhälfte bewegende Muster prä-sentiert werden, das Tragen von Augengläsern, die dasrechte visuelle Halbfeld auf beiden Augen abdecken,sowie der Durchführung einer Prismenadaptation.Auch eine Anhebung des Aufmerksamkeits-Aktivie-rungsniveaus (siehe 4.) der Patienten scheint sich po-sitiv auszuwirken. Mit allen diesen Verfahren wurdenanhaltende Therapieeffekte erzielt, die eine Verbesse-rung der Neglekt-Symptomatik auch Monate nach Be-endigung der Anwendungen nachwiesen.

4. Aufmerksamkeitsstörungen

Diagnostik: Beeinträchtigungen unterschiedlicher Auf-merksamkeitsleistungen als Symptom von Hirnfunk-tionsstörungen unterschiedlicher Genese sind sehr häu-fig. Nach allgemein-psychologischen und neuropsycho-logischen Aufmerksamkeitstheorien lassen sichmindestens vier Aufmerksamkeitskomponenten, die jenach Art und Lokalisation der Hirnschädigung unter-schiedlich betroffen sein können, unterscheiden. Dereingehenden diagnostischen Untersuchung dieser Funk-tionen kommt in der klinischen Neuropsychologie einebesondere Bedeutung zu und insbesondere bei neuro-psychologischen Gutachten sollte jede dieser Aufmerk-

samkeitsfunktionen berücksichtigt werden. Im Einzel-nen handelt es sich dabei um folgende Aufmerksam-keitsbereiche:

a) Aufmerksamkeitsaktivierung (Alertness)b) längerfristige Aufmerksamkeitszuwendungc) selektive oder fokussierte Aufmerksamkeit, räumli-

che Ausrichtung des Aufmerksamkeitsfokusd) geteilte Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeitsflexibi-

lität, Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus

Auch bei der Untersuchung der Fahreignung nachHirnschädigung spielen Aufmerksamkeitsleistungeneine besondere Rolle.

Therapie: Bei der Therapie von Aufmerksamkeitsstö-rungen ist eine sorgfältige Diagnostik Voraussetzung,da sich in mehreren Therapiestudien gezeigt hat, dassdie Therapie spezifisch auf das jeweilige Defizit zuge-schnitten sein muss. Insbesondere bei Störungen ele-mentarer Aufmerksamkeitsfunktionen (Alertness, Vi-gilanz) kann es bei der Anwendung zu komplexer The-rapieprogramme zu Leistungsverschlechterungenkommen. Bewährt haben sich computergestützte The-rapieverfahren, welche spezifische Aufmerksamkeits-leistungen in alltagsähnlichen Situationen trainieren.Diese stimulierenden und aktivierenden Verfahrenmüssen ggf. durch lerntheoretisch fundierte Methoden(z. B. Selbstinstruktionstechniken) oder andere Kom-pensationstechniken wie Organisation des Alltags(z. B. Vermeidung von Ablenkung, Einlegen von Pau-sen, Ressourcenmanagement) aber auch durch Einbe-ziehung und Neuorganisation des Patientenumfeldsergänzt werden.

5. Gedächtnisstörungen

Diagnostik: Bei der eingehenden diagnostischen Un-tersuchung von Gedächtnisfunktionen und insbeson-dere bei neuropsychologischen Gutachten sollte jededer folgenden Gedächtnisfunktionen berücksichtigtwerden:

a) Kurzzeitgedächtnis/Arbeitsgedächtnis: Diese Funk-tion umfasst das kurzfristige Halten und ggf. menta-le Manipulieren expliziter verbaler und figuraler In-formationen.

b) Langzeitgedächtnis (kurzfristige Lernleistungen,Neugedächtnis): Hier wird die unmittelbare Repro-duktion expliziter verbaler und figuraler Informatio-nen, die im Umfang die Aufnahmekapazität desKurzzeitgedächtnisses übersteigen, geprüft. Diesbeinhaltet die Durchführung eines Lernparadigmas(Lernzuwachs mit Wiederholung sowie Darstellungproaktiver und retroaktiver Interferenzeffekte) und

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die verzögerte Reproduktion der unmittelbar repro-duzierten Informationen nach einem Intervall von20 bis 30 Minuten. Untersuchungen des implizitenGedächtnisses sowie unterschiedlicher Phasen derGedächtnisbildung (Bearbeiten, Speichern, Abru-fen) über verschiedene Abrufmodalitäten (freier Ab-ruf, Abruf mit Hinweisreizen, Wiedererkennen)können ergänzend eingesetzt werden.

c) Altgedächtnis (langfristige Leistungen des Lang-zeitgedächtnisses): Die Diagnostik bezieht sich da-bei auf die Wiedergabe von semantischen, episodi-schen und autobiografischen Informationen aus ver-schiedenen Lebensepochen.

Therapie: Die Therapie muss spezifisch auf das jewei-lige Defizit und den Schweregrad der Gedächtnisstö-rung zugeschnitten sein. Dabei werden Strategien zurVerbesserung der Enkodierungs- und Abrufleistung(z. B. verbale Elaborationsstrategien, visuelle Imagi-nation), deren Einsatz an alltagspraktischem Materialgeübt wird, und externe Hilfsmittel zur Kompensationeingesetzt. Der Strategieeinsatz sollte stets anhandvon alltagsrelevantem Material geübt werden, da einTransfer auf Alltagssituationen sonst kaum herstellbarist. Bei sehr schwer gestörten Patienten können, ohnein Drill ausarten zu dürfen, ein Orientierungstrainingdurchgeführt sowie ggf. verhaltensmodifikatorischeMaßnahmen ergriffen werden. Ggf. sind assoziierteStörungen (z. B. der Aufmerksamkeit, der Spracheoder des Antriebs) zu berücksichtigen.

6. Störungen von Exekutiv-Funktionen(EF)

Diagnostik: Bei der Diagnostik von Störungen der EFund deren Begutachtung sollte die standardisierte Test-auswertung immer durch eine sorgfältige Verhaltens-beobachtung und Verhaltensanalyse ergänzt werden.Die Empfehlung einer Verhaltensbeobachtung giltzwar bei anderen neuropsychologischen Störungenauch, ist aber aufgrund der psychometrisch noch nichtadäquat widergespiegelten Komplexität der EF beson-ders wichtig. Dabei sind auch die Auswirkungen exe-kutiver Dysfunktionen auf andere neuropsychologi-sche Bereiche (z. B. Sprachplanung, Exploration,Lern- und Gedächtnisfunktionen, Alltagsaktivitäten)zu berücksichtigen. Die Diagnostik sollte Aussagen zufolgenden Aspekten der EF treffen:

a) Interferenzabwehrb) Arbeitsgedächtnisc) Aufgabenkontrolle und -überwachung (sog. «Moni-

toring»)d) Planen und Durchführen mehrschrittiger bzw. kom-

plexer Handlungen

e) Problemlösendes Denkenf) Kognitive Flexibilität

Störungen der EF gehen häufig mit Persönlichkeits-veränderungen einher. Diese betreffen vor allem moti-vationale und volitionale Aspekte des Eigenantriebs,den Affekt sowie die Impulskontrolle. Des Weiterenist auf Einschränkungen des Störungsbewusstseins(Awareness) zu achten.

Therapie: Die Therapie muss störungsspezifisch, d. h.auf das jeweilige Defizit zugeschnitten sein. Die kog-nitive Therapie sollte alltagsrelevante Interventionenenthalten und ist ausgerichtet auf die Verbesserung derAufgaben- und Problemanalyse, die Entwicklung vonHandlungs- und Lösungsalternativen, das Abwägenvon Alternativen unter Berücksichtigung von Hand-lungskonsequenzen, die kontrollierte Durchführungvon Handlungen sowie die Evaluation von Ergebnis-sen. Kognitive Therapie in Gruppen zur Verbesserungvon Arbeitsgedächtnis, Flüssigkeit und planerischesDenken sowie des Störungsbewusstseins ist ebenfallszu empfehlen.

In der Therapie von Verhaltensauffälligkeiten (sie-he 9.) kommen vor allem lerntheoretisch fundierteMethoden zum Einsatz. Diese reichen von operantenKonditionierungstechniken bei schwer gestörten Pa-tienten (unter Einbeziehung von Bezugspersonen alsCo-Therapeuten) bis hin zu für Hirngeschädigte adap-tierten Ansätzen eines Selbstmanagements.

7. Akalkulien (Störungen derZahlenverarbeitung und des Rechnens)

Diagnostik: Bei der eingehenden diagnostischen Un-tersuchung von Funktionen der Zahlenverarbeitungund des Rechnens sollte jeder der folgenden Bereicheberücksichtigt werden:

a) (Automatisiertes) Abzählen von kleineren Mengenund Rückwärts-Zählen

b) Transkodieren zwischen verschiedenen Notations-systemen (arabische Zahlen, Zahlwörter), d. h.Schreiben von arabischen Zahlen (und Zahlwörtern)nach Diktat, Schreiben von arabischen Zahlen alsZahlwörter, Überführung von geschriebenen Zahl-wörtern in arabische Zahlen, Lautes Lesen von ara-bischen Zahlen und Zahlwörtern

c) Verfügbarkeit einer internen semantischen Größen-repräsentation von Zahlen, d. h. Größenvergleichezwischen Zahlen (Uhrzeiten, Geld) in verschiede-nen Notationen, Anordnen von Zahlen auf einemZahlenstrahl, Abschätzung von Anzahlen

d) Verfügbarkeit von Rechenzeichen, Rechenfakten(Kopfrechnen in den Grundrechenarten) und Re-

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chenprozeduren (Schriftlichen Rechnen in denGrundrechenarten)

e) Bei Vorliegen entsprechender Schulbildung solltenauch sog. Textaufgaben (z. B. zum Prozentrechnen,Dreisatz), Vervollständigungen von Zahlenreihenund einfache algebraische Aufgaben vorgelegt wer-den.

Therapie: Für viele Alltags- und Berufserfordernissesind eine zuverlässige Zahlenverarbeitung, das Schät-zen rechnerischer Ergebnisse und die approximativeBeurteilung errechneter Resultate wichtig (systemati-sche Ergebniskontrolle auf Plausibilität). Bei schwe-ren Beeinträchtigungen sollten zunächst basale Fähig-keiten (Abzählen von Geld, Ablesen einer Uhr, Einsatzdes Taschenrechners) gesichert werden. Erst bei Fra-gen der beruflichen Wiedereingliederung zielt dieTherapie auf spezifische berufliche Anforderungen ab.

8. Affektiv-motivationale Veränderungenund Persönlichkeitsveränderungen

Diagnostik: Eine diagnostische Erhebung des affek-tiv-motivationalen Status nach einer Hirnschädigungkann für die Rehabilitation von entscheidender Bedeu-tung sein. Der Einfluss von passageren oder persistie-renden affektiv-motivationalen Veränderungen undPersönlichkeitsveränderungen auf den Verlauf der Re-habilitation wird oft unterschätzt. Ebenso oft wird derenge Zusammenhang von affektiv-motivationaler Ver-fassung und kognitiven Leistungen unzureichend be-rücksichtigt.

Häufig zu beobachtende affektiv-motivationale Be-einträchtigungen sind Antriebsstörungen (Apathie,Hypobulie), Angst, Irritabilität, Aggressivität, eupho-rische sowie subeuphorische Stimmungen sowie sub-klinische und manifeste depressive Störungen. Diesekönnen durch Anamnese, durch Fremdanamnese,durch Sichtung von Vorbefunden, durch Beobachtungin Alltagssituationen und durch geeignete psychodiag-nostische Verfahren, die speziell im Kontext emotio-nal-affektiver Störungen bei hirnorganischen Erkran-kungen psychometrisch validiert sein sollten, erfasstwerden. Wichtig ist die Einschätzung der prämorbidenPersönlichkeit als Ausgangsbasis für Veränderungen.

Therapie: Bei der Behandlung dieses Problembe-reichs können sowohl einsichtsorientierte Ansätze wieauch kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahrenzum Einsatz kommen. Besondere Berücksichtigungmüssen bei solchen Behandlungsprozessen die kogni-tiven Beeinträchtigungen der Patienten finden, die bei-spielsweise die Adaptation des Vorgehens an eine ver-minderte Aufmerksamkeitsspanne und das einge-schränkte Wiedererinnern früherer Therapieinhalte

notwendig machen. Ziel der Therapie ist vor allem dieNutzung von Ressourcen, die Stärkung von adaptivenCoping-Strategien und die Entwicklung neuer Bewäl-tigungsformen. Die Behandlung affektiv-motivationa-ler Störungen wird insbesondere in Frühphasen der Er-krankung häufig auf der Basis pharmakotherapeuti-scher Interventionen erfolgen. Hier ist eine engeAbsprache und Koordination mit den diagnostischenund therapeutischen Interventionen des behandelndenNeuropsychologen von besonderer Bedeutung, da dasProfil der unerwünschten Arzneimittelwirkungen(UAW) von Psycho- und Neuropharmaka häufig mitden kognitiven Leistungen der Patienten interagiert.

9. Verhaltensstörungen

Diagnostik: Verhaltensstörungen betreffen das Sozial-verhalten (Enthemmung, Distanzlosigkeit, vorschnellesHandeln), das Kommunikationsverhalten (nicht-aphasi-sche zentrale Sprachstörung, reduzierter Sprechantrieb),die Impulskontrolle (Aggressivität, Gereiztheit), und dieEmpathie (soziale Wahrnehmung).

Hirnorganische Verhaltensstörungen sind nachICD-10 als Hirnorganische Persönlichkeitsstörung(F07.0) bzw. als sonstige hirnorganische Persönlich-keits- oder Verhaltensstörung (F07.8) zu diagnostizie-ren. Differenzialdiagnostisch ist die Abgrenzung vonDepressionen, Anpassungsstörungen oder Akzentuie-rungen prämorbider Persönlichkeitsstörungen zu leis-ten. Einige der genannten Veränderungen können auchim Rahmen eines «Durchgangssyndroms» auftreten.

Methoden der Diagnostik sind: Verhaltensbeobach-tung, Verhaltensproben, Selbst- oder Fremdbeobach-tungsprotokolle, Anamnese und Fremdanamnese. ImRahmen der Diagnostik sollten auch die Anforderun-gen an das Verhalten im privaten oder beruflichen Um-feld erfasst werden, ebenso der Einfluss der Verhal-tensstörung auf andere neuropsychologische Defiziteund umgekehrt.

Eine therapieorientierte Diagnostik beinhaltet lern-theoretisch fundierte Methoden (Verhaltensanalyse)zur Integration der erhobenen Daten.

Therapie: Therapieansätze arbeiten mit lerntheoreti-schen Techniken, die sich im Einzeltraining in 3Hauptgruppen gliedern lassen:

a) Verfahren zur Modifikation der Umwelt, d. h. Ver-meiden auslösender Stimuli (antezedente Kontrol-le);

b) Verfahren zur Verhaltensmodifikation wie Differen-zielle Verstärkung, Time-out, Token-Systeme, Re-sponse-Cost-Verfahren, Etablieren von Routinen(auch mittels Pager);

c) Verfahren zur Selbstmodifikation (Selbstmanage-

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ment): Hierunter zählen Verhaltensverträge, Proto-kollierungssysteme, selbstgesetztes Time-out,Strukturierungssysteme wie beispielsweise An-triebskalender, Reaktionsverhinderung durch Erler-nen einer inkompatiblen Reaktion, Selbstinstruktio-nen, kognitive Umstrukturierung.

Die o. g. Techniken müssen an die kognitiven Defiziteder Patienten adaptiert werden. Für andere Therapie-verfahren wie wahrnehmungs- und einsichtsorientier-te Behandlungen sowie milieutherapeutische Ansätzewerden auch positive Effekte berichtet. Ein Gruppen-training kann ebenfalls wichtiger Bestandteil der Ge-samtbehandlung sein. Hierunter zählen:a) Soziales Kompetenztraining: Die Übungen betreffen

v. a. das Eintrainieren basaler sozialer Fertigkeitenin Rollenspielen (beispielsweise Kontaktaufnahmebei Störungen des Antriebs oder Distanz-Einhaltenbei Störungen des Sozialverhaltens) sowie die ge-lenkte Rückmeldung über Problemverhalten durchdie Gruppenteilnehmer;

b) Soziales Wahrnehmungstraining: Das Erkennen undAusdrücken von Emotionen wird trainiert;

c) Aktivitätengruppe bei Störungen des Antriebs: Hiersteht das Festlegen und Planen von Aktivitäten in-nerhalb und außerhalb von täglichen Routinen imMittelpunkt.

Die Einbeziehung von Angehörigen in die Therapie istunabdingbar.

Die häufig assoziierte Beeinträchtigung der Stö-rungseinsicht sollte in die Behandlung integriert sein.Bei schweren Störungen des Antriebs oder der Impuls-kontrolle hat sich eine Kombinationstherapie aus lern-theoretisch fundierten Therapieansätzen und Pharma-kotherapie bewährt.

Notwendige Settingbedingungen im stationärenBereich: Die Behandlung von Verhaltensstörungen isteine interdisziplinäre Aufgabe unter Leitung einesNeuropsychologen; interdisziplinäre Kommunika-tionsstrukturen sind unabdingbar; die meisten Thera-pieverfahren sind ohne ein co-therapeutisch geschul-tes Pflegepersonal nicht einsetzbar. Darüber hinausmüssen ambulante Nachsorgestrukturen bestehen, dieden Behandlungserfolg sichern.

10. Kommunikationsstörungen

Diagnostik: Störungen der Kommunikation umfassenneben zentralen Sprachstörungen (Aphasien) undzentral bedingten Störungen der Stimmgebung undAussprache (Dysarthrophonien) auch Störungen despragmatischen Kommunikationsverhaltens und derGesprächs- bzw. Textorganisation, die auf nicht-sprachliche kognitive Beeinträchtigungen zurückzu-

führen sind wie auf Beeinträchtigungen exekutiverFunktionen, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses,des Antriebs, der affektiven Steuerung und Verarbei-tung. Daneben gibt es Störungen, die im Zwischenbe-reich sprachlicher und nicht-sprachlicher Funktionenliegen (selektive verbale Gedächtnisstörungen, verba-le Arbeitsgedächtnisstörungen, verminderte verbaleFlüssigkeit, verbal-abstraktive Leistungen etc.). DieseFunktionen sind als materialspezifische Leistungen inder neuropsychologischen Diagnostik spezifischerFunktionsbereiche repräsentiert.

Als pragmatische Störungen bezeichnet man dieverminderte Fähigkeit, sprachliche Äußerungen imKontext zu verstehen – Ironie, Humor, implizite oderübertragene Bedeutung – und sich an konventionelleGesprächsregeln zu halten – z. B. was die Redemenge,den Wechsel der Redebeiträge zwischen den Ge-sprächspartnern, das Berücksichtigen von Vorwissen,die Relevanz und die thematische Angemessenheit dereigenen Beiträge angeht. Eine weitere Folge neuro-psychologischer Beeinträchtigungen sind mangelhaf-te Organisationsstrukturen beim Produzieren von Tex-ten (mündlich oder schriftlich) – abrupte Themen-wechsel, Weitschweifigkeit, fehlende inhaltlichePräzision, Redundanz oder auch Auslassung wesentli-cher Details. Beim Textverstehen können in Abhän-gigkeit von Umfang, Vortragsgeschwindigkeit undAbstraktionsgrad Beeinträchtigungen auftreten; Zu-sammenhänge werden nicht erfasst und Inhalte falschgewichtet. Aphasietests bilden diese Art von Schwie-rigkeiten nicht ab. Für pragmatische Verhaltensauffäl-ligkeiten existieren Checklisten und Beobachtungs-skalen.

Therapie: Therapeutische Maßnahmen bei nicht-aphasischen Kommunikationsstörungen ergeben sichaus den individuellen Störungsmustern. Grundsätzlichorientieren sich Therapien pragmatischer Beeinträch-tigungen an den Methoden zur Therapie von Verhal-tensstörungen: Verbesserung des Störungsbewusst-seins, Rollenspiele und Feedback in der Gruppe, Erler-nen und Einsatz von Selbstkontrolltechniken.Methoden zur Verbesserung der textuellen Organisa-tion benutzen Strategien aus der Therapie exekutiverFunktionen und aus der Aphasietherapie mit Texten,die auf Vereinfachung, Anwendung klarer Schemata,Handlungskontrolle und Evaluation von Ergebnissenabzielen.

In der klinischen Praxis werden Diagnose und The-rapie von Sprach- und Kommunikationsstörungen tra-ditionell dem Aufgabenbereich der Sprachtherapie(Logopädie, Klinische Linguistik, Sprachheilpädago-gik etc.) zugerechnet. Man muss jedoch betonen, dasssich Sprache und Kommunikation nicht eindeutig vonden übrigen neuropsychologischen Funktionen ab-grenzen lassen und daher in den meisten Fällen eine

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enge Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen Neu-ropsychologie und Sprachtherapie erforderlich ist.

11. NeuropsychologischeFunktionsstörungen bei Kindern undJugendlichen

Diagnostik: Eine besondere Schwierigkeit bei der Ein-schätzung neuropsychologischer Defizite im Kindes-und Jugendalter stellt die hohe Entwicklungsvarianzdar und damit verbunden die Schwierigkeit, das aktu-elle Leistungsniveau zum (prämorbiden) Entwick-lungspotenzial in Beziehung zu setzen. Die Interpre-tation von diagnostischen Kennwerten bedarf deshalbimmer der besonderen Berücksichtigung des Entwick-lungsaspektes. Immer mehr Daten weisen darauf hin,dass die Funktionen des sich in Entwicklung befindli-chen kindlichen Gehirns nicht denen des adulten Ge-hirns entsprechen, sondern qualitativ und topografischunterschiedlich organisiert sind. Dies sollte auch beiAussagen über die Prognose von neuropsychologi-schen Funktionsstörungen im Kindes- und Jugendalterberücksichtigt werden.

Im Wesentlichen können zwei Zielsetzungen derneuropsychologischen Diagnostik bei Kindern und Ju-gendlichen unterschieden werden:

a) Status- und Verlaufsdiagnostik bei bekannter nach-gewiesener Hirnschädigung;

b) Abklärung, ob die Symptomatik als Folge einernicht-nachgewiesenen oder nicht-nachweisbarenHirnstrukturschädigung angesehen werden kannoder als Folge einer rein hirnfunktionell bedingtenpsychischen Störung erklärbar ist.

Bei der Beurteilung der neuropsychologischen Funk-tionsstörungen können computergestützte und Paper-Pencil-Verfahren eingesetzt werden, die durch ent-sprechende standardisierte und halbstandardisierteVerhaltensbeobachtungen, Exploration und anamnes-tische Daten ergänzt werden sollten. Neben der Erfas-sung der kognitiven Defizite sollte auf Grund der ho-hen Prävalenzraten von Verhaltensauffälligkeiten beiKindern und Jugendlichen mit neuropsychologischenDefiziten immer auch eine standardisierte psychopa-thologische Diagnostik erfolgen, bei der zumindestdie Fremdeinschätzung eines Elternteils oder einer na-hen Bezugsperson eingeholt wird.

Ferner sollte für die Einschätzung des aktuellen undprämorbiden Leistungsniveaus die Fremdbeurteilungeines Lehrers, der mit dem Kind vertraut ist, in diediagnostische Beurteilung einfließen.

Therapie: Während die Therapie im Erwachsenenalter

in der Regel die weitgehende oder vollständige Wie-derherstellung beeinträchtigter Fähigkeiten zum Zielhat, umfasst die Rehabilitation bei Kindern und Ju-gendlichen in der Regel auch eine Förderung des Ent-wicklungspotenzials. Deshalb wird bei der psycholo-gischen Behandlung häufig auch von «Entwicklungs-rehabilitation» gesprochen.

Folgende Behandlungsschwerpunkte sind auf derGrundlage der ausführlichen diagnostischen Untersu-chung zu unterscheiden:

a) Minderung neuropsychologischer Funktionsstörun-gen mit Hilfe von teilweise computergestütztenkindgerecht modifizierten Therapieprogrammen so-wie der Vermittlung von effektiven Kompensations-strategien;

b) Schulisch-berufliche Förderungs- und Wiederein-gliederungsmaßnahmen (durch entsprechende Ge-staltung von stimulierenden Lernumwelten), evtl.Einleitung von Umschulungs- oder beruflichen Re-habilitationsmaßnahmen;

c) Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten oder psy-chosozialen Beeinträchtigungen, insbesondere un-ter Einsatz von erprobten und als wirksam bestätig-ten lerntheoretisch fundierten Maßnahmen;

d) Elternberatung (insbesondere Unterstützung undAnleitung im alltäglichen Umgang mit neuropsy-chologischen Funktionsstörungen bei Kindern undJugendlichen). Dies erscheint auch deshalb so wich-tig, da die Rehabilitation nur dann erfolgreich seinkann, wenn die neu erlernten Kompensations- undBewältigungsstrategien konsequent im familiärenund sozialen Umfeld eingesetzt werden.

12. Demenzielle Syndrome

Eine Demenz ist ein Syndrom bestehend aus der er-worbenen Störung des Gedächtnisses und mindestenseiner weiteren kognitiven Funktion mit erheblicherBeeinträchtigung der Alltagsaktivitäten. Zusätzlichkönnen nicht-kognitive Symptome vorliegen (Persön-lichkeitsveränderungen, Depressivität und Angst, pro-duktiv-psychotische Symptome oder Verhaltensstö-rungen). Entsprechend der Internationalen Klassifika-tion psychischer Störungen (ICD-10) müssen für diezuverlässige klinische Diagnose einer Demenz die Be-einträchtigungen mindestens 6 Monate lang bestandenhaben. Zu möglichen Ursachen gehören u. a. neurode-generative Erkrankungen (z. B. Alzheimer-Krankheit,Frontotemporale Degenerationen), Gefäßerkrankun-gen (z. B. Multiinfarktdemenzen, Vaskuläre Demen-zen), infektiöse Erkrankungen (z. B. Morbus Creutz-feldt-Jakob, Neuroborreliose) und nutritiv-toxischeErkrankungen (z. B. chronischer Alkoholmissbrauch).

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Die mit Abstand häufigste Demenzform ist die derAlzheimer-Demenz.

Diagnostik: Da der Verlauf insbesondere der häufigenAlzheimer-Demenz in aller Regel schleichend progre-dient und eine Behandlung um so effektiver ist, je frü-her im Verlauf sie beginnen kann, liegt ein diagnosti-scher Schwerpunkt in der Früherkennung. Dabei ha-ben sich differenzierte neuropsychologischeUntersuchungsverfahren als besonders sensitiv erwie-sen. Weitere Aufgaben der Neuropsychologie liegen inder Verlaufsbeobachtung (siehe 6-Monats-Kriteriumnach ICD-10), in der Differenzialdiagnose, z. B. vonAlzheimer-Demenz vs. Frontotemporaler Demenzoder von Alzheimer-Demenz vs. kognitive Beein-trächtigungen im Rahmen einer Depression («Pseudo-demenz»), in der Bestimmung des Demenzschwere-grades und in der Erfassung von Ressourcen im Rah-men der Therapieplanung.

Der Umfang einer neuropsychologischen Untersu-chung bei Demenzverdacht variiert je nach Setting,Vorinformationen, Fragestellungen, Hypothesen, Be-lastbarkeit des Patienten und Demenzschweregrad.Eine neuropsychologische Untersuchung sollte ne-ben Anamnese, Fremdanamnese und Verhaltensbe-obachtung möglichst die Prüfung von Gedächtnis-funktionen, Aufmerksamkeitsfunktionen, visuo-kon-struktiven, sprachlichen, praktischen und exekutivenFunktionen umfassen. Screening-Verfahren könnenbei beginnender Demenz höchstens erste Verdachts-momente liefern; sie allein sind aufgrund ihrer alsmangelhaft zu beurteilenden Sensitivität jedoch kei-nesfalls ausreichend. Besser geeignet sind validierteTestbatterien (z. B. CERAD-NP bei V. a. Alzheimer-Demenz), die bei Bedarf hypothesengeleitet durchweitere, alters- und bildungsnormierte Testverfahrenergänzt werden sollten. Neben der kognitiven Symp-tomatik sollten auch die nicht-kognitiven Symptomeerfasst werden, da diese wesentlich zur Belastung derpflegenden Angehörigen beitragen. Außerdem solltenSkalen zur Schweregradbeurteilung bzw. zur Erfas-sung der Alltagskompetenz eingesetzt werden.

Alle Ergebnisse sind in den gesamtdiagnostischenProzess einzubetten und müssen vor dem Hintergrundder anamnestischen und fremdanamnestischen Anga-ben zu subjektiven Beschwerden, der individuellenKrankheitsgeschichte und aktuellen Lebenssituationund im Rahmen der neurologischen, neuroradiologi-schen und labordiagnostischen Befunde interpretiertwerden. Zur Integration der Gesamtbefunde ist einprofundes Hintergrundwissen um verschiedene De-menzursachen und ihre Erscheinungsformen Voraus-setzung.

Therapie: Die Art der einzusetzenden therapeutischenMaßnahmen hängt von der Demenzursache, der

Symptomatik, dem Krankheitsstadium und dem The-rapieziel ab. Eine Rückbildung der Kernsymptomatikwäre dabei ein unrealistisches Ziel. TherapeutischeMaßnahmen haben vielmehr auf eine Verbesserungder Lebensqualität des Betroffenen und seiner Ange-hörigen abzuzielen. So kann beispielsweise angestrebtwerden, erhaltene kognitive Fähigkeiten möglichst gutzu nutzen und Defizite zu kompensieren, die längst-mögliche Teilnahme am sozialen Leben und an geeig-neten Aktivitäten zu fördern, das Selbstwertgefühl zustärken, psychopathologische und psychovegetativeSymptome zu reduzieren (z. B. Depressivität, Antrieb,Unruhe, Aggressivität, Schlaflosigkeit etc.) oder um-schriebene Verhaltensprobleme zu bearbeiten. Hin-sichtlich der Behandlungsmaßnahmen empfiehlt sicheine Kombination von psychologischen Interventio-nen, medikamentöser Behandlung und Angehörigen-arbeit. Unter den psychologischen Behandlungsansät-zen sind insbesondere die Selbsterhaltungstherapie(SET) und das Verhaltenstherapeutische Kompetenz-training (VKT) hervorzuheben. Die SET beinhaltetu. a. die gezielte Beschäftigung des jeweiligen Patien-ten mit seinen relevanten biografischen Erinnerungenund Wissensinhalten sowie die Einleitung individuellabgestimmter Aktivitäten und unterstützender Um-gangsformen auf der Basis seiner Ressourcen, Defizi-te und Interessen. Darüber hinaus werden die Angehö-rigen oder Betreuenden in der Fortsetzung dieser Maß-nahmen angeleitet und unterstützt. Das VKT bedientsich bekannter Bausteine aus der Verhaltenstherapiewie beispielsweise der Erstellung einer Verhaltensana-lyse, des Aktivitätenaufbaus und der Modifikationdysfunktionaler Kognitionen. Die medikamentöseBehandlung hat häufig neben der antidementiven The-rapie auch die pharmakologische Behandlung vonPsychopathologie, Bewegungsstörungen und somati-schen Risikofaktoren zu umfassen. In der Angehöri-genarbeit sind unter anderem psychoedukative Hilfe-stellungen, die Vermittlung von Verständnis für dieveränderte Erlebenswelt des Patienten und von güns-tigen Umgangsformen sowie die vorbehaltlose Akzep-tanz äußerer Entlastung durch Angehörigengruppen,Pflegedienste und dergleichen bedeutsam.

13. NeuropsychologischeFunktionsstörungen bei primärpsychischen Störungen

Da mittlerweile bei fast allen psychischen Erkrankun-gen Störungen der Hirnfunktionen nachgewiesen wer-den konnten, könnte man diesen Absatz als redundantansehen. Traditionell unterscheiden jedoch immernoch viele Fachleute psychische Störungen mit primä-rer Hirnorganik (F0 im ICD-10) von primär psychi-

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schen Störungen wie der Schizophrenie (F20 im ICD-10) und der Depression (F30 im ICD-10). Wissen-schaftlich zwar nicht mehr haltbar, hilft diese Unter-scheidung immer noch, diagnostische und therapeuti-sche Schwerpunkte zu formulieren.

Diagnostik: Die meisten psychischen Störungen, spe-ziell jedoch die Schizophrenie und die Depression, ge-hen mit kognitiven Beeinträchtigungen einher, diesich u. a. auf die aktuelle Arbeitsfähigkeit, den Thera-pieverlauf und die Wiederherstellung der Arbeitsfä-higkeit in der Rehabilitation auswirken. Im Gegensatzzu den kognitiven Defiziten von Patienten mit neuro-logischen Erkrankungen, deren kognitive Funktions-ausfälle bestimmten Läsionen von Hirnarealen zuzu-ordnen sind, scheint es bei psychischen Erkrankungeneher zu Veränderungen komplexer neuronaler Netz-werke zu kommen, wobei der Zusammenhang zwi-schen Hirnfunktion und Kognition oftmals diffusbleibt. Während neurologische Erkrankungen häufigschwere Funktionsausfälle in Teilbereichen nach sichziehen, die weit unter der Durchschnittsnorm liegen,ist die Variabilität kognitiver Defizite bei psychischenErkrankungen eher hoch und liegt der Grad der Leis-tungsbeeinträchtigung bei nicht mehr als zwei Stan-dardabweichungen unter der Altersnorm.

Bei der Depression sind insbesondere Flexibilitätund Lernvermögen bzw. Neugedächtnis betroffen, aberauch exekutive Funktionen und Aufmerksamkeitsfunk-tionen. Der Abgrenzung von demenziellen Erkrankun-gen kommt dabei eine besondere diagnostische Bedeu-tung zu, weil die kognitiven Leistungen gerade bei äl-teren depressiven Patienten eingeschränkt sind. Bei derSchizophrenie sind die gleichen neuropsychologischenFunktionen wie bei der Depression meist jedoch nochdeutlich stärker betroffen. Des Weiteren wird eine Be-einträchtigung des Arbeitsgedächtnisses diskutiert. Dieneuropsychologischen Auffälligkeiten finden sich frühim Erkrankungsverlauf, sind meist mit der Minus-Symptomatik korreliert und wichtige Prädiktoren fürdie Rehabilitationsmöglichkeiten. Der neuropsycholo-gischen Diagnostik von Abhängigkeitserkrankungenkommt eine besondere Bedeutung zu, da zwischen am-nestischen Syndromen, demenziellen Entwicklungenund prolongierten Entgiftungssymptomen zu entschei-den ist, und die Behandlungsplanung auf eine korrekteDiagnose angewiesen ist. Insofern ist insbesondere dieDiagnostik von Lern- und Gedächtnisleistungen zent-ral. Abhängigkeitskranke ohne amnestisches Syndromzeigen häufig Beeinträchtigungen exekutiver Funktio-nen, die in ganz erheblichem Maße die Abstinenzfähig-keit beeinflussen. Für einzelne Persönlichkeitsstörun-gen, wie z. B. die Borderline-Persönlichkeitsstörungsind ebenfalls neuropsychologische Defizite nachge-wiesen, jedoch scheinen diese sehr geringgradig auszu-fallen.

Für die neuropsychologische Untersuchung psychi-scher Störungen kommen eher Testverfahren mit mitt-lerer bis hoher Schwierigkeit und guter Normierungzum Einsatz. Der Diagnostik neuropsychologischerSyndrome wie z. B. Aphasie oder Apraxie kommt imklinischen Alltag eher eine untergeordnete Bedeutungzu (Ausnahme Demenzdiagnostik). Weiterhin ist zubeachten, dass aufgrund der hohen psychischen Belas-tung psychisch erkrankter Patienten eher Verfahren zuempfehlen sind, die ein geringes Frustrationspotenzialaufweisen.

Therapie: Hauptbehandlungsverfahren bei psychi-schen Störungen sind die Psychotherapie und diePharmakotherapie. Neuropsychologische Behand-lungsverfahren für die kognitiven Defizite bei psychi-schen Störungen sind bisher im deutschen Sprach-raum wenig bis gar nicht evaluiert. Aus dem anglo-amerikanischen Bereich kommen immer wiederEvaluationsstudien, die die neuropsychologischeTherapie kognitiver Störungen, z. B. bei schizophrenErkrankten als effektiv beurteilen und die Anwen-dung empfehlen lassen. Dabei geht es wie in anderenBereichen der Neuropsychologie um spezifische The-rapien von z. B. Gedächtnisfunktionen und exekuti-ven Funktionen und nicht um bereichsunspezifischecomputerisierte Programme ohne diagnostische Füh-rung, wie sie inzwischen in der Ergotherapie behei-matet sind. Weiterhin gilt im Wesentlichen für diePlanung und Durchführung der Therapien das gleichewie in den Leitlinien unter Aufmerksamkeits-, Ge-dächtnisstörung und Störung von exekutiven Funk-tionen ausgeführt.

14. Neuropsychologische Beurteilung undTherapie der Fahreignung

Diagnostik: Bei der Beurteilung der Fahreignunghirngeschädigter Patienten müssen der fachärztlichemedizinische Status (neurologisch, ophthalmolo-gisch, internistisch), die Befunde der neuropsycholo-gischen Funktionsdiagnostik und das Ergebnis einerstandardisierten praktischen Fahrprobe berücksich-tigt werden. Aus dem medizinischen Status ergebensich Informationen über das Vorliegen von Gesund-heitsstörungen oder therapiebedingten Einschränkun-gen, welche die Fahreignung ausschließen (anfallsar-tige Störungen des Bewusstseins, Gesichtsfelddefek-te, erhöhtes Hirn- oder Herzinfarktrisiko, nichtausreichend kontrollierbarer Diabetes mellitus, be-stimmte Psychopharmaka u. a.) oder über Beeinträch-tigungen, die eine bedingte Fahreignung (mit «Be-schränkungen» und/oder «Auflagen») begründen.Unter den Befunden der neuropsychologischen Funk-tionsdiagnostik sind insbesondere die Leistungen der

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Aufmerksamkeit, Reaktionsfähigkeit, visuellen Auf-fassung und Orientierung und der Umstellungsfähig-keit relevant, aber auch Beobachtungen über die in-tellektuelle und affektive Verhaltenskontrolle. Übereine standardisierte praktische Fahrprobe kann dieMöglichkeit der Kompensation von Funktionsdefizi-ten oder auch die fahreignungseinschränkende Wir-kung nicht erkannter Störungen oder einer Kumula-tion von Leistungsschwächen erfasst werden.

Therapie: Die Wiederherstellung der Fahreignungkann in vielen Fällen durch Übungen mit Fahrsimu-latoren und/oder eine praktische Fahrschulung er-reicht werden. Störungsspezifische Therapiepro-gramme können ebenfalls eingesetzt werden. Zur Be-urteilung des Therapieerfolgs muss eine erneutepraktische Fahrprobe vorgenommen werden.

15. Ziele und Vorgehensweise in derneuropsychologischen Diagnostik

Ziel der neuropsychologischen Diagnostik ist die Erfas-sung und Objektivierung von kognitiven und affektivenFunktionsstörungen nach einer Hirnfunktionsstörungoder Hirnschädigung und ggf. der emotionalen Reaktio-nen des Patienten auf diese Störungen. Das Vorgehenorientiert sich einerseits an allgemeinen Kriterien derpsychologischen Diagnostik und andererseits an denmedizinischen, insbesondere neurologischen und psy-chiatrischen, internistischen und umweltmedizinischen,neuroradiologischen und elektrophysiologischen Infor-mationen der vermuteten oder verifizierten zerebralenFunktionsstörung oder Schädigung des Patienten sowiean der jeweiligen spezifischen Fragestellung (z. B. Dar-stellung des aktuellen Funktionszustands, Verlaufsun-tersuchung, Planung und Evaluation von Behandlungs-maßnahmen, gutachterliche Stellungnahme).

Der diagnostisch tätige klinische Neuropsychologemuss daher grundlegende Kenntnisse sowohl in psy-chologischer Testtheorie und psychologisch-diagnos-tischer Vorgehensweise als auch in Grundzügen derNeurologie und Psychiatrie, funktionellen Neuroana-tomie, je nach Fragestellung auch in Psychopharma-kologie und Neurotoxikologie besitzen, um eine neu-ropsychologische Untersuchung eines Patienten ent-sprechend der jeweiligen Fragestellung planen unddie Ergebnisse psychometrisch und inhaltlich richtiginterpretieren zu können. Diese Kombination von Vo-raussetzungen erfüllen in der Regel nur Diplom-Psy-chologen mit einer postgradualen Ausbildung in Kli-nischer Neuropsychologie (siehe 21.).

Aufgaben der neuropsychologischen Diagnostik

a) Feststellung des aktuellen kognitiven und affektivenZustandes sowie ggf. der Auswirkungen auf dasVerhalten hinsichtlich:• basaler und höherer Wahrnehmungsleistungen• Aufmerksamkeitsleistungen• Gedächtnisfunktionen• Planungs- und Kontrollfunktionen («exekutive

Funktionen»)• Sprache• sensomotorischer Leistungen und motorischer Pla-

nung• räumlich-perzeptiver, räumlich-kognitiver und

räumlich-konstruktiver Leistungen• Zahlenverarbeitung und Rechenleistungen• des intellektuellen Niveaus und Leistungsprofils

(aggregierte Kompetenz)• berufsabhängiger Fertigkeiten und domänenspezi-

fischen Wissens• Affektivität und Persönlichkeit

b) Objektivierung von Funktionsbeeinträchtigungenc) Verlaufsuntersuchungend) Begutachtungen

Vorgehensweise

Komponenten und Schritte des diagnostischen Prozes-ses:

– Vorbefunde– Fragestellung– Anamnese und Exploration (ggf. Fremdanamnese),

erste Verhaltensbeobachtungen– Planung und Durchführung der neuropsychologi-

schen Untersuchung– Erfassung ggf. die Testdurchführung oder die Ergeb-

nisse beeinflussender Faktoren– Verhaltensbeobachtung– Feststellung von Aggravation und Simulation bei der

neuropsychologischen Diagnostik– Analyse und Interpretation der Untersuchungsergeb-

nisse– Dokumentation der Ergebnisse in Befundberichten

oder Gutachten

Ggf. müssen einzelne Komponenten und Schrittemehrfach durchlaufen werden, weil anfänglich unge-nügende und fehlerhafte Informationen vorgelegenhaben können.

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Erstellung von neuropsychologischen Berichten

1. Der klinische neuropsychologische Bericht hat fol-gende funktionellen Hauptdimensionen:• Fachliche Dokumentation aller relevanten Infor-

mationen im Rahmen der neuropsychologischenBehandlung

• Zentrales Steuerungselement im Prozess der Pa-tientenbehandlung

• Dokumentation der Dienstleistung im Gesund-heitssystem

• Außendarstellung qualifizierter neuropsychologi-scher Tätigkeit

• Bezugssystem der internen Arbeitsorganisation.2. Die Konzeption des Berichtes ist abhängig von fol-

genden Faktoren:• der zugrunde liegenden Fragestellung,• dem Adressaten (ggf. vom Kostenträger und des-

sen Zielvorgaben),• der Art der Untersuchung bzw. der Behandlung des

Patienten,• dem Setting, in dem die Diagnostik- und/oder Be-

handlungsleistung erbracht wird,• den Rahmenbedingungen und den Vorgaben von

Seiten der Institution,• dem kommunikativen Ziel, das mit dem Bericht

erreicht werden soll.3. Als Leitlinie für die Berichtsstruktur werden folgen-

de übergeordnete Gliederungspunkte vorgeschlagen:a) Vorbefundeb) Untersuchungsplanung und -befundec) Rehabilitationsziele und Therapieplanungd) Therapie und Verlaufe) Rehabilitationsergebnis und Evaluation der Maß-

nahmenf) Beiträge zur sozialmedizinischen Beurteilung aus

neuropsychologischer Sichtg) Nachsorgeplanung, weitere Empfehlungenh) Zusammenfassung

Auf der Basis dieser empfohlenen Maximalsammlungsind individuell diejenigen Gliederungspunkte auszu-wählen, die der Bericht enthalten soll, um der ziel- undkontextorientierten Intention möglichst nahe zu kom-men.

Erstellung von neuropsychologischenGutachten

Der Gutachter hat zu prüfen, ob der Gutachtenauftragin seinen Kompetenzbereich fällt und sich bewusst zumachen, welche Entscheidungen durch sein Gutachtenvorbereitet werden. Fragestellungen, Zeit- und Kos-tenrahmen sind mit dem Auftraggeber zu klären. An-

schließend wird die zu begutachtende Person schrift-lich zur gutachterlichen Untersuchung bestellt. Diegutachterliche Untersuchung umfasst eine ausführli-che Exploration, eine Anamnese, ggf. Fremdanamneseund eine Verhaltensbeobachtung sowie die Untersu-chung von Hirnfunktionen mittels anerkannter psy-chometrischer Testverfahren. Im Einzelnen sind dabeiWahrnehmungsfunktionen, Aufmerksamkeit, Lernenund Gedächtnis, Exekutivfunktionen, Raumverarbei-tung, Sprache und Sprechen, Verhalten und Persön-lichkeit zu berücksichtigen (siehe Leitlinien zu denspezifischen Funktionsbereichen). Der schriftlicheAufbau des Gutachtens umfasst den Gutachtenkopf,die Fragestellung des Gutachtens, die Aktenlage, dieDarstellung der neuropsychologischen Untersu-chungsbefunde, die Diskussion der Befunde, eine Zu-sammenfassung. In der Diskussion der Befundekommt der Gutachter unter kritischer Würdigung allervorliegenden Daten zur Beantwortung der Gutachten-fragen. Das Gutachten wird vom Autor unterschrie-ben.

16. Therapieplanung und -methoden

Diagnostik: Grundlage neuropsychologischer Thera-pieplanung ist eine differenzierte Diagnostik, welchedie mit neuropsychologischen Störungen typischer-weise verbundene mehrdimensionale Problemkonstel-lation einschließlich ihrer Wechselwirkungen abbil-det. Sie ist individuell und umfasst eine in Bezug auferkrankungs- und persönlichkeitsspezifische Hinter-gründe hypothesengeleitete Problemanalyse in folgen-den Schritten:

a) Anamneseb) Explorationc) Funktionsdiagnostikd) Diagnostik alltagsrelevanten Verhaltense) Analyse integrationsrelevanter Merkmale des Le-

bensumfelds

Therapie: Im Rahmen der jeweiligen individuellenund institutionellen Möglichkeiten sollten die thera-peutischen Zielsetzungen und die Behandlungsmetho-den reale Bezugspunkte zur Lebenssituation des Pa-tienten aufweisen. Entsprechend der Problemkonstel-lation ist auch das Therapiekonzept multidimensionalangelegt und integriert grundsätzlich folgende Be-handlungselemente:

a) Verbesserung von Leistungsstörungen durch stimu-lierende, auf Restitution abzielende Methoden

b) Kompensation von Leistungseinschränkungendurch das Nutzen individueller Stärken, die Vermitt-

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lung neuer Strategien und die Umstrukturierung derUmwelt.

c) Förderung der Krankheitsverarbeitung und Behand-lung psychoreaktiver Störungen durch einsichts-orientierte und auf Verhaltensänderung abzielendeMethoden, die im Hinblick auf die neuropsycholo-gisch-kognitiven Einschränkungen angepasst sind.

d) milieutherapeutische Verfahren zur Integrationfunktionsorientierter und alltagspraktischer Thera-pieinhalte, zur Beratung und Entlastung relevanterBezugspersonen sowie zur Optimierung der All-tagsgestaltung im Hinblick auf die (noch) verbliebe-nen Defizite

Verfahrensspezifische Verlaufskontrollen überprüfenund optimieren das Vorgehen. NeuropsychologischeTherapieplanung steht folglich nicht nur am Anfangeiner Behandlung, sondern begleitet, kontrolliert undmodifiziert diese kontinuierlich.

17. Frührehabilitation

Durch den Fortschritt der Notfallmedizin überlebenMenschen mit schwersten Hirnschädigungen, die in derFrührehabilitation behandelt werden. Neben Patientenmit neuen Störungsbildern (Wachkoma, Remission desapallischen Syndroms) betrifft dies wache Patienten mitschweren Behinderungen inAlltagshandlungen undmo-bile Patienten mit akuten schweren Störungen der höhe-ren kognitiven Funktionen, der Orientierung und desVerhaltens. Der frühe Behandlungszeitpunkt zusammenmit dem Schweregrad der Störungen erfordert ein be-sonderes Vorgehen in Diagnostik und Therapie und eineenge Zusammenarbeit im interdisziplinären Team sowiemit den Angehörigen.

Diagnostik: Im Mittelpunkt der Diagnostik (Ersterfas-sung) steht die Identifikation erhaltener Leistungs-und Kompetenzbereiche, um Interpretationssicherheitfür die Befundung der gestörten Einzelleistungen zugewinnen und Ressourcen des Patienten für den The-rapiebeginn aufzudecken. Ausgehend vom Gesamtzu-stand des Patienten werden zunächst Sinnesreaktionenund Kommunikationsfähigkeit abgeprüft, danach spe-zifische kognitive Leistungen beginnend auf einfachs-tem «Alltagsniveau». Die starke Belastbarkeitsminde-rung (z. B. rasche Ermüdbarkeit, vegetative Instabili-tät) und motorische Behinderungen kennzeichnen einebesondere Untersuchungssituation, die oftmals im Pa-tientenzimmer stattfindet und dafür geeignetes Unter-suchungsmaterial erfordert. Zur Untersuchung könneneingesetzt werden:

1. Verhaltensbeobachtungen und deskriptive Rating-Skalen (z. B. Koma-Remissions-Skalen, ADL- und

Handlungskompetenz-Skalen) bei komatösen undschwer bewusstseinsgestörten Patienten als Ver-laufsbeobachtung,

2. zentralnervöse elektrophysiologische Messvariab-len wie evozierte Potenziale sowie peripher-physio-logische Maße wie Hautleitfähigkeit, Herzfrequenzund Muskelaktivität bei komatösen und schwer be-wusstseinsgestörten Patienten,

3. körpergestützte und externe Hilfsmittel zur Kommu-nikation («Ja/Nein») z. B. bei minimal responsivenPatienten,

4. orientierende Einzelaufgaben und standardisierteScreeningverfahren (z. B. Bedside-Screenings) beiwachen, stark belastungsgeminderten Patienten,

5. normierte Testverfahren bei Patienten mit entspre-chendem Leistungsvermögen.

Frührehabilitative Patienten sind in besonderem Maßeauf adaptierte Instruktionsformen (verbal und nonver-bal) und Lösungsmöglichkeiten (z. B. nonverbalesMultiple-Choice) angewiesen, wobei Einschränkun-gen wie Neglekt, Hemiplegie oder Aphasie schonbeim Aufgabendesign zu berücksichtigen sind. Aufzeitkritische Bewertungen und Speed-Tests (Ausnah-me: Aufmerksamkeitsdiagnostik) sollte in der Früh-phase verzichtet werden.

Therapie: Die Förderung der Wachheit, Belastbarkeit,Kommunikations- und Handlungsfähigkeit steht imFokus der frühen Therapieziele, in der Regel in engerZusammenarbeit mit anderen Therapieangeboten desinterdisziplinären Teams. Mit ausreichender Vigilanzund Belastbarkeit rücken störungsspezifische neuro-psychologische Therapien in den Mittelpunkt, beglei-tet durch psychotherapeutische Gespräche zur einset-zenden Orientierung, Krankheitsbewältigung undIdentitätsfindung. Neuropsychologische Therapie fin-det in der Frührehabilitation in der Regel als Einzel-therapie statt. Zur Therapie können eingesetzt werden:

1. Dialogaufbau, Interaktions- und Kommunikations-anbahnung, sensorische Stimulation bei komatösen,schwer bewusstseinsgestörten und minimal respon-siven Patienten z. B. unter Einsatz von Kommunika-tions- und Zeichentafeln, elektronischen oder kör-pergestützten Kommunikationshilfen,

2. störungsspezifische Therapien mit an die Belastbar-keits- und Tempominderung adaptierten Verfahrenbei wachen Patienten mit Behinderungen und multi-plen kognitiven Störungen,

3. tagesstrukturierende Hilfen und Orientierungstrai-ning, Gedächtnishilfen, Gesprächsgruppen und in-terdisziplinäre Projektgruppen, verhaltenstherapeu-tische oder milieutherapeutische Programme beimobilen Patienten mit schweren alltagsrelevanten

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Page 14: Leitlinien der Gesellschaft für neuropsychologische ... arbeitung visueller, akustischer oder somatosensori-scher Reize ist. Es muss also ausgeschlossen werden, dass der Patient auf

Störungen der höheren kognitiven Funktionen unddes Verhaltens,

4. Einzeltherapie zur Krankheitsverarbeitung, Verhal-tenssteuerung und Identitätsfindung sowie zumAufbau einer Zukunftsperspektive bzw. zur Rehabi-litationsplanung.

Angehörigenberatung: Das traumatische Ereignis ei-ner erworbenen Hirnschädigung trifft Angehörigeebenso unvorbereitet wie Patienten. Die frühe Bera-tung der Angehörigen bezieht sich auf das Verständnisdes neuropsychologischen Krankheitsbildes und sei-ner Rehabilitation, auf den eigenen Umgang mit demangehörigen Patienten sowie auf die Bewältigung derneuen familiären und sozialen Belastungssituation. Indieser Phase ist ein vorsichtiger Umgang mit progno-stischen Aussagen geboten, im Vordergrund stehenemotional stützende und aktuell beratende Betreu-ungsangebote.

18. Stationäre neuropsychologischeVersorgung

1. Tätigkeitsbereiche eines Neuropsychologenin einer neurologischen Rehabilitationsklinik

– Diagnostik kognitiver Störungen– Diagnostik hirnorganisch bedingter Verhaltensstö-

rungen und Persönlichkeitsänderungen– Allgemeine psychopathologische Diagnostik– Neuropsychologische Funktionstherapie kognitiver

Störungen– Verhaltensmodifikation und lerntheoretisch fundier-

te Therapie zur Beeinflussung hirnorganisch beding-ter Verhaltensstörungen und Persönlichkeitsände-rungen

– Durchführung von Entspannungsverfahren (z. B.PMR, AT, Hypnotherapie)

– Entwicklung eines poststationären Behandlungs-konzepts und Organisation weiterführender Maß-nahmen («case-management», z. B. Organisation ei-ner ambulanten neuropsychologischen Behandlung,Einleitung eines therapeutischen Arbeitsversuches)

– Psychologische Unterstützung bei der Krankheits-verarbeitung (Einzelgespräche, Gesprächsgruppen,Krisenintervention)

– Betreuung der Angehörigen hirngeschädigter Pa-tienten unter Anwendung systemisch-familienthera-peutischer Techniken

– Einschätzung der Fahreignung und Beratung des Pa-tienten und seiner Angehörigen

– Erstellen neuropsychologischer Befundberichte imTherapieverlauf

– Erstellung von Gutachten (z. B. zur neuropsycholo-

gischen Einschätzung der Erwerbs- oder Berufsfä-higkeit)

– Durchführung fachübergreifender Fortbildungenund Schulungen

– Entwicklung und Evaluation neuropsychologischerTest- und Therapieverfahren

2. Diagnostische und therapeutischeAusstattung

– Für die Diagnostik ist eine Ausstattung mit den vonder Gesellschaft für Neuropsychologie empfohlenenTestverfahren erforderlich. Hierzu gehören compu-tergestützte Messverfahren, Papier-Bleistift-Tests,Fragebogen, Beurteilungsskalen, experimentelleTestverfahren.

– Für die Diagnostik und Therapie sind je nach Anzahlder zu behandelnden Patienten folgende Räume not-wendig:• Untersuchungs- und Behandlungszimmer für den

Neuropsychologen• Gruppenräume (z. B. Gedächtnisgruppen, Ge-

sprächsgruppen, Entspannungsgruppen)• Abdunkelbarer Untersuchungsraum für die Diag-

nostik visueller Störungen und Durchführung ei-nes visuellen Explorationstrainings

– Weitere Materialien zur Diagnostik und Therapie:– PC, Drucker zur Durchführung computergestützter

Test- und Therapieverfahren– Videoausrüstung (TV, Videogerät, Filmkamera)– Overhead, Beamer oder Diaprojektor

3. Personelle Ausstattung

1 Psychologe/20 Patienten der Phase B1 Psychologe/20 Patienten der Phasen C und D

4. Fortbildung und Supervision

– Mindestens eine Stunde inter- oder intradisziplinäreFortbildung/Woche

– Für Ausbildungskandidaten eine Stunde Supervi-sion/Woche durch einen zertifizierten Neuropsycho-logen

5. Dokumentation

– Hypothesengeleitete Diagnostik und Befundung beiAufnahme

– Dokumentation aller durchgeführten Therapiemaß-nahmen

– Verlaufsdiagnostik

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– Neuropsychologischer Befundbericht bei Entlas-sung

19. Ambulante Therapie

Die bisher dargestellten Aspekte der neuropsychologi-schen Diagnostik und Therapie gelten im Wesentli-chen auch für das ambulante Setting. Ergänzend habenErgebnisse der Therapieforschung gezeigt, dass einTransfer des in der stationären Therapie Gelernten aufnatürliche Lebenssituationen von hirngeschädigtenPatienten in der Regel nicht selbstständig geleistetwerden kann. Vielmehr benötigen sie wie in der Regelauch ihre Bezugspersonen therapeutische Hilfestel-lung bei der Adaptation ihrer Lebensgestaltung an diekrankheitsbedingt veränderten Möglichkeiten.

Mehr als jedes andere Therapiesetting ermöglichteine ambulante Praxis den direkten Bezug auf Anfor-derungen der individuellen Lebenssituation und dieEinbeziehung des psychosozialen Umfelds.

Vorrangige Aufgabe des ambulanten neuropsycho-logischen Behandlungsangebots ist es daher, den Pa-tienten bei seinem Übergang aus der stationären Be-handlung in seinen Alltag mit den Mitteln der klini-schen Neuropsychologie zu unterstützen und die imRahmen der stationären neuropsychologischen Be-handlung erreichten Behandlungseffekte langfristig zukonsolidieren.

Die neuropsychologische Therapie im ambulantenBereich ist noch akzentuierter als die Therapie im sta-tionären Bereich durch folgende Merkmale gekenn-zeichnet:

– Alltagsrelevante Behandlungsziele– Ganzheitliches und individuelles Behandlungskon-

zept mit einer Betonung bewältigungsorientierter,also kompensatorischer und milieutherapeutischerMaßnahmen (ggf. auch Fortführung restitutorischerBehandlung bei bestehendem Genesungspotenzial)

– Optimierte Nutzung persönlicher und sozialer Res-sourcen durch weitgehenden Erhalt früherer Ge-wohnheiten und gewachsener sozialer Beziehungen

– Einbeziehung der Angehörigen in den therapeuti-schen Prozess, um zu gewährleisten, dass Überfor-derungssituationen vermieden und die im Rahmender Behandlung vermittelten Strategien im häusli-chen Bereich umgesetzt werden.

– Interdisziplinäre Kooperation mit den Ärzten undTherapeuten aus dem stationären Setting sowie mitambulanten Netzwerken (niedergelassener Nerven-arzt, Hausarzt, niedergelassene Therapeuten)

– Aufbau und Betreuung des sozialen Netzwerkes

20. Berufliche Wiedereingliederung1

Diagnostik: Die diagnostisch zu klärenden Fragestel-lungen beziehen sich auf die berufliche Eignung, dieFeststellung von Interventionsbedarf vor und währendder beruflichen Wiedereingliederung sowie die Ver-laufskontrolle berufsbezogener Therapiemaßnahmenund ihre abschließende Beurteilung inkl. des sozial-rechtlichen Status (MdE, GdB). Neben den spezifischneuropsychologischen Verfahren erfordert dies auchden – adaptierten – Einsatz allgemeiner Verfahren ausder beruflichen Rehabilitation bzw. der beruflichenLeistungsdiagnostik.

Unterschieden werden können status- vs. prozess-bezogene Diagnostik sowie ihre gutachterliche odertherapieorientierte Ausrichtung.– Statusdiagnostik: Hierbei handelt es sich um die Ana-

lyse von Fähigkeits- und Anforderungsprofilen zurBeurteilung der kognitiven, emotional-motivationa-len und verhaltensbezogenen Leistungsvoraussetzun-gen im Hinblick auf die Charakteristika bestimmterAusbildungen, Tätigkeitsbereiche oder eines be-stimmten Arbeitsplatzes sowie die therapieorientierteAnalyse der kognitiven, emotional-motivationalenund verhaltensbezogenen Störungen sowie der Res-sourcen zur Beurteilung der Behandlungsindikationund -prognose.

– Prozessdiagnostik: Von Prozessdiagnostik sprichtman bei einer Verlaufsdiagnostik im Rahmen einertherapeutisch unterstützten beruflichen Wiederein-gliederungsmaßnahme; dabei werden die quantitati-ve und qualitative Arbeitsleistung, das Arbeitsver-halten und die sog. Schlüsselqualifikationen unterEinbeziehung spezifisch neuropsychologischer Be-funde und systemischer Faktoren am Arbeitsplatzbeurteilt. Des Weiteren sollte eine Verlaufsdiagnos-tik zur Beurteilung von Arbeitserprobungen oder zurFeststellung dynamischer Aspekte verbliebener neu-ropsychologischer Defizite bei Auftreten von Prob-lemen nach erfolgter beruflicher Wiedereingliede-rung durchgeführt werden.

Interventionen: Zur Vorbereitung, Durchführung oderBegleitung beruflicher Rehabilitationsmaßnahmenkönnen erfolgen:

1. außerbetriebliche Interventionen: Darunter fallenübende Verfahren in ausgesuchten basalen oder be-rufsbezogenen Leistungsbereichen, die Erarbeitungund vorbereitende Erprobung spezifischer Kompen-sationsstrategien, der Aufbau sozialer Kompeten-zen, die Förderung der erforderlichen psychischenAdaptation und die Therapie psychoreaktiver Stö-rungen wie Angst und Depression.

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1 Die berufliche Rehabilitation ist gegenwärtig überwiegend dem stationären Setting vorbehalten.

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2. innerbetriebliche Interventionen: Dies umfasst dieErarbeitung und Vermittlung (störungs-)spezifi-scher Arbeitsstrategien, die Beratung und Unterstüt-zung des kollegialen Umfelds (Schwerpunkt Kom-munikation) sowie die Beratung und Unterstützungder Arbeitgeber (Schwerpunkt Organisation).

Neuropsychologisches Case-Management:

Eine Kooperation mit Ärzten, Therapeuten, Fachkräf-ten der beruflichen Rehabilitation aus berufsbegleiten-den Diensten, Arbeitsämtern, Berufsförderungswer-ken in Bezug auf die berufliche Zielsetzung wird an-gestrebt. Dabei ist die Aufgabe die Koordination, ggf.Initiierung der fachübergreifenden Unterstützung derberuflichen Rehabilitation und die Beratung und ggf.Betreuung des psychosozialen Umfelds.

21. Regelungen zur Ausbildung inKlinischer Neuropsychologie

Für die berufliche Qualifikation als Klinischer Neuro-psychologe ist gegenwärtig neben einem Diplom inPsychologie (bzw. einem vergleichbaren universitärenAbschluss; in Bälde wahrscheinlich einem Master in

Psychologie) eine postgraduale Weiterbildung ent-sprechend dem von der GNP und der GemeinsamenKommission Klinische Neuropsychologie (GKKN)entwickelten Curriculum sowie eine vollzeitige drei-jährige praktische klinische Ausbildung in einer akkre-ditierten Institution erforderlich (Gesellschaft für Neu-ropsychologie GNP, 1995; Gemeinsame KommissionKlinische Neuropsychologie GKKN, 1996).

Sofern in Zukunft die eigenständige Ausübung vonHeilkunde auch auf dem Gebiet der klinischen Neuro-psychologie angestrebt wird, wird wahrscheinlich dieAusbildung zum Psychologischen Psychotherapeutenmit einer Weiterbildung in Klinischer Neuropsycholo-gie nach den durch GNP und GKKN vorgegebenenRichtlinien verbindliche Voraussetzung sein. Hierüberbefindet jedoch nicht allein die GNP. Außer mit denspezifischen neuropsychologischen Lehrinhalten ma-chen sich Klinische Neuropsychologen während die-ser Weiterbildung auch mit neurologischen Krank-heitsbildern und psychischen Störungen, die mit nach-weisbaren Hirnfunktionsstörungen assoziiert sind,vertraut. Die rasche Weiterentwicklung der Neurowis-senschaften macht eine regelmäßige berufsbegleiten-de Weiterbildung unerlässlich, in der jedoch auch dieneuesten Erkenntnisse aus der gesamten Psychologieund die relevante Rechtslage berücksichtigt werdenmüssen.

AnhangExemplarische Darstellung ausgewählter Therapiestu-dien (vorrangig Therapiestudien zur Effektivität vonauf Kompensation ausgerichteten neuropsychologi-schen Interventionen, alphabetisch geordnet)

Die Einschätzung der Evidenzklassen orientiertsich an der Evidenzhierarchie der Agency for HealthCare Policy and Quality (AHCPQ), ehemals Agencyfor Health Care Policy and Research (AHCPR):

Stufe Evidenz-Typ

I a wenigstens ein systematischer Review auf derBasis methodisch hochwertiger kontrollierter,randomisierter Studien (Randomized ControlledTrial = RCT)

I b wenigstens ein ausreichend großer, methodischhochwertiger RCT

II a wenigstens eine hochwertige Studie ohne Rando-misierung

II b wenigstens eine hochwertige Studie eines ande-ren Typs quasiexperimenteller Studien

III mehr als eine methodisch hochwertige nichtexpe-rimentelle Studie

IV Meinungen und Überzeugungen von angesehe-nen Autoritäten (aus klinischer Erfahrung); Ex-pertenkommissionen; beschreibende Studien

Von einer Unterteilung innerhalb der Stufen I–IV (z. B. IIa)wurde abgesehen.

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Autoren und Titel der Studie Ben-Yishay Y. & Daniels-Zide, E. (2000). Examined lives: Outcomes after holistic re-habilitation. Rehabilitation Psychology 45 (2), 112–129.

Studientyp nach Durchsicht Kontrollgruppenstudie

Fragestellung/Indikation Hat eine erfolgreiche Rehabilitation zur Voraussetzung, dass das Individuum ein neues«Überprüftes Selbstkonzept» erreicht? Haben Patienten mit einem neuen Selbstkon-zept nach Hirnschädigung einen Vorteil gegenüber den nur gut angepassten, aber nichtselbstreflektierten Probanden?

Beschreibung des Untersuchungskol-lektivs (Ein-/Ausschlusskriterien)

Von 300 Personen, die im Laufe längerer Zeit an einem auf Kompensation ausgerichte-ten neuropsychologischen Tagesprogramm mit therapeutischem Milieu (NYU-Rehabi-litationsprogramm) teilgenommen hatten, wurden als unterschiedlich selbstreflektierteingeschätzte ehemalige Patienten zur Teilnahme an einer Studie gebeten. Diese Patien-ten sollten auch angeben, wie sie ihr derzeitiges Leben einschätzen. Die Selbsteinschät-zungen der Patienten wurden dokumentiert in Videos und Transskripten von den im Re-habilitationsprogramm üblichen Abschlussreden der Probanden bei Entlassung aus derRehabilitation.

Intervention (Gruppe I) N = 12, Patienten, die nach Ansicht der Therapeuten bei Abschluss der Behandlung als«selbstreflektiert» (haben eine subjektiv befriedigende Selbstdefinition nach der Hirn-schädigung) betrachtet wurden. Beide Gruppen sollten ihren beruflichen Status ange-ben und eine Selbsteinschätzung auf einer 10-Punkte-Skala in sechs verschiedenen Be-reichen bzgl. ihres Wohlbefindens (Anstrengung beim Überwinden derSchwierigkeiten in der Rehabilitation, Bedeutung des gegenwärtigen Lebens, Produkti-vität, in Frieden mit sich selbst sein, Sozialbeziehungen, Intimität) abgeben.

Vergleichsintervention (Gruppe II) N = 12, ehemalige Programmteilnehmer, die als «angepasst», aber nicht «selbstreflek-tiert» beschrieben worden waren.

Verblindung nein

Randomisation nein

Outcomes Rating der Antworten in den sechs befragten Bereichen des Wohlbefindens nach einem«Akzeptanzskala» mit 5 Aspekten der Akzeptanz von Fähigkeitsstörungen von «nai-ven» Ratern

Follow-up nein

Drop outs nein

Intention-To-Treat-Analyse nein

Statistische Auswertung Spearman Rho-Correlation, Mann-Whitney-U-Test, Kendalls Konkordanz-Koeffizient,Chi-Quadrat-Test

Evidenzbewertung nach formalenKriterien

Evidenzklasse II

Ergebnisse Die selbstreflektierten Probanden schätzten ihr Wohlbefinden höher ein als die ange-passten. Es gibt einen hohen Zusammenhang zwischen «Selbstreflexion» und Akzep-tanz ihrer Behinderung bei Entlassung aus der Rehabilitation und hohem beruflichenStatus bei der Nachuntersuchung. Dieses Ergebnis kann nicht auf Unterschiede in derStichprobe zurückgeführt werden. Es gab einen hohen Zusammenhang für die «selbst-reflektierte» Gruppe zwischen Akzeptanz der Behinderung und beruflichem Erfolg di-rekt nach Entlassung aus der Rehabilitation, aber nicht bei der «angepassten» Gruppe.

Fazit der Verfasser Es reicht für hirngeschädigte Patienten nicht, sich nach der Rehabilitation wieder ge-sund zu fühlen. Sie müssen ihre Persönlichkeit verändern, so dass sie freiwillig die Be-grenzungen durch den Hirnschaden akzeptieren und ihr Leben nach der Rehabilitationals wertvoll und bedeutungsvoll erleben können. Akzeptanz meint nicht einen passivresignativen Zustand, sondern es ist ein aktiver psychologischer Prozess. Die Akzep-tanz ist bedeutsamster Faktor für eine erfolgreiche postrehabilitative Anpassung.

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Page 18: Leitlinien der Gesellschaft für neuropsychologische ... arbeitung visueller, akustischer oder somatosensori-scher Reize ist. Es muss also ausgeschlossen werden, dass der Patient auf

Autoren und Titel der Studie Berg, I. J., Koning-Haanstra, M. & Deelmann, B. G. (1991). Long-term effects of mem-ory rehabilitation: A controlled study. Neuropsychological Rehabilitation, 1 (2),97–111.

Studientyp nach Durchsicht RCT: 3 Gruppen, 4 Messzeitpunkte: 2 Baseline-Testungen (Assessment 1 und 2); nach3 Wochen Treatment I (A3 und A4), nach weiteren 3 Wochen Treatment II (A5 undA6), 4-Monate-Follow-up (A7)

Fragestellung/Indikation Hilft Kompensationstherapie bei schwerer Gedächtnisstörungen nach SHT besser alsrepetitives Üben (Kompensation gegen «Pseudotraining»)

Beschreibung des Untersuchungskol-lektivs (Ein-/Ausschlusskriterien)

N = 39; SHT (closed head injury) mehr als 9 Monate zuvor mit subjektiv und objektivbedeutsamen Gedächtnisstörungen, keine schwerwiegenden sonstigen neuropsycholo-gischen Störungen, keine vorbestehenden neurologisch/psychiatrischen Auffälligkei-ten. 18–60 Jahre, alle selbstständig lebend, die Hälfte wieder in Arbeit/Ausbildung.

Intervention Experimentalgruppe (EG) = Gedächtnisstrategien: 2x3 Wochen Therapie, 3x pro Wo-che eine Stunde (= 18 Std.) (zusätzlich Hausaufgaben), individualisiert (Ziel der Be-handlung individuell bestimmt = 3 Probleme): K.-Strategien: internal & external

Vergleichsintervention KG1 = Funktionstherapie (Gedächtnisaufgaben und -spiele) gleiche Dauer wie EG.KG2 = keine Behandlung

Verblindung EG und KG1: ja, KG2: nein

Randomisation EG, KG1 und KG2 randomisierte Zuordnung

Outcomes Impairmentebene: 15 Words Test (Holländische Version des 15 Words-Test von Rey),Face-Name Learning Test, Shopping List; Kontrolltests: Four-Choice-Reaction-Time-Task, Four-Choice-Reaction-Time-Task-With Distraction)Aktivitätsebene: subjektives Rating bzgl. Gedächtnis im Alltag (z. B. bzgl. Coping derGedächtnisprobleme, Angst bzgl. Gedächtnis, Krankheitseinsicht, Gedächtniskapazität)

Follow-up 4-Monate-Follow-up

Drop outs nein

Intention-To-Treat-Analyse nein

Statistische Auswertung Man-Whitney-U, T-Test, Mittelwertsvergleich, Regressionsanalyse

Evidenzbewertung nach formalenKriterien

Evidenzklasse I

Ergebnisse Impairmentebene: Strategietraining hat positive Effekte auf die Gedächtnisleistung,das «Pseudotraining» (KG1) nicht Aktivitätsebene: subjektives Rating verbessert, so-wohl EG und KG1 (keine Unterschiede) Effekt besser nach vier Monaten Follow-upals nach 2×3 Wochen Training; keine Verbesserung in Kontrollaufgaben (Aufmerksam-keit) in allen drei Gruppen, Pseudotrainings-Patienten berichteten über subjektive Ver-besserungen, zeigten aber keinen objektiven Fortschritt.

Fazit der Verfasser Funktionstraining ist bei der Behandlung von Gedächtnisstörungen ineffektiv. Diesesstimmt überein mit Studien von Prigatano et al. (1984), Godfrey und Knight (1985)und Schacter et al. (1985).

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Autoren und Titel der Studie Chittum, W. R., Johnson, K., Chittum, J. M., Guercio, J. M. & McMorrow, M. J.(1996). Road to awareness: an individualized training package for increasing know-ledge and comprehension of personal deficits in persons with acquired brain injury.Brain Injury, 10 (10), 763–776.

Studientyp nach Durchsicht «multiple baseline across various deficit areas»

Fragestellung/Indikation Kann mangelnde oder fehlende Krankheits- oder Störungswahrnehmung durch Einsatzeines Kompensationsmechanismen vermittelnden Therapieprogramms verbessert wer-den.

Beschreibung des Untersuchungskol-lektivs (Ein-/Ausschlusskriterien)

3 männliche Erwachsene (19, 23 und 56 J.) in postakuter Rehabilitationseinrichtungmit ausgeprägten kognitiven (Gedächtnis-, Problemlösestörungen, Orientierungsstö-rungen, Initiierungsstörungen) und Verhaltensstörungen (Widerstand gegen Rehabilita-tion, verbale und körperliche Aggressionen und Zerstörung von Eigentum) nach ge-schlossenem SHT. Zuweisung zur speziellen Behandlung auf Wunsch des Rehateams.

Intervention 14 Spiel-Sitzungen. Die Fragen wurden individuell nach den jeweiligen Störungen dereinzelnen Probanden auf den ersten drei Ebenen von «Bloom’s Cognitive Taxonomy»(knowledge, comprehension, application) zusammengestellt. Bei richtigen Antwortenkonnten Chips gewonnen werden, die eingetauscht werden konnten gegen vorher fest-gelegte Preise (selbstgewähltes Reinforcement). Daneben fand normale Rehabilita-tionsbehandlung statt: kognitive Therapie, SDL-Training, Berufsberatung, Verhaltens-therapie, Ergotherapie, Physiotherapie sowie organisierte Freizeittherapie in derRehaeinrichtung und in der Gemeinde.

Vergleichsintervention keine

Verblindung nein

Randomisation nein

Outcomes Prozent der richtigen Antworten eines jeden Probanden in Bezug auf die Anzahl vonFragen insgesamt, und Ratings der Pre/Post-Generalisierungserprobung bzgl. kogniti-ver und behaviouraler Kategorien

Follow-up 1-Monats- und 2-Monats-Follow-Up

Drop outs nein

Intention-To-Treat-Analyse nein

Statistische Auswertung Inter-Rater-Reliabilitäten, Mengenvergleiche, keine statistische Auswertung der Ergeb-nisse

Evidenzbewertung nach formalenKriterien

Evidenzklasse III

Ergebnisse Inter-Rater-Reliabilitäten zwischen 83 und 100 %, Mittel 88 %, deutliche Verbesserun-gen auf der Wissensebene (Wissen über kognitive Störungen), der Verständnisebene(können Störungen mit eigenen Worten oder anhand eigener Erfahrungen beschreiben)und der Anwendungsebene (wissen, was zu tun ist, ggf. Rollenspiel)

Fazit der Verfasser Über das Medium Spiele können erwachsene Hirngeschädigte eine besseres Störungs-bewusstsein erlernen. Das selbstgewählte Reinforcement ist wichtig. Zukünftige Stu-dien sollten auf den Unterschied zwischen Erkennen von Defiziten und Zugeben eige-ner Defizite achten.

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Autoren und Titel der Studie Engelberts, N. H. J., Klein, M., Adèr, H. J., Heimans, J. J., Kasteleijn-Nolst Trenité,D. G. A. & van der Ploeg, H. M. (2002). The effectiveness of cognitive rehabilitationfor attention deficits in focal seizures: A randomized controlled study. Epilepsia, 43 (6),587–595.

Studientyp nach Durchsicht RCT: 3 Gruppen: 1. Training/Restitution (N = 19), 2. Kompensation (N = 17), 3. Warte-kontrollgruppe (N = 8); 4 Messzeitpunkte: t1 = Prä-Treatment (nach Gruppenzuord-nung), t2 = 6 Wochen später, t3 = Post-Treatment, t4 = Follow-up nach 6 Monaten

Fragestellung/Indikation Kompensation vs. Restitution bei der Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen,

Beschreibung des Untersuchungskol-lektivs (Ein-/Ausschlusskriterien)

Von 180 Eingeladenen haben sich 70 zur Teilnahme bereiterklärt. Ausschlusskriterien:psychiatrische oder neurologische Komorbidität, Gebrauch psychoaktiver Drogen,schwere Wahrnehmungsstörungen, SHT in der Vorgeschichte. Weiterhin wurden dieje-nigen ausgeschlossen, deren Medikamente während der Studienzeit umgestellt werdenmussten. Es blieben 50 Patienten mit Epilepsie (ambulant, fokale Anfälle, Carbamaze-pin Monotherapie), 18–65 J., von diesen blieben N = 44 bis zum Ende der Studie dabei.

Intervention (N = 19) Training/Restitution: 6 Wochen, 1 h Einzelsitzung pro Woche; Wiederholun-gen, steigende Aufgabenschwierigkeit, Feedback nach jeder Sitzung, Hausaufgabenzwischen den Sitzungen

Vergleichsintervention (N = 17) Kompensation: Betonung der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisdefizite imtäglichen Leben, Vermittlung von Kompensationsstrategien, Hausaufgaben zwischenden Sitzungen

Verblindung nicht erwähnt

Randomisation randomisierte Zuordnung zu Treatment 1, Treatment 2 und KG (N = 8)

Outcomes Impairmentebene: Kategorie 1 = im Training behandelte Funktionen: TAP: geteilte Auf-merksamkeit; Gedächtnis: AVMT; Kategorie 2 = unbehandelte Funktionen: Stroop(SCWT)Aktivitätsebene: selbstberichtetes neuropsychologisches «Outcome»: Cognitive FailureQuestionnaire (CFQ); mental compound score (MCS),Partizipationsebene: Lebensqualität: Short-Form Health Survey (SF-36); Vitalitätswert

Follow-up Follow-up nach 6 Monaten

Drop outs 6

Intention-To-Treat-Analyse nein

Statistische Auswertung MANCOVA (Kovariate: Veränderung von t1 zu t2)

Evidenzbewertung nach formalenKriterien

Evidenzklasse I

Ergebnisse Impairmentebene: signifikante Verbesserungen in Trainings- und Kompensationsgrup-pe im Vergleich zur KG in Aufmerksamkeit (bezogen auf Auslassungen, nicht auf RT)und Gedächtnisaufgaben; keine Unterschiede im Stroop-TestAktivitätsebene: signifikante größere Reduktion kognitiver Beschwerden in Trainings-und Kompensationsgruppe im Vergleich zur KGPartizipationsebene: Steigerung der Werte (Verbesserung der Lebensqualität) in beidenTherapiegruppen im Vergleich zu einer Senkung in der KG; die höchsten Vitalitätswer-te in der Kompensationsgruppe. Subjektiv wurden von dieser Gruppe signifikant größe-re Verbesserungen und höhere Lebensqualität berichtet, insbesondere bei der Patienten-gruppe mit geringerer Ausbildung. Auf individuellem Niveau gibt es die größtenVerbesserungen in Aktivitäts- und Partizipationsmaßen (wird jedoch nicht signifikant).

Fazit der Verfasser Kognitive Rehabilitationsprogramme sind für Epilepsiepatienten mit Aufmerksamkeits-störungen effektiv und sollten in das Behandlungsangebot aufgenommen werden.

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Page 21: Leitlinien der Gesellschaft für neuropsychologische ... arbeitung visueller, akustischer oder somatosensori-scher Reize ist. Es muss also ausgeschlossen werden, dass der Patient auf

Autoren und Titel der Studie Fasotti, F., Kovacs, F., Eling, P. A. T. M. & Brouwer, W. H. (2000). Time pressure ma-nagement as a compensatory strategy training after closed head injury. Neuropsycho-logical Rehabilitation, 10(1), 47–65

Studientyp nach Durchsicht RCT

Fragestellung/Indikation Ist kompensierendes Zeit-Management-Training bei schweren Störungen der Aufmerk-samkeit (Verarbeitungsgeschwindigkeit; Informationsverarbeitung) bei SHT-Patienteneffektiver als herkömmliches Aufmerksamkeitstraining (restitutiver Ansatz) mit wie-derholten allgemeinen verbalen Anweisungen, wie mit Zeitdruck umgegangen werdensoll?

Beschreibung des Untersuchungskol-lektivs (Ein-/Ausschlusskriterien)

N = 22 schweres bis sehr schweres SHT nach Russell-Kriterien (1971) mindestens dreiMonate vor Teilnahme an der Studie. Einschlusskriterien: Verlangsamte Informations-verarbeitung nach drei Aufmerksamkeitstests (PASAT, Auditory Concentration-TestACT und Wahlreaktionsaufgabe), WAIS ≤ 75, 18–50 J., keine schweren intellektuel-len, aphasischen, agnostischen oder Persönlichkeitsstörungen, Motivation zur Teilnah-me an der Studie. 16 Patienten waren in der chronischen Phase (6 Monate), die 6 sub-akuten wurden auf die beiden Gruppen gleich verteilt.

Intervention EG (N = 12): Kompensationstraining «Time Pressure Management»-Training (2–3 ×pro Woche, dabei jeweils 1 Std., für 2–3 Wochen) (dabei z. T. Selbstinstruktionstrai-ning nach Meichenbaum durchgeführt – als Hilfsmittel, damit Strategien tatsächlichauch verwendet werden).

Vergleichsintervention KG (N = 10): Konzentrationstraining (Restitution), repetitives Üben (verbale Instruk-tion), je 30 min pro Tag, 2–5 Std./Woche, 3–4 Wochen. Die mittlere Dauer der Thera-pien unterschied sich nicht.

Verblindung Ja

Randomisation KG, ja randomisierte Patientenzuordnung zu EG + KG

Outcomes Impairmentebene: 15-word test (Gedächtnis), Rivermead Behavioural Memory Test,auditiver Konzentrationstest (PASAT), Visual Choice Reaction Time TaskAktivitätsebene: experimentelle Untersuchung: 2 Aufgaben mit kurzen Geschichtenauf Videoband (ähnlich zu den trainierten: «Story»: Themen aus dem alltäglichen Le-ben vs. «Computer»: abstrakter, über Computerprogramme): Video wird vorgespielt,Kassettenrekorder, auf dem als Störreiz aufgezeichnete Radiosendungen vorgespieltwerden; Telefon als Ablenker); Aufgabe: soviel Informationen merken wie möglich; er-fasst werden: Liste für Verhaltensbeobachtung (z. B. wie Umgang mit Ablenkung, Un-ternehmen von präventiven Schritten); Zeit, wie lange Video (Zeit); Reproduktions-wert (wie viel erinnert); zusätzlich: «Scale for Subjective Well-Being for the Elderly»,«Trauma Complaints List», a Dutch Self-Esteem QuestionnairePartizipation: Anzahl von Freizeitaktivitäten, Anzahl sozialer Kontakte (mit zusätzli-chen Tests aus Aktivitätsebene: zusammengefasst zu einem Summenwert, der psycho-soziales Wohlbefinden widerspiegelt)3 Messzeitpunkte: Pre-Treatment, vs. Post-Treatment vs. Follow-up (6 Monate)

Follow-up Follow-up 6 Monate

Drop outs Nein

Intention-To-Treat-Analyse Nein

Statistische Auswertung Berechnung eines kognitiven Summenwertes aus den Testwerten; 3 Messzeitpunkte:Pre-Treatment, vs. Post-Treatment vs. Follow-up (6 Monate), Multivariate Varianzana-lyse MANOVA, Man-Whitney-U Test, t-Test

Evidenzbewertung nach formalenKriterien

Evidenzklasse I

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Ergebnisse Impairment: Kognitiver Funktionswert: signifikanter Effekt über die Zeit, signifikanterEffekt der Interaktion GruppexZeit: deutliche Verbesserungen der EG (Subanalysen:deutliche Verbesserungen in Gedächtnis und Aufmerksamkeit bei der EG), Verbesse-rungen auch in Follow-up stabil.Aktivitäten: Anstieg der Verwendung von Planung-/Handlungsstrategien in beidenGruppen über die Zeit, nicht aber bei «Präventionsstrategien»; bei einem der Filme(Computer) stärkere Verbesserung der TPM-Experimentalgruppe; Anstieg des Repro-duktionswertes über die Zeit in beiden Gruppen, stärkere Verbesserungen bei der EG(allerdings nicht signifikant)Partizipation: Summenwert des psychosozialen Wohlbefindens: keine signifikanten Ef-fekte (weder über Zeit, noch Gruppe)TPM hatte generalisierende Auswirkung auf nicht direkt therapierte Gedächtnis- undAufmerksamkeitsleistungen.

Fazit der Verfasser Verbesserungen in der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit können sowohl mitder TMP-Methode als auch mit wiederholten Anweisungen, wie mit Stress umgegan-gen werden soll, erreicht werden. TMP scheint zu besserer Generalisierung zu verhel-fen.

Weitere Therapiestudien undtheoretische Arbeiten zurNeuropsychologischen Therapie

Alderman, N. (1991). The treatment of avoidance behav-iour following severe brain injury by satiation throughnegative practice. Brain Injury, 5, 77–86.

Alderman, N. (1996). Central executive deficit and re-sponse to operant conditioning methods. Neuropsycho-logical Rehabilitation, 6, 161–186.

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