entstehung und entwicklung des freies radios
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Vortrag auf der tba-Musikmesse in Potsdam am 1. Dezember 2006TRANSCRIPT
Entstehung und Entwicklung des
Freien Radios
Referent: Stefan Tenner (Radio Corax, Halle)
Das Drei-Säulen-Modell
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist gemeinwohlorientiert und hat
gesetzlich die Objektivität und Ausgewogenheit in den Programminhalten zu gewährleisten. Der gesellschaftliche Auftrag liegt in der Erfüllung einer
Bildungs- und Kulturfunktion.
Kommerzieller Rundfunk ist vor allem über dessen wirtschaftliche Bedeutung und erst sekundär über seine Inhalte definiert und gilt als
gewinnorientiert.
Nichtkommerziellem Rundfunk liegt ein den Mainstream ablehnendes Selbstverständnis zugrunde. Die inhaltliche
Orientierung steht im Vordergrund. Es geht weniger um die Präsentation von
verschiedenen Meinungen, sondern um das Engagement in politischen, sozialen und künstlerischen Belangen, die nicht dem Mainstream der Öffentlichkeit
entsprechen.
Nichtkommerzieller Hörfunk – Was ist das?
Nichtkommerzieller Rundfunk ist in der Regel
minderheitenorientiert, ist offen für gesellschaftliche Experimente und Innovation und greift Unspektakuläres ebenso
auf wie Belange der Jugend- und Alltagskultur.
Die Programmproduktion erfolgt größtenteils durch freiwillige Mitarbeit, ganz im Gegenteil zum kommerziellen Rundfunk
und seiner Fixierung auf Marktdaten wie Einschaltquote, Reichweite, Werbemarktvolumen und Werbemarktanteile,
Kosten für Übertragungsrechte.
Die zwei Modelle nichtkommerziellen Hörfunks
Offene Kanäle sind lokale oder regionale Sender, deren Sendungen von Bürgern auf eigene Initiative und in eigener Verantwortung produziert und zusammengestellt werden. Es gibt hier keine Redaktion, kein
Sendeschema und keine inhaltlichen und formalen Vorgaben. Der Sender stellt die benötigte Technik kostenlos zur
Verfügung und weist den Nutzer in Kursen und Seminaren ein.
Nichtkommerzielle Lokalradios (NKL) verfolgen ein
anderes Konzept. Sie setzen auf ein festes Sendeschema und feste Redaktionen, verfolgen aber ebenfalls das Konzept des freien
Zugangs für alle Interessierten. Ziel ist es ein von Laien gestaltetes,
selbstorganisiertes und hörerfreundliches Radio mit einer breiten Themenvielfalt zu schaffen.
NKL vs. OKGemeinsamkeiten
offener Zuganz kostenfreie Nutzung werbefrei - keine Verkaufsstrategie Eigenverantwortung der BeitragsmacherInnen Verwirklichung der Meinungsfreiheit als Grundrecht
Nachteile des OK
Politische Abhängigkeit: teilweise Einrichtung der Landesmedienanstaltenkein selbstbestimmtes, selbstorganisiertes, unabhängiges Medium
kein gezieltes Einschalten möglich, da keine festen Sendeplätzeoftmals gilt das Warteschleifenprinzip für Sendetermine
demzufolge keine Struktur des Gesamtprogrammes und auch keine Redaktion, kein Programmschema
keine Kommunikation der Produzenten untereinander keine Kommunikation zwischen Hörern und Machern
Willkür in Organisation, Produktion und Sendung keine Live-Berichte, keine Aktualität
kein gemeinschaftlicher Anspruch
Nichtkommerzieller Hörfunk in den Bundesländern
ausschließlich NKL-Modelle:
Sachsen-Anhalt, Sachsen (ohne SAEK), Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern
(ohne AFK), Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz
ausschließlich OK-Modelle:
Berlin, Bremen, Schleswig-Holstein
Mischmodelle (OK und NKL):
Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Thüringen
keinen Nichtkommerziellen Hörfunk:
Brandenburg, Saarland
Entstehungsgeschichte Freier Radios
Leitfrage: Wer verfügt über dieses Medium?
1923 - erste Sendeversuche in Deutschland
Novemberrevolution 1918
Arbeitersender
1924 entstand Arbeiter-Radio-Klub (ARK)
Aktionsradios und Agitationsinstrument
Vorbild: der sowjetische Rundfunk
Rundfunk-Stoßtrupps
Grundlagen für eine alternative Nutzung des Mediums Radio – und emanzipatorischen Umgang
Hans Magnus EnzensbergerEmanzipatorischer Mediengebrauch
Dezentralisierte Programme
Jeder Empfänger ein potentieller Sender
Mobilisierung der Massen
Interaktion der Teilnehmer, Feedback
Politischer Lernprozeß
Kollektive Produktion
Selbstorganisation
Repressiver Mediengebrauch
Zentral gesteuertes Programm
Ein Sender, viele Empfänger
Immobilisierung isolierter Individuen
Passive Konsumentenhaltung
Entpolitisierungsprozeß
Produktion durch Spezialisten
Kontrolle durch Eigentümer oder Bürokraten
Die brechtsche Radiotheorie
Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein
ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch sprechen
zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk müsste demnach aus
dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren.
Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln.
Bertolt Brecht, 1932
Erstes Freies Radio
Radio Dreyeckland in Freiburg
1977 gegründet
entstanden aus der Anti-AKW-Bewegung
sendet seit November 1988 legal
Freies Radio in Ostdeutschland„Erst nach 1989 kam durch Initiativen in den neuen Bundesländern wieder
Bewegung in die freie Radioszene. [...] Sehr schnell war klar geworden, dass in den neuen Bundesländern das Rundfunksystem der Altländer etabliert werden sollte, das die spezifischen Interessen der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR wenig, die kommerziellen Interessen großer Medienkonzerne umso mehr berücksichtigte. Gleichzeitig hatte die kurze Zeit der relativen
Anarchie im Äther bei Jugendradio DT64 vielen gezeigt, was Rundfunk sein kann, wenn er frei von politischen Zensoren und kommerziellen Interessen ist.
[...] Einige begannen mit Piratenfunk zu experimentieren. In Erfurt, Dresden, Berlin wurde Meinungsfreiheit im Äther eifrig praktiziert. So eifrig, dass mehrmals Post und Polizei zur Verteidigung des Monopols aufgeboten wurden. Parallel dazu bildeten sich politische Initiativen zur Durchsetzung Freier Radios. Heute existieren in den neuen Bundesländern nicht nur über ein Dutzend Freie Radioinitiativen, sondern auch Landesverbände in Sachsen, Thüringen, Berlin/Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Ihre gemeinsame Dachorganisation ist die Arbeitsgemeinschaft Freier Radios Ostdeutschlands (FROST)“
Joseph P. Dreier
AMARC & CMFE
Assemblé Mondiale des Artisans des Radios de Type Communautaire
existiert seit 1983 weltweit mehr als 3000 Mitglieder in 110 Ländern
Communtiy Radio-Sektor
AMARC-Europe
seit November 2006 wieder aktiv
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seit November 2006 unter belgischem Recht
www.cmfe.netwww.amarc.org
Bundesverband Freier Radios (BFR)
● seit November 1993● derzeit 32 Mitglieder● jährlicher Kongress● Hörfestival● alle 3 Monate: Rundbrief● Mailinglisten & KO-Treffen● Webseite: freie-radios.de● Programmaustausch● Medienpolitik (DAB)● Finanzierung
Programmaustausch
seit Juni 2001: 15.000 Beiträge12.000 Zugriffe und 280 Gbyte Traffic pro Monat
zip-fm
www.zip-fm.net
www.radiocorax.de
Radio CORAX ist das Freie Radio in Halle (Saale)
sendet 24 Stunden täglich seit Juli 2000 auf 95,9 MHz
Mitglied im Bundesverband Freier Radios (BFR). Getragen wird der Sender vom
gemeinnützigen Radioverein Radio CORAX e. V., der 1993 gegründet wurde
Ca. 70 Sendungen die ehrenamtlich von Redaktionen gestaltet werden
Einzelpersonen, KünstlerInnen, MigrantInnen, SchülerInnen, Kinder, antirassistische und andere Projektgruppen
nach Musikstilen stark ausdifferenzierte Musiksendungen
berichtet Radio CORAX wochentäglich tagesaktuell in einem Morgen-, Mittags- und Abendmagazin. Redaktionell beteiligt sich Radio CORAX am Austausch von
Sendungen und Beiträgen mit anderen Freien Radios
Magazinsendungen zu den Themenfeldern Politik, Kultur, Umwelt, Europa, Uni oder Medien sind fester Bestandteil des Programms. Hinzu kommen regelmäßig
experimentelle Radioformen
Radio CORAX sendet in 11 verschiedenen Sprachen und ist damit eines der wichtigsten interkulturellen und internationalen Projekte in der Region
Corax-Programmschema
Corax-ProjekteRadioREVOLTEN
Das internationale Festival zu Zukunft des Radios wurde im Herbst 2006 veranstaltet. Ein Kooperationsprojekt, dem sich rund 50 Radiosender sowie
Audio- und Medienkünstler aus ganz Europa angeschlossen haben. Im Mittelpunkt der Ausstellungen, zahlreicher Radiosendungen, Radio-
Interventionen im öffentlichen Raum und dem internationalen Kongress "Relating Radio" standen Perspektiven und Modelle der künstlerischen
Aneignung des Mediums Radio.
InterAudio
InterAudio fördert die interkulturelle Kooperation und den internationalen Austausch, die Vernetzung von RadioaktivistInnen. Teil dieses Projekts ist u. a. eine Osteuropa-Archiv Freier Radios und ein
Programm für die interkulturelle Radioausbildung.
Europaradio
Das europajournalistische Projekt umfasst ein wöchentliches Magazin - INTERAUDIO Europe - sowie weitere Beiträge und Nachrichten im
Programm von Radio CORAX. Gemeinsam mit dem Kooperationspartner Radio Z in Nürnberg wurde erstmals in der Geschichte Freier Radios ein
Korrespondentenbüro in Brüssel eingerichtet.
Entstehung und Entwicklung des
Freien Radios
Referent: Stefan Tenner (Radio Corax, Halle)
Links
www.freie-radios.dewww.freie-radios.net
www.zip-fm.netwww.radiocorax.de
www.medienmagazin.netwww.radiokampagne.de