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Der Staat im Bankwesen. Zur Rolle der Landesbanken in Deutschland by Hans-Werner SinnReview by: Norbert KlotenFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 56, H. 3/4 (1999), pp. 598-600Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40912909 .

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Hans- Werner Sinn: Der Staat im Bankwesen. Zur Rolle der Landesbanken in Deutsch- land. C. H. Beck. München 1997. 156 Seiten. DM 64,-.

Das Buch ist eine Kampfansage an das System öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute. Für den Verfasser ist dieses schlicht obsolet. Was einst mal Sinn machte, wurde inzwi- schen zum Relikt aus grauer Vorzeit. Gemeint sind die „Anstaltslast" als staatliche Funk- tionsgarantie öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute und die „Gewährträgerhaftung" als „bürgschaftsgleichen Rechtsanspruch der Gläubiger" (S. 36). Entfallen diese konstitu- ierenden Elemente des Systems, dann ist der Weg frei für eine Privatisierung von Lan- desbanken und Sparkassen, wie sie u.a. die Monopolkommission bereits 1992 gefordert hat. Die deutsche Bankenlandschaft würde sich, käme es so, fundamental ändern. Doch das beunruhigt den Verfasser nicht. Er vertraut auf die Lenkungskräfte des Marktes, auch auf die „Bonität der Landesbanken" (S. 1 10), die er zumindest privatisiert sehen möch- te. Die Zuversicht erstaunt. Der Autor versucht nämlich, vor allem eines zu belegen: Bei den Landesbanken paaren sich marktwirksame hoheitlich eingeräumte Privilegien mit funktionaler Ineffizienz. Das Resultat sind reale allokative Defekte, verursacht durch „suboptimale Verwendungen" (S. 100) verfügbarer Kreditmittel („fundamentaler Kon- struktionsfehler", S. 103). Das Raisonnement lautet wie folgt: Anstaltslast und Gewähr- trägerhaftung implizieren ein „unbedingtes staatliches Schutzversprechen" (S. 35). Die- ses entlastet die Landesbanken (und auch die Sparkassen) von Risiken, für die bei privaten Banken letztlich die Eigentümer, in der Regel die Aktionäre, haften, wenngleich beschränkt. Bei Anstalten öffentlichen Rechts haftet der Staat und das unbegrenzt (S. 36). Das verbilligt die Refinanzierung (S. 38 f.) und mehrt die Wagnisbereitschaft bei riskan- ten Ausleihungen (S. 38). Rating-Agenturen stufen der Staatshaftung wegen die Landes- banken vorteilhafter ein, als es ihre relativ (im Vergleich mit den privaten Banken) nied- rige Eigenkapitalrendite und das risikobehaftetere Spektrum ihrer Bankgeschäfte rechtfertigen (S. 42ff.). Die staatlichen Gewährträger begnügen sich indes nicht nur mit einem „systematischen Renditerückstand"; sie leisten zudem trotz des „unbegrenzten Haf- tungsrisikos" einen weitgehenden Verzicht auf die Verzinsung des eingesetzten Kapitals (S. 47), indem sie „ungewöhnlich hohe Thesaurierungsquoten" der Landesbanken als prä- ferierte Quelle für die Beschaffung von Eigenkapital hinnehmen (S. 49). Nach Inkraft- treten der neuen Eigenkapitalrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft von 1989 zöger- ten sie überdies zumeist nicht, das haftende Eigenkapital ihrer Banken großzügig aufzustocken, wenngleich durch eine problembehaftete Übertragung „zweckgebundener staatlicher Vermögenswerte", ohne allerdings die Zweckbindung dieser Werte aufzuhe- ben (S. 5 1 ). Das hohe Engagement der Landesbanken auf risikoreichen Geschäftsfeldern und ihre nicht zuletzt hier demonstrierte Wettbewerbsstärke sind so gesehen vornehmlich Reflex eines extern verschafften Wettbewerbsvorteils, anders gewendet, die Folge „einer expliziten pekuniären Subvention seitens des Staates" (S. 45).

Was für die Landesbanken zutrifft, gilt im Urteil des Verfassers für öffentlich-rechtli- che Kreditinstitute schlechthin. Die traditionellen Rechtfertigungsgründe für deren Son- derstatus wie „öffentlicher Auftrag" (S. 64 ff.), „Wahrnehmung der Funktionen einer Haus- bank" (S. 65 f.), „flächendeckende Versorgung" (S. 68 ff.), „Förderung des Sparens" (S. 71 ff.) und Begrenzung der „Macht privater Banken" durch öffentlich-rechtliche Kre- ditinstitute als „Hechte im Karpfenteich" (S. 74 ff.) läßt er jedenfalls nicht gelten. Ver- worfen werden sie mit kaum zu entkräftenden Argumenten.

Auch in diesem Kontext beeindruckt die geradezu mustergültig systematische Gedan- kenführung. Die Argumentationsketten sind stringent, Aussagen wie Stoßrichtung der Studie eindeutig. Die gesamtwirtschaftliche Spannbreite der Thematik erhellen - gleich- sam als Parenthesen eingebaute - analytische Exkurse. Anhänge (1-5) bereichern den Text mit Informationen und Erläuterungen. Keineswegs zuletzt erfreut die von Fachchi- nesisch weithin unbeschwerte Diktion.

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Doch zu leicht macht es sich der Verfasser mit seiner politischen Botschaft, auch wenn einzuräumen ist, daß es ihm der gewählten Thematik entsprechend vornehmlich um die wettbewerbsverzerrende Rolle der Staatshaftung zugunsten der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute geht. Dem Leser zu suggerieren, daß der Sprung ins kalte Wasser privater Trägerschaft und damit der Gang an die Börse den Landesbanken „keinerlei Probleme bereiten" dürfte (S. 1 10), heißt, die zu erwartenden Neuorientierungen und Restrukturie- rungen, die voraussichtlichen Verwerfungen und Friktionen arg zu unterschätzen. Und das gilt selbst für den Fall, daß es noch vor dem Transfer aus Staatshand in private Hände zu einer Reform des deutschen Aktienmarktes nach US-amerikanischem Vorbild kommt, wofür der Verfasser in Sorge um eine sonst mögliche Überforderung der „Risikokapazität des deutschen Aktienmarktes" (S. 106) plädiert (S. 107). Zudem möchte er von den Pri- vatisierungserlösen einen Teil für die Bildung eines staatlichen Sicherungsfonds „zum Schutz der Anleger aller Banken" abgezweigt wissen (S. 110). Auch seien die aufsichts- rechtlichen Kontrollen zu verschärfen (S. 111).

Selbst wenn diesen Postulaten entsprochen würde - inzwischen hat sich manches in die aufgezeigte Richtung bewegt -, mit dem Verzicht auf die konstituierenden öffentlich- rechtlichen Elemente bei den Landesbanken wird eine progressive Erosion einer der Säu- len - am Marktanteil gemessen sogar der mächtigsten - der deutschen Bankwirtschaft einsetzen. Dem zentralen Argument der Studie: Wettbewerbsvorteile durch Staatshaftung bei gleichzeitig inferiorer Effizienz gemäß, würden die Landesbanken schon bei einem sich abzeichnenden Verlust ihres Sonderstatus von den Rating-Agenturen kräftig herab- gestuft (Tabelle 4, S. 43). Die Refinanzierungsvorteile entfielen. Die vergleichsweise risi- kobehaftete Struktur der Ausleihungen verlöre ihre Basis. Ertragseinbußen verstärkten den ohnehin bestehenden Renditerückstand bei den öffentlichen Banken. Der Spielraum für Gewinnthesaurierungen würde enger. Neue Eigentümer (Aktionäre) wären kaum bereit, diese in bisherigem Umfang hinzunehmen. Privatisierte Landesbanken müßten zudem ihnen übertragene zweckgebundene staatliche Vermögenswerte wieder ausglie- dern. Der zu erwartende Druck auf die Kurse von Landesbankaktien erschwerte es, mach- te es vor allem teuer, dringend benötigte und nur über den Kapitalmarkt aufzutreibende Eigenmittel zu erhalten.

Gewiß, die neue Lage erzwänge Restrukturierungen und geschäftspolitische Anpas- sungen. Die Rationalisierungspotentiale dürften indes groß sein. Doch wie sie und in wel- chen Zeithorizonten sie genutzt würden, ist eine offene Frage. So oder so würde es an die Substanz des - keineswegs reibungslos funktionierenden - Verbundes von Landesbanken und Sparkassen gehen. Mit einer Privatisierung von Landesbanken zerfiele der organisa- torisch-instutionelle Kern des Sparkassensektors. Die Sparkassen als operative Einheiten vor Ort würden sich schwer tun, die ihnen eigene Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zu erhalten. Den Zwängen, sich neu zu positionieren, wäre nicht auszuweichen.

Gegenwärtig wollen die Verfechter des öffentlich-rechtlichen Kreditsystems das alles offiziell noch nicht wahrnehmen. Ihre Devise lautet nach wie vor: Wehret den Anfängen. Schon der erste Einbruch in das Privileg der Staatshaftung heißt für sie, die Büchse der Pandora öffnen. Der Sparkassensektor und die in seinem mächtigen, alle Staatsebenen durchdringenden politischen Netzwerk Verankerten verteidigen daher den Sonderstatus der öffentlich-rechtlichen Institute mit Zähnen und Klauen. So wurden bislang alle Ver- suche gerade führender Sparkassen, etwa der bis vor kurzem noch selbständigen Lan- dessparkasse Stuttgart, sich die Rechtsform einer Aktiengesellschaft zuzulegen, vehement abgelehnt. Und es waren letztlich die gleichen strategischen Gründe, die die staatlichen Gewährträger und Gliedkörperschaften des Sparkassensektors (Institute wie Verbände) veranlaßten, sich einvernehmlich für die Fusion der Südwestdeutschen Landesbank, der Landeskreditbank (ohne Fördersparte) und Landesgirokasse zur Landeskreditbank Baden- Württemberg zu entscheiden und damit das ursprünglich von der Landesbank und der Landesgirokasse favorisierte Zusammengehen mit der Baden-Württembergischen Bank AG - geschäftspolitisch eine durchaus sinnvolle Alternative - zu verwerfen. Auch die

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Aufnahme stiller Einlagen durch die Norddeutsche Landesbank, Hannover, orientiert sich an traditionellen Grundpositionen. Die Einlagen sind ohne Stimmrecht. Sie werden vor- nehmlich von den Gewährträgern gezeichnet und reflektieren in jetziger Form die Staats- haftung als verläßliches Auffangnetz.

Hinter den Kulissen zeichnet sich Bewegung ab. Landesbanken und Sparkassen wis- sen bei aller nach außen gerichteten Polemik gegenüber den Kritikern des Bestehenden durchaus, daß sich viel Tradiertes auf Dauer nicht halten läßt, auch nicht das Regional- prinzip. Sie werden sich zunehmend der strukturaufbrechenden Kraft der sich im Vollzug von Globalisierung und Einheitlichem Europäischem Markt unausweichlich ändernden Marktbedingungen, auch der ordnungspolitischen Hebel der Europäischen Kommission bewußt. Vielerorts wurde begonnen, mögliche zukünftige Konstellationen gedanklich durchzuspielen, wenngleich zumeist immer noch unter dem Vorbehalt, daß Anstaltslast und Gewährträgerhaftung vorerst nicht zur Disposition stehen. Die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute sind in ihren Urteilen und Absichten weit weniger homogen, als dies die Kardinale der Sparkassenorganisationen gerne hätten. Manche ihrer Glieder, Landesban- ken wie Sparkassen, meinen durchaus, sich in eigener Regie und sich stützend auf das eigene Können selbst bei einem Zerbröseln der Staatshaftung in einem härter werdenden Markt behaupten zu können.

Die Ökonomen lassen sich zu Recht weder durch propagierte Horrorszenarien noch durch den Hinweis auf den sehr steinigen Wegen einer Tranformation öffentlich-rechtli- cher Kreditanstalten in privatwirtschaftliche Bankinstitute schrecken. Doch dem Reform- gebot dient es nicht, vornehmlich in Kategorien einer gleichsam geradlinigen Einbahn- straße, in allzu vereinfachten Problemstrukturen und in zu kurzen Zeithorizonten zu denken. Gut wäre es zumindest, den Versuch zu wagen, die Alternativen - mit und ohne oder mit eingeschränkter Staatshaftung -, die jeweils zurückzulegenden Etappen und die zugehörigen Wirkungsspektren durch geeignete analytische Szenarien aufzuhellen, auch wenn dies bei einem derart mit Ungewißheiten und Unsicherheiten im Wirtschaftlichen und Politischen befrachteten Gegenstand nicht leicht fallen kann.

Notabene ein Letztes: Anlaß für die Studie von Sinn war die Gründung der Westdeut- schen Immobilienbank in Mainz durch die Westdeutsche Landesbank, die Südwestdeut- sche Landesbank und die Landesbank Rheinland-Pfalz als Gemeinschaftsprojekt (S. 7). Sinn fordert, dem neuen Institut als „öffentlicher Bank ohne öffentlichen Auftrag" (S. 11) das Privileg der (indirekten) Staatshaftung (S. 38) „so rasch wie möglich" zu entziehen. So zu verfahren, wäre konsequent, auch wenn sich die Existenzfrage des Institutes stel- len sollte. Eine Gründung als Aktiengesellschaft ist jedenfalls nach Aussage des Verfas- sers „niemals ernsthaft erwogen" worden (S. 46).

Norbert Kloten

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