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Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Internationales Graduiertenkolleg: „Formenwandel der Bürgergesellschaft – Japan und Deutschland im Vergleich“ KRIEGSGEDENKEN UND GESELLSCHAFTLICHE INITIATIVEN VIETNAM SEIT DEN 1970ER JAHREN Martin Großheim Nr. 23 07/2016 Vol. 23

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Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Internationales Graduiertenkolleg: „Formenwandel der Bürgergesellschaft –

Japan und Deutschland im Vergleich“

KRIEGSGEDENKEN UND GESELLSCHAFTLICHE INITIATIVEN –

VIETNAM SEIT DEN 1970ER JAHREN

Martin Großheim

Nr. 23 – 07/2016 – Vol. 23

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Internationales Graduiertenkolleg „Formenwandel der Bürgergesellschaft – Japan und Deutschland im Vergleich“

Herausgeber: Manfred Hettling, Tino Schölz, Maik Hendrik Sprotte, Daniel Watermann Redaktion: Christian Drosdziok, Daniel Watermann

Hoher Weg 4 06120 Halle (Saale) Postanschrift: 06099 Halle (Saale)

Telefon: 0345-55-24338 Telefax: 0345-55-27250 E-Mail: [email protected]

ISSN: 1869-0386ISBN: 978-3-86829-859-8

Alle Rechte vorbehalten

KRIEGSGEDENKEN UND GESELLSCHAFTLICHE INITIATIVEN –

VIETNAM SEIT DEN 1970ER JAHREN

Martin Großheim

Formenwandel der Bürgergesellschaft Transformations of Civic Society

Nr. 23 – 07/2016 – Vol. 23

Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tōkyō Working Papers of the International Graduate School Halle-Tōkyō

5

Einleitung

Der Krieg war der entscheidende Faktor bei der Nationen- und Staatsbildung in Vietnam nach

dem Ende des Zweiten Weltkrieges. So bildeten sich noch während des Krieges gegen Frank-

reich (1946-1954) die Strukturen der Demokratischen Republik Vietnam (DRV) heraus, die

sich dann nach Kriegsende weiter verfestigten.1 Sowohl die sozialistische DRV im Norden als

auch die Republik Vietnam im Süden des Landes waren Produkte des Dekolonisationsprozes-

ses und des Kalten Krieges, der die Region Indochina seit 1950 fest im Griff hatte.

Den Erfolg gegen die frühere Kolonialmacht Frankreich, die in den letzten Jahren des Krieges

massiv materiell von den USA unterstützt wurde, war teuer erkauft: In dem „totalen Krieg“, in

dem die Việt Minh einen Großteil der Bevölkerung mobilisierte, waren sie trotz der Moderni-

sierung der eigenen Armee in vielfacher Hinsicht der zerstörerischen Feuerkraft der mit moder-

nen Waffen ausgerüsteten französischen Armee ausgesetzt und hatten immense Verluste zu

beklagen – Schätzungen sprechen von ca. einer halben Million gefallener Soldaten und einer

Million getöteter Zivilisten.2 So hatten die vietnamesischen Truppen bei den drei Angriffswel-

len während der Schlacht von Điện Biên Phủ 1954, die bis heute in Vietnam als grandioser Sieg

gefeiert wird, Todesraten von 32 %, 25 % und 20 % zu beklagen.3 Nach den massiven Verlus-

ten im Kampf gegen die Franzosen sollten dann im Krieg gegen die USA noch einmal ca. eine

Million Kriegstoter hinzukommen.4 Der sozialistische vietnamesische Staat stand damit bereits

1954 vor der großen Herausforderung, die immensen Verluste im Kampf um die Unabhängig-

keit zu rechtfertigen.5 Das Kriegsgedenken und der revolutionäre Heldenkult sind konstitutive

Elemente im Versuch des vietnamesischen Staates, die hohen menschlichen Verluste im Krieg

gegen Frankreich und die USA zu rechtfertigen und als selbstlose Opfer für den Kampf um die

Unabhängigkeit und den Aufbau des Sozialismus zu überhöhen.

Die Ursprünge des revolutionären Heldenkultes, seine rechtliche Institutionalisierung und die

Rolle von Heldenfriedhöfen stehen im Mittelpunkt des ersten Teils dieses Artikels. Nach Ende

1 Vgl. Christopher E. Goscha, Vietnam. Un État né de la guerre, Paris 2011. 2 Charles Hirschmann, Samuel Preston und Vu Manh Loi, Vietnamese Casualties during the Vietnam War. An

Estimate, in: Population and Development Review, Vol. 21, No. 4 (Dec. 1995), S. 783-812, hier: S. 783. 3 Vgl. Christopher E. Goscha, ’Hell in a Very Small Place’. Cold War and Decolonization in the Assault on

the Vietnamese Body at Dien Bien Phu, in: European Journal of East Asian Studies Vol. 9, No. 2 (2010), S. 201-223, hier: S. 218.

4 Charles Hirschmann, Samuel Preston und Vu Manh Loi, Vietnamese Casualties during the Vietnam War: An Estimate, S. 806f.

5 Vgl. Shaun Kingsley Malarney, ’The Fatherland Remembers Your Sacrifice’: Commemorating War Dead in North Vietnam, in: Hue–Tam Ho Tai (Hg.), The Country of Memory. Remaking the Past in Late Socialist Vietnam, Berkeley, Los Angeles and London 2011, S. 46-76, hier: S. 46.

6

des „amerikanischen Krieges“ entwickelte der sozialistische vietnamesische Staat das Kriegs-

gedenken durch den landesweiten Bau von Heldenfriedhöfen und Gedenkstätten fort. Gleich-

zeitig zeigten sich nach 1975 jedoch Tendenzen zur Ausdifferenzierung des Totengedenkens,

und zwar beim Gedenken an die südvietnamesischen „Marionettensoldaten“ sowie beim Ge-

denken an die in den militärischen Auseinandersetzungen mit der Volksrepublik China Gefal-

lenen – dies ist Thema des zweiten Teils dieser Untersuchung.

1. Die Institutionalisierung des Totengedenkens in Nordvietnam

1.1. Die Anfänge des Märtyrerkults in den 1950er Jahren: Die Klassifizierung der Gefal-

lenen

Die Erinnerungsformen an die Gefallenen sind in Vietnam an die Entstehungsbedingungen des

heutigen vietnamesischen Staates gebunden, wie sie in der von der offiziellen Historiographie

propagierten Meistererzählung kanonisiert werden. Danach gelang es dem vietnamesischen

Volk unter Führung der kommunistischen Partei, in einem langen, entbehrungsvollen Kampf

zunächst die Unabhängigkeit des Landes von kolonialer Herrschaft zu erlangen und Vietnam

dann durch einen grandiosen Sieg gegen die „US-Imperialisten“ und die von diesen gestützte

südvietnamesische „Marionettenregierung“ zur vollen Unabhängigkeit und Wiedervereinigung

zu führen.6

Das Gedenken an die in diesem gerechten (chiến tranh chính nghĩa) und heiligen Krieg (chiến

tranh thần thánh) gefallenen Toten hat seinen Ursprung in den ersten Jahren des anti-französi-

schen Widerstandskampfes.7 Zwischen 1945 und 1956 unterschied die Demokratische Repub-

lik Vietnam generell nur zwischen denen, die einen „ehrenhaften“, und denjenigen, die einen

„unehrenhaften“ Tod gestorben waren. Letzteres galt für all diejenigen, die für die Franzosen

6 Martin Großheim, Der ‘gerechte Krieg‘. Der Vietnamkrieg und Erinnerungsdebatten, in: Jahrbuch für Politik

und Geschichte 2010, S. 151-173, hier: S. 153-158. 7 Vgl. hierzu Shaun Kingsley Malarney, ’The Fatherland Remembers Your Sacrifice’, S. 46-58; ders., Leben

mit den Kriegstoten. Gebeine, Geister und die soziokulturelle Dynamik des Totengedenkens, in: Manfred Hettling u. Jörg Echternkamp (Hg.), Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München 2013, S. 515-542, hier: S. 517-524; Nguyen T. Hoa, Living with the Dead. Memory and State Authority in Post-Socialist Vietnam, in: Culture, No. 9 (2015), S. 71-82, hier: S. 72-74; und allgemein Kirsten W. Endres and Andrea Lauser, Contests of Commemoration. Virgin War Martyrs, State Memorials, and the Invocation of the Spirit World in Contem-porary Vietnam, in: dies. (Hg.), Engaging the Spirit World. Popular Beliefs and Practices in Modern Southeast Asia, New York und Oxford, S. 121-143.

7

bzw. für den ab 1949 bestehenden und eng mit Frankreich verbundenen Staat Vietnam ge-

kämpft hatten. Diejenigen, die für eine „gerechte Sache“ gekämpft hatten, wurden wiederum in

zwei Kategorien unterteilt: Tod im Dienst oder Tod auf dem Schlachtfeld.8

Ein von Präsident Hồ Chí Minh im Februar 1947 unterschriebenes Dekret legte fest, dass die

Kriegsversehrten und die Hinterbliebenen von im Kampf gefallenen Soldaten (tử sĩ) eine finan-

zielle Unterstützung von staatlicher Seite erhalten sollten.9 Am 27. Juli 1947 wurde dann in der

Provinz Thai Nguyen nordöstlich von Hanoi, wohin sich die Hồ Chí Minh-Regierung nach

Ausbruch der Kriegshandlungen zurückgezogen hatte, der erste „Tag des Kriegsversehrten“

(ngày thưong binh) begangen.10 1951 wurden tử sĩ posthum Urkunden verliehen, und zwar un-

abhängig davon, ob sie im Dienst, im Kampf, bei einem Unfall oder durch eine Krankheit ge-

storben waren. Nach Ende des Krieges 1954 wurde der „Tag der Kriegsversehrten“ in „Tag der

Kriegsversehrten und revolutionären Märtyrer“ (ngày thưong binh liệt sĩ) umbenannt und wird

seither am 27. Juli landesweit in den zentralen Gedenkstätten begangen.

Ab Mitte der 1950er Jahre bemühten sich die Regierung der DRV und die Arbeiterpartei Viet-

nams, die Kontrolle vor allem über die ländliche Bevölkerung zu verstärken. Dabei ergab sich

nicht nur die Notwendigkeit, eine soziale Klassifizierung der Lebenden, sondern auch der Toten

bzw. Gefallenen vorzunehmen. Damit gingen die Herausbildung eines revolutionären Toten-

kults und eine klare Hierarchisierung der Gefallenen einher. Zwei Dekrete aus dem Jahr 1956

lieferten die gesetzliche Grundlage für die Differenzierung der Gefallenen:11 ganz oben stand

der „nationale Märtyrer“ (liệt sỹ tổ quốc), danach kamen Soldaten, die im Dienst gestorben

waren (quân nhân tử trận), und schließlich diejenigen, die vermisst wurden (quân nhân mất

tích). Danach folgten in der Hierarchie die jeweiligen Nachkommen der unterschiedlichen Ge-

fallenen.

8 Benoît de Tréglodé, Heroes and Revolution in Vietnam, Singapore 2012, S. 131. 9 Sắc lệnh của chủ tịch chính phủ Việt Nam Dân Chủ Cộng Hòa số 20 ngày 16 tháng 2 năm 1947 [Dekret des

Präsidenten der Demokratischen Republik Vietnam vom 16. Februar 1947], http://moj.gov.vn/vbpq/lists/vn%20bn%20php%20lut/view_detail.aspx?itemid=490 (aufgerufen am 10. Juni 2016).

10 Nguyễn Dân Quốc u. Phạm Thị Nhung, Tình cảm của Bác với thương binh, liệt sỹ và gia đình có công với đất nước [Die Gefühle von Onkel (Ho) für die Kriegsversehrten, revolutionäre Märtyrer und Familien mit Verdiensten für das Land], 27. Juli 2012, http://www.xaydungdang.org.vn/Home/tutuonghoch-iminh/2012/5366/Tinh-cam-cua-Bac-voi-thuong-binh-liet-sy-va-gia-dinh.aspx (aufgerufen am 10. Juni 2016).

11 Nghị định ban hành bản điều lệ ưu đãi thương binh, dân quân du kích, thanh niên xung phong bị thương tật, bản điều lệ ưu đãi gia đình liệt sĩ và bản điều lệ ưu đãi gia đình quân nhân [Verordnung zur Bekanntmachung der Bestimmungen der bevorzugten Behandlung von Familien mit revolutionären Märtyrern und von Fami-lien mit Armeeangehörigen], 27. Juli 1956, http://thuvienphapluat.vn/van-ban/Van-hoa-Xa-hoi/Nghi-dinh-980-TTg-ban-dieu-le-uu-dai-thuong-binh-dan-quan-du-kich-thanh-nien-xung-phong-bi-thuong-tat-gia-dinh-liet-si-va-gia-dinh-quan-nhan-21754.aspx (aufgerufen am 19. Mai 2016). Siehe Tréglodé, Heroes and Revo-lution in Vietnam, S. 132-134.

8

Das Dekret vom 27. Juli 1956 lieferte zum ersten Mal eine Definition des „Märtyrers“ (liệt sỹ):

„Märtyrer sind die Personen – ohne Unterscheidung ihrer Klasse, Religion und politischer Ten-

denz, die auf glorreiche Weise gefallen sind, weil sie für die revolutionäre Sache des Volkes,

gegen den Imperialismus [und] gegen den Feudalismus gekämpft haben.“12 Generell fielen un-

ter diese Definition nur Personen, die im Zeitraum nach 1925 gefallen waren – 1925 hatte

Nguyễn Ái Quốc (der spätere Hồ Chí Minh) in Kanton die Revolutionäre Jugendliga (Thanh

Niên) gegründet. Tatsächlich waren für die Vergabe des Status „Märtyrer“ auch die „korrekten“

politischen Überzeugungen bzw. die Zugehörigkeit zu entsprechenden Parteien, Organisatio-

nen und militärischen Verbänden maßgeblich. So grenzte das Dekret nach der zunächst sehr

allgemeinen Definition die Personengruppen ein, denen tatsächlich der Status eines liệt sỹ ver-

liehen werden konnte. Unter anderem gehörten hierzu: revolutionäre Kader, die gegen den Im-

perialismus, also gegen die Franzosen gekämpft hatten inklusive der Kader, die an der Landre-

form in den 1950er Jahren teilgenommen hatten; Soldaten der Volksarmee und anderer bewaff-

neter Verbände wie der Volkspolizei; Selbstverteidigungskräfte, die bereits vor der Augustre-

volution im Kampf gegen innere und äußere Feinde gefallen waren; Arbeiter im Verteidigungs-

sektor und Mitglieder von Jugendverbänden (thanh niên xung phong).13 Damit war von vorher-

ein ausgeschlossen, dass Mitglieder von anderen politischen Parteien als der KP Vietnams bzw.

anderer militärischer Verbände als der Volksarmee und der Việt Minh zu „Märtyrern“ erhoben

werden würden. Dass der Status liệt sỹ restriktiv und durchaus unter Berücksichtigung der po-

litischen Orientierung verliehen werden sollte, zeigte sich außerdem deutlich in einem Rund-

schreiben des Ministeriums für Kriegsversehrte vom 28. Mai 1956: Danach sollte bei der Ent-

scheidung, ob eine Person zum „Märtyrer“ ernannt wurde, auch die korrekte politische Haltung

seiner Familie maßgeblich sein: Wenn das Oberhaupt der Familie, aus der der Gefallene

stammte, „reaktionär“ war und von der „Revolution“ abweichende Standpunkte vertrat, war

eine Verleihung des Status liệt sỹ ausgeschlossen.14

In einem Dekret aus dem Jahre 1960 wurden noch einmal die genauen Kriterien für die Verlei-

hung des Status „Märtyrer“ erläutert und besonders der Propagandaeffekt dieser Erinnerungs-

form für die gesamte Bevölkerung betont.15 Danach ist derjenige ein „Märtyrer“, der seit 1925

12 Nghị định, 27. Juli 1956. 13 Ibid. 14 Thông tư, 28. Mai 1956. 15 Chỉ thị về việc phổ biến rộng rãi tiêu chuẩn liệt sĩ trong cán bộ và nhân dân, hoàn thành tốt việc xác nhận và

ghi công liệt sĩ [Anordnung zur weiten Verbreitung der Kriterien von revolutionären Märtyrern unter Kadern und der Bevölkerung, zur guten Umsetzung der Bestätigung und Anerkennung der Verdienste von revoluti-onären Märtyrern], 25. Febr. 1960, http://thuvienphapluat.vn/van-ban/Lao-dong-Tien-luong/Chi-thi-10-NV-TB-pho-bien-rong-rai-tieu-chuan-liet-si-can-bo-nhan-dan-hoan-thanh-tot-xac-nhan-ghi-cong-liet-si/21940/noi-dung.aspx (aufgerufen am 6. Dezember 2015).

9

im Einsatz für die Revolution gegen den Kolonialismus und Feudalismus in glorreicher Weise

sein Leben geopfert hat. Diese Definition ist einerseits umfassend, weil sie auch Personen ein-

schließt, die nicht im Krieg gefallen sind, andererseits schließt das Kriterium „Einsatz für die

Revolution“ Personengruppen aus, die außerhalb der KP Vietnams und ihrer Massenorganisa-

tionen z.B. im Kampf um die Unabhängigkeit des Landes in heldenhafter Weise gestorben sind.

Die Verleihung des Status „Märtyrer“ beruht also auf einem Ausschließlichkeitsanspruch der

KP Vietnams auf die Teilhabe am Kampf um die Unabhängigkeit des Landes. Dieser Anspruch

wird mit Nuancen bis heute aufrechterhalten. Tatsächlich ist die Behauptung der Kommunisti-

schen Partei, die einzige legitime politische Kraft in der modernen Geschichte Vietnams dar-

zustellen, eine der wichtigsten Legitimationsquellen für ihren unverändert bestehenden Füh-

rungsanspruch.

Die von staatlicher Seite genau festgelegten Formen des Totengedenkens beruhen auf einer

prinzipiellen und scharfen Unterscheidung zwischen Soldaten, die unter Führung der KP Viet-

nams für die nationale Unabhängigkeit und die sozialistische Revolution kämpften, und denje-

nigen Vietnamesen, die auf der anderen Seite standen und somit aus dem Kreis der „Patrioten“

und legitimen Träger des Unabhängigkeitskampfes ausgeschlossen sind. Diesen Monopolan-

spruch hatte Le Duc Tho, der damalige stellvertretende Parteisekretär von Südvietnam, bereits

im Jahre 1949 definiert: „Sich dem Kommunismus zu widersetzen, heißt, sich dem Widerstand

zu widersetzen und sein Vaterland zu verraten.“ (chống cộng sản là chống kháng chiến, là phản

quốc).16 Dass Nguyễn Thái Học, dem Gründer der Vietnamesischen Nationalistischen Partei

(Việt Nam Quốc Dân Đảng), der nach dem fehlgeschlagenen Aufstandsversuch von Yên Bái

von den Franzosen festgenommen und guillotiniert worden war, posthum 1976 der Status liệt

sỹ verliehen wurde, ist in diesem Zusammenhang eine seltene Ausnahme von der Regel: Seine

politischen Erben wurden bereits ab 1946 von den Việt Minh zu „Feinden der Revolution“

erklärt; Việt Minh-Kader und Mitglieder von Guerillaverbänden, die im Kampf gegen die Việt

Nam Quốc Dân Đảng einen glorreichen Heldentod gestorben waren, hatten dagegen Anspruch

auf den Titel „revolutionärer Märtyrer“.17

Die Klassifizierung der mehr als 470.000 während des Krieges gegen Frankreich gefallenen

Soldaten war eine große Herausforderung für die Behörden in der DRV. 1962 erhielten mehr

als 11.000 Familien von „Märtyrern“ finanzielle Zuschüsse vom Ministerium für Kriegsver-

sehrte und Märtyrer.18 Bis in die 1960er Jahre führte das Ministerium in Zusammenarbeit mit

16 Christopher E. Goscha, Vietnam, S. 88. 17 Zur Việt Nam Quốc Dân Đảng und anderen politischen Parteien neben der KP Vietnams siehe François Guil-

lemot, Dai Viêt, indépendance et révolution au Viêt-Nam. L’échec de la troisième voie, 1938-1955, Paris 2012.

18 Siehe Benoît de Tréglodé, Heroes and Revolution, S. 134.

10

den Kadern auf lokaler Ebene umfangreiche Klassifizierungskampagnen durch. Familien von

als liệt sỹ eingestuften gefallenen Soldaten wurde in einer feierlichen Zeremonie eine Urkunde

mit dem Titel „Tổ quốc ghi công“, d.h. „Das Vaterland vergisst Euer Opfer nicht“ übereicht.

Mit dem Status als „Märtyrerfamilie“ (gia đình liệt sỹ) waren umfassende finanzielle Vergüns-

tigungen und andere Vorteile verbunden.19 So erhielten Kriegsversehrte, kranke Soldaten und

Märtyrerfamilien in unterschiedlicher Abstufung und je nach Bedürftigkeit Pensionen und bei

der Landreform (1954-1956) und der anschließenden Kollektivierung der Landwirtschaft (ab

1958) besondere Unterstützung (beschleunigte Umklassifizierung und Entschädigung bei der

Korrekturkampagne der fehlgeleiteten Landreform, prioritäre Zuteilung von Arbeitsaufträgen

in den landwirtschaftlichen Kooperativen). Außerdem sollten Kinder aus Märtyrerfamilien bei

der Aufnahme in Schulen und Universitäten sowie der Vergabe von Arbeitsplätzen und Stipen-

dien und bei der Gesundheitsversorgung bevorzugt behandelt werden. Vor allem Letzteres war

für das Fortkommen in der sozialistischen Gesellschaft in Nordvietnam, das nicht primär auf

den Fähigkeiten des Einzelnen, sondern auf seiner Klassenzugehörigkeit und dem Grad seiner

Loyalität gegenüber der Partei beruhte, von entscheidender Bedeutung.

Durch den revolutionären Totenkult legimitierte die DRV den Tod von Hunderttausenden von

Soldaten und Kadern als heroisches und verdienstvolles Opfer für den Kampf um die Unabhän-

gigkeit Vietnams und die sozialistische Revolution. Partei und Staat in Nordvietnam stärkten

ihre Kontrolle über die Bevölkerung und erhöhten ihre Legitimität durch die bevorzugte Be-

handlung der ihnen am treuesten ergebenen Personengruppen.20 Da die Vergabe des Status

19 Thông tư 86-TTg năm 1957 về việc sửa chữa sai lầm trong cải cách ruộng đất và chỉnh đốn tổ chức về việc

chấp hành chính sách ưu đãi gia đình liệt sĩ và các quân nhân cách mạng: quân nhân tại ngũ, thương bệnh binh, quân nhân giải ngũ và quân nhân phục viên [Rundschreiben 86-TTg aus dem Jahr 1957 zur Korrektur-kampagne während der Landreform und Reorganisation zur Durchführung der bevorzugten Behandlung von Familien mit revolutionären Märtyrern und revolutionären Soldaten: Soldaten im Dienst, Kriegsversehrte, entlassene und demobilisierte Soldaten], 13. März 1957, http://thuvienphapluat.vn/van-ban/Bat-dong-san/Thong-tu-86-TTg-sua-chua-sai-lam-trong-cai-cach-ruong-dat-chinh-don-to-chuc-chap-hanh-chinh-sach-uu-dai-gia-dinh-liet-si-quan-nhan-cach-mang/21001/noi-dung.aspx(aufgerufen am 19. Mai 2016); Nghị định, 27. Juli 1956; Thông tư về việc tặng thưởng bằng tổ quốc ghi công [Rundschreiben zur Auszeichnung mit der Auszeichnung „Das Vaterland vergisst Euer Opfer nicht“], 28. Mai 1956, http://thuvien-phapluat.vn/van-ban/Van-hoa-Xa-hoi/Thong-tu-47-TB-LS3-tang-thuong-bang-to-quoc-ghi-cong-23118.aspx (aufgerufen am 9. Mai 2016); Thông tư về việc giúp đỡ gia đình liệt sĩ, tử sĩ [Rundschreiben zur Unterstützung von Familien mit revolutionären Märtyrern und gefallenen Soldaten], 19. Okt. 1959, http://thu-vienphapluat.vn/van-ban/Van-hoa-Xa-hoi/Thong-tu-5815-TB-LS4-giup-do-gia-dinh-liet-si-tu-si/22876/noi-dung.aspx (aufgerufen am 19. Mai 2016); Chỉ thị về chính sách giúp đỡ thương binh, bệnh binh và gia đình liệt sĩ trong phong trào hợp tác hóa nông nghiệp [Direktive zur Politik der Unterstützung von Kriegsversehr-ten, kranken Soldaten und Märtyrerfamilien bei der Kollektivierung der Landwirtschaft], 14. Dezember 1959, http://thuvienphapluat.vn/van-ban/Van-hoa-Xa-hoi/Chi-thi-445-TTg-chinh-sach-giup-do-thuong-binh-benh-binh-gia-dinh-liet-si-phong-trao-hop-tac-hoa-nong-nghiep/55548/noi-dung.aspx (aufgerufen am 14. Juni 2016); Ngọc Thư, Một số chế độ ưu đãi cho người có công với cách mạng [Einige Regelungen zur bevorzugten Behandlung von Personen mit Verdiensten für die Revolution], 19. Dez. 2008, http://thuvien-phapluat.vn/van-ban/Lao-dong-Tien-luong/Quyet-Dinh-60-CP-bo-sung-chinh-sach-liet-si-va-gia-dinh-liet-si-53938.aspx (aufgerufen am 6. Juni 2016).

20 Siehe Benoît de Tréglodé, Heroes and Revolution, S. 138-143.

11

„Märtyrerfamilie“ auch mit enormen materiellen Vorteilen verbunden war, kam es bei der Klas-

sifizierung der Bevölkerung zu Unregelmäßigkeiten. Die zuständigen Behörden mussten des-

halb wiederholt die korrekte Anwendung der Kriterien anmahnen und insbesondere den Unter-

schied von liệt sỹ und gewöhnlichen Gefallenen (tử sĩ) in Erinnerung rufen.21 Bei Letzteren

handelte es sich zwar auch um Soldaten, die im Kampf gefallen waren oder durch Krankheit,

Unfälle etc. ums Leben kamen, doch fehlte ihrem Tod das heldenhafte, außergewöhnliche Mo-

ment.

1.2. Der Totenkult in der Praxis: Heldenfriedhöfe

Das Kriegsgedenken in Vietnam findet seinen sichtbaren Ausdruck in Tausenden von Helden-

friedhöfen (nghĩa trang liệt sỹ) und Denkmälern zu Ehren der Revolutionsmärtyrer, die über

das ganze Land verteilt sind. Vor Ausbruch des Krieges gegen die USA 1964 gab es auf dem

Gebiet der DRV bereits ca. 2.000 Friedhöfen, darunter acht größere Friedhofskomplexe. Da die

während des Krieges gegen die Franzosen Gefallenen in der Regel auf Friedhöfen in Dörfern

begraben waren und sterbliche Überreste in Vietnam traditionell drei Jahre nach dem Begräbnis

umgebettet wurden, begann die landesweite Anlegung von Heldenfriedhöfen am dritten Jah-

restag des Kriegsendes 1957.22

Auf dem 1956 errichteten nationalen Heldenfriedhof Mai Dịch in Hanoi zeigt sich deutlich die

Hierarchisierung des Totengedenkens in Vietnam. Auf diesem Friedhof sind vor allem hoch-

rangige Kader, Märtyrer, Soldaten, denen zu Lebzeiten die Auszeichnung „Held der bewaffne-

ten Streitkräfte“ verliehen worden war, und darüber hinaus Intellektuelle, denen der Hồ Chí

Minh-Preis zuerkannt worden war, beerdigt.23 Ein besonderer Ehrenplatz gebührt dabei den

Führern des vietnamesischen Befreiungskampfes wie dem langjährigen Parteichef Lê Duẩn.

Die weiteren Gräber spiegeln die verschiedenen Etappen im Kampf um die Unabhängigkeit des

Landes und der Meistererzählung wider, wie sie von der vietnamesischen Historiographie bis

heute propagiert wird. Den Märtyrerstatus erhalten diejenigen, die sich als Mitglieder der KP

Vietnams oder als Mitglied der mit diesen verbundenen bewaffneten Verbände Verdienste im

21 Thông tư về việc vận dụng tiêu chuẩn để xác nhận liệt sĩ [Rundschreiben zur Anwendung der Kriterien zur

Festlegung von revolutionären Märtyrern], 28. Nov. 1959, http://thuvienphapluat.vn/van-ban/Lao-dong-Tien-luong/Thong-tu-53-NV-TB-van-dung-tieu-chuan-xac-nhan-liet-si-21832.aspx (aufgerufen am 19. Mai 2016); Chỉ thị, 25. Februar 1960.

22 Siehe Benoît de Tréglodé, Heroes and Revolution, S. 150-155. 23 BBC Vietnamese, Nghĩa trang Mai Dịch hết chỗ [Auf dem Friedhof Mai Dich ist kein Platz mehr], 20. Nov.

2013, http://www.bbc.com/vietnamese/vietnam/2013/11/131120_maidich_cemetery (aufgerufen am 18. Nov. 2015).

12

(Grab von Lê Duẩn, Mai Dịch-Heldenfriedhof Hanoi)24

Unabhängigkeitskämpf und beim Aufbau des Sozialismus erworben haben. Für die Einstufung

als Märtyrer sind dabei nicht nur die Todesumstände, sondern, wie bereits erwähnt, auch die

politische Orientierung des jeweiligen Gefallenen von entscheidender Bedeutung. So folgen

nach den Parteiführern, Ministern und hochrangigen Militärs in der Bestattungshierarchie mitt-

lere Kader wie Nguyễn Ngọc Vũ, der erste Parteichef von Hanoi, der 1932 im Gefängnis Hỏa

Lò von den Franzosen zu Tode gefoltert worden war und dem als einer der ältesten Revolutio-

näre der Märtyrerstatus zuerkannt wurde. Ebenso findet man das Grab des Märtyrers Nguyễn

Mạnh Đạt, der ebenfalls als Parteichef von Hanoi 1945 in Vorbereitung der Augustrevolution

gefallen war. In den nationalen Heldenfriedhof Mai Dịch, der als letzte Ruhestätte für die Spit-

zen von Partei und Staat dient, ist außerdem einer der ältesten „klassischen“ Heldenfriedhöfe

integriert, auf dem Märtyrer aus dem Krieg gegen Frankreich begraben sind (siehe die beiden

Bilder auf der folgenden Seite).

24 Alle Bilder stammen vom Verfasser.

13

(Grab von Nguyễn Ngọc Vũ, Mai Dịch-Heldenfriedhof Hanoi)

(Grab von Nguyễn Mạnh Đạt, Mai Dịch-Heldenfriedhof Hanoi)

14

Im Zentrum des Friedhofes steht eine Stele mit den eingravierten Worten „Tổ quốc ghi công“

– „Das Vaterland vergisst Dein Opfer nicht“, wie man sie auf allen Heldenfriedhöfen Vietnams

findet.

(„Das Vaterland vergisst Dein Opfer nicht“,

Mai Dich-Heldenfriedhof Hanoi)

Nach dem Sieg 1975 ordnete der Ministerrat in Hanoi die landesweite Errichtung von Helden-

friedhöfen an.25 So wurde der Trường Sơn-Friedhof, der größte nationale Heldenfriedhof Viet-

nams, in der Nähe des Hồ Chí Minh-Pfades in der Provinz Quảng Tri mit einer Gesamtfläche

von 14 ha errichtet. Auf ihm liegen mehr als 10.000 Soldaten, die im Krieg gegen die USA und

die Republik Vietnam gefallen sind. Die Gräber sind nach der Heimatprovinz der Gefallenen

geordnet. Auf den Grabplatten sind neben dem Namen des Soldaten, seines Geburtsorts und -

jahrs, Dienstgrades und seiner Einheit sein Todestag und ein fünfzackiger gelber Stern auf ro-

tem Grund, der auch die vietnamesische Nationalflagge schmückt, eingraviert.26

25 Quyết định về việc bổ sung một số điểm về chính sách đối với liệt sĩ và gia đình liệt sĩ [Beschluss zur Ergän-

zung einiger Punkte bezüglich der Regelungen für revolutionäre Märtyrer und Familien mit revolutionären Märtyrern], 5. April 1976, http://thuvienphapluat.vn/van-ban/Lao-dong-Tien-luong/Quyet-Dinh-60-CP-bo-sung-chinh-sach-liet-si-va-gia-dinh-liet-si-53938.aspx (aufgerufen am 6. Juni 2016).

26 Vgl. Nguyen T. Hoa, Living with the Dead, S. 75.

15

(Nationaler Trường Sơn-Heldenfriedhof)

(Denkmal zur Erinnerung an 469 Märtyrer aus Hanoi,

Nationaler Trường Sơn-Heldenfriedhof)

16

Der nationale Heldenfriedhof der Nationalstraße 9 (nghiã trang quốc gia đường 9) wurde eben-

falls in der Provinz Quảng Trị an einer während des Krieges strategisch wichtigen Straße er-

richtet, die Vietnam mit Laos verbindet. Der Heldenfriedhof mit einer Gesamtfläche von 13 ha

wurde am 27. Juli 1997 am „Tag der Kriegsversehrten und Märtyrer“ eingeweiht und ist Ruhe-

stätte für 9.500 Märtyrer. Ähnlich wie auf dem Mai Dịch-Friedhof in Hanoi liegen auch auf

diesem Heldenfriedhof neben Soldaten, die im Kampf gestorben sind, einige altgediente Par-

teikader, die im Krieg für die vietnamesische Revolution ihr Leben geopfert haben.27 Auf dem

Friedhof sind auch Soldaten der vietnamesischen Volksarmee begraben, die auf dem Schlacht-

feld in Laos gefallen sind. So verkörpert eine der vier großen Statue mit einem Soldaten der

südvietnamesischen Befreiungsfront und einem Soldaten der laotischen Widerstandsbewegung

Pathet Lao die „Waffenbrüderschaft“ zwischen Vietnam und Laos und die „internationalisti-

sche Pflicht“, die Nordvietnam gegenüber seinem Nachbarn erfüllte.

(Vietnamesisch-laotische Waffenbrüderschaft,

nationaler Heldenfriedhof der Nationalstraße 9)

27 Anon., Nghĩa trang Liệt sỹ Quốc gia đường 9 [Der nationale Heldenfriedhof der Nationalstraße 9],

23. Juli 2015, http://hoitruongson.vn/Lich-su-truyen-thong/Gioi-thieu-ve-Nghia-trang-liet-sy-Quoc-gia-Duong-9.aspx (aufgerufen am 15. Juni 2016).

17

Seit Beginn der Reformpolitik sind in Vietnam zahllose staatliche Erinnerungsstätten an den

Kampf um die Unabhängigkeit und für die revolutionäre Sache entstanden. Hierzu zählen nicht

nur neue oder restaurierte Heldenfriedhöfe oder Denkmäler zu Ehren der gefallenen Soldaten,

sondern auch Gedenkstätten für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Sicherheitsapparates,

die seit 1945 im Kampf gegen Feinde der Revolution, gegen die französischen Kolonialisten

und die amerikanischen Imperialisten gefallen sind. So wurde im Jahre 2000 in der Provinz

Tuyên Quang nordwestlich die historische Gedenkstätte des Amtes für Öffentliche Sicherheit

eingeweiht (Khu Di tích lịch sử Nha Công An) – dem Vorläufer des seit 1953 bestehenden

Ministeriums für Öffentliche Sicherheit.

(Typisches Beispiel für eine monumentale Gedenkstätte,

Gedenkstätte des „Amtes für Öffentliche Sicherheit“, Provinz Tuyên Quang)

Die Namen der einzelnen Märtyrer des vietnamesischen Sicherheitsapparates sind in eine lange

Marmorwand gegenüber einem Museum eingraviert, das die Geschichte des Amtes bzw. des

Ministeriums für Öffentliche Sicherheit darstellt. Der vietnamesische Sicherheitsapparat, der

18

(„In ewiger Dankbarkeit für die Märtyrer der Volkspolizei“,

Gedenkstätte des „Amtes für Öffentliche Sicherheit“, Provinz Tuyên Quang)

während des Vietnamkrieges und noch bis zum Ende der DDR eng mit dem Ministerium für

Staatssicherheit zusammenarbeitete und unverändert eine der Hauptgaranten der Alleinherr-

schaft der KP Vietnams darstellt, betreibt auch in anderen Orten Vietnams eine sehr intensive

Traditionspflege, die ihre gefallenen Kämpfer in eine Reihe mit den gefallenen Soldaten stellt.

Auch hier wird deutlich, dass der Revolutionskult einer ausgewählten Gruppe von Märtyrern

gewidmet ist, die sich zu Lebzeiten politisch eindeutig auf Seiten der Revolution positionierten

und seither als Träger einer teleologischen, einzig von der KP Vietnams dominierten Ge-

schichtsentwicklung fungieren, in der andere konkurrierende Gruppierungen keinen Platz ha-

ben. So existieren in Vietnam keine Namenslisten von „einfachen Gefallenen“ – lediglich Mär-

tyrer, die sich als Soldat im Krieg oder als Vertreter des Sicherheitsapparats im Kampf gegen

19

Konterrevolutionäre diesen Status verdient haben, finden namentliche Erwähnung. Damit tritt

der „normale“ Gefallene in der öffentlichen Erinnerung in den Hintergrund und die Gefallenen

der „anderen Seite“ werden sogar aus der Erinnerung getilgt.28

(„In ewiger Dankbarkeit gegenüber den Helden und Märtyrern der Polizei der Hauptstadt

Hanoi“, Museum der Polizei der Stadt Hanoi)

Dieses staatliche Kriegsgedenken und der damit eng verzahnte Revolutionskult, die bestimmte

Gruppen der vietnamesischen Gesellschaft marginalisierten, wurden jedoch nach Kriegsende,

der Wiedervereinigung mit dem politisch sehr viel heterogeneren südlichen Landesteil und zu-

nehmend seit der Einleitung der Reformpolitik mit großen Herausforderungen konfrontiert, was

letztlich zu einer Pluralisierung und teilweisen Privatisierung des Totengedenkens in Vietnam

führte.

28 Vgl. Manfred Hettling, Einleitung. Nationale Weichenstellungen und Individualisierung der Erinnerung. Po-

litischer Totenkult im Vergleich, in: ders. u. Jörg Echternkamp (Hg.), Gefallenengedenken im globalen Ver-gleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München 2013, S. 41.

20

2. Die Ausdifferenzierung des Totengedenkens nach Kriegsende

2.1. Das Gedenken an die südvietnamesischen „Marionettensoldaten“

Die Hierarchisierung der Gefallenen und die Glorifizierung der Revolutionsmärtyrer als Vor-

bilder für alle waren und sind die Grundlage des staatlichen Kriegsgedenkens in Vietnam. Die

staatlich sanktionierten Gedenkformen marginalisierten jedoch die Kriegstoten, die nicht unter

den Status von liệt sỹ fallen – wie z.B. Jugendbrigaden, die vor allem am Hồ Chí Minh-Pfad

stationiert gewesen oder Zivilisten, die bei Massakern der US-Armee ums Leben gekommen

waren.29 Der Wunsch, eigene private Formen des Kriegsgedenkens zu entwickeln, konnte sich

zunehmend nach dem Ende des Vietnamkrieges 1975 und verstärkt nach Beginn der Reform-

politik 1986 entfalten, die auch mit der Schaffung von gesellschaftlichen Freiräumen verbunden

war.

Die Einbeziehung des Territoriums der früheren Republik Vietnam in das staatliche Kriegsge-

denken erwies sich vor allem deshalb als schwierig, weil im Gegensatz zum Norden vor allem

in den südvietnamesischen Dörfern die politischen Loyalitäten verteilt waren – häufig gingen

die Trennungslinien durch einzelne Familien: Während der eine Sohn für die Befreiungsfront

gegen die Amerikaner kämpfte, war sein Bruder in die Armee der Republik Vietnam eingezo-

gen worden. Und während insgesamt die nordvietnamesische Gesellschaft geschlossen hinter

dem Krieg gegen die USA stand, war das für Südvietnam vielbemühte Bild von Guerillas, die

wie die Fische im Wasser schwammen, sich also auf die ungeteilte Unterstützung der Bevölke-

rung verlassen konnten, schief: Einige Dorfbewohner unterstützten die Befreiungsfront, andere

bemühten sich in erster Linie zu überleben.30 Nach 1975 bestand die erste erinnerungspolitische

Herausforderung für die Sieger jedoch zunächst im Umgang mit den Verlierern: In den letzten

Kriegsjahren hatte die nordvietnamesische Führung wiederholt versprochen, nach dem erhoff-

ten Sieg über den Süden und die USA eine Politik der Wiederversöhnung mit dem früheren

Gegner einzuleiten. Dies war auch Bestandteil des Programms der Nationalen Befreiungsfront

Südvietnams. Ebenso gab die vietnamesische Tradition, mit dem Tod vorher bestehende Feind-

schaften abzulegen, zu Hoffnung Anlass, was das Kriegsgedenken an die gefallenen südvietna-

mesischen „Marionettensoldaten“ anging.31

29 Edward Miller, Across the Pacific and Back to Vietnam. Transnational Legacies and Memories of the Vi-

etnam War”, in: Akira Iriye and Robert David Johnson (Hg.), Asia Pacific in the Age of Globalization, New York 2014, S. 172-184.

30 Heonik Kwon, The Ghosts of the American War in Vietnam, in: The Asia-Pacific Journal: Japan Focus, Vol. 6, No. 1 (Jan. 2008), http://apjjf.org/-Heonik-Kwon/2645/article.html (aufgerufen am 12. Okt. 2015).

31 Vgl. das vietnamesische Sprichwort „Nghĩa tử là nghĩa tận“, das so viel bedeutet wie „Mit dem Tod hört alle Feindschaft auf.“

21

Tatsächlich entschied sich die Führung in Hanoi (und hatte sich bereits zu Kriegszeiten dafür

entschieden) für die “harte Option“, d.h. die Verdrängung und buchstäbliche Einebnung der

Erinnerung an das untergegangene Südvietnam.32 Im Einzelnen bedeutete diese Politik:

1. Die Einrichtung von Umerziehungslagern, in denen sich die Träger des geschlagenen Süd-

vietnams ihrer bürgerlichen Vergangenheit entledigen sollten, um zu wertvollen sozialistischen

Menschen zu werden.

2. Der Versuch der Entsorgung der südvietnamesischen und der als „westlich-dekadent“ klas-

sifizierten Kultur.

3. Die fortgesetzte Herabsetzung der Republik Vietnam und ihrer Armee als „Marionettenre-

gime“ (ngụy quyền) bzw. „Marionettenarmee“ (ngụy quân) bei gleichzeitiger Darstellung der

KP Vietnams als einzig legitime politische Kraft in der Geschichte Vietnams im 20. Jahrhundert.

4. Die Einebnung von Heldenfriedhöfen und Denkmäler der untergegangenen Republik Viet-

nam.33

So wurde als erste Maßnahme kurz nach dem Einmarsch der nordvietnamesischen bộ đội und

der südvietnamesischen Befreiungsfront am 30. April 1975 die Statue von zwei südvietname-

sischen Marines, die 1967 gegenüber dem damaligen Parlament in Saigon errichtet worden war,

von jugendlichen Unterstützern der Befreiungsfront niedergerissen.34 In den Wochen danach

zerstörten die Befreier weitere Gedenkstätten und schändeten Heldenfriedhöfe der geschlage-

nen südvietnamesischen Armee. Auf dem früheren Heldenfriedhof von Gò Vấp in Saigon häng-

ten sie ein Schild mit der Aufschrift „Hier liegen die Marionettensoldaten der Amerikaner,

nachdem sie für ihre Verbrechen bezahlt haben“ auf.35

1983 wurde schließlich auf Beschluss der Stadtverwaltung von Hồ Chí Minh-Stadt der Mạc

Đĩnh Chi-Friedhof, auf dem viele führende Politiker, Militärs und andere Persönlichkeiten der

Republik Vietnam beerdigt waren, dem Erdboden gleichgemacht. Auf dem Gelände wurde der

Lê Văn Tám-Park errichtet – benannt nach einem 14-jährigen revolutionären Märtyrer aus dem

Krieg gegen die Franzosen, der sich 1946 angeblich mit Benzin übergossen und angezündet

hatte, um als „lebende Fackel“ ein französisches Benzindepot in die Luft zu sprengen.36 Es ist

32 Vgl. hierzu die allgemeinen Überlegungen von Hettling, Einleitung. Nationale Weichenstellungen und Indi-

vidualisierung der Erinnerung. Politischer Totenkult im Vergleich, S. 35. 33 Martin Großheim, Der ‘gerechte Krieg‘, S. 158f. 34 Siehe die Bilderfolge in Nguyễn Ngọc Chính, Chuyện bức tử một bức tưọng [Die erzwungene Tötung einer

Statue], 13. März 2016, http://www.sggdpost.com/chuyen-buc-tu-mot-buc-tuong/ (aufgerufen am 16. Juni 2016).

35 Vgl. Nguyễn Công Luận, Nationalist in the Viet Nam Wars. Memoirs of a Victim Turned Soldier, Bloom-ington und Indianapolis 2012, S. 462.

36 Ursprünglich hieß der Friedhof Massiges oder “Europäischer Friedhof” – er bestand seit 1859. Vgl. Tim Doling, Le Van Tam Park – Former Massiges Cemetery, 1859, 23. September 2014, http://www.historicvi-etnam.com/former-massiges-cemetery/ (aufgerufen am 16. Juni 2016); Bùi Tín, Mặt Thật. Tôn ty trật tự cho

22

eine Ironie der Geschichte, dass diese neue Gedenkstätte, die ganz dem sozialistischen Revolu-

tionskult der Sieger verpflichtet war, auf tönernen Füssen stand: Der Märtyrer Lê Văn Tám,

nach dem viele Schulen, Straßen, Kinos und Parks in Vietnam benannt sind, war eine reine

Erfindung des früheren Propagandaministers Trần Huy Liệu.37

Der größte Heldenfriedhof der Republik Vietnam Biên Hòa war 1965 eingeweiht worden und

wurde auf einer Fläche von 125 ha die letzte Ruhestätte für ca. 16.000 gefallene südvietname-

sische Soldaten. Den Mittelpunkt des Friedhofs bildete ein über 40 m hoher Turm mit dem

Namen Nghĩa dũng (gerecht und tapfer), der von einer hohen Mauer aus Zement umgeben war.

Am Eingang zum Friedhofsareal stand die fünf Meter hohe Statue Thương tiếc (Trauer) eines

trauernden Soldaten, der in sitzender Position mit einem Gewehr im Schoß gewissermaßen den

Friedhof bewachte. Nach dem Sieg 1975 wurde der Friedhof dem vietnamesischen Verteidi-

gungsministerium unterstellt. Wie bei anderen Heldenfriedhöfen der untergegangenen Repub-

lik Vietnam kam es auch hier zu massiven Grabschändungen, die bis heute erkennbar sind.

(Geschändetes Grab auf dem früheren Heldenfriedhof Bien Hòa)

những xác chết [Das wahre Gesicht. Hierarchie bei den Leichen], http://vnthuquan.net/truyen/tru-yen.aspx?tid=2qtqv3m3237n1nnn2n31n343tq83a3q3m3237n2nnn (aufgerufen am 10. Jan. 2010); William Logan und Andrea Witcomb, Messages from Long Tan, Vietnam, in: Critical Asian Studies, Vol. 45, No. 2 (2013), S. 255-278, hier: S. 270.

37 GS Phan Huy Lê, ‘Anh hùng Lê Văn Tám’ hoàn toàn không có thật [Der Held Le Van Tam hat überhaupt nicht existiert], 16. Oktober 2009, http://www.vietnetcenter.com/content/view/28183/57 (aufgerufen am 18. Oktober 2010).

23

Die Statue Thương tiếc wurde gewaltsam niedergerissen und – so die Gerüchte – danach ein-

geschmolzen. Heute ist nur noch der massive Sockel der Statue erhalten; dieser befindet sich

aber mittlerweile außerhalb des Friedhofgeländes.38

Unter der direkten Verwaltung des Verteidigungsministeriums war der frühere südvietnamesi-

sche Heldenfriedhof nicht mehr für die Angehörigen zugänglich; ihnen wurde nicht mehr ge-

stattet, die Gräber ihrer verstorbenen Familienmitglieder zu pflegen, geschweige denn an wich-

tigen Festtagen wie dem Totengedenktag oder zum Neujahrsfest die in Vietnam obligatorischen

Zeremonien durchzuführen. So verfiel der größte Heldenfriedhof Südvietnams immer mehr,

die ganze Anlage mit den Gedenkstätten und Gräbern wurde von Gras überwuchert; zudem

wurden Tausende der Grabsteine aus Zement entwendet.39 Der Friedhof wurde von Soldaten

bewacht, die eigentlich den Zugang verwehren sollten, aber gelegentlich „ein Auge zudrück-

ten“, wenn Hinterbliebene die Gräber ihrer Angehörigen besuchen wollten. Seit der Öffnung

des Landes ab Anfang der 1990er Jahre nahm jedoch der Besuchswunsch weiter zu, als immer

mehr Auslandsvietnamesen, darunter viele südvietnamesische Kriegsveteranen, in ihre alte

Heimat kamen und die Gelegenheit zu einem Besuch des Friedhofs von Biên Hòa nutzen woll-

ten. Eine regelmäßige Pflege oder gar Restaurierung der Gräber war in dieser Phase jedoch

noch nicht möglich.40

Auf einem Besuch in seiner Heimat 2005 schlug der frühere südvietnamesische Vizepräsident

Nguyễn Cao Kỳ dem damaligen vietnamesischen Ministerpräsidenten Phan Văn Khải vor, dass

die Regierung im Sinne der Wiederversöhnung die Friedhöfe der früheren südvietnamesischen

Armee restaurieren und den Angehörigen die Pflege der Gräber erlauben sollte.41 Tatsächlich

kam in darauffolgenden Jahren eine erinnerungspolitische Wende: Der neue vietnamesische

38 Zur Geschichte des früheren Heldenfriedhofes Bien Hòa vgl. u.a. Nguyễn Ngọc Chính, Nghĩa tử là nghĩa tận:

Nghĩa trang Quân đội Biên Hòa [Im Tod hört die Feindschaft auf: der Soldatenfriedhof Bien Hoa], 4. Sept. 2012, http://chinhhoiuc.blogspot.de/2012/09/nghia-tu-la-nghia-tan-nghia-trang-quan.html (aufgeru-fen am 2. Dez. 2015); Tường An, Nghĩa trang Quân đội Biên Hòa ngày đó, bây giờ [Der Soldatenfriedhof Bien Hoa damals, heute], in: RFA 4. März 2013, http://www.rfa.org/vietnamese/in_depth/military-cemetary-bh-before-now-ta-04232013172101.html (aufgerufen am 16. Juni 2015); Anon., Nghĩa Trang Quân Đội Biên Hòa, Chuyện Kể Từ Đầu [Soldatenfriedhof Bien Hoa, die Geschichte von Anfang an erzählt], 1. Jan. 2015 https://ongvove.wordpress.com/2015/05/01/nghia-trang-quan-doi-bien-hoa-chuyen-ke-tu-dau/ (aufgerufen am 18. Nov. 2015).

39 Siehe die Vergleichsfotos in The Returning Casualty Blog, A Project of the Vietnamese American Founda-tion: Bien Hoa Cemetery: The Last of its Kind in Vietnam, http://vietremains.org/blog/?p=152 (aufgerufen am 23. Mai 2016).

40 Xuân Ba, Thanh minh ở Nghĩa trang Bình An [Feier zum Totengedenken und zur Grabpflege auf dem Fried-hof von Binh An], 30. April 2014, http://www.tienphong.vn/xa-hoi-phong-su/thanh-minh-o-nghia-trang-binh-an-701058.tpo (aufgerufen am 16. Juni 2015). Siehe außerdem Dan Southerland, Honoring the Dead, 23. Mai 2005, http://www.rfa.org/english/blog/vietnamblog/blog4_vietnam_southerland-20050715.html (aufgerufen am 23. Mai 2016) und Seth Mydans, A War Story's Missing Pages. Vietnam Forgets Those Who Lost, in: New York Times, 24. April 2000, http://www.nytimes.com/2000/04/24/world/a-war-story-s-miss-ing-pages-vietnam-forgets-those-who-lost.html?pagewanted=1 (aufgerufen 10. Nov. 2015).

41 Anon., Vietnam Ready to Restore South Vietnamese War Cemeteries, http://www.rfa.org/english/news/pol-itics/vietnam_wardead-20050126.html (aufgerufen 23. Mai 2016).

24

Ministerpräsident Nguyễn Tấn Dũng verfügte in einem Dekret die zivile Nutzung des Fried-

hofs, d.h. das Gebiet wurde der Verfügungsgewalt des Verteidigungsministeriums entzogen

und der Provinz Binh Duong unterstellt. Der wichtigste Passus des Beschlusses lautete, dass

der Friedhof Bien Hoa – nunmehr umbenannt in „Volksfriedhof Bình An“ – wie auch jeder

andere Friedhof vor dem Gesetz behandelt werden sollte.42 Die Entscheidung wurde von vielen

Vietnamesen im In- und Ausland begrüßt – u.a. vom früheren Ministerpräsidenten Võ Văn Kiệt,

der sich zuvor in Interviews offen für eine Wiederversöhnung mit dem früheren Kriegsgegner

eingesetzt hatte. Auf einem Staatsbesuch in den USA im Juli 2007 bekräftige der damalige viet-

(Volksfriedhof Bình An, 2016)

namesische Präsident Nguyễn Minh Triết den Beschluss der Regierung und betonte – sicherlich

auch an die in den USA lebenden Exilvietnamesen gerichtet –, dass nunmehr allen Hinterblie-

benen die Pflege und Restaurierung der Gräber auf dem früheren südvietnamesischen Helden-

friedhof gestattet sei.

42 Quyết định số 1568/QĐ-TTG của Thủ tướng Chính phủ: Về việc bàn giao đất khu vực nghĩa địa Bình An,

huyện Dĩ An, tỉnh Bình Dương, 2. Nov. 2006 [Beschluß Nr. 1568/QD-TTG des Ministerpräsidenten: Zur Übergabe von Land auf dem Gebiet des Friedhofs Binh An, Distrikt Di An, Provinz Binh Duong], http://van-ban.chinhphu.vn/portal/page/portal/chinhphu/hethongvanban?class_id=1&mode=de-tail&document_id=18035 (aufgerufen am 2. März 2016). Siehe außerdem BBC, Dân sư hoa nghıa trang Biên Hoa [Die Übergabe des Friedhofs Biên Hoa in zivile Verwaltung], http://www.bbc.co.uk/vietnamese/viet-nam/story/2007/01/printable/070110_bienhoa_cemetery.shtml (20. Okt. 2016).

25

Bemerkenswerterweise besuchte im gleichen Jahr der stellvertretende vietnamesische Außen-

minister Nguyễn Thanh Sơn zusammen mit Nguyễn Đặc Thành, dem Präsidenten der Vietna-

mese American Foundation (VAF), einer NGO aus den USA, den Friedhof Bình An und erwies

den Gefallenen durch das Anzünden von Räucherstäbchen die letzte Ehre. Zudem wurde der

VAF und anderen NGOs erlaubt, einige Hundert der verfallenen Gräber zu restaurieren.43 Dar-

über hinaus haben auch viele Hinterbliebene die Öffnung des Friedhofs für die Öffentlichkeit

genutzt, um die letzte Ruhestätte ihrer Familienangehörigen zu finden, zu restaurieren oder in

vielen Fällen völlig neue Gräber zu errichten.44 Die Anlegung von neuen Gräbern ist nach wie

vor in vollem Gange.

(Neues Grab auf dem heutigen Friedhof Bình An)

43 Trọng Thành, Dự án trùng tu Nghĩa trang Biên Hòa [Projekt zum Wiederaufbau des Friedhofes Bien Hoa],

Tạp chí Xã hội, http://vi.rfi.fr/viet-nam/20140430-du-an-trung-tu-nghia-trang-bien-hoa/ (aufgerufen am 16. Juni 2015). Zur Tätigkeit der VAF vgl. den The Returning Casualty Blog, http://viet-remains.org/blog/?p=152 (aufgerufen am 17. Juni 2016); Tường An, Nghĩa trang Quân đội Biên Hòa ngày đó, bây giờ [Der Soldatenfriedhof Bien Hoa damals, heute], in: RFA 4. März 2013, http://www.rfa.org/viet-namese/in_depth/military-cemetary-bh-before-now-ta-04232013172101.html (aufgerufen am 16. Juni 2015).

44 Thành Trung, Khoảng lặng nơi Nghĩa trang Nhân dân Bình An [Moment der Stille auf dem Volksfriedhof Binh An], 2. Febr. 2013, http://thanhnien.vn/chinh-tri-xa-hoi/38-nam-non-song-mot-dai/khoang-lang-noi-nghia-trang-nhan-dan-binh-an-30673.html (aufgerufen am 24. Mai 2016); T.T., Công viên và nghĩa trang nhân dân [Der Park und der Volksfriedhof], in: Thanh Nien, 13. Aug. 2007, http://www.than-hnien.com.vn/chao-buoi-sang/cong-vien-va-nghia-trang-nhan-dan-173497.html (aufgerufen am 16. Juni 2015).

26

(Neues Grab und alte Grabplatte auf dem heutigen Friedhof Bình An)

(Leere Gedenkplatte und Urne für Räucherstäbchen

vor der früheren Gedenkstätte Nghĩa dũng)

27

Zudem wurde vor der früheren Gedenkstätte Nghĩa dũng eine Gedenkplatte und ein verziertes

Gefäß für Räucherstäbchen sowie in den einzelnen Abschnitten des Friedhofareals weitere Al-

täre aufgestellt.45 Die neu errichtete Gedenkplatte enthält jedoch keinerlei Inschrift und er-

scheint damit vor allem im Verglich zu den Heldenfriedhöfen in Vietnam seltsam unvollendet.

Die Öffnung und Restaurierung des größten Heldenfriedhofs wird auch in der vietnamesischen

Presse in Vietnam thematisiert – wenn auch nicht in den offiziellen Parteiorganen wie Nhân

Dân, sondern in weniger orthodoxen Zeitungen wie Thanh Niên. Ebenso findet man in zahlrei-

chen Blogs von Vietnamesen aus dem In- und Ausland Berichte über ihre Besuche auf dem

Friedhof.46

Die Öffnung des früheren Heldenfriedhofes Biên Hòa kann zweifellos als ein wichtiger Schritt

zur Wiederversöhnung mit dem früheren Gegner gewertet werden. Auffallend ist in diesem

Zusammenhang auch, dass in den bereits erwähnten Artikeln der vietnamesischen Inlands-

presse auf die normalerweise üblichen pejorativen Begriffe „Marionettenregierung“ oder „-ar-

mee“ (ngụy quyền bzw. ngụy quân) zur Bezeichnung der Regierung und Armee der früheren

Republik Vietnam (Việt Nam Cộng Hòa) verzichtet wird und stattdessen sachlich die vietna-

mesische Abkürzung VNCH verwendet wird. Dennoch bedeutet dies kein grundsätzliches Ab-

gehen vom streng hierarchisierten Kriegsgedenken und dem seit den 1950er Jahren in Vietnam

praktizierten Revolutionskult: Diese sind unverändert integraler Bestandteil der Meistererzäh-

lung, wie sie z.B. in Geschichtslehrbüchern an Schulen und Universitäten in Vietnam propagiert

wird – inklusive der Abwertung der Republik Vietnam und ihrer Armee als Marionette und

politische Kraft ohne jegliche Legitimation.

Mit der Umwandlung in einen zivilen Friedhof hat der frühere Friedhof Biên Hòa auch offiziell

seinen Charakter als Heldenfriedhof verloren. Das Bild vom früheren Heldenfriedhof Biên Hòa

wird allerdings vor allem in Filmen auf Internetplattformen wie youtube verbreitet, in denen

Auslandsvietnamesen – häufig südvietnamesische Veteranen oder auslandsvietnamesische

Fernsehsender – von ihren Besuchen des Friedhofs berichten, propagiert und aufrechterhal-

ten.47 Zudem praktizieren einige der südvietnamesischen Kriegsveteranen, die in den USA ihre

45 Đỗ Trường, Nghĩa trang Nhân dân Bình An có bị giải tỏa? [Wird der Volksfriedhof Binh An aufgelöst?],

2. Mai 2013, http://thanhnien.vn/chinh-tri-xa-hoi/38-nam-non-song-mot-dai/nghia-trang-nhan-dan-binh-an-co-bi-giai-toa-30672.html (aufgerufen am 31. Mai 2016).

46 Vgl. z.B. Tuấn Nguyễn, Lưu Anh Dũng về thăm Nghĩa Trang Quân Đội Biên Hòa [Luu Anh Dung besucht den Soldatenfriedhof Bien Hoa], 23. Dez. 2015, http://ntqdbh.blogspot.de/2015/12/luu-anh-dung-ve-tham-nghia-trang-quan.html (aufgerufen am 23. Mai 2016); Nguyễn Lân Thắng, Những nấm mộ đi tù [Die gefan-genen Gräber], 25. Dez. 2012, http://ntqdbh.blogspot.de/2013/12/nhung-nam-mo-i-tu.html (aufgerufen am 23. Mai 2016).

47 Diese Filme haben sechsstellige Seitenaufrufszahlen. Vgl. z.B. den Film Chuyện tâm linh ở nghĩa trang Biên Hòa [Die Sache mit den Geistern auf dem Friedhof Bien Hoa], 9. Jan. 2013, https://www.y-outube.com/watch?v=FMJ0qejOn3g (aufgerufen am 17. Juni 2016).

28

neue Heimat gefunden haben, ein konkurrierendes und transnationales Kriegsgedenken. Dies

beinhaltet z.B. das Gedenken an die Märtyrer der Armee der Republik Vietnam gemäß einem

alternativen Festkalender bzw. eine konträre Interpretation von Festtagen, wie sie in Vietnam

gefeiert werden. Aus dem Tag der Befreiung, dem 30. April, wird so der „Tag der Schande“,

der Tag des Untergangs der Republik Vietnam, die in der Rückschau nostalgisch überhöht wird.

Außerdem plant ein Komitee, das sich aus südvietnamesischen Veteranen und anderen Südvi-

etnamesen zusammensetzt, in Kalifornien den Bau eines neuen Heldenfriedhofes Biên Hòa und

ruft hierfür zu Spenden auf. Der geplante Friedhof, von dem man sich bislang nur auf der Webs-

ite der Bürgerinitiative eine Vorstellung machen kann, ist deutlich dem ursprünglichen Helden-

friedhof Biên Hòa in Vietnam nachempfunden.48

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Wiederversöhnung wären gemeinsame Anstrengungen

der vietnamesischen Regierung bei der Suche auch nach den sterblichen Überresten von gefal-

lenen Soldaten der früheren Republik Vietnam, die noch in großer Zahl vermisst werden. Dies-

bezügliche Initiativen von Seiten exilvietnamesischer NGOs oder der US-Regierung, die finan-

zielle Unterstützungen von vermissten vietnamesischen Soldaten mit der Bedingung ver-

knüpfte, dass die vietnamesischen Stellen nach den sterblichen Überresten der Sieger und Ver-

lierer suchen sollten, wurden von Hanoi bislang abgelehnt.49 Auch die Suche nach den Gefal-

lenen des Vietnamkrieges orientiert sich also an einem hierarchisierten Kriegsgedenken. Es gibt

jedoch Anzeichen für die Differenzierung des Kriegsgedenkens in Vietnam und eine graduelle

Aufweichung der Prinzipien, die dem Revolutionskult zugrunde liegen.

2.2. Das Gedenken an die Gefallenen der militärischen Auseinandersetzungen gegen

China: „revolutionäre“ oder „nationale Helden“?

Während das staatliche Gedenken an die in den Kriegen gegen Frankreich und die USA gefal-

lenen Soldaten fest verankert ist, ist das offizielle Kriegsgedenken an die militärischen Ausei-

nandersetzungen gegen China sehr viel weniger ausgeprägt. Jahrestage wie der Fall von Điện

48 Vgl. die Website http://www.nghiatrangbienhoa.org/ (aufgerufen am 17. Juni 2016). 49 BBC Vietnamese, Không nên có điều kiện khi tım hai côt [Es sollte für die Suche nach sterblichen Überresten

keine Bedingungen geben], 7. Okt. 2011, http://www.bbc.com/vietnamese/vietnam/2011/10/111007_viets-pokeman_mias.shtml (aufgerufen am 24. Mai 2015); Nguoi Viet, Hà Nội nhất định không tìm hài cốt quân nhân VNCH [Hanoi (will) auf keinen Fall die sterblichen Überreste der Armeeangehörigen der Republik Vietnam suchen], 11. Juni 2011, http://www.nguoi-viet.com/absolutenm2/templates/viewartic-lesNVO.aspx?articleid=138118&zoneid=1 (aufgerufen 24. März 2016); Hà Mi, Nỗ lực tìm kiếm hài cốt quân nhân VNCH [Anstrengungen, die sterblichen Überreste der Armeeangehörigen der Republik Vietnam zu su-chen], 28. April 2010, http://www.bbc.com/vietnamese/vietnam/2010/04/100428_nguyen-dacthanh_mia.shtml (aufgerufen am 24. Mai 2016).

29

Biên Phủ oder die Befreiung Südvietnams werden feierlich begangen. Dagegen verstrichen ver-

gleichbare Jahrestage wie der 17. Februar, der Tag des Ausbruchs des Krieges gegen China,

der sich 2014 zum 35. Mal jährte, ohne dass entsprechenden Feierlichkeiten auf staatlicher

Ebene stattfanden.50 Die ambivalente und gewissermaßen gebremste Erinnerung an die Kriege

gegen China und der damit verbundene Totenkult kommen z.B. in diesen Tafeln von Gefallenen

auf einem Heldenfriedhof im Roten Fluss-Delta zum Ausdruck:

(Liste der Märtyrer gegen Frankreich und die USA,

Gemeinde Tân Trừong, Provinz Hải Dưong)

50 VietnamNet, Chiến tranh Biên giới 1979: Không thể quên lãng [Der Grenzkrieg von 1979 kann nicht in

Vergessenheit geraten] 17. Febr. 2014, http://vietnamnet.vn/vn/tuanvietnam/161648/chien-tranh-bien-gioi-1979--khong-the-quen-lang.html (aufgerufen 26. Nov. 2015).

30

(„Märtyrer bei der Verteidigung des Vaterlandes“)

Während die Märtyrer im Kampf gegen Frankreich und die USA auch als solche bezeichnet

werden (liệt sỹ chống Pháp bzw. liệt sỹ chống Mỹ), fehlt bei den offensichtlich im Krieg gegen

China 1979 und den darauffolgenden militärischen Auseinandersetzungen in den 1980er Jahren

gefallenen Soldaten der konkrete Hinweis auf China. Stattdessen ist nur allgemein von der

„Verteidigung des Vaterlandes“ (bảo vệ tổ quốc) die Rede. Ähnliches gilt für die Darstellung

des Krieges gegen die VR China in Schulbüchern und Museen – durchgängig ist hier lediglich

vom „Grenzkrieg im Norden“ die Rede; zudem nehmen die bewaffneten Konflikte mit China

nur einen sehr begrenzten Raum ein.51

Hintergrund ist das Bemühen des vietnamesischen Staates, die Beziehungen mit dem großen

Nachbarn im Norden China nicht durch ein zu offensives Kriegsgedenken zu belasten. Tatsäch-

lich gibt es Hinweise darauf, dass die vietnamesische Führung die Normalisierung der Bezie-

hungen zur Volksrepublik China 1990/1991 mit dem Zugeständnis bezahlen musste, den Jah-

restag des Kriegsausbruchs 1979 nicht feierlich zu begehen und generell das Kriegsgedenken

an die militärischen Auseinandersetzungen mit dem großen Nachbarn im Norden in den öffent-

lichen Medien auf ein Mindestmaß zu begrenzen.52 Ob Vietnam, das Anfang der 1990er Jahre

51 Chan, Yuk Wah, Language Power. Relational Rhetoric and Historical Taciturnity, in: Ho Khai Leong (Hg.),

Connecting and Distancing: Southeast Asia and China in Perspectives, Singapore 2009; S. 230-251, hier: S. 246-248.

52 Hoàng An Vĩnh, Trung Quốc ép Việt Nam không được tưởng niệm Chiến tranh biên giới 1979? [Übt China Druck auf Vietnam aus, nicht des Grenzkriegs von 1979 zu gedenken?], 4. Febr. 2014, http://viet-stu-dies.info/kinhte/EpKhongTuongNiem.htm (aufgerufen am 26. Nov. 2015); Đào Đức Thông, Xóa lịch sử

31

nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa seine wichtigsten Partner verloren

hatte, tatsächlich dieses Zugeständnis an China machte, lässt sich nicht abschließend belegen –

sicher ist jedoch, dass von Seiten Chinas Druck auf Vietnam ausgeübt wird, das Gedenken an

den „Erziehungsfeldzug“ 1979 und die Zusammenstöße in den 1980er Jahren stark einzu-

schränken.53

Auch als Reaktion auf die zurückhaltende staatliche Gedenkpraxis lassen sich in Vietnam nicht-

staatliche Gedenkaktivitäten von unten beobachten, die sich in den letzten Jahren vor dem Hin-

tergrund der Verschlechterung der Beziehungen zu China sogar noch weiter verstärkt haben.

Es gibt also Anzeichen für eine Pluralisierung der Gedenkkultur. So besuchen schon seit Jahren

Hinterbliebene den Heldenfriedhof von Vị Xuyên in der Provinz Hà Giang, wo im Juli 1984

bei einer Schlacht mit China ca. 600 vietnamesischen Soldaten gefallen waren. Viele der Initi-

ativen zur Pflege der Gräber und zur Errichtung von Gedenkstätten gehen nicht nur von den

direkten Hinterbliebenen, sondern auch von den überlebenden Veteranen aus, die jedes Jahr

den beschwerlichen Weg nach Vị Xuyên antreten, um am 12. Juli den Todestag ihrer gefallenen

Kameraden zu begehen.54

In vielen Blogs und anderen social media in Vietnam wird in den letzten Jahren vermehrt Druck

auf die Führung in Hanoi ausgeübt, dem Gedenken an die gegen China gefallenen vietnamesi-

schen Soldaten mehr Aufmerksamkeit zu schenken und diese ebenso zu ehren wie die Märtyrer

aus den vorherigen Kriegen gegen Frankreich. Damit verbunden sind Klagen über staatliche

Stellen, die das Kriegsgedenken unverändert zu steuern versuchen und deshalb z.T. private Ge-

denkpraktiken unterbinden. So wurde eine Gruppe von Veteranen, pensionierten Kadern und

politischen Aktivisten am 17. Februar 2013 daran gehindert, an der Zentralen Gedenkstätte des

vietnamesischen Märtyrers (đài tưởng niệm Bắc Sơn) gegenüber dem Hồ Chí Minh-Mausoleum

in Hanoi einen Kranz niederzulegen.55

chiến tranh biên giới 1979: Sự mang ơn ngu muội [Erase the History of the Border War 1979. Blind Grati-tude], Viêt Nam Thời Báo, 22. Febr. 2016, http://www.ijavn.org/2016/02/vntb-xoa-lich-su-chien-tranh-bien-gioi.html (aufgerufen am 8. Mai 2016); Bangkok Post, Vietnam in rare note of '79 China war, 17. Febr. 2015, http://www.bangkokpost.com/lite/news/477632/vietnam-in-rare-note-of-79-china-war (aufgerufen am 26. Nov. 2015); Mặc Lâm, Cuộc chiến biên giới phía Bắc có đáng được vinh danh? [Ist es der Grenzkrieg im Norden wert, geehrt zu werden?], 17. Febr. 2015, http://www.rfa.org/vietnamese/in_depth/is-north-war-be-honor-02172015051203.html (aufgerufen am 26. Febr. 2015).

53 Siehe vor allem Hoàng An Vĩnh, Trung Quốc ép Việt Nam không được tưởng niệm Chiến tranh biên giới 1979?

54 Hoàng Phương, Ước nguyện của những cựu binh mặt trận Vị Xuyên [Die Wünsche der Veteranen der Schlacht von Vi Xuyen], 12. Juli 2015, http://vnexpress.net/tin-tuc/thoi-su/uoc-nguyen-cua-nhung-cuu-binh-mat-tran-vi-xuyen-3247214.html (aufgerufen am 16. Juli 2015); Hà Hương. Trận chiến bảo vệ biên giới Vị Xuyên: Bi thương - hào hùng [Die Schlacht zur Verteidigung der Grenze von Vi Xuyen: hohe Verluste – tapfer und ehrenvoll], 11. Juli 2014, http://tuoitre.vn/tin/chinh-tri-xa-hoi/20140711/tran-chien-bao-ve-bien-gioi-vi-xuyen-bi-thuong---hao-hung/620533.html (aufgerufen am 16. Juli 2015).

55 Anon., Hà Nội: Ngăn cản không cho vào viếng đài liệt sĩ [Hanoi: am Besuch des Denkmals für die Märtyrer hindern], https://mbasic.facebook.com/notes/vi%E1%BB%87t-nam/h%C3%A0-n%E1%BB%99i-

32

Insgesamt gibt es im heutigen Vietnam jedoch größere Freiräume für das private Gedenken an

die Kriege gegen China, und der vietnamesische Staat sieht sich immer stärker dem Druck der

vietnamesischen Zivilgesellschaft ausgesetzt. Deutlich ist auch die verstärkte Thematisierung

der militärischen Auseinandersetzungen mit China in vietnamesischen Online-Zeitungen.56

Ein bezeichnendes Beispiel hierfür ist, dass das kurze Seegefecht zwischen der damaligen süd-

vietnamesischen Marine und der VR China im Januar 1974 in den letzten zwei Jahren eine

erinnerungspolitische Aufwertung erfahren hat: Bis Anfang 2014 hatten die vietnamesischen

Massenmedien überhaupt nicht über die Besetzung von Teilen der Paracel-Insel durch China

1974 berichtet, der die Ausweitung chinesischer Territorialansprüche im Südchinesischen Meer

einläutete. Im Januar 2014, also zum 40. Jahrestag des Seegefechts, berichteten nun zum ersten

Mal vietnamesische Zeitungen über dieses Tabuthema. Dabei lobten Sie den Heldenmut der 75

südvietnamesischen Soldaten, die „sich im Kampf gegen die chinesischen Invasoren geopfert

hatten“ – also mit Worten, die an die Berichterstattung über die revolutionären Helden erinnert,

die im Kampf gegen Frankreich oder die USA gefallen waren.57 Zudem veröffentlichen Zei-

tungen wie Thanh Niên sogar Bilder und Listen der gefallenen Soldaten – in den offiziellen

Parteimedien wie „Das Volk“ (Nhân Dân) oder „Zeitung der Volksarmee“ (Quân Đội Nhân

Dân) findet der Jahrestag der Seeschlacht von 1974 jedoch noch keine Erwähnung.58 Die Plu-

ralisierung des Kriegsgedenkens in den vietnamesischen Medien ist dennoch unübersehbar. Die

Zeitungen Thanh Niên gehen zwar noch nicht so weit, die von der chinesischen Marine getöte-

ten südvietnamesischen Soldaten 1974 als liệt sỹ zu bezeichnen, sondern sprechen stattdessen

von tử sĩ, also „normalen im Kampf gefallenen Soldaten“ oder von „nghĩa sĩ“, „Kämpfern für

die gerechte Sache“ – eine Bezeichnung, die bereits im 19. Jahrhundert für Widerstandskämpfer

ng%C4%83n-c%E1%BA%A3n-kh%C3%B4ng-cho-v%C3%A0o-vi%E1%BA%BFng-%C4%91%C3%A0i-li%E1%BB%87t-s%C4%A9/426485190767216/ (aufgerufen am 10. Dez. 2015).

56 Thanh Phương, Trọng Thành Đăng, Báo chí chính thức Việt Nam đăng nhiều bài kỷ niệm chiến tranh Việt-Trung 1979 [In der vietnamesischen Presse erscheinen viele Artikel zum Gedenken an den vietnamesisch-chinesischen Grenzkrieg von 1979], 17. Febr. 2015 http://vi.rfi.fr/20150217-vn-tq/ (aufgerufen am 23. Nov. 2015).

57 Nga Pham, Shift as Vietnam marks South China Sea battle, in: BBC News, 14. Januar 2014 http://www.bbc.com/news/world-asia-25709833 (aufgerufen am 14. März 2015); Thanh Niên online, Danh sách các quân nhân Việt Nam Cộng Hòa hi sinh trong Hải chiến Hoàng Sa 1974 [Liste der Armeeangehörigen der Republik Vietnam, die im Seegefecht von Hoang Sa 1974 den Heldentod starben], 9. Januar 2014, http://www.thanhnien.com.vn/chinh-tri-xa-hoi/hai-chien-hoang-sa/danh-sach-cac-quan-nhan-viet-nam-cong-hoa-hi-sinh-trong-hai-chien-hoang-sa-1974-5837.html (aufgerufen 12. Nov. 2015).

58 Thanh Niên online, Danh sách các quân nhân Việt Nam Cộng Hòa hi sinh trong Hải chiến Hoàng Sa 1974, [Liste der Armeeangehörigen der Republik Vietnam, die im Seegefecht von Hoang Sa 1974 den Heldentod starben], 9. Januar 2014, http://www.thanhnien.com.vn/chinh-tri-xa-hoi/hai-chien-hoang-sa/danh-sach-cac-quan-nhan-viet-nam-cong-hoa-hi-sinh-trong-hai-chien-hoang-sa-1974-5837.html (aufgerufen 12. Nov. 2015).

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gegen die französische Kolonialmacht verwendet wurde.59 Angesichts der Tatsache, dass die

frühere südvietnamesische Armee in der vietnamesischen Presse und Historiographie jedoch

bislang durchgängig als „Marionettenarmee“ bezeichnet wurde, kommt der Berücksichtigung

zumindest einiger südvietnamesischer Soldaten im Kriegsgedenken einer erinnerungspoliti-

schen Wende gleich.

Die Aufwertung der 1974 gefallenen südvietnamesischen Soldaten von Angehörigen einer il-

legitimen Marionettenarmee zu Helden, die ihr Leben im Kampf um heiliges vietnamesisches

Territorium gegeben haben, kommt noch stärker in den Plänen, in der Cam Ranh-Bucht in der

Provinz Khánh Hòa eine gemeinsame Gedenkstätte für die in den beiden Seegefechten mit

China 1974 und 1988 gefallenen vietnamesischen Soldaten zu errichten, zum Ausdruck.60 So

stellte der Vorsitzende des Allgemeinen vietnamesischen Gewerkschaftsbundes, auf dessen

Vorschlag die Gedenkstätte zurzeit errichtet wird, die Gefallenen von 1974 und 1988 auf eine

Stufe: „Die Soldaten, die in Hoàng Sa [1974] und in Gạc Ma [1988] gefallen sind, sind allesamt

Vorbilder für die Aufopferung für das Vaterland.“61 Hier deutet sich eine Umwertung des re-

volutionären Kriegsgedenkens, das das Eintreten für die nationale Unabhängigkeit bislang mit

dem für die sozialistische Revolution verband, in ein Kriegsgedenken, das primär die nationalen

Verdienste würdigt, an.

Es bleibt abzuwarten, wie der vietnamesische Staat auf Forderungen von Organisationen wie

dem vietnamesischen Historikerverband und vielen Bloggern nach einer stärkeren Berücksich-

tigung der 1974, 1979 sowie in den 1980er Jahren im Kampf gegen die VR China gefallenen

vietnamesischen Soldaten, und zwar auch Angehörigen der früheren Armee der Republik Vi-

etnam, im offiziellen Kriegsgedenken reagiert.62 Die Tatsache, dass die Führung in Hanoi eine

59 Vũ Trung, Khởi công khu tưởng niệm nghĩa sĩ Hoàng Sa [Beginn der Bauarbeiten für die Erinnerungsstätte

an die Kämpfer für die gerechte Sache von Hoang Sa], 17. Jan. 2016, http://vietnamnet.vn/vn/thoi-su/284988/khoi-cong-khu-tuong-niem-nghia-si-hoang-sa.html (aufgerufen am 6. Juni 2016).

60 Công Thi, Khởi công xây dựng Khu tưởng niệm Chiến sĩ Gạc Ma [Beginn der Bauarbeiten für die Erinne-rungsstätte an die Kämpfer von Gac Ma], in: Pháp luật TP Hồ Chí Minh, 12. März 2015, http://phapluattp.vn/thoi-su/khoi-cong-xay-dung-khu-tuong-niem-chien-si-gacma-536217.html (aufgerufen am 16. Dez. 2015); Minh Trí u. Lê Danh, Khởi công xây dựng Khu tưởng niệm Nghĩa sĩ Hoàng Sa [Beginn der Bauarbeiten für die Erinnerungsstätte an die „Kämpfer für die gerechte Sache von Hoang Sa], in: Nhân Dân, 17. Jan. 2016, http://www.nhandan.com.vn/tshs/theo-dong-thoi-su/item/28549302-khoi-cong-xay-dung-khu-tuong-niem-%E2%80%9Cnghia-si-hoang-sa%E2%80%9D.html (aufgerufen am 17. Jan. 2016); Vũ Trung, Khởi công khu tưởng niệm nghĩa sĩ Hoàng Sa.

61 Nguyễn Hưng - Nguyễn Đông, Xây đền tưởng niệm Gạc Ma là nguyện vọng toàn dân [Die Errichtung der Gedenkstätte für Gạc Ma ist der Wunsch des gesamten Volkes], 14. März 2014, http://vnexpress.net/tin-tuc/thoi-su/xay-den-tuong-niem-gac-ma-la-nguyen-vong-toan-dan-2963507.html (aufgerufen am 19. Juni 2016). Siehe auch das Interview Hồng Vân, Tượng đài của lòng dân [Die Statue ist der Wille des Volkes], 12. März 2015, http://nld.com.vn/cong-doan/tuong-dai-cua-long-dan-2015031222152155.htm (auf-gerufen am 19. Juni 2016).

62 Quỳnh Trang, GS Vũ Dương Ninh: 'SGK dứt khoát không được né tránh cuộc chiến tranh biên giới phía Bắc' [Professor Vu Duong Ninh: ‚Lehrbücher‘ sollten auf keine Fall den Grenzkrieg im Norden unerwähnt lassen], 21. Febr. 2016, http://vnexpress.net/tin-tuc/giao-duc/gs-vu-duong-ninh-sgk-dut-khoat-khong-duoc-ne-tranh-cuoc-chien-tranh-bien-gioi-phia-bac-3358153.html (aufgerufen am 21. Febr. 2016) und Phạm Thịnh. Đề nghị

34

deutlich verstärkte Berichterstattung zugelassen hat, zeigt, dass sie zumindest zu einem Teil

diesen Forderungen nachgekommen ist. Ob dies in Zukunft auch im offiziellen Kriegsgedenken

wie z.B. am Tag der Kriegsversehrten und Märtyrer seinen Niederschlag finden wird, wird sich

zeigen. Damit würde der vietnamesische Staat das verstärkte Gedenken seitens vieler Hinter-

bliebener für ihre im Kampf gegen China gefallenen Angehörigen sowie seitens alter Kampf-

genossen sanktionieren und aufwerten.

Schluss und Ausblick

Das Kriegsgedenken in Vietnam hat sich seit dem Kriegsende 1975 und verstärkt seit Einleitung

von Reformen Mitte der 1980er Jahre, in deren Verlauf auch größere gesellschaftliche Frei-

räume entstanden sind, differenziert. Diese Entwicklung geht einher mit einer allgemein zu

beobachtenden Ausweitung der Artikulationsmöglichkeiten innerhalb der vietnamesischen Ge-

sellschaft seit Beginn der Reformpolitik und der Öffnung Vietnams seit Anfang der 1990er

Jahren. Eine noch vor 1975 weitestgehend homogene (nord)vietnamesische Gesellschaft, die

staatliche Vorgaben entweder befolgte oder lediglich mit passivem Widerstand reagieren

konnte, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer heterogeneren, pluralistischeren Ge-

sellschaft gewandelt, die über unvergleichlich größere Informationsmöglichkeiten und Frei-

räume verfügt und bei der Kritik staatlicher Politik wie etwa einem unzureichenden Gedenken

an bestimmte Gruppen von Kriegsgefallenen viel selbstbewusster auftritt als in der „Vorreform-

zeit“. Ein wichtiges Phänomen ist in diesem Zusammenhang auch die Revitalisierung von reli-

giösen Zeremonien im privaten Rahmen, die zuvor vom Staat noch systematisch als „abergläu-

bische Praktiken“ bekämpft worden waren. Eine weitere Grundvoraussetzung für verstärkte

private Gedenkaktivitäten ist außerdem die größere Mobilität der vietnamesischen Gesellschaft

– erst seit Beginn der Reformzeit besteht in Vietnam Reisefreiheit innerhalb des Landes.

Während in den Anfangsjahren der DRV der sozialistische Staat das Deutungsmonopol über

den revolutionären Heldenkult und seine verschiedenen Ausformungen hatte, treten so immer

mehr gesellschaftliche Gruppen wie Veteranenverbände oder auch Organisationen von Aus-

đưa chiến tranh biên giới vào SGK tương xứng tầm vóc cuộc chiến [Vorschlag, den Grenzkrieg entsprechend der Bedeutung des Krieges in die Schulbücher aufzunehmen], 19. Febr. 2016, http://vtc.vn/de-nghi-dua-chien-tranh-bien-gioi-vao-sgk-tuong-xung-tam-voc-cuoc-chien.538.595479.htm (aufgerufen am 22. Febr. 2016).

35

landsvietnamesen als agents of remembrance auf den Plan, die auf privater Ebene das Kriegs-

gedenken für die gefallenen Soldaten praktizieren, die nicht ausreichend im staatlichen Erinne-

rungsprojekt berücksichtigt sind.63

Zudem lässt sich seit Beginn der Reformpolitik beobachten, dass viele vietnamesische Familien

die sterblichen Überreste von den Heldenfriedhöfen in Familiengräber umbetten, d.h. die Ge-

fallenen wurden aus der vom Staat kontrollierten Sphäre des revolutionären Kriegsgedenkens

in den privaten Bereich eines Totengedenkens zurückgeholt, in dem nicht in erster Linie revo-

lutionäre Verdienste, sondern die Seniorität und Stellung des Verstorbenen in der Familie be-

stimmend waren. Für Familien auf dem Gebiet der früheren Republik Vietnam bedeutete dies,

dass mittlerweile revolutionären Märtyrern gemeinsam mit gefallenen „Marionettensoldaten“

gedacht werden kann, die nicht für die „gerechte Sache“ gekämpft haben. Die Fotos von auf

beiden Seiten gefallenen Brüdern hängen über dem Ahnenaltar nebeneinander – das vom Staat

verordnete öffentlich hierarchisierte Kriegsgedenken wird damit im privaten Rahmen unterlau-

fen.64

Vor allem in Bezug auf die Erinnerung an die bei den militärischen Auseinandersetzungen ge-

gen China Gefallenen erscheint der vietnamesische Staat nicht mehr als der dominierende Ak-

teur. So ist typisch, dass im Juni 2016 ein Blogger die Einweihung eines Tempels zur Erinne-

rung an die verlustreiche Schlacht bei Vị Xuyên Jahre von 1984 ankündigte, deren Errichtung

ein privates Erinnerungsprojekt von Veteranen war und sich aus Spenden finanzierte. Dagegen

ist noch nicht mit dem Bau einer vom damaligen vietnamesischen Präsidenten bei seinem ersten

Besuch in Vị Xuyên 2015 versprochenen Gedenkstätte begonnen worden.65

Der auf privater Initiative beruhende Bau des Denkmals für die im Krieg gegen China gefalle-

nen Soldaten ist insofern ein Novum im Kriegsgedenken in Vietnam, als in Vietnam üblicher-

weise der Staat die Errichtung solcher Denkmäler initiiert und ihre Nutzung an bestimmten

Gedenktagen im Sinne des offiziellen revolutionären Heldengedenkens bestimmt. So wird ver-

ständlich, warum der staatliche Sicherheitsapparat sofort einschritt, als – wie erwähnt – eine

private Gruppe von Aktivisten am 17. Februar 2013 an der Zentralen Gedenkstätte des vietna-

mesischen Märtyrers in Hanoi einen Kranz niederlegen wollte.

63 Zum Begriff agents of remembrance vgl. Jay Winter und Emmanuel Sivan (Hg.), War and Remembrance in

the Twentieth Century, Cambridge 2000. 64 Heonik Known, The Ghosts of War in Vietnam, Cambridge 2013, S. 58-62, sowie ders., After the Massacre.

Commemoration and Consolation in Ha My and My Lai, Berkley 2006, S. 161-165. Siehe auch Thomas W. Laqueur, Memory and Naming in the Great War, in. J. R. Willis (Hg.), Commemorations. The Politics of National Identity, Princeton 1994, S. 151.

65 Anon., Sắp khánh thành 'đền tưởng niệm' Vị Xuyên [Der Tempel zum Gedenken an Vi Xuyen wird bald eingeweiht], 20. Juni 2016, http://www.bbc.com/vietnamese/vietnam/2016/06/160619_vixuyen_monu-ment_to_inaugurate (aufgerufen am 20. Juni 2016).

36

Mittlerweile ist jedoch gerade vor dem Hintergrund der Verschlechterung der Beziehungen zu

China die unzureichende Berücksichtigung der in den Kriegen gegen China Gefallenen im

staatlichen Kriegsgedenken in Vietnam in einem solchen Maß thematisiert worden, dass der

Staat weniger offensiv gegen privates Kriegsgedenken vorgeht.

Darüber hinaus beginnen sich in der Erinnerung an das Seegefecht zwischen der damaligen

südvietnamesischen Marine und der Volksrepublik China 1974 in Vietnam Gedenkformen her-

auszubilden, die nicht mehr den heldenhaften Kampf um die Unabhängigkeit in enger Verbin-

dung mit dem Einsatz für die Revolution feiern, sondern nur noch die Opfer für die Nation.

Eine ähnliche Aufwertung des Nationalismus bei gleichzeitiger Abwertung von der bislang do-

minierenden Revolution und Klassenkampf lässt sich auch in der Darstellung des anti-japani-

schen Befreiungskampfes in den Museen der Volksrepublik China beobachten.66 Außerdem

wird in China auch der Soldaten der nationalistischen Kuomintang gedacht, die im Kampf ge-

gen die Japaner den Heldentod gestorben sind. Auch wenn die Soldaten der roten Armee ein-

deutig die Mehrheit der Märtyrer stellen (ohne tatsächlich an der Mehrzahl der Kämpfe gegen

die Japaner beteiligt gewesen zu sein), finden sich auf einer Liste von 300 berühmten Märtyrern

immerhin 29 % Soldaten der Kuomintang – eine derartige Zahl von Märtyrern, deren Status

sich rein aus ihrem Nationalismus begründet, ist zurzeit in Vietnam noch undenkbar.67

Ebenso bleibt die prinzipielle Unterscheidung in revolutionäre Märtyrer und „normale Kriegs-

gefallene der Nation“ und damit die Hierarchisierung des revolutionären Kriegsgedenkens, wie

es sich in staatlichen Gedenkstätten und Heldenfriedhöfen manifestiert, in Vietnam bestehen.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Initiativen zur Pluralisierung der Gedenkkultur auf privater

Ebene Einfluss auf das staatliche Kriegsgedenken in Vietnam haben werden.68

66 Vgl. Rana Mitter, Old Ghosts, New Memories. China's Changing War History in the Era of Post-Mao Politics,

in: Journal of Contemporary History, Vol. 38, No. 1 (2003), S. 117-131 und ders. und Aaron Willia Moore, China in World War II, 1937–1945: Experience, Memory, and Legacy, in: Modern Asian Studies, Vol. 45 (2011), S. 225-240.

67 Ian Johnson, In Creating ‘Martyrs’ Day,’ China Promotes a Vision of the Past, 29. Sept. 2014, http://www.ny-times.com/2014/09/30/world/asia/in-creating-martyrs-day-china-promotes-a-vision-of-the-past.html?_r=0 (aufgerufen am 29. Juni 2016).

68 Vgl. als Beispiel Edyta Roszko, Commemoration and the State. Memory and Legitimacy in Vietnam, in: Sojourn: Journal of Social Issues in Southeast Asia Vol. 25, No. 1 (2010), S. 1-28.