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Gliederung
Persönlichkeit- Persönlichkeit und Depression- Prämorbide PersönlichkeitTypus Melancholicus*Psychoanalytisches Ätiologiemodell*Empirische UntersuchungPersönlichkeitsstörungPrämorbide Persönlichkeit oder Persönlichkeitsstörung?
Persönlichkeit
Ausdruck der für einen Menschen charakteristischen Veraltensweisen und Interaktionsmuster, mit denen er gesellschaftlich-kulturellen Anforderungen und Erwartungen zu entsprechen und seine zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Suche nach einer persönlichen Identität mit Sinn zu füllen versucht. (Fiedler, 1995)
Persönlichkeit und Depression
Mögliche Beziehungen:1. Unabhängigkeit2. Komorbidität3. Prädispositions- / Vulnerabilitätsmodell:
prämorbide Persönlichkeitszüge4. Komplikationsmodell: postmorbide Persönlichkeitszüge5. Normale depressive Züge6. Andere Modelle…=> Unterschiedliche Zeitperspektiven
Prämorbide Persönlichkeit
Normale oder abnorme Beschaffenheit der Persönlichkeit vor dem Auftreten erster Anzeichen einer aktuellen psychiatrischen Störung
Zusammenfassung der Risikomerkmale einer Person, die die mögliche Entwicklung einer Störung beinhalten
Prämorbide Persönlichkeit
« Die Patienten können während der melancholie selten angaben machen (…) die für ihre Wesensart aufschlussgebend sind » (Tellenbach, 1983)
=> Untersuchung vor Ersterkrankung
Prämorbide Persönlichkeit
Von Bedeutung: - für den Verlauf- für die Planung therapeutischer Intervention
Typus Melancholicus als bedeutendster Prädiktor im Langzeitverlauf der Depression (Mundt, Kronmuller, Backenstrass & Fiedler)
Typus Melancholicus
Bestimmtes Muster von Persönlichkeitszügen, innerhalb des nicht-pathologischen Rahmens
Prädisponierender Faktor für das Entstehen einer endogenen Depression (Tellenbach)(„endogen“: im DSM-III durch „Melancholie“ ersetzt)
Typus Melancholicus: Überblick
Stark ausgeprägtes Festgelegtsein auf Ordnung und OrdentlichkeitSowohl im Arbeitsleben als auch in zwischenmenschlichen BeziehungenHoher Anspruch an die eigene LeistungZwanghafte Züge, jedoch keine zwanghafte PersönlichkeitsstörungStreitigkeit und Schuld möglichst vermieden
Typus Melancholicus von Tellenbach
Die Ordentlichkeit im Arbeitsleben
Die Ordentlichkeit in mitmenschlichen Bezügen
Die Gewissenhaftigkeit
Die Ordentlichkeit im Arbeitsleben
Pflichtbewusstsein, Fleiß, Gewissenhaftigkeit, SolidaritätDer Melancholiker will viel leisten – und das Viele regelmäßig. Oft schon in der SchuleFestgelegtsein-in und Festgehaltenwerden-von einer Ordnung: Nicht-abschalten-könnenTrotzdem: Wertlosigkeitsgefühl
Die Ordentlichkeit in mitmenschlichen Bezügen
Freigehalten von Konflikten, insbesondere von SchuldhaftemLoyalität, Treue, Hilfsbereitschaft, DienstwilligkeitSein-für-andere, Leisten-für-andereAngst vor dem Alleinsein – Weg zur Depression.
Die Gewissenhaftigkeit des melancholischen Typus
Überdurchschnittliche Empfindlichkeit des GewissensWeniger Selbstgerechtigkeit als viel mehr Angst, in Schuld zu geratenGelingt es nicht, kann eine Depression ausgelöst werden
Typus Melancholicus von Tellenbach
Eine äußere Struktur aufrechthalten, die Sicherheit verspricht.
Ordnung gefährdet ↔ Bedrohung des ganzen Daseins.
Inkludenz und Remanenz von Tellenbach
Inkludenz
Sich-Einordnen, Sich-Einschliessen in Grenzen sozialer OrdnungsvorgabenRigide Festhalten an dieser Ordungsstuktur=> Ändern einer Situation unmöglichStarre KonstellationBeisp.: Umzugsdepression
Remanenz
Gehemmtsein: Zurückbleiben hinter den eigenen Selbstansprüchen und PflichtenRigides VerhaftetseinAspekte des Alltäglichen Leben; dem Depressiven werden sie jedoch zu einer andauernden Belastung.
Inkludenz geht immer auch mit Remanenz einher
*Psychoanalytisches Ätiologiemodell*
Freud: Zuwendung der Mutter- beim Übermaß → Verweigerung der psychischen Entwicklung (Wunsch nach Wiederherstellung)- bei Reduktion → reduziertes Selbstwertgefühl
Beide Haltungen → (Umwelt) → Depression
*Psychoanalytisches Ätiologiemodell*
Typus Melancholicus als Abwehrstruktur (v.Zerssen)
1. Tendenz zur Entmutigung (von der Kindheit an)
2. Selbstwertgefühl durch Leistung oder geordnetes Aufgehen stabilisieren →ausgeglichene Gemütsverfassung
3. „Subjektives Scheitern der Selbstverwirklichung“ →Zusammenbruch → depressive Episode
Empirische Untersuchung
Unklarheit, inwieweit Merkmale den Verlauf der Depression vorhersagen können:
- Neurotizismus und Rigidität als Vulnerabilitätsfaktor und Prädiktor bestätigt
Aber:- Verlaufsprädiktive Bedeutung von
Persönlichkeitsmerkmale uneinheitlich- Insbesondere, wie diese mit anderen
zusammenwirken
Empirische Untersuchung
Typus Melancholicus:Hypothese von einer störungstypischen (nicht störungsspezifischen) Persönlichkeitsstruktur i. S. des TM bei Patienten mit MD gestützt
2 retrospektiven Studien:TM: Prädiktor für einen ungünstigen Depressionsverlauf (Nakanishi et al, 1993)Dagegen: TM für eine günstigeren Langzeitprognose, als protektiver Faktor (Marneros et al, 1991)
Empirische Untersuchungen
Mundt, Kronmüller, Backenstrass & Fiedler, 1996
Ziel: die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen für den 2-Jahres-Verlauf der MD im Rahmens eines prospektives Studiendesigns zu überprüfenMit klassischen VerlaufsprädiktorenvergleichenN= 50, Zeitraum von 2 Jahren nach stationärer psychiatrischer Behandlung
Messinstrumente
DepressivitätFremdrating: Hamilton-Depressions-skala
(HAM-D)Selbstbeurteilung: Beck-Depressionsinventar(BDI)
Persönlichkeitsmerkmale Minnesota Multiphasic Personality Inventory
(MMPI)Maudsley Personality Inventory (MPI)
Verlaufsklassifikation
Patienten als „Rückfall-Patienten“ bezeichnet, wenn:Stationäre Wiederaufnahme bei depressiver HauptsymptomatikSuizidversuch oder „ausgeprägter Symptomatik“ (d. h. BDI oder HAM-D Wert > 20 oder Erfüllen der Diagnose für MD nach DSM-III-R)
Ergebnisse
1. Katamnesejahr: 49,9% hatten einen Rückfall 2-Jahres-Katamnese: 53,8%
(Kriterium: ob Patienten im 1. oder in beiden Jahren einen Rückfall erlitten haben oder nicht)
Einzelne soziodemographische und psychopathologische Merkmale sowohl für 1-als auch 2-Jahres-Verlauf prognostisch bedeutsam
Persönlichkeitsmerkmale als Rückfallprädiktoren
1-Jahres-Verlauf: Unterschiede zwischen den Verlaufsgruppen in den Merkmalen Psychopathie, Psychasthenie, Hypomanie, Depression, Hysterie, Paranoia (MMPI)+ höher Neurotizismuswert für die
Rückfallgruppe im MPI
2-Jahres-Verlauf: signifikanter Unterschied in keiner dieser Dimension.
Persönlichkeitsmerkmale als Rückfallprädiktoren
Aber: umgekehrter Zusammenhang für die TypusMelancholicus Persönlichkeitsstruktur
49
1314
NEINNEIN
1310Non- Typus Melancholicus
88Typus Melancholicus
JAJA
Rückfall im 2-J-V.(n=38)Rückfall im 1-J-V (n=41)
Signifikanter UnterschiedKein Signifikanter Unterschied
Persönlichkeitsmerkmale als Rückfallprädiktoren
TM Patienten im 1. Jahr: ähnlich hohes Rückfallrisiko, wie Patienten mit einer anderen Persönlichkeitsstruktur
TM Patienten im 2. Jahr: deutlich geringeres Rückfallrisiko, während Patienten ohne TM Persönlichkeit keine Reduktion zeigten…
Diskussion
Obwohl TM als Risikopersönlichkeit angesehen wird, zeigten diese Patienten einen besseren StörungsverlaufVermutet wird:- Bessere Copingmechanismen- Seltener PersönlichkeitsstörungFrage: Beziehung zwischen TM Persönlichkeitsstruktur und klassischen Persönlichkeitstraits ?
Es kann vermutet werden…
Dass diese Patienten durch ein Muster der Krankheitsbewältigung (Orientierung an hohen externalen und internalen Standards) in der nachstationären Zeit besonders vulnerabel sind.
Diese Art der Krankheitsbewältigung könnte sich dann als protektiver Faktor entwickeln
Compliance? …Es ist bislang zu wenig geklärt, wie diese einzelnen Risiko- und protektiven Faktoren zusammenwirken
Insgesamt bedeutsam…
Persönlichkeitsmerkmale in Rückfallprophylaxe und psychotherapeutischen Behandlung stärker zu berücksichtigen
Differenzielle psychotherapeutische Strategien zur Behandlung von Patienten mit Typus und non-Typus Melancholicus Persönlichkeitsstruktur lassen sich ableiten
Persönlichkeitsstörung (Fiedler)
Im allgemein als verschieden von psychischen Störungen angesehen
Bedeutet ein Muster von Persönlichkeitseigenschaften, die von einer gedachten Norm abweichen
Diagnose erst, wenn Ausprägung in Richtung eines Leidens des Betroffenen oder der sozialen Devianz
Die depressive Persönlichkeitsstörung (DSM-IV)
„neue“ Störungsgruppe, im DSM-IV-Anhang, der weiteren Forschung als Grundlage
Kriterienfestlegung: Konzepte und Forschungsergebnisse unterschiedlicher Autoren und Forschergruppen: K. Schneider (1950); Tellenbach (1961); v. Zerssen (1991); Kernberg (1984); Akiskal und Akiskal (1992)
Depressive Persönlichkeit: DSM-IV
A: ein tiefgreifendes Muster depressiver Kognitionen und Verhaltensweisen, das im frühen Erwachsenalter beginnt und in einer Vielzahl von Zusammenhängen zu Tage tritt, angezeigt durch mindestens 5 der folgenden Kriterien:
Depressive Persönlichkeit nach DSM-IV1. Die übliche Stimmung ist durch Niedergeschlagenheit,
Trübsinnigkeit, Unbehaglichkeit, Freudlosigkeit und Unglücklichsein gekennzeichnet
2. Das Selbstkonzept zentriert sich um Überzeugung der Unzugänglichkeit, Wertlosigkeit und niedriger Selbstachtung
3. Ist kritisch, anklagend und herabsetzend gegen sich selbst
4. Grübelt und sorgt sich5. Ist negativistisch, kritisch und verurteilend gegen
andere6. Ist pessimistisch7. Neigt zu Schuldgefühlen und Gewissensbissen
Depressive Persönlichkeit nach DSM-IV
B: Tritt nicht ausschließlich während Episoden einer Major Depression auf und kann nicht besser durch eine Dysthyme Störung erklärt werden
Neben den genannten 7 Kriterien befinden sich noch folgende 3 weitere Kriterien:
a) Die Betroffenen zeigen sich überwiegend ruhig, introvertiert, passiv und wenig selbstsicher
b) Sie sind gewissenhaft, normorientiert und selbstdiszipliniert
c) Sie können ihre negativistischen Einstellungen schwer ausdrücken und behalten sie vielfach für sich selbst
Rechtfertigung
Nicht nur wegen der langen TraditionAber auch mit der Unklarheit im Bereich der Übergänge zu den klinisch bedeutsamen affektiven Störungen undMit der Frage, ob bestimmten Persönlichkeits- oder Temperamentseigenarten eine prämorbideRisikowirkung zugeschrieben werden kannMöglicherweise kann ihre Erforschung zur differentiellen Indikation therapeutischer Maßnahmen beitragen helfen
Prämorbide Persönlichkeit oder Persönlichkeitsstörung ?
TM zeichnet sich außerhalb der depressiven Episode gerade nicht durch depressiven Symptome aus, sondern durch Eigenschaften, die unter den zusätzlichen Kriterien Subsumiert sind:
- ruhig, introvertiert, passiv und wenig durchsetzungsfähig- gewissenhaft, pflichtbewusst, selbstdizipliniert
Prämorbide Persönlichkeit oder Persönlichkeitsstörung ?
In den Ausarbeitungen zur TM Konzeption: von den Autoren bestritten, dass es sich bei den Persönlichkeitsvarianten um Persönlichkeitsstörungen handelt:
→ Typus als Vereinseitigung der Persönlichkeitsentwicklung im Normalbereich
→ Aber…
Sichtweise P. Fiedlers: Persönlichkeitsstörung„… und impliziert, dass es sich bei den (noch) nicht normalabweichenden Interaktionsmustern persönlichkeitsgestörter Menschen im Kern um Persönliche Kompetenzen handelt, die nur im Kontext bestimmter zwischenmenschlicher und sozialer Erschwernisse, in denen sie als Kompetenzen versagen oder nicht mehr hinreichen, als „Sicherheitsoperationen“, „Selbstschutztendenzen“, „Abwehrstrategien“ usw. extremisieren. Insofern kann durchaus die Hypothese vertreten und untersucht werden, ob es sich bei der Depression nicht sehr wohl um das Ergebnis einer dekompensiertenPersönlichkeitsvariante oder Persönlichkeitsstörung handelt.“
Stellenwert der Primärpersönlichkeit
Persönlichkeitsstuktur des Patienten beeinflusst den Verlauf einer Depressiven ErkrankungTheoretisch ist eine Prädisposition bzw. Vulnerabilität möglichTellenbachs TM : zumindest im deutschen Sprachraum das bekannteste Modell einer Persönlichkeitsstruktur, welches zu einer endogenen Depression disponieren soll
Stellenwert der Primärpersönlichkeit
Persönlichkeitsmodell empirisch bestätigt: v.Zerssen (1980)Lediglich in Bezug auf die zwanghafte Anteile anerkannt: Akiskal (1993)Nicht bestätigt: z. B. Tölle (1987)In neueren Untersuchungen: rigide Persönlichkeitsanteile als Dispositionsfaktoren bestätigtAls gesichert: die von Tellenbach beschriebene Persönlichkeitszüge disponieren nicht generell zu depressiven Erkrankung…
Stellenwert der Primärpersönlichkeit
Im DSM-IV: Frage des kausalen Zusammenhanges zwischen Persönlichkeitsstörung und affektiven Erkrankung offen gelassenMerkmale einer Persönlichkeitsstörung als mögliche Prädispositionsfaktoren angesehen
Es ist jedoch davon auszugehen, dass die prämorbide Persönlichkeitsstruktur die depressive Erkrankung beeinflusst.
Ob dies im Sinne einer kausalen Komponente geschieht, ist derzeit nicht zu entscheiden…