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Die Sinusbodenelevation als Möglichkeit zur Ver- besserung des Implantatlagers wird seit mehr als 30 Jahren klinisch angewendet und hat sich mittler- weile zu einer evidenzbasierten Methode entwickelt [4]. Zu vielen grundsätzlichen Themen, wie Indika- tionen, Risiken und Vorgehensweisen haben sich allgemein akzeptierte Auffassungen etabliert. In an- deren Punkten herrscht dagegen Uneinigkeit und verschiedene Therapiekonzepte wurden vorgeschla- gen [1]. Dies gilt insbesondere für die Volumensub- stitution [8]. Nachwievor wird der autogene Knochen als „Gold- standard“ für Augmentationen bezeichnet, trotz ver- schiedener Nachteile [3, 13]. Die benötigte Menge bei der Kieferhöhlenaugmentation stellt den Chirur- gen oft vor eine Herausforderung, vor allem, wenn die Rekonstruktion ausschließlich mit Eigenkno- chen durchgeführt werden soll. Zwar bieten sich un- terschiedliche extra- und intraorale Entnahmestellen an, die eine unterschiedlich große Menge Knochen ergeben, aber mögliche Komplikationen, die wäh- rend oder nach dem Eingriff auftreten können, las- sen indes Zweifel aufkommen, ob autogene Trans- plantate zur Sinusbodenelevation sinnvoll sind [9]. Darüber hinaus zeigen Untersuchungen mit Becken- kammspongiosa, dass das autogene Augmentat ei- nem starken Volumenverlust unterliegt [6] . Es besteht daher ein zunehmender Bedarf an Pro- dukten, die möglichst alle positiven Eigenschaften des autologen Knochens mit leichter Verfügbarkeit und unkompliziertem Handling kombinieren, ohne dabei allergen oder gar infektiös zu sein. Verschiedene am Markt erhältliche Präparate, die zunächst über ihren Ursprung differenziert werden, kommen zur Defektfüllung in Betracht. Besonders speziesfremde Stoffe haben sich in der modernen Knochenrekonstruktion etabliert. Ein Grund für den Erfolg der körperfremden Mate- rialien dürfte sein, dass diese, im Gegensatz zu Ei- genknochen, immer und ohne zusätzlichen Auf- Knochenersatzmaterialien in der klinischen Anwendung Simultane und primäre Kieferhöhlenaugmentation Ein Beitrag von Dr.Dr.Reinhard Lieberum, Koblenz Die Sinusbodenelevation ist als evidenzbasierte Methode zur Verbesserung des lokalen Knochenange- bots im Oberkiefer-Seitenzahnbereich allgemein anerkannt. Nachwievor gilt der autogene Knochen als Goldstandard zur Volumensubstitution. Verschiedene Nachteile, wie etwa die Bereitstellung der benötig- ten Menge Knochens zur Kieferhöhlenaugmentation und die entsprechende Entnahmemorbidität haben dazu geführt, dass sich eine Vielzahl von Knochenersatzmaterialien am Markt etabliert haben. Je nach Herstellungsverfahren und Ursprungsmaterialien ergeben sich verschiedene Charakteristika, die in die- sem Artikel näher beleuchtet werden. Darüber hinaus wird ein etabliertes Konzept zur Sinusbodeneleva- tion auch bei minimalem Knochenangebot unter ausschließlicher Verwendung eines phykogenen Kno- chenersatzmaterials vorgestellt. Indizes: Sinusbodenelevation, Augmentationsmaterialien, Membran, Implantatinsertion IMPLANTOLOGIE 166 Z Oral Implant, © 7. Jahrgang 3/11

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Die Sinusbodenelevation als Möglichkeit zur Ver-besserung des Implantatlagers wird seit mehr als 30Jahren klinisch angewendet und hat sich mittler-weile zu einer evidenzbasierten Methode entwickelt[4]. Zu vielen grundsätzlichen Themen, wie Indika-tionen, Risiken und Vorgehensweisen haben sichallgemein akzeptierte Auffassungen etabliert. In an-deren Punkten herrscht dagegen Uneinigkeit undverschiedene Therapiekonzepte wurden vorgeschla-gen [1]. Dies gilt insbesondere für die Volumensub-stitution [8].Nachwievor wird der autogene Knochen als „Gold-standard“ für Augmentationen bezeichnet, trotz ver-schiedener Nachteile [3, 13]. Die benötigte Mengebei der Kieferhöhlenaugmentation stellt den Chirur-gen oft vor eine Herausforderung, vor allem, wenndie Rekonstruktion ausschließlich mit Eigenkno-chen durchgeführt werden soll. Zwar bieten sich un-terschiedliche extra- und intraorale Entnahmestellenan, die eine unterschiedlich große Menge Knochen

ergeben, aber mögliche Komplikationen, die wäh-rend oder nach dem Eingriff auftreten können, las-sen indes Zweifel aufkommen, ob autogene Trans-plantate zur Sinusbodenelevation sinnvoll sind [9].Darüber hinaus zeigen Untersuchungen mit Becken-kammspongiosa, dass das autogene Augmentat ei-nem starken Volumenverlust unterliegt [6] .Es besteht daher ein zunehmender Bedarf an Pro-dukten, die möglichst alle positiven Eigenschaftendes autologen Knochens mit leichter Verfügbarkeitund unkompliziertem Handling kombinieren, ohnedabei allergen oder gar infektiös zu sein. Verschiedene am Markt erhältliche Präparate, diezunächst über ihren Ursprung differenziert werden,kommen zur Defektfüllung in Betracht. Besondersspeziesfremde Stoffe haben sich in der modernenKnochenrekonstruktion etabliert. Ein Grund für den Erfolg der körperfremden Mate-rialien dürfte sein, dass diese, im Gegensatz zu Ei-genknochen, immer und ohne zusätzlichen Auf-

Knochenersatzmaterialien in der klinischen Anwendung

Simultane und primäre Kieferhöhlenaugmentation Ein Beitrag von Dr. Dr. Reinhard Lieberum, Koblenz

Die Sinusbodenelevation ist als evidenzbasierte Methode zur Verbesserung des lokalen Knochenange-bots im Oberkiefer-Seitenzahnbereich allgemein anerkannt. Nachwievor gilt der autogene Knochen alsGoldstandard zur Volumensubstitution. Verschiedene Nachteile, wie etwa die Bereit stellung der benötig-ten Menge Knochens zur Kieferhöhlenaugmentation und die entsprechende Ent nahmemorbidität habendazu geführt, dass sich eine Vielzahl von Knochen ersatzmaterialien am Markt etabliert haben. Je nachHerstellungsverfahren und Ursprungsmaterialien ergeben sich verschiedene Charakteristika, die in die-sem Artikel näher beleuchtet werden. Darüber hinaus wird ein etabliertes Konzept zur Sinusbodeneleva-tion auch bei minimalem Knochenangebot unter ausschließlicher Ver wendung eines phykogenen Kno-chenersatzmaterials vorgestellt.

Indizes: Sinusbodenelevation, Augmentationsmaterialien, Membran, Implantatinsertion

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rungen bei der chemischen Zusammensetzung Ein-fluss auf das Resorptionsverhalten und die Rönt-gensichtbarkeit haben [11]. Speziell für die Ver-wendung zur Sinusbodenelevation mit gleichzeiti-ger Implantatinsertion wird von einer Augmenta-tion ausschließlich mit β-TCP vereinzelt abgeraten,da die initiale progressive Degradationsphase einebindegewebige Einscheidung des Implantats be-günstigen kann [5]. Das dritte hier vorgestellte Material kann gerade fürdie Sinusbodenelevation Vorteile bieten: Es handeltsich um einen nachwachsenden, natürlichen Grund-stoff mit osteokonduktiven Eigenschaften, der alsbio- und immunkompatibel gilt. Da Algipore aus ei-ner maritimen Rotalgenart gewonnen wird, sind ur-sprungsbezogenen Debatten von vornherein ausge-schlossen. Algipore zeigt eine hohe Mikroporositätmit einem ausgeprägten interkonnektierenden Po-rennetzwerk. Diese Bienenwabenstruktur ähnelt so-wohl der des menschlichen Dentins als auch demAufbau des Knochens. Das spezifische Gesamtvolu-men von Algipore ist etwa 10-mal größer als bei Ce-rasorb und immer noch doppelt so groß wie bei Bio-Oss. Aus dieser größeren spezifischen Oberflächeresultiert auch eine höhere Absorptionsfähigkeit. Laut Merten et al. funktioniert die Resorption desphykogenen Materials im Sinne eines „Implant hop-pings“. Dabei werden die eingebrachten Granulavon den Seitenrändern zunächst umbaut, schließlichfragmentiert und phagozytiert. Diese in-vivo Studieergab auch, dass nach vierzehn Wochen die Partikelnoch fast unverändert in den Proben vorhanden wa-ren, während nach 86 Wochen nahezu das gesamteProdukt abgebaut war [7]. Schopper und Kollegenkonnten sogar Knochenneubildung in den Partikel-poren nachweisen [12]. Algipore bietet also nebeneiner ausreichend langen Stützfunktion sehr guteResorptionseigenschaften mit einem geringeren Vo-lumenverlust als bei Eigenknochen [17]. Schopper konnte außerdem zeigen, dass Algiporeauch ohne Kombination mit autologem Knochengut zur vertikalen Augmentation des Oberkiefersverwendet werden kann [12]. Dies hat nicht nurpraktische Vorteile, sondern senkt auch die Ent-nahme-Morbidität, da ein zweites Operationsfeldfür den Entnahmeeingriff vermieden wird.

Praktisch-klinisches Konzept

Die Sinusbodenelevation bildet einen Schwerpunktunserer täglichen Arbeit. Inzwischen hat sich hierfüreine modifizierte Vorgehensweise ausschließlich un-ter Verwendung dieses knochenanalogen Kalzium-phosphats etabliert. Sie erlaubt die Durchführung ei-ner simultanen Implantatinsertion schon ab ein biszwei Millimetern Restknochenhöhe vorzunehmen –

wand in ausreichender Menge bei überschaubarenKosten verfügbar sein können. Außerdem lassensich die allermeisten Präparate leicht anwenden undin zahlreichen Veröffentlichungen konnte ihre Wir-kungsweise grundsätzlich belegt werden. Die in-dustrielle Herstellung erfolgt entweder vollsynthe-tisch oder durch chemische beziehungsweise physi-kalische Veränderung xenogener Ausgangsstoffe. Um die Vor- und Nachteile dieser Biomaterialiendarzulegen, werden in diesem Artikel stellvertre-tend ein vollsynthetisch hergestelltes phasenreinesβ-Tricalciumphoshat (TCP, Cerasorb, Curasan AG)und xenogenes, bovines Knochenersatzmaterial(Bio-Oss, Geistlich Pharma AG) dem ebenfalls xe-nogenen, aber aus Algen gewonnenen Frios Algi-pore (Dentsply Friadent) gegenübergestellt. AllenProdukten ist gemein, dass sie in ihrem Aufbau demmenschlichen Knochen sehr ähnlich sind.

Klinisch-kritischer Vergleich Bovine Materialien haben sich klinisch bewährtund führen scheinbar in verschiedenen Indikationenauch in Kombination mit Implantaten zu sicherenund vorhersagbaren Ergebnissen. Zur Herstellungallerdings wird bekanntermaßen Rinderknochenverwendet, der durch thermische Behandlung de-proteiniert wird. Auf diese Weise wird das Materiallaut Hersteller auch prionenfrei. Wichtiger als dieHerkunftsdiskussion scheint aber das Resporptions-verhalten des stark gesinterten anorganischenStoffs. Zahlreiche Untersuchungen zeigen die er-folgreiche Osseointegration von Implantaten in bo-vin augmentiertem Knochen, allerdings machendiese auch deutlich, dass das Material durch seinespezielle Struktur kaum resorbiert, sondern ledig-lich vom neugebildeten Knochen im Sinne einerVerbund osteogenese umschlossen wird [5]. DasMaterial verbleibt also über Jahre als biofunktionel-ler Fremdkörper im augmentierten Areal [7]. Zu den Knochenaufbaumaterialien gehören auchdie modernen phasenreinen β-Trikalziumphosphat-Keramiken. Diese entstehen bei Temperaturenoberhalb von 1125° C. TCP-Keramiken werden alsbiokompatibel beschrieben ohne immunogene odertoxische Nebenwirkungen. Durch spezielle Herstel-lungsverfahren ist es gelungen, interkonektierenePorensysteme zu erzielen, die entscheidenden Ein-fluss auf den Umbauprozess am Knochen haben.Größere Poren können die Resorption und zelluläreAdhäsion sowie Osteoidanlagerung beschleunigen.Zwar weisen manche Materialien wie z. B. Cera-sorb mit 100–300 µm einen adäquaten Porendurch-messer auf [14], dennoch läuft die Resorption rela-tiv schnell ab, sodass die Stützfunktion schon frühverloren geht. Zudem können schon kleinste Ände-

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Tab.1: Statistik zu durchgeführtenImplantatinsertionen mitund ohne Sinusbodeneleva-tion (2010 bis heute).

im Gegensatz zu den in der Literatur empfohlenenvier bis fünf Millimetern [10, 16]. Die klinische Er-fahrung der letzten fünf Jahre hat gezeigt, dass dieseTechnik auch bei extrem geringem lokalem Kno-chenangebot sicher und vorhersagbar bleibt, sofernalle Parameter eingehalten werden. Komplikationenund Misserfolge sind dann sehr selten (Tab.1): Sowird ein einzeitiges Vorgehen unabhängig von derRestknochenhöhe nur bei intraoperativ erzielter aus-reicheder Primärstabilität des Implantates weiterver-folgt. Diese ist neben der Knochenquantität und –qualität von entscheidender Bedeutung für die Wahldes richtigen Behandlungskonzepts [15]. Als Im-plantattyp bietet sich Xive Implantat (Dentsply Fria-dent) an. Das spezielle Gewindedesign in Kombina-tion mit der knochenspezifischen Aufbereitungstech-nik lässt erfahrungsgemäß eine ausreichend primär-stabile Fixierung im ortsständigen Knochen zu [2]. Kann das Implantat nicht ausreichend stabil verankertwerden oder ist das Knochenangebot geringer als einbis zwei Millimeter, wird ein zweizeitiges Prozederebevorzugt. Aber auch dann bietet die Vermeidung ei-nes zusätzlichen Spendersitus für den Patienten im-mer noch einen enormen Komfortgewinn bei gleich-zeitig vermindertem Komplikationsrisiko.Komplettiert wird das hier vorgestellte Konzeptdurch die Verwendung einer Titanmembran (FriosBoneshield, Dentsply Friadent). Sie besitzt neben dergewünschten Barriere- auch eine ausreichende Stütz-funktion, die sich gerade zur Abdeckung größererAreale, wie etwa dem lateralen Fenster, das als Zu-gang zur Kieferhöhle angelegt wird, als sehr nützlicherwiesen hat. Die Folie sollte mindestens vier Wo-chen in situ verbleiben, damit sie ihre Stützfunktionerfüllen kann. Analog zu Watzinger konnte nach die-ser Zeit kein negativer Einfluss auf den neugebildetenKnochen gefunden werden, selbst dann nicht, wennes zu einer Exposition der Membran kam [18]. An-ders als bei textilen Membranen kommt es sehr spät

oder gar nicht zu einer Superinfektion der exponier-ten Membran, sodass eine vorzeitige Entfernung desBoneshields nur selten erforderlich ist.

Patientenfälle

Anhand klinischer Beispiele wird die Vorgehens-weise in den beschriebenen Grenzbereichen darge-stellt. In allen Fällen war das lokale Restknochen-angebot im Oberkiefer extrem gering, sodass si-cherlich eine Augmentation mit Eigenknochen auseiner zusätzlichen Spenderregion wie dem Becken-kamm hätte empfohlen werden können.Im ersten Beispiel wird der initiale Schritt des Kon -zepts, die Kieferhöhlenaugmentation gezeigt: Die 55-jährige Patientin stellte sich zur Neuversorgung deslinken Ober- und im zweiten Schritt des Unterkiefersvor (Abb. 1 bis 12). Der Eingriff wur de in Lo -kalanästhesie, unter pulsoxymetrischer Kontrolle undi. v. Gabe von Fortecortin 40 mg durchgeführt.

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Abb.1 Im ersten Beispiel ist die zweizeitige Kieferhöh-lenaugmentation dargestellt: Das Ausgangs-OPG zeigtdas insuffizient versorgte Gebiss mit erneuerungswürdi-ger Brückenversorgung im II. und III. Quadranten mitstarkem vertikalem Knochenabbau und ausgeprägtemRecessus alveolaris

Abb.3 Nach Mobilisation des Mukoperiostlappensund Darstellung der linken fazialen Kieferhöhlenwandfolgt die Präparation des Fensters mittels Kugelfräse.

Abb.2 Nach Entfernung der nicht erhaltungswürdigenZähne im linken Oberkiefer zeigte sich das erwarteteinsuffiziente Restknochenangebot. Im Bereich des Zah-nes 23 imponierte ein ausgedehnter mehrwandigerDefekt.

Insgesamt durchgeführte Sinusbodenelevationen im Jahr 2010:· 210 (mit 586 inserierten Implantaten).Komplikationen im Rahmen von Kieferhöhlenaugmentationen im Jahr 2010:· 1 OP-Abbruch bei breiter Perforation der Schleimhaut und pergamentdün-nem Restknochen

· 1 Pansinusitis (Überweisung an HNO-Arzt)· Abszedierung linke Oberkiefer-Umschlagfalte, Selbsteinweisung in Klinik;unter i.v.-Antibiotika-Gabe reizlos abgeheilt

· Verlust von 2 Implantaten im augmentierten KieferhöhlenbereichGesamtverlustrate 2010: 11 Implantate bei 1.443 gesetzten ImplantatenVon Januar–September 2011 durchgeführte Sinusbodenelevationen:· 172 (mit etwa 483 gesetzten Implantaten)Komplikationen 2011 (Januar–September):· bisher 1 Implantat aus Sinusbodenelevationen· 5 Implantate insgesamt

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Abb.4 Die Kiefernhöhlenschleimhaut wurde im Sinneder Rinnentechnik dargestellt

Abb.6 Nach Kontrolle der Unversehrtheit der Schnei-derschen Membran wurde der entstandene Hohlraummit Algipore aufgefüllt. Die Partikel wurden mit wenigsteriler Kochsalzlösung vermischt, da die Einblutung amEmpfängerort in der Regel ausreicht, um das Materialsuffizient zu benetzen.

Abb.5 Die Verlagerung der Schneiderschen Membrannach kranial unter anderem mithilfe der Instrumentedes Frios Sinus-Sets

Abb.7 Die Titan-Membran zum Verschluss des fazialenZugangsfensters wurde mit vier Frios Membran-Nägelnfixiert. Die Titanfolie verhinderte ein Kollabieren deraufgebauten Kieferhöhlenwand während der Knochen-umbauphase

Abb.9 Dazu wurde wiederum mit steriler Kochsalzlö-sung gemischtes Algipore in den Defekt eingebracht…

Abb.8 Gleichzeitig erfolgte die Defektfüllung im Be-reich des linken oberen Eckzahns jeweils unter Ver-wendung von Frios Algipore (0,5–1mm/1ml) und einer Frios Boneshield Membran

Abb.10 … und mit einer weiteren Boneshield Mem-bran abgedeckt, die mit zwei Titannägeln fixiertwurde. Es folgte die Reposition und Adaptation desMukoperiostlappens mit resorbierbarem Nahtmaterial

Abb.12 Bereits vier Monate später fand sich trotz derkurzen Einheilzeit des Augmentats ein sehr befriedi-gendes Regenerationsergebnis sowohl im Bereich desehemaligen Knochendefektes 23 als auch in der basa-len Kieferhöhle

Abb. 11 Das postoperativ angefertigte OPG zeigt dasgute Augmentations-Ergebnis. Neben dem Augmentatsind die Membran-Nägel erkennbar

Abb.13 Die drei Xive S plus Implantatekonnten trotz der kurzen Einheilzeitdes Augmentats primärstabil bei kli-nisch festem Material inseriert wer-den.

Der zweite Schritt des Behandlungskonzepts, die Im-plantatinsertion, wird an einem weiteren Fallbeispielvorgestellt. Bei ähnlicher Ausgangssituation mit ex-trem atrophiertem Oberkiefer wurde bei der 48-jähri-gen Patientin auf eine Transplantation von Becken-kammspongiosa verzichtet, zumal dies von der Pa-tientin ausdrücklich nicht gewünscht war. Stattdes-sen wurde die Behandlung ähnlich wie im ersten Fallgeplant. Die Röntgendiagnostik machte die ausge-prägte Septierung und das geringe Knochenangebot

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Durch den Verzicht auf die Entnahme von Becken-kammspongiosa konnte den Patienten eine Hospita-lisation, mögliche Komplikationen und zusätzlicheSchmerzen erspart werden. Zudem hatte dieses Vor-gehen auch Einfluss auf die Gesamtkosten der Re-habilitation.

Abb.14 Im zweiten Fall wird der zweite Schritt desKonzepts, die Implantatinsertion eingehender darge-stellt: Das OPG der Ausgangssituation zeigte das ge-ringe vertikale Knochenangebot des linken Oberkiefersbei desolaten Restzähnen in dieser Region

Abb.16 Das Röntgenbild zeigt die Situation nachdurchgeführter Augmentation des linken Oberkiefersmit phykogenem Knochenaufbaumaterial. Da Zahn 27erst im Rahmen der prothetischen Versorgung entferntwerden sollte, führte der HZA begleitend eine engma-schige PA-Kontrolle durch

Abb.15 Das OPG nach Extraktion Zähne 24 und 25machte die ausgeprägte Septierung und das geringeKnochenangebot des linken Oberkiefers deutlich. Au-ßerdem konnten knöcherne Defekte in den regiones24, 25 und 27 identifiziert werden

Abb.17 Operative Wiedereröffnung etwa ein halbesJahr nach primärer Augmentation zur Implantatinsertion.Die Boneshield Membran war nach vier Monaten reizlosin situ

Abb.19 Die Positionierung der beiden Xive S plus D3,8/L 13 Implantate im augmentierten Bereich erfolgtemithilfe von Xive Select Auswahlimplantaten zur Über-prüfung der Augmentatfestigkeit

Abb.18 Der zur Augmentation der Kieferhöhle gebil-dete laterale Zugang zeigte sich durch das Algipore-Augmentat klinisch fest

Abb.20 Beide Implantate mit einem Durchmesser von 3,8 mmkonnten primär fest im Augmentat inseriert werden

Abb.21 Das OPG nach Implantatinsertion. Die Freilegung und pro-thetische Versorgung erfolgte nach erfolgreicher Osseointegrationbeim Hauszahnarzt

des linken Oberkiefers deut-lich. Ein halbes Jahr nachder Kieferhöhlenaugmenta-tion wurden zwei Xive Splus Implantate inseriert(Abb. 14 bis 21).Abschließend ist die defini-tive prothetische Versor-gung durch den Hauszahn-arzt am Beispiel eines 58-jährigen Patienten darge-stellt (Abb. 22 bis 25).Es konnte gezeigt werden,dass selbst extreme Situa-tionen mit ausschließlicherVerwendung phykogenemKnochenersatzmaterial si-cher beherrscht werdenkönnen, allerdings scheidetdann die simultane Implan-tatinsertion aus. Diese er-folgt in einem Zweiteingriffnach standardmäßig viermonatiger Einheilzeit.

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DiskussionDie gezeigten Fälle machen deutlich, wie in ent-sprechend geübten Händen mit vergleichsweise ge-ringem Aufwand auch extreme Atrophien der Ma-xilla zufriedenstellend rekonstruiert und mit Im-plantaten versorgt werden können. Das Trauma istinsgesamt reduziert, das Augmentationsmaterialsteht in ausreichender Menge bei gleichbleibenderQualität zur Verfügung, es wird in angemessenerZeit durch körpereigenen Knochen ersetzt, die Im-

Abb.22 Der abschließende Fall zeigt die implantat-prothetische Re-habilitation nach umfangreicher beidseitiger primärer Augmenta-tion. Das OPG zeigt die Situation nach Augmentation mit Algiporeder aufgebauten Areale und Titanmembranen

Abb.23 Die fehlenden Seitenzähne wurden etwa ein halbes Jahrspäter mit insgesamt 6 Xive S plus Implantaten ersetzt und durchden HZA nach abgeschlossener Osseointegrationsphase mit ver-blockten Kronen versorgt. In regio 27 wurde auf ein Implantat ver-zichtet und aufgrund der reduzierten Gegenbezahnung ein Extensi-onsbrückenglied angefertigt

Abb.24 Die en Face Aufnahme zeigt einen festsitzend versorgtenPatienten mit zufriedenstellendem ästhetischem und funktionellem Er-gebnis

Abb.25 Auch die Aufnahme von okklusal bestätigt den Eindruckvon fazial. Die Implantate konnten harmonisch in den Zahnbogenintegriert und die Kronen durch die knöcherne Rekonstruktion inadäquaten Dimensionen gestaltet werden

PRODUKTLISTE

INDIKATIONAugmentationsmaterial

ImplantatTitanmembranMembrannägel

NAMETCP, CerasorbBio-OssFrios AlgiporeXive/Xive S plusFrios BoneshieldFrios Membran-Nägel

HERSTELLER/VERTRIEBCurasan AGGeistlich Pharma AGDentsply FriadentDentsply FriadentDentsply FriadentDentsply Friadent

plantatinsertion ist sicher und das Ergebnis vorher-sagbar – bei überschaubaren Gesamtkosten.Das klinische Vorgehen ist in der folgenden Über-sicht zusammen gefasst:

· Korngröße Frios Algipore 0,5 – 1,00 mm/1ml alsStandard

· Einbringung Algipore mit NaCl versetzt, Eigen-blut aus Kavität

· Kein BMP, Knochenspäne oder ähnliches· Frios Boneshield Membran bleibt häufig auf

bei Schleimhautperforation reizlos in situ, sonstfrühestens nach 4 Wochen Entfernung ohne Nach-teile

· Einheilzeit: einzeitiges Vorgehen: 6 Monate: zweizeitiges Vorgehen: 4 (Augmentation) und 6 Monate (nach Implantatinsertion)

· Unabhängig vom Restknochenangebot ist ein ein-zeitiges Vorgehen bei ausreichender Primärstabili-tät möglich ■■

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Dr. Dr. Reinhard LieberumSein Studium der Medizin undZahnmedizin absolvierte er inBonn und Hamburg. Seit1989 ist er Facharzt für MKG-Chirurgie und seit 1990 nie-dergelassen in eigener Praxisin Koblenz mit Dr. Victoria Lie-berum, Fachärztin für Anäs-

thesiologie. 1998 legte er seinen Tätigkeitsschwer-punkt auf die Implantologie. Bereits seit 1988 ver-fügt er über ein steigende Anzahl selbst gesetzterImplantate, derzeit zirka 1400 Stück jährlich. ImJahr 2002 erlangte er die volle Weiterbildungs -ermächtigung (3-jährig) für Oralchirurgie. Im Rah-men seiner umfangreichen klinischen Tätigkeit istDr. Lieberum ein gefragter Referent zum Thema Im-plantologie. Zudem ist er Initiator der „KoblenzerFachtagung Implantologie“ und engagiert sich inberufspolitischer Tätigkeit als Mitglied der Vertre-terversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereini-gung Rheinland-Pfalz (KZV RLP).

VITA

ABSTRACT

The sinus floor elevation matured to a commonlyaccepted therapeutic concept to enhance the avai-lable bone in the posterior maxilla.Although the autogenous bone is still consideredas gold-standard for volume substitution, severaldisadvantages, e.g. availability of sufficientamount for sinus augmentation with a very likelynecessity of an additional donor site, led to theestablishment of different bone substitution materi-als.Depending on the manufacturing process of thesematerials as well as on the basic raw material va-rious characteristics can be seen, which will behighlighted in this article.In addition to that this article shows a concept forsinus floor elevation with the exclusively usage of aphykogenic bone substitution material, even in ca-ses with very limited local bone.

KONTAKTADRESSE:Dr.Dr. Reinhard Lieberum Löhrstraße 64a56068 KoblenzDr.Dr. [email protected]